01.400 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz zur Weiterversicherung von Arbeitnehmerinnen in der beruflichen Vorsorge Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats vom 16. Januar 2001

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht mit Antrag und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt einstimmig, dem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

16. Januar 2001

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Christine Beerli

2001-0239

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

An ihrer Sitzung vom 16. Januar 2001 griff die Kommission das Problem des unterschiedlichen Rentenaltes der Frauen im Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) und dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) auf, das sich seit anfangs 2001 stellt: Mit der 10. AHV-Revision wurde das Rentenalter der Frauen auf 63 erhöht, dasjenige in der beruflichen Vorsorge aber bleibt bis zur 1. BVG-Revision bei 62 Jahren.

Die Kommission stimmte einstimmig einem Antrag zu, dem Rat mittels Kommissionsinitiative gemäss Artikel 21ter Absatz 3 (GVG) den Entwurf für ein Bundesgesetz zu unterbreiten. Das Gesetz soll dringlich erklärt und bis Ende 2004 befristet werden.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage und Problemstellung

Mit der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen 10. AHV-Revision wurde u. a. auch das Rentenalter der Frauen auf 64 Jahre erhöht. Die Erhöhung wird in zwei Schritten vollzogen. Der erste Erhöhungsschritt wurde auf den 1. Januar 2001 realisiert und hob das Rentenalter der Frauen in der AHV auf 63 Jahre an. Im zweiten Schritt soll das Rentenalter der Frauen am 1. Januar 2005 auf 64 Jahre erhöht werden.

Frauen, die ihre Altersrente der AHV weiterhin mit 62 Jahren beziehen wollen, können dies im Rahmen des flexiblen Rentenalters tun. Sie haben dafür allerdings eine Rentenkürzung von 3,4 Prozent pro vorbezogenes Rentenjahr in Kauf zu nehmen.

Dies entspricht der halben Rentenkürzung für Männer. Diese Regelung betrifft die Frauen bis und mit Jahrgang 1947: Für jüngere Frauen gilt der gleiche Kürzungssatz wie für Männer. Ihre Rentenkürzung beträgt bei Gebrauch des flexiblen Rentenalters derzeit 6,8 Prozent pro vorbezogenes Rentenjahr.

In der beruflichen Vorsorge gilt für Frauen nach wie vor das Rentenalter 62. Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen in der AHV wurde zwar auch eine Anpassung der Altersgrenzen in der beruflichen Vorsorge diskutiert. Das Parlament verzichtete aber schliesslich darauf, weil allgemein erwartet wurde, dass die 1. BVG-Revision noch vor dem 1. Januar 2001 in Kraft treten könnte und die Angleichung der Rentenalter in der AHV und der beruflichen Vorsorge realisieren würde.

In der Zwischenzeit hat sich die 1. BVG-Revision verzögert. Der Bundesrat hat zwar die entsprechende Botschaft am 1. März 2000 verabschiedet, und das Geschäft wird zurzeit vom Nationalrat behandelt. Die Revision wird aber frühestens auf den 1. Januar 2003 in Kraft treten können. In der Zwischenzeit führen die unterschiedlichen Rentenalter in gewissen Fällen zu Problemen. Im einzelnen sind drei Fallgruppen zu unterscheiden.

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2.2

Folgen des unterschiedlichen Rentenalters in AHV und BV

2.2.1

Pensionierung mit 62 Jahren

Es wird zahlreiche Frauen geben, welche ihrer Lebensplanung eine Pensionierung mit 62 Jahren zu Grunde gelegt haben. Dies häufig nicht zuletzt, weil in diesem Zeitpunkt auch ihr Ehemann pensioniert wird. Diese Frauen können ihre Altersrente der AHV mit 62 Jahren beziehen, wobei sie die Rentenkürzung von 3,4 Prozent in Kauf nehmen müssen. Gleichzeitig erreichen sie das gesetzliche Rentenalter des BVG und haben Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente der beruflichen Vorsoge.

2.2.2

Pensionierung mit 63 Jahren in einer ausgebauten Pensionskasse

Rund die Hälfte aller Frauen sind in einer Pensionskasse versichert, welche ein flexibles Rentenalter kennt. In diesen Vorsorgeeinrichtungen spielt die Flexibilität in der Regel nicht nur für die Zeit vor dem 62. Altersjahr, sondern häufig auch zwischen dem 62. und dem 65. Altersjahr. Arbeiten die Frauen, die einer solchen Vorsorgeeinrichtung angeschlossen sind, länger als bis zur Vollendung des 62. Altersjahres, so wird ihr Umwandlungssatz1 entsprechend erhöht.

Frauen, die einer Vorsorgeeinrichtung mit einem derart flexiblen Rentenalter angehören und die sich mit 63 Jahren pensionieren lassen, erhalten die ungekürzte Altersrente der AHV und eine erhöhte Rente der beruflichen Vorsorge. Etliche Vorsorgeeinrichtungen haben ihre Reglemente auf den 1. Januar 2001 gerade im Hinblick auf die Erhöhung des Rentenalters der Frauen in der AHV entsprechend angepasst.

2.2.3

Pensionierung mit 63 Jahren in einer BVG-Minimalkasse

Das flexible Rentenalter existiert nur in der überobligatorischen beruflichen Vorsorge. Es kann mit anderen Worten auf Grund der geltenden Bestimmungen keine Pensionskasse gezwungen werden, ihr Reglement an die Erhöhung des Rentenalters der Frauen in der AHV anzupassen. Ist eine Frau einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen, welche nur die Minimalleistungen gemäss BVG erbringt, und möchte sie aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen bis zum 63. Altersjahr weiterarbeiten, so steht sie vor dem Problem, dass sie ihre Rente der beruflichen Vorsorge beziehen muss, auch wenn sie das nicht will. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Kumulation von Einkommen und Rente der beruflichen Vorsorge insbesondere in steuerlicher Hinsicht nachteilig ist.

1

Der Umwandlungssatz ist die mathematische Formel zur Umrechnung des Altersguthabens in eine jährliche Altersrente(Altersguthaben*7,2 %=Jahresrente).

Bsp. Ein Altersguthaben von 100 000 Franken ergibt eine Jahresrente von 7200 Franken.

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2.3

Lösungsansätze

2.3.1

Empfehlungen des Bundesamtes für Sozialversicherung und des Schweizerischen Pensionskassenverbandes (ASIP)

Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat vergangenen August den Vorsorgeeinrichtungen empfohlen, den Frauen, die das wollen, die Weiterversicherung bis zum 63. Altersjahr zu ermöglichen und die Reglemente entsprechend anzupassen.

Diese Empfehlung wurde vom Schweizerischen Pensionskassenverband (ASIP) übernommen, welche sie seinerseits an die ihm angeschlossenen Vorsorgeeinrichtungen gerichtet hat. Zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen haben diese Empfehlungen befolgt. Eine Umfrage bei wichtigen Berufsvorsorgeträgern unter Aufsicht des BSV hat ergeben, dass diese für die betroffenen Frauen pragmatische Lösungen anbieten.

Bei den befragten Sammelstiftungen hat der (nicht paritätisch zusammengesetzte) Stiftungsrat darauf verzichtet, unter Umgehung des paritätischen Organs auf Ebene Vorsorgewerk das reglementarische Rücktrittsalter für Frauen auf 63 Jahre zu fixieren. Zusammengefasst werden folgende Lösungen angeboten, mit geringen Abweichungen unter den befragten Einrichtungen: ­

Rentenbezug ab 62

­

Bezug der BVG-Rente ab 62. Altersjahr und Weiterführung der überobligatorischen Versicherung

­

Umwandlung des Altersguthabens in Rente unter Aufschub der Auszahlung

­

Beitragsfreier Aufschub um ein Jahr mit Verzinsung und entsprechender Erhöhung des Umwandlungssatzes

­

Weiterführung der Versicherung zu gleichen Bedingungen wie bisher mit Sparen und

­

Risikoschutz

­

Weiterführung der Versicherung mit Sparen ohne Risikoschutz.

Nach Schätzungen des BSV dürften 2001 rund 6400 Frauen, welche in der beruflichen Vorsorge versichert sind, das 62. Altersjahr vollenden. Es ist davon auszugehen, dass das Problem der unterschiedlichen Rentenalter zwar für eine stattliche Anzahl der betroffenen Frauen befriedigend gelöst ist; es wird jedoch eine grössere Gruppe von Frauen geben, welche durch das unterschiedliche Rentenalter im AHVG und im BVG Nachteile in Kauf nehmen müssten.

2.3.2

Gesetzliche Regelung zur Weiterversicherung von Arbeitnehmerinnen in der beruflichen Vorsorge

Die Anpassung des Frauenrentenalters der beruflichen Vorsorge an jenes der AHV soll in der 1. BVG-Revision realisiert werden. Aus folgenden Gründen ist es nicht sinnvoll, diesen Punkt aus der laufenden Revision herauszubrechen: ­

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In der 1. BVG-Revision soll der Umwandlungssatz an die Verlängerung der Lebenserwartung angepasst werden. Diese Anpassung überlagert sich mit der Anpassung an die Erhöhung des Rentenalters. Ein Vorziehen würde Komplikationen schaffen.

­

Die Vereinheitlichung des Rentenalters soll im Rahmen eines ausgebauten flexiblen Rentenalters in der beruflichen Vorsorge diskutiert werden. Diese Diskussion ist komplex und kann nicht im Rahmen einer Sofortmassnahme geführt werden.

­

Zahlreiche Frauen haben ihre Lebensplanung auf eine Pensionierung mit 62 Jahren ausgerichtet und sind bereit, eine Rentenkürzung in der AHV in Kauf zu nehmen. Sie sollen aber nicht mit einer unerwarteten Kürzung ihrer BVG-Rente um rund 6 Prozent konfrontiert werden.

Aus diesen Gründen ist eine vorzeitige Anhebung des Rentenalters in der beruflichen Vorsorge nicht der richtige Weg. Der Entwurf sieht daher vor, die Vorsorgeeinrichtungen zu verpflichten, Frauen, die bis zum 63. Altersjahr weiter arbeiten wollen, auch weiterhin zu versichern.

2.3.3

Dringlichkeit

Die Verwaltung ging offenbar davon aus, dass sich das Problem der unterschiedlichen Rentenalter in der AHV und der beruflicher Vorsorge mit den Empfehlungen des Bundesamtes für Sozialversicherung und des Schweizerischen Pensionskassenverbandes lösen liesse. Die Erfahrungen zeigen nun, dass diese Erwartung falsch war. Dadurch entsteht ein dringender Handlungsbedarf, sollen für die betroffenen Frauen Verschlechterungen vermieden werden. Eine rasche Klärung liegt aber auch im Interesse der Vorsorgeeinrichtungen und der Arbeitgeber, wird doch das Problem der Rückabwicklung von Renten oder auch nur die Nachzahlung von Beiträgen mit jedem Monat grösser.

2.3.4

Dritte Säule

Ein analoges Problem stellt sich im übrigen auch in der Dritten Säule. Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV3)2 ist für die Auszahlung der Leistungen und die Steuerbefreiung das Rentenalter gemäss BVG massgebend. Durch Änderung der BVV3 soll bereits für das Jahr 2001 das Rentenalter der AHV massgebend erklärt werden.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Titel und Ingress Mit diesem Gesetz soll das Rentenalter in der beruflichen Vorsorge nicht geändert werden (siehe Kapitel 2.3.2). Es soll aber ein Anspruch auf Weiterversicherung in der 2. Säule für Frauen geschaffen werden, die auf Grund der Erhöhung des Rentenalters in der AHV bis zum 63. Altersjahr erwerbstätig sind.

2

SR 831.461.3

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Artikel 1 Frauen, die bis zum Erreichen des Rentenalters in der AHV erwerbstätig sind, haben einen Anspruch auf Weiterversicherung in der beruflichen Vorsorge, wenn sie die allgemeinen gesetzlichen oder reglementarischen Bestimmungen der Unterstellung erfüllen. Vorbehältlich einer günstigeren reglementarischen Regelung müssen sie insbesondere mindestens ein Einkommen in der Höhe der maximalen jährlichen Altersrente (24 720 Fr.) erzielen, um der beruflichen Vorsorge unterstellt zu werden.

Artikel 2 Frauen, welche sich weiter versichern, erhalten zusätzliche jährliche Altersgutschriften in der Höhe von 18 Prozent des koordinierten Lohnes (= Brutto-Lohn abzüglich Koordinationsabzug von 24 720 Fr.). Ihr Altersguthaben erhöht sich entsprechend.

Technisch gesehen stellt die Weiterversicherung bei gleichbleibendem gesetzlichem Rentenalter einen Aufschub der Altersrente dar. Der Umwandlungssatz ist daher entsprechend anzupassen. Diese Anpassung ist in den Reglementen der Vorsorgeeinrichtungen vorzunehmen. In seiner Mitteilung über die berufliche Vorsorge vom 5. Februar 1988 hat das BSV für Frauen, welche die Rente erst mit 63 Jahren beziehen, einen Umwandlungssatz von 7,4 (statt 7,2) Prozent empfohlen.

Artikel 3 Erwerbstätige Frauen, deren Unterstellung unter die berufliche Vorsorge mit Vollendung des 62. Altersjahres beendet worden ist, können sich der Versicherung wieder unterstellen. Sie können allenfalls bereits bezogene Renten zurückzahlen und geschuldete Beiträge nachbezahlen. Gemäss Artikel 66 BVG muss der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der geschuldeten Beiträge bezahlen.

Artikel 4 Das Gesetz soll dringlich erklärt werden. Die zeitliche Dringlichkeit ergibt sich in erster Linie aus Artikel 3. Rückabwicklungen sollen möglichst beschränkt werden, da sie für alle Beteiligten mit Mehraufwand verbunden sind. Durch ein rasches Inkrafttreten der Regelung kann die Zahl der Fälle gering gehalten werden und dort, wo es zu einer Rückabwicklung kommt, bleibt die zeitliche Dimension übersehbar.

Das Gesetz soll bis zum Inkrafttreten der 1. BVG-Revision, längstens aber bis zum 31. Dezember 2004 gelten.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Es sind keine speziellen finanziellen oder personellen Auswirkungen für die öffentliche Hand zu erwarten.

5

Verfassungsmässigkeit

Das Bundesgesetz stützt sich auf Artikel 113 Absatz 1 der neuen Bundesverfassung.

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