01.060 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst vom 21. September 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit der vorliegenden Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen folgende parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2000

P

99.3533

Zivildienst. Gruppeneinsätze für nachhaltige Entwicklung und Auslandeinsätze (N 15.06.2000, Wiederkehr)

2000

P

00.3372

Erstellung eines Zivildienstberichtes (N 6.10.2000, Dormann)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. September 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11616

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0920

6127

Übersicht Das Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG), welches auf den 1. Oktober 1996 in Kraft getreten ist, ist in seiner Konzeption eng mit den entsprechenden Regelungen des Militärgesetzes und mit den diesem nachgeordneten Normen verbunden. Anpassungen, welche sich im Rahmen des Reformprojekts Armee XXI betreffend das Militärgesetz ergeben, haben deshalb auch Auswirkungen auf den Zivildienst. Der vorliegende Entwurf zur Revision des ZDG nimmt zum einen die so bedingten Anpassungen vor. Andererseits wird, nachdem nun während rund fünf Jahren Erfahrungen mit der gänzlich neuen Regelung des Zivildienstes gesammelt werden konnten, eine Reihe von Optimierungen betreffend den Vollzug vorgeschlagen.

Dies sind die wesentlichsten Grundzüge und Vorschläge der vorliegenden Gesetzesrevision:

1

­

Der Verfassungsgrundsatz der allgemeinen Wehrpflicht wird nicht angetastet. Der Militärdienst stellt die Regel, der zivile Ersatzdienst die Ausnahme dar1. Das bewährte Vollzugskonzept des Zivildienstes soll beibehalten werden. Dessen Eckwerte werden nicht in Frage gestellt (Gewissensgründe als Zulassungsvoraussetzung; Prüfung derselben in einer persönlichen Anhörung; Erbringung einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse ausserhalb der Armee; Dauer länger als diejenige des Militärdienstes; weder eine Besser- noch eine Schlechterstellung der Zivildienst leistenden gegenüber den Militärdienst leistenden Personen).

­

Der Zivildienst hat seine erste Aufgabe erfüllt: Das Problem der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist weitgehend gelöst. Die Institution Zivildienst soll darüber hinaus jedoch nicht nur Selbstzweck sein, sie soll vielmehr einen erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen erbringen. Wenn der Staat von seinen Bürgern verlangt, dass sie einen Dienst erbringen, soll dieser im Zusammenhang mit den Zielen und Aufgaben dieses Staates stehen und Bedürfnissen dienen, deren Befriedigung im öffentlichen Interesse liegt und die anders nicht befriedigt werden können. Deshalb sollen im ZDG neu Wirkungsziele festgelegt werden.

­

Die Dauer der Zivildienstleistungen und die Altersgrenzen werden an die im Militärdienst künftig geltenden Regeln angepasst. Gleichzeitig soll der Faktor 1,5, der die Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen im Verhältnis zum nicht geleisteten Militärdienst festlegt, auf 1,3 herabgesetzt werden. Damit wird vor allem den Bedürfnissen der Wirtschaft vermehrt Rechnung getragen. Mit dem neuen Faktor werden zivildienstpflichtige Personen und deren Arbeitgeber durch die Abwesenheiten vom Arbeitsplatz zwar immer noch stärker belastet als infolge von Militärdienstleistungen,

Seit der Totalrevision der Bundesverfassung bezeichnet auch die französische Fassung der BV den Zivildienst ausdrücklich als Ersatzdienst (Art. 59 Abs. 1 BV).

6128

der maximale Zuschlag von rund 3 Monaten hält sich aber in einem vertretbaren Rahmen.

­

Die ausserordentlichen Zivildienstleistungen werden auf Gesetzesstufe so geregelt, dass sie ohne detaillierte Ausführungsbestimmungen möglich werden.

­

Das Verfahren der Zulassung zum Zivildienst wird an die Neuregelung der Rekrutierung XXI des VBS angepasst.

­

Die in der Praxis entwickelten Entscheidungskriterien hinsichtlich eines glaubhaft dargelegten Gewissenskonfliktes sollen im Gesetz festgeschrieben werden.

­

Das Anerkennungsverfahren für Einsatzbetriebe wird effizienter und kostengünstiger gestaltet: Die Anerkennungskommission wird aufgehoben und betreffend die Anerkennung neuer Einsatzbetriebe wird eine Bedürfnisklausel eingeführt.

Die Neuregelung soll gleichzeitig mit dem revidierten Militärgesetz in Kraft treten (allenfalls mit einer Staffelung der Inkraftsetzung ab 1. Jan. 2003).

6129

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Warum eine Revision des Zivildienstgesetzes?

Mit den Anpassungen des Militärgesetzes an die Neukonzeption der Armee XXI muss das Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) in einigen Teilen zwingend angepasst werden. Die vorliegende Gesetzesvorlage geht allerdings über den diesbezüglichen Anpassungsbedarf hinaus. Dies aus folgenden Gründen: Das ZDG ist das erste Gesetz dieser Art in der Schweiz. Es hat Pilotcharakter. Es erscheint deshalb sinnvoll, die notwendigen und wünschbaren Optimierungen im jetzigen Moment vorzunehmen, um nicht relativ bald wieder mit einer neuen Vorlage an das Parlament gelangen zu müssen.

Der Sicherheitspolitische Bericht 2000 reagiert auf ein geändertes internationales Umfeld und auf neue Bedrohungsformen. Er führt zu neuen Strategien, einer Umverteilung von Aufgaben, neuen Schwerpunktsetzungen und Reformen der bisher bestehenden Instrumente. Der Zivildienst als Bestandteil des Wehrpflichtsystems ist Teil dieses Ganzen, das im Wandel begriffen ist, und soll sich Anpassungen deshalb nicht entziehen.

In der Antwort auf die Motion Aguet vom 4. März 1999 (99.3046, Bundesgesetz über den Zivildienst. Änderung) hat der Bundesrat die Weichen für eine grössere Revision des ZDG gestellt und ein Konzept für den Zivildienst nach 2000 angekündigt. Er hat sich bereit erklärt, anlässlich der Erarbeitung dieses Konzepts zu prüfen, ob auch militärdienstuntaugliche Personen zum Zivildienst zugelassen werden sollten, ob der Faktor 1,5 beibehalten werden solle, ob Einsätze des Zivildienstes im Rahmen der Friedensförderung ausgedehnt und Einführungen in die damit verbundenen Aufgaben angeboten werden sollten und ob und in welcher Form Einsätze des Zivildienstes im Ausland, in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Katastrophenhilfe und speziell in Gruppen künftig in grösserer Zahl stattfinden könnten.

Nach fünf Jahren lässt sich eine fundierte Bilanz der Anwendung des ZDG ziehen.

Die Pionierphase des Zivildienstes ist abgeschlossen. Im Zulassungsverfahren gibt es keine nennenswerten Pendenzen mehr und die Organisation der Einsätze ist eingespielt. Es geht heute nicht mehr darum, allfällige Anfangsschwierigkeiten zu beseitigen, sondern das ZDG daraufhin zu evaluieren, inwiefern es im Hinblick auf die langfristige Anwendung optimiert werden kann.

Im Rahmen der Beratungen zur Parlamentarischen Initiative Andreas
Gross vom 6. Oktober 1999 (99.452, Zivildienst 2003) wurde im Nationalrat durch den Berichterstatter der sicherheitspolitischen Kommission festgehalten, «dass die bisherigen Erfahrungen im Vollzug des Zivildienstgesetzes einen gewissen Anpassungsbedarf aufgezeigt haben», dass aber «allfällige Änderungen beim Zivildienst erst vorgenommen werden, wenn das Leitbild der Armee XXI vorliegt.» (Amtliches Bulletin, 2000 N 830, Votum Leu Josef, Kommissionssprecher). Dieses Leitbild

6130

liegt nun vor, womit auch die Grundlage für die Revision des ZDG gelegt ist. Das Projekt der Revision des ZDG wurde parallel zur Revision des Militärgesetzes2 entwickelt: Die beiden Revisionsprojekte sind inhaltlich aufeinander abgestimmt.

1.1.2

Erfahrungen im bisherigen Vollzug des Zivildienstes

Das ZDG ist seit dem 1. Oktober 1996 in Kraft. Es hat sich in den Grundzügen gut bewährt. Ergänzungen mussten bisher lediglich betreffend Datenschutzbestimmungen vorgenommen werden (Bundesgesetz vom 24. März 2000 über die Schaffung und die Anpassung gesetzlicher Grundlagen für die Bearbeitung von Personendaten3, die Artikel 80 und 80a ZDG betreffend). Revisionen der Verordnung über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstverordnung, ZDV4) in den Jahren 1998 und 20005 betrafen Vereinfachungen und Straffungen im Vollzug und verankerten das Prinzip, dass zivildienstpflichtige Personen ihre Einsätze grundsätzlich selbst suchen. Geringfügige Modifikationen erfuhren auch weitere den Vollzug des Zivildienstes regelnde Verordnungen (Verordnung vom 22. Mai 1996 über die Kommissionen des Zivildienstes6; Verordnung vom 18. Juni 1996 über die Entschädigung der Mitglieder der Kommissionen des Zivildienstes7 sowie Verordnung vom 14. August 1996 über das Informationssystem des Zivildienstes8). Auf den 1. Januar 2001 wurde schliesslich eine Verordnung vom 27. November 2000 über Zivildiensteinsätze in Schwerpunktprogrammen und zur Behebung von Notlagen9 vom Bundesrat in Kraft gesetzt.

Am 6. Oktober 2000 nahm der Nationalrat ein Postulat Dormann (00.3373 vom 23.6.2000, Erstellung eines Zivildienstberichtes) an, mit welchem der Bundesrat beauftragt wurde, einen Bericht über die Erfahrungen mit Zivildiensteinsätzen im Inund Ausland, über die damit verbundenen Vor- und Nachteile, über Effektivität und Effizienz der Einsätze sowie über die bisherigen Einsatzbereiche und Trägerschaften zu erstellen. Der Bundesrat sieht davon ab, zu einem späteren Zeitpunkt einen separaten Bericht in Erfüllung dieses Postulates vorzulegen. Denn die gewünschten Informationen sind vor allem als Grundlage für die Revision des ZDG von Interesse.

Daher sind diese Informationen in den Ziffern 1.1.2 und 1.1.3 der vorliegenden Botschaft enthalten.

2 3 4 5 6 7 8 9

Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG), SR 510.10; AS 1995 4093 AS 2000 1891; BBl 1999 9005 SR 824.01 AS 1998 2519 3021, 2000 3083 SR 824.013, vgl. AS 1998 2527 SR 824.014, vgl. AS 1998 2632 und 1999 1107 SR 824.095, vgl. AS 1997 2779 und 1998 2530 SR 824.015, AS 2001 83

6131

1.1.2.1

Zulassungsverfahren zum Zivildienst

1.1.2.1.1

Verfahren vor erster Instanz

Zwischen Oktober 1996 und Ende Juli 2001 sind bei der Vollzugsstelle für den Zivildienst (in der Folge kurz Vollzugsstelle genannt) 7974 Gesuche um Zulassung zum Zivildienst eingegangen. Dies entspricht im Durchschnitt 137 Gesuchen pro Monat oder 1644 Gesuchen pro Jahr. Der Gesuchseingang unterliegt starken saisonalen Schwankungen. Besonders viele Gesuche werden drei Monate vor Beginn der Rekrutenschulen und drei Monate vor Beginn der Herbst-Wiederholungskurse ein-

gereicht. Während sich vor allem in den ersten Monaten nach der Einführung des Zivildienstes viele Pendenzen und lange Bearbeitungsfristen ergaben, hat sich diese Problematik seit 1999 (seit die Vollzugsstelle mit Leistungsauftrag und Globalbudget geführt wird) weitgehend beheben lassen. Zwischen Gesuchseingang und Erlass der erstinstanzlichen Verfügung vergehen bei der Mehrheit der Gesuche heute rund 12 Wochen.

Die gesuchstellenden Personen werden durch einen dreiköpfigen Ausschuss der Zulassungskommission zu den Motiven ihres Gesuchs angehört. Den Zulassungsentscheid fällt in der Folge die Vollzugsstelle auf Grund eines Antrages der Kommission. Die Zulassungskommission (eine Milizkommission) wurde intensiv auf ihre Aufgabe vorbereitet. Ein Philosoph führte sie in Fragen der Moral und Ethik ein und erarbeitete mit ihr die Grundlagen, um einen Gewissenskonflikt überhaupt verstehen zu können. Psychologen sensiblisierten die Kommissionsmitglieder hinsichtlich der Schwierigkeiten, die im Verhältnis zu einer gesuchstellenden Person entstehen können, wenn mit fremden Menschen ein Gespräch über innere Vorgänge geführt wird, und gaben Hinweise, wie mit diesen Schwierigkeiten umzugehen ist.

An konkreten Beispielen übten sich die Kommissionsmitglieder zusammen mit professionellen Trainern in Fragetechniken. In in der Regel jährlich wiederkehrenden mehrtägigen Weiterbildungsveranstaltungen wurden mit Fachleuten Themen aus dem Befragungsalltag aufgenommen. Im Vordergrund stand die Wissensvermit6132

tlung bezüglich nicht-christlichen Religionen, so genannten Patchworkreligionen, Gewaltlosigkeit, Argumentationstechnik, Erkennen moralischer Argumente usw.

Bis Ende Juli 2001 waren 7164 Gesuche erstinstanzlich erledigt. Davon wurden in erster Instanz 5712 gutgeheissen und 687 abgelehnt. Die Differenz von 765 Gesuchen betrifft Nichteintretensentscheidungen und Gesuchsrückzüge. Die Erfolgsquote aller eingereichten Gesuche liegt damit bei rund 80%. Rund 11% der angehörten gesuchstellenden Personen werden nicht zum Zivildienst zugelassen.

In Durchschnitt ergeben sich somit 1181 Zulassungen pro Jahr. Bei einem Bestand von rund 24 000 einrückungspflichtigen Rekruten pro Jahr beläuft sich der Anteil der Zivildienstpflichtigen auf ca. 5%. Bezogen auf einen gesamten Rekrutierungsjahrgang von ca. 35 000 Personen beläuft sich diese Quote auf 3,37%. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass effektiv nur knapp die Hälfte der gesuchstellenden Personen Rekruten sind. Der tatsächliche Anteil eines Rekrutierungsjahrgangs, der sich für den Zivildienst interessiert, ist deshalb entsprechend kleiner.

Die Vollkosten des Zulassungsverfahrens (inklusive Overheadkosten wie Führung, Buchhaltung, EDV-Entwicklung, Rechtsdienst usw.) für das Jahr 2000 beliefen sich auf rund 3150 Franken pro Entscheid oder total rund 4,41 Millionen Franken. Die variablen Kosten eines Anhörungstags (an dem drei gesuchstellende Personen befragt werden) belaufen sich auf knapp 2000 Franken. Erscheint eine gesuchstellende Person nicht zur Anhörung, so entsteht der Vollzugsstelle ein Schaden von rund 600 Franken. Dieser Fall tritt zunehmend öfter ein: 1999 erschienen 24 gesuchstellende Personen unentschuldigt nicht, 2000 waren es 32 und bis Ende Juli 2001 25 gesuchstellende Personen.

1.1.2.1.2

Verfahren vor der Rekursinstanz

Entscheide über die Nichtzulassung zum Zivildienst können von der gesuchstellenden Person an die Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (REKO/EVD) weitergezogen werden. Diese entscheidet endgültig (Art. 63 ZDG, Art. 100 Abs. 2 Bundesrechtspflegegesetz [OG]).

Die REKO/EVD hat der Vollzugsstelle für den Zivildienst seit Einführung des ZDG bis Ende Juli 2001 insgesamt 376 Beschwerden gegen die Ablehnung des Zulassungsgesuchs zur Vernehmlassung unterbreitet. Somit haben 55 Prozent der abgelehnten gesuchstellenden Personen Beschwerde geführt. In 11 Fällen hat die Vollzugsstelle hierauf wiedererwägungsweise die Zulassung verfügt. 299 Beschwerden hat die REKO/EVD endgültig entschieden. Davon wurde in 235 Fällen gegen die beschwerdeführende Person entschieden und die Beschwerde abgewiesen, in 8 Fällen hat die REKO/EVD sie direkt zum Zivildienst zugelassen und in 56 Entscheiden wurde die Vollzugsstelle in Gutheissung der Beschwerde aufgefordert, den Fall neu zu beurteilen. Zweitanhörungen führen in aller Regel zur Gutheissung des Gesuchs.

Nur gerade in einem Fall hat die Vollzugsstelle das Zulassungsgesuch nach der Zweitanhörung erneut abgelehnt. Insgesamt ergibt sich damit für Beschwerden im Zulassungsverfahren eine Erfolgsquote von 20 Prozent.

6133

Werden die Praxis der Vollzugsstelle und diejenige der REKO/EVD bezüglich der Zulassung zum Zivildienst miteinander verglichen, so stellt man fest, dass sie teilweise voneinander abweichen. So hat die REKO/EVD in jüngeren Entscheidungen, in denen sie Rekurse gutgeheissen hat, beispielsweise bezüglich der Frage der Glaubhaftigkeit eines geltend gemachten Gewissensentscheides festgehalten, dem Befund der Zulassungskommission betreffend die Glaubhaftigkeit des geltend gemachten Gewissenskonfliktes liege keine sachlich vertretbare Wertung zu Grunde, wenn die Zulassungskommission: ­

generell verlange, dass die gesuchstellende Person anhand von Beispielen aus der persönlichen Biografie und dem Alltag illustrieren könne, dass sich die genannte moralische Forderung auf ihre Lebensführung auswirke10;

­

von der gesuchstellenden Person generell tief schürfende, intellektuelle oder wissenschaftliche Abhandlungen über ihre Gewissenslage oder deren Hintergrund verlange. Die gesuchstellende Person müsse nicht vertiefend und ausführlich begründen können, wie ihre persönliche Grundüberzeugung zu Stande gekommen sei11;

­

von der gesuchstellenden Person einen eigentlichen Tatbeweis verlange bzw.

an die Umsetzung der auf Gewissensgründen beruhenden Prinzipien im täglichen Leben zu hohe Anforderungen stelle12;

­

von der gesuchstellenden Person erwarte, dass sie sich aktiv für die geltend gemachten Werte einsetze13 beziehungsweise diese Werte ins alltägliche Leben umsetze14.

Die konsequente Anwendung dieser Leitsätze aus Entscheiden der REKO/EVD würde dazu führen, dass künftig eine gesuchstellende Person bereits dann zum Zivildienst zugelassen werden muss, wenn sie lediglich behauptet, durch den Militärdienst in einen Gewissenskonflikt zu geraten (ohne dass sie gehalten ist, diese Behauptung fundiert zu erläutern oder durch ihre Lebenshaltung manifest zu machen) und ihr nicht gleichzeitig Verhaltensweisen vorzuhalten sind, die im Widerspruch zu den von ihr geltend gemachten Grundsätzen stehen. Eine derartige Zulassungspraxis läge einer reinen Tatbeweislösung sehr nahe. Die Vollzugsstelle verfolgt demgegenüber seit 1996 eine Praxis, die strengere, aber durchaus erfüllbare Anforderungen stellt, wie die grosse Zahl der Zulassungen zeigt. Das Konzept der Vollzugsstelle liegt den Änderungsvorschlägen betreffend die neuen Artikel 1 Absatz 2 und 3 sowie 18b zugrunde. Es ist im Rahmen der Erläuterungen zu den genannten Artikeln detailliert dargestellt.

10 11 12 13 14

REKO 99/5C-099, 8.11.2000, G., E. 5.8.2, S. 12.

REKO 99/5C-090, 20.4.2000, K., E. 5.2.1, S. 12; mit Verweisung auf REKO 99/5C-002, 26.8.1999, M., E. 5.2, S. 10 (Leitentscheid).

REKO 99/5C-002, 26.8.1999, M..

REKO 99/5C-075, 19.9.2000, K., E. 5.1, S. 9: REKO 99/5C-075, 19.9.2000, K., E. 5.2, S. 10 f.

6134

1.1.2.1.3

Folgen der Ablehnung des Zulassungsgesuchs

Gesuchstellende Personen, deren Zulassungsgesuch rechtskräftig abgelehnt ist, müssen weiterhin Militärdienst leisten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass nur wenige nach ihrer Ablehnung wieder Militärdienst geleistet haben (Daten dazu sind nicht verfügbar) und die meisten sich aus Gesundheitsgründen ausmustern lassen.

Einzelne verweigern den Militärdienst, was ein militärgerichtliches Verfahren nach sich zieht, andere weichen der Militärdienstpflicht durch Auslandurlaube aus.

Grundsätzlich kann auch jederzeit ein neues Zivildienstgesuch eingereicht werden.

Die Vollzugsstelle tritt darauf jedoch nur ein, wenn die gesuchstellende Person Gewissensgründe geltend macht, die im früheren Zulassungsverfahren nicht materiell beurteilt wurden oder noch nicht geltend gemacht werden konnten. Diese Voraussetzungen sind in den wenigsten Fällen erfüllt, weshalb auf die Mehrzahl der Folgegesuche nicht eingetreten wird. Die Zahl allfälliger Folgegesuche ist nicht beschränkt.

1.1.2.1.4

Zahl der zivildienstpflichtigen Personen

Ende Juli 2001 waren 6744 Personen zivildienstpflichtig. In dieser Zahl eingerechnet sind die rund 1000 Personen, welche im Rahmen der Übergangsregelung 1996 aus der Arbeitsleistung («Barras-Reform») in den Zivildienst überführt worden sind.

Damit entspricht die Zahl der zivildienstpflichtigen Personen knapp 1,7% des Sollbestandes der Armee 95 von 400 000 Personen.

Zwei zivildienstpflichtige Personen haben ein Gesuch um Wiedereinteilung in die Armee gestellt, das gutgeheissen wurde. Wegen Arbeitsunfähigkeit wurden bisher keine Personen vorzeitig aus der Zivildienstpflicht entlassen. Auch wurden bisher keine Ausschlüsse aus dem Zivildienst (Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 ZDG) verfügt und kein Zulassungsentscheid widerrufen (der Fortbestand der Zulassungsvoraussetzungen wird nicht kontrolliert).

1.1.2.1.5

Effizienz und Effektivität des Zulassungsverfahrens15

Das Zulassungsverfahren ist kostengünstig und damit effizient. Durchschnittliche Kosten von 3153 Franken pro Zulassungsentscheid im Jahr 2000 deckten den Gesamtaufwand für ein Verfahren und dessen Gemeinkosten, das einem gerichtlichen Verfahren unter Beizug von jeweils drei Richtern entspricht und sich, wenn ein Gesuch abgelehnt wurde, über mehrere Stufen hinziehen kann.

15

Effizienzbetrachtungen setzen auf der Massnahmen- und Resultatebene an. Effizienz betrifft das Verhältnis des Outputs (der erbrachten Leistungen) zum Input (zu den dafür aufgewendeten Ressourcen) und beantwortet die Frage, ob Leistungen kostengünstig erstellt wurden. Effektivitätsbetrachtungen setzen auf der Zielebene an. Effektivität betrifft das Verhältnis zwischen Zielerreichung und Zielvorgaben und beantwortet die Frage, ob die Leistungen die erwarteten Wirkungen erzeugt haben. Im Zusammenhang mit diesen Fragestellungen ist zu beachten, dass im Bereich des Zivildienstes landesweit keine Benchmarks verfügbar sind und dass es bisher keine Gesamtrechnung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Zivildienstes gibt.

6135

Auch die Effektivität des Zulassungsverfahrens ist gegeben, denn die angestrebte Wirkung ist eingetreten: Das Gewissensproblem in der Armee ist insofern gelöst, als die Betroffenen nicht mehr durch die Militärjustiz beurteilt und kriminalisiert werden müssen (es sei denn, es gelang ihnen im Zulassungsverfahren nicht, ihren Gewissenskonflikt mit dem Militärdienst glaubhaft darzulegen). Die Militärjustiz beurteilt nun jährlich noch etwa 40 Fälle der Militärdienstverweigerung, bei denen in der Regel keine Gewissensgründe relevant sind. (Die Erreichung der angestrebten Wirkung ist allerdings wohl auch durch den wachsenden Anteil an Ausmusterungen aus gesundheitlichen Gründen begünstigt worden).

1.1.2.2

Verfahren der Anerkennung von Einsatzbetrieben; Überblick über Einsatzbereiche und Trägerschaften

Eine Eigenheit des Zivildienstes liegt darin, dass er in vielen Bereichen (sie sind in Art. 4 ZDG umschrieben) gleichzeitig tätig ist. Ende Juli 2001 waren 1046 Einsatzbetriebe anerkannt.

Tätigkeitsbereich

Teilbereich

Gesundheitswesen

Spitäler Weitere Betriebe Betreuung Betagter Betreuung Behinderter Betreuung Jugendlicher Asylwesen Heilpädagogik Weitere Betriebe Kulturgütererhaltung Forschung

Sozialwesen

Kultur, Forschung Umwelt, Natur Forstwesen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe Landwirtschaft Informationstage Total

6136

Betriebe

Stellen

54 58 110 135 151 48 2 219 57 26 112 10 49

331 212 336 417 354 153 2 757 134 112 614 18 208

15

285

1046

3933

Einsätze

Diensttage

382 42 224 260 21 715 357 28 093 889 71 063 1005 108 106 591 55 775 2 398 1042 103 275 279 26 719 189 23 184 841 67 780 38 2 687 225 27 965 423

32 316 5 555

6523 616 855

Die Angaben in obiger Tabelle beziehen sich auf den Stichtag 31.7.2001 (Anzahl Betriebe und Stellen) bzw. den Zeitraum 1. Oktober 1996 (Inkrafttreten des ZDG) bis 31. Juli 2001 (Anzahl Einsätze und geleistete Zivildiensttage).

Die Anerkennung dieser Einsatzbetriebe erfolgt durch die Vollzugsstelle auf Antrag der vorberatenden Anerkennungskommission. In der Praxis prüft die Vollzugsstelle die eingehenden Anerkennungsgesuche materiell und unterbreitet anschliessend ihren Vorschlag der Kommission. Nachdem die Kommission zu Beginn ihrer Arbeit einige Grundsatzentscheide gefällt hat, kommt es heute praktisch nicht mehr vor, dass der Antrag der Kommission vom Vorschlag der Verwaltung abweicht.

Anerkennungsverfahren wurden bisher in vielen Fällen durch einzelne zivildienstpflichtige Personen initiiert: Ihr Wunsch, den Einsatz in einem bestimmten Betrieb leisten zu können, löste erst ein Anerkennungsverfahren aus. Viele dieser so rekrutierten Betriebe beschäftigten in der Folge nie mehr eine Zivildienst leistende Person. Nachfrage und Angebot betreffend Einsatzbetriebe klaffen dementsprechend auseinander. So standen im Juli 2001 den rund 800 im Einsatz stehenden Zivildienst leistenden Personen 3933 Einsatzplätze zur Auswahl offen.

Die Einsatzbetriebe teilen sich auf in rund ein Drittel öffentliche und zwei Drittel private Institutionen. Sie beschäftigen zu 35% weniger als 10 Mitarbeitende, zu 49% zwischen 10 und 100 Mitarbeitende und zu 16% mehr als 100 Mitarbeitende.

Was Effizienz und Effektivität des Anerkennungsverfahrens betrifft, lässt sich Folgendes festhalten: ­

Die Anerkennung von Einsatzbetrieben ist eine Vorleistung für die Erstellung des Produkts «Einsätze». Die damit verbundenen Leistungen werden den Gesamtkosten dieses Produkts zugerechnet. Die Effizienz dieses Konzessionierungsverfahrens sowie der daran anschliessenden Überwachung der Einhaltung der Anerkennungsvoraussetzungen wird daher nicht separat beurteilt.

­

Ziel des Anerkennungsverfahrens ist die störungsfreie Zusammenarbeit mit Institutionen, die ihre Rolle als Einsatzbetriebe und die damit verbundenen 6137

Rechte und Pflichten im Sinne des ZDG wahrnehmen sollen. Zugleich sollen Arbeitsmarkt- und Wettbewerbsneutralität der Einsätze gewährleistet werden. Auseinandersetzungen der Vollzugsstelle mit anerkannten Einsatzbetrieben sind äusserst selten. Anerkennungen mussten bisher nie gegen den Willen eines Einsatzbetriebes widerrufen werden und die Sozialpartner haben keine Verstösse gegen die Prinzipien der Arbeitsmarkt- und Wettbewerbsneutralität geltend gemacht. Daher sind die mit dem Anerkennungsverfahren angepeilten Wirkungen erreicht und das Anerkennungsverfahren ist effektiv.

1.1.2.3

Einsatz zivildienstpflichtiger Personen

1.1.2.3.1

Geleistete Einsätze

Durch ihren Einsatz tragen Zivildienst leistende Personen zur Qualitätssteigerung der Leistungen des Einsatzbetriebes bei. Die Zivildienstverordnung sieht vor, dass die zivildienstpflichtigen Personen ihren Einsatzplatz im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der anerkannten Einsatzbetriebe selber suchen. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Pflichtigen durch diese Mitbestimmung in aller Regel hoch motiviert sind und gute Arbeitsleistungen erbringen. Sie leisten ihren Einsatz entsprechend ihren Fähigkeiten und Neigungen und können dadurch üblicherweise ihre beruflichen und persönlichen Stärken einbringen. Auf Seiten der Vollzugsstelle ergibt sich gleichzeitig ein minimaler Verwaltungsaufwand, weil die eigentliche Vermittlungsarbeit nur dort geleistet werden muss, wo die zivildienstpflichtigen Personen nicht selber aktiv werden. Selbstverantwortlichkeit und Selbstsuche der Zivildienst leistenden Person verringern allerdings die Steuerungsmöglichkeiten der Einsätze.

Mit der neuen Verordnung über Zivildiensteinsätze in Schwerpunktprogrammen und zur Behebung von Notlagen (vgl. oben Ziffer 1.1.2) kann diesem Nachteil entgegengewirkt werden. Im Rahmen eines Schwerpunktprogramms erbrachten Zivildienst leistende Personen in den Jahren 1999 und 2000 im Asylbereich rund 44 000 Diensttage ­ mehr als die Armee in diesem Bereich an Diensttagen leistete. Ein künftiger Einsatz-Schwerpunkt wird die Expo.02 sein, wo mit ca. 30 000 Zivildiensttagen zu rechnen ist.

Die Pflicht der Einsatzbetriebe, die Kosten von Unterkunft und Verpflegung der Zivildienst leistenden Personen zu übernehmen sowie in bestimmten Fällen dem Bund für die erhaltene Arbeitskraft eine Abgabe zu entrichten, hat ihr Ziel erreicht, nämlich dass diese Personen gezielt und nutzenorientiert eingesetzt werden.

Generell kann festgestellt werden, dass die Leistungen der zivildienstpflichtigen Personen in den Einsatzbetrieben auf grosse Akzeptanz und ein positives Echo stossen.

Beispiele für solche gelungenen Einsätze von Zivildienst leistenden Personen: ­

6138

Der Einsatz im Spital entlastet das oft überlastete Pflegepersonal und hilft, damit die Qualität der Betreuung kranker und pflegebedürftiger Menschen zu verbessern. Zivildienst leistende Personen werden in der Patientenbetreuung eingesetzt, wo sie Patienten und Patientinnen beim Ein- und Austritt betreuen, sie zu Therapien, Untersuchungen oder Röntgen begleiten oder direkte Hilfspflegetätigkeiten wie Mithilfe bei der täglichen Hygiene, beim

Ankleiden oder bei der Nahrungsaufnahme ausführen. Sie entlasten das Spitalpersonal auch, indem sie Hilfsaufgaben im Labor, im Hausdienst (Zimmerreinigung, Abfallentsorgung, Umgebungsarbeiten) oder in der Küche übernehmen.

­

Im Tätigkeitsbereich des Umwelt- und Naturschutzes respektive in der Landschaftspflege werden Projekte verwirklicht, welche ohne den Zivildienst kaum Chancen zur Verwirklichung hätten. So wird beispielsweise im Jura der Trockenmauerbau durch Gruppeneinsätze Zivildienst leistender Personen gefördert. Den begünstigten Gemeinden und Landeigentümern wird durch die Zivildiensteinsätze die Möglichkeit gegeben, historisch gewachsene Landschaftsbilder zu erhalten oder neue Landschaftsstrukturen zu schaffen und damit einen Beitrag für die Erhaltung einer vielfältigen und artenreichen Umwelt zu leisten.

­

Einsätze in der Landwirtschaft sollen helfen, die Produktions- und Lebensbedingungen bedürftiger Bauern zu verbessern. Die Einsätze sind im Wesentlichen auf Infrastrukturprojekte, Aufräumarbeiten nach Naturereignissen und Arbeiten zur Umstellung auf eine ökologische Produktion beschränkt, sodass Zivildienst leistende Personen primär für den Bau oder die Reparatur von Wegen und Strassen, Quellfassungen oder Sanierungs- und Renovationsarbeiten bei Gebäuden eingesetzt werden. Durch den Einsatz von Zivildienst leistenden Personen bei solchen Infrastrukturaufgaben wird gelegentlich der Eigenleistungsanteil der Landwirte so erhöht, dass diese die Voraussetzungen für günstige Kredite erfüllen können. Gleichzeitig kann diese Art von Einsätzen zu einer besseren Verständigung zwischen Stadt und Land beitragen.

Im Jahr 2000 wurden von zivildienstpflichtigen Personen 206 062 Zivildiensttage geleistet. Seit Inkrafttreten des ZDG wurden insgesamt in 6523 Einsätzen insgesamt 616 855 Zivildiensttage geleistet (Stand Ende Juli 2001).

1.1.2.3.2

Auslandeinsätze

Der Einsatz im Ausland stellt hohe Anforderungen an die einzelnen Zivildienst leistenden Personen. Diese müssen spezifische Fähigkeiten und Eignungen haben um entsprechend den Zielen der schweizerischen Entwicklungspolitik eingesetzt werden zu können. Denn Auslandeinsätze werden nur dann bewilligt, wenn die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sie vorgängig positiv beurteilt hat.

Auf Grund der hohen Anforderungen ist die Anzahl der im Ausland geleisteten Diensttage gemessen an der Gesamtzahl relativ gering. Im Jahr 2000 wurden 5579 Diensttage im Ausland geleistet (es sind jeweils etwa 15 Zivildienst leistende Personen gleichzeitig im Ausland tätig). Dies sind weniger als 3 Prozent der im Jahr 2000 insgesamt geleisteten Diensttage.

Die durchschnittliche Dauer eines Auslandeinsatzes beträgt rund 185 Tage, während sich der Gesamtdurchschnitt aller Einsätze auf ca. 100 Tage beläuft. Die längere Einsatzdauer wiegt den normalerweise grösseren Aufwand der Vollzugsstelle für die

6139

Planung solcher Einsätze auf. Sie ist vor allem auch aus der Sicht der Einsatzbetriebe erwünscht, deren Projekte sich in den allermeisten Fällen über Jahre erstrecken, da ihr Aufwand für Instruktion und Reisekosten höher ist als bei Einsätzen im Inland.

Auslandeinsätze werden zu 85% in der Entwicklungszusammenarbeit geleistet, während die restlichen 15% auf die Tätigkeitsbereiche Forschung, Umwelt und Soziales entfallen. Zivildienst leistende Personen wurden beispielsweise für folgende Tätigkeiten eingesetzt: als Arzt in Afghanistan, als Koordinator von Hilfeleistungen in Palästina, als Logistiker auf den Philippinen, als Betreuer von Strassen- oder Waisenkindern in Kolumbien und Rumänien, als Mitarbeiter in Bauprojekten in Papua Neuguinea oder als Umwelttechniker in Bolivien.

1.1.2.3.3

Probleme im Vollzug der Einsätze

Im Rahmen des Vollzuges bestehen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Arten von Problemen: ­

Zivildienst leistende Personen sollen innerhalb des Einsatzbetriebes grundsätzlich gleich wie die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behandelt werden, soweit nicht das Zivildienstrecht eine Sonderbehandlung vorsieht.

Diese Sonderregelungen werden aber nicht immer beachtet und bisweilen werden zwischen Einsatzbetrieb und Zivildienst leistender Person zusätzliche Absprachen getroffen, welche nicht den Vorschriften des Gesetzes entsprechen. Dabei handelt es sich beispielsweise um den Einsatz für andere als die im Pflichtenheft vorgesehenen Tätigkeiten oder um die Gewährung eines Urlaubes, der länger ist, als er gemäss Verordnung gestattet wäre, oder um die Ausrichtung von Prämien für gute Leistungen. Erfährt die Vollzugsstelle von solchen Vorkommnissen, so weist sie den Einsatzbetrieb zurecht, nötigenfalls unter Androhung des Entzuges der Anerkennung als Einsatzbetrieb.

Diese Art von Unregelmässigkeiten wird den zuständigen Regionalstellen (den Aussenstellen der Vollzugsstelle, welche die zivildienstpflichtigen Personen einsetzen und betreuen) allerdings nur selten bekannt. Um die Seriosität des Vollzugs des Zivildienstes zu gewährleisten, hat die Vollzugsstelle deswegen den Aufbau eines Inspektorates beschlossen.

­

Wie militärdienstleistende unterstehen auch Zivildienst leistende Personen einer besonderen Disziplinar- und Strafordnung: Zwischen Oktober 1996 und Ende Juli 2001 wurden der Zentralstelle (der zentralen Koordinationsstelle des Zivildienstes in Thun) von den Regionalstellen 112 Disziplinarfälle zur Beurteilung überwiesen. Waren es in den Jahren 1997 und 1998 jeweils knapp zehn Fälle, so erhöhte sich deren Zahl 1999 auf ca. 35 und im Jahr 2000 auf ca. 50. Dieser Anstieg an Disziplinarfällen ist vor allem auf die grössere Zahl von zivildienstpflichtigen Personen und die daraus folgende höhere Anzahl an Diensttagen zurückzuführen, hängt aber auch damit zusammen, dass die Regionalstellen heute Unregelmässigkeiten konsequent nachgehen und sie der Zentralstelle umgehend melden.

­

92 dieser Vorkommnisse betrafen das Fernbleiben vom Informationstag, zu welchem die Regionalstellen die neu zum Zivildienst zugelassenen Personen aufbieten. 42 Fehlbare gaben an, den Termin vergessen zu haben; 19 mach-

6140

ten einen Irrtum geltend; 5 machten geltend, sie hätten das Aufgebot nicht oder zu spät erhalten; 8 gaben keine Begründung an. In 64 Fällen, welche als leichte Fälle beurteilt wurden, erfolgte eine disziplinarische Bestrafung mittels Verweis (30-mal) oder Busse (34-mal). In 8 Fällen, welche nicht als leicht eingestuft werden konnten, wurde eine Strafanzeige bei den zuständigen zivilen Strafbehörden eingereicht. Es ging dabei um Fälle wiederholten Fernbleibens vom Informationstag oder um zivildienstpflichtige Personen, die weder auf Schreiben der Regionalstelle noch auf Briefe der Zentralstelle reagierten. In 11 Fällen eröffnete die Vollzugsstelle kein Disziplinarverfahren oder stellte es ein. In 20 weiteren Fällen wurde ein Verfahren auf Grund einer Pflichtverletzung anlässlich des Zivildiensteinsatzes eröffnet (7 zivildienstpflichtige Personen traten den Einsatz nicht an, zu dem sie aufgeboten waren; eine erschien nicht zum Vorstellungsgespräch beim Einsatzbetrieb; 12 brachen ihren Einsatz ohne Erlaubnis vorzeitig ab). Es erfolgten zehn Strafanzeigen und in je drei anderen Fällen konnte das Verfahren mit einer von der Vollzugsstelle verhängten Busse bzw. einem von ihr ausgesprochenen Verweis abgeschlossen werden. 2 Verfahren wurden eingestellt. Die zuständigen Strafjustizbehörden sprachen Strafen zwischen 3 und 30 Tagen Haft bedingt und Bussen bis zu 500 Franken aus. Unbedingte Haftstrafen oder ein Ausschluss aus dem Zivildienst wurden bisher nicht ausgesprochen.

Die Strafen waren relativ milde (z.T. milder als die durch die Vollzugsstelle ausgesprochenen Disziplinarstrafen), weil die Fehlbaren im Strafverfahren Reue zeigten und Besserung gelobten. Zu einer wiederholten Verurteilung derselben Person kam es bisher nicht.

Dazu kommen weitere Problemfelder, die den Vollzug der Einsätze beeinträchtigen können. Nicht allen kommt dieselbe Bedeutung zu: ­

Mit Zustimmung der Vollzugsstelle und in Absprache mit dem Einsatzbetrieb können Einsätze vorzeitig beendet werden. Dies betrifft rund ein Prozent der Einsätze pro Jahr.

­

Dienstverschiebungen werden häufig beantragt, wenn zivildienstpflichtige Personen nicht in der Lage sind, innerhalb von zwei Jahren einen mindestens dreissigtägigen Einsatz zu absolvieren. Hauptsächliche Verschiebungsgründe sind die Koordination mit Lehre oder Studium, Probleme seitens des Arbeitgebers, zu grosse Belastungen für die Familie und Auslandaufenthalte. Seit dem 1. Oktober 1996 wurden 1739 Dienstverschiebungsgesuche eingereicht, d.h., auf 3,75 Einsätze kommt ein Dienstverschiebungsgesuch. Jährlich stellen durchschnittlich 10% der zivildienstpflichtigen Personen ein Dienstverschiebungsgesuch.

­

Schadenfälle, die durch Zivildienst leistende Personen verursacht wurden und Kosten zu Lasten des Bundes auslösen, sind sehr selten. Bisher wurden 16 Schadenereignisse gemeldet und 41 789 Franken Sachschaden geltend gemacht. Der Bund übernahm davon 9978 Franken.

­

Zivildienst leistende Personen werden im Lauf ihrer Einsätze kaum je fürsorgeabhängig. Die Vollzugsstelle war bisher mit rund dreissig Anfragen Zivildienst leistender Personen konfrontiert, welche eine finanzielle Unterstützung wünschten. Sie weiss nur von zwei Fällen, in denen in der Folge die örtlichen Fürsorgebehörden Leistungen ausrichteten. Keine kommunale oder

6141

kantonale Fürsorgebehörde hat bisher bei der Vollzugsstelle eine Rückerstattung von Leistungen geltend gemacht, die sie an Zivildienst leistende Personen ausgerichtet hat (Art. 26 Abs. 4 ZDG).16 Beschwerdefälle sind im Bereich der Einsätze sehr selten: Bisher wurden insgesamt weniger als zehn Beschwerden erhoben, welche durch die REKO/EVD alle im Sinne der Vollzugsstelle entschieden wurden.

1.1.2.3.4

Abgabepflicht der Einsatzbetriebe

Das Zivildienstrecht sieht vor, dass die Einsatzbetriebe als Ausgleich für die empfangene Arbeitskraft dem Bund eine Entschädigung im Umfang von maximal 50% eines entsprechenden orts- und berufsüblichen Bruttolohnes zu leisten haben. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn der Einsatzbetrieb seinen Finanzbedarf weitgehend durch Subventionen oder Spenden deckt, kann von der Erhebung dieser Abgabe abgesehen werden.

Im Jahr 2000 wurde etwas mehr als ein Viertel aller geleisteten Diensttage in abgabepflichtigen Einsatzbetrieben geleistet. Die gesamten Abgaben beliefen sich auf rund 785 000 Franken oder 15.30 Franken pro abgabepflichtigen Tag. Daraus ergibt sich ein Selbstfinanzierungsgrad des Zivildienstes von ca. 11%.

1.1.2.3.5

Effizienz und Effektivität der Einsätze

Ein Zivildiensttag kam den Bund im Jahr 2000 auf 12.76 Franken zu stehen. Im Vergleich zur Zielvorgabe von 18 Franken war die Leistungserstellung kostengünstig. Die Gesamtkosten eines Zivildiensttages betragen durchschnittlich etwa 150 Franken (Leistungen des Einsatzbetriebes und der Erwerbsersatzordnung sowie Verwaltungskosten inbegriffen). Der Anteil der Verwaltungskosten macht somit weniger als 10 Prozent aus.

Zivildiensteinsätze erfolgen gemäss heutigem Recht nicht wirkungsorientiert. Über das Ziel hinaus, mit dem Zivildienst das Gewissensproblem in der Armee zu lösen, sind mit dem Zivildienst keine weitergehenden Wirkungen angepeilt. Somit lässt sich die Effektivität der Einsätze heute mangels entsprechender Vorgaben nicht erheben.

1.1.3

Schwächen, welche dem heutigen Gesetz anhaften

1.1.3.1

Das Fehlen von Aufträgen und Wirkungszielen

Der Zivildienst hat in den bisher fast fünf Jahren seines Wirkens sein Potenzial aufgezeigt. 1999 leisteten zivildienstpflichtige Personen über 155 000 und im Jahr 2000 über 200 000 Diensttage. Es sind dies mehr Diensttage, als sie Schutzdienst16

Zur Frage der Sozialhilfeleistungen zu Gunsten Zivildienst leistender Personen vgl. auch die Antwort des Bundesrates vom 15. Juni 2001 auf eine Motion Stump vom 23. März 2001, Gleichbehandlung aller Dienstpflichtigen (in Militär-, Bevölkerungsschutz- und Zivildienst), N 01.3184.

6142

pflichtige in einem Jahr ohne grössere Katastrophen leisten. Dieser Tatsache steht gegenüber, dass der Bund dem Zivildienst neben der Lösung des Gewissensproblems von Militärdienstverweigerern bisher keine andern Ziele und Aufträge vorgab. Von jungen Männern wird zwar verlangt, dass sie bis zu 450 Tage Dienst leisten. Parlament und Bundesrat haben bis heute keine konkreten Vorstellungen entwickelt, welche Zwecke mit diesen Dienstleistungen erfüllt und welche Wirkungen im öffentlichen Interesse erzielt werden sollten. Das ist gegenüber den betroffenen engagierten jungen Bürgern nicht gerecht und entspricht genau genommen nicht dem Verhältnismässigkeitsprinzip, das für jedes staatliche Handeln gilt (wenn staatlicher Zwang ausgeübt wird, ist er verhältnismässig, sofern er bedarfsorientiert ist).

Die Vollzugsstelle für den Zivildienst wird seit 1999 als FLAG-Amt nach den Grundsätzen des New Public Management wirkungsorientiert geführt (FLAG bedeutet Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget). Inkonsequenterweise verfügt sie aber über keine Wirkungsziele. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Festlegen von Wirkungszielen aber Grundvoraussetzung, um zu prüfen, ob Leistungsvorgaben nach FLAG überhaupt erreicht wurden oder nicht. Im New Public Management wird nicht nur gefragt, wieviele Leistungen (hier z.B. Zivildiensttage) die Vollzugsstelle erbracht hat, sondern auch, welche Wirkungen damit (z.B. bei den Einsatzbetrieben) erzielt wurden.

1.1.3.2

Das Fehlen einer authentischen Interpretation von Artikel 1 ZDG

Das Zivildienstgesetz hält in Artikel 1 fest, zum Zivildienst werde nur zugelassen, wer glaubhaft darlege, dass er den Militärdienst mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne. Das Gesetz äussert sich aber nicht dazu, was unter Gewissen und Gewissenskonflikt zu verstehen sei und wann der Gewissenskonflikt glaubhaft dargelegt sei. Die wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die eine Zulassung zum Zivildienst rechtfertigen, sind somit unbestimmte Rechtsbegriffe. Im Bestreben um eine rechtsgleiche Behandlung aller Zulassungsgesuche hat die Vollzugsstelle in Zusammenarbeit mit einem Experten für Fragen der allgemeinen und der angewandten Ethik ein Konzept erarbeitet, das Klärungen dieser unbestimmten Rechtsbegriffe enthält und die Themenfelder für die persönliche Anhörung der gesuchstellenden Personen und die anschliessende Würdigung der Zulassungsgesuche absteckt. Dieses Konzept hat sich seit Inkrafttreten des ZDG in über 5000 Anhörungen bewährt.

1.1.3.3

Zwingende Anhörung von gesuchstellenden Personen

Das ZDG schreibt vor, dass jede gesuchstellende Person persönlich angehört werden müsse. Die Praxis hat nun aber gezeigt, dass in bestimmten klaren Fällen von einer Anhörung abgesehen werden kann. So werden getaufte, in ihrer Gemeinschaft nachgewiesenermassen aktive Zeugen Jehovas heute gestützt auf eine Verordnungsbestimmung (Art. 27 Abs. 5 ZDV) grundsätzlich ohne vorherige Anhörung anerkannt, sofern bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Solche Ausnahmen von der Anhörungspflicht müssten jedoch im Gesetz verankert sein.

6143

1.1.3.4

Säumige gesuchstellende Personen

Erscheinen gesuchstellende Personen (vorsätzlich oder fahrlässig) nicht oder nicht rechtzeitig zur persönlichen Anhörung im Rahmen des Zulassungsverfahrens, so rechtfertigt es sich bei einem einmaligen Versäumnis nicht, aus diesem Grund auf das Gesuch nicht einzutreten. Hingegen erscheint es als Mangel, dass diesen säumigen gesuchstellenden Personen nicht zumindest die Kosten des hinfälligen Termins ganz oder teilweise überwälzt werden können (die direkten Kosten eines Anhörungstermins betragen mehr als 600 Franken). Zwar existiert diesbezüglich eine entsprechende Verordnungsnorm, doch fehlt dieser bisher die formelle gesetzliche Grundlage.

1.1.3.5

Abschluss von Disziplinarverfahren

Disziplinarverfahren müssen gemäss Gesetz innert 10 Tagen seit ihrer Eröffnung mit einer Verfügung abgeschlossen werden. Soll allen Beteiligten das rechtliche Gehör gewährt werden, kann in aller Regel diese Frist nicht eingehalten werden. Die Frist ist deshalb zu verlängern.

1.1.4

Der Zivildienst im europäischen Umfeld

1.1.4.1

Im Allgemeinen17

Mit Ausnahme von sieben Staaten (Albanien, Armenien, Aserbeidschan, Mazedonien, Russland, Türkei und Zypern) haben alle Mitgliedstaaten des Europarates das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt und entsprechende Durchführungserlasse in Kraft gesetzt (Russland hat das Recht zwar anerkannt, aber noch kein entsprechendes Gesetz erlassen). Das Problem der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen stellt sich allerdings in jenen Staaten nicht mehr, welche die allgemeine Wehrpflicht nicht oder nicht mehr kennen oder demnächst aufheben werden: Es gibt sie nicht bzw. nicht mehr in Andorra, Belgien, Irland, Island, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Grossbritannien und San Marino. Aufgehoben wird sie Ende 2001 in Spanien, auf Anfang 2003 in Frankreich (wo ab 2002 keine Rekrutierungen mehr stattfinden sollen) und auf Anfang 2006 in Italien. Dieselbe Entwicklung ist absehbar in der Tschechei, in Polen und der Ukraine.

Trotz bestehenden Durchführungserlassen ist die Situation der Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen offenbar nicht in allen Mitgliedstaaten des Europarates in befriedigender Weise geregelt. Zwar hat sich ­ nicht zuletzt unter dem Einfluss von Resolutionen und Empfehlungen des Europarates ­ ein Minimalstandard in der Behandlung der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen entwickelt. Ein17

Die nachfolgenden Darlegungen stützen sich auf einen kürzlich vorgelegten Bericht des Europarates: Rapport de la Commission des questions juridiques et des droits de l''homme à la Commission permanente de l''Assemblée parlementaire, Doc. 8809 rév., 4 mai 2001 (Berichterstatter: der Schweizer Nationalrat Dick Marty), mit dem Titel «Exercice du droit à l''objection de conscience au service militaire dans les Etats membres du Conseil de l''Europe».

6144

zelne Staaten respektieren diesen aber nicht (Albanien, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Türkei und Zypern). Zudem sind einzelne Bereiche innerhalb der Grenzen des Standards von Staat zu Staat sehr unterschiedlich geregelt: ­

Einzelne Staaten (vorab in Osteuropa) halten zwar an der allgemeinen Wehrpflicht fest, rekrutieren aber so wenige Soldaten, dass sich faktisch nicht mehr auf einen Gewissenskonflikt berufen muss, wer aus Gewissensgründen nicht Militärdienst leisten kann. Probleme mit Militärdienstverweigerern aus Gewissensgründen ergeben sich nur dort, wo man die Stellungspflicht sehr ernst nimmt.

­

Die Zahl der Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen variiert sehr stark. Besonders hoch ist sie in Deutschland und war sie in Spanien (180 000 im Jahr 1999).

­

Totalverweigerer, die weder Militär- noch Zivildienst leisten, sind selten.

Nur Schweden (400 pro Jahr) und Spanien (über 1000) weisen grössere Zahlen auf. Die Totalverweigerung ist strafbar. Das Strafmass entspricht der Strafe infolge Dienstversäumnis oder ist etwas geringer. Es reicht von drei Monaten (Norwegen) bis zu fünf Jahren (Bulgarien).

­

Nur wenige Staaten entbinden ganze Bevölkerungsgruppen von der Wehrpflicht (so Finnland und Schweden die Zeugen Jehovas). Die meisten Staaten gehen davon aus, dass Gewissenskonflikte nur von Individuen geltend gemacht werden können, nicht jedoch von Kollektiven.

­

Die anerkannten Gewissensgründe variieren stark. Ganz offene Konzepte stehen sehr restriktiven Kriterien gegenüber. Waren früher nur religiöse oder politische Überzeugungen oder politische Meinungen als Zulassungsvoraussetzungen anerkannt, so besteht heute die Tendenz, auch wirtschaftliche oder soziale Gründe anzuerkennen. Da manchenorts die Aushebung zunehmend weniger streng gehandhabt wird, gingen Staaten, welche dafür die Mittel haben, dazu über, einen alternativen Sozialdienst einzurichten. (Der Berichterstatter des Europarates warnt davor, dass den Zivildienst leistenden Personen im Sozialdienst nicht schwierigere Aufgaben gestellt werden dürfen als im Militärdienst und dass der Sozialdienst nicht zur Konkurrenz von Arbeitlosen werden dürfe).

­

Auch die Art der Gewissensprüfung ist sehr unterschiedlich geregelt.

Schriftliche Verfahren stehen neben individuellen Nachforschungen und persönlichen Anhörungen. Letztere sind eher selten: Die westeuropäischen Staaten (Dänemark, Deutschland, Finnland, Oesterreich und Schweden) prüfen nur noch die Vollständigkeit des Gesuchs.

­

Wer Zivildienst leistet, erfüllt damit in den meisten Staaten anerkanntermassen seine Wehrpflicht. Der Vollzug untersteht meistens einer zivilen Behörde. Nur Albanien, Kroatien und Estland bieten anstelle eines Zivildienstes den waffenlosen Militärdienst an.

­

Ein effektives Wahlrecht zwischen Militär- und Zivildienst kennt nur Schweden. Dort muss für die Zuteilung zum Zivildienst kein Gewissenskonflikt mehr geltend gemacht werden.

­

Die Einsatzbereiche des Zivildienstes sind in der Regel Teile des Sozialoder Pflegewesens. Sie umfassen auch Entwicklungsprojekte (inklusive Um6145

welt- und Naturschutz, internationale Zusammenarbeit und Erziehungswesen).

­

Der Zivildienst dauert in den meisten Staaten länger als der Militärdienst.

Nur in Slowenien und Spanien dauern Militär- und Zivildienst gleich lang.

Extrem lang ist der Zivildienst in Zypern (38 bis 42 Monate gegenüber 26 Monaten Militärdienst) und in Frankreich (20 Monate gegenüber 10 Monaten Militärdienst; auf Anfang 2003 fällt der Zivildienst allerdings infolge Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht weg).

­

In den meisten Mitgliedstaaten des Europarates hat eine Gesuchseinreichung keine aufschiebende Wirkung, wenn sie während einer Militärdienstleistung erfolgt. Mehrere Staaten verbieten die Gesuchseinreichung während einer Militärdienstleistung, weil diese den Dienstbetrieb störe. Berufsmilitärs können in den meisten Staaten kein Gesuch einreichen, sondern nur ihren Vertrag auflösen.

Artikel 9 EMRK18 gewährleistet die Gewissensfreiheit. Darüber hinaus enthält die EMRK kein Grundrecht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat es bisher stets abgelehnt, ein solches Recht aus Artikel 9 EMRK abzuleiten. Dem hält die Kommission für Rechtsfragen und Menschenrechte des Europarates mit Hinweisen auf entsprechende Verlautbarungen der UNO, der OSZE und der EU entgegen, das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen müsse breiter anerkannt werden. Denn dieses Recht sei Teil des Konzeptes der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, welches in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte seinen Ausdruck finde. Die Kommission empfiehlt daher in Ergänzung zu Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 9 EMRK, ein weiteres Zusatzprotokoll zur EMRK zu verfassen, welches das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen zum Grundrecht erklärt.

Das hohe Mass der dem internationalen Standard entsprechenden Umsetzung des Rechts auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen rechtfertige diesen Schritt.

Verbesserungsbedarf sieht der Bericht des Europarates betreffend die Gesamtheit der Staaten des Europarates vor allem in folgenden Bereichen: a.

18

Anerkennen eines Rechts, über die Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen informiert zu werden;

b.

Anerkennen eines Rechts, jederzeit als Gesuchsteller registriert zu werden;

c.

Anerkennen des Rechts auf einen Zivildienst, der rein zivil vollzogen wird und nicht länger dauert als der Militärdienst;

d.

Der Zivildienst darf nicht dissuasiven oder strafenden Charakter haben.

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101.

6146

1.1.4.2

Der Zivildienst in Deutschland

Gemäss Artikel 4 Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes kann niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer infolge eines entsprechenden Gewissenskonfliktes Zivildienst leisten will, muss ein Gesuch stellen und in einem formellen Verfahren als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden. Das Anerkennungsverfahren beginnt erst, wenn die Militärdiensttauglichkeit des Gesuchstellers festgestellt ist. Es gibt keine Wahlfreiheit zwischen Wehrdienst und Zivildienst.

Zwei Arten des Anerkennungsverfahrens sind zu unterscheiden: Die Gesuche von «Ungedienten» (Personen, die noch keinen Wehrdienst geleistet haben und auch noch zu keinem aufgeboten sind) werden durch das Bundesamt für den Zivildienst in einem reinen Aktenverfahren beurteilt (diese Regelung gilt seit 1984). Wer Wehrdienst leistet oder geleistet hat und wer zum Wehrdienst einberufen oder vorbenachrichtigt ist, dessen Gesuch wird durch einen Ausschuss für Kriegsdienstverweigerung beim Kreiswehrersatzamt behandelt. Auch dieser Ausschuss entscheidet grundsätzlich gestützt auf die Akten. Für beide Verfahren gilt: Ist die Aktenlage nicht klar und kann der Gesuchsteller innert Frist die nötige Klarheit nicht herstellen, so wird er durch den Ausschuss persönlich angehört. Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erfolgt, wenn das Gesuch vollständig ist, wenn die Darlegung der Gewissensentscheidung das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausreichend begründet und wenn keine Tatsachen bekannt geworden sind, die Zweifel an der Wahrheit der gemachten Angaben begründen. Knapp 90 Prozent der Gesuche, die das Bundesamt bearbeitet, werden gutgeheissen. Ablehnungen erfolgen wegen Unschlüssigkeit der Gründe, Unvollständigkeit des Gesuchs, begründeten Zweifeln oder Unzulässigkeit des Gesuchs (z.B. wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse).

Etwa 1,5 Prozent der Gesuche werden an die Ausschüsse der Kreiswehrersatzämter weitergeleitet. Auch deren Anerkennungsquote liegt zwischen 80 und 90 Prozent.

Ablehnende Entscheide können auf dem Beschwerdeweg letztlich bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen werden.

In Deutschland sind etwa 30 Prozent eines Geburtsjahrgangs bzw. rund ein Drittel der erfassten Wehrpflichtigen anerkannte Kriegsdienstverweigerer. Seit 1995 werden 130 000 bis 140 000 Anerkennungen pro Jahr ausgesprochen. Für
den Vollzug des Zivildienstes stehen rund 40 000 Zivildienststellen (Einsatzbetriebe, die durch das Bundesamt anerkannt werden) mit über 190 000 Zivildienstplätzen zur Verfügung. Angeboten werden sie durch gemeinnützige Organisationen des sozialen und des Umweltbereichs sowie durch öffentliche Körperschaften (z.B. durch die grossen Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die Caritas oder das Jugendherbergswerk). Es werden jedoch keine Bundesaufgaben wahrgenommen. Die Zivildienstplätze verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche (nur die grössten sind genannt): 57 Prozent Pflegehilfe und Betreuungsdienste, 12 Prozent handwerkliche Tätigkeiten, 7 Prozent Mobile Soziale Hilfsdienste, 5 Prozent Krankentransport und Rettungswesen, 5 Prozent Versorgungsdienste, knapp 5 Prozent individuelle Schwerstbehindertenbetreuung und 3 Prozent Umweltschutz. Rund 80 Prozent der Einsätze erfolgen im unmittelbaren Dienst am Menschen. Besonders gefragt sind Einsätze im Umweltschutz und in der Schwerstbehindertenbetreuung mit Kindern.

Im Jahresdurchschnitt werden etwa 140 000 Zivildienstplätze besetzt. Zivildienstpflichtige, die einen Auslandeinsatz absolviert haben, werden nicht mehr zum Zivildienst herangezogen (wobei nur Entwicklungsdienst und Förderung des friedlichen 6147

Zusammenlebens der Völker berücksichtigt werden). Zur Vorbereitung auf den Zivildiensteinsatz stehen 20 Zivildienstschulen sowie verbandseigene Lehrgänge zur Verfügung. 1999 stellte der Staat für den Vollzug des Zivildienstes 2,7 Milliarden DM zur Verfügung.

Aktuell dauert der Zivildienst 11 Monate (der Grundwehrdienst dauert 10 Monate).

Eine weitere Verkürzung auf 10 Monate ab 1. Januar 2002 wird vorbereitet (der Grundwehrdienst soll dann 9 Monate dauern).

Der Zivildienst wird heute in Deutschland als wesentlicher Pfeiler des Sozialstaates wahrgenommen19: Er übernimmt wertvolle Aufgaben für die soziale und ökologische Kultur des Landes und prägt die Qualität der Versorgung behinderter, pflegebedürftiger und kranker Menschen mit. Es wird ihm damit ein wichtiger Sozialisationsaspekt mit einer individuellen und mit einer gemeinschaftsbildenden Komponente zuerkannt. Im Juni 2000 hat die deutsche Bundesregierung beschlossen, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten. Damit gilt auch der Fortbestand des Zivildienstes als gesichert. Die anstehende weitere Verkürzung des Zivildienstes wird nun zum Anlass, die Aufgabengebiete des Zivildienstes als wichtige Lernfelder für junge Menschen aus ihrer Abhängigkeit vom Zivildienst zu lösen. Denn die Verkürzung des Zivildienstes schafft Probleme: Qualifikationszeit und Einsatzzeit geraten in ein Missverhältnis und einzelne Einsätze ertragen nicht zu rasche Fluktuationen.

Um diese Nachteile aufzufangen, zielt die Weiterentwicklung des Zivildienstes darauf, ihm einen zwölf Monate dauernden ,,Anderen Dienst im Inland" zur Seite zu stellen, dessen Ableistung zum Erlöschen der Pflicht zur Leistung des Zivildienstes führen soll. Dieser neue Dienst, der durch das Bundesamt für den Zivildienst angeboten werden soll, will trotz der längeren Dauer attraktiv sein, weil er ohne die gesetzlichen Zwänge des Zivildienstes auskommt und zu beruflichen Qualifikationen verhilft. Zugleich soll geprüft werden, ob künftig auch die Ableistung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres die Pflicht zur Zivildienstleistung zum Erlöschen bringen soll.

1.1.4.3

Der Zivildienst in Österreich

Bis Ende 1991 musste jeder Wehrpflichtige, der den Militärdienst verweigern wollte, seine individuellen Gewissensgründe schriftlich darlegen und in der Folge vor einer Kommission mündlich glaubhaft machen. Seit 1992 genügt die Abgabe einer formalen Zivildiensterklärung, die nur noch auf die Ablehnung der Wehrpflicht und auf den Willen Zivildienst zu leisten Bezug nimmt. Die Zivildiensterklärung muss zudem einen Lebenslauf enthalten. Eine Anhörung findet nicht mehr statt, aber der Zivildienst wurde im Verhältnis zum Militärdienst verlängert. Die Zivildiensterklärung kann nur durch Militärdiensttaugliche eingereicht werden. Die Möglichkeit zur Gesuchseinreichung ist zeitlich beschränkt. Sie ist insbesondere während Präsenzdienstleistungen nicht möglich. Auch sind gewisse Personenkategorien von der Einreichung einer Erklärung ausgeschlossen (Angehörige eines Wachkörpers, wegen bestimmten Delikten Verurteilte).

19

Die folgenden Darlegungen stützen sich auf einen Bericht vom 14. September 2000 mit dem Titel «Empfehlungen für die Ausgestaltung des Zivildienstes» der Arbeitsgruppe Zukunft des Zivildienstes an die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

6148

Ist eine vollständige Zivildiensterklärung eingereicht, so erlischt die Wehrpflicht und entsteht die Zivildienstpflicht. Rund 90 Prozent der Zivildiensterklärungen werden gutgeheissen. Ablehnungen erfolgen, wenn Mängel der Erklärung nicht behoben werden oder Erklärungen von Personen stammen, die kein Recht zur Abgabe der Erklärung haben. Der Zivildienstrat als Oberbehörde kann die Zulassung zum Zivildienst aufheben, wenn die zivildienstpflichtige Person einem Wachkörper beitritt, Waffen erwirbt oder besitzt oder wegen bestimmten Delikten verurteilt wird.

Die Pflicht zur Erbringung der ordentlichen Zivildienstleistungen endet mit Vollendung des 35. Altersjahrs, die Pflicht zur Erbringung ausserordentlicher Zivildienstleistungen (z.B. nach Elementarereignissen oder grossen Unglücksfällen) mit Vollendung des 50. Altersjahrs.

Der Zivildienst wird in Institutionen insbesondere des Gesundheits- und Sozialwesens sowie unter anderem in den Bereichen des Umweltschutzes, der Katastrophenhilfe und der Justiz geleistet. Einsatzbetriebe sind öffentliche Institutionen sowie private Körperschaften, die nicht gewinnorientiert sind. Anerkannt werden sie durch den örtlich zuständigen Landeshauptmann nach Einholung eines Gutachtens beim Zivildienstrat, einem weisungsungebundenen Gremium, das den Bundesminister für Inneres in der Rechtsetzung berät und als Beschwerdestelle für die Zivildienst leistenden Personen dient. Mit der Neuordnung des Zivildienstrechts auf den 1. Januar 2001 wurde vor allem das Verhältnis zu den Einsatzbetrieben neu geordnet und die finanziellen Abgeltungen, die zwischen dem Bund und den Einsatzbetrieben fliessen, wurden neu geregelt. Die Einsatzbetriebe zahlen dem Bund eine Abgeltung für die erhaltene Arbeitskraft, zahlen die Sozialversicherungsbeiträge zu Gunsten der Zivildienst leistenden Personen und richten diesen zusätzlich zu den Naturalleistungen, wie sie auch die Schweiz kennt, eine Pauschale im Sinn eines Lohnersatzes aus.

Die Abgeltungen an den Bund entfallen bei bestimmten Einsatzbetrieben des Gesundheits- und Sozialwesens: Diesen Einsatzbetrieben zahlt der Bund ein «Zivildienstgeld» als Zuschuss zu ihrem finanziellen Aufwand infolge der Beschäftigung Zivildienst leistender Personen. Die Befürchtung, viele Einsatzbetriebe würden sich angesichts dieser Neuordnung der Finanzierung
vom Vollzug des Zivildienstes zurückziehen, hat sich nicht bestätigt.

Die zivildienstpflichtigen Personen sollen durch den Zivildienst ähnlich belastet werden wie die Wehrpflichtigen durch den Militärdienst. Sie können ihren Dienst in Österreich oder (in Form des Gedenkdienstes, des Friedens- oder des Sozialdienstes) im Ausland leisten. Der Dienst im Ausland dauert 14 Monate, derjenige im Inland 12. Der Militärdienst dauert 8 Monate. Der Vollzug des Zivildienstes liegt in der Verantwortung des Bundesministers für Inneres. Seit dem 1. Januar 2001 kann er mit der Durchführung des Zivildienstes, soweit es sich nicht zwingend um hoheitsrechtliche Aufgaben handelt, eine private Unternehmung beauftragen.

1991 stellten 11,8 Prozent der tauglichen Wehrpflichtigen Zivildienstanträge. Infolge der Einführung des Systems der formellen Zivildiensterklärung erhöhte sich diese Quote bis auf 44,4 Prozent des Tauglichenjahrgangs 1994, dies trotz der Verlängerung der Dauer des Zivildienstes von acht auf zehn Monate Dauer. Durch eine weitere Verlängerung auf elf Monate sank die Quote auf 19 Prozent im Jahr 1996.

Schliesslich pendelte sie sich seit 1998 auf durchschnittlich 23,6 Prozent des jeweiligen Tauglichenjahrgangs ein, dies trotz einer weiteren Verlängerung der Dauer des Zivildienstes auf 12 Monate.

6149

1.2

Leitbild des Zivildienstes

In Ziffer 1.1.3.1 vorstehend wurde dargestellt, dass zivildienstpflichtige Personen pro Jahr über 200 000 Diensttage leisten, dem Zivildienst jedoch bisher keine Wirkungsziele und präzisen Aufträge erteilt worden sind. In Berücksichtigung der Tatsache, dass er der Eidgenossenschaft bisher jährlich direkte Kosten im Umfang von ca. 6 Millionen Franken verursacht hat sowie nicht genau bezifferbare indirekte Kosten zu Lasten der Volkswirtschaft verursacht, erscheint es zwingend, das vorhandene Potenzial nutzbringend und gezielt einzusetzen. Mit Blick auf die langfristige Ausrichtung der Institution und im Interesse einer werteorientierten Führung hat die Vollzugsstelle für den Zivildienst für sich deshalb folgendes Leitbild erarbeitet: Ziele:

Der Zivildienst trägt als ziviles Mittel des Bundes wirkungsvoll zur Förderung des sozialen Zusammenhalts, zur gewaltfreien Konfliktlösung, zur nachhaltigen Entwicklung und zur Erhaltung des kulturellen Erbes bei. In den genannten Wirkungskreisen leisten militärdienstpflichtige Personen, die den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, einen zivilen Ersatzdienst.

Handeln:

Die Vollzugsstelle wird als engagierte, innovative und unbürokratische Dienstleistungserbringerin wahrgenommen. Sie ist leistungs-, lösungs- und öffentlichkeitsorientiert und arbeitet nach den Grundsätzen des New Public Management. Partnerschaft, gegenseitige Wertschätzung und Offenheit kennzeichnen ihre Arbeit. Sie fördert die Kontinuität durch attraktive Arbeitsbedingungen und intensive Personalentwicklung.

Visionen:

Die Vollzugsstelle ist in ihren Wirkungsbereichen unverzichtbar.

Der Zivildienst steht allen Bevölkerungsgruppen offen.

1.3

Künftiger Revisionsbedarf ausserhalb dieser Vorlage: Änderungen im Militärstrafgesetzbuch

Die laufende Revision des Sanktionensystems des Schweizerischen Strafgesetzbuches wird Auswirkungen auch auf den Zivildienst und auf dessen Strafbestimmungen haben. Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr sollen künftig durch Geldstrafen ersetzt werden, welche nach Tagessätzen bemessen werden. Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen können in gemeinnützige Arbeit umgewandelt werden, wobei ein Tagessatz vier Stunden gemeinnütziger Arbeit entspricht. Dieses neue Sanktionensystem wird auch für Fälle von Zivildienstverweigerung zur Anwendung kommen. Sobald die entsprechenden Beschlüsse im Parlament gefasst sind, wird das ZDG deshalb eine weitere Anpassung erfahren müssen. Betroffen sind die Artikel 72­78, die Strafandrohungen enthalten, die an das neue Sanktionensystem anzupassen sind.

6150

1.4

Ziele der vorliegenden Revision des ZDG

Nach dem bisher Dargestellten dient die vorliegende Revision des ZDG somit folgenden Zielen: a.

Vornehmen von Anpassungen im Zusammenhang mit den Reformprojekten Armee XXI und Bevölkerungsschutz XXI: Die Schnittstellen zum VBS sind zu überarbeiten und das ZDG an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Der Zivildienst als ziviles Mittel des Bundes ist in das bestehende Instrumentarium der Sicherheitspolitik zu integrieren, das Zulassungsverfahren zum Zivildienst ist auf den neuen Rekrutierungsprozess der Armee abzustimmen und die Reduktion von Dienstdauer und Altersgrenzen betreffend den Militärdienst führt zu einer Übergangsregelung auch für den Zivildienst.

Der Realisierung dieses ersten Ziels dient die Revision der Artikel 3a, 8, 11, 14, 15a, 16, 17, 20 und 81­83 ZDG sowie der Artikel 360bis StGB und 8, 15 und 19 WPEG.

b.

Beheben von Mängeln, die sich bisher im Vollzug gezeigt haben, und Optimieren des Vollzugs: Stand 1993 bis 1995 die Klärung der Voraussetzungen betreffend die Zulassung zum Zivildienst im Vordergrund der Gesetzgebung, so geht es jetzt darum, gestützt auf die bisherigen Erfahrungen die Ausgestaltung des Vollzugs zu überprüfen und wo nötig zu verbessern. Im Vordergrund stehen dabei die Überarbeitung von Normen, die nicht die erforderliche Präzision oder Verständlichkeit aufwiesen oder fälschlicherweise nur auf Verordnungsstufe verankert waren, sowie die Neugestaltung der Schnittstelle zur Zulassungskommission. Die Umsetzung dieses zweiten Ziels betrifft die Artikel 1, 3a, 4a, 7a, 8, 9, 15a, 16a, 18­18d, 19, 22, 28, 29, 32, 36­37, 40­43, 58, 62, 64­66, 80, 80a und 84 ZDG sowie die Artikel 360bis StGB und 8, 15 und 19 WPEG.

c.

Beheben von Risikofaktoren um den guten Ruf des Zivildienstes zu bewahren: Der Vollzug des Zivildienstes muss konsequent am öffentlichen Interesse ausgerichtet sein. Er darf nicht den Ruf erhalten, in erster Linie den Interessen der Zivildienst leistenden Personen zu dienen. Die Schnittstelle zwischen öffentlichen und privaten Interessen ist deshalb sauberer als bisher auszugestalten, und es sind zusätzliche Vorkehren nötig, damit der Vollzug seriös bleibt. Gegenüber den Einsatzbetrieben sollen zudem nicht Erwartungen gefördert werden, die schliesslich nicht erfüllbar sind. Die Revision der Artikel 4, 4a, 36­37, 42 und 84 ist im Kontext dieses dritten Ziels zu sehen.

d.

Schärfen des Profils des Zivildienstes: Es gilt klarzustellen, dass Zivildiensteinsätze mehr sind als ein blosses Beschäftigungsprogramm. Der Zivildienst ist ein ziviles Mittel des Bundes, das im öffentlichen Interesse zum Einsatz kommt. In ordentlichen Lagen füllt er subsidiär Lücken, und zur Bewältigung der Folgen besonderer und ausserordentlicher Lagen wird er bedarfsgerecht und ergänzend aufgeboten. Durch die Verpflichtung auf strategische Ziele, die Bündelung der Einsätze in Schwerpunktprogrammen und die Erhöhung der erforderlichen Handlungsfähigkeit der Vollzugsstelle kann er seinen Wirkungsgrad steigern. Letzteres ist insbesondere für seine Verwendbarkeit im Zusammenhang mit Katastrophen und Notlagen und mit

6151

ausserordentlichen Zivildiensteinsätzen unabdingbar. Diesem vierten Ziel dient die Revision der Artikel 2, 3a, 7, 7a, 11, 14 sowie 36­37.

e.

1.5

Fördern der Umsetzung der Grundsätze des New Public Management: Es geht schliesslich darum, die Wirkungsorientierung gesetzlich abzustützen, das unternehmerische Denken im Zivildienst noch besser zu verankern und eine hohe Qualität des Service Public zu gewährleisten. Die Zielhierarchie von der Vision über die Strategie zur operativen Umsetzung ist im Gesetz abzubilden. Die Rechtsetzung muss Grundsätzen wie Effizienz, Effektivität und Kundenfreundlichkeit Rechnung tragen. Sie beeinflussen unter anderem die Strukturen, die Prozesse, den Mitteleinsatz und das Qualitätsmanagement bis hin zur Wirkungsmessung. Mit den Artikeln 2, 3a, 42 und 43 soll das entsprechende Denken und Handeln gefördert werden.

Fazit: Ein neues Konzept für einen «Zivildienst nach 2000»?

Die dargestellten Erfahrungen im bisherigen Vollzug des Zivildienstgesetzes zeigen klar: Das bisherige Konzept hat sich bewährt. Das Bewährte soll erhalten und das Verbesserungsfähige optimiert werden. Es besteht deshalb kein Anlass, ein neues Konzept zu entwickeln. Ein Änderungsbedarf besteht nur betreffend einzelne Bestimmungen des Zivildienstgesetzes, nicht jedoch betreffend die Eckwerte des bisherigen Konzepts. Auch der Zivildienst nach 2000 soll deshalb auf folgenden konzeptionellen Eckwerten beruhen: ­

Zugang zum Zivildienst nur für Personen, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können;

­

Prüfung der Gewissensgründe, in der Regel im Rahmen einer persönlichen Anhörung;

­

Erbringung einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse ausserhalb der Armee;

­

eine Gesamtdauer des Zivildienstes, die über derjenigen der Ausbildungsdienste nach der Militärgesetzgebung liegt;

­

grundsätzlich weder eine Besser- noch eine Schlechterstellung der zivildienstleistenden gegenüber den Militärdienst leistenden Personen.

Auch betreffend eine grundsätzliche Neuausrichtung der Zivildienstleistungen besteht kein Grund. Ob der Zivildienst beispielsweise im Zivilschutz aufgehen solle, wurde in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Sicherheitspolitik geprüft und verworfen. Zwar muss die Zusammenarbeit des Zivildienstes mit den heutigen Institutionen der Sicherheitspolitik geklärt werden, und es wird einer positiven Wahrnehmung des Zivildienstes als wirksames Mittel des Bundes zugute kommen, wenn er sich in einzelnen Tätigkeitsbereichen stärker profiliert.

Diese Fragestellungen sind jedoch keine konzeptionellen, sondern Teile der strategischen und operativen Führung des Zivildienstes. Sie bedürfen ­ über die Festlegung strategischer Wirkungsziele hinaus ­ keiner erschöpfenden Antwort auf der Stufe des Gesetzes.

6152

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt der Revision

2.1.1

Überblick

Die vorliegende Revision soll sich nicht nur auf die wegen der Reformen im Rahmen der Armee XXI notwendigen Anpassungen beschränken, sondern auch an die Resultate der Evaluation des bisherigen Vollzugs des Zivildienstes anknüpfen. Die Revision ist abgesprochen und koordiniert mit den für die Revision des Militärgesetzes zuständigen Stellen. Sie lässt sich in drei Bereiche unterteilen: ­

Reaktionen auf die Revision des Militärgesetzes, Abstimmung mit dem Projekt Armee XXI (Ziff. 2.1.2 nachfolgend);

­

Korrektur von Schwächen des bisherigen Zivildienstgesetzes (Ziff. 2.1.3 nachfolgend);

­

Anpassungen zur Optimierung des Zivildienstvollzugs (Ziff. 2.1.4 nachfolgend).

2.1.2

Reaktionen auf die Revision des Militärgesetzes, Abstimmung mit dem Projekt Armee XXI (Art. 11, 20, 81 und 82)

Die Änderungen infolge des Projektes Armee XXI, welche direkte und zwingende Auswirkungen auf den Zivildienst haben, finden sich hauptsächlich bei den Normen betreffend die Absolvierung der Militärdienstpflicht. Dabei geht es um die Reduktion des Dienstpflichtalters, die Neustrukturierung von RS und WK-Rhythmus sowie die Möglichkeit, den Militärdienst an einem Stück zu leisten (Durchdiener). Die entsprechend erforderlichen Anpassungen im Zivildienstrecht werden weitgehend auf Verordnungsstufe erfolgen können. Auf Gesetzesstufe zu regeln sind die ausnahmsweise Verlängerung der Zivildienstpflicht (Art. 11 Abs. 2bis), die Aufhebung des Übertritts in den Zivilschutz (Art. 11 Abs. 4), die Möglichkeit, Zivildienst an einem Stück zu leisten (Art. 20), sowie die Übergangsregelung betreffend die Anpassung der Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen (Art. 81 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2) und die Entlassung aus dem Zivildienst (Art. 82).

2.1.3

Korrektur der Schwächen des bisherigen Zivildienstgesetzes

2.1.3.1

Festlegen von Aufträgen und Zielen (Art. 3a, 4, 7 und 7a)

­

Mit dem Festlegen von Wirkungszielen gibt das Parlament die strategische Ausrichtung des Zivildienstes vor und hält fest, dass der Bund das Arbeitskräftepotenzial des Zivildienstes zielgerichtet einsetzen will. Wirkungsziele bilden die Grundlage für die Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget. Sie zu definieren ist eine politische Führungsaufgabe, welche nicht an die Vollzugsstelle delegiert werden sollte. Welche konkreten Ziele zu wel6153

chem Preis, in welcher Menge und welcher Qualität zu erreichen sind, wird der Bundesrat im Rahmen von Leistungsaufträgen festlegen. Über die Art und Weise der Zielerreichung entscheidet die Vollzugsstelle. Das Festlegen von Schwerpunktprogrammen (Art. 4 Abs. 4) ist dabei ein mögliches Instrument.

­

Die in Ziffer 1.4 Buchstabe e angesprochene Zielhierarchie als Basis der Ziel- und Wirkungsorientierung des Zivildienstes findet sich wie folgt im ZDG: Die Vision ist Teil von Artikel 2 (Zweck), die Strategie ist Teil von Artikel 3a (Ziele) und die Bereiche der operativen Umsetzung sind in Artikel 4 Absatz 1 (Tätigkeitsbereiche) aufgeführt.

­

Die Wirkungsziele und Aufträge tragen den Stärken und Eigenheiten des Zivildienstes Rechnung. Es sind dies die Flexibilität und insbesondere die lange Dauer der Einsätze. Wo diese Eigenheiten besonderen Nutzen stiften oder im Vergleich zu andern Mitteln spezielle Vorteile bieten, sollen zukünftig vermehrt Zivildiensteinsätze stattfinden. Längerdauernde Zivildiensteinsätze vermögen andere Institutionen, beispielsweise bei der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen oder im Asylwesen, zu entlasten und erleichtern diesen Institutionen die Konzentration auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen. Der Zivildienst kann und soll dabei die Armee oder den Bevölkerungsschutz und die Rettungsdienste als Elemente der ersten Stunde nicht konkurrenzieren.

­

Als Folge davon wird das Prinzip der Selbstsuche von Einsätzen künftig anders zu handhaben sein. Zudem wird die Vollzugsstelle künftig Gruppeneinsätze verstärkt fördern. Ein erster Schritt hierzu wurde mit dem Erlass der Zivildienst-Schwerpunktverordnung getan. Dadurch wird der Zivildienst in der Öffentlichkeit ein klareres Profil erhalten.

­

Damit der Zivildienst gezielt zur Bewältigung der Folgen von Katastrophen und Notlagen eingesetzt werden kann, ist es gelegentlich sinnvoll, dass die Vollzugsstelle die entsprechenden Einsätze selbst organisiert und durchführt, speziell wenn vor Ort kein anerkannter Einsatzbetrieb zur Verfügung steht. Der Vollzugsstelle soll deshalb das Recht eingeräumt werden, unter bestimmten Voraussetzungen selber als Einsatzbetrieb aufzutreten (Art. 7a).

­

Der Zivildienst soll als ziviles Instrument des Bundes im Rahmen der Sicherheitspolitik wahrgenommen werden und eingesetzt werden können (Art. 3a Abs. 2). In Übereinstimmung mit dem Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz, «Sicherheit durch Kooperation», soll der Zivildienst vermehrt im Bereich der Existenzsicherung tätig werden.

Allenfalls kann er auch in den Bereichen der Friedensförderung und der Gewaltprävention aktiv werden (Art. 3a Abs. 1 Bst. a). Denn Frieden und Friedensförderung sind ein dem Zivildienst inhärentes Thema. Die meisten Zivildienstpflichtigen haben dazu eine persönliche Beziehung, denn wer Gewissensgründe gegen den Militärdienst geltend macht, beruft sich in der Regel auch auf eine Grundhaltung, welche die Gewaltanwendung verbietet.

Wer die Militärdienstleistung aus moralischen Gründen ausschliesst, ist häufig einer Vision einer friedlichen, sicheren, gewalt- und konfliktfreien Welt verpflichtet (einer Vision, die auch von vielen Angehörigen der Armee geteilt wird, die den Militärdienst mit ihrem Gewissen vereinbaren können).

6154

Die entsprechende Grundhaltung der zivildienstpflichtigen Personen soll für die Erreichung der Ziele des Bundes genutzt werden. Konkret bedeutet dies, dass auch der Zivildienst seine Stärken komplementär zu den Aktionen und Bestrebungen der schweizerischen Sicherheitspolitik einsetzen soll. Möglich ist sein Einsatz insbesondere im Rahmen der Prävention, beispielsweise im Zusammenhang mit Projekten, welche das Zusammenleben fördern oder Mechanismen und Techniken des gewaltfreien Umgangs mit Konflikten vermitteln oder stärken. Er kann einen gewissen Einfluss darauf nehmen, dass existentielle Gefährdungen nicht mehr in Konflikte ausmünden. Es geht somit nicht darum, die Leistungen der Armee zu Gunsten einer friedlicheren Welt gegen entsprechende mögliche Leistungen des Zivildienstes auszuspielen oder erstere in Frage zu stellen (wie im Vernehmlassungsverfahren bemängelt wurde). Sondern es geht allein darum, mit den Mitteln des Zivildienstes allfällige Lücken in bestimmten Bereichen der Sicherheitspolitik zu füllen und bestehende Angebote gerade auch im Bereich der zivilen (staatlichen wie nicht-staatlichen) Friedensarbeit zu ergänzen (nicht jedoch zu konkurrenzieren). Angestrebt wird deshalb eine enge Koordination der Einsätze mit den andern Mitteln der Sicherheitspolitik. Immer haben sich die konkreten Einsätze dabei im Rahmen der Tätigkeitsbereiche von Artikel 4 abzuspielen. Einsätze in den Bereichen des Sozialwesens sowie der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe werden dabei im Vordergrund stehen.

­

Zur Sicherheitspolitik gehört auch die Existenzsicherung als Schutz der Zivilbevölkerung vor Natur- und anderen Katastrophen und als Hilfe zur Behebung von deren Folgen. Der Zivildienst eignet sich speziell für längerfristige, personenintensive Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten (Befreien von Kulturland von Geröll, Mithilfe bei Wiederaufforstungen), aber auch zur Unterstützung von präventiven Massnahmen (Lawinenverbauungen, Bewahren von Alpweiden vor Vergandung usw.).

­

Einsätze im Rahmen der Sicherheitspolitik setzen eine minimale Einsatzbereitschaft voraus. Die entsprechenden Vorkehren sind in Ziffer 2.3.1 im Zusammenhang mit Artikel 3a dargestellt. Einsätze im Rahmen der Sicherheitspolitik können sowohl im Inland wie auch im Ausland stattfinden.

Auslandeinsätze sollen nicht zur Regel werden. Dennoch sollen unnötige Schranken abgebaut werden (Art. 7). Jedes Projekt wird aber mit klar definierten, kontrollierbaren Zielen und mit nachhaltigen Wirkungen verbunden sein müssen. Festgehalten werden soll an der Praxis, dass nur Personen Dienst im Ausland leisten dürfen, die durch spezielles Wissen für entsprechende Einsätze besonders geeignet sind, die über die nötige persönliche Reife und Selbstständigkeit verfügen, die die mit Auslandeinsätzen verbundenen Besonderheiten aus eigener Erfahrung abschätzen können und schwierige Situationen zu meistern gewohnt sind.

6155

2.1.3.2

Das Fehlen einer authentischen Interpretation von Artikel 1 (Art. 1 Abs. 2 und 3 und Art. 18b)

1996 hat die Vollzugsstelle ein Konzept erarbeitet, das die unbestimmten Rechtsbegriffe von Artikel 1 klärt und sich im Zulassungsverfahren gut bewährt hat (vgl.

oben Ziffer 1.1.3.2). Es geht nun keineswegs darum, durch neue gesetzliche Vorschriften die Zulassung zum Zivildienst von anderen Kriterien als bisher abhängig zu machen. Es gibt keinen Grund, von einem eingeführten und bewährten Konzept abzuweichen und den Zugang zum Zivildienst künftig im Verhältnis zur heutigen Praxis zu erschweren oder zu erleichtern. Die Grundzüge des heutigen Konzepts hat der Bundesrat bereits 1994 im Rahmen der Botschaft zum ZDG gutgeheissen. Sie wurden seither weiterentwickelt und verfeinert und weisen in einzelnen Aspekten über die Darlegungen in der Botschaft von 1994 hinaus.

Die wesentlichen Elemente dieses Konzepts sollen aus folgenden Gründen als authentische Interpretation von Artikel 1 Absatz 1 in dessen neuen Absätzen 2 und 3 und in Artikel 18b festgeschrieben werden: ­

Die Darlegung der Eckwerte der bisherigen Praxis stellt betreffend die Zulassungsvoraussetzungen mehr Transparenz her als die für Laien in ihrer Tragweite kaum verständlichen Begriffe des heutigen Artikel 1, ohne jedoch gleich ein Rezept für individuelle Argumentationsweisen zu geben.

­

Durch die Festschreibung der wichtigsten Punkte des Konzepts der Vollzugsstelle im Gesetz wird eine seit fast fünf Jahren geübte Praxis offizialisiert, die in mehreren Punkten dem Gesetzeswortlaut besser gerecht wird als einzelne Aussagen in den damaligen Materialien der Gesetzgebung. Denn eine vertiefte Auseinandersetzung mit den entsprechenden Fragen ergab, dass einzelne Aussagen in den Materialien der Gesetzgebung nicht aufrecht erhalten werden können. Insbesondere wird heute ­ anders als es in der Botschaft zum Zivildienstgesetz aus dem Jahr 1994 dargestellt wurde ­ davon ausgegangen, dass einen Gewissenskonflikt gegenüber dem Militärdienst auch glaubhaft darlegen kann, wer sich auf eine andere moralische Forderung als auf den Grundsatz der Gewaltlosigkeit beruft.

­

Die Option, zivildienstwillige Stellungspflichtige künftig direkt in den Rekrutierungszentren anzuhören und ihnen den Entscheid dort sofort mündlich zu eröffnen, bedingt eine raschere Entscheidfindung ohne Überprüfung der Angemessenheit des Entscheids durch Dritte vor dessen Eröffnung. Diese sich abzeichnende Entwicklung sowie die Übertragung des Entscheidungsrechts von der Vollzugsstelle auf die Zulassungskommission rufen nach einer präziseren Legaldefinition der Entscheidungskriterien.

­

Durch die Festschreibung der Eckwerte der Praxis im Gesetz wird die Grundlage dafür geschaffen, dass im Zulassungsverfahren die erste Instanz (die Zulassungskommission) und die zweite Instanz (die REKO/EVD, welche Rekurse im Zulassungsverfahren abschliessend beurteilt) von denselben Entscheidungskriterien ausgehen.

­

Schliesslich sind Massstäbe für die Qualitätskontrolle im Zulassungsverfahren zu definieren. Die Qualitätskontrolle wird künftig im Rahmen des Beschwerdeverfahrens stattfinden. Das Departement, das die Zulassungskommission eingesetzt hat, wird die Qualität von deren Arbeit im Rahmen der

6156

Handhabung seines Beschwerderechts kontrollieren (vgl. Art. 64 Abs. 1bis).

Es wird Beschwerde führen, wenn die gesuchstellende Person keine moralische Forderung nach Artikel 1 geltend gemacht hat oder wenn die Zulassungskommission die einzelnen Dimensionen der Glaubhaftigkeit nach Artikel 18b nicht sauber im Gespräch thematisiert und danach im Rahmen ihres Befundes beurteilt hat.

Die bisherige Praxis soll im heutigen Rahmen fortgeführt und wo nötig weiter entwickelt werden. Die Festschreibung einzelner ihrer Eckwerte im Gesetz schränkt die Freiheit der Mitglieder der Zulassungskommission und der Richter der REKO/EVD in der Würdigung der einzelnen Zulassungsgesuche keineswegs ein. Denn der vorgeschlagene Gesetzestext gibt nicht abschliessend definierte, detaillierte Massstäbe vor, an denen die Aussagen der gesuchstellenden Personen stur zu messen sind, sondern er weist auf die massgeblichen Beurteilungsdimensionen hin. Dadurch wird der Würdigung des Einzelfalls nicht vorgegriffen. Für detaillierte Ausführungen wird auf die Besprechung der einzelnen Artikel unter Ziffer 2.3.1 nachfolgend verwiesen.

2.1.4

Anpassungen zur Optimierung des Vollzugs des Zivildienstes

Die Erfahrungen im Vollzug sind überwiegend positiv. Dennoch sollen mit der Gesetzesrevision die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Vollzug des Zivildienstes wie folgt optimiert werden kann.

2.1.4.1

Dauer des Zivildienstes (Art. 8)

Der Zivildienst soll von der bisher 1,5-fachen auf die 1,3-fache Dauer der nicht geleisteten Militärdiensttage verkürzt werden. Dafür gibt es folgende Gründe: ­

Vorab gibt es arbeitsmarktliche Überlegungen, wie sie auch im Zusammenhang mit der laufenden Armeereform von Bedeutung sind: Nicht nur durch den Militärdienst, sondern auch durch die über 200 000 pro Jahr geleisteten Zivildiensttage wird die Volkswirtschaft belastet. Diese Lasten tragen in erster Linie die Arbeitgeber der Zivildienst leistenden Personen. Mit der Verkürzung der Zivildienstdauer werden u.a. KMU und Selbstständigerwerbende entlastet. Die lange Dauer des zu leistenden Zivildienstes von heute maximal 450 Tagen bedeutet für eine Unternehmung eine Belastung, wenn ihr Mitarbeiter wegen Zivildienst mehrere Male während mehrerer Monate pro Jahr dem Betrieb nicht zur Verfügung steht. Aus der Sicht der zivildienstpflichtigen Person, welche Arbeitnehmerin ist, bedeutet die lange zu leistende Dauer im Einzelfall eine Erschwerung bei der Arbeitssuche und im betrieblichen Fortkommen. Je länger der zu leistende Zivildienst ist, desto schwieriger ist auch die Koordination mit Schule und Ausbildung. Mit dem neuen Faktor werden zivildienstpflichtige Personen beziehungsweise deren Arbeitgeber durch die Abwesenheiten vom Arbeitsplatz zwar immer noch stärker belastet als Militärdienstpflichtige, die als Soldaten oder Gefreite neu weniger als 300 Diensttage leisten müssen, der maximale Zuschlag von 90 6157

Diensttagen hält sich aber im Vergleich mit dem heutigen von maximal 150 Tagen in einem vertretbaren Rahmen.

­

Anlässlich der parlamentarischen Beratungen des Zivildienstgesetzes 1994 und 1995 wurde immer wieder betont, die Verlängerung des Zividienstes gegenüber dem Militärdienst diene einerseits dem Ausgleich der Belastung zwischen dem Dienst des Soldaten und demjenigen der Zivildienst leistenden Person, andererseits bilde diese Verlängerung ein Tatbeweiselement hinsichtlich des Vorliegens von Gewissensgründen. Diese Argumentation hat heute nur noch teilweise Gültigkeit: ­ Erstens übernehmen mit der Einführung der differenzierten Tauglichkeit einzelne Soldaten Aufgaben, welche mit einer zivilen Tätigkeit absolut vergleichbar sind, ohne dass sie deswegen einen längeren Militärdienst leisten müssten.

­ Zweitens gibt es im Vollzug des Zivildienstes Einsätze, welche von der Härte der Arbeit oder von äusseren Belastungen her mit jeder Dienstleistung in der Armee vergleichbar sind. Zu denken ist etwa an Aufräumarbeiten nach Naturkatastrophen oder an Pflegeeinsätze in der Psychiatrie oder Geriatrie.

­ Drittens beurteilen Zulassungskommission und Vollzugsstelle die Gesuche unabhängig von der Dauer des zu leistenden Zivildienstes.

Überlegungen betreffend ein Tatbeweiselement sind im Zulassungsverfahren sachfremd. Auch Gesuche von militärdienstpflichtigen Personen, welche sämtliche ihre militärischen Dienstleistungen erbracht haben und die deshalb nach ihrer Zulassung keine Zivildiensttage mehr leisten müssen, werden mit der gleichen Konsequenz und Sorgfalt behandelt. So lange am heutigen Zulassungsverfahren mit Begründungspflicht für alle Gesuche und persönlicher Anhörung fast ausnahmslos aller gesuchstellenden Personen festgehalten wird, werden die Attraktivität des Zivildienstes und die Zahl der Zulassungsgesuche nicht wesentlich durch die Dauer des Zivildienstes bestimmt (so nahm in Österreich die Zahl der zivildienstpflichtigen Personen nach der letzten Verlängerung des Zivildienstes nicht ab, sondern zu; vgl. Ziff. 1.1.4.3).

Wer eine möglichst wenig belastende Art der Erfüllung seiner Wehrpflicht sucht, wird weiterhin versuchen, sich ausmustern zu lassen und nicht ein Zulassungsgesuch zum Zivildienst stellen.

­ Viertens verfügt die Schweiz im Vergleich mit den europäischen Nachbarn, welche die allgemeine Wehrpflicht noch kennen, auch mit der verkürzten Zivildienstzeit nach wie vor über eine strenge Regelung.
Deutschland hat auf den 1. Juli 2000 den Zivildienst von 13 auf 11 Monate verkürzt, dies bei einer Dauer des Militärdienstes von 10 Monaten. Österreich verfügt zwar nach wie vor über den Faktor 1,5, verzichtet aber auf jegliche Form der Gewissensprüfung (vgl. oben Ziff. 1.1.4.2 und 1.1.4.3).

­

Die Festlegung des «richtigen» Faktors ist nicht eine Frage des korrekten Rechnens. Denn je nachdem, welche Rechnung man anstellt, ergibt sich ein anderes Ergebnis. Man kann die täglichen Arbeitsstunden im Militärdienst mit denen im Zivildienst vergleichen, aber auch die tägliche Präsenzzeit, die Zahl der Arbeitstage oder die Beanspruchung an Lebenszeit. Auch der Ver-

6158

gleich der Anforderungen, welche die einzelnen Einsätze physisch oder psychisch an den Einzelnen stellen, ergibt keine eindeutigen Resultate, weil weder im Militärdienst noch im Zivildienst diesbezüglich Einheitlichkeit besteht.

Dass der Zivildienst gegenüber dem Militärdienst länger dauern soll, kann nicht in Frage gestellt werden. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass sich in Berücksichtigung der vorstehenden Argumente sowie der Tatsache, dass die bisherigen Gesuchszahlen geringer ausgefallen sind, als bei der Erarbeitung des Gesetzes angenommen wurde, womit Ängste bezüglich eines rasanten Anwachsens der Gesuchszahlen nicht am Platz sind, eine massvolle Senkung des Faktors rechtfertigt. Ein Faktor von 1,3 erscheint deshalb als angemessen, umso mehr, als der Verzicht auf die Prüfung der Gewissensgründe und auf die persönliche Anhörung der gesuchstellenden Personen (mit einer eng begrenzten Ausnahme) nicht zur Diskussion steht.

2.1.4.2

Ausserordentliche Zivildienstleistungen (Art. 14)

Der Zivildienst in ausserordentlichen Lagen wird neu auf Gesetzesstufe so geregelt, dass er fast keine Ausführungsbestimmungen mehr braucht. Die Konzeption des ursprünglichen Artikels 14 ist davon ausgegangen, dass ausserordentliche Zivildienstleistungen im Detail auf Verordnungsstufe geplant werden sollen. Mit der vorliegenden knappen und sich auf die wesentlichen Grundsätze beschränkenden Regelung wird der Eindruck vermieden, es sei möglich, die Bewältigung von Ereignissen zu planen, deren Grössenordnung sich der Planbarkeit entzieht.

Der Begriff der ausserordentlichen Lage meint Ereignisse, in denen das normale Funktionieren der Staatsorgane nicht mehr möglich ist (vgl. die Terminologie des sicherheitspolitischen Berichts). Zu denken ist an zivilisatorische oder Naturkatastrophen grössten Ausmasses oder an kriegerische Ereignisse. Naturkatastrophen, wie sie in den letzten Jahren in unserem Land vorkamen (Lawinenwinter, Überschwemmungen, «Lothar»), bewirkten für sich noch keine, oder nur örtlich und zeitlich eng begrenzt, ausserordentliche Lage. Im Zusammenhang mit derartigen Ereignissen kann der Zivildienst aber ordentlicherweise in Anwendung von Artikel 7a zum Einsatz kommen. Die Bedeutung solcher Einsätze wird dadurch unterstrichen, dass die Kompetenz, den Zivildienst aufzubieten, dem Bundesrat vorbehalten wird. Die Kantone können beim Bund Mittel des Zivildienstes anfordern.

Artikel 14 baut auf dem Grundsatz auf, dass der Zivildienst ein Instrument der Sicherheitspolitik des Bundes ist. Der Bund kann dieses Instrument im Rahmen der nationalen Sicherheitskooperation als eines unter mehreren verfügbaren Modulen bedarfsgerecht einsetzen, sei es im Interesse des ganzen Landes oder entsprechend den Bedürfnissen einzelner Kantone.

2.1.4.3

Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, Koordination von Rekrutierung und Zulassungsverfahren (Art. 16)

Militärdienstpflichtige Personen können heute jederzeit ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen. Auf Zulassungsgesuche, die vor der Aushebung einge6159

reicht werden, tritt die Vollzugsstelle jedoch nicht ein. Während bei Einführung des Zivildienstes die Mehrheit der gesuchstellenden Personen die Rekrutenschule und einen oder mehrere Wiederholungskurse absolviert hatte, nimmt heute die Zahl der Gesuche, welche direkt nach der Aushebung eingereicht werden, laufend zu. Es ist deshalb sinnvoll, Prozesse und Abläufe des Zulassungsverfahrens und der Rekrutierung der Armee besser zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Artikel 16 Absatz 1 sieht in seiner neuen Fassung deshalb vor, dass stellungspflichtige Personen ein Zulassungsgesuch einreichen können, nachdem sie den Orientierungstag besucht haben, der mehrere Monate vor der Rekrutierung durchgeführt wird. Stellungspflichtige Personen erhalten künftig erste ausführliche Informationen betreffend den Zivildienst an diesem Orientierungstag. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das Zulassungsverfahren allenfalls auch in zeitlicher und möglicherweise auch örtlicher Hinsicht anlässlich der Rekrutierung durchgeführt werden kann. Mit Abschluss der Rekrutierung soll künftig jeder Wehrpflichtige wissen, welche Art von Dienst er leisten wird.

Ob und wie weit das Zulassungsverfahren zum Zivildienst und allenfalls auch weitere Vollzugsschritte des Zivildienstes in das Verfahren der Rekrutierung XXI integriert werden sollen, ist Gegenstand vertiefter Abklärungen der Vollzugsstelle. Es ist insbesondere zu prüfen, ob der Vorteil der Kundenfreundlichkeit und Einfachheit, der den stellungspflichtigen Personen zugute kommt, mögliche betriebswirtschaftliche Nachteile zu überwiegen vermag. Denn falls künftig das Zulassungsverfahren in den Rekrutierungszentren der Armee stattfindet und falls zusätzlich (damit die Zahl der dezentralen Standorte der Vollzugsstelle nicht zu gross wird) auch die Regionalstellen des Zivildienstes bei den Rekrutierungszentren angesiedelt werden, erhält der Zivildienst völlig neue Strukturen und Prozesse. Antworten auf die Fragen, ob und in welchem Umfang ein derartiges Reengineering angebracht ist und wie eng Stellen der Armee und des Zivildienstes künftig in örtlicher Hinsicht zusammenrücken sollen, werden erst Ende 2001 oder Anfang 2002 vorliegen. Eine entsprechende Umorganisation liegt in der Kompetenz der Vollzugsstelle. Die einzige Änderung, die auf Gesetzesstufe
vorgenommen werden muss, betrifft Artikel 16.

Zwei Präzisierungen seien noch angebracht: Es steht heute ausser Diskussion, dass der Zivildienst weiterhin nicht Teil des VBS sein wird und keines seiner Organe militärischen Stelle unterstellt oder zugewiesen werden wird. Und auch die Möglichkeit, nach der Rekrutierung jederzeit ein Zulassungsgesuch einzureichen, bleibt unangetastet, solange die interessierte Person militärdiensttauglich ist.

2.1.4.4

Optimierung des Zulassungsverfahrens (Art. 18, 18a, 18c und 18d)

Die Aufgabenteilung zwischen Kommissionsausschuss und Vollzugsstelle gab in der Praxis verschiedentlich zu Diskussionen Anlass. Unklarheiten bestanden insbesondere darüber, welche Bedeutung dem Antrag zukommt, welchen die Zulassungskommission zuhanden der Vollzugsstelle formuliert. Handelt es sich um eine blosse Empfehlung, welche der Vollzugsstelle volle Entscheidungsfreiheit gibt, oder geht es um einen umfassenden Befund, an den die Vollzugsstelle grundsätzlich gebunden ist? Die REKO/EVD hat in einem Leitentscheid festgehalten, die Vollzugsstelle solle Würdigung und Befund der Zulassungskommission zur Begründung des Ent-

6160

scheids erheben, wenn sie sich dem Antrag anschliesse. Andernfalls müsse sie in der Begründung des Entscheides darlegen, warum sie dem Antrag nicht folge; eine Abweichung vom Antrag sei aber nur möglich, wenn dieser infolge Willkür des Kommissionsausschusses unhaltbar wäre. Diese oberinstanzliche Rechtsprechung verlangt in jedem Fall Anpassungen an der Schnittstelle zwischen Zulassungskommission und Vollzugsstelle. Das Zulassungsverfahren soll deshalb wie folgt modifiziert werden.

Artikel 18 legt neu fest, dass die Zulassungskommission selbstständig erstinstanzlich entscheidet. Damit erhält die Kommission den Stellenwert, den ihr die REKO/EVD in der Praxis faktisch bereits eingeräumt hat. Gleichzeitig wird damit das Zulassungsverfahren von der Vollzugsstelle losgelöst, welche die politische und rechtliche Verantwortung für die Ergebnisse der Kommissionsarbeit nicht mehr trägt. Unverändert bleibt aber die administrative Unterstützung der Kommission durch die Vollzugsstelle. Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Vollzugsstelle, die im Zulassungsverfahren mitwirken, sind weiterhin der Vollzugsstelle unterstellt und werden durch diese angestellt, ausgebildet und geführt. Indem sie die Kommissionsmitglieder im Rahmen der Anhörungen beraten, deren Befunde redigieren und die schriftlichen Entscheide ausfertigen, tragen sie zwar faktisch Mitverantwortung für die Zulassungsentscheide. Die politische und die rechtliche Verantwortung für jeden einzelnen Zulassungsentscheid liegt aber künftig ausschliesslich bei der Zulassungskommission und nicht mehr bei der Vollzugsstelle. (Jede andere strukturelle Lösung, insbesondere eine fachliche Unterstellung der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter unter die Zulassungskommission, setzte eine Teilprofessionalisierung der Zulassungskommission und die Errichtung neuer Strukturen voraus. Daraus ergäben sich erhebliche Mehrkosten und das Gebot der Kostenneutralität der neuen Kompetenzenordnung, vgl. Ziff. 3.1 hienach, liesse sich nicht mehr erfüllen.)

Eine Konsequenz dieser neuen Ordnung liegt im Wegfall der Qualitätskontrolle betreffend den Befund des Kommissionsausschusses durch die Vollzugsstelle. Bisher fand eine solche Qualitätskontrolle vor Erlass der entsprechenden Verfügung im Rahmen des Zusammenspiels von Kommission und Vollzugsstelle statt. Um den
Nachteil aufzufangen, dass ein Grossteil der Entscheidungen (sämtliche positiven Zulassungsentscheide) praktisch jeglicher Kontrolle entzogen wäre, wird in Artikel 64 Absatz 1bis dem Departement ­ der politischen Aufsichtsbehörde der Kommission ­ ein Rekursrecht eingeräumt.

Zwei weitere Punkte der Optimierung des Zulassungsverfahrens betreffen Regelungen, welche heute auf Verordnungsstufe realisiert sind, aber einer formellgesetzlichen Regelung bedürfen. Es betrifft dies einerseits die Möglichkeit, in besonderen Einzelfällen auf die Anhörung zu verzichten (Art. 18a Abs. 2; vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1.1.3.3 vorstehend), und anderseits die Möglichkeit, der gesuchstellenden Person, welche ohne genügende Entschuldigung nicht zur Anhörung erscheint, die Kosten des verpassten Termins zu überwälzen (Art. 18d Abs. 3; vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1.1.3.4 vorstehend).

6161

2.1.4.5

Anerkennung von Einsatzbetrieben (Art. 42 und 43)

Bei der Erarbeitung des Zivildienstgesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich im Zusammenhang mit der Anerkennung von Einsatzbetrieben gewichtige wirtschaftspolitische, arbeitsmarktliche und sozialpartnerschaftliche Probleme stellen würden. Er hat deshalb beschlossen, die Gesuche um Anerkennung als Einsatzbetrieb einer besonderen Kommission zu unterbreiten. Im Vollzug hat sich gezeigt, dass damit ein umständliches und langsames Verfahren geschaffen wurde. Die Kommission, welche im Wesentlichen aus Interessenvertretern der einzelnen Einsatzbereiche zusammengestellt ist, hat zu Beginn ihrer Arbeit einige wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen, an welchen sich seither die Einzelfallentscheidungen orientieren. So wurde beispielsweise eine Maximalzahl von Zivildienstplätzen in Abhängigkeit zur Betriebsgrösse des Einsatzbetriebs festgelegt. Trotz schwieriger Konjunkturlage bei Einführung des Zivildienstes haben sich aber kaum Fragen mit politischen Dimensionen gestellt.

In der Praxis bereitet die Vollzugsstelle die eingegangenen Gesuche für die Anerkennungskommission materiell so weit vor, dass sie der Kommission Antrag stellt und nicht umgekehrt, wie das Gesetz es vorsieht. Dissens zwischen Kommission und Vollzugsstelle gibt es praktisch nicht.

Daher kann die Anerkennungskommission aufgehoben werden und die Vollzugsstelle allein für das Anerkennungsverfahren verantwortlich gemacht werden. Es ist nicht beabsichtigt, an der bisherigen Anerkennungspraxis Änderungen vorzunehmen.

Stehen künftig im Rahmen des Anerkennungsverfahrens Grundsatzfragen zur Beurteilung an, so werden diese vorgängig den interessierten und betroffenen Organisationen zur Stellungnahme unterbreitet (Art. 43 Abs. 1).

Die Anerkennung als Einsatzbetrieb wurde bisher immer dann ausgesprochen, wenn die Voraussetzungen der Artikel 2­6 erfüllt waren (Tätigkeit im öffentlichen Interesse, ziviler Zweck, Tätigkeitsbereich gemäss Auflistung, Arbeitsmarktneutralität der geplanten Einsätze). Neu soll die Anerkennung auch nachfragegerecht gesteuert werden. Bestehen in einem bestimmten Bereich genügend Einsatzbetriebe oder Einsatzplätze, soll die Vollzugsstelle nicht gezwungen sein, weitere Anerkennungen verfügen zu müssen (Art. 42 Abs. 1ter).

2.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

2.2.1

Allgemeine Bemerkungen

Das Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf der ZDG-Revision dauerte vom 2. Mai 2001 bis zum 31. Juli 2001. Es gingen 75 Stellungnahmen ein. Die FDP verzichtete auf eine materielle Stellungnahme. In der überwiegenden Mehrheit der Stellungnahmen wird der Entwurf begrüsst und positiv gewürdigt. Anlass, Ziele und Inhalt der Revision werden gutgeheissen. Kritik konzentriert sich auf Einzelheiten. Auf grundsätzliche Ablehnung stösst der Entwurf allein bei drei Vernehmlassungsteilnehmern: Die SVP, economiesuisse und der SGV sind der Meinung, die Revision sei unnötig, weil sich das heutige Gesetz gut bewähre und die Revision den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht verletze.

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Die einzelnen Kritikpunkte ergeben ein ähnliches Bild wie die Vernehmlassung zum ersten Entwurf des ZDG 1993: Bürgerlichen Kreisen und Arbeitgeber-Organisationen geht der Vernehmlassungsentwurf teilweise zu weit. Sie befürchten, der Zivildienst werde im Vergleich zum Militärdienst zu attraktiv und das Primat der Militärdienstpflicht werde aufgegeben. Der politischen Linken, den Gewerkschaften und armeekritischen Kreisen gehen manche Änderungsvorschläge zu wenig weit bzw. in eine falsche Richtung. Sie befürchten in einzelnen Bereichen gar einen Rückschritt gegenüber der geltenden Regelung. Breite Zustimmung hat der Entwurf bei den Kantonen gefunden. Eher kritisch äussern sich nur die Kantonen Luzern und Schaffhausen.

Im Zentrum des Interesses der Vernehmlassungsteilnehmer standen erwartungsgemäss die Bestimmungen betreffend das Zulassungsverfahren (Art. 1, 18, 18b), die Aufträge und Ziele des Zivildienstes (Art. 3a und 4) sowie die Dauer desselben (Art. 8).

2.2.2

Zusammenfassung der Stellungnahmen zu den wichtigsten Bestimmungen des Revisionsentwurfs

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Die Absicht, die Anforderungen an die glaubhafte Darlegung eines Gewissenskonfliktes mit dem Militärdienst präziser zu umschreiben (Art. 1 und 18b), wurde grundsätzlich positiv aufgenommen. Insbesondere stimmten ihr alle Kantone zu. Die SPS, Kreise der Militärdienstverweigerer, Arbeitgeberorganisationen und die Zulassungskommission befürchten allerdings, dass künftig die Zulassung zum Zivildienst durch die neuen Bestimmungen erschwert werde.

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Zwei Kantone und zwei Arbeitgeberorganisationen beantragen die Beibehaltung des bisherigen Artikels 2 Absatz 1 («Der Zivildienst tritt für Personen nach Artikel 1 an die Stelle des Militärdienstes»).

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Gut aufgenommen wurde die Absicht, Wirkungsziele des Zivildienstes im Gesetz festzuschreiben (Art. 3a). Zwei Kantone übten Kritik an der Zielbestimmung von Buchstabe c (Aufbauen friedensfähiger Strukturen, Reduktion von Gewaltpotentialen). Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer schlugen Ergänzungen des Zielkataloges um folgende Themenbereiche vor: Unterstützung von Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche, Förderung der Gesundheit der Bevölkerung, Stärkung der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit. Kontrovers beurteilt wurde die vorgeschlagene Rolle des Zivildienstes im Rahmen der Sicherheitspolitik: SPS und linke Kreise erachten dadurch die Unabhängigkeit des Zivildienstes als gefährdet. SGV und economiesuisse befürchten eine zu starke Angleichung von Militär- und Zivildienst. Für die SOG fällt die vorgeschlagene Bestimmung zu zaghaft aus: Der Zivildienst solle Teil der nationalen Sicherheitspolitik sein.

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Die Absicht, in Artikel 4 Absatz 1 die Forschung als Tätigkeitsbereich zu streichen, stiess bei einer Reihe von Forschungsinstitutionen auf Ablehnung.

Die SPS beantragt, die Friedensförderung als Tätigkeitsbereich aufzuführen.

Weitere Ergänzungsvorschläge bezüglich des Katalogs der Tätigkeitsbereiche betreffen Erziehung und Bildung, Integration von Minderheiten und benachteiligten Personen sowie Vorbeugung von Diskriminierung und Gewalt.

6163

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Teilweise kritisiert wird die Formulierung der Gründe nach Artikel 4a, bei deren Vorliegen Zivildiensteinsätze ausgeschlossen werden können. Vorwiegend linken Kreisen zufolge darf ehrenamtliche Mitarbeit in einem Einsatzbetrieb kein Hinderungsgrund für einen späteren Zivildiensteinsatz sein.

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Ein Kanton, die SVP und economiesuisse wehren sich gegen die Streichung des Worts «ausnahmsweise» im Zusammenhang mit Auslandeinsätzen (Art. 7).

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Eine breite Palette von Reaktionen rief der Vorschlag hervor, die Dauer des Zivildienstes zu reduzieren und den heutigen Faktor 1,5 auf den Faktor 1,3 herabzusetzen (Art. 8). Am Faktor 1,5 festhalten wollen zwei Kantone, SVP, economiesuisse, SGV und die SOG. Mit dem Faktor 1,3 einverstanden sind alle andern Kantone und die CVP. Den Faktor 1,2 schlagen EVP und CNG vor. Die GSoA befürwortet einen Faktor 1,1, wogegen SPS, SGB und weitere linke Kreise die gleich lange Dauer von Militärdienst und Zivildienst verlangen und sich damit für den Faktor 1,0 aussprechen. Ein Kanton beantragt, den bisherigen Faktor 1,1 für verweigernde Kader nicht zu streichen und ein weiterer Kanton schlägt vor, die Festlegung des Faktors dem Bundesrat zu überlassen.

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Zwei Kantone beantragen in Artikel 14, das Antragsrecht der Kantone beizubehalten.

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Bezüglich der Verbesserung der amtlichen Information betreffend den Zivildienst (Art. 15a) sieht der SGV keinen Handlungsbedarf.

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Bei drei Kantonen stiess der Vorschlag auf Kritik, dass künftig ein Zulassungsgesuch schon nach dem Orientierungstag gestellt werden könne, welcher der militärischen Rekrutierung vorausgeht (Art. 16).

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Zu kontroversen Reaktionen gab die Absicht Anlass, grundsätzlich weiterhin alle gesuchstellenden Personen durch eine Kommission persönlich zu ihrem Zivildienstgesuch anzuhören und von der Anhörung nur gesuchstellende Personen auszunehmen, die bestimmten religiösen Gemeinschaften angehören, wenn sie die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllen (Art. 18a). SPS und linke Kreise fordern, es sollten nur noch gesuchstellende Personen angehört werden, deren Gesuche unklar seien. Drei Kantone, zwei Arbeitgeberverbände und eine kirchliche Gruppierung verlangen weiterhin die ausnahmslose Anhörung aller gesuchstellenden Personen.

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Betreffend Artikel 18b wird durch linke Kreise kritisiert, man verlange von einer gesuchstellenden Person zu viel, wenn ihre Darlegungen zu ihrem Zulassungsgesuch keine Widersprüche aufweisen dürften.

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Ein Kanton, die SPS und linke Gruppierungen fordern die Streichung einer neuen Bestimmung (Art. 18e des Vernehmlassungsentwurfs), welche der Vollzugsstelle die Kompetenz gibt, die Militärdiensttauglichkeit von gesuchstellenden Personen überprüfen zu lassen.

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Auf Zustimmung stiessen die Vorschläge betreffend die Artikel 20 (der Zivildienst kann künftig grundsätzlich am Stück geleistet werden), 22 (die Option, künftig für freiwillig Mitwirkende Pikettdienst anzuordnen) und 36­37 (Erweiterung der Kompetenz der Vollzugsstelle, Ausbildungskurse anzubieten).

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Der Vorschlag, die Anerkennungskommission aufzuheben (Art. 42 und 43), stiess bei Arbeitgeberorganisationen und beim Bauernverband auf Opposition: Sie sind für die Beibehaltung der Kommission.

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Auf Kritik stiess bei einem Kanton, der SPS und militärkritischen Kreisen der Vorschlag, betreffend die Anerkennung von Einsatzbetrieben eine Bedarfsklausel einzuführen (Art. 42 Abs. 1ter).

2.2.3

Zusätzliche Anregungen, die über den Vernehmlassungsentwurf hinausgehen

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Die Jungsozialisten Winterthur möchten militärdienstuntaugliche Personen zum Zivildienst zulassen (Art. 1).

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Die SPS will allen zivildienstpflichtigen Personen die Option eröffnen, über die Regel-Altersgrenze des Zivildienstes hinaus die Zivildienstpflicht verlängern zu können (Art. 11 Abs. 2bis).

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Der Kanton Luzern möchte eine gesetzliche Grundlage, um die Stammdaten zivildienstpflichtiger Personen bearbeiten zu können, damit er sie bei Katastrophen und Notlagen selbst aufbieten kann (Art. 14 und 80/80a).

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SPS, EVP und CSP plädieren für den Verzicht auf die Prüfung der Gewissensgründe von Personen, welche Zivildienst leisten wollen (Art. 18).

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Linke Kreise regen an, die Vorschrift, wonach ein Zivildienstgesuch spätestens drei Monate vor der nächsten Militärdienstleistung eingereicht sein müsse, solle gelockert und die Frist auf zwei Monate reduziert werden (Art. 17).

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Der Kanton Luzern verlangt eine Entschädigungszahlung des Bundes an den Kanton, der im Rahmen des Anerkennungsverfahrens von Einsatzbetrieben eine arbeitsmarktliche Stellungnahme abgibt (Art. 43).

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Der Kanton Genf wünscht eine weitergehende Rechtsgrundlage für die Subventionierung von Einsatzbetrieben (Art. 47).

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Die SPS und die SOG regen an, der Weiterzug der Zulassungsentscheide bis an das Bundesgericht sei zu prüfen (Art. 63).

2.3

Erläuterungen zum Gesetzesentwurf

2.3.1

Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG)

Erstes Kapitel: Allgemeine Bestimmungen Art. 1

Grundsatz

Die Botschaft zum ZDG (BBl 1994 III 1609 ff., speziell Ziffer 213.1, S. 1638) ging implizit davon aus, dass bei der Beurteilung des Gewissenskonflikts die Frage der konkreten Motive, welche die gesuchstellende Person zur Ablehnung des Militär-

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dienstes führen, eine alles entscheidende Rolle spiele. Denn im Kern gehe es stets um eine Ablehnung der Gewalt: «Der Zivildienst ist eine Lösung für Personen, die letztlich den Assistenz- und Aktivdienst verweigern, weil sie Gewalt gegen Menschen ablehnen. Nur Gewissensentscheide, die im Postulat der Gewaltlosigkeit gründen, können die Zulassung zum Zivildienst rechtfertigen». Diese einschränkende Auslegung des Verständnisses eines Gewissenskonfliktes lässt sich nicht auf den Wortlaut des Gesetzes abstützen und ist sachlich nicht gerechtfertigt. Nachstehend soll deshalb kurz dargelegt werden, worum es letztlich geht, wenn ein Gewissenskonflikt zur Beurteilung steht. Die wichtigsten Elemente des entsprechenden Konzeptes sollen im ZDG festgehalten werden: In Artikel 1 Absätze 2 und 3 soll festgeschrieben werden, wodurch sich ein Gewissenskonflikt auszeichnet, und in Artikel 18b soll aufgezeigt werden, welche Beurteilungsebenen die Zulassungskommission ansprechen muss, wenn sie die Glaubhaftigkeit der Darlegungen eines Gesuchstellers beurteilt, der sich auf sein Gewissen beruft.

Mit dem Ausdruck «Gewissen» wird ein spezifisches Wissen um die Forderungen der Moral bezeichnet. «Unter Gewissen verstehen wir ein Selbstverständnis des Menschen, in dem er sich dem (unbedingten) Anspruch unterstellt weiss, das Gute zu tun»20. Kennzeichnend für jede Moral ist ihr vorschreibender bzw. normativer Charakter. Letztgegenstand entsprechender Vorschriften oder Forderungen ist das Gute. Die moralischen Forderungen können sich dabei in Form von Geboten, Verboten, Regeln, Prinzipien, Werturteilen oder Haltungen manifestieren. Der Inhalt der Moral kann sich ferner im Lauf der Zeit respektive des Lebens ändern, nicht jedoch der Anspruch der Moral, den Standpunkt des Guten zu vertreten21.

Moralische Forderungen leiten somit menschliches Verhalten an. Kennzeichnend für eine moralische Forderung ist nicht ihre Bezugnahme auf bestimmte konkrete Motive. Aus diesem Grunde macht es auch keinen Sinn, einen abschliessenden Katalog von konkreten, inhaltlichen Motiven zu erstellen, welche als Basis moralischer Forderungen in Frage kämen. Wer den Militärdienst mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, beruft sich wohl häufig auf moralische Forderungen, die religiös oder philosophisch-ethisch motiviert sind. Andere Motive kommen
jedoch ebenso in Frage. Das Gespräch über die Motive kann Aufschluss über die Glaubhaftigkeit der Darlegungen der gesuchstellenden Person geben. Der moralische Charakter der im Gewissen zum Ausdruck kommenden Forderungen ergibt sich jedoch nicht wegen den spezifischen Inhalten der zu Grunde liegenden Motive. Kennzeichnend für moralische Forderungen sind vielmehr ihr Anspruch auf unbedingte Gültigkeit und ihr Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit. Beide Ansprüche sind miteinander verschränkt.

Unbedingte Gültigkeit will sagen: Es geht bei diesen Forderungen nicht nur darum, was für den Einzelnen persönlich oder für eine Interessengruppe das Gute darstellt, sondern darum, was für unbedingt gut erachtet wird. «Moralische Urteile geben dem Einzelnen nicht bloss Anleitung zur klugen Verfolgung seiner mehr oder weniger zufälligen Ziele und Interessen; sie fordern, was sie fordern, kategorisch: unabhängig davon, ob der Einzelne an dem letzten Ziel der geforderten Handlung ein Inte-

20 21

Alfred Schöpf, Artikel «Gewissen», in: Otfried Höffe (Hg.), Lexikon der Ethik, 5. Aufl., München 1997, S. 106.

Vgl. Annemarie Pieper, Einführung in die Ethik, 3. Aufl., Tübingen / Basel 1994, S. 43.

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resse verspürt oder nicht»22. «Dieses [...] Wesensmerkmal der Moral verweist darauf, dass mit dem Moralischen immer ein Bezug zu letzten Orientierungen ins Spiel kommt. Moralische Forderungen sollen deshalb unbedingt eingehalten werden, weil durch sie dasjenige realisiert oder verteidigt wird, was am Ende als das Entscheidende oder das Wichtigste erscheint»23. Allgemeine Verbindlichkeit bedeutet: Moralische Forderungen müssen universalisierbar sein. «Jeder, der ernsthaft behauptet, irgend eine Handlung (Person, Sachverhalt usw.) sei sittlich richtig oder falsch, gut oder schlecht, geboten oder verboten, ist damit gehalten, dieselbe Ansicht hinsichtlich jeder in den relevanten Gesichtspunkten ähnlichen Handlung (usw.) zu vertreten»24. «Dadurch nun, dass wir unsere Handlungsregeln dem Test der Verallgemeinerbarkeit unterziehen, verbinden wir uns ferner mit den anderen Menschen und stellen so etwas wie Gemeinschaft mit ihnen her [...]»25. Zusammenfassend geht es bei der Moral letztlich um das bedingungslos Gute für alle, sozusagen um das «Humanum», d.h. das, was die Menschlichkeit ausmacht26. In der Moral kommt zuvorderst die Sorge um das gute Zusammenleben der Menschen bzw. um die Menschlichkeit zum Ausdruck. Daher können Forderungen, die nicht in irgendeiner Weise die Menschheit oder das Humanum zum Bezugspunkt haben, nicht als moralische Forderungen betrachtet werden.

Weil in diesem Kontext aber konsequent die Sicht des Einzelnen massgeblich ist, der sich auf sein persönliches Moralverständnis beruft, mag es sein, dass er eine moralische Forderung geltend macht, die nicht oder nicht vollständig mit dem vereinbar ist, was gemeinhin als Moral akzeptiert ist. Von einem so gestalteten persönlichen Moralverständnis abzugrenzen sind Egoismen: Sie schliessen den Anspruch nicht mit ein, im Grunde für alle Menschen als Menschen zu gelten, sondern sie haben nur das für den Einzelnen oder eine spezielle Gruppe Gute im Auge. Bezugspunkt von Egoismen ist nicht das Humanum, womit Egoismen keine moralischen Forderungen repräsentieren. Die Prüffrage zur Abgrenzung zwischen Egoismus und Moral könnte lauten: Kann der Einzelne das für ihn Richtige jedem Menschen als das Richtige empfehlen?

22 23 24 25 26

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Absatz 2: Auf der Basis der obigen Darlegungen hält die Vollzugsstelle im Rahmen ihres Konzepts der glaubhaften Darlegung eines Gewissenskonfliktes der Ansicht, die im einleitend zitierten Botschaftstext geäussert wurde, ein funktionales Verständnis des Gewissens entgegen: Einwände von Seiten des Gewissens sind Ausdruck moralischer Forderungen. Moralische Forderungen beziehen sich stets auf etwas, das für unbedingt gut erachtet wird. Deshalb kann die gesuchstellende Person auch nicht umhin, dem Gewissen und seiner Forderung den Vorzug gegenüber der Militärdienstpflicht zu geben.

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Absatz 3: Die geltend gemachten moralischen Forderungen müssen durchaus nicht Teil einer gesellschaftlich allseits akzeptierten Moral oder einer Uni-

Dieter Birnbacher / Norbert Hoerster (Hg.), Texte zur Ethik, 7. Aufl., München 1989, S. 19.

Urs Thurnherr, Angewandte Ethik zur Einführung, Hamburg 2000, S. 13.

John Leslie Mackie, Ethik. Auf der Suche nach dem Richtigen und Falschen, Stuttgart 1983, S. 104.

Urs Thurnherr, a.a.O., S. 72 Vgl. ders., Vernetzte Ethik. Zur Moral und Ethik von Lebensformen, Freiburg / München 2001, Kapitel 2.

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versalmoral sein, sondern es genügt, wenn sie allein für die gesuchstellende Person moralisch verpflichtenden Charakter haben oder Teil einer gruppenspezifischen Binnenmoral sind. Die Mitglieder der Zulassungskommission dürfen den moralischen Gehalt der Darlegungen der gesuchstellenden Person nicht daran messen, ob diese Darlegungen ihren eigenen Moralvorstellungen entsprechen. «Durch moralische Regeln, die Bestandteil des eigenen Selbst geworden sind, unterscheidet man sich von den anderen. Das, was ich bin, wird bestimmt durch die moralischen Regeln, die meine eigenen geworden sind. Dadurch grenze ich mich von den anderen ab»27. Allein massgeblich ist, ob die gesuchstellende Person aus eigener tiefster Überzeugung in allen Lebensumständen einer moralischen Forderung nachkommen muss, weil diese aus ihrer Sicht das unbedingt Gute bzw. die Menschlichkeit betrifft.

Die blosse Anrufung gemeinhin positiv bewerteter Begriffe kann nicht genügen, sondern die gesuchstellende Person muss in der Lage sein, sich auf konkrete, ihr eigenes Verhalten bestimmende moralische Forderungen zu berufen. Entsprechende Aussagen der gesuchstellenden Person sind zwingend erforderlich. Sie bilden das Bezugsobjekt einerseits für die Beurteilung, ob Artikel 1 erfüllt ist, und andererseits für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Darlegung des Gewissenskonflikts nach Artikel 18b. Je präziser die Forderung formuliert ist, desto gezielter kann das Gespräch mit der gesuchstellenden Person geführt werden. Dabei geht es nicht darum, in deren Aussagen eine moralische Forderung hineinzuinterpretieren, sondern es ist Sache dessen, der gegenüber seiner Militärdienstpflicht eine Ausnahmebehandlung beansprucht, in diesem Angelpunkt des Zulassungsverfahrens selbst Klarheit zu schaffen.

Art. 2

Zweck

Nicht mehr speziell erwähnt wird der Entstehungsgrund des Zivildienstes, Ersatzdienst für nicht geleisteten Militärdienst zu sein. Es handelt sich dabei um eine Aussage, die ­ wenn auch mit anderen Worten ­ schon in Artikel 59 Bundesverfassung (BV) enthalten ist. Eine Wiederholung dieser Bestimmung im Gesetz ist nicht notwendig.

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Absatz 1 erwähnt neu, welches der einsatzbezogene Zweck des Zivildienstes ist. Die damit zum Ausdruck gebrachte Vision lautet: Der Zivildienst soll ausdrücklich wichtigen Aufgaben dienen und damit einen erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen haben. Er soll Lücken füllen, wo Ressourcen fehlen, weil die Erfüllung der entsprechenden Aufgaben im öffentlichen Interesse wichtig ist.

Art. 3a

Ziele

Wie oben erwähnt, handelt es sich bei den in diesem Artikel formulierten Zielen lediglich um strategische Zielsetzungen. Daher ist es nicht möglich, daraus irgendwelche Rechtsansprüche, beispielsweise die Anerkennung als Einsatzbetrieb oder

27

Detlef Horster, Was sind moralische Regeln und wie lernt man sie?, in Kurt Beutler / Detlef Horster (Hg.), Pädagogik und Ethik, Stuttgart 1996, S. 287.

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die Zuweisung von Zivildienst leistenden Personen an bestimmte Einsatzbetriebe, abzuleiten.

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Absatz 1: Die Formulierung von Zielen auf Gesetzesstufe verfolgt zwei Zwecke: Staatspolitisch betrachtet geht es darum, dass junge Menschen, welche mehrere hundert Tage Dienst leisten müssen, Anspruch darauf haben, dass dieser Dienst in einen Staatszweck eingebettet wird und damit einem Ganzen dient. Diesen Menschen ist, unabhängig davon, ob sie Militäroder Zivildienst leisten, die Sicherheit zu vermitteln, dass der Staat sie braucht und ihre Dienste wertvoll sind. Es genügt nicht zu wissen, weshalb es einen Zivildienst gibt (weil das Gewissensproblem zu lösen ist), sondern es ist ebenso festzulegen, wofür es den Zivildienst braucht (um bestimmte Wirkungen zu erzielen).

Im Zusammenhang mit dem New Public Management sind die Ziele sinnvoll, damit der Zivildienst gezielt mit Leistungsauftrag und Globalbudget geführt werden kann (wie dies auch seine Teilnahme am Projekt FLAG voraussetzt). Die Ziele stellen den politisch-strategischen Auftrag dar, aus welchem sich die operativen Vorgaben (Tätigkeitsbereiche nach Art. 4 Abs. 1) ableiten, welche wiederum Basis für die Leistungsaufträge des Bundesrates an die Vollzugsstelle bilden (vgl. oben Ziff. 2.1.3.1).

Der Zivildienst kann die formulierten Ziele nicht allein erreichen. Er erhebt aber den Anspruch, zur Erreichung dieser Ziele wirksame Beiträge zu leisten.

Die Zielsetzung von Buchstabe a, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, erlaubt der Vollzugsstelle, auch andere Organe bei deren Integrationspolitik zu unterstützen. Die Integrationspolitik braucht daher (anders als es im Vernehmlassungsverfahren angeregt wurde) nicht als eigenständiges strategisches Ziel des Zivildienstes erwähnt zu werden.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde kritisiert, der Zivildienst sei nicht in der Lage, allein eigenständige Beiträge zu leisten, um friedensfähige Strukturen aufzubauen und Gewaltpotentiale zu reduzieren. Es wäre nicht richtig, wegen dieser Kritik die entsprechende Zielformulierung aufzugeben, da sie mit dem Wesen des Zivildienstes eng verbunden ist. Da entsprechende Einsätze (in geringer Zahl) aber bisher schon im Rahmen des Tätigkeitsbereiches des Sozialwesens stattfanden, soll die entsprechende strategische Absicht in Buchstabe a integriert werden. Sie kann als weiteres Anwendungsbeispiel der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes verstanden werden.
Im Vernehmlassungsverfahren wurden verschiedene Vorschläge betreffend eine Erweiterung des Zielkatalogs gemacht. Sie sind nicht aufgenommen worden, weil sie entweder nicht strategischer Natur sind oder die entsprechenden Aktivitäten bereits bestehenden Tätigkeitsbereichen zugeordnet werden können.

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Absatz 2 hält fest, dass der Zivildienst Beiträge im Rahmen der nationalen Sicherheitskooperation leistet. Damit wird er zum zivilen Mittel der Sicherheitspolitik des Bundes, das koordiniert mit anderen Mitteln von Bund und Kantonen zum Einsatz gelangen kann. Der Zivildienst wird nicht Aufgaben übernehmen, die dem Bevölkerungsschutz vorbehalten sind. Er kann auf Grund seiner Konzeption nicht ein Mittel der ersten Stunde sein. Er springt 6169

dort in die Lücke, wo er seine spezifischen Stärken einbringen kann. Dazu gehören die Langfristigkeit seiner Einsätze, wie sie für schutzdienstpflichtige Personen nicht oder nur ungenügend möglich ist, sowie die Option, Kontingente massgeschneidert zusammenzustellen, sie zu tiefen Kosten einzusetzen und mit ihnen Mittel der Nothilfe abzulösen (vgl. Kommentare zu Art. 7a und 14).

Der Begriff der nationalen Sicherheitskooperation umschreibt die fallweise Zusammenarbeit und Koordination der eigenen sicherheitspolitischen Mittel, entsprechend den Bedürfnissen der konkreten Situation. Mittel der Sicherheitskooperation sind Institutionen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Dazu gehören nicht nur Armee und Zivilschutz, sondern auch die Aussen- und die Wirtschaftspolitik, die wirtschaftliche Landesversorgung, Staatsschutz und Polizei, Information und Kommunikation, Wehrdienste, technische Infrastruktur und Logistik sowie Institutionen des Gesundheitswesens, z.B. die Rettungsdienste. Die Aussage, der Zivildienst leiste Beiträge im Rahmen der nationalen Sicherheitskooperation, rückt den Zivildienst daher nicht in die Nähe von Armee und Zivilschutz und nicht in den Einflussbereich des VBS. Sie stellt entgegen den Befürchtungen mancher Vernehmlassungsteilnehmer seine Unabhängigkeit und seinen zivilen Charakter keineswegs in Frage. Sie drückt nur aus, dass der Zivildienst im Rahmen des Baukastensystems der Sicherheitskooperation gemäss Einschätzung des strategischen Führungsorgans des Bundes in einzelnen Situationen das geeignete Mittel zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe sein mag und deshalb dafür beigezogen werden kann. Der Zivildienst ist damit keinesfalls ein ausschliessliches Mittel der Sicherheitspolitik. Ein Teil seiner Tätigkeit kann aber im Rahmen der Sicherheitspolitik erfolgen. Die Mitwirkung des Zivildienstes in den Strukturen und Abläufen der nationalen Sicherheitskooperation erlaubt es, die mit ihm verbundenen Möglichkeiten rechtzeitig zu erkennen und zu nutzen.

Mittel der Sicherheitspolitik zeichnen sich durch ihre Grundbereitschaft aus, d.h. durch eine minimale Einsatzbereitschaft. Diese betrifft die Aspekte Bestände/Funktionen, Logistik, Führung und Ausbildung. Heute verfügt der Zivildienst nur über eine geringe Grundbereitschaft und lange Reaktionszeiten. Die vorliegende Gesetzesrevision
schafft Abhilfe durch Artikel 7a Absatz 1 (diese Bestimmung betrifft Führung und Logistik: die Vollzugsstelle kann selbst die Rolle des Einsatzbetriebes übernehmen, worauf sie sich entsprechend organisatorisch vorzubereiten hat), Artikel 22 Absatz 4 (diese Bestimmung betrifft Bestände/Funktionen und erlaubt die Bildung von Pikettelementen auf freiwilliger Basis mit kurzen Aufgebotsfristen) sowie Artikel 36 (diese Bestimmung erlaubt eine zielgerichtete Ausbildung).

Art. 4 ­

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Tätigkeitsbereiche Absatz 1 zählt die Tätigkeitsbereiche abschliessend auf. Tätigkeitsbereiche und Ziele folgen nicht denselben Ordnungskriterien. Ein Tätigkeitsbereich kann verschiedenen Zielen dienen. So kann ein Einsatz in der Landwirtschaft der Stärkung des sozialen Zusammenhalts, der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen oder dem Erhalt des kulturellen Erbes dienen.

Die Forschung entfällt als Tätigkeitsbereich. Im Vollzug zeigte es sich, dass nicht nur wie beabsichtigt Grundlagenarbeiten ausgeführt wurden, sondern dass Zivildienst leistende Personen, die sich in einer akademischen Ausbildung befinden, sich auf diesem Weg auch ihre individuellen Forschungsarbeiten als Zivildienst anrechnen liessen. So war es beispielsweise möglich, dass ein Student das Buch seines Professors publikationsreif machte und er sich diese Arbeit als Zivildiensteinsatz anrechnen lassen konnte. Die Mitwirkung in Forschungsprojekten, die sich einem anerkannten Tätigkeitsbereich zuordnen lassen, wird aber nach wie vor erlaubt sein. Die Forschungsprojekte müssen sich aber in die Zielhierarchie des Zivildienstes einordnen lassen und in erster Linie dem öffentlichen Interesse dienen (Art. 2 Abs. 1, Art. 3a, Art. 4 Abs. 1).

Von der Aufnahme eines weiteren Tätigkeitsbereichs «Bildung» wurde abgesehen: Die Arbeitsmarktneutralität würde durch Zivildiensteinsätze in diesem Bereich erheblich gefährdet und die in der Regel erforderliche Konstanz könnte nicht sichergestellt werden, da die Einsätze in der Regel nur von kurzer Dauer wären .

Der Antrag von Vernehmlassungsteilnehmern, Friedensförderung als eigenständigen Tätigkeitsbereich aufzunehmen, wurde nicht umgesetzt, da andernfalls Erwartungen geweckt würden, die nicht erfüllbar sind. Das ist keine Stellungnahme gegen die Förderung des entsprechenden Engagements des Zivildienstes. Da aber entsprechende Einsätze schon heute im Rahmen der Buchstaben b und g stattfinden können, muss Artikel 4 nicht ergänzt werden. Die Förderung der entsprechenden Einsätze läuft über die punktuelle Verbesserung der Rahmenbedingungen für Auslandeinsätze und somit über die Revision der Artikel 7, 8 und 11.

In Buchstabe h wird dem Begriff der Katastrophenhilfe neu die Nothilfe hinzugefügt. Damit erfolgt eine Angleichung an die Begriffe des Bevölkerungsschutzgesetzes, wo von der «Bewältigung von Katastrophen und Notlagen» die Rede ist. Zudem wird vermieden, dass im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen darüber befunden werden muss, ob es sich um eine Katastrophe oder um eine Notlage handle.

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Absatz 2 und 3: Die bisher den Einsätzen in Landwirtschaftsbetrieben vorbehaltene Ausnahme (dass Zivildiensteinsätze auch in gewinnorientierten Einsatzbetrieben möglich sind) gilt neu zusätzlich für Einsätze zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen. Zu denken ist z.B. an die Behebung von Sturm- und Lawinenschäden oder an die Säuberung von Grundstücken nach Überschwemmungen. Solche Hilfeleistungen liegen generell im öffentlichen Interesse. Sie sollen nicht vor privat Betroffenen Halt machen.

Zudem wird der Landwirtschaft die Forstwirtschaft beigefügt, weil es in der Praxis diesbezüglich gelegentlich zu Abgrenzungsschwierigkeiten gekommen ist. Private Waldbesitzer, die keine Landwirtschaftsbetriebe führen, wird der Zivildienst aber weiterhin nicht unterstützen (ausser im Rahmen von Abs. 3). Das Anliegen, bei Projekten im Bereich der Landwirtschaft speziell auf deren Nachhaltigkeit zu achten, wird im Rahmen der Überarbeitung der Zivildienstverordnung geprüft werden.

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Absatz 4 verankert die Vollzugsform des Schwerpunktprogramms, die bisher erst auf Verordnungsstufe geregelt war, im Gesetz. Schwerpunktprogramme haben im Vollzug in einzelnen Fragen spezielle Rechtsfolgen. Diese sind heute in der Zivildienst-Schwerpunktverordnung geregelt. Im Gesetz ist eine Spezialregelung für Schwerpunktprogramme in Artikel 7a Absatz 1, in Artikel 42 Absatz 1ter Buchstabe b und in Artikel 65 Absatz 3 vorgesehen. Die Schwerpunktbildung liegt in der Kompetenz der Vollzugsstelle. Sie erlaubt die Bündelung der Kräfte, um vorgegebene Wirkungsziele zu erreichen, und einen modifizierten Umgang mit dem Prinzip der Selbstsuche von Einsätzen.

Der Bundesrat kann als Führungsorgan der Vollzugsstelle Aufträge betreffend Schwerpunktprogramme erteilen.

Die Realisierung von Schwerpunktprogrammen bedarf umfangreicher Vorarbeiten und vertiefter Abklärungen betreffend den genauen Bedarf, die zu erzielenden Wirkungen sowie die Arbeitsmarkt- und Wettbewerbsneutralität.

Die Realisierungsmöglichkeiten hängen insbesondere von der Verfügbarkeit kompetenter Ansprechpartner und einer genügenden Anzahl von Trägerorganisationen und Einsatzbetrieben ab, damit mehr als ein punktueller Einsatz möglich wird. Damit Schwerpunktprogramme eine nachhaltige Wirkung erzielen, müssen sie genau geplant, in der Realisierungsphase überprüft und gesteuert und je nachdem mit Ausbildungs- und Einführungsmassnahmen verbunden werden. Das heutige Prinzip der Selbstsuche der Einsätze durch die zivildienstpflichtigen Personen ist mit der Durchführung von Schwerpunktprogrammen nur bedingt vereinbar. Die heute faktisch gegebene Wahlfreiheit der zivildienstpflichtigen Personen wird unter Umständen teilweise eingeschränkt werden müssen, damit die allenfalls erforderliche Anzahl Zivildienst leistender Personen wirklich zur Verfügung steht. Um Eignungen und Neigungen der zivildienstpflichtigen Personen weitestmöglich entgegenzukommen, sollte in diesem Fall aber weiterhin eine Auswahl zwischen mehreren Schwerpunktprogrammen und verschiedenartigen Pflichtenheften geboten werden. Zu prüfen ist auch, ob künftig Einsatzbetriebe, denen im Rahmen eines Schwerpunktprogramms die Zuweisung Zivildienst leistender Personen zugesichert wird, eine höhere Abgabe nach Artikel 46 leisten sollen.

In folgenden Bereichen sind aus heutiger Sicht
Schwerpunktprogramme möglich: Betreuungs- und Pflegebereich mit Schwergewicht Betreuung, Assistenzdienste, Umwelt- und Naturschutz, Landschaftspflege und Forstwesen.

Grundsätzlich soll jeder Zivildiensteinsatz vor Effizienz- und Effektivitätskriterien standhalten. Wirkungsanalysen können allerdings sehr aufwändig sein. Sie können nicht bei jedem Einsatz ansetzen, ansonsten die Unkosten der Evaluation weitaus grösser sind als der Wert der Erkenntnisse, die sich damit gewinnen lassen. Bereits heute bietet die Vollzugsstelle gegen 4000 verschiedene Einsatzplätze an. Daher drängt sich eine Bündelung der Kräfte auf. Die Verpflichtung, die Wirkung der Zivildiensteinsätze regelmässig zu überprüfen, soll deshalb auf die Schwerpunktprogramme konzentriert sein.

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Art. 4a

Ausschluss von Einsätzen

Der neue Artikel 4a übernimmt den Inhalt der bisherigen Absätze 3 und 4 von Artikel 4.

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Buchstabe a enthält den bisherigen Artikel 4 Absatz 3 in einer engeren Fassung. Diese will die Seriosität des Vollzugs sicherstellen und ist eine Reaktion darauf, dass Zivildienstpflichtige vermehrt Einsätze bei einer Institution leisten wollen, in der sie bereits eine tragende Rolle spielen, ohne dort bisher gegen Entgelt tätig gewesen zu sein. So ist es rechtlich bisher nicht ausgeschlossen, dass ein Vorstandsmitglied seinen Zivildiensteinsatz im Büro seines eigenen Vereins leistet oder dass sich eine Institution nur deshalb als Einsatzbetrieb anerkennen lässt, damit der Einsatz einer ihr nahestehenden Person bei ihr möglich wird (Bsp.: ein Hospitant will in eine religiöse Gemeinschaft eintreten und sich seine Probezeit als Zivildienst anrechnen lassen). Das erste Beispiel kann zur Situation führen, dass die Zivildienst leistende Person ihren Einsatz selber überwacht, was nicht statthaft sein kann.

Die Dienstpflicht soll nicht unkontrolliert im Betrieb von Kollegen oder Freunden absolviert werden können. Buchstabe a will nicht generell jeden Einsatz in einem Betrieb verbieten, mit dem die zivildienstpflichtige Person bereits einmal Kontakte hatte. Es soll möglich sein, den Einsatz dort zu leisten, wo bereits Vorkenntnisse bestehen. Eine allzu enge Beziehung zum Einsatzbetrieb kann aber die Seriosität des Vollzugs und den Grundsatz der möglichst gleichen Belastung im Militär- wie im Zivildienst in Frage stellen.

Buchstabe a nennt Beispiele für eine dergestalt zu enge Beziehung. Dabei sind emotionale und formelle Bindungen zu unterscheiden: Wer ein Ehrenamt im Einsatzbetrieb kurz vor Beginn des Zivildiensteinsatzes niederlegt, um die Bedingungen von Buchstabe a zu erfüllen, dessen enge Beziehung ist deswegen nicht aufgelöst.

Die Frist von einem Jahr berechnet sich rückwirkend ab Einsatzbeginn.

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Buchstabe b entspricht dem alten Artikel 4 Absatz 4.

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Buchstabe c enthält ein Verbot politischer Tätigkeit und der Verbreitung religiösen und weltanschaulichen Gedankenguts. Dieses bisher in Artikel 4 der Zivildienstverordnung enthaltene Verbot wird neu auf Gesetzesstufe geregelt. Der Ausschluss politischer Tätigkeit bezieht sich auf den konkreten Einsatz und nicht auf die Aktivitäten des Einsatzbetriebes oder auf das durch diesen vertretene Gedankengut. Nur der einzelne Einsatz darf keinen politischen Charakter haben und darf nicht mit einer entsprechenden Appellwirkung nach aussen wirksam werden.

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Buchstabe d soll verhindern, dass in Absprache zwischen Einsatzbetrieb und Zivildienst leistender Person Einsätze massgeschneidert werden, welche nicht in erster Linie dem Einsatzbetrieb, sondern den persönlichen Interessen der Zivildienst leistenden Person dienen.

Art. 7 ­

Einsätze im Ausland Absatz 1: Die Formulierung «ausnahmsweise» soll fallengelassen werden.

Die persönlichen und bildungsmässigen Voraussetzungen, welche die einzelne zivildienstpflichtige Person erfüllen muss, damit ein Auslandeinsatz 6173

überhaupt in Frage kommt, sind so hoch, dass solche Einsätze weiterhin recht selten vorkommen werden. Zusätzliche Einschränkungen sind deshalb nicht angebracht. Es wird auch künftig keine Zivildiensteinsätze im Ausland geben, die den aussenpolitischen Zielen der Schweiz zuwiderlaufen. Selbstverständlich gelten auch bei Auslandeinsätzen die allgemeinen Grundsätze, nämlich dass der Zivildienst ein ziviles Mittel des Bundes ist und sich zivildienstpflichtige Personen keinesfalls an Auslandeinsätzen der Armee beteiligen. Wer letzteres will, muss die Wiederzulassung zum Militärdienst beantragen (Art. 11 Abs. 3 Bst. b).

Art. 7a

Einsätze zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen und im Rahmen von Schwerpunktprogrammen

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Absatz 1 schafft die gesetzliche Voraussetzung dafür, dass die Vollzugsstelle zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen, aber auch im Rahmen von Schwerpunktprogrammen selber Einsatzbetrieb sein kann. Dies kann im Einzelfall sinnvoll sein, um gezielt Einsätze in diesem Bereich durchführen zu können, ohne zuerst das Anerkennungsverfahren durchführen zu müssen.

Die Vollzugsstelle organisiert in diesem Fall den Einsatz und rekrutiert gegebenenfalls das nötige Personal für die Einsatzführung selber.

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Absatz 2 bringt zum Ausdruck, dass sich der Zivildienst für solche Einsätze in die Strukturen der Einsatzführung der Katastrophen- und Nothilfe von Bund, Kantonen und Gemeinden einordnen will. Er arbeitet deshalb mit den entsprechenden Führungsstäben zusammen und koordiniert seine Tätigkeit mit anderen Mitteln (Zivilschutz, Feuerwehr, Rettungstruppen usw.). Auch Schwerpunktprogramme bedingen Absprachen mit den Fachinstanzen.

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Absatz 3 schafft die Rechtsgrundlage, damit die Vollzugsstelle die zusätzlichen Kosten tragen kann, wenn sie nicht anderweitig gedeckt sind. Die genauen Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten werden auf Verordnungsstufe geregelt. Die Finanzkraft der betroffenen Kantone und Gemeinden, aber auch Versicherungsleistungen werden angemessen berücksichtigt werden. Ferner ist darauf zu achten, dass durch Zivildiensteinsätze Begünstigte finanziell nicht besser oder schlechter gestellt werden, wenn die Zivildienst leistenden Personen einen Zivilschutzeinsatz ablösen, d.h., die finanziellen Folgen der einzelnen Hilfeleistungen sollen für die Begünstigten etwa dieselben sein.

Art. 8 ­

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Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen Absatz 1: Die Gründe für eine Reduktion des Faktors sind oben in Ziffer 2.1.4.1 ausführlich dargestellt. Der heute schon geltende Faktor 1,1 betreffend Kader, die Zivildienst leisten wollen, soll beibehalten werden. Die Differenz von 0,2 zum Faktor, der für Soldaten gilt, rechtfertigt dies. Vom tieferen Faktor sollen aber nur höhere Unteroffiziere und Offiziere profitieren, Unteroffiziere jedoch nicht mehr. Denn Unteroffiziere werden künftig gleich viele Wiederholungskurse leisten wie die Soldaten. Die nicht geleisteten Wiederholungskurse sollen für Unteroffiziere wie Soldaten zu einem gleich langen Zivildienst führen. Durch diese Neuregelung werden die Unteroffiziere gegenüber der heutigen Regelung nicht wesentlich schlechter ge-

stellt, denn auf Grund von Absatz 2, letzter Satzteil kam für sie bereits heute meistens annähernd der Faktor 1,5 zur Anwendung (dieser letzte Satzteil besagt, dass auch bei Kadern die Dauer des Zivildienstes nach Absatz 1 nicht unterschritten werden dürfe. Hinter dieser Regelung stand dieselbe Überlegung: keine Ungleichbehandlung zwischen Unteroffizier und Soldat bei gleichem Alter und gleicher Einteilung). Höhere Unteroffiziere und Offiziere dagegen leisten in der Armee XXI mehr militärische Kurse als Unteroffiziere und Soldaten. Daher ist es gerechtfertigt, ihnen gegenüber den tieferen Faktor anzuwenden (auch mit Blick darauf, dass sie insgesamt bis zur Erreichung ihres Grads bereits eine sehr viel grössere Anzahl Militärdiensttage geleistet haben). Massgebend für die Festlegung des Grads ist die erfolgte Brevetierung. Wer eine Kaderschule verweigert, ist noch nicht im höheren Grad brevetiert.

Auf Verordnungsstufe ist durch den Bundesrat insbesondere speziell zu regeln, wie die Dauer des Zivildienstes für frühere Fachoffiziere zu berechnen ist. Spezielle Berechnungsarten können auch angebracht sein in Bezug auf frühere Unteroffiziere oder Offiziere, die den praktischen Dienst (das Abverdienen ihres Grades) noch nicht absolviert haben.

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Art. 9

Absatz 2 ermöglicht die Verlängerung der Gesamtdauer der Zivildienstleistungen für Auslandeinsätze. Auslandeinsätze werden in der Regel eher durch ältere zivildienstpflichtige Personen geleistet werden, die oft nicht mehr sehr viele Zivildiensttage zu absolvieren haben. Einerseits entspricht die vorgeschlagene Verlängerung einer Anpassung an die gleichartige Regelung im Militärrecht. Anderseits kann es in der Praxis sinnvoll sein, einen Einsatz zu verlängern, damit eine Mission ordentlich beendet werden kann und nicht wegen der Maximaldauer des Einsatzes gemäss ZDG vorzeitig abgebrochen werden muss, bevor die angestrebte Wirkung eingetreten ist. Gleichzeitig soll mit der Beschränkung der Verlängerung verhindert werden, dass die Zivildienstleistung für die dienstpflichtige Person de facto zum Ersatz der normalen Erwerbsarbeit wird. Die Einwilligung der Zivildienst leistenden Person muss sich sowohl auf den Einsatz im Ausland wie auch auf die Verlängerung des Einsatzes beziehen.

Inhalt der Zivildienstpflicht

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Buchstabe a: Der Begriff der Informationsveranstaltung wird ersetzt durch denjenigen des Einführungskurses. Der Begriff «Kurs» zeigt besser, dass Wissen vermittelt wird. Bezüglich der Dauer des Kurses erhält die Vollzugsstelle mehr Handlungsfreiheit.

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Buchstabe c enthält explizit die Pflicht zur Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch im Einsatzbetrieb, sofern dieser es wünscht (bisher ohne den Nachsatz in Bst. a geregelt). Unter welchen Umständen dieses Gespräch als Zivildiensttag angerechnet wird, regelt die Verordnung. In der Praxis erübrigen sich solche formellen Vorstellungsgespräche häufig, weil sie im Rahmen der Selbstvermittlung in vielen Fällen bereits stattgefunden haben, bevor die zivildienstpflichtige Person mit der Regionalstelle die formelle Planung vornimmt.

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Art. 11 ­

Buchstabe d: Die Pflicht zur Erfüllung der Zivildienstpflicht in ihrer Gesamtheit von Rechten und Pflichten gilt selbstverständlich nicht nur während der ordentlichen Einsatzdauer nach Artikel 8 Absatz 1, sondern auch während der Dauer einer allfälligen Verlängerung nach Artikel 8 Absatz 2.

Ende der Zivildienstpflicht Absatz 2: Für die Entlassung aus dem Zivildienst gilt die Regelung betreffend die Entlassung aus dem Militärdienst (Art. 13 des Entwurfs zum revidierten Militärgesetz) sinngemäss. Zivildienstpflichtige Personen werden entsprechend dem militärischen Grad entlassen, welchen sie vor der Zulassung zum Zivildienst bekleidet haben. Als Grundregel gilt Folgendes: Für ehemalige Stellungspflichtige, Rekruten, Soldaten und Gefreite (= Mannschaftsdienstgrade) sowie Unteroffiziere (mit Ausnahme der höheren Unteroffiziere) erfolgt die Entlassung aus der Zivildienstpflicht auf das Ende des 30. Altersjahres. Ehemalige höhere Unteroffiziere und Subalternoffiziere werden spätestens auf das Ende des 36. Altersjahres entlassen, ehemalige höhere Unteroffiziere, die in Stäben eingeteilt waren, und ehemalige Hauptleute spätestens auf das Ende des 42. Altersjahres. Zivildienstpflichtige, die früher einen Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrad (ohne höhere Unteroffiziere) hatten und die bis zum Ende des 30. Altersjahres ihre ordentlichen Zivildiensteinsätze nicht absolviert haben, werden erst nach Absolvierung dieser Einsätze entlassen, spätestens bei Vollendung des 34. Altersjahres (Art. 13 Abs. 2 Bst. a zweiter Satzteil E-rev-MG). Erhöht im Einzelfall wegen entsprechendem Bedarf die Armee die Altersgrenze eines höheren Unteroffiziers oder Offiziers, so gilt diese Altergrenze auch für die Entlassung aus dem Zivildienst, sofern die betroffene Person inzwischen zivildienstpflichtig wurde.

Legen Bundesrat oder Bundesversammlung für Armeeangehörige die Alterslimiten der Entlassung anders fest, so wird eine entsprechende Anpassung automatisch auch für den Zivildienst Gültigkeit haben.

Die erwähnte Sonderregelung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a zweiter Satzteil E-rev-MG betreffend Personen mit Mannschaftsdienstgraden führt dazu, dass auf Gesuche um Zulassung zum Zivildienst von Personen einzutreten ist, die älter als 30 sind, wenn sie ihre militärische Dienstleistungspflicht noch nicht vollständig
erfüllt haben.

Nach dem revidierten Militärgesetz (Art. 49 Abs. 2) wird von der Militärdienstpflicht befreit, wer am Ende des Jahres, in dem er das 26. Altersjahr vollendet, die Rekrutenschule nicht bestanden hat. Im Zivildienst gibt es keine analoge Regelung. Wer das 26. Altersjahr vollendet und vor der Zulassung zum Zivildienst die Rekrutenschule nicht beendet hat oder seit seiner Zulassung keinen Zivildienst geleistet hat, wird nicht von der Zivildienstpflicht befreit, sondern muss Zivildienst leisten, bis die ordentliche Altersgrenze der Beendigung der Zivildienstpflicht erreicht ist.

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Absatz 2bis: Die höhere Altersgrenze insbesondere für Auslandeinsätze ist erforderlich, weil für diese Art Einsätze in der Regel eine besondere private Vorbildung und besondere (i.d.R. berufliche) Erfahrungen notwendig sind, die häufig erst mit fortgeschrittenem Alter vorhanden sind. Ermöglicht wird

damit beispielsweise, dass eine zivildienstpflichtige Person, welche für einen spezifischen Einsatz vorgesehen ist, diesen Einsatz verschieben kann, bis sie ein Fachstudium abgeschlossen hat. Die Heraufsetzung der Altersgrenze erfolgt immer im Einzelfall, und nur wenn ein ausgewiesener Bedarf nach dem entsprechenden Einsatz vorhanden ist. Ob ein solcher Bedarf gegeben ist, wird durch die Vollzugsstelle beurteilt, welche mit dem Einsatzbetrieb Rücksprache nimmt und Fachstellen beiziehen kann. Die Interessen der zivildienstpflichtigen Person allein können keinen Bedarf rechtfertigen und geben für sich keinen Rechtsanspruch auf einen bestimmten Auslandeinsatz (es gibt überhaupt grundsätzlich keinen Rechtsanspruch zivildienstpflichtiger Personen auf einen bestimmten Einsatz). In jedem Fall erfolgt die Verlängerung der Zivildienstpflicht nur mit Einwilligung der zivildienstpflichtigen Person. Mit den neuen Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 11 Absatz 2bis werden die Voraussetzungen geschaffen, dass zivildienstpflichtige Personen künftig allenfalls auch im Rahmen des neuen Expertenpools des EDA eingesetzt werden können. Zwischen Zivildienst und Expertenpool liessen sich interessante Synergien nutzen.

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Art. 14

Absatz 4 (alt) entfällt, weil künftig ehemalige Militär- oder Zivildienst leistende (mit Ausnahme des Falls von Art. 19 Entwurf Bevölkerungsschutzgesetz) nicht mehr dem Schutzdienst zugeteilt werden.

Ausserordentliche Zivildienstleistungen

Die grundlegenden Gedanken zu diesem Artikel sind in Ziffer 2.1.4.2 dargestellt.

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Absatz 1 legt fest, unter welchen Bedingungen zivildienstpflichtige Personen zu ausserordentlichen Einsätzen aufgeboten werden können. Auch wenn im Gegensatz zu Armee und Zivilschutz für den Zivildienst der Ernstfall täglich stattfindet ­ nämlich in der ordentlichen Lage ­, ist es ein Erfordernis der Gleichbehandlung mit den militärdienst- und den schutzdienstpflichtigen Personen, dass auch zivildienstpflichtige Personen in einer ausserordentlichen Lage zum Einsatz kommen. Einsätze zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen, welche keine ausserordentliche Dimension aufweisen, fallen nicht unter Artikel 14 und werden als ordentliche Einsätze an die Erfüllung der Dienstpflicht angerechnet.

Der Zivildienst soll nicht mehr wie bisher ausschliesslich den Kantonen zur Bewältigung von ausserordentlichen Lagen zur Verfügung stehen, sondern der Bundesrat soll ihn in Abstimmung mit allen anderen Mitteln der Sicherheitspolitik einsetzen, die in einer ausserordentlichen Lage zur Verfügung stehen. Entsprechend gehen Begehren von Kantonen betreffend den Einsatz des Zivildienstes nicht an die Vollzugsstelle, sondern an das Koordinationsorgan des Bundes. Die Vollzugsstelle wird mögliche Szenarien ausserordentlicher Zivildiensteinsätze gemeinsam mit den andern Institutionen des Bundes, die in ausserordentlichen Lagen zum Einsatz kommen können, bearbeiten, Koordinationsmassnahmen vorbereiten und vorbehaltene Entschlüsse fällen. Eine spezielle Alarm- oder Einsatzorganisation aber wird sie (mit Ausnahme von Art. 22 Abs. 4) nicht aufbauen. In der entsprechenden Lage verfügt der Bundesrat den Einsatz des Zivildienstes, und die Vollzugs-

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stelle koordiniert das Aufgebot und den Einsatz der Zivildienst leistenden Personen mit den übrigen Führungsorganen.

Artikel 14 ist in der neuen Fassung unmittelbar anwendbar, d.h., der Erlass weiterer Ausführungsbestimmungen ist nur betreffend die finanziellen Folgen notwendig. Die Regelung bleibt dabei insgesamt knapp und beschränkt sich auf die wesentlichen Grundsätze. Es soll nicht der Eindruck vermittelt werden, es sei möglich, die Bewältigung von Ereignissen zu planen, deren Grössenordnung sich der Planbarkeit entzieht.

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Absatz 2 und 3 enthalten alle notwendigen Regeln, damit die Vollzugsstelle in einer besonderen oder ausserordentlichen Lage zivildienstpflichtige Personen schnell und wirksam zu ausserordentlichen Einsätzen aufbieten kann, sowie eine Aufzählung derjenigen Bestimmungen, von welchen abgewichen werden darf. Zu diesen letzteren gehören die Aufhebung des Verbots der Arbeit für Institutionen, für welche die zivildienstpflichtige Person anderweitig tätig ist oder bis vor kurzem war (Art. 4a Bst. a), die Aufhebung der Pflicht, die Arbeitsmarktneutralität zu beachten (Art. 6 Abs. 1), die Aufhebung der Pflicht, vor dem Einsatz einen Einführungskurs der Vollzugsstelle zu besuchen bzw. beim Einsatzbetrieb vorzusprechen (Art. 19) sowie die Aufhebung der Pflicht, die betriebsüblichen Arbeitszeiten zu beachten (Art. 28 Abs. 2). Zum Zivildienst neu zugelassene Personen sollen sofort in den Einsatz geschickt werden können (Abs. 3 Bst. a). Niemand soll sich einem ausserordentlichen Einsatz durch die Einreichung einer Beschwerde entziehen können (Abs. 3 Bst. b). Die (vorläufige) Anerkennung von Einsatzbetrieben, welche zur Bewältigung der Folgen von Katastrophen und Notlagen zivildienstpflichtige Personen beschäftigen, wird vereinfacht (Abs. 3 Bst. c). Für solche ausserordentlichen Einsätze gelten zudem die Haftungsbestimmungen des Militärgesetzes, welche gegenüber denjenigen des Zivildienstgesetzes eine weitergehende Haftpflicht des Bundes vorsehen (Abs. 3 Bst. d).

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Absatz 4 erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, die Kostenfolgen solcher Einsätze abweichend vom Gesetz zu regeln. Es geht dabei insbesondere um die Kostenübernahme für Ausbildungen (Art. 37 Abs. 2), Leistungen zu Gunsten der Zivildienst leistenden Personen (Art. 29), die Abgabepflicht der Einsatzbetriebe (Art. 46) und die Finanzhilfen zu Gunsten von Einsatzbetrieben (Art. 47).

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Absatz 5 gibt der Vollzugsstelle die Kompetenz, die Dauer der ausserordentlichen Einsätze im Einzelfall festzulegen. Das Aufgebot kann auch auf unbestimmte Dauer erfolgen, analog einem Aufgebot zum Aktivdienst. Aus demselben Grund muss die Entlassung aus der Zivildienstpflicht aufgeschoben werden können. Die Anordnung von Pikettdienst erlaubt eine Beschleunigung des Antritts der Einsätze. Ebenso kann für einen ausserordentlichen Einsatz das Bestehen einer besonderen Ausbildung notwendig sein. Die Vollzugsstelle kann in besonderen und ausserordentlichen Lagen Ausbildungskurse obligatorisch erklären, was in der normalen Lage nur der Bundesrat kann (Art. 36 Abs. 5).

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Absatz 6 soll die Handlungsfreiheit der unterstützten Institutionen über Artikel 49 hinaus erweitern. So soll es beispielsweise möglich sein, dass die

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Gemeinde A, welcher eine Zivildienst leistende Person zugewiesen ist, diese an die Gemeinde B «ausleiht», auch wenn dieses Vorgehen weder in der Anerkennungsverfügung noch im Aufgebot oder im Pflichtenheft vorgesehen ist. Der Begriff «Dritte» meint die Leistungsempfänger, d.h. diejenigen Personen oder Institutionen, zu deren Gunsten der Zivildiensteinsatz stattfindet.

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Absatz 7 enthält den bisherigen Absatz 3 in unveränderter Form.

Art. 15a

Information

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Absatz 1: Im Rahmen des bisherigen Vollzuges des Zivildienstes haben gesuchstellende Personen wie Einsatzbetriebe immer wieder geltend gemacht, es sei schwierig, sich die erforderlichen Informationen im Zusammenhang mit dem Zivildienst zu beschaffen. Es besteht offensichtlich ein entsprechender Handlungsbedarf. Dabei kann es nicht darum gehen, Werbung für den Zivildienst zu machen. Von einer besseren Information über die Belange des Zivildienstes verspricht sich die Vollzugsstelle allerdings eine Verwesentlichung des Zulassungsverfahrens sowie einen besseren Vollzug. Nicht selten müssen heute Zulassungsgesuche von Personen bearbeitet werden, die keine Gewissensgründe geltend machen. Wären die gesuchstellenden Personen besser informiert, könnten solche für alle Seiten unbefriedigenden und für den Bund teuren Verfahren erspart bleiben.

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Absatz 2 nimmt Bezug auf das Konzept der Rekrutierung XXI. Am Orientierungstag sollen die stellungspflichtigen Personen nicht nur über den Militärdienst und die Schutzdienstpflicht informiert werden, sondern ebenso über den Zivildienst.

Zweites Kapitel: Zulassung zum Zivildienst Art. 16 ­

Zeitpunkt der Gesuchseinreichung Absatz 1: Eine der Zielsetzungen der neu gestalteten Rekrutierung XXI liegt darin, dass nach absolvierter Rekrutierung jede stellungspflichtige Person weiss, wann, wo und in welcher Funktion sie ihren Dienst leisten wird.

Daher sollen das Zulassungsverfahren zum Zivildienst und die militärische Rekrutierung besser koordiniert werden (vgl. oben Ziff. 2.1.4.3). Damit Zivildienstgesuche anlässlich der Rekrutierung behandelt werden können, müssen sie vorgängig eingereicht werden. Gleichzeitig wird durch den frühen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung die Planung seitens der Rekrutierungsorgane erleichtert. Es sollen deshalb künftig bereits stellungspflichtige Personen ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen können. Der frühestmögliche Zeitpunkt ist der Tag nach der Teilnahme am Orientierungstag, für dessen Durchführung die Militärbehörden zuständig sind.

Damit wird keineswegs vom Grundsatz abgewichen, dass zum Zivildienst nur zugelassen werden kann, wer militärdiensttauglich erklärt worden ist.

Dies soll auch weiterhin gelten. Die persönliche Anhörung (und damit das eigentliche Eintreten auf ein Zulassungsgesuch) und die Entscheidfindung sind erst nach der Tauglicherklärung möglich. Der Tauglichkeitsbefund wird

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unverzüglich der Vollzugsstelle mitzuteilen sein. Vor der Tauglicherklärung können jedoch folgende vorbereitenden Handlungen stattfinden: Bestätigung des Gesuchseingangs, Mitteilung desselben an die zuständige militärische Behörde (zwecks Planung des Rekrutierungsablaufs), Vorprüfung des Gesuchs auf seine Vollständigkeit, Auffordern der gesuchstellenden Person, das Gesuch wo nötig zu ergänzen, sowie Aufbieten der Zulassungskommission zur persönlichen Anhörung. Diese vorbereitenden Handlungen, Nichteintretensentscheide eingeschlossen, sind Aufgaben der Vollzugsstelle. Artikel 18 Absatz 5 stellt diesbezüglich Klarheit her. In die Zuständigkeit der Zulassungskommission wechselt das Gesuch erst mit Beginn der persönlichen Anhörung. Genügt ein Zulassungsgesuch von vorneherein den gesetzlichen Anforderungen nicht und wird es nicht fristgerecht ergänzt, so kann schon vor der Rekrutierung ein Nichteintretensentscheid gefällt werden.

Wird das Gesuch später ­ nun vervollständigt ­ erneut eingereicht, so wird das Verfahren wieder aufgenommen. Da eine Anhörung einen minimalen administrativen Vorlauf benötigt und mehrere Personen, die nicht permanent im Rekrutierungszentrum arbeiten, dazu anwesend sein müssen, ist die Zahl der persönlichen Anhörungen pro Rekrutierungstag beschränkt. Je früher ein Gesuch eingereicht wird, desto eher kann der Zulassungsentscheid im Rahmen der Rekrutierung gefällt werden. Es wird allerdings nicht möglich sein, eine unbegrenzt grosse Zahl spontan anlässlich der Rekrutierung eingereichter Zulassungsgesuche unverzüglich zu bearbeiten. Gehen zu viele Gesuche vor oder an der Rekrutierung ein, so werden einzelne gesuchstellende Personen erst nach dem Abschluss der Rekrutierung angehört werden können. Da ein Zivildienstgesuch jederzeit während der ganzen Dauer der Militärdienstpflicht eingereicht werden kann, wird es immer auch persönliche Anhörungen ausserhalb des Rekrutierungsprozesses geben.

Die Koordination des Zulassungsverfahrens mit der militärischen Rekrutierung ändert nichts daran, dass das Zulassungsverfahren weiterhin allein Sache der Vollzugsstelle und der Zulassungskommission sein wird. Militärische Stellen sind daran nicht stärker beteiligt als heute: Sie werden informiert und sie bieten zur Rekrutierung auf. Mit den Inhalten des Zulassungsgesuchs und der persönlichen
Anhörung und mit der Entscheidungsfindung haben sie jedoch nichts zu tun.

Die Option, das Zulassungsverfahren im Rahmen der Rekrutierung durchzuführen, folgt der Idee des Single Point of Contact (SPOC). Es wird zu prüfen sein, ob und inwiefern auch die heutige Arbeit der Regionalstellen, insbesondere die Einsatzvermittlung, in diesen SPOC integriert werden kann.

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Absatz 2 entspricht weitgehend dem heutigen Absatz 1, jedoch in schlankerer Fassung. Gewissen und Moral jedes Menschen sind Wandlungen unterworfen und können sich in eine Richtung entwickeln, die eine weitere Militärdienstleistung nicht mehr erlaubt. Manche unter den bisherigen gesuchstellenden Personen kam auf Grund eines persönlichen Entwicklungsprozesses erst nach einer oder mehreren Militärdienstleistungen zum Schluss, dass sie den Militärdienst nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Militärdienstpflichtige Personen müssen daher weiterhin jederzeit ein Gesuch

um Zulassung zum Zivildienst einreichen können. Ohne diese Möglichkeit würde der Verfassungsauftrag (Art. 59 Abs. 1 BV) nicht erfüllt.

Art. 16a

Form und Inhalt des Gesuchs

Dieser Artikel präzisiert die Absätze 2 und 3 des alten Artikels 16. Gemäss aktueller Rechtslage muss die gesuchstellende Person in ihrem schriftlichen Gesuch ihre persönlichen Überlegungen darstellen, welche sie zu ihrem Gewissensentscheid gegen den Militärdienst geführt haben, und dem Gesuch einen ausführlichen Lebenslauf beilegen. Nach der Praxis der REKO/EVD ist heute auf ein Zulassungsgesuch auch dann einzutreten, wenn der Aspekt des Gewissens darin nicht angesprochen ist und die persönlichen Überlegungen keinen erkennbaren Bezug zu einem Gewissensentscheid bzw. zu einer moralischen Forderung aufweisen. Es genüge, wenn erkennbar werde, «mit welcher Argumentationslinie der Gesuchsteller seine Zulassung zum Zivildienst erreichen will, ...»28. Zudem dürfe im Zusammenhang mit der Prüfung der Eintretensfrage nicht mehr als ein tabellarischer Lebenslauf mit den wichtigsten Eckdaten verlangt werden.29 Diese Praxis entspricht nicht den ursprünglichen Intentionen. Daher ist der Gesetzestext präziser zu fassen.

28 29

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Absatz 1: Das Gesuch muss bei der Vollzugsstelle eingehen. Keine Rolle spielt, ob dies die Zentralstelle oder eine Regionalstelle ist. Keinesfalls darf jedoch die Einreichung über eine militärische Stelle, ein Kreiskommando oder eine kantonale Behörde verlangt werden (irrtümlich bei einer solchen Stelle eingereichte Gesuche gelten aber als eingereicht und sind an die Vollzugsstelle weiterzuleiten). Als Gesuch gilt jede schriftliche Äusserung, aus der die Absicht der schreibenden Person und ihr Entscheid abgeleitet werden können, künftig Zivildienst anstelle des Militärdienstes leisten zu wollen. Ist diese Absicht erkennbar, so liegt ein Gesuch vor, das aufschiebende Wirkung hat und bezüglich dessen die Einhaltung der Drei-Monate-Frist relevant ist (vgl. Art. 17). Auch ein unvollständiges Gesuch ist ein Gesuch.

Blosse Anfragen sind jedoch keine Gesuche. Auf das bisherige Kriterium der ausdrücklichen Erklärung, Zivildienst leisten zu wollen, wird verzichtet.

In seiner Handhabung droht zu rasch überspitzter Formalismus.

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Absatz 2: Das schriftliche Gesuch ist Grundlage und Ausgangspunkt der persönlichen Anhörung. Deren Vorbereitung muss auf Grund des Gesuchs möglich sein. Also muss das Gesuch Aussagen zu den Kernfragen des Zulassungsverfahrens enthalten. Es erfüllt seinen Zweck nur, wenn es den Gewissensentscheid zum Thema hat, wenn es ihn zu erläutern versucht und die in Artikel 1 beschriebene Grundhaltung der gesuchstellenden Person vermittelt (Abs. 2 Bst. a). Dasselbe gilt für den Lebenslauf: Im Zulassungsverfahren interessieren nicht in erster Linie die Daten des Schulbesuchs, sondern der Lebenslauf soll Entstehung und Entwicklung des geltend gemachten Gewissenskonflikts aufzeigen und auch Hinweise darauf geben, ob und wie die im Spiel stehenden moralischen Forderungen auch anderweitig im Leben der gesuchstellenden Person zum Ausdruck kamen (Abs. 2 Bst. b). Das Gewissen wird erst anhand seiner konkreten Äusserungen fassbar. Daher ist der Lebenslauf für die Arbeit der Zulassungskommission so wichtig (vgl.

REKO 99/5C-010, 22.4.1999, P, E 3.2, S. 7 REKO 99/5C-010, 22.4.1999, P, E 3.3, S. 8

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Art. 18b). Der Inhalt von Gesuch und Lebenslauf wird nur im Zulassungsverfahren verwendet, nicht im Zusammenhang mit der Einsatzplanung. Der Lebenslauf dient also nicht dazu, Informationen zu sammeln, welche in der Folge die Handhabung von Artikel 4a erleichtern. Sind Begründung des Gesuchs und Lebenslauf in einem einzigen Text vereint, so sind diese Anforderungen erfüllt. Gesuch und Lebenslauf sollen die persönlichen Überlegungen der gesuchstellenden Person enthalten, was Beratungen und Formulierungshilfen durch Dritte jedoch nicht ausschliesst.

Der bisherige Artikel 16 Absatz 3 entfällt: Die gesuchstellenden Personen müssen den Auszug aus dem Strafregister nicht mehr selber einreichen, da die Vollzugsstelle durch eine Änderung von Artikel 360bis Strafgesetzbuch neu die Kompetenz erhält, in das Zentralstrafregister Einsicht zu nehmen. Der Einblick ins Strafregister ist bedeutsam, weil durch eine Verurteilung wegen Verbrechen oder Vergehen die Glaubwürdigkeit der gesuchstellenden Person in schwerwiegender Weise beeinträchtigt sein kann.

Sobald die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, soll es möglich werden, das Zulassungsgesuch auch auf elektronischem Weg einzureichen (Abs. 1 Satz 2).

Art. 17

Wirkung der Gesuchstellung

Absatz 1bis (neu) ist eine Sonderbestimmung im Verhältnis zu Absatz 1. Sie stellt klar, dass die Gesuchseinreichung nicht von der Pflicht zur Teilnahme an der Rekrutierung dispensieren kann, auch wenn das Gesuch mehr als drei Monate vor der Rekrutierung eingereicht worden ist. Diese Neuerung ist notwendig, weil nach Artikel 16 Absatz 1 auch ein Gesuch einreichen kann, wer noch nicht ausgehoben ist.

Die persönliche Anhörung der gesuchstellenden Person findet allerdings erst statt, nachdem die Militärdiensttauglichkeit beurteilt worden ist. Daher ist für das Zulassungsverfahren die Teilnahme an der Rekrutierung zwingend nötig. Nur die anderen militärischen Pflichten sind sistiert, bis über das Zulassungsgesuch rechtskräftig entschieden ist.

Zu einer Verkürzung der Frist, welche die aufschiebende Wirkung zulässt, von drei auf zwei Monate besteht kein Anlass. Die administrativen Vorläufe sind zeitintensiv, vor allem wenn ein Gesuch nicht vollständig ist. Der Gewissensentscheid existiert nicht erst bei Eintreffen des Marschbefehls. Die Erfahrung zeigt, dass bei Gesuchen, die erst unmittelbar vor einer Militärdienstleistung eingereicht werden, oft andere Ursachen als Gewissensgründe die Hauptrolle spielen. Die Drei-Monate-Frist wird heute im Zusammenhang mit der Rekrutenschule oft umgangen und das Gesuch gleich zu Beginn der RS eingereicht. Damit kommt die gesuchstellende Person in den Genuss einer prioritären Behandlung ihres Gesuchs. Es wird zu prüfen sein, ob künftig an dieser prioritären Behandlung festgehalten werden kann oder die richtige Reaktion nicht die administrative Entlassung aus der RS sein muss. Da künftig am Orientierungstag über den Zivildienst informiert wird, kann das angesprochene Problem möglicherweise entschärft werden.

Art. 18 ­

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Zulassungskommission Absatz 1: Wie bereits unter Ziffer 2.1.4.4 vorstehend ausgeführt, soll die Kompetenz betreffend die Zulassung zum Zivildienst der Zulassungskommission übertragen werden. Diese wird zuständig und verantwortlich für die

persönliche Anhörung (ab deren Beginn, nicht für deren administrative Vorbereitung), die Entscheidungsfindung und die Entscheideröffnung (mündlich wie schriftlich). Im Beschwerdeverfahren wird sie ihren Befund selbst rechtfertigen müssen.

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Absatz 2 legt wie bisher fest, dass Zusammensetzung, Organisation und Verfahren der Kommission durch den Bundesrat geregelt werden. Die Kommissionsmitglieder werden wie bisher durch das Departement ernannt.

Die vorgängige Anhörung des VBS, wie sie in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung über die Kommissionen des Zivildienstes (VKZD) festgehalten ist, soll beibehalten werden.

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Absatz 3: Das Departement als Wahlorgan der Kommission kann dieser generell-abstrakte Weisungen auch betreffend die materielle Entscheidfindung erteilen. Im Einzelfall interveniert es jedoch nicht durch Weisungen, sondern durch sein Beschwerderecht (Art. 64 Abs. 1bis). Als vorgesetzte Behörde regelt das Departement wo nötig auch Konflikte zwischen der Vollzugsstelle und der Kommission.

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Absatz 4: Wie bis anhin sollen die Administration der Gesuche und das ganze Vorverfahren durch die Vollzugsstelle wahrgenommen werden. Ein Mitglied der Vollzugsstelle wird auch weiterhin an der Anhörung teilnehmen, den Befund der Kommission redigieren, dabei der Kommission beratend zur Seite stehen und in der Folge den Entscheid und allenfalls auch die Vernehmlassung im Beschwerdeverfahren ausfertigen. Es wird geprüft, ob zusätzlich für die Verfassung der Anhörungsnotiz eine Schreibkraft zur Verfügung gestellt werden soll. Die Sachbearbeiter/innen bleiben der Vollzugsstelle unterstellt. Aber nicht die Vollzugsstelle, sondern die Zulassungskommission beurteilt die Qualität der Arbeiten, die sie während und nach der Anhörung für die Kommission leisten, denn die Kommission trägt für den Entscheid und seine Begründung (den Befund) rechtlich wie politisch allein die Verantwortung. Die Qualitätskontrolle wird künftig nicht mehr durch die Vollzugsstelle wahrgenommen, sondern durch das Departement, das zu diesem Zweck beschwerdeberechtigt ist.

Die Unterstützung der Kommission schliesst die Frage der Schulung und Weiterbildung mit ein. Wichtig ist, dass Kommission und Sachbearbeiter/ innen im Zulassungsverfahren auf der Basis desselben Verständnisses der gesetzlichen Grundlagen zusammenarbeiten. Da die Zulassungskommission künftig mehr materielle Verantwortung trägt, wird die Schulung gemeinsam zu entwickeln und durchzuführen sein.

Zur Zusammenarbeit gehört auch die Frage, inwiefern die Vollzugsstelle die Kommission in administrativen Belangen unterstützen wird. Massgeblich wird sein, dass die Kommission nicht veranlasst sein soll, umfangreiche eigene permanente Strukturen zu errichten. Die angestrebte Kostenneutralität lässt dies nicht zu.

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Absatz 5: Nichteintretensentscheide vor der Anhörung sind Sache der Vollzugsstelle. Dazu gehören auch Verfügungen im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen einer gesuchstellenden Person zur Anhörung (vgl. Art. 18d Abs. 3). Nichteintretensentscheide und Abschreibungsverfügungen nach der Anhörung (wenn ein Gesuch bspw. zurückgezogen wird) sind dagegen Sa6183

che der Zulassungskommission. Wird nach dem Nichteintreten oder der Ablehnung ein neues Gesuch eingereicht, so beginnt das Verfahren wieder von vorne und für die Beurteilung der Eintretensfrage ist die Vollzugsstelle zuständig.

Art. 18a

Anhörung

Artikel 18a regelt die Frage, wer anzuhören ist. Artikel 18b hält in der Folge fest, wie die Aufgabe der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des geltend gemachten Gewissenskonflikts anzugehen ist.

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Absatz 1 enthält den Grundsatz der persönlichen Anhörung aller gesuchstellenden Personen entsprechend dem alten Artikel 18 Absatz 2.

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Absatz 2 gestattet Ausnahmen von der Pflicht zur Teilnahme an der persönlichen Anhörung. Diese sind gemäss Satz 1 ausdrücklich an die Mitgliedschaft in einer religiösen Vereinigung gebunden, deren Glaubensvorstellungen Militärdienstleistungen explizit für alle ihre Mitglieder ausschliessen.

Diese Bestimmung enthält in neuer Formulierung die schon heute geltende Ausnahmeregelung von Artikel 27 Absatz 5 Zivildienstverordnung. Was im Interesse eines effizienten Verfahrens gerechtfertigt ist und schon längere Zeit praktiziert wird, erhält hier eine klare formelle Gesetzesgrundlage. Bis anhin konnten von dieser Ausnahme ausschliesslich Angehörige der Zeugen Jehovas profitieren. Die Regelung ist aber bewusst offen formuliert und nicht an ein bestimmtes Glaubensbekenntnis gebunden. Es ist gemäss Satz 2 grundsätzlich möglich, dass in Zukunft diese Ausnahmebehandlung auf Angehörige weiterer religiöser Gemeinschaften ausgedehnt wird. Satz 2 ist eine langfristig angelegte Option; Pläne, demnächst von dieser Option Gebrauch zu machen, bestehen nicht. Es müsste klar aus dem Bekenntnis der betreffenden Gruppierung hervorgehen, dass zwischen ihren Moralvorstellungen und der Militärdienstpflicht ein unüberwindlicher, moralisch begründeter Widerspruch besteht. Auch in Zukunft wird deshalb nur eine kleine Zahl von gesuchstellenden Personen ohne persönliche Anhörung zum Zivildienst zugelassen werden können. Ein schriftliches Gesuch, das die Anforderungen von Artikel 16a erfüllt, muss in jedem Fall eingereicht werden.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde dieser Absatz kontrovers beurteilt. Ein Verzicht auf die Anhörung aller gesuchstellenden Personen kommt aber nicht in Betracht, da er der freien Wahl des Zivildienstes und einem reinen Tatbeweismodell zu nahe kommt. Ein schriftliches Gesuch allein ist eine unzuverlässige Entscheidungsgrundlage. Denn immer mehr werden standardisierte Gesuche mit einer fraglichen Urheberschaft eingereicht, welche auch die Glaubwürdigkeit der gesuchstellenden Person in Mitleidenschaft ziehen können. Ebensowenig ist der Verzicht auf die Ausnahmeregelung von Absatz 2 ratsam. Sie hat sich gegenüber den Zeugen Jehovas bewährt. Deren Mitglieder werden angehört, sobald Zweifel an ihrer Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft auftauchen oder das schriftliche Gesuch nicht den Anforderungen entspricht oder zu Fragen Anlass gibt.

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Art. 18b

Glaubhafte Darlegung des Gewissenskonfliktes

Der Begriff der «glaubhaften Darlegung» ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher mit Inhalt zu füllen ist und insbesondere auch für die gesuchstellenden Personen verständlich sein soll. Die bisherige Praxis im Zulassungsverfahren soll deshalb im Rahmen des Gesetzes offengelegt werden. Alle am Verfahren Beteiligten werden damit auf eine einheitliche Praxis verpflichtet.

Laut Botschaft zum ZDG (BBl 1994 III 1648, Erläuterungen zu Art. 1 des Gesetzesentwurfs) sind Vorbringen der gesuchstellenden Person glaubhaft, wenn sie genügend substantiiert, in sich schlüssig sowie plausibel sind. Zudem müssen die gesuchstellende Person persönlich glaubwürdig und die Ernsthaftigkeit des Gewissensentscheids für die entscheidende Behörde erkennbar sein.

Der Erarbeitung des Konzepts der Vollzugsstelle lag das Bestreben zu Grunde, die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Darlegungen einer gesuchstellenden Person nicht allein von den im Botschaftstext genannten Kriterien abhängig zu machen. Es wurden deshalb über die im Botschaftstext genannten Kriterien hinaus weitere Horizonte der Prüfung der Glaubhaftigkeit abgesteckt, die direkt im Zusammenhang mit dem oben dargelegten Verständnis des Gewissenskonflikts stehen (vgl. den Kommentar zu Art. 1) und darauf Rücksicht nehmen, dass das Gewissen für sich nicht sicht- oder greifbar ist, sondern nur anhand dessen erkannt und verstanden werden kann, wie es sich äussert. Unser Staat wie auch das ZDG gehen vom Bild eines autonom entscheidenden, mündigen Bürgers aus. Auch seine moralischen Positionen sind Ergebnisse letztlich frei getroffener Entscheidungen. Eine moralische Forderung und damit einen Gewissensentscheid glaubhaft darzulegen heisst mithin, im Zulassungsgesuch und in der persönlichen Anhörung zu erklären, wie die diesbezügliche Entscheidung zustande kam. Der freie Mensch kann zum Gebrauch seiner Freiheit etwas sagen. Er kann auch Inhalt und Tragweite seiner moralischen Position erklären und bleibt nicht bei leeren Schlagworten stehen. Er kann prägende Einflüsse und Erlebnisse benennen und beschreiben. Er hat Gründe dafür, warum gewisse Überlegungen oder Argumente für ihn wichtiger sind als andere. Das bedeutet keineswegs, dass eine gesuchstellende Person im Zulassungsverfahren philosophische Abhandlungen liefern oder eloquent sein muss. Es geht nur darum, die
Gründe des eigenen Denkens und Handelns aufzuzeigen, die letztlich zur Ablehnung des Militärdienstes geführt haben. Es liegt dann an der Gesprächsführung durch die Mitglieder der Zulassungskommission, dem Intellekt der gesuchstellenden Person Rechnung zu tragen und sie auch dann zu verstehen, wenn sie nicht redegewandt ist.

Gelegentlich ergibt es sich, dass eine gesuchstellende Person als Mitglied beispielsweise einer Glaubensgemeinschaft ihre Position gegenüber dem Militärdienst nicht selbstständig ethisch begründet, sondern sie von bestimmten Autoritäten übernommen hat. Dann kann Gegenstand der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Gewissenskonflikts nicht die ethische Begründung der moralischen Forderung sein, sondern nur das Eingebundensein in besagter Glaubensgemeinschaft oder das Verhältnis zur massgeblichen Autorität, etwa einem religiösen Lehrer. Dieses oder die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft müssen für die gesuchstellende Person auch in anderen Lebensbereichen von massgeblicher Bedeutung sein.

Aus dem Aspekt der unbedingten Gültigkeit moralischer Forderungen leitet sich eine weitere Dimension der Glaubhaftigkeit ab: Es ist davon auszugehen, dass die geltend gemachte moralische Forderung sich nicht nur im Zusammenhang mit der

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Militärdienstpflicht, sondern auch in allen anderen vergleichbaren Zusammenhängen Geltung verschafft. Sind Auswirkungen der moralischen Forderung wie ein roter Faden in der ganzen Lebensführung der gesuchstellenden Person erkennbar, so fördert dies die Glaubhaftigkeit ihrer Darlegungen sehr. Daneben ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass moralische Forderungen oft nicht nur prohibitive, sondern auch positive Aspekte umfassen: Wer moralischen Positionen verpflichtet ist, schaut nicht weg, sondern ergreift Partei und engagiert sich für seine Haltung (oder aber er kann erklären, warum dies nicht der Fall ist). Das gilt auch für junge Menschen. Ein gelebtes Engagement kann in einem gewissen Ausmass mangelhafte Erläuterungen zu einer moralischen Forderung ausgleichen. Fehlt allerdings trotz grossem Engagement die Darlegung einer moralischen Forderung, so fehlt der Glaubhaftigkeit das Bezugsobjekt, und eine Zulassung zum Zivildienst ist nicht möglich.

Insgesamt sollen zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit somit fünf Dimensionen angesprochen werden: ­

eine eher intellektuelle oder rationale Dimension: Kann die gesuchstellende Person ihren Gewissenskonflikt und die ihre Einstellung und ihr Verhalten prägenden moralischen Forderungen erklären? (Bst. a)

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eine biografische Dimension: Von wann an und unter welchen Umständen hat der Gewissenskonflikt begonnen, und wie hat er sich entwickelt? (Bst. b)

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eine auf die Lebensführung bezogene Dimension: Wie setzt die gesuchstellende Person die moralische Forderung in anderen vergleichbaren Zusammenhängen im Alltag um? (Bst. c)

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eine Dimension, die auf die physische und psychische Befindlichkeit der gesuchstellenden Person bezogen ist: Inwiefern hat das Gewissen die gesuchstellende Person geplagt («Gewissensbisse», Gewissensnot)? (Bst. d) sowie

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die Dimension der persönlichen Glaubwürdigkeit, wie sie bereits in der Botschaft von 1994 treffend umschrieben wurde (BBl 1994 III 1648, Erläuterungen zu Art. 1 des Gesetzesentwurfs; Bst. e des vorliegenden Entwurfs).

Widersprüche sind bedeutend, wenn sie nicht bloss Kleinigkeiten betreffen, wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu den hier zu beurteilenden Fragen aufweisen und wenn sie insbesondere den Zusammenhang zwischen den Anschauungen der gesuchstellenden Person und ihrer Lebensführung betreffen (das Verhältnis zwischen Bst. a und Bst. c; die Widerspruchsfreiheit ist eine relative: sie muss nicht in Bezug auf die gesamte Lebensführung der gesuchstellenden Person gegeben sein). Plausibilität bedeutet nicht nur Übereinstimmung mit bekannten und belegbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern spricht im hiesigen Zusammenhang auch das Verhältnis zwischen den intellektuellen Gründen (Bst. a) und der Gewissensnot (Bst. d) an. Denn die geltend gemachte physische oder psychische Befindlichkeit kann andere Ursachen als die persönlichen Anschauungen haben, die zur Glaubhaftmachung des Gewissenskonfliktes vorgebracht wurden. Schlüssigkeit verpflichtet zu einer Gesamtsicht, zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der gesuchstellenden Person insgesamt. Die Kommissionsmitglieder beurteilen insbesondere, ob Lebensumstände der gesuchstellenden Person, Auftreten, verwendete Argumente und Lebensgeschichte zusammenpassen.

6186

Rechtssubjekt von Artikel 18b ist die Zulassungskommission. Die Kommissionsmitglieder müssen in der persönlichen Anhörung das Gespräch auf die genannten fünf Dimensionen lenken und anlässlich der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Darlegungen der gesuchstellenden Person, wenn sie ihren Befund formulieren, auf alle fünf Dimensionen Bezug nehmen. Artikel 18b verlangt jedoch nicht, dass die gesuchstellende Person zu allen fünf Dimensionen umfassende Erklärungen abgeben können muss. Die Glaubhaftigkeit der Darlegungen ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung, die in einzelnen Dimensionen ohne weiteres Unschärfen zulässt.

Art. 18c

Eröffnung des Zulassungsentscheides

Der Entscheid der Kommission ist folgenden Stellen zu eröffnen: Der gesuchstellenden Person, dem EVD zur allfälligen Ausübung des Rekursrechts (Art. 64), dem VBS, damit die Entlassung aus der Militärdienstpflicht faktisch vollzogen bzw. die Aufgebotsdispens aufgehoben werden kann, sowie der Vollzugsstelle, damit der Zivildienstvollzug eingeleitet werden kann. Gesuchstellende Person und EVD erhalten den vollständig begründeten Entscheid, das VBS erhält nur die Mitteilung, ob die Person zugelassen ist oder nicht, sowie die Rechtskraftbescheinigung.

Art. 18d

30

Zulassungsverfahren

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Die Absätze 1 und 4 entsprechen dem alten Artikel 18 Absatz 3.

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Absatz 2: Die Übernahme der Fahrtkosten zum Anhörungsort ist durch das Gebot der Gleichbehandlung begründet: Wer im Rahmen der Rekrutierung angehört wird, ist zu einer Dienstleistung aufgeboten und erhält demzufolge ein Gratisbillett. Wer ein Gesuch um waffenlosen Militärdienst eingereicht hat und deswegen zu einer Anhörung anreisen muss, erhält mit dem Aufgebot einen Transportgutschein und muss die Fahrkosten somit ebenfalls nicht selber begleichen. Eine Schlechterstellung von gesuchstellenden Personen, die ihr Zulassungsgesuch erst nach der Rekrutierung eingereicht haben, lässt sich deshalb nicht rechtfertigen.

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Absatz 3 regelt die Kostenfolge, wenn die gesuchstellende Person ohne ausreichende Erklärung nicht zur Anhörung erscheint. Diese Bestimmung befindet sich heute in Artikel 27 Absatz 4 der Zivildienstverordnung. Sie muss korrekterweise in einem Gesetz im formellen Sinn verankert sein. Der Sinn dieser Bestimmung besteht darin zu verhindern, dass die gesuchstellende Person durch vorsätzliches oder fahrlässiges Versäumen des Anhörungstermins unverhältnismässige Kosten verursacht und womöglich das Verfahren derart in die Länge zieht, dass sie am Ende die Erfüllung der Militärdienstpflicht umgehen kann. Die Kann-Formulierung lässt es zu, dass bei der Kostenzumessung das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Die Kostenfolge ist eine Schadenersatz-Leistung und nicht eine Busse, denn die Kommissionsmitglieder müssen für ihre Anwesenheit auch entschädigt werden, wenn die gesuchstellende Person nicht zur Anhörung erscheint. Erscheint sie trotz Kostenauflage wiederholt ohne ausreichende Erklärung nicht zur Anhörung, wird auf ihr Gesuch nicht eingetreten30.

Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäss Art. 13 VwVG.

6187

Drittes Kapitel: Leistung des Zivildienstes Art. 19

Vorbereitung der Einsätze

Die neue Fassung von Artikel 19 überlässt es der Vollzugsstelle zu entscheiden, ob sie die zivildienstpflichtige Person zu einem Gespräch mit Vertretern des Einsatzbetriebes aufbieten will. Nicht in allen Fällen ist ein solches formelles Gespräch erforderlich, weil dieses häufig im Rahmen der Selbstsuche bereits stattgefunden hat. Also muss auch die Vollzugsstelle nicht verpflichtet sein, trotzdem in jedem Fall Aufgebote zu persönlichen Gesprächen auszustellen.

Art. 20

Aufteilbarkeit des Zivildienstes

Analog zu den Durchdienern in der Armee soll auch im Zivildienst die Möglichkeit bestehen, den Dienst «am Stück» zu absolvieren. In der Armee soll der Anteil der Durchdiener beschränkt werden. Für den Zivildienst drängt sich eine solche Beschränkung nicht auf. Für zivildienstpflichtige Personen, die den Zivildienst nicht am Stück leisten, gibt es weiterhin Regeln betreffend Mindestdauer und zeitliche Abfolge der Einsätze. Diese Regeln müssen mit den Regeln übereinstimmen, welche für die Veranlagung der Wehrpflichtersatzabgabe gelten.

Art. 22

Aufgebot

­

Absatz 2 entspricht dem alten Absatz 2 ohne den letzten Satz, dessen Inhalt flexibler gestaltet in Absatz 3 eingefügt wurde.

­

Absatz 3 erlaubt Verordnungsbestimmungen mit kürzeren Aufgebotsfristen.

Solche sind vorgesehen im Zusammenhang mit Zivildiensteinsätzen zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen, wo eine Aufgebotsfrist von rund 15 Tagen sinnvoll ist. Damit kann sichergestellt werden, dass Zivildienst leistende Personen spätestens einen Monat nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses den Einsatz antreten können. Kürzere Fristen sollen auch zur Anwendung kommen für Aufgebote zu kurzen Dienstleistungen wie Einführungskursen, Ausbildungen und persönlichen Vorsprachen im Einsatzbetrieb.

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Absatz 4: Die Mitwirkung von zivildienstpflichtigen Personen in einem Pikettdienst kann sinnvoll sein im Zusammenhang mit Einsätzen zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen sowie mit bestimmten Auslandeinsätzen, z.B. im Rahmen der OSZE, bei der DEZA oder beim SKH. Die Mitwirkung ist freiwillig und wird an das Bestehen einer entsprechenden Ausbildung gebunden sein. Auch mit Pikettelementen wird der Zivildienst nicht zu einem Mittel der ersten Stunde. Er kann damit aber massvoll an Handlungsund Reaktionsfähigkeit gewinnen.

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Viertes Kapitel: Stellung der zivildienstpflichtigen Person Art. 28 ­

Art. 29 ­

Art. 32 ­

Arbeits- und Ruhezeit Absatz 4, Buchstabe b: Das Wort «Zeitausgleich» wird ersetzt durch «Zeitzuschlag», was dem ursprünglichen Sinn entspricht. Die Bestimmung besagt, wer nachts oder am Wochenende Zivildienst leistet, dem sollen die Tage und Stunden gleich angerechnet werden, wie wenn sie wochentags und tagsüber geleistet werden. Der bisherige Begriff «Zeitausgleich» gibt dies nicht richtig wieder.

Leistungen zu Gunsten der Zivildienst leistenden Person Absatz 3 wird redaktionell an die Neufassung von Artikel 36 angepasst (statt von Informationsveranstaltungen wird künftig von Einführungs- und Ausbildungskursen gesprochen).

Melde- und Auskunftspflicht Absatz 2 wird ebenfalls redaktionell an die Neufassung von Artikel 36 angepasst.

4. Abschnitt: Einführung und Ausbildung Art. 36

Grundsatz

Die neue Reihenfolge der einzelnen Absätze folgt dem Ablauf der Zivildienstleistung.

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Absatz 1: Die bisherige gut halbtägige Informationsveranstaltung wird ersetzt durch einen Einführungskurs. Die Vollzugsstelle erhält damit die Möglichkeit, zu Beginn des Zivildienstes nicht nur über die technischen Belange des Vollzuges zu informieren, sondern auch bestimmte Lerninhalte zu vermitteln. Vorläufig soll lediglich eine diesbezügliche Option auf Gesetzesebene geschaffen werden. Ein Ausbau der Einführungskurse (z.B. durch einen Teil Erste Hilfe) müsste sich durch einen bestimmten Bedarf rechtfertigen (z.B. durch eine besondere Lage oder mit Blick auf spezielle Einsätze).

­

Absatz 2 entspricht dem bisherigen Absatz 1.

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Absatz 3: Die Pflicht, vor der Übernahme von Pflegeaufgaben einen Ausbildungskurs zu besuchen, wird auf Pflegeeinsätze ausgedehnt, die nicht im Gesundheitswesen geleistet werden, sondern im Sozialwesen (z.B. in Altersheimen). Pflegebedürftige haben einen Anspruch darauf, mit der nötigen Professionalität, mit Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen behandelt zu werden. Der Besuch des Ausbildungskurses für Pflegeeinsätze stellt sicher, dass Zivildienst leistende Personen diesen Anforderungen gerecht werden. Zivildienstpflichtige Personen, die bereits eine entsprechende Ausbildung haben, sollen diesen Ausbildungskurs nicht mehr besuchen müssen.

Ausbildungskurse des Bundes bleiben weiterhin subsidiär im Verhältnis zu

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denjenigen, welche die Einsatzbetriebe in Anwendung von Absatz 2 anzubieten haben.

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Absatz 4: Die Vollzugsstelle soll in die Lage versetzt werden, soweit notwendig für spezifische Einsätze, z.B. im Zusammenhang mit Katastrophen und Notlagen oder bei Schwerpunktprogrammen, besondere Ausbildungskurse anzubieten. Diese können die Einführung durch den Einsatzbetrieb ersetzen oder ergänzen.

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Absatz 5 gibt dem Bundesrat die Kompetenz, für bestimmte Einsätze den Besuch weiterer Ausbildungskurse obligatorisch zu erklären.

Art. 37 ­

Kosten Absatz 1 ist eine redaktionelle Anpassung an die Neufassung von Artikel 36.

Was die Einsatzbetriebe an Kursen anbieten, bezahlen sie selbst. Was die Vollzugsstelle arrangiert, bezahlt der Bund. Der Bund kann die Aufwendungen der Einsatzbetriebe im Rahmen von Absatz 2 Buchstabe b teilweise unterstützen.

6. Abschnitt: Versicherung Art. 40 Artikel 34 des Entwurfs zum revidierten Militärgesetz wird in dem Sinn ergänzt, dass Personenschäden nur nach dem Militärversicherungsgesetz entschädigt werden und zusätzliche diesbezügliche Ansprüche gegenüber dem Bund ausgeschlossen sind. Der Klarheit wegen wird dieselbe Regelung auch in Artikel 40 ZDG eingefügt.

Fünftes Kapitel: Anerkennung als Einsatzbetrieb Art. 41 ­

Art. 42 ­

Gesuch Absatz 1: Diese Änderung entspricht derjenigen von Artikel 16a Absatz 1.

Betriebe sollen ihr Gesuch um Anerkennung als Einsatzbetrieb auf elektronischem Weg einreichen können, sobald die dazu notwendigen Voraussetzungen (elektronische Unterschrift) geschaffen sind.

Anerkennungsentscheid Absatz 1: Vgl. den Kommentar unter Ziffer 2.1.4.5. Auf den Antrag einer Anerkennungskommission soll künftig verzichtet werden, weil sie seit längerer Zeit faktisch auf das Tagesgeschäft keinen Einfluss mehr nimmt.

Die Opposition gegen die Aufhebung der Anerkennungskommission kommt in erster Linie von Arbeitgeberkreisen und vom Bauernverband, die heute in der Kommission vertreten sind. Als Argumente führen sie das Bedürfnis nach Schutz der Arbeitnehmer/innen in den Einsatzbetrieben sowie die Gefährdung der Wettbewerbsneutralität an. Arbeitnehmerkreise, die in der Kommission ebenfalls vertreten sind, teilen diese Bedenken nicht und weh-

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ren sich nicht gegen die Aufhebung der Kommission. Auf strategischer Ebene stellen sich betreffend die geltend gemachten Themen keine Probleme, welche eine Beibehaltung der Kommission rechtfertigen könnten. Im operativen Tagesgeschäft sind seit Inkrafttreten des ZDG keine Verstösse gegen die entsprechenden Prinzipien geltend gemacht worden. Die «Wächterrolle» der Sozialpartner in den Einsatzbetrieben kann die Mitwirkung der Kommission im Tagesgeschäft sehr wohl ersetzen. Das Verfahren der Anerkennung von Einsatzbetrieben lässt sich durch die vorgeschlagene Massnahme auf etwa die Hälfte seiner heutigen Dauer verkürzen.

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Absatz 1bis Buchstaben a und b entsprechen dem bisherigen Artikel 43 Absatz 1 und 2.

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Absatz 1ter dient der nachfragegerechten Steuerung des Anerkennungsverfahrens. Die Ressourcen der Vollzugsstelle im Bereich der Anerkennung von Einsatzbetrieben sollen nutzenorientiert eingesetzt werden und nicht durch Verfahren absorbiert werden, welche den Vollzug eher belasten als erleichtern. Mitte 2001 standen rund 800 Zivildienst leistende Personen zugleich im Einsatz. Sie konnten ihre Einsätze aus fast 4000 anerkannten Einsatzplätzen auslesen. Durchschnittlich sind nur 20 Prozent der Stellen in den Einsatzbetrieben belegt. Viele Einsatzbetriebe erhalten trotz aufwändigem Anerkennungsverfahren vielleicht ein einziges Mal eine zivildienstpflichtige Person zugewiesen. Denn auf Grund des Prinzips der Selbstsuche stellen viele Betriebe auf Initiative einer interessierten zivildienstpflichtigen Person ein Anerkennungsgesuch. In der Folge kommt es in solchermassen rekrutierten Betrieben häufig zu keinem Folgeeinsatz mehr. Aufwand des Verfahrens und langfristiger Nutzen der Anerkennung stehen damit in einem Missverhältnis. Frustrationen bauen sich auf, die längerfristig den Ruf des Zivildienstes schädigen können. Eine neue Bedürfnisklausel soll dieses Risiko auffangen und einen gezielten Ressourceneinsatz im Anerkennungsverfahren erlauben. Zwar bleibt es auch künftig jedem Betrieb unbenommen, ein Gesuch um Anerkennung als Einsatzbetrieb einzureichen. Die Vollzugsstelle soll das Gesuch jedoch ablehnen können, wenn keine ausreichende Nachfrage nach entsprechenden Einsätzen besteht (insbesondere wenn in einem Tätigkeitsbereich bereits eine genügende Anzahl von Einsatzbetrieben anerkannt ist), oder wenn eine gesuchstellende Institution keine Tätigkeit anbietet, die besonders förderungswürdig und deswegen Teil eines Schwerpunktprogrammes ist.

Art. 43

Anerkennungsverfahren

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Absatz 1 gibt der Vollzugsstelle die Kompetenz, zu einzelnen Gesuchen Stellungnahmen fachkundiger Dritter einzuholen, statt weiterhin im Tagesgeschäft die Anerkennungskommission beiziehen zu müssen. Diese Kompetenz umschliesst weiterhin die Zusammenarbeit mit den kantonalen Arbeitsmarktbehörden nach dem bisherigen Absatz 3. Je nach konkreter Problemsituation sollen künftig die entsprechenden Spezialistinnen und Spezialisten, Fachverbände oder Amtsstellen konsultiert werden.

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Absatz 3 gibt der Vollzugsstelle die Kompetenz, Grundsatzfragen bezüglich des Anerkennungsverfahrens und des Vollzugs den Sozialpartnern, Bran-

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chenverbänden und weiteren betroffenen oder interessierten Institutionen zur Stellungnahme zu unterbreiten.

Sechstes Kapitel: Stellung des Einsatzbetriebes Art. 47

Finanzhilfe zu Gunsten des Einsatzbetriebes

Der Kanton Genf beantragt die Ausrichtung von Subventionen an Einsatzbetriebe, denen die finanziellen Mittel für die Beschäftigung zivildienstpflichtiger Personen fehlen. Seitens der Vollzugsstelle besteht kein Anlass für eine derartige Massnahme.

Subventionen sind nur dort angebracht, wo der Vollzug ansonsten gefährdet wäre.

Dies ist, wie die im Zusammenhang mit Artikel 42 genannten Zahlen zeigen, keineswegs der Fall.

Ähnlich verhält es sich mit dem Anliegen der Motion 99.3533, Zivildienst. Gruppeneinsätze für nachhaltige Entwicklung und Auslandeinsätze (N 15.06.2000, Wiederkehr, vom Nationalrat als Postulat überwiesen): Sie regt an, Zivildiensteinsätze im Zusammenhang mit Projekten der nachhaltigen Entwicklung durch die Ausrichtung von Subventionen zu fördern. Auch hier ist der Bedarf nach einer solchen Massnahme nicht nachgewiesen. Die bestehenden Fördermöglichkeiten (Befreiung von der Abgabepflicht, Möglichkeiten der Bildung eines Schwerpunktprogrammes sowie der Subventionierung von Umweltprojekten) reichen aus.

Siebentes Kapitel: Haftung für Schäden Art. 58 ­

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Verfahren Absatz 3: Gemäss Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1999 über die Reform der Justiz (BBl 1999 8635) wird die Bundesverfassung u.a. durch Artikel 191a Absatz 2 ergänzt. Danach bestellt der Bund richterliche Behörden für die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung. Mit dieser Bestimmung, die definitiv verabschiedet ist, jedoch erst zusammen mit der Totalrevision des Bundesrechtspflegegesetzes in Kraft treten wird, hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass künftig der Rechtsweg mit Ausnahme weniger Sonderfälle in allen Streitigkeiten nur noch über eine richterliche Vorinstanz an das Bundesgericht führen soll (BBl 1997 I 495 ff.). Dieser Bestimmung wird in der Praxis bereits heute nachgelebt, indem im Rahmen von Revisionen diesem Anliegen Rechnung getragen wird. Die vorgeschlagene Bestimmung ist dem revidierten Artikel 10 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (VG; AS 2000 2720) nachgebildet, da es sich auch in diesen Fällen um Fragen der Staatshaftung handelt.

Achtes Kapitel: Rechtsschutz Art. 62 ­

Art. 63

Unterredung mit dem Einsatzbetrieb; Anzeige Absatz 2: Die zehntägige Frist wird durch «unverzüglich» ersetzt. Die bisherige Regelung war nicht immer praktikabel, insbesondere wenn die Vollzugsstelle Informationen schriftlich einholen musste. Massnahmen liessen sich kaum je innert 10 Tagen ergreifen. Andererseits darf die Vollzugsstelle in Fällen, in denen ein rasches Handeln möglich ist, nicht zuwarten und erst gegen Ende der zehntägigen Frist tätig werden.

Beschwerdeinstanz

Das im Vernehmlassungsverfahren durch die SPS und die SOG geäusserte Anliegen, betreffend Zulassungsentscheide den Weg an das Bundesgericht zu öffnen, soll nicht realisiert werden: Ziel der laufenden Revision der Bundesrechtspflege ist die Entlastung des Bundesgerichts. Das genannte Anliegen ist mit diesem Ziel nicht vereinbar.

Art. 64 ­

Beschwerderecht Absatz 1bis (neu): Vgl. die Ausführungen unter Ziffer 2.1.4.4 vorstehend.

Die Praxis der Zulassungskommission kontrollieren heisst nicht, dass das Departement sämtliche ergangenen Zulassungsentscheide im Detail überprüfen muss. Hierzu wäre der Aufwand wohl zu gross. Die Auswahl der zu überprüfenden Entscheide wird deshalb eher beim Vorliegen gewisser Risikofaktoren vorgenommen werden.

Art. 65

Verfahren vor der Rekurskommission

­

Absatz 1 entspricht dem bisherigen Artikel 65 ohne den letzten Satz, welcher neu zu Absatz 4 wird. Kostenlos ist nur das Verfahren vor der REKO/EVD.

Betreffend das Verfahren vor der Rekurskommission für die Staatshaftung (Art. 58 Abs. 3) besteht jedoch grundsätzlich Kostenpflicht. Dasselbe gilt betreffend die Behandlung von Schadenersatzfällen durch das Eidgenössische Finanzdepartement (Art. 58 Abs. 2).

­

Absatz 2 und 3: Der Entzug der aufschiebenden Wirkung kann notwendig sein, um einen raschen Einsatz zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen zu gewährleisten. Auch bei Schwerpunktprogrammen, zum Beispiel im Rahmen der Asylbetreuung, kann der Entzug der aufschiebenden Wirkung notwendig sein, um die angestrebten Ziele zeitgerecht zu erreichen.

Art. 66 ­

Beschwerdefristen Buchstabe a: Die Ergänzung betreffend Buchstabe a füllt eine Lücke des bisherigen Artikels 66: Gilt schon gegen jedes Aufgebot eine Beschwerdefrist von 10 Tagen, so soll dieselbe Beschwerdefrist auch im Zusammenhang mit Abbrüchen und Verlängerungen von Einsätzen gelten. Bisher galt hier nach dem Buchstaben des Gesetzes die 30-tägige Beschwerdefrist.

6193

Neuntes Kapitel: Disziplinarverfahren und Strafbestimmungen 1. Abschnitt: Disziplinarverfahren Art. 71 ­

Verfahren Absatz 2: Die Frist von 10 Tagen zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens hat sich in der Praxis als zu kurz erwiesen. Die geringe Tragweite der Disziplinarfälle rechtfertigt es meist nicht, dass die notwendigen Sachverhaltsabklärungen mit grossem Aufwand unverzüglich vor Ort durch die Vollzugsstelle vorgenommen werden. Die nötigen Abklärungen bei der zivildienstpflichtigen Person und beim Einsatzbetrieb werden deshalb üblicherweise schriftlich vorgenommen, was verhältnismässig viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Behandlungsfrist für Disziplinarverfahren soll deshalb auf 30 Tage verlängert werden. Die Frist, bei welcher es sich um eine Ordnungsfrist handelt, bemisst sich von der Anzeige (Beginn des Verfahrens) bis zur Eröffnung der Verfügung.

Zehntes Kapitel: Schlussbestimmungen 1. Abschnitt: Vollzug Art. 80

Aufbau eines Informationssystems

­

Absatz 2 Buchstabe a: «Bundesamt für Adjutantur» wird ersetzt durch «die zuständigen Stellen des VBS». Es handelt sich hierbei um eine Option, die sich nur auf die heutige Untergruppe Personelles der Armee und die Rekrutierungsorgane bezieht.

­

Absatz 2 Buchstabe b: Das Bundesamt für Zivilschutz entfällt als Datenempfänger, weil künftig kein automatischer Übertritt vom Zivildienst zum Schutzdienst mehr erfolgt.

Art. 80a

Verwaltung von Akten

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Absatz 1bis und 2bis: Der Übergang der Entscheidungskompetenz betreffend Zulassungsgesuche von der Vollzugsstelle an die Zulassungskommission bedingt Präzisierungen bezüglich den Umgang mit Daten und Akten. Die Zulassungskommission wird ermächtigt, die Akten der gesuchstellenden Personen und der Kommissionsmitglieder zu bearbeiten, soll jedoch keine eigenen Archive oder Ablagen mit Akten oder Daten aus dem Zulassungsverfahren erstellen. Zudem wird die Zulassungskommission zum Umgang mit besonders schützenswerten Personendaten ermächtigt, welche die gesuchstellenden Personen betreffen.

­

Absatz 5 Buchstabe a erwähnt neu auch die Akten derjenigen Personen, die in Anwendung von Artikel 12 aus dem Zivildienst ausgeschlossen wurden.

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2. Abschnitt: Übergangsbestimmungen zur vorliegenden Änderung des ZDG Die bisherigen Übergangsbestimmungen können allesamt aufgehoben werden, da sie nicht mehr angewendet werden. Sämtliche Pendenzen, welche aus dem Vollzug der «Barras-Reform» stammen, sind erledigt und die entsprechenden Fälle rechtskräftig entschieden.

Art. 81

Anpassung der Dauer der ordentlichen Zivildienstleistungen

Die Anpassung der Zahl der zu leistenden Zivildiensttage ist ein Gebot der Gleichbehandlung mit den Militärdienst leistenden Personen. Die Anzahl der durch letztere zu leistenden Diensttage soll ab der Umsetzung der Armee XXI reduziert werden.

Für bereits zugelassene zivildienstpflichtige Personen erfolgt zudem eine Anpassung infolge der Reduktion des Faktors von 1,5 auf 1,3. Diese zweite Anpassung erfolgt nicht rückwirkend, sondern nur betreffend Zivildiensttage, welche bei Inkrafttreten dieser Revision noch nicht geleistet worden sind. Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wurde beantragt, den neuen Faktor auf alle zivildienstpflichtigen Personen anzuwenden unabhängig davon, wie viele Zivildiensttage sie bereits geleistet hätten. Damit würde der Faktor 1,3 ab Inkraftsetzung des ZDG gelten. Eine solche Rückwirkung ist politisch nicht erwünscht, gäbe Anlass zu neuen Fragen (was mit zivildienstpflichtigen Personen, die bereits alle Diensttage geleistet haben? Und was mit zu einer Arbeitsleistung Verpflichteten, deren Verpflichtung ein rechtskräftiges Urteil zu Grunde liegt?) und würde den seinerzeitigen Willen des Gesetzgebers unterlaufen.

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Absatz 1 Buchstabe a: Die Herabsetzung infolge Reduktion der Zahl der Militärdiensttage erfolgt unter Anwendung des Faktors, um den der Zivildienst länger als der Militärdienst dauert. Wird die Zahl der zu leistenden Militärdiensttage um vierzig Tage (von heute 300 auf 260) verkürzt, so erfolgt die Verkürzung der Zahl der Zivildiensttage um 40 × 1,5 = 60 Tage.

­

Absatz 1 Buchstabe b: Die Kürzung um 13,33 Prozent entspricht der Reduktion des Faktors 1,5 auf 1,3.

Art. 82

Entlassung aus dem Zivildienst

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Absatz 1: Hat eine zivildienstpflichtige Person die Altersgrenze erreicht, gemäss welcher sie in Anwendung des neuen Artikels 13 Militärgesetz aus der Armee entlassen würde, so wird sie aus dem Zivildienst entlassen. Für die im Vernehmlassungsverfahren geäusserte Idee, den zivildienstpflichtigen Personen die Möglichkeit zu eröffnen, weiterhin auf freiwilliger Basis zivildienstpflichtig zu bleiben und weitere Dienste zu leisten, besteht kein Raum.

Im Militärgesetz wird diese Möglichkeit bestimmten Angehörigen der Armee zwar eingeräumt, jedoch nur, wenn die Armee einen entsprechenden Bedarf nach Zusatzdienstleistungen nachweisen kann. Ein solcher Bedarfsnachweis ist seitens des Zivildienstes nicht zu erbringen.

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Absatz 2: Eine Sonderregel in Artikel 13 Militärgesetz sieht vor, dass erst nach Erbringung aller Dienstleistungen, spätestens aber mit Vollendung des 34. Altersjahres aus der Militärdienstpflicht entlassen wird, wer einen Mannschafts- oder Unteroffiziersgrad (ohne höhere Unteroffiziere) bekleidet 6195

und mit 30 Altersjahren noch nicht sämtliche Militärdienstleistungen erbracht hat. Diese Regelung wird für die ordentliche Entlassung aus dem Zivildienst künftig sinngemäss zur Anwendung kommen (vgl. die Ausführungen zu Art. 11). Im Rahmen der Übergangsregelungen soll jedoch eine Entlassung all derjenigen zivildienstpflichtigen Personen stattfinden, welche früher in der Armee einen Mannschaftsgrad bekleidet hatten und das 30. Altersjahr vollendet haben. Dies entspricht der bisherigen Regelung, dass unabhängig von der Ableistung aller Diensttage aus dem Zivildienst entlassen wird, wer die Altersgrenze erreicht hat. Weil zivildienstpflichtige Personen ihre Dienste in der Regel rasch in jungen Jahren leisten, sind mit dieser Lösung kaum Ungerechtigkeiten verbunden.

Art. 83

Personen, die zu einer Arbeitsleistung verpflichtet wurden

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Absatz 1: Die Reduktion der Anzahl Diensttage gemäss Artikel 81 kann keine Anwendung finden auf Personen, welche in Anwendung des Militärstrafrechts zu einer Arbeitsleistung verpflichtet wurden. Bei diesen Personen geht es um den Vollzug rechtskräftiger Urteile, welche nicht nachträglich auf dem Weg der Gesetzgebung abgeändert werden sollen. Betroffen davon sind Personen, welche einen Beförderungsdienst verweigerten und in Anwendung von Artikel 81 Absatz 4 Militärstrafgesetz zu einer Arbeitsleistung verurteilt worden sind. Militärdienstverweigerer, die vor Inkrafttreten des ZDG zu einer Arbeitsleistung verurteilt worden sind (Barras-Reform) und deren Verurteilung zur Arbeitsleistung in eine Verpflichtung zur Zivildienstleistung umgewandelt wurde, gelten als zivildienstpflichtige Personen, auf welche Artikel 81 angewendet wird.

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Absatz 2 und 3 entsprechen der bisherigen Regelung mit redaktionellen Anpassungen. In allen Fällen hat die Umrechnung der Arbeitsleistungstage in Zivildiensttage bereits stattgefunden; sie wurde rechtskräftig verfügt. Der zweite Satz des bisherigen Absatz 1 kann deshalb gestrichen werden.

Art. 83a

Erlöschen der Anerkennung von Tätigkeitsbereichen

Einsatzbetriebe werden mittels Verfügung auf unbestimmte Zeit anerkannt. Begünstigende Verfügungen können nur unter bestimmten (restriktiven) Voraussetzungen widerrufen werden, u.a. wenn dies in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen ist. Artikel 83a schafft die Voraussetzung dafür, dass Anerkennungen aus dem Tätigkeitsbereich der Forschung (ein Tätigkeitsbereich, welcher aufgehoben wird) widerrufen werden können.

2.3.2

Änderungen anderer Erlasse

2.3.2.1

Strafgesetzbuch (StGB)

Artikel 360bis Absatz 2 Buchstabe j (neu) Mit dieser Änderung erhält die Vollzugsstelle neu die Kompetenz, Personendaten über Verurteilungen im Zentralstrafregister einzusehen. Wer ein Zivildienstgesuch stellt, war bisher verpflichtet, diesem einen Auszug aus dem Zentralstrafregister bei6196

zulegen. Insbesondere bei Gesuchen aus Rekrutenschulen, welche prioritär zu bearbeiten sind, kommt es bisweilen zu Verzögerungen, weil der entsprechende Strafregisterauszug nicht rechtzeitig beschafft worden ist. Mit einem Online-Zugriff erhält die Vollzugsstelle die Möglichkeit, die entsprechenden Daten direkt und ohne Verzögerung zu erheben. Die Strafregisterbehörden werden entsprechend entlastet. In Artikel 16a wurde davon abgesehen, alle gesuchstellenden Personen zu verpflichten, einen aktuellen Strafregisterauszug einzureichen. Eine zusätzliche Notwendigkeit, auf die Strafregisterdaten zugreifen zu können, liegt dann vor, wenn eine zivildienstpflichtige Person infolge Verurteilung vorübergehend oder dauernd von der Zivildienstleistung ausgeschlossen werden soll (Art. 12).

2.3.2.2

Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 über den Wehrpflichtersatz (WPEG)

Artikel 8 Absatz 1bis, Artikel 15 Absatz 2, Artikel 19 Absatz 2 Mit der Reduktion des Faktors von 1,5 auf 1,3 ist im gleichen Verhältnis auch die Anzahl der gemäss WPEG zu leistenden Diensttage zu reduzieren, welche zu leisten sind, damit ein Dienst als erfüllt gilt und keine Ersatzpflicht mehr ausgelöst wird.

Im Vernehmlassungsverfahren sprachen sich einzelne Kantone für eine Neuregelung der Abstufung der Ersatzabgabe auf Grund der geleisteten Diensttage aus (Art. 19 WPEG). Die vorgeschlagene Lösung hat zum Ziel, dass diejenige dienstpflichtige Person, die bereits 90 Prozent ihrer Dienstleistungspflicht erfüllt hat, nur noch einen Zehntel der Ersatzabgabe bei Dienstverschiebung oder bei vorzeitiger Entlassung aus der Dienstpflicht zu entrichten hätte. Dabei wäre die Abstufung betreffend militärdienstpflichtige Personen je nach Grad auszugestalten. Diese Anliegen sollen nicht weiterverfolgt werden. Nur eine Minderheit der Kantone steht hinter ihnen.

Die bisherige Abstufung der Ersatzabgabe nach Diensttagen soll beibehalten werden, weil eine nach Graden abgestufte Reduktion dem Umstand nicht Rechnung trägt, dass die Ersatzpflicht für alle Grade gleich lange dauert. Zudem liesse sich eine entsprechende Differenzierung im Zivildienst nicht vornehmen.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen

Kostenfolgen haben die folgenden Gesetzesänderungen: ­

Reduktion des Faktors von 1,5 auf 1,3 (Art. 8): Diese Reduktion könnte in zweierlei Hinsicht finanzielle Auswirkungen haben: einerseits in der Form von Mehrkosten durch eine Zunahme der Zahl der Zulassungsgesuche, weil der Zivildienst attraktiver erscheint, und andererseits in der Form von Minderkosten, weil infolge der kürzeren Dienstdauer eine geringere Anzahl von Zivildiensttagen infolge kürzerer Dienstdauer geleistet wird.

­ Betreffend Zunahme der Zahl von Zulassungsgesuchen: Es muss davon ausgegangen werden, dass die Dauer des Zivildienstes nur solche Personen hinsichtlich einer Gesuchseinreichung beeinflusst, welche sich

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vom Zivildienst eine einfachere Dienstleistung als im Militärdienst versprechen. Einerseits ist eine solche Grundhaltung nicht Ausdruck einer moralischen Forderung. Andererseits wird für solche Personen nicht nur der Zivildienst mit seiner kürzeren Dauer attraktiver, sondern auch die Dienstleistung in der Armee mit ihren neuen Möglichkeiten wie Durchdienermodell, vermehrten Auslandeinsätzen usw. Zudem wird vermutlich auch weiterhin eine Person, die eine möglichst geringe Dienstleistung erbringen will, versuchen, sich aus medizinischen Gründen ausmustern zu lassen. Ob sich durch die Reduktion des Faktors eine Gesuchszunahme und damit Mehrkosten ergeben werden, lässt sich deshalb kaum sagen. Bereits die Botschaft vom 22. Juni 1994 zum Erlass des Zivildienstgesetzes hat festgestellt, dass eine Feinsteuerung der Dauer im Zehntelsbereich vermutlich kaum eine spürbare Wirkung entfalten würde (BBl 1994 III 1640). Auch nach einer Verkürzung des Faktors rechnet der Bundesrat nicht damit, dass die in der Botschaft von 1994 genannte Zahl von maximal 2500 Gesuchen jährlich erreicht wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine kurzfristige Änderung der sicherheitspolitischen Lage eine wesentlich nachhaltigere Wirkung auf die Gesuchszahlen haben würde als die Reduktion der Dauer des Zivildienstes um rund 13 Prozent.

Betreffend die Zahl der Zivildiensttage: Eine deutliche Reduktion der Zahl der Diensttage und damit spürbare Einsparungen im Vollzug sind ebenfalls nicht zu erwarten. Die Gesamtzahl der Zivildiensttage dürfte höchstens leicht abnehmen. Hatte bei der Einführung des Zivildienstes ein Grossteil der gesuchstellenden Personen bereits die Rekrutenschule und einen oder mehrere Wiederholungskurse geleistet, so nimmt nun die Zahl derjenigen gesuchstellenden Personen, die überhaupt keinen Militärdienst geleistet haben, ständig zu. Die durchschnittliche Anzahl der pro Person zu leistenden Zivildiensttage betrug bei Einführung des Gesetzes ca. 270 Tage. Sie bewegt sich momentan im Bereich von 320 Tagen und dürfte sich nach einer Verkürzung der Dienstdauer bei ca. 300 Tagen einpendeln. Wesentliche Einsparungen sind deshalb nicht zu erwarten.

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Einsätze zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen (Art. 7a): Mehrkosten ergeben sich allein in denjenigen Fällen, in denen die Vollzugsstelle selbst als Einsatzbetrieb auftritt und gegenüber den Zivildienst leistenden Personen die Leistungen nach Artikel 29 (Sold, Arbeitskleider, Unterkunft, Verpflegung, Arbeitswegkosten) erbringt sowie die Materialkosten übernimmt und personelle Kapazitäten zur Vorbereitung und Leitung der Einsätze zur Verfügung stellt. Der Umfang der Kostenübernahme durch den Bund hängt ab von deren Regelung auf der Verordnungsstufe. Das Globalbudget der Vollzugsstelle dürfte hierfür pro Jahr mit wenigen 100 000 Franken belastet werden.

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Überschreitung der Gesamtdienstdauer bei Auslandeinsätzen (Art. 8 Abs. 2): Für den Bund fallen bei dieser Regelung keine direkten Kosten an, da die Einsatzbetriebe für diese aufkommen müssen. Mehrkosten fallen aber auf Seiten der Erwerbsersatzordnung an, doch dürften diese recht beschei-

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den ausfallen, wird doch auf Grund der weiterhin einschränkenden Regelung die Zahl der Auslandeinsätze nicht stark zunehmen.

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Zusammenlegung des Zulassungsverfahrens mit den Rekrutierungszentren der Armee XXI (vgl. Ziff. 2.1.4.3): Die allfällige dezentrale Durchführung des Zulassungsverfahrens wird zweifellos gewisse Mehrkosten nach sich ziehen. An Stelle eines Anhörungsstandortes gäbe es mehrere mit der entsprechend notwendigen Infrastruktur. Um einen lückenlosen Betrieb sicherzustellen, wären mehrere zusätzliche Stellen erforderlich, so dass Mehrkosten zwischen 500 000 und 1 Million Franken pro Jahr denkbar sind. Hinzu kämen einmalige Kosten für Umzug, Neueinrichten der Arbeitsplätze, Personalfluktuation infolge Umstrukturierung usw. Diese möglichen Mehrkosten dürften allerdings nicht isoliert betrachtet werden. Eine allfällige Dezentralisierung des Zulassungsverfahrens wäre in den Gesamtzusammenhang der Rekrutierung XXI zu stellen und verursachte ihren Nutzen vor allem zu Gunsten der stellungspflichtigen Personen und der Armee. Mit der neu gestalteten Rekrutierung soll verhindert werden, dass es im Anschluss an die Aushebung zu einer grossen Anzahl von Ausmusterungen aus der Armee kommt. Wer militärdienstuntauglich ist, soll als solcher in der Rekrutierung erfasst werden, nicht erst nach einer unter Umständen grösseren Anzahl geleisteter Militärdiensttage. Dasselbe Ziel gilt für die Zulassung zum Zivildienst: Auch das Zulassungsverfahren soll so ausgestaltet werden, dass künftige zivildienstwillige Personen gar nicht erst in die Bestandeslisten für die Rekrutenschulen aufgenommen werden. Damit ist ein beachtlicher Spareffekt verbunden.

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Zuständigkeit für das Zulassungsverfahren allein bei der Kommission (Art. 18): Diese Kompetenzverschiebung zieht keine Kostenfolgen nach sich (die Kostenneutralität war betreffend diesen Punkt der Revision eine Vorgabe), da an der Struktur der Zulassungskommission keine Änderungen vorgenommen werden sollen. Die administrative Begleitung des Zulassungsverfahrens und die Unterstützung der Zulassungskommission in ihrer Arbeit erfolgen wie bis anhin durch die Vollzugsstelle.

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Übernahme der Fahrkosten zu den Anhörungen (Art. 18d): Soweit das Zulassungsverfahren im Rahmen der Rekrutierung stattfindet, entstehen keine zusätzlichen Transportkosten zu Lasten des Zivildienstes. Nimmt man an, dass zumindest bei Einführung der Neuregelung rund die Hälfte der gesuchstellenden Personen ihr Gesuch erst nach Abschluss der Rekrutierung einreicht, wären in maximal 1000 Fällen die Transportkosten zu vergüten. Erfahrungsgemäss werden rund 60 Prozent der ausgegebenen Transportgutscheine (Durchschnittskosten Fr. 35.­) eingelöst. Somit ergeben sich aus dieser Lösung jährliche Mehrkosten im Umfang von 21 000 Franken.

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Aufhebung der Anerkennungskommission (Art. 42): Der Gesamtaufwand für die Anerkennungskommission beträgt jährlich rund 63 000 Franken. Es entstehen Einsparungen in der genannten Grössenordnung.

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3.2

Personelle Auswirkungen

Die Finanzplanung und der Leistungsauftrag der Vollzugsstelle für den Zivildienst betreffend die Jahre 2002­2005 gehen davon aus, dass der seit 1996 bewilligte Stellenplafond um 10,5 Stellen auf 38 Stellen ausgeweitet wird (für eine FLAG-Institution geht es dabei nicht mehr um Etatstellen, sondern um Kredit-Äquivalente).

Dieser Mehrbedarf ergibt sich infolge der Mengenausweitungen der letzten vier Jahre sowie im Zusammenhang mit der allfälligen Dezentralisierung der Anhörungen, d.h. er ist keine Folge der vorliegenden Gesetzesrevision.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Gesetzesrevision gehen im Wesentlichen in zwei Richtungen.

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Die Verkürzung der Dienstzeit und die Möglichkeit, den Zivildienst in jüngeren Jahren zu leisten, bringen eine Entlastung für die Wirtschaft, insbesondere die KMU, und für die betroffenen Arbeitnehmenden. Die lange Dauer des Zivildienstes (maximal 450 Tage) bedeutet vor allem für KMU eine Belastung. Im Einzelfall hat sie die Arbeitsuche von zivildienstpflichtigen Personen erschwert. Mit dem vorgeschlagenen neuen Faktor 1,3 werden zivildienstpflichtige Personen und deren Arbeitgeber zwar immer noch stärker belastet als infolge der Militärdienstpflicht, diese Mehrbelastung hält sich aber in einem vertretbaren Rahmen.

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Durch die Ausrichtung auf Wirkungsziele und die Durchführung von Schwerpunktprogrammen wird der Zivildienst einen verstärkten gesamtgesellschaftlichen Nutzen erzielen (vgl. Ziff. 2.1.3.1 vorstehend), ohne dass vom Prinzip der Arbeitsmarktneutralität der Zivildiensteinsätze abgewichen wird. Im Gegenteil können z.B. durch die Fokussierung der Einsätze auf die Bewältigung der Folgen von Katastrophen und Notlagen sowie auf die humanitäre Hilfe Einsatzfelder abgedeckt werden, betreffend welche die Problematik der Konkurrenzierung ziviler Arbeitsplätze weniger ausgeprägt ist als in anderen Bereichen.

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Legislaturplanung

Die Vorlage wird im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 vom 1. März 2000 unter Ziel 3 «Die Schweiz als Heimat für alle ihre Bewohnerinnen und Bewohner ­ Identitätsraum für alle Generationen schaffen», Richtlinie 3.1 «Soziale Sicherheit und Gesundheit» als weiteres Geschäft angekündigt (BBl 2000 2337).

Diese Teilrevision erfolgt grundsätzlich mit dem selben Zeithorizont wie die Revision des Militärgesetzes. Unter Vorbehalt der Beratungen im Parlament und eines allfälligen Referendums ist es möglich, die Inkraftsetzung der Militärgesetzgebung gestaffelt ab 2003 vorzunehmen. Die allfällige Integration der Anhörungen in die Rekrutierungszentren der Armee XXI wäre schon auf einen früheren Zeitpunkt hin möglich. Entsprechende Entscheide sind Teil der Organisationsautonomie der Vollzugsstelle. Sie hängen nicht von der Revision des ZDG ab.

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5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Zivildienstrecht basiert auf der allgemeinen Wehrpflicht. Diese weist in den im Rahmen dieser Revision interessierenden Belangen keine Schnittstellen zum europäischen Recht auf. Die Feststellungen in der Botschaft vom 22. Juni 1994 zum ZDG (BBl 1994 III 1608) gelten weiterhin vollumfänglich.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Gesetzesrevision enthält keine Punkte, welche unter einem verfassungsrechtlichem Blickwinkel problematisch sind. Die entsprechenden Ausführungen in der Botschaft von 1994 gelten deshalb weiterhin.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

In folgenden Artikeln sind neu Rechtsetzungsdelegationen an den Bundesrat vorgesehen: Artikel 4 Absatz 4, Artikel 7a Absatz 3, Artikel 8 Absatz 1, Artikel 14 Absatz 4, Artikel 16a Absatz 1, Artikel 18 Absatz 4, Artikel 18a Absatz 2, Artikel 22 Absatz 3, Artikel 36 Absatz 5 und Artikel 83 Absatz 4.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeiner Teil 6130 1.1 Ausgangslage 6130 1.1.1 Warum eine Revision des Zivildienstgesetzes?

6130 1.1.2 Erfahrungen im bisherigen Vollzug des Zivildienstes 6131 1.1.2.1 Zulassungsverfahren zum Zivildienst 6132 1.1.2.1.1 Verfahren vor erster Instanz 6132 1.1.2.1.2 Verfahren vor der Rekursinstanz 6133 1.1.2.1.3 Folgen der Ablehnung des Zulassungsgesuchs 6135 1.1.2.1.4 Zahl der zivildienstpflichtigen Personen 6135 1.1.2.1.5 Effizienz und Effektivität des Zulassungsverfahrens 6135 1.1.2.2 Verfahren der Anerkennung von Einsatzbetrieben; Überblick über Einsatzbereiche und Trägerschaften 6136 1.1.2.3 Einsatz zivildienstpflichtiger Personen 6138 1.1.2.3.1 Geleistete Einsätze 6138 1.1.2.3.2 Auslandeinsätze 6139 1.1.2.3.3 Probleme im Vollzug der Einsätze 6140 1.1.2.3.4 Abgabepflicht der Einsatzbetriebe 6142 1.1.2.3.5 Effizienz und Effektivität der Einsätze 6142 1.1.3 Schwächen, welche dem heutigen Gesetz anhaften 6142 1.1.3.1 Das Fehlen von Aufträgen und Wirkungszielen 6142 1.1.3.2 Das Fehlen einer authentischen Interpretation von Artikel 1 ZDG 6143 1.1.3.3 Zwingende Anhörung von gesuchstellenden Personen 6143 1.1.3.4 Säumige gesuchstellende Personen 6144 1.1.3.5 Abschluss von Disziplinarverfahren 6144 1.1.4 Der Zivildienst im europäischen Umfeld 6144 1.1.4.1 Im Allgemeinen 6144 1.1.4.2 Der Zivildienst in Deutschland 6147 1.1.4.3 Der Zivildienst in Österreich 6148 1.2 Leitbild des Zivildienstes 6150 1.3 Künftiger Revisionsbedarf ausserhalb dieser Vorlage: Änderungen im Militärstrafgesetzbuch 6150 1.4 Ziele der vorliegenden Revision des ZDG 6151 1.5 Fazit: Ein neues Konzept für einen «Zivildienst nach 2000»?

6152 2 Besonderer Teil 2.1 Inhalt der Revision 2.1.1 Überblick 2.1.2 Reaktionen auf die Revision des Militärgesetzes, Abstimmung mit dem Projekt Armee XXI (Art. 11, 20, 81 und 82) 2.1.3 Korrektur der Schwächen des bisherigen Zivildienstgesetzes 2.1.3.1 Festlegen von Aufträgen und Zielen (Art. 3a, 4, 7 und 7a) 6202

6153 6153 6153 6153 6153 6153

2.1.3.2 Das Fehlen einer authentischen Interpretation von Artikel 1 (Art. 1 Abs. 2 und 3 und Art. 18b) 6156 2.1.4 Anpassungen zur Optimierung des Vollzugs des Zivildienstes 6157 2.1.4.1 Dauer des Zivildienstes (Art. 8) 6157 2.1.4.2 Ausserordentliche Zivildienstleistungen (Art. 14) 6159 2.1.4.3 Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, Koordination von Rekrutierung und Zulassungsverfahren (Art. 16) 6159 2.1.4.4 Optimierung des Zulassungsverfahrens (Art. 18, 18a, 18c und 18d) 6160 2.1.4.5 Anerkennung von Einsatzbetrieben (Art. 42 und 43) 6162 2.2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 6162 2.2.1 Allgemeine Bemerkungen 6162 2.2.2 Zusammenfassung der Stellungnahmen zu den wichtigsten Bestimmungen des Revisionsentwurfs 6163 2.2.3 Zusätzliche Anregungen, die über den Vernehmlassungsentwurf hinausgehen 6165 2.3 Erläuterungen zum Gesetzesentwurf 6165 2.3.1 Änderung des Bundesgesetzes über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz, ZDG) 6165 2.3.2 Änderungen anderer Erlasse 6196 2.3.2.1 Strafgesetzbuch (StGB) 6196 2.3.2.2 Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 über den Wehrpflichtersatz (WPEG) 6197 3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle Auswirkungen 3.2 Personelle Auswirkungen 3.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen

6197 6197 6200 6200

4 Legislaturplanung

6200

5 Verhältnis zum europäischen Recht

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6 Rechtliche Grundlagen 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

6201 6201 6201

Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Entwurf)

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