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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Begnadigungsgesuch des J. St. Rohrer, Geschäftsagenten in Eiken (Aargau).

(Vom 19. Mai 1886.)

Tit.

Art. 7 des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen vom 24. Dezember 1880 lautet: Die Namen der patentirten Agenten, der Bevollmächtigten anerkannter Gesellschaften und ihrer Unteragenten werden sofort nach ihrer Eintragung in die amtliche Kontrole, sowie in jährlichen Zusammenstellungen durch das Bundesblatt veröffentlicht.

Den Personen, welche nicht auf diese Weise öffentlich bekannt gemacht sind, ist in der Schweiz jede auf die Beförderung von Auswanderern sich beziehende Publikation untersagt.

Eine Uebertretung der letztern Vorschrift hat sich Johann Stephan Rohrer, Geschäftsagent in Eiken (Aargau), zu Schulden kommen lassen, indem er unter Anderem in die Nummer 22 des in Laufenburg erscheinenden ,,Frickthaler" vom 17. März laufenden Jahres eine Annonce einrücken ließ, des Inhalts, daß bei ihm Auswanderungslustige ,,nach jeder Bequemlichkeit" Verträge abschließen können. Hiefür ist derselbe in Gemäßheit von Art. 16 des oben zitirten Gesetzes in eine Buße von Fr. 50 verfällt worden.

499 Mit Schreiben vom 18. April abbin richtet Rohrer das Gesuch aa die Bundesversammlung, es möchte dieselbe ihm die Buße in Gnaden erlassen. Zur Unterstützung dieses Gesuches macht er folgende Umstände geltend: Am 26. Februar 1886 sei ein Reisender der in Aarau domizilirten Auswanderungsagentur von Wirth-Herzog zu ihm gekommen, um ihm einige Geschäfte zu übertragen, bei welchem Anlaß er auch augegangen worden sei, Auswanderungslustige an die genannte Agentur zu weisen, oder, falls sich eine größere Zahl von Auswanderungslustigen finden sollte, dieselben darauf aufmerksam zu machen, daß ein Vertreter der Agentur nach Eiken kommen werde, um die Verträge abzuschließen. Der Reisende habe ihm für seine Bemühungen eine angemessene Provision versprochen. Auf diesen Antrag habe er erwidert, er werde keine Auswanderungslustige aufsuchen, falls sich aber solche an ihn wenden würden, dieselben an die genannte Agentur weisen. Bald darauf sei er im Falle gewesen, einige Inserate in den ,,Frickthaler11 einrücken zu lassen, und da habe er den Anlaß benutzt, am Schlüsse jener Inaerate zu bemerken, daß bei ihm auch Auswanderungsverträge abgeschlossen werden können. Daß es verboten sei, solche Publikationen zu erlassen, davon habe er nichts gewußt.

Des Fernern unterstützt Rohrer sein Gesuch damit, daß er Familienvater sei und sein Einkommen zur Unterhaltung seiner Familie nothwendig habe.

Der Bundesrath kann Ihnen die Entsprechung dieses Gesuches nicht empfehlen.

Daß sich Rohrer eine Verletzung von Art. 7, AI. 2, des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1880 hat zu Schulden kommen lassen, ist unbestritten; die ihm auferlegte Buße ist das im Art. 16 ejusd. leg. vorgesehene Minimum. Abgesehen davon, daß sich Niemand mit Unkenntoiß eines Gesetzes entschuldigen kann, nimmt sich die bezügliche Ausrede im Munde eines Geschäftsagenten eigenthümlich aus. Daß Petent Familienvater ist und sein Einkommen zum Unterhalt seiner Familie bedarf, diesen Umstand hat er mit einer großen Zahl von Bürgern gemein ; aber ein Grund zum Erlaß einer Buße von Fr. 50 läßt sich daraus nicht ableiten.

Angesichts der überaus großen Zahl von Unteragenten, die im Dienste der patentirten Auswanderungsagenten arbeiten, und der großen vielfach beklagten Leichtigkeit, mit der das Gesetz den Agenturen gestattet, sich mit Unteragenten zu versehen, erscheint vielmehr eine strenge Handhabung der einschlagenden Bestimmungen angezeigt. Es würde aber offenbar weder zu einer solchen Hand-

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habung noch zum Ansehen jenes Gesetzes überhaupt beitragen, wenn die Bundesversammlung, ohne daß ganz gewichtige Gründe vorliegen, die Wirkung von Erkenntnissen kantonaler Behörden, denen ein Theil der Vollziehung jenes Gesetzes obliegt, aufheben würde.

Mit dieser Auffassung geht auch die kantonale aargauische Behörde einig.

Allerdings erscheint auch das Verhalten der Agentur WirthHerzog in der Angelegenheit strafwürdig, und der Bundesrath hat nicht ermangelt, dieselbe zur Verantwortung zu ziehen. Aber dadurch wird Rohrer nicht entlastet, und wir b e a n t r a g e n Ihnen deßhalb : Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Stephan Rohrer abzuweisen.

Wir benutzen auch diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 19. Mai 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über das Begnadigungsgesuch des J.

St. Rohrer, Geschäftsagenten in Eiken (Aargau). (Vom 19. Mai 1886.)

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1886

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05.06.1886

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