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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den Gesetzesentwurf enthaltend Abänderungen zum Bundesgesetz vom 29. Juni 1888 betreffend die Erfindungspatente.

(Vom 25. November 1892.)

Tit.

Es ist in Fachkreisen längst bekannt, daß in einigen Artikeln des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente Divergenzen zwischen den verschiedenen Texten und in andern Artikeln Unklarheiten vorkommen, welche der Anwendung desselben Schwierigkeiten in den Weg legen.

Das Departement des Auswärtigen machte schon anläßlich der Bekanntmachung des Gesetzes im Bundesblatt auf verschiedene dieser Mängel aufmerksam ; später befaßten sich einige hervorragende schweizerische Juristen und dann auch der schweizerische Juristenverein mit der Angelegenheit. Wir glaubten · indeß, eine Revision des Gesetzes nicht vorbereiten zu sollen, bis konkrete Fälle deren Notwendigkeit außer Frage stellen würden.

Ein solcher Fall ist im Laufe dieses Jahres eingetreten; am 23. Juli 1892 richtete das Bundesgericht folgendes Schreiben an uns: ,,Nous avons l'honneur de vous adresser ci-joint, afin que vous vouliez bien en prendre connaissance, la copie d'un arrêt rendu par le tribunal fédéral, le 8 juillet courant, dans une cause entre la société suisse de distributeurs automatiques de papiers, à Vevey, et le sieur 0. Adam, chef de la maison ,,Adams Ver-

396 Vous pourrez vous convaincre par la lecture de cet arrêt que les textes français et allemand de l'art. 25, alinéa 3, de la loi fédérale sur les brevets d'invention du 29 juin 1888 sont en contradiction absolue l'un avec l'autre. Comme cette circonstance est de nature à entraîner de sérieux inconvénients dans la pratique , nous croyons devoir la signaler à votre haute autorité, afin que vous vouliez bien -- si, comme nous en sommes certains, vous en reconnaissez la nécessité -- prendre les mesures nécessaires pour faire disparaître de la législation fédérale cette fâcheuse antinomie."

Diese Aeußerung des Bundesgerichtes hat uns den direkten Anlaß geboten zur Ausarbeitung des vorliegenden Revisionsentwurfes, den wir.auf das zunächst, liegende Nothwendige und Wünschenswerthe beschränkten, da wir von der Ansicht ausgingen, es müßten mehr Erfahrungen gesammelt werden, bevor an eine, späterhin sich vielleicht uothwendig erweisende, eigentliche Umarbeitung des Gesetzes gedacht werden könnte.

Wir gestatten uns, nach dieser kurzen Einleitung zur Beleuchtung der einzelnen Revisionsvorschläge überzugehen.

Art. I, 1. Die Verwaltungsabtheilung, welcher die aus der Vollziehung des Patentgesetzes resultirenden Geschäfte zufallen, führt den Namen ,,eidgenössisches Amt für geistiges Eigenthum", weil sie auch die Geschäfte zu besorgen hat, die sich aus der Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend das literarische und künstlerische Eigenthum ergeben. Dieser Bezeichnung trägt das Markenschutzgesetz vom 26. September 1890 bereits Rechnung; es ist ohne Zweifel wünschbar, daß mit der Zeit in allen Gesetzen die Verwaltungsabtheilung, welcher die aus deren Vollziehung sich ergebenden Geschäfte zufallen, mit dem gleichen Namen bezeichnet werde.

Art. I, 2, 3. und 7. Nach dem deutschen Text ist zur Klageführung nur Derjenige berechtigt, welcher ein r e c h t l i c h e s Interesse nachweist, gemäß dem französischen Text ,,toute personne intéressée" ; im deutschen Text ist die Grenze wohl zu eng gezogen, im französischen zu weit. Beiden Uebelständen begegnet die aus dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs entlehnte und durch dasselbe sanktionirte Fassung.

In Art. I, 3 ist .die seiner Zeit aus Versehen entstandene Lücke betreffend Bezeichnung des'in Nichtigkeitsklagen kompetenten Gerichtes ausgefüllt.

In Art. I, 7 wurden der französische und der italienische Text mit dem deutschen in Uebereinstimmung gebracht, welcher insofern

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der richtigere ist, als gemäß Art. 24 und 25 nicht nur Nachahmungsfälle (faits de contrefaçon) eingeklagt werden können.

Art. I, 4. Hier betrifft die Revision die Ausdehnung der möglichen Dauer des provisorischen Patentes von zwei Jahren auf drei.

Die Aenderung ist nicht grundsätzlicher, sondern rein sachlicher Natur, da die vorgeschlagene Frist nicht über diejenige hinausgeht, welche in Art. 9, 3 des Patentgesetzes für den Beginn der Anwendung einer Erfindung gestellt ist.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß in der Mehrzahl der Fälle als Modell die Ausführung der Erfindung vorgewiesen werden will und deßwegen die jetzige Frist oft gerade für die ,,guten" Patente zu kurz ist, daß manche «Patente, für welche der Modellausweis nur mit Ueberwindung großer Schwierigkeiten ganz am Ende der zweijährigen Periode geleistet werden konnte, trotz der aufgewendeten Mühe nicht in das vierte Patentjahr übergehen und endlich, daß viele Modellausweise dem Amte außerordentliche Schwierigkeiten bereiten.

Durch Verlängerung der Frist für Umwandlung der provisorischen Patente in definitive auf 3 Jahre würde also mit Sicherheit der doppelte Zweck erreicht, den Inhabern guter provisorischer Patente die Erlangung des wirksamen Patentschutzes zu erleichtern, beziehungsweise zu ermöglichen und das Amt für geistiges Eigenthum in bedeutendem Maße von vergeblicher Arbeit zu entlasten.

Ein längeres Bestehen unnützlicher Patente würde nicht zu befürchten sein, denn diese erlöschen, selbst wenn sie definitiv geworden sind, erfahrungsgemäß wegen Einstellung der Gebührenzahlung mit wenig Ausnahmen spätestens am Ende des zweiten Patentjahres. , Art. I, 5. Weder im deutschen noch im italienischen Gesetzestext wird etwas über die relative Lage von Kreuz und Pateritnummer gesagt ; es ist gewiß auch besser, wenn dem Patentinhaber diesbezüglich freie Wahl gelassen wird.

Art. I, 6. Der französische Text des bisherigen letzten Alinea des Art. 25 entspricht, wie aus den Protokollen nachgewiesen werden kann, den sachbezüglichen Verhandlungen der eidgenössischen Räthe; allein die Praxis zeigt, daß die Limitirung der Civilentschädigung auf Art. 24, l zum Schutze der einheimischen Industrie nicht genügt, besonders dann nicht, wenn der Nachahmer im Ausland domizilirt ist. Gegen die Fassung des bisherigen deutschen Textes läßt sich einwenden,
daß sie nicht streng logisch ist, weil sie auch solche Handlungen in's Auge faßt, welche ihrer Natur nach fahrläßig nicht begangen werden können. Die von uns vorgeschlagene,

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auch dem Art. 25 des Markengesetzes entsprechende neue Fassung vermeidet beide Nachtheile und jede Zweideutigkeit. · Art. I, 8 Hier handelt es sieh nur um redaktionelle Richtigstellung eines sonst zu keinen Meinungsverschiedenheiten Anlaß gebenden Ausdruckes, da eine Strafe selbstverständlich nicht von irgend einer Amtsstelle, sondern nur von den Gerichten verhängt werden kann.

Art. II. Eine Uebergangsbestimmung hinsichtlich der Wirkung der Verlängerung der Frist für Umwandlung der provisorischen Patente in definitive ist für die Verwaltungsbehörde sowohl, wie für den Richter nothwendig. Die vorgeschlagene Bestimmung zielt darauf ab, die Vortheile der Fristverlängerung auch solchen Patenten zukommen zu lassen, welche innert zwei Jahren vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes -angemeldet worden sind. Sie hat außerdem den Vortheil, die Koutrole dès eidgenössischen Amtes zu erleichtern.

Genehmigen Sie, Tit., die wiederholte Versicherung unsrer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 25. November 1892.'

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : · Häuser.

Der Kanzler der- Eidgenossenschaft : llingier.

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Bundesgesetz enthaltend

Abänderungen zum Bundesgesetz vom 29. Juni 1888 betreffend die Erfindungspatente.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung des Art. 64 der schweizerischen Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 25. November 1892, beschließt : Art. L Das Bundesgesetz vom 29. Juni 1888 betreffend die Erfindungspatente wird in folgenden Punkten abgeändert : 1. Die Bezeichnung ,,eidgenössisches Amt für gewerbliches Eigenthum" wird durchweg ersetzt durch ,,eidgenössisches Amt für geistiges Eigenthum".

2. Das letzte Alinéa des Art. 9 erhält folgende Fassung : ,,Die Klage auf Hinfälligkeit des Patentes in den Fällen von Ziffer 3 und 4 kann von Jedermann, der ein Interesse nachweist, bei dem für die Nachahmungsklage zuständigen Gerichte (Art. 30) angehoben werden.a 3.. Das letzte Alinea des Art. 10 erhält folgende Fassung : :.

"Die Nichtigkeitsklage steht Jedermann zu, der ein Interesse nachweist, und ist bei dem für die Nachahmungsklage zuständigen Gerichte (Art. 30) anzuheben."

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4. Das zweite und das dritte Alinea des Art. 16 erhalten folgende Fassung: ,,Dieses provisorische Patent sichert dem Inhaber desselben während der Dauer von drei Jahren, vom Datum des*Gesuches an gerechnet, einzig das Recht auf ein definitives Patent, ohne Rücksicht darauf, ob die Erfindung inzwischen in die Oeffentlichkeit gedrungen sei. Ein Klagrecht wegen Nachahmung oder Benutzung der Erfindung steht jedoch dem Inhaber nicht zu.a ,,Der Inhaber Deines provisorischen Patentes hat vor Ablauf dieser drei Jahre durch Leistung des in Ziffer 3 des Art. 14 geforderten Ausweises ein definitives Patent, auszuwirken, widrigenfalls jenes Patent dahinfallt."

5. Im ersten Alinea des Art. 20 wird, im französischen Text, das Wort ,,suivie" durch ,,ainsi que" ersetzt.

6. Das letzte Alinea des Art. 25 erhält folgende Fassung: ,,Bloß fahrlässige Uebertretung wird nicht bestraft ; die Civilentschädigung bleibt jedoch vorbehalten.tt 7. Das erste Alinea des Art. 26 erhält folgende Fassung: ,,Die Civilklage steht Jedermann zu, der ein Interesse nachweist."

Das letzte Alinea desselben Artikels soll im französischen Text folgendermaßen lauten: ,,L'action sera prescrite lorsqu'il se sera écoulé plus de deux ans depuis la dernière contravention"1, und im italienischen Text: ,,L1 azione sarà prescritta dopo scorsi più di due anni dal!' ultima contravvenzione".

8. Das erste Alinea des Art. 29 erhält folgende Fassung: ,,Wer rechtswidrigerweise seine 'Geschäftspapiere, Anzeigen oder Erzeugnisse mit einer Bezeichnung versieht, welche zum Glauben verleiten soll, daß ein Patent besteht wird auf amtliche oder private Klage hin mit

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einer Geldbuße von 30 bis 500 Franken, oder mit Gefängniß in der Dauer von 3 Tagen bis zu 3 Monaten, oder mit Geldbuße und Gefängniß innerhalb der angegebenen Begrenzung bestraft."1 Art. II. Die Bestimmungen von Art. I, 4, sind auf alle provisorischen Patente anwendbar, die im Zeitpunkte, in welchem das gegenwärtige Gesetz in Kraft .tritt, noch nicht zwei Jahre gedauert haben.

., Art. III. Der Bundesrath wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1872, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu.

veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den Gesetzesentwurf enthaltend Abänderungen zum Bundesgesetz vom 29. Juni 1888 betreffend die Erfindungspatente. (Vom 25. November 1892.)

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30.11.1892

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395-401

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