01.052 Botschaft über die Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen gemäss Artikel 14 des Internationalen Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 29. August 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Anerkennung der Zuständigkeit des UNO-Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen gemäss Artikel 14 des Internationalen Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. August 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11593

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0703

5927

Übersicht Am 2. März 1992 hatte der Bundesrat den Eidgenössischen Räten die Botschaft zur Genehmigung des Internationalen Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung unterbreitet. Dieses Übereinkommen, mittlerweile von 158 Vertragsstaaten ratifiziert, ist eines der am breitesten akzeptierten Übereinkommen auf universeller Ebene. 34 Staaten haben zudem das darin vorgesehene fakultative individuelle Mitteilungsverfahren nach Artikel 14 angenommen und weitere werden alsbald folgen.

Für die Schweiz ist das Übereinkommen am 29. Dezember 1994 in Kraft getreten, nachdem mit der Revision des Strafrechts das schweizerische Rechtssystem den Anforderungen des Übereinkommens nachgekommen ist. Dessen Anliegen erschöpft sich aber nicht allein in der strafrechtlichen Erfassung bestimmter rassendiskriminierender Akte, sondern es will einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz im Kampf gegen jede Form des Rassismus verwirklichen. Dazu zählt in erster Linie die Wahrung der Rechte der Opfer von rassendiskriminierenden Akten.

Auch wenn das individuelle Mitteilungsverfahren subsidiären Charakter aufweist und erst nach Durchlaufen der nationalen Instanzen zum Tragen kommt, muss den Opfern von rassistischer oder fremdenfeindlicher Diskriminierung und Intoleranz dieser Weg schon im Interesse der Glaubwürdigkeit der schweizerischen Menschenrechtspolitik eröffnet sein. Bereits heute ist die Schweiz durch ihr nationales Recht, namentlich Artikel 8 der Bundesverfassung, sowie die vielfache Einbindung in universelle und regionale Menschenrechtsverträge verpflichtet, jede Form von Diskriminierung aktiv zu bekämpfen. Eine glaubwürdige Aussenpolitik der Schweiz beim weltweiten Einsatz für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfordert nicht zuletzt auch die konsequente Umsetzung und Durchsetzung juristischer Instrumente im eigenen Land. Die Schweiz bekräftigt damit ihre bereits mehrfach geäusserte Absicht, aktiv im Kampf gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz vorzugehen.

5928

Botschaft 1

Einleitung

1.1

Die Bekämpfung des Rassismus

Jedem Menschen kommt unbesehen seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, Abstammung und nationaler oder ethnischer Herkunft in gleicher Weise menschliche Würde zu.

Dieses fundamentale Gebot hat gerade für ein Land, welches sich einer grossen kulturellen Vielfalt rühmt, ganz besondere Bedeutung. Seit jeher ist die Schweiz den Prinzipien der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung verpflichtet, und der Bundesrat konnte bereits in seiner damaligen Botschaft über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung auf eine ganze Reihe internationaler Übereinkommen und Erklärungen verweisen, denen die Schweiz bereits verpflichtet war oder sich eben anschickte Mitglied zu werden1.

In den letzten Jahren hat der Menschenrechtsschutz im allgemeinen und das Verbot der Rassendiskriminierung im besonderen auf nationaler und internationaler Ebene verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Einen deutlichen Ausdruck findet dies zunächst in der am 18. April 1999 von Volk und Ständen angenommenen und am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung2. Diese verankert in ihrem Grundrechtekatalog (Art. 7­36 BV) neben wichtigen Grundrechten wie etwa dem Recht auf Leben und persönliche Freiheit, in den Bestimmungen von Artikel 7 (Wahrung der Menschenwürde) und 8 (allgemeines Diskriminierungsverbot) wichtige verfassungsrechtliche Grundlagen für den Kampf gegen den Rassismus.

Auf internationaler Ebene hat die Schweiz ihr Engagement in den letzten Jahren durch den Beitritt zu den wichtigsten Menschenrechtskonventionen der UNO verstärkt. Zu erinnern ist auf universeller Ebene in erster Linie an die beiden UNOMenschenrechtspakte vom 16. Dezember 1966, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (nachfolgend UNO-Pakt I) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (nachfolgend UNO-Pakt II), die für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft getreten sind3. Beide Pakte verpflichten die Staaten, eine Ausübung der in ihnen niedergelegten Rechte ohne Diskriminierung zu gewährleisten (Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I; Art. 2 Abs. 1 und Art. 26 UNO-Pakt II). Darüber hinaus ist die Schweiz Vertragsstaat weiterer wichtiger Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte geworden, die sich besonderen
Erscheinungsformen von Diskriminierungen widmen. Zu erwähnen sind namentlich das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 19894 mit seinem Artikel 2 oder das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 19795. Ferner verbieten die Genfer Konventionen von 1949 mit ihrem Gemeinsamen Artikel 3 ebenfalls Diskri1

2 3 4 5

Vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision (BBl 1992 III 269), Ziff. 21.

SR 101 (BBl 1999 5986, AS 1999 2555 ff.)

SR 0.103.1 (AS 1993 725) und SR 0.103.2 (AS 1993 750) SR 0.107 (für die Schweiz am 26. März 1997 in Kraft getreten).

SR 0.108 (für die Schweiz am 26. April 1997 in Kraft getreten).

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minierungen. Schliesslich beschlossen die Eidgenössischen Räte am 24. März 2000 dem Übereinkommen von 9. Dezember 1948 über die Verhütung des Völkermordes beizutreten sowie die entsprechende Revision des Strafrechts einzuleiten6; das Übereinkommen ist am 6. Dezember 2000 für die Schweiz in Kraft getreten.

Auch auf regionaler Ebene ist die Schweiz an verschiedene Übereinkommen zum Schutze der Menschenrechte gebunden. Dabei nimmt die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)7 eine zentrale Stellung ein. Die schweizerischen Gerichte beziehen sich in ihren Entscheiden immer häufiger auf deren Bestimmungen. Zusätzlich sind für die letzten Jahre namentlich die beiden folgenden regionalen Instrumente zu erwähnen: Zum einen die Europäische Charta vom 5. November 1992 über die Regional- und Minderheitensprachen, welche am 23. Dezember 1997 ratifiziert wurde und für die Schweiz am 1. April 1998 in Kraft getreten ist8, und zum anderen das Rahmenübereinkommen des Europarates vom 1. Februar 1995 zum Schutz der nationalen Minderheiten, welches am gleichen Tag von der Schweiz unterzeichnet und am 21. Oktober 1998 ratifiziert wurde, und für die Schweiz am 1. Februar 1999 in Kraft getreten ist9.

Die Schweiz beteiligt sich ausserdem aktiv an den Bemühungen, die auf internationaler Ebene bereits bestehenden Kontrollmechanismen zur Einhaltung der Menschenrechte zu stärken und deren Ausbau zu fördern10. Im vorliegenden Kontext ist etwa die Zusammenarbeit der Schweiz mit den internationalen Kriegsverbrechertribunalen zu erwähnen, dem am 25. Mai 1993 geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien (ICTY) in Den Haag sowie dem Internationalen Tribunal für Ruanda (ICTR) vom 8. November 1994. Die Verfolgung der in Ruanda und dem ehemaligen Jugoslawien oft aus rassistischen Gründen begangenen Verbrechen, trägt indirekt zur Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeglicher Form von Rassendiskriminierung bei11. Darüber hinaus hat sich die Schweiz von Anfang an aktiv für die Schaffung des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs eingesetzt12.

6 7 8 9 10

11

12

Siehe Botschaft betreffend das Übereinkommen über die Verhütung des Völkermordes sowie die entsprechende Revision des Strafrechts, BBl 1999 5327.

SR 0.101 Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates (BBl 1997 I 1165) und den Bundesbeschluss zur Genehmigung (BBl 1997 I 1180).

Vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 19. November 1997 (BBl 1998 1293).

Vgl. hierzu etwa den Aussenpolitischen Bericht 2000 «Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt» vom 15. November 2000 (BBl 2000 2363), Ziff. 3.2.2.2. sowie den Bericht des Bundesrates über die Menschenrechtspolitik der Schweiz vom 16. Februar 2000 (BBl 2000 2586), Ziff. 2.1 und 2.2.2.

Siehe dazu etwa den Bundesbeschluss über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung von schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts vom 21. Dezember 1995 (SR 351.20).

Der Bundesrat hat am 15. November 2000 die Botschaft über das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof sowie eine Revision des Strafrechts verabschiedet (vgl.

BBl 2001 391 ff.).

5930

1.2

Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965

1.2.1

Die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen

Die Schweiz hat am 29. November 1994 mit ihrem Beitritt zum internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (nachfolgend «Übereinkommen» genannt) bekräftigt, dass rassistisches und menschenverachtendes Verhalten in der Schweiz nicht toleriert wird13. Für die Schweiz trat das Übereinkommen am 29. Dezember 1994 in Kraft14.

Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten zur Ergreifung konkreter Massnahmen zur aktiven Bekämpfung von Rassendiskriminierung und rassistischen Vorurteilen. Dabei umschreibt es in Artikel 2 die Verpflichtungen der Vertragsstaaten in allgemeiner Form und konkretisiert diese in den Artikeln 3­7 teilweise. Soweit sich die vorliegende Botschaft auf die Grundlagen des Übereinkommens bezieht, sei bezüglich des Anwendungsbereichs sowie der Art und Tragweite der für die Schweiz entstandenen Verpflichtungen auf die Ausführungen in der Botschaft von 199215 und, bezüglich deren Umsetzung, auf die bisherigen Staatenberichte der Schweiz verwiesen16.

1.2.2

Die Kontrollmechanismen im Allgemeinen

1.2.2.1

Der Ausschuss (CERD)

Das Übereinkommen, welches von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1965 angenommen wurde17, war der erste von den Vereinten Nationen abgeschlossene Menschenrechtsvertrag, der über einen eigenen internationalen Überwachungsmechanismus verfügt.

Artikel 8 Absatz 1 des Übereinkommens errichtet einen Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of Racial Discrimination [CERD]; nachfolgend «Ausschuss» genannt), welcher sich aus 18 unabhängigen Experten zusammensetzt. Dieser Ausschuss tagt in der Regel zweimal jährlich (März und August) in Genf und hat folgende Aufgaben: Die Erörterung der von den Vertragsstaaten regelmässig vorgelegten Staatenberichte (Art. 9), die Entgegennahme von Beschwerden eines Staates über einen anderen (sog. Staatenbeschwerde, Art. 11­13, ein Verfahren, auf das bisher noch nicht zurückgegriffen wurde) sowie die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner Personen oder Personengruppen (Art. 14).

13 14 15 16

17

AS 1995 1163 f.; BBl 1992 III 269 SR 0.104 Siehe die Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 (Anm. 1), Ziff. 4 ff.

Vgl. den Ersten Bericht der Schweiz an den UNO-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 18. Dezember 1996 (UN Doc. CERD/C/270/Add. 1) sowie den Zweiten und Dritten periodischen Bericht der Schweiz an den UNO-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom Mai 2000 (abrufbar unter www.eda.admin.ch).

A/RES/2106 A (XX) vom 21. Dezember 1965.

5931

1.2.2.2

Das Berichtssystem

Nach Artikel 9 des Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsstaaten, periodische Berichte über die zur Umsetzung des Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen vorzulegen. Den ersten Bericht an den Ausschuss haben die Vertragsstaaten innert eines Jahres nach dem Beitritt zum Übereinkommen abzuliefern, die Folgeberichte danach alle zwei Jahre.

Am 18. Dezember 1996 hat der Bundesrat den Ersten Bericht der Schweiz verabschiedet und veröffentlicht18. Dieser Bericht wurde vom Ausschuss in seiner Märzsession 1998 in Genf geprüft. Dabei hat eine schweizerische Delegation, bestehend aus Expertinnen und Experten der Bundesverwaltung und der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) den Bericht vorgestellt und Fragen des Ausschusses beantwortet. Danach verfasste der Ausschuss seine Schlussbemerkungen19, in welchen er die schweizerischen Ausführungen beurteilte. Diese Schlussbemerkungen wurden am 30. März 1998 veröffentlicht. Der Zweite Bericht der Schweiz, ursprünglich per 31. Dezember 1997 fällig, und der Dritte Bericht, fällig per 31. Dezember 1999, wurden in einem gemeinsamen Dokument zusammengefasst, und werden dem Ausschuss an seiner 60. Sitzung im März 2002 präsentiert20.

In Ziffer 15 seiner Schlussbemerkungen vom 30. März 1998 zum Ersten Bericht der Schweiz hat der Ausschuss festgestellt, dass die Schweiz die in Artikel 14 des Übereinkommens vorgesehene Erklärung betreffend dem individuellen Mitteilungsverfahren noch nicht abgegeben hat. Einige Mitglieder des Ausschusses haben daher darum ersucht, die Möglichkeit einer solchen Erklärung in Erwägung zu ziehen21.

18 19 20

21

UN-Dokument CERD/C/270/Add. 1.

UN-Dokument CERD/C/304/Add. 44.

Schwerpunkte des Berichts sind: Verankerung eines umfassenden Diskriminierungsverbotes in der neuen Bundesverfassung (Art. 8 BV); die Einführung und konsequente Durchsetzung des Straftatbestandes der Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB und Art. 171c MStG) sowie eine Vielzahl an gesetzgeberischen Massnahmen auf jeder Stufe (Bund, Kantone und Gemeinden), um jede Form von Diskriminierung aus Gründen der Rasse, Hautfarbe, Abstammung sowie nationaler oder ethnischer Herkunft zu bekämpfen (etwa die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses betr. politische Reden von Ausländern am 9. März 1998); ferner die Anstrengungen der Behörden und NGOs bei der Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung sowie die Schaffung von Institutionen zur Förderung der Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Rasse, Hautfarbe, Abstammung und nationaler oder ethnischer Herkunft (etwa die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus [EKR]; die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende»).

Seit der Ausschuss 1991 nach der Erörterung jedes Staatenberichts eine Erklärung in Form von «Schlussbemerkungen» abgibt, bezieht er in diesen standardmässige Verweise auf Artikel 14 mit ein. Der Wortlaut ist wie folgt: «Es wird festgestellt, dass der Vertragsstaat die in Artikel 14 des Übereinkommens vorgesehene Erklärung noch nicht abgegeben hat, und einige Ausschussmitglieder ersuchen darum, die Möglichkeit einer solchen Erklärung zu erwägen.» Siehe etwa im Bericht des CERD der 54. Sitzungsperiode der Generalversammlung (1999), Doc. A/54/18, Ziff. 44 (Österreich) oder Ziff. 105 (Portugal).

5932

1.2.2.3

Das individuelle Mitteilungsverfahren nach Artikel 14

Gemäss Artikel 14 kann ein Vertragsstaat jederzeit erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses zur Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen bzw. Petitionen22 einzelner, seiner Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen anerkennt, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen enthaltenen Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein.

Artikel 14 sollte ähnlichen Bestimmungen, die später in anderen internationalen Übereinkommen aufgenommen wurden, als willkommene Vorlage dienen, namentlich bezüglich des Ersten Fakultativprotokolls des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II)23, bezüglich Artikel 22 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT)24 und seit kurzem bezüglich des Fakultativprotokolls des Übereinkommens über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)25.

2

Werdegang des Mitteilungsverfahrens gemäss Artikel 14

Das Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung war, wie in Ziffer 1.2.2. erwähnt, die erste Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen, welche mit einem eigenen internationalen Überwachungsmechanismus ausgestattet war. Das individuelle Mitteilungsverfahren von Artikel 14 war das Ergebnis langwieriger und komplizierter Verhandlungen innerhalb der UNOGeneralversammlung von 196526.

Gemäss Artikel 14 des Übereinkommens hat der Ausschuss die Befugnis, nachdem er eine individuelle Mitteilung für zulässig erklärt hat, über diese Mitteilung unter Berücksichtigung aller ihm vom betreffenden Vertragsstaat und vom Einsender der Petition zugegangenen Angaben zu beraten (Abs. 7 Bst. a) und etwaige Vorschläge und Empfehlungen dem betreffenden Vertragsstaat und dem Einsender der Petition zu übermitteln (Abs. 7 Bst. b). Diese Befugnisse des Ausschusses sind erheblich weitgehender als diejenigen, welche in früheren Vorschlägen, die während der Entwurfsphase in der UNO-Generalversammlung entstanden, vorgesehen waren. Gemäss diesen früheren Vorschlägen wäre dem Ausschuss nicht mehr als eine blosse Briefkastenfunktion zuteil geworden und hätte er lediglich die Petitionen an die betreffenden Vertragsstaaten ohne weitere Massnahmen weiterleiten sollen27. Um eine 22

23 24 25 26

27

Die Botschaft folgt der in der französischen resp. englischen Originalfassung des Übereinkommens verwendeten Terminologie («Petitioner/Pétitionnaire» bzw. «Communication»).

A/RES/2200 A (XXI) vom 16. Dezember 1966.

A/RES/39/46 vom 10. Dezember 1984.

A/RES/54/4 vom 10. Dezember 1999.

Artikel 14 wurde im dritten Komitee der UN-Generalversammlung mit 66 Ja-Stimmen, ohne Gegenstimme und bei 19 Enthaltungen (osteuropäische Länder, einige afro-asiatische Staaten und Frankreich) als Fakultativklausel angenommen. Siehe dazu auch Theo van Boven, «The Convention of the Elimination of All Forms of Racial Discrimination», in: International Spectator 20 (1966), S. 655 ff., S. 655­666.

Van Boven (Anm. 26), S. 665.

5933

breite Zustimmung dieser Fassung von Artikel 14 zu gewinnen, kam es zur Kompromisslösung, dass das Mitteilungsverfahren fakultativ sein würde. Demnach gilt das Verfahren nur für jene Vertragsstaaten, welche die Erklärung abgegeben haben, dass sie die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner ihrer Hoheitsgewalt unterstehender Personen oder Personengruppen anerkennen, die vorgeben, Opfer einer Verletzung eines in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein (Art. 14 Abs. 1).

Ferner sollte jenen, die noch Vorbehalte gegen ein internationales Petitionsrecht hatten, mit der Aufnahme der Bestimmungen von Artikel 14 Absätze 2­528 entgegengekommen werden. Diese recht komplexen Bestimmungen sehen die ­ fakultative ­ Möglichkeit vor, eine nationale Instanz für die Entgegennahme und Erörterung der Mitteilungen zu bezeichnen, an welche man sich wendet, bevor die Angelegenheit an das CERD weitergeleitet wird. Siehe hierzu auch Ziffer 5.2 hiernach.

Ein beachtlicher politischer Faktor, der die Aufnahme eines Mitteilungsverfahrens in das Übereinkommen begünstigte, war der Wunsch vieler afro-asiatischer Länder, aus dem Übereinkommen ein wirksames Instrument bei der Bekämpfung von Kolonialismus und Apartheid zu machen, wobei der deutliche Zusammenhang zwischen Rassismus und Kolonialismus berücksichtigt wurde. Das Petitionsrecht wurde als wichtiges Instrument innerhalb des internationalen Treuhandschaftssystems und des Entkolonisierungsverfahrens angesehen29 und vor diesem Hintergrund hat dieses Mittel einen logischen Platz im Übereinkommen erhalten. Ähnliche Erwägungen und derselbe Hintergrund führten zur Aufnahme von Artikel 15, der sich mit Petitionen der Einwohner von Treuhandgebieten, Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung und allen sonstigen unter Entschliessung 1514 (XV) der Generalversammlung vom 14. Dezember 1960 ­ die Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an Kolonialgebiete und Kolonialvölker ­ fallenden Gebieten befasst. Artikel 15 hat gegenwärtig den Grossteil seiner Bedeutung verloren, da nur noch wenige, meist kleine Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung übrig geblieben sind. Ausserdem hat der Ausschuss seit vielen Jahren keine Abschriften von Petitionen gemäss Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a mehr erhalten30.
Artikel 14 Absatz 9 sieht vor, dass der Ausschuss nur dann befugt ist, seine in diesem Artikel vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen, wenn sich mindestens zehn Vertragsstaaten durch Erklärungen nach Absatz 1 dieses Artikels gebunden haben31.

Obwohl das Übereinkommen selbst bereits am 4. Januar 1969 in Kraft trat (am dreissigsten Tage nach Hinterlegung der siebenundzwanzigsten Ratifizierungsur28

29 30 31

Siehe auch Theodor Meron, «The Meaning and Reach of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination», in: American Journal of International Law 79 (1985), S. 283 ff. Wie Meron zu Recht vorbringt (S. 313 f.) und wie aus der gegenwärtigen Praxis hervorgeht, ist die Ernennung und Existenz einer internen Instanz fakultativ und keine Voraussetzung dafür, dass das Verfahren zu einer internationalen Instanz (CERD) gelangt.

Siehe A/RES/1514 (XV) vom 14. Dezember 1960 und 1654 (XVI) vom 27. November 1961.

Siehe die Jahresberichte des Ausschusses für 1998 und 1999 (Doc. A/53/18 Ziff. 489 und Doc. A/54/18 Ziff. 555).

Vgl. Artikel 22 Absatz 8 CAT, in dem die Anzahl fünf ist; Artikel 16 CEDAW und Artikel 9 Fakultativprotokoll zu UNO-Pakt II erfordern je zehn Ratifikationen.

5934

kunde gemäss Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens), gab erst am 3. Dezember 1982 ein zehnter Vertragsstaat eine Erklärung nach Artikel 14 Absatz 1 ab und schuf damit die Möglichkeit, das Mitteilungsverfahren gegen einen der zehn Vertragsstaaten, die die Erklärung abgegeben hatten, einzuleiten. Schliesslich nahm der Ausschuss seine Arbeit nach Artikel 14 in der 13. Sitzungsperiode 1984 in Angriff. Wie dargelegt, verstrichen damit über dreizehn Jahre nach Inkrafttreten des Übereinkommens, bevor 1982 die entscheidende Anzahl von zehn Annahmen erreicht wurde. Am 1. Juli 2001 hatten 34 von 158 Vertragsstaaten das Verfahren in Artikel 14 angenommen32. Zu diesen Staaten zählen unter anderem elf der derzeit 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie neun osteuropäische Staaten33. Die Anzahl der beim Ausschuss eingegangenen und erörterten Mitteilungen nach Artikel 14 ist bisher verhältnismässig gering geblieben. Gegenwärtig lagen bzw. liegen dem Ausschuss zwanzig Mitteilungen für die Erörterung vor34. Es ist jedoch eine stete Zunahme der an den Ausschuss gerichteten Mitteilungen feststellbar.

3

Die schweizerische Haltung zum individuellen Mitteilungsverfahren

3.1

Die Haltung der Bundesbehörden

Der Bundesrat hat in den letzten Jahren prioritär die Ratifizierung oder den Beitritt zu verschiedenen Übereinkommen verfolgt, denen er als universelle Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte grundlegende Bedeutung beimisst. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Einrichtung von wirksamen Kontrollinstrumenten ein unablässiges Mittel zur Förderung der Durchsetzung der Menschenrechte darstellt35. Kontrolle ist ein bestimmendes Element jeder Politik für einen besseren Menschenrechtsschutz. Der Bundesrat bekräftigte diese Absicht in der Folge in seinen Antworten auf verschiedene parlamentarische Vorstösse, stellte mehrfach die Wünschbarkeit einer entsprechenden Stärkung der internationalen Kontrollmechanismen fest und kündigte unter anderem diese Botschaft an36.

32

33 34

35 36

Es sind dies, mit dem Datum des Inkrafttretens der Annahmeerklärung: Algerien (12.9.1989); Australien (28.1.1993); Belgien (10.10.2000); Bulgarien (12.5.1993); Chile (18.5.1994); Costa Rica (8.1.1974); Dänemark (11.10.1985); Ecuador (18.3.1977); Finnland (16.11.1994); Frankreich (16.8.1982); Irland (28.1.2001); Island; (10.8.1981); Italien (5.5.1978); Bundesrepublik Jugoslawien (27.6.2001); Korea (5.3.1997); Luxemburg (22.7.1996); Malta (16.12.1998); Mazedonien (29.12.1999); Niederlande (9.1.1972); Norwegen (23.1.1976); Peru (27.11.1984); Polen (1.12.1999); Portugal (2.3.2000); Russland (1.10.1991); Schweden (5.1.1972); Senegal (3.12.1982); Slowakische Republik (17.3.1995); Spanien (13.1.1998); Südafrika (9.1.1999); Tschechische Republik (11.10.2000); Ukraine (28.7.1992); Ungarn (13.9.1990); Uruguay (11.9.1972); Zypern (30.12.1993).

Eine aktualisierte Liste ist im Internet einsehbar: www.unhchr.ch/html/menu2/8/stat4.htm.

Siehe Jahresbericht des Ausschusses für 2000 (Doc. A/55/18, Kapitel IV), aktualisierter Stand per 1. März 2001 (siehe nachfolgend Anm. 50­55 sowie die Publikation der Mitteilungen unter www.unhchr.ch).

Vgl. hierzu Anm. 10.

Siehe die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Teuscher «Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Verhinderung von Diskriminierungen» vom 13. Dezember 2000 (NR 00.3674).

5935

Im Zeitpunkt des Beitritts zum Übereinkommen stellte sich für die Schweiz die Frage, ob sie die in Artikel 14 vorgesehene Erklärung abgeben soll, wonach sie die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen einzelner Personen oder Personengruppen anerkennt37. Im damaligen Zeitpunkt hatten nur gerade vierzehn der damals 130 Vertragsstaaten die Zuständigkeit des Ausschusses gemäss Artikel 14 anerkannt38. In seiner Botschaft vom 2. März 1992 hielt daher der Bundesrat fest, das fakultative individuelle Mitteilungsverfahren erst anzuerkennen, wenn die Schweiz erste Erfahrungen mit ihren Staatenberichten gesammelt hat.

Seit seiner ersten Sitzung im Jahr 1970 sind dem Ausschuss über tausend regelmässige und über hundert zusätzliche Berichte vorgelegt worden. Ferner sind dem Ausschuss bis heute 20 individuelle Mitteilungsverfahren vorgelegt worden, von denen es in zehn Fällen zu einem Entscheid gekommen ist (siehe die nachfolgenden Ausführungen in Ziff. 4). Zudem zeigt sich mit der demokratischen Konsolidierung der Ost-Mittel-Europäischen Staaten eine erfreuliche Entwicklung: In zunehmendem Masse haben sich diese im Verlauf der neunziger Jahre dem Verfahren unterworfen.

Verschiedene westeuropäische Staaten zogen bereits nach und eine Anzahl Vertragsstaaten prüft ebenfalls die Abgabe der Erklärung nach Artikel 14. Darüber hinaus zeigen in den letzten Jahren auch Menschenrechtsanwälte und wichtige Nichtregierungsorganisationen, die auf dem Gebiet des Übereinkommens grosse Sachkenntnis vorzuweisen haben, ein aktives Interesse für Artikel 14 und unterstützen die Nutzung des Mitteilungsverfahrens.

Auch wenn die Durchsetzungskraft des vorliegenden Verfahrens eher gering erscheinen mag, trägt dessen Annahme durch eine grösstmögliche Anzahl von Staaten ­ einschliesslich der Schweiz ­ weltweit zu einem besseren Schutz der Menschenrechte bei. Die Schweiz bemüht sich, die Umsetzung der internationalen Menschenrechtsstandards zu fördern, um so deren Achtung zu gewährleisten. Die internationale Glaubwürdigkeit unseres Landes steht in engem Zusammenhang mit der Ratifizierung verschiedener rechtlicher Instrumente in diesem Bereich wie auch mit ihrer Umsetzung innerhalb unserer Rechtsordnung. Die vorliegende Annahmeerklärung unseres Landes stärkt zudem die Position jener Länder,
die dafür kämpfen, dass Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte global an Terrain gewinnen. Auf internationaler Ebene wird die Schweiz damit als Vertragspartei über eine rechtliche Grundlage verfügen, die es ihr ermöglicht, bei jenen Vertragsstaaten, welche das Übereinkommen missachten, konkret zu intervenieren39.

3.2

Das Konsultationsverfahren

Nachdem der Bundesrat mit Beschluss vom 20. Dezember 1989 bereits ein Vernehmlassungsverfahren zum Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen und zu einer entsprechenden Revision des Strafrechts durchgeführt hat, beschränkte sich das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten für die Frage der Abgabe

37 38 39

Vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 (Anm. 1), Ziff. 9.

Algerien, Costa Rica, Dänemark, Ecuador, Frankreich, Ungarn, Island, Italien, die Niederlande, Norwegen, Peru, Senegal, Schweden und Uruguay.

Vgl. Artikel 11 des Übereinkommens.

5936

der Anerkennungserklärung gemäss Artikel 14 des Übereinkommens auf eine rein fachtechnische Konsultation der Kantone und interessierten Fachorganisationen.

Das Ergebnis dieser Befragung war in der grossen Mehrheit der Antworten positiv.

Sämtliche Kantone, die sich geäussert haben, befürworteten die Anerkennung des Ausschusses zur Entgegennahme von individuellen Mitteilungsverfahren, um damit nicht zuletzt ­ wie einige Kantone hervorhoben ­ die Umsetzung der internationalen Menschenrechtsstandards zu fördern und die internationale Glaubwürdigkeit der Schweiz zu unterstreichen. Einzig die Opportunität der Einrichtung einer Petitionsannahmestelle wurde von drei Kantonen in Frage gestellt40. Mit grosser Mehrheit äusserten sich auch die interessierten Organisationen für die Abgabe der Anerkennungserklärung als konsequenten Schritt zur Verwirklichung des Übereinkommens.

4

Analyse des individuellen Mitteilungsverfahrens

4.1

Die Verfahrensordnung

Die in Artikel 14 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, im Ersten Fakultativprotokoll des UNO-Paktes II, in Artikel 22 des CAT und im Fakultativprotokoll des CEDAW vorgesehenen individuellen Mitteilungsverfahren enthalten viele ähnliche Merkmale, insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen der Zulässigkeit und der materiellen Anforderungen, die in den einzelnen Übereinkommen dargelegt und in den jeweiligen Verfahrensordnungen näher ausgearbeitet werden41, 42.

Die Verfahrensordnung des CERD43 sieht vor, dass Mitteilungen gemäss Artikel 14 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu richten sind, der diese ­ eventuell nach Einholung zusätzlicher Informationen ­ an den Ausschuss weiterleitet (Art. 80­85 Verfahrensordnung). In einer ersten Verfahrensphase hat der Ausschuss ­ der nicht öffentlich tagt (Art. 88 Verfahrensordnung) ­ über die Zulässigkeit der Mitteilungen zu befinden, wobei die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit denjenigen anderer internationaler menschenrechtlicher Organe übereinstimmen (keine anonymen Mitteilungen, genügende Substantiierung, Mitteilung vereinbar mit den Bestimmungen des Übereinkommens, Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges)44.

Der Petitionär hat die Mitteilung, ausser bei Vorliegen gebührend nachgewiesener aussergewöhnlicher Umstände, binnen sechs Monaten nach der Erschöpfung aller 40 41

42

43 44

Kantone Neuenburg, Solothurn und Thurgau.

Siehe etwa Michael O'Flaherty, «Human Rights and the UN Practice Before the Treaty Bodies», London 1996, insbes. Kapitel IV, 7 für das Mitteilungsverfahren des CERD (S. 104­109).

Vgl. UNO-Pakt II: Erstes Fakultativprotokoll und Artikel 78­94 der Verfahrensordnung des UN-Menschenrechtsausschusses (CCPR); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von 1984 (CAT): Artikel 22 und Artikel 96­112 der Verfahrensordnung sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) (in Kraft seit dem 22. Dezember 2000). Weitere Individualbeschwerdeverfahren sind in Ausarbeitung begriffen: So zum UNO-Pakt I oder zur Konvention über die Rechte der Wanderarbeitnehmer (ILO-Konvention Nr. 169, Artikel 17).

Vgl. Artikel 80 ff. der Verfahrensordnung des CERD (CERD/C/35/Rev. 3). Vollständige deutsche Übersetzung unter: http://www.tu-dresden.de/jfoeffl3/vo-rass.htm.

Artikel 14 Absätze 5­7 des Übereinkommens; Artikel 91­93 der Verfahrensordnung.

5937

verfügbaren innerstaatlichen Rechtsbehelfe einzureichen (Art. 14 Abs. 5 Übereinkommen; Art. 91 Bst. f Verfahrensordnung)45. Der Ausschuss kann über den Generalsekretär sowohl vom Urheber der Mitteilung als auch vom betroffenen Staat weitere Informationen erbitten (Art. 92 Verfahrensordnung).

Die Mitteilungen haben keine aufschiebende Wirkung, der Ausschuss kann aber den Staat bitten, vorsorgliche Massnahmen zu ergreifen, um dadurch das Eintreten nicht wiedergutzumachender Schäden für den Petitionär zu verhindern (Art. 94 Abs. 3 Verfahrensordnung).

Wird eine Mitteilung durch den Ausschuss für zulässig erklärt, so hat der betreffende Staat innerhalb von drei Monaten schriftlich seine Erklärung und Stellungnahme zum Sachverhalt und die gegebenenfalls von ihm getroffenen Abhilfemassnahmen einzureichen (Art. 14 Abs. 6 Bst. b Übereinkommen; Art. 94 Abs. 2 Verfahrensordnung). Diese Eingaben werden dem Petitionär zur Stellungnahme weitergeleitet. Auf Grund sämtlicher durch den Petitionär oder den betroffenen Staat eingereichter Informationen trifft der Ausschuss seine Entscheidung und stellt diese Meinung zusammen mit seinen etwaigen Vorschlägen und Empfehlungen über den Generalsekretär den beiden Parteien zu (Art. 14 Abs. 7 Bst. b Übereinkommen; 95 Abs. 3 Verfahrensordnung).

Stimmen die Verfahrensordnungen des CERD im wesentlichen mit jenen der anderen Individualbeschwerdeverfahren der UN-Menschenrechtskonventionen überein, so erscheinen im Vergleich zu den eingangs genannten internationalen Instrumenten jedoch drei unterschiedliche Aspekte des Artikels 14 bemerkenswert:

45

46 47

48

­

Der erste betrifft die Verfasser der Mitteilungen. Artikel 14 des Übereinkommens bezieht sich auf «einzelne Personen oder Personengruppen», die vorgeben, Opfer einer Verletzung zu sein, während sich etwa Artikel 1 des Fakultativprotokolls des UNO-Paktes II und Artikel 22 des CAT ausschliesslich auf «einzelne Personen» beziehen46. Folglich sieht Artikel 14 ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass Gruppen ein Verfahren in Bezug auf Verletzungen irgendeiner Bestimmung des Übereinkommens einleiten.

­

Ein zweiter entscheidender Aspekt des Artikels 14 ist, dass der Ausschuss nicht daran gehindert ist, Mitteilungen, die in einem anderen Verfahren internationaler Nachforschungen oder Regelungen geprüft werden oder wurden, zu erörtern47. Dies gilt, obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, auch für regionale Übereinkommen wie die EMRK48. Hierzu wird nachfolgend in Ziffer 4.3 noch näher einzugehen sein.

Spanien hat zu Artikel 14 Absatz 5 des Übereinkommens einen Vorbehalt angebracht und statuiert eine Frist von drei Monaten zur Mitteilung an das CERD (vgl. die Ausführungen im 14. und 15. Staatenbericht vom 12. Oktober 1998 [CERD/C/338/Add.6]).

Das Fakultativprotokoll des CEDAW dahingegen bezieht sich ebenfalls auf «einzelne Personen oder Personengruppen» (Artikel 2).

Siehe diesbezüglich Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a Fakultativprotokoll zum UNO-Pakt II; Artikel 22 Absatz 4 Buchstabe a CAT und Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a CEDAW.

Natan Lerner, «The UN Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination», Alphen aan de Rijn 1980, S. 90 f.; Egon Schwelb, «The International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination», in: The International an Comparative Quarterly 15/1966, S. 1048.

5938

­

Ein dritter bedeutender Aspekt ist, dass der Ausschuss nach Prüfung der Begründetheit der Mitteilung seine etwaigen «Vorschläge und Empfehlungen» dem betreffenden Vertragsstaat und dem Einsender der Petition übermittelt (Art. 14 Abs. 7 Bst. b Übereinkommen; Art. 95 Abs. 3 Verfahrensordnung).

Hier ist demnach nicht von «Ansichten» (views) wie im Fakultativprotokoll des UNO-Paktes II (Art. 5 Abs. 4) und CAT (Art. 22 Abs. 7) die Rede49.

Obwohl die betreffenden Vertragsorgane (Menschenrechtsausschuss [CCPR] und Komitee gegen Folter) den Begriff «Ansichten» im allgemeinen Sinn auslegen, so dass Gesuche hinsichtlich Entschädigung und Folgemassnahmen eingeschlossen sind, ist der Ermessensbereich des CERD, wie sich zeigen wird, weitreichender und der Ausschuss kann den betreffenden Vertragsstaat auf Vorschläge und Empfehlungen hinweisen, die über die Frage, ob in dem Einzelfall gegen das Übereinkommen verstossen wurde, hinausgehen, was umfassendere politische Auswirkungen mit sich bringen kann.

4.2

Die Praxis des Ausschusses

4.2.1

Allgemeines

Der Ausschuss hat bis zur 57. Sitzungsperiode (31. Juli bis 25. August 2000) zwanzig Mitteilungen gemäss dem Verfahren nach Artikel l4 entgegengenommen50. Vier Fälle wurden für unzulässig erklärt51; ein Fall wurde für zulässig erklärt und dem betreffenden Vertragsstaat für Bemerkungen über die Begründetheit übermittelt52 und in fünf Fällen wird die Zulässigkeit noch ermittelt53. Zehn Fälle wurden mit ei-

49 50

51

52 53

Im Fakultativprotokoll des CEDAW wird diesbezüglich die Umschreibung «Ansichten gemeinsam mit Empfehlungen» (Art. 7 Abs. 3) verwendet.

Zum aktuellen Stand der Praxis des Ausschusses siehe die Homepage des UN-Hochkommissariates für Menschenrechte, auf welcher sämtliche Mitteilungen abrufbar sind: http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf.

Mitteilung Nr. 5/1994 (Ch. Payne vs. Dänemark), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1995 (Doc. A/50/18, Anlage VIII); Mitteilung Nr. 7/1995 (Barbaro vs. Australien) siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1997 (Doc. A/52/18, Anlage III); Mitteilung Nr. 9/1997 (D.S. vs. Schweden), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1998 (Doc.

A/53/18, Anlage III) sowie Mitteilung Nr. 12/1998 (Barbaro vs. Australien), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 2000 (Doc. A/55/18, Anlage IV) (zweite Befassung).

Mitteilung Nr. 11/1998 (Lacko vs. Slowakei).

Mitteilung Nr. 14/1998 (D. Sidlo vs. Schweden); Nr. 15/1999 (Fernand vs. die Niederlande); Nr. 18/2000 (Ali vs. Norwegen); Nr. 19/2000 (Mostafa vs. Dänemark); Nr.

20/2000 (Burmeister vs. Dänemark).

5939

ner Stellungnahme zur Begründetheit abgeschlossen54; in fünf dieser Fälle stellte der Ausschuss eine Verletzung des Übereinkommens fest und unterbreitete den betroffenen Staaten entsprechende Empfehlungen55.

Die Fälle, die mit einer Stellungnahme zur Begründetheit abgeschlossen wurden bzw. bei denen ein Zulässigkeitsbeschluss vorliegt ­ die Stellungnahmen und Beschlüsse wurden in den Jahresberichten des Ausschusses gemäss Artikel 14 Absatz 8 bekanntgegeben ­ weisen einige interessante Aspekte auf56.

Zu bemerken ist etwa, dass sich in der Mehrheit der Fälle die Beschwerden im Wesentlichen auf Verletzungen von Gleichheit und Diskriminierungsverbot im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte beziehen (Art. 5 Bst. e des Übereinkommens), insbesondere auf das Recht auf Arbeit und auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 5 Bst. e [i]) (Yilmaz-Dogan, Diop, der Fall C.P., Barbaro, der Fall D.S., der Fall Z.U.B.S.) und auf das Recht auf Wohnung (Art. 5 Bst. e [iii]) (der Fall L.K.).

Des Weiteren waren angebliche Verletzungen des Rechts auf Gleichbehandlung vor Gerichten (Art. 5 Bst. a) und des Rechts auf wirksamen Schutz und wirksame Rechtsbehelfe (Art. 6) ein zentrales Thema (Narrainen, der Fall L.K. und Ziad Ben Ahmed Habassi).

Obschon die geringe Anzahl Fälle keine allgemeinen Schlussfolgerungen rechtfertigt, scheinen diese Fälle das Handlungsmuster zu bestätigen, dass sich die alltäglichen Praktiken von Rassendiskriminierung direkter auf die Ausübung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte auswirken als auf die Ausübung der bürgerlichen und politischen Rechte. Diese Fälle zeigen ebenfalls, dass Staaten verstärkt auf durch Gruppen oder Organisationen ausgeübte rassendiskriminierende Handlungen oder Praktiken, die gegen die Bestimmung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des Übereinkommens verstossen, zu achten haben.

54

55

56

Mitteilung Nr. 1/1984 (Yilmaz-Dogan vs. die Niederlande), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1988 (Doc. A/43/18, Anlage IV); Mitteilung Nr. 2/1989 (Demba Talibe Diop vs. Frankreich), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1991 (Doc. A/46/18, Anlage VIII); Mitteilung Nr. 3/1991 (Michel L.N. Narrainen vs. Norwegen), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1994 (Doc. A/49/18, Anlage IV); Mitteilung Nr. 4/1991 (L.

Karim vs. die Niederlande), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1993 (Doc. A/48/18, Anlage IV); Mitteilung Nr. 6/1995 (Z.U.B.S. vs. Australien), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1999 (Doc. A/54/18, Anlage III); Mitteilung Nr. 8/1996 (B.M.S. vs. Australien), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1999 (Doc. A/54/18, Anlage III); Mitteilung Nr. 10/1997 (Ziad Ben Ahmed Habassi vs. Dänemark), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 1999 (Doc. A/54/18, Anlage III); Mitteilung Nr. 13/1998 (Koptova vs. Slowakei), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 2000 (Doc. A/55/18, Anlage IV) sowie Mitteilung Nr. 16/1999 (Kashif Ahmad vs. Dänemark) und Mitteilung Nr. 17/1999 (B.

Jebelly vs. Dänemark), siehe Jahresbericht des Ausschusses für 2000 (Doc. A/55/18, Anlage IV).

Mitteilung Nr. 1/1984 (Yilmaz-Dogan vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 4/1991 (L. Karim vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 10/1997 (Ziad Ben Ahmed Habassi vs.

Dänemark); Mitteilung Nr. 13/1998 (Koptova vs. Slowakei) sowie Mitteilung Nr.

16/1999 (Kashif Ahmad vs. Dänemark). Der Ausschuss gibt jedoch auch in Fällen, in denen keine Verletzungen des Übereinkommens festgestellt worden sind, gelegentlich Empfehlungen ab (vgl. etwa Mitteilung Nr. 17/1999 [B. Jebelly vs. Dänemark]).

Bezüglich der Frage der Kompatibilität des Verfahrens mit der schweizerischen Rechtsordnung siehe die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 5.

5940

4.2.2

Die Verfahrensergebnisse und deren Umsetzung

Der Ablauf des Mitteilungsverfahrens lehnt sich an ein gerichtliches Verfahren an.

Es stellt sich somit die Frage nach der Verbindlichkeit der Entscheide des Ausschusses. Den meisten internationalen Kontrollorganen im Bereich des Menschenrechtsschutzes, seien es etwa die Vertragsüberwachungsausschüsse der UNO, sei es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ist die mehr oder weniger explizite Feststellung gemeinsam, dass der beklagte Staat eine Vertragsverletzung begangen habe57. Diese Feststellung bleibt nun im Bereich der UN-Systeme völkerrechtlich insofern unverbindlich, als es sich dabei ­ im Gegensatz zum EMRK-Verfahren ­ nicht um ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtshofes handelt. Wie die «views» des Menschenrechtsausschusses (CCPR), dem Kontrollorgan des UNO-Paktes II, sind die Berichte im streng rechtlichen Sinn unverbindlich, stellen der Sache nach aber autoritative Rechtsfeststellungen dar58. Die UN-Ausschüsse bemühen sich allerdings durch eine entsprechende Präsentation und Nachbehandlung der Verfahrensergebnisse moralischen Druck zur Befolgung auf die Staaten auszuüben. Dazu gehört zum einen der urteilsmässige Stil der «Auffassungen», ferner die Veröffentlichungspraxis und etwa auch die Einladung an den belangten Staat, innerhalb von 90 Tagen über Massnahmen zu berichten, die im Hinblick auf die «Auffassungen» ergriffen wurden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Folgemassnahmen zu den Stellungnahmen des Ausschusses gemäss Artikel 14 Absatz 7 Buchstabe b. Gemäss Artikel 95 Absatz 5 der Verfahrensordnung des Ausschusses wird der Vertragsstaat aufgefordert, im normalen Verlauf den Ausschuss über die Massnahmen, die er der Stellungnahme des Ausschusses entsprechend trifft, zu informieren. So befand der Ausschuss etwa im Fall Yilmaz-Dogan, dass der Einsenderin der Petition kein angemessener Schutz hinsichtlich ihres Rechts auf Arbeit gewährt wurde und empfahl dem Vertragsstaat, Ermittlungen durchzuführen, ob die Petitionärin wieder erwerbstätig war, und ihr eine angemessene Entlastung zukommen zu lassen. Die Niederlande teilten dem Ausschuss in ihrem 9. periodischen Bericht mit, dass die Einsenderin der Petition nach ihrer Entlassung weder eine Anstellung bekommen noch, mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne, Sozialhilfe erhalten hatte. In Bezug auf den Zeitraum der Erwerbslosigkeit
hatte die niederländische Regierung einer freiwilligen Zahlung zugestimmt59.

Interessant ist, dass in Fällen, in denen der Ausschuss befand, dass der Vertragsstaat dem Einsender der Petition keinen angemessenen Schutz zukommen liess, der Ausschuss empfahl, Fürsorgemassnahmen als eine Art Entschädigung für den Einsender der Petition zu treffen (Yilmaz-Dogan, der Fall L.K. und der Fall Habassi). Der Ausschuss empfand es ebenfalls als angemessen, dass strukturelle Massnahmen von politischer Natur getroffen werden, die über den Einzelfall hinausgehen (der Fall L.K.). Bemerkenswerterweise hat der Ausschuss solche zusätzlichen strukturellen Massnahmen auch in den entsprechenden Einzelfällen empfohlen, in denen er kei57 58

59

Vgl. Wolfram Karl, «Besonderheiten der internationalen Kontrollverfahren zum Schutz der Menschenrechte», in: BdDGfV 33, S. 222 f.

Siehe etwa Kurt Herndl, «Zur Frage des rechtlichen Status der Entscheidungen eines Staatengemeinschaftsorgans: die des Menschenrechtsausschusses», in: Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität, FS für Karl Zemanek, Berlin 1994, S. 203 (205 ff.).

9. periodischer Bericht der Niederlande, Doc. CERD/C/182/Add. 4, Ziff. 37.

5941

nen Verstoss gegen das Übereinkommen festgestellt hatte (Narrainen, die Fälle B.M.S. und Z.U.B.S.).

Es ist festzuhalten, dass ein zusammenhängendes Kontrollsystem für die Folgemassnahmen in Bezug auf die Vorschläge und Empfehlungen des Ausschusses gemäss Artikel 14 Absatz 7 Buchstabe b fehlt. Im Gegensatz dazu hat etwa der UN-Menschenrechtsausschuss seit 1990 die Kontrolle über Folgemassnahmen bezüglich der Ansichten über Mitteilungen, die er gemäss Fakultativprotokoll entgegengenommen und erörtert hat, ausgearbeitet und verbessert. Für die Weiterverfolgung seiner Entscheidungen hat er einem seiner Kommissionsmitglieder das Mandat eines Sonderberichterstatters (Special Rapporteur for Follow-up on Views) erteilt60.

4.3

Konkurrenz zu anderen internationalen Kontrollorganen

Artikel 16 des Übereinkommens regelt das Verhältnis der verschiedenen Kontrollverfahren dieses Übereinkommens zu Verfahren in weiteren internationalen Übereinkommen. Wie bereits in Ziffer 4.1 dargelegt wurde, schränkt Artikel 14 die Anwendung anderer Kontrollmechanismen nicht ein. Verschiedene Staaten, welche die Anerkennungserklärung zunächst nicht abgegeben haben, begründeten diese Zurückhaltung mit der Befürchtung, das individuelle Mitteilungsverfahren könnte in unerwünschte Konkurrenz mit bereits existierenden Individualbeschwerdeverfahren auf regionaler61 wie auf universeller62 Ebene treten. Obwohl die doppelte Behandlung des desselben Falles durch zwei verschiedene Kontrollorgane mit einer entsprechenden Erklärung des betreffenden Staates ausgeschlossen werden kann63, machten die nichtanerkennenden Staaten geltend, dass die Behandlung ähnlicher Fälle im gleichen Rechtsbereich durch verschiedene Kontrollorgane die Gefahr unterschiedlicher, widersprüchlicher Praxis der beiden Organe in sich berge und der Rechtssicherheit abträglich sei.

Für die Schweiz hätte diese Argumentation gegenwärtig nur mit Bezug auf einen allfälligen Konflikt mit dem Individualbeschwerdeverfahren der EMRK Bedeutung64, namentlich mit Bezug auf das Diskriminierungsverbot von Artikel 14 EMRK. Hierbei ist zu beachten, dass es sich beim Individualbeschwerdeverfahren gemäss EMRK um ein Verfahren vor einem Gerichtshof handelt, welcher rechtlich verbindliche Urteile erlässt. Das bisherige, auch für die Schweiz massgebende, Dis60

61

62 63

64

Siehe Jahresbericht der Menschenrechtskommission für 1999, Doc. A/54/40, Kapitel VII (Folgemassnahmen gemäss Fakultativprotokoll). Vgl. auch Klaus Hüfner/Wolfgang Reuther, «Menschenrechtsverletzungen: Was kann ich dagegen tun?», DVGN-Texte 48, Bonn 1998, S. 51.

Auf regionaler Ebene kennen die EMRK (Art. 34; 11. Zusatzprotokoll) und die AMRK (Art. 44) obligatorisch geltende Individualbeschwerdeverfahren. In beiden Systemen entscheidet (abschliessend) ein Gericht mit bindendem Urteil. In Afrika besteht ein fakultatives und wenig entwickeltes Individualbeschwerdeverfahren an die Afrikanische Kommission für Menschenrechte (Art. 55 der Afrikanischen Charta).

Siehe zuvor Anm. 42.

Entsprechende Erklärungen gaben anlässlich der Annahmeerklärungen ab: Dänemark, Ecuador, Finnland, Irland, Island, Italien, Malta, Mazedonien, Norwegen, Portugal, Schweden.

Siehe etwa Walter Kälin/Georgio Malinverni/Manfred Nowak, «Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte», 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 25 f.

5942

kriminierungsverbot von Artikel 14 EMRK verbietet die Diskriminierung in der Ausübung der Rechte der EMRK. Das Diskriminierungsverbot ist somit nicht selbständig und kann nur in Verbindung mit Rechten und Freiheiten, die in der EMRK (und ihren Zusatzprotokollen) garantiert sind, angerufen werden65. Im Gegensatz zum Übereinkommen deckt die EMRK die wirtschaftlichen und sozialen Rechte nicht ab. Insofern ist das Übereinkommen als Instrument für das Diskriminierungsverbot wesentlich durchdringender und hat einen grösseren Wirkungskreis als die EMRK. Das Mitteilungsrecht gemäss dem Übereinkommen hat somit eigenständige Bedeutung gegenüber dem Verfahren gemäss EMRK. Erst mit dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls Nr. 12 zur EMRK, das seit dem 4. November 2000 zur Unterzeichnung aufliegt, und das eine selbständige Diskriminierungsverbotsklausel vorsieht, würde es zu einer erheblichen Zunahme des Diskriminierungsverbotgehalts der EMRK kommen. Die Schweiz prüft gegenwärtig, ob die erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme des Zusatzprotokolls gegeben sind66.

5

Art und Tragweite der für die Schweiz entstehenden Verpflichtungen

5.1

Rechtsbehelfe auf nationaler Ebene

Für die Frage der Verpflichtungen der Vertragsstaaten durch das Übereinkommen und deren Umsetzung für die nationale Rechtsordnung, kann vollumfänglich auf die Ausführungen in der Botschaft von 1992 (Ziff. 4 und 5) sowie die Berichte der Schweiz67 verwiesen werden. Mit der Ratifikation des Übereinkommens und dessen Umsetzung in der Schweiz wurde eine Vielzahl von Massnahmen eingeleitet, welche dort ausführlich beschrieben werden68. Besondere Aufmerksamkeit wurde hierbei der Umsetzung von Artikel 4 Buchstabe a des Übereinkommens gewidmet, der den Vertragsstaaten auferlegt, in ihren Rechtsordnungen die Verbreitung von Ideologien, welche die Überlegenheit einer «Rasse» oder den Hass zwischen «Rassen» propagieren und die Aufreizung von Drittpersonen zu Rassendiskriminierungen mit Strafe zu bedrohen. Die Schweiz ist dieser Bestrafungspflicht durch den Erlass der Strafbestimmung von Artikel 261bis des bürgerlichen Strafgesetzbuches (StGB)69 sowie dem gleichlautenden Artikel 171c des Militärstrafgesetzes (MStG)70 nachgekommen. In den letzten Jahren hat sich eine gefestigte Gerichtspraxis auf Ebene der Kantone und des Bundes entwickelt71, die sich bei der Anwendung der Bestimmung auf eine fundierte wissenschaftliche Literatur stützen kann72. Entgegen den Befürch65 66

67 68 69 70 71 72

Man spricht daher auch von einem akzessorischen Diskriminierungsverbot.

Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Teuscher «Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Verhinderung von Diskriminierungen» vom 13. Dezember 2000 (NR 00.3674).

Siehe den Ersten sowie den Zweiten und Dritten Bericht der Schweiz (Anm. 16).

Siehe Anm. 20 SR 311.0 SR 321.0 Siehe hierzu die Ausführungen im Zweiten und Dritten Bericht der Schweiz (Anm. 16), Ziff. 94­115 und 301­307.

Im Oktober 1996 ist der erste Kommentar zur Anwendung der Art. 261bis StGB und 171c MStG erschienen: Niggli, «Rassendiskriminierung: Ein Kommentar zu Art. 261bis StGB und Art. 171c MStG», Zürich 1996 sowie der 1999 erschiene Ergänzungsband zur Gerichtspraxis 1995­1998.

5943

tungen im Vorfeld des Erlasses, der Artikel sei zu unscharf und überlasse den rechtsanwendenden Behörden Wertungsspielräume, die mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbaren seien73, hat die Umsetzung der Bestimmung keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Die Umsetzung des Artikels in der Praxis verläuft in sinnvoller und rechtsstaatlich kohärenter Weise, und es entwickelte sich eine gefestigte Dogmatik. Ähnliches kann auch im Hinblick auf die Annahmeerklärung gemäss Artikel 14 erwartet werden. Namentlich folgen daraus, wie im Rahmen eines eingehenden Rechtsvergleiches mit den Vertragsstaaten ersichtlich wurde, die das Verfahren eingeführt haben, weder weitere Konsequenzen legislatorischer, finanzieller noch administrativer Natur.

5.2

Einrichtung einer Petitionsannahmestelle

Die Vertragsstaaten, welche das individuelle Mitteilungsverfahren anerkannt haben, können allerdings gemäss Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens fakultativ eine Stelle innerhalb ihrer Rechtsordnung bezeichnen, die für die Entgegennahme und Erörterung von Petitionen im Sinne des Übereinkommens zuständig ist. Gelingt es den Petitionären nicht, von dieser Stelle Genugtuung zu erlangen, können sie die Sache dem Ausschuss mitteilen.

Unter den 34 Vertragsstaaten, welche das Verfahren gemäss Artikel 14 angenommen und eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, finden sich nur gerade vier Staaten, nämlich Luxemburg, Südafrika, Belgien und Portugal, die eine nationale Instanz für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen gemäss Artikel 14 Absätze 2­5 bezeichnet haben. Dabei hat nur gerade ein Staat auf Grund der Annahme des individuellen Mitteilungsverfahrens eine neue Institution geschaffen bzw. ein vorbestehendes Organ umstrukturiert.

Die überwiegende Mehrheit der Vertragsstaaten hat jedoch weder gesetzgeberische noch institutionelle Massnahmen für die Umsetzung von Artikel 14 ergriffen. Die Möglichkeit des Mitteilungsverfahrens wird als zusätzlicher Rechtsbehelf nach dem Durchlaufen des ordentlichen nationalen Instanzenzuges betrachtet. Für die Schweiz könnten sich gegebenenfalls, angesichts ihrer Fachkenntnisse und der in ihrem Mandat enthaltenen Ombudsfunktion, das Sekretariat der verwaltungsexternen Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) oder auch die neu geschaffene verwaltungsinterne Fachstelle für Rassismusbekämpfung als Petitionsannahmestelle anbieten, ohne dass dadurch kostenintensive Strukturen geschaffen werden müssten.

Dieser Stelle würde es obliegen, eingehende Petitionen zu sammeln und allenfalls zu versuchen, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen, ohne dass ihr dabei jedoch rechtlich verbindliche Entscheidungskompetenzen zukämen.

73

Vgl. etwa Fredi Hänni, «Die Schweizerische Anti-Rassismus-Strafnorm und die Massenmedien», Dissertation Bern 1996, und ders., «Rassendiskriminierung im Strafrecht: Eingrenzungen nötig», in: plädoyer 4/1997, S. 28 ff.

5944

5.3

Gleichbehandlungsgebot

Wie sich aus der bisherigen Praxis des Ausschusses ergibt, sind es vor allem Verletzungen des Gleichheitsgebotes im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte (Art. 5 Bst. e des Übereinkommens), insbesondere des Rechts auf Arbeit und auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 5 Bst. e [i]) sowie des Rechts auf Wohnung (Art. 5 Bst. e [iii]), welche Anlass zu Mitteilungen an den Ausschuss gaben. Bezüglich der Bedeutung des fundamentalen Grundsatzes des Gleichbehandlungsgebotes für jede rechtsstaatliche Verfassungsordnung rechtfertigen sich dazu einige Erläuterungen, wobei vorab festgehalten werden kann, dass die schweizerische Rechtsordnung den Anliegen des Übereinkommens bereits heute in umfassender Weise Rechnung trägt. Dies zeigt sich in besonderer Deutlichkeit beim Gleichbehandlungsgebot von Artikel 8 der Bundesverfassung.

Der in Artikel 4 aBV enthaltene, allgemeine Grundsatz der Rechtsgleichheit und des Diskriminierungsverbotes hat eine fest etablierte Rechtsprechung hervorgebracht, die in der nachgeführten Bundesverfassung aufgenommen wurde. Aus Artikel 8 Absatz 1 BV ergibt sich eindeutig, dass das Rechtsgleichheitsgebot nicht bloss auf Schweizer, sondern auf alle Personen Anwendung findet. Diese Anpassung trägt der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der in der herrschenden Lehre seit langem vertretenen Auffassung Rechnung, wonach sich auch ausländische Personen auf Artikel 4 aBV berufen können74. Das Rechtsgleichheitsgebot verlangt jedoch nur, dass Gleiches im Ausmass seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird75. Das Bundesgericht untersucht demnach, ob eine gesetzliche Regelung oder die Auslegung einer Rechtsnorm «rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist»76 bzw. Unterscheidungen unterlässt, obwohl sie sich sachlich aufdrängen. Ungleiche Situationen sind ihren sachlichen Unterschieden entsprechend verschieden zu regeln77.

Das in der früheren Verfassung in Artikel 4 Absatz 2 nur für die Geschlechterdiskriminierung ausdrücklich verankerte Diskriminierungsverbot erfasst laut dem heutigen Verfassungstext weitere Bereiche: Es untersagt unter anderem eine Person wegen ihrer Rasse, Herkunft, Sprache oder religiösen Überzeugung, d.h. wegen eines verpönten Unterscheidungsmerkmals im Vergleich zu einer anderen Person, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet, dieses Merkmal jedoch nicht aufweist, zu

74

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76 77

Artikel 4 aBV garantierte, dass «alle Schweizer vor dem Gesetze gleich» seien. Das Bundesgericht hat schon 1888 den persönlichen Geltungsbereich auf Ausländerinnen und Ausländer erstreckt, und zwar ohne Beschränkung auf Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (BGE 14, 489 ff.). Siehe den Ersten Bericht der Schweiz (Anm. 16), Ziff. 50 ff.

Jörg Paul Müller, «Grundrechte in der Schweiz», 3. Auflage, Bern 1999, S. 396 ff.; Walter Kälin/Martina Caroni, «Das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen der ethnisch-kulturellen Herkunft», in: Walter Kälin (Hrsg.), Das Verbot ethnischkultureller Diskriminierung: Verfassungs- und menschenrechtliche Aspekte, Basel/Genf/ München 1999, S. 67­94, S. 68.

Statt vieler BGE 123 I 1 E. 6a, S. 7; 121 I 129, E. 4d, S. 134 und andere.

Vgl. Georg Müller, Artikel 4, in: Jean-François Aubert et al. (Hrsg.), «Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874», Basel et al. 1987 und spätere Nachlieferungen, Rz. 30, 39.

5945

benachteiligen78. Die Verfassungsgarantien von Artikel 8 Absatz 1 und 2 BV verbieten somit Menschen unter anderem einfach deshalb unterschiedlich zu behandeln und damit zu benachteiligen, weil sie fremder Herkunft sind oder einer anderen Kultur oder Religion angehören. Die Bestimmung untersagt damit der Mehrheit, die Minderheit und deren Angehörige wegen ihrer Herkunft bzw. wegen sprachlicher, kultureller, ethnischer oder ähnlicher Merkmale durch Ungleichbehandlung zu benachteiligen.

Selbstverständlich ist auch die Praxis der internationalen Gerichte und Organe in steter Weiterentwicklung begriffen und sind etwa verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen zur Abgrenzung zwischen verbotener Diskriminierung und zulässiger Unterscheidung herausgebildet worden. Dem entspricht auch die neuere Praxis des schweizerischen Bundesgerichts79: «Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Art von Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteiligung eines Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpft, das einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden Person ausmacht. (...) Das Diskriminierungsverbot des schweizerischen Verfassungsrechts macht aber die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal ­ wie Herkunft, Rasse, Geschlecht, Sprache und weitere in Artikel 8 Absatz 2 BV (in nicht abschliessender Weise) aufgezählte Kriterien ­ nicht absolut unzulässig. Vielmehr begründet dieser Umstand zunächst den blossen (...); sich daraus ergebende Ungleichbehandlungen sind infolgedessen .» Es lässt sich somit zunehmend eine Übernahme des völkerrechtlichen Prüfungsschemas in die Rechtsprechung des Bundesgerichts feststellen.

Für die Frage des Diskriminierungsverbots und einer möglichen Drittwirkung auf das Verhältnis unter Privaten (Art. 2 Abs. 1 Bst. c und d des Übereinkommens) kann auf die Ausführungen in der Botschaft sowie den Länderberichten der Schweiz80 verwiesen werden. Es kann festgehalten werden, dass die bisherige Praxis des Ausschusses sowohl mit den Anforderungen der schweizerischen Rechtsordnung wie auch mit der Jurisprudenz des Bundesgerichts kompatibel ist.

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Annahmeerklärung wird weder für den Bund noch die Kantone finanzielle oder personelle Auswirkungen haben. Entsprechende Erhebungen bei den Vertragsstaaten, welche das Verfahren anerkannt haben, lassen keine zusätzlichen Kosten auf Grund der Annahmeerklärung erwarten.

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Während das Rechtsgleichheitsgebot den positiven Aspekt des Grundsatzes der Gleichbehandlung ausdrückt («alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich» [Art. 8 Abs. 1 BV]), stellt das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) gleichsam die negative Seite der Gleichbehandlung dar.

Vgl. BGE 126 II 377, 392 ff.

Siehe den Ersten Bericht der Schweiz, Ziff. 57 ff. sowie den Zweiten und Dritten Bericht (Anm. 16), Ziff. 86 ff.

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Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1999­2003 angekündigt81.

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Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage des Bundesbeschlusses findet sich in der allgemeinen aussenpolitischen Kompetenz des Bundes gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung. Das Parlament behielt sich anlässlich der Beratung des Übereinkommens die Kompetenz zur Abgabe der einseitigen Erklärung nach Artikel 14 Absatz 1 des Übereinkommens vor82.

Laut Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung werden völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen (Ziff. 3). Wie bereits in der Botschaft über den Beitritt zum Übereinkommen festgehalten wurde83, ist das Übereinkommen gemäss Artikel 21 kündbar und stellt der Beitritt zum Übereinkommen bzw. die nachträgliche Annahmeerklärung von Artikel 14 des Übereinkommens keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation dar. Zudem kann die nach Artikel 14 Absatz 1 des Übereinkommens abgegebene Erklärung gemäss Artikel 14 Absatz 3 jederzeit durch Notifizierung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zurückgenommen werden.

Es stellt sich einzig die Frage, ob die Annahmeerklärung eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführe. Nach konstanter Praxis des Bundesrates unterliegen dem fakultativen Referendum, nur diejenigen Verträge, die Einheitsrecht enthalten, das im Wesentlichen direkt anwendbar ist und ein bestimmtes, genau umschriebenes Rechtsgebiet genügend umfassend regeln, d.h. jenen Mindestumfang aufweist, der auch nach landesrechtlichen Massstäben die Schaffung eines separaten Gesetzes als sinnvoll erscheinen liesse (BBl 1988 I 912, BBl 1990 III 948, BBl 1992 III 324).

Das Parlament hat die Praxis des Bundesrates präzisiert und entschieden, dass in Einzelfällen ­ wegen der Bedeutung und Art der Bestimmungen oder weil internationale Kontrollorgane geschaffen werden ­ auch dann eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vorliegen kann, wenn die betreffenden internationalen Normen nicht zahlreich sind (BBl 1990 III 948 mit Hinweisen).

Das Übereinkommen selber enthält, wie bereits in der Botschaft von 1992 festgehalten und
auch in der Praxis des Ausschusses bestätigt wurde, nur zum Teil direkt anwendbare Bestimmungen. Es konkretisiert zwar das Verbot der Rassendiskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen; von einer umfassenden Regelung eines bestimmten Rechtsgebietes kann jedoch keine Rede sein. Zudem ist der Ausschuss nicht befugt, das Übereinkommen in rechtlich bindender Weise auszulegen bzw. die Vertragsstaaten wegen der Verletzung seiner Bestimmungen rechtlich zu verurteilen.

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BBl 2000 2276, Anhang 2.

Siehe dazu die Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 (Anm. 1), Ziff. 12, und demgegenüber den Bundesbeschluss vom 9. März 1995 (AS 1995 1163) sowie AB 1992 N 2668­2672, 1993 S 94 f.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 (Anm. 1), Ziff. 12.

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Die vorliegende Annahmeerklärung begründet für die Schweiz daher keine neuen Verpflichtungen.

Die vorliegende Annahmeerklärung unterliegt damit nicht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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