01.017 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Ukraine vom 21. Februar 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 30. Oktober 2000 unterzeichnete Abkommen mit der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Februar 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2001-0216

Übersicht Am 30. Oktober 2000 wurde mit der Ukraine ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet. Bis zum Inkrafttreten des neuen Abkommens findet im Verhältnis zur Ukraine das alte schweizerisch-sowjetische Abkommen über Steuerfragen vom 5. September 1986, welches allerdings keine umfassende Regelung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung beinhaltet, noch weiter Anwendung.

Das neue Abkommen bietet Personen mit steuerlichen Bezugspunkten zu beiden Staaten und speziell den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen institutionellen Schutz im Fiskalbereich.

Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen westlichen Staaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden. Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens im Vernehmlassungsverfahren befürwortet.

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Botschaft 1

Vorgeschichte

Die Ukraine erlangte nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 den Status eines souveränen Staates. Das Land hat die Staatsform einer Republik nach präsidialem Muster. Es ist Mitglied zahlreicher internationaler Organisationen und Institutionen wie beispielsweise UNO, Bretton-Woods-Institutionen, EBRD, Europarat, OSZE und GUS.

Nach ihrer Unabhängigkeit erlebte die Ukraine eine schwere wirtschaftliche Rezession, welche die gesamte industrielle Produktion einschloss. Der Industriesektor war zuvor völlig auf den planwirtschaftlichen Leistungsaustausch innerhalb der ehemaligen Sowjetunion und ihrer Partnerstaaten ausgerichtet gewesen und erwies sich unter den neuen ökonomischen Rahmenbedingungen in vielen Bereichen als veraltet.

Das Land bedarf weiterer Strukturreformen sowie ausländischer Investitionen und Finanzhilfe.

Unter den GUS-Staaten ist die Ukraine der zweitgrösste Handelspartner der Schweiz. 1996 konnte bereits ein Handels- und Kooperationsabkommen, 1997 ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen werden. Es bestehen Investitionen schweizerischer Unternehmen in der Ukraine. Wichtigster Handelspartner der Ukraine ist Russland.

Am Ende von insgesamt vier Runden konnten die 1996 aufgenommenen Verhandlungen am 30. Juni 2000 mit der Paraphierung des Entwurfes eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen in Bern abgeschlossen werden.

Nachdem die Kantone und interessierten Wirtschaftskreise sich gegenüber dem Abkommen zustimmend geäussert hatten, wurde das Vertragswerk am 30. Oktober 2000 in Kyiv (Kiew) unterzeichnet.

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Bemerkungen zu den Bestimmungen des Abkommens

Der Entwurf des Doppelbesteuerungsabkommens folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis auf diesem Gebiet. Wir beschränken uns deshalb im Folgenden darauf, die wesentlichsten Abweichungen vom Musterabkommen bzw.

von der schweizerischen Vertragspraxis zu erläutern und auf zentrale Merkmale des Abkommens hinzuweisen.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen.

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Art. 5

Betriebstätten

Lagerhäuser und andere Räumlichkeiten, die als Verkaufsstellen dienen, werden ausdrücklich zu Betriebstätten erklärt.

In der Liste der Ausnahmen werden Werbung, Informationsverbreitung und Forschung als Hilfstätigkeiten anerkannt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Der Entwurf folgt dem im Musterabkommen der OECD festgelegten Grundsatz, dass eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr zugerechnet werden können.

In einer Protokollbestimmung wird hinsichtlich der Einkommenszuordnung näher umschrieben, dass einer Betriebstätte nicht das ganze Entgelt, sondern nur jener Teil des Entgelts zugerechnet werden kann, welcher den tatsächlichen Beiträgen und Funktionen einer solchen Betriebstätte entspricht.

Das Protokoll ordnet im Weiteren Leasinggebühren für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von industriellen, kommerziellen oder wissenschaftlichen Ausrüstungsgegenständen ausdrücklich dem Abkommensartikel über die Unternehmensgewinne zu.

Art. 8

Internationaler Verkehr

Der Artikel sieht für Gewinne, die im internationalen Verkehr erzielt werden, das ausschliessliche Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Unternehmens vor.

Diese Bestimmung gilt nicht nur für Gewinne aus dem internationalen Schiffs- und Luftverkehr, sondern auch für Gewinne aus internationalen Strassentransporten.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Beide Seiten einigten sich darauf, in Absatz 3 die Befristung für die Vornahme von Gewinnberichtigungen auf fünf Jahre festzulegen, vorbehaltlich Fälle von Betrug oder vorsätzlicher Unterlassung.

Art. 10

Dividenden

Im Beteiligungsverhältnis wird die Steuer zu Gunsten des Quellenstaats auf 5 Prozent begrenzt, wenn die Beteiligung mindestens 20 Prozent des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft beträgt. In allen anderen Fällen beträgt sie höchstens 15 Prozent.

Art. 11

Zinsen

Die Quellensteuer auf Zinsen wird generell auf 10 Prozent begrenzt. Im Sinne einer Ausnahmeregelung gilt der Nullsatz für Kreditverkäufe von industriellen, kommerziellen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen und von Waren, für Bankdarlehen sowie für Zinsen, die an den anderen Vertragsstaat oder eine seiner politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften gezahlt werden.

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Art. 12

Lizenzgebühren

Die Quellensteuer auf Lizenzgebühren, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Urheberrechten an literarischen oder künstlerischen Werken einschliesslich kinematografischer Filme und Filme oder Kassetten für Radio- oder Fernsehausstrahlungen bezahlt werden, wird auf 10 Prozent begrenzt.

In allen anderen Fällen steht das ausschliessliche Besteuerungsrecht für Lizenzgebühren dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers zu.

Soweit Lizenzgebühren von der in einem Vertragsstaat gelegenen Betriebstätte eines Unternehmens getragen werden, gelten die Lizenzgebühren als aus diesem Vertragsstaat stammend.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Das Recht zur Besteuerung von Kapitalgewinnen auf der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Aktiven hauptsächlich aus in einem Vertragsstaat belegenem unbeweglichem Vermögen bestehen, steht diesem Staat zu.

Art. 17

Künstler und Sportler

Entsprechend der Vertragspraxis der Schweiz erfolgt die Besteuerung am Tätigkeitsort grundsätzlich auch für Einkünfte, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler für dessen Auftreten zufliessen. Diese Besteuerung tritt nicht ein, wenn nachgewiesen werden kann, dass weder der Künstler oder Sportler noch mit ihm verbundene Personen an den Gewinnen dieser anderen Person beteiligt sind.

Die Bestimmungen von Artikel 17 finden auch dann keine Anwendung, wenn die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers direkt oder indirekt in erheblichem Umfang aus öffentlichen Mitteln stammen.

Art. 18 und 19 Ruhegehälter und Öffentlicher Dienst Eine Protokollbestimmung stellt sicher, dass der Ausdruck «Ruhegehälter» sowohl periodische Zahlungen als auch Kapitalleistungen erfasst.

Art. 21

Übrige Einkünfte

Das Abkommen übernimmt die Regelung betreffend übrige Einkünfte, wie sie im Musterabkommen der OECD enthalten ist. Quellensteuern auf Lotteriegewinnen werden der schweizerischen Abkommenspraxis entsprechend vom Anwendungsbereich dieses Artikels und damit des Abkommens ausgeschlossen.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die Ukraine vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode.

Die Schweiz wendet wie üblich die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt an und gewährt für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung. Schliesslich wird in Buchstabe c) von Absatz 1 festgehalten, dass Dividendeneinkünfte schweizerischer Unternehmen aus ukrainischer Quelle dieselbe steuerliche Entlastung geniessen wie Dividendeneinkünfte aus schweizerischen Quellen.

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Art. 24

Gleichbehandlung

Die Gleichbehandlungsklausel erstreckt sich auf sämtliche Steuern der Vertragsstaaten.

Art. 26

Informationsaustausch

Ins Abkommen wurde eine Auskunftsklausel aufgenommen, wie sie unter anderem bereits mit Kroatien, Mazedonien, der Mongolei, Kasachstan und Kirgisistan vereinbart worden ist. Der Austausch ist beschränkt auf Informationen, welche für die Durchführung der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens notwendig sind. Die übermittelten Informationen dürfen nur für die Veranlagung und den Einzug der vom Abkommen erfassten Steuern verwendet werden. Ausgeschlossen ist der Austausch von Informationen, die ein Handels-, Geschäfts-, Bank-, Industrieoder Berufsgeheimnis betreffen.

Art. 28

Inkrafttreten

Die Bestimmungen des Abkommens sind ab Anfang des Jahres anwendbar, welches dem Jahr nachfolgt, in dem das gegenseitige Notifikationsverfahren seinen Abschluss gefunden hat.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der in der Ukraine auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhobenen Quellensteuern. Die Einbussen, die sich aus der teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer an in der Ukraine ansässige Personen ergeben, dürften nur geringfügig ins Gewicht fallen. Die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 verankerte pauschale Steueranrechnung wird eine gewisse Belastung der schweizerischen Steuerhoheitsträger nach sich ziehen. Diese Einbussen, deren Ausmass mangels geeigneter Unterlagen nicht geschätzt werden kann, werden aber teilweise aufgewogen durch den Umstand, dass inskünftig die aus der Ukraine stammenden Einkünfte in der Schweiz mit dem Bruttobetrag besteuert werden, während bisher die ukrainische Quellensteuer zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden musste. Daraus wird sich im Allgemeinen eine Erhöhung des steuerbaren Einkommens ergeben.

Das neue Abkommen bringt wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen gegenüber dem bisherigen Zustand. Es darf erwartet werden, dass das Abkommen zur Förderung neuer schweizerischer Direktinvestitionen in der Ukraine beitragen und sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken wird. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben dessen Abschluss im Vernehmlassungsverfahren gutgeheissen. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage dieses Abkommens bildet Artikel 54 der Bundesverfassung vom 18. April 1999, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss unterliegt daher nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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Schlussfolgerungen

Das vorliegende Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es schafft Rechtssicherheit und bringt den schweizerischen Investoren eine erhebliche Entlastung von den ukrainischen Steuern. Das Abkommen dürfte sich allgemein günstig auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Ukraine auswirken.

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