9.2.3

Botschaft zum Notenaustausch mit dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Gleichbehandlung in den Bereichen Zugang zum Treuhänderberuf und Förderung des Wohnungsbaus vom 10. Januar 2001

9.2.3.1

Allgemeiner Teil

Anlässlich der Anpassung des schweizerisch-liechtensteinischen Vertragsverhältnisses infolge des EWR-Beitritts des Fürstentums Liechtenstein wurde am 2. November 1994 eine Gemeinsame Erklärung zu Gleichbehandlungsfragen unterzeichnet (Botschaft vom 2. November 1994, BBl 1994 V 661). Darin erklärten sich die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein bereit, Möglichkeiten weiterer Gleichbehandlung auf Gegenseitigkeit der beiderseitigen Staatsangehörigen und juristischen Personen zu prüfen in dem Masse, als das Fürstentum Liechtenstein im Rahmen des EWR nach Ablauf von Übergangsfristen oder infolge der Weiterentwicklung des EWRRechts zusätzliche Liberalisierungen vornimmt.

Im Laufe der Jahre 1998 und 1999 wurde im Fürstentum Liechtenstein das Verfahren zur Liberalisierung der gesetzlichen Bestimmungen betreffend den Zugang zum Treuhänderberuf einerseits sowie zur Schaffung eines neuen Gesetzes betreffend Förderung des preiswerten Wohnungsbaus andererseits durchgeführt.

Parallel dazu erarbeitete die Arbeitsgruppe «Personenverkehr» der schweizerischliechtensteinischen Gemischten Kommission für die Durchführung der Vereinbarung zum Zollvertrag den Entwurf für eine diesbezügliche Vereinbarung im Hinblick auf die Gleichstellung der Angehörigen beider Staaten in diesen Bereichen.

Nachdem dieser Entwurf, zusammen mit den Gesetzesvorlagen, von der Fürstlichen Regierung und vom liechtensteinischen Landtag noch vor Ende 1999 genehmigt worden war, genehmigte der Bundesrat mit Beschluss vom 10. Januar 2000 diesen Vereinbarungsentwurf in Form eines Notenaustausches. Letzterer wurde am 1./8. Februar 2000 vollzogen.

Die Revision des Treuhändergesetzes trat, wie vorgesehen, am 1. Januar 2000 in Kraft (Gesetz vom 21. Oktober 1999 betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Treuhänder, LGBl. Nr. 241, 1999). Dagegen wurde gegen das neue Wohnbauförderungsgesetz, das am 1. März 2000 hätte in Kraft treten sollen, das Referendum ergriffen, worauf die Vorlage am 27. Februar 2000 von den Stimmberechtigten abgelehnt wurde. Der diesbezügliche Teil der Vereinbarung wurde dadurch jedoch nicht gegenstandslos, sondern bezieht sich nun auf das bisher bzw. weiterhin geltende liechtensteinische Wohnbauförderungsgesetz (Gesetz vom 30. Juni 1977 zur Förderung des Wohnungsbaues, LGBl. Nr. 46, 1977).

Für die Gleichstellung der
beiderseitigen Staatsangehörigen mit Niederlassung im jeweiligen Nachbarstaat wurde der Einfachheit halber eine einzige Vereinbarung in Form eines Notenaustausches vorgesehen. Diese wird seit dem Vollzug des Notenaustausches vorläufig angewendet. Die Vereinbarung wird in Kraft treten, sobald sich die Parteien den Abschluss der dafür erforderlichen innerstaatlichen Verfahren mitgeteilt haben.

2000-2791

1037

Es ist beizufügen, dass die bilateralen Beziehungen Schweiz­Liechtenstein im Bereich «Personenverkehr» zurzeit gesamthaft überprüft werden, einerseits im Zusammenhang mit der Neuregelung der diesbezüglichen Bestimmungen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den EWR-Staaten1, andererseits im Lichte des sektoriellen Abkommens über die Freizügigkeit im Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EG und dessen allfälliger «Ausdehnung» auf die EFTA-Staaten. Es handelt sich also beim vorliegenden Notenaustausch um eine aus aktuellem Anlass im Interesse unserer Mitbürger im Fürstentum vorgezogene Lösung zweier spezifischer Fragen.

9.2.3.2 9.2.3.2.1

Besonderer Teil Grundsatz

Es wird festgestellt, dass die liechtensteinischen Staatsangehörigen mit Niederlassungsbewilligung gemäss den Gesetzesbestimmungen von Bund und Kantonen bezüglich des Zugangs zum Treuhänderberuf und der Förderung des Wohnungsbaus schweizerischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind (Ziff. 1).

Umgekehrt sind im Fürstentum Liechtenstein ­ mit Inkrafttreten der erwähnten neuen Bestimmungen ­ schweizerische Staatsangehörige mit Niederlassungsbewilligung bezüglich des Zugangs zum Treuhänderberuf und der Förderung des Wohnungsbaus jeweils auf der Grundlage des Gegenrechts liechtensteinischen Staatsangehörigen gleichgestellt (Ziff. 2).

9.2.3.2.2

Änderung der Vereinbarung vom 6. November 1963

Gestützt auf die geschilderte ­ im Fürstentum Liechtenstein neue ­ Rechtslage wird die Vereinbarung vom 6. November 1963 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über die fremdenpolizeiliche Rechtsstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen im andern Vertragsstaat (SR 0.142.115.142) wie folgt geändert: In Artikel 3bis wird, was den Anspruch der schweizerischen Staatsangehörigen mit Niederlassungsbewilligung im Fürstentum Liechtenstein auf die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit betrifft, der bisherige Vorbehalt liechtensteinischer gewerbepolizeilicher Vorschriften und abweichender Bestimmungen für Treuhänder aufgehoben.

Artikel 9bis wird durch einen neuen Absatz 2 ergänzt, wonach schweizerische Staatsangehörige mit Niederlassungsbewilligung im Fürstentum Liechtenstein bezüglich der Förderung des Wohnungsbaus den liechtensteinischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind, soweit die Schweiz den liechtensteinischen Staatsangehörigen in der Schweiz Gegenrecht gewährt.

1

Eine Einigung zwischen dem Fürstentum und den EWR-Staaten ist im Rahmen des Gemischten EWR-Ausschusses am 17. Dezember 1999 nach fast zweijährigen harten Verhandlungen zu Stande gekommen. Liechtenstein wird damit den Zugang von Angehörigen der EWR-Staaten weiter und mindestens bis zum 31. Dezember 2006 beschränken können.

1038

9.2.3.2.3

Schweizerische Erklärung bezüglich des Zugangs liechtensteinischer Staatsangehöriger zum Treuhänderberuf

Bezüglich des Zugangs zum Treuhänderberuf erklärt die schweizerische Seite, dass liechtensteinische Staatsangehörige mit Niederlassungsbewilligung in der Schweiz gemäss den Gesetzgebungen der Kantone schweizerischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind.

Die Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) ist von der Direktion für Arbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft konsultiert worden und hat diese Rechtslage im Namen der Kantone bestätigt.

9.2.3.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone

Die geänderte Vereinbarung hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen für Bund und Kantone.

9.2.3.4

Legislaturplanung

Der Notenaustausch entspricht dem Inhalt von Ziel 1 (Verbesserung der internationalen Mitwirkungsmöglichkeiten; R2 Mitwirkung der Schweiz am europäischen Integrationsprozess) im Rahmen der bilateralen Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein und den unter den Parlamentsgeschäften 1999­2003 diesbezüglich aufgeführen Abkommen des Berichtes über die Legislaturplanung 1999­2003 (BBl 2000 2276).

9.2.3.5

Verhältnis zum europäischen Recht

Der Notenaustausch hat die Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen mit Niederlassungsbewilligung im anderen Vertragsstaat in den Bereichen Zugang zum Treuhänderberuf und Förderung des Wohnungsbaus zum Inhalt, in denen das Fürstentum Liechtenstein als EWR-Mitglied seine Gesetzgebung liberalisiert bzw.

dem EWR-Recht angepasst hat.

9.2.3.6

Verfassungsmässigkeit

Durch die Vereinbarung wird die Rechtsstellung der Schweizer Bürger mit Niederlassung im Fürstentum Liechtenstein betreffend den Zugang zum Treuhänderberuf sowie die Wohnbauförderung verbessert. Demgegenüber ist das Gegenrecht für liechtensteinische Staatsangehörige in der Schweiz auf Grund der Gesetzgebungen des Bundes und der Kantone bereits heute gegeben. Indessen bestätigt der Bund für die Kantone diese Gleichstellung im Bereich Treuhänder, also im Kompetenzbereich der Kantone, während im Bereich Wohnbauförderung die Gleichstellung sich nach dem von der Schweiz gewährten, in der Vereinbarung nicht näher definierten Gegenrecht richtet.

1039

Analog der Praxis bei der Anpassung der erwähnten Vereinbarung vom 6. November 1963 infolge des EWR-Beitritts des Fürstentums Liechtenstein ist der Notenaustausch gemäss Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung von den eidgenössischen Räten zu genehmigen. Wie damals neu eine Bestimmung über den Grundstückserwerb in die Vereinbarung aufgenommen wurde, ist dies heute eine Bestimmung über die Wohnbauförderung. Zudem wird die Gleichbehandlung betreffend den Zugang zum Treuhänderberuf festgeschrieben.

Damit betroffene Schweizer Bürger bereits mit dem Inkrafttreten der neuen liechtensteinischen Bestimmungen von der vereinbarten Gleichstellung profitieren können, hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (SR 946.201) beschlossen, die vorliegende Vereinbarung ab 8. Februar 2000 vorläufig anzuwenden.

Die geänderte Vereinbarung vom 6. November 1963 bleibt wie bisher jederzeit kündbar (Art. 10 Abs. 2). Sie sieht weder einen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt sie zu einer multilateralen Rechtsvereinheitlichung. Sie unterliegt somit nicht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

1040