zu 97.462 Parlamentarische Initiative StGB. Revision von Artikel 179quinquies zum Schutze des Geschäftsverkehrs Bericht vom 2. Mai 2001 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates Stellungnahme des Bundesrates vom 22. August 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen, gestützt auf Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes, unsere Stellungnahme zum Bericht und Antrag der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 2. Mai 2001 zur parlamentarischen Initiative «StGB. Revision von Artikel 179quinquies zum Schutze des Geschäftsverkehrs».

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. August 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2001-1492

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die geltenden Artikel 179bis und Artikel 179ter StGB bestrafen die Aufzeichnung eines nicht öffentlichen Telefongesprächs, falls dieses ohne Einwilligung aller daran Beteiligten erfolgt. Artikel 179quinquies StGB regelt die straflosen Ausnahmen. Als straflos gelten einzig die Aufzeichnungen von Notrufen für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste. Jede andere ohne Zustimmung der Beteiligten vorgenommene Aufzeichnung eines Telefongesprächs ist auf Antrag hin strafbar. Diese Regelung schränkt die Möglichkeiten namentlich der Banken, Devisenfachleute, Reiseveranstalter, aber auch der Journalisten, telefonisch abgewickelte Geschäfte aufzuzeichnen, stark ein.

Am 19. Dezember 1997 reichte Ständerat Bruno Frick eine parlamentarische Initiative betreffend Revision von Artikel 179quinquies StGB zum Schutze des Geschäftsverkehrs ein, welche das Ziel verfolgt, das Strafgesetzbuch so zu ändern, dass straflos bleibt, wer ein eigenes Gespräch für den nicht öffentlichen Gebrauch lediglich zum Zwecke aufzeichnet, um damit Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.

Am 10. Juni 1998 gab der Ständerat der Initiative einstimmig Folge und beauftragte seine Kommission für Rechtsfragen (nachstehend Kommission) mit der Ausarbeitung eines Entwurfs.

In ihrem Bericht vom 2. Mai 2001 beantragt die Kommission einstimmig einen neuen Artikel 179quinquies, der es einem Gesprächsteilnehmer oder einem Abonnenten eines beteiligten Anschlusses erlaubt, Fernmeldegespräche dann straflos aufzuzeichnen,

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wenn es sich um ein Fernmeldegespräch mit Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdiensten handelt,

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wenn alle Gesprächsteilnehmer vorgängig über die Aufzeichnung informiert worden sind,

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wenn es sich um ein Fernmeldegespräch unter Beteiligung einer Geschäftsperson handelt und dessen Aufzeichnung einzig dazu dient, über den geschäftlichen Inhalt Beweis zu führen.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die heutige Rechtslage den Realitäten und Bedürfnissen des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens nicht gerecht wird. Nachdem nämlich bis Ende 1997 die Aufzeichnung von Telefongesprächen durch Teilnehmer faktisch schrankenlos zulässig war, ist es im Zuge der Revision des Fernmeldegesetzes zu einem eigentlichen Paradigmawechsel gekommen: Die wesentlich restriktivere Fassung des geltenden Artikels 179quinquies StGB hat dazu geführt, dass die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte der Teilnehmer an einem Telefongespräch den Interessen an einer Aufzeichnung praktisch immer vor-

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gehen. Demnach bleibt nur noch straflos, wer für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Notrufe aufzeichnet. Der geltende Artikel 179quinquies hat zur Konsequenz, dass Gesprächsaufnahmen zur Beweissicherung oder Vermeidung von Missverständnissen im Geschäftsleben, wie sie beispielsweise von Banken, Devisenhändlern oder im Bestell- und Reservationswesen angefertigt werden, strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen können.

Mit dem Buchstaben a übernimmt die Kommission den geltenden Artikel 179quinquies, trägt aber dem im Vernehmlassungsverfahren erhobenen Einwand Rechnung, dass die heutige Formulierung «wer für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Notrufe aufzeichnet» nicht ganz befriedigt. Die Unterscheidung zwischen Notrufen, die aufgezeichnet werden dürfen, und den übrigen Telefongesprächen mit solchen Diensten, die nicht aufgenommen werden dürfen, ist schwierig.

Die Kommission hat deshalb entschieden, den Begriff «Notrufe» durch «Fernmeldegespräche» zu ersetzen und damit die Straflosigkeit auf sämtliche Telefongespräche auszudehnen, die mit Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdiensten geführt werden.

Der Bundesrat begrüsst diese Änderung des geltenden Rechts, weil damit die Situation für die betreffenden Dienste, die wichtige öffentliche Aufgaben wahrnehmen, erleichtert wird.

Buchstabe b statuiert neu eine Ausnahme von der Strafbarkeit auch für denjenigen, der «als Gesprächsteilnehmer oder Abonnent eines beteiligten Anschlusses Fernmeldegespräche aufzeichnet, sofern alle Gesprächsteilnehmer vorgängig hinreichend über die Aufzeichnung informiert werden».

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass diese Regelung dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen Rechnung trägt, da alle Gesprächsteilnehmer «vorgängig hinreichend über die Aufzeichnung informiert werden».

Nach Buchstabe c ist eine Aufzeichnung von Gesprächen zulässig, welche im Rahmen des Geschäftsverkehrs zu Beweiszwecken erfolgen. Der Vorteil dieser Regelung besteht darin, dass sie den Bedürfnissen der Geschäftswelt nach einer einfachen Aufzeichnungspraxis Rechnung trägt. Sie beschränkt die Verwendung der Aufzeichnung auf die Beweisführung im Geschäftsverkehr.

Auch wenn die Definition des Geschäftsverkehrs in der Praxis Probleme bereiten könnte, weil Telefongespräche häufig einen gemischten Inhalt aufweisen, indem von privaten zu
geschäftlichen Themen gewechselt wird und umgekehrt, ist der Bundesrat mit der vorgesehenen Neuerung einverstanden. Es handelt sich um eine vertretbare Lösung, die den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens Rechnung trägt, ohne dabei den Schutz der Teilnehmer an einem Telefongespräch zu beseitigen. Das Gespräch muss für die Beteiligten erkennbar einen Bezug zum Geschäftsverkehr aufweisen, und eine spätere Verwertung der Aufzeichnungen darf ausschliesslich zum Zweck erfolgen, über den geschäftlichen Inhalt des Gesprächs Beweis zu führen.

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Schlussfolgerung

Aus all diesen Gründen kann der Bundesrat dem Bericht und Antrag der Kommission, der einen vernünftigen Mittelweg zwischen völligem Verbot von telefonischen Aufzeichnungen und deren schrankenloser Zulässigkeit darstellt, zustimmen.

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