98.454 Parlamentarische Initiative Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Assistenzärzte Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 5. April 2001

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen nach Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt mit 14 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen dem beiliegendem Erlassentwurf zuzustimmen.

Eine Kommissionsminderheit (Egerszegi, Borer, Bortoluzzi, Dunant, Fattebert, Gysin Hans Rudolf, Stahl, Triponez, Widrig) beantragt, auf den Erlassentwurf nicht einzutreten.

5. April 2001

Im Namen der Kommission

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Die Präsidentin: Rosmarie Dormann

2001-1181

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 18. Dezember 1998 hat Nationalrat Marc Suter eine parlamentarische Initiative eingereicht, deren Ziel die Unterstellung der Assistenzärzte unter das Arbeitsgesetz1 ist. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates hat am 13. August 1999 die Parlamentarische Initiative vorgeprüft. Sie war sich mit dem Initianten einig, dass die heutige Arbeitssituation der Assistenzärzte in der Schweiz unhaltbar ist. Die Kommission beantragte entsprechend mit 15 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative sei Folge zu geben. Der Nationalrat folgte diesem Antrag am 4. Oktober 1999 ohne Gegenstimme.

Am 24. Februar 2000 führte die Kommission ein Hearing durch, an dem Vertreterinnen und Vertreter des Verbandes der Schweizerischen Assistenz- und Oberärzte (VSAO), des Spitalsektors, der Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) sowie der Wissenschaft teilnahmen. Im Anschluss daran wurde eine Subkommission gebildet, der folgende Mitglieder angehörten: Zäch (Präsident); Bortoluzzi, Goll, Heberlein, Rechsteiner Paul, Stahl, Suter (Initiant).2 Sie unterbreitete der Kommission am 5. April 2001 einen Berichtsentwurf.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte

Anlass der Parlamentarischen Initiative sind die langen Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte. Das hängt auch mit den geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen zusammen: Gestützt auf Artikel 110 der Bundesverfassung3 regelt das am 1. August 2000 in Kraft getretene revidierte Arbeitsgesetz4 den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in öffentlichen und privaten Betrieben, dazu gehört insbesondere die Regelung der Arbeits- und Ruhezeit sowie des Gesundheitsschutzes. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b. ArG legt dabei die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei 50 Stunden fest. Anders als beim Gesundheitsschutz (Art. 3a Bst c) sind die Vorschriften dieses Gesetzes zur Arbeits- und Ruhezeit jedoch nicht auf die Assistenzärzte anwendbar (Art. 3 Bst. e). Und die entsprechenden Regelungen für die Assistenzärzte in den Kantonen sind sehr unterschiedlich.

Unter diesen Voraussetzungen können die Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte bis 100 Stunden in der Woche oder 30 Stunden am Stück betragen. In den letzten Jahren hat diese Situation immer häufiger zu Protesten der Betroffenen geführt. Bekanntestes Beispiel ist der so genannte Zürcher Bleistiftstreik vom November 1998.

1 2

3 4

SR 822.11 Die Subkommission hielt mehrere Sitzungen ab (7. April 2000; 7. Juli 2000; 4. Okt. 2000; 26. Jan. 2001). An der Sitzung vom 4. Oktober 2000 hörte sie noch einmal einen Vertreter der SDK an.

SR 101 SR 822.11

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Eine Studie des Büro BASS vom 3. November 1999, die im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern erstellt worden ist, erlaubt ­ wenn auch nur für den Kanton Bern ­ empirisch gesicherte Aussagen zu den Arbeitszeiten von Assistenzärztinnen und -ärzten:5 Die Wochenarbeitszeiten im Mai und Juni 1998 Alle Spitaltypen

66,2 h

Spitaltypen Zentrum Regionalspitäler Grössere Bezirksspitäler Kleiner Bezirksspitäler Psychiatrische Kliniken

65,6 h 70,2 h 74,7 h 69,8 h 54,5 h

Fachbereiche Medizin Chirurgie Gynäkologie / Geburtshilfe Intensiv / Anästhesie Psychiatrie Andere

63,2 h 73,3 h 73,8 h 63,4 h 54,8 h 64,4 h

Funktionen Assistenzärzt/innen (711) Oberärzt/innen (275)

66,9 h 64,0 h

Die Arbeit der Assistenzärztinnen und -ärzte ist zum Teil mit langer Schichtarbeit verbunden. Auch wenn die Untersuchung im Kanton Bern gezeigt hat, dass nur 1,7 Prozent der geleisteten Schichten die gemäss geltender kantonaler Verordnung vorgeschriebene Limite von 36 Stunden ununterbrochener Präsenzzeit überschritten haben, so dauerten 45 Prozent der Schichten länger als 20 Stunden. Die längste ununterbrochene Schicht betrug 137 Stunden. Die langen Schichtzeiten sind denn auch ein wichtiger Faktor für die langen Arbeitszeiten.

Die Assistenzärztinnen und -ärzte beklagen auch, dass immer mehr Administrativarbeit auf sie abgewälzt werde. Gemäss BASS-Studie werden rund 19 Prozent der Arbeitszeit für administrative Tätigkeiten verwendet. Allerdings wird offen gelassen, welcher Anteil davon von administrativem Personal übernommen werden könnte.

2.2

Auswirkungen der langen Arbeitszeiten

Die Folge derart langer Arbeitszeiten sind übermüdete Assistenzärzte mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Dabei bilden die Assistenzärztinnen und -ärzte die tragende Säule der ärztlichen Betreuung in den Spitälern. Deshalb sind auch die Pa5

Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS): Arbeitszeiten von Assistenzärzt/innen und Oberärzt/innen im Kanton Bern, Bern, S. IX.

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tientinnen und Patienten von den entsprechenden Qualitätseinbussen unmittelbar betroffen.

Verschiedene Studien kommen diesbezüglich zu eindeutigen Ergebnissen: Schlafentzug beeinträchtigt die kognitiven Funktionen. Nach einer schlaflosen Nacht benötigten die Chirurginnen und Chirurgen am Operationssimulator 14 Prozent mehr Zeit und verübten 20 Prozent mehr Fehler. Unter Ermüdung greifen sie auch häufiger auf vereinfachte Handlungsmuster zurück. Das heisst, dass Routineverhalten dominiert, dies auf Kosten der Optimierung jedes Einzelfalls, oder dass nur das Kurzfristige und Nötigste gemacht wird. Auswirkungen auf psychische Anspannung und Konzentrationsfähigkeit hat im Übrigen auch die erwartete Länge der Arbeitsperiode.

Es überrascht nicht, dass ausgeruhte Assistenzärztinnen und -ärzte durchwegs besser abschneiden. Das gilt auch, wenn die maximale zusammenhängende Arbeitsdauer nur 16 statt 32 Stunden beträgt. Die Erfahrungen zeigen, dass bessere Arbeitsbedingungen signifikant kürzere Hospitalisierungszeiten für die Patientinnen und Patienten bringen, die Anzahl verordneter Laboruntersuchungen geringer ist und seltener medizinische Fehler gemacht werden.

Übermüdete Ärztinnen und Ärzte sind damit auch ein belastender betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Kostenfaktor.

Auch subjektiv wird die Belastung durch die langen Arbeits- und Präsenzzeiten von den Assistenzärztinnen und -ärzten als hoch empfunden. Das geht von den negativen Auswirkungen für das Familienleben und die Partnerschaftsbeziehungen, das Fehlen von Freizeit bis hin zu Auswirkungen auf die Gesundheit.

Die chronische Überlastung hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die Weiterbildung. Es wird geschätzt, dass der Anteil der (expliziten) persönlichen Weiterbildung bei den Assistenzärztinnen und -ärzten minim ist und teilweise lediglich um 1 Prozent pendelt.

Die Weiterbildung, wie sie heute praktiziert wird, müsste allerdings grundsätzlicher hinterfragt werden. Zum Teil sind die dahinterstehenden Konzepte veraltet. Auch klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Angesprochen ist damit beispielsweise das Verhältnis von Dienstleistungen und Weiterbildung während der Assistenzzeit. In einer gesamtheitlichen Sicht müssten sowohl die Ausbildung (Universität), wie die Weiterbildung (Assistenzzeit) und die Fortbildung (FMH)
auf allen Ebenen in eine Reform einbezogen werden. Nötig wäre hier auch ein gesamtschweizerisches Vorgehen. Die Beantwortung der Fragen zur Weiterbildung liegt jedoch in der Kompetenz der Kantone und auch ausserhalb des Auftrags der parlamentarischen Initiative Suter.

2.3

Schlussfolgerungen

Es gibt keine zwingenden sachlichen und rechtlichen Gründe, die Assistenzärzte weiterhin von Vorschriften des Arbeitsgesetzes und des entsprechenden Arbeitsschutzes auszunehmen. Die Vertragsfreiheit wird durch die vorgeschlagene Revision nicht tangiert. Auch Kostengründe rechtfertigen eine solche Ausnahme von der rechtlichen Gleichbehandlung keineswegs. Man könnte sonst auch umgekehrt argumentieren, dass aus Kostengründen Arbeitszeiten in anderen Branchen über die ge3184

setzliche Höchstarbeitszeit hinaus verlängert werden könnten. Das aber würde den eigentlichen Zweck des Arbeitsgesetzes, nämlich seine Schutzwirkung, über kurz oder lang unterlaufen.

Neben dem nötigen arbeitsrechtlichen Schutz für die Assistenzärztinnen und -ärzte sprechen insbesondere auch die negativen Auswirkungen von zu langen Arbeitszeiten auf das Wohl der Patientinnen und Patienten für die Unterstellung der Assistenzärztinnen und ­ärzte unter das Arbeitsgesetz.

Das Beispiel der Kantone Bern und Zürich, welche beschlossen haben, die maximale wöchentliche Arbeitszeit der Assistenzärztinnen und -ärzte schrittweise bis zum 1. Januar 2004 auf 50 Stunden zu reduzieren, zeigt, dass der vorgeschlagenen Revision des Arbeitsgesetzes keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Auch deshalb ist das Recht der Assistenzärztinnen und -ärzte auf eine arbeitsrechtliche Gleichbehandlung höher als andere Interessen zu gewichten. Da einzelne Kantone bis heute nichts gegen die unzumutbaren Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte unternommen haben, braucht es hier ein deutliches Signal auf Bundesebene.

Um nicht neue Tatbestände von Ungleichbehandlungen zu schaffen, muss die neue Regelung im Sinne eines Mindeststandards sowohl auf die privatrechtlichen wie auch auf die öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisse Anwendung finden.

Eine derartige Arbeitszeitverkürzung verlangt von den Spitälern Reorganisationsanstrengungen. Sie kann deshalb auch als positiver Anstoss für weitere, notwendige Reformen an den Spitälern begriffen werden. Die Kommission sieht die Unterstellung der Assistenzärztinnen und ­ärzte unter das Arbeitsgesetz durchaus in einem grösseren Zusammenhang, wie auch die vorhergehenden kurzen Ausführungen zur Ausbildung zeigen. So könnte die Einführung von Spitalärzten, wie dies im Kanton Luzern im Dezember 2000 beschlossen wurde und wie dies in verschiedenen Kantonen ebenfalls diskutiert wird, dazu führen, dass weniger Ausbildungsplätze an den Spitälern angeboten würden. Unter diesen Voraussetzungen würde die von der Kommission vorgeschlagene Revision des Arbeitsgesetzes auch nicht automatisch zu einer Erhöhung der Zahl der Assistenzärztinnen und -ärzte und damit der Ärztinnen und Ärzte mit FMH-Titel (Stichwort: Ärztedichte) führen. Reform bedeutet aber auch, dass die vorhandenen
Potentiale zur Effizienzsteigerung genutzt werden. Beispielsweise könnten Teile der heutigen administrativen Arbeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte von administrativen Personal übernommen werden. Effizienzsteigerungen ist auch durch den verstärkten Einsatz von EDV, verkürzte Wege für die Beschaffung von Unterlagen oder dank verbesserter Unterstützung durch Hilfspersonal möglich.

Angesichts der komplexen Organisationsstrukturen der Spitäler und des Zusammenhangs mit anderen Reformen wäre es unrealistisch anzunehmen, die 50-h-Woche für Assistenzärztinnen und -ärzte könne von heute auf morgen eingeführt werden. Bis zum Inkrafttreten der Revision soll den Kantonen deshalb eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2005 eingeräumt werden. Damit würde auch den Wünschen der Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) Rechnung getragen, wie sie bei den Anhörungen für den Fall der vorgeschlagenen Revision formuliert wurden.

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2.4

Minderheitsposition

Eine Minderheit der Kommission lehnt die vorgeschlagene Revision des Arbeitsgesetzes ab. Sie geht unter anderem davon aus, dass die Kantone die Problematik erkannt und wenigstens zum Teil bereits gehandelt haben. Die schnelle Unterstellung der Assistenzärztinnen und -ärzte unter das Arbeitsgesetz hätte für die Kantone nicht verkraftbare Kosten zur Folge. Für eine solche Unterstellung fehle es zudem an einer Unterscheidung zwischen aufgewendeter Arbeitszeit für Dienstleistungen (gemäss Arbeitsgesetz) und für Weiterbildung. Hier werde auch ersichtlich, dass das Arbeitsgesetz eine zu starre Lösung gemessen an den spezifischen Bedürfnissen des Spitalbetriebes bzw. der unterschiedlichen Typen und Grössen von Spitälern und der Weiterbildung ist. Zudem dürfe man von jemandem, der in eine berufliche Spitzenposition gelangen will, auch gewisse Opfer verlangen. Zur Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten gehöre ebenfalls die Aneignung administrativer Fähigkeiten. Die beantragte generelle Änderung von Artikel 71 Buchstabe b ArbG würde zudem nicht nur das gesamte Spitalpersonal betreffen, sondern beispielsweise auch die Angestellten der Heime, was sich für die Zeitzuschläge für Nachtarbeit auswirken würde.

Die Folge wäre ein unabsehbarer Kostenschub auch ausserhalb des unmittelbaren Bereichs der Assistenzärztinnen und -ärzte für das Gesundheitswesen. Es soll deshalb, wie es auch die Sanitätsdirektorenkonferenz fordert, den Kantonen überlassen werden, nach situationsadäquaten Lösungen für die anstehenden Probleme zu suchen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Suter erfordert die Änderung der Artikel 3 Buchstabe e (Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich), Artikel 3a Buchstabe c (Vorschriften über den Gesundheitsschutz) und Artikel 71 Buchstabe b (Vorbehalt von Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden) des Arbeitsgesetzes.

Damit der persönliche Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes auf die Assistenzärztinnen und -ärzte auf den gesamten Bereich des Gesetzes ausgedehnt werden kann, ist in Artikel 3 Buchstabe e ArG der Begriff «Assistenzärzte» zu streichen. Daraus ergibt sich logischerweise, dass der Begriff «Assistenzärzte» auch in Artikel 3a Buchstabe c ArG gestrichen werden kann.

Mit dieser Streichung wird erreicht, dass sowohl die in privaten Krankenanstalten als auch die in öffentlich-rechtlichen Anstalten beschäftigten Assistenzärztinnen und -ärzte nicht nur den Vorschriften über den Gesundheitsschutz, sondern auch den Arbeits- und Ruhezeitvorschriften des Arbeitsgesetzes unterstehen. Für privatrechtlich angestellte Assistenzärztinnen und -ärzte bedeutet dies, dass sämtliche Schutzbestimmungen des Gesetzes und der Verordnung 1, aber auch die Sonderbestimmungen für Krankenanstalten und Kliniken der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz zur Anwendung gelangen.

Mit der Änderung von Artikel 3 Buchstabe e und Artikel 3a Buchstabe c ArG bleibt allerdings der Vorbehalt von Artikel 71 Buchstabe b ArG für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Assistenzärztinnen und -ärzten bestehen.

Damit diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur in den Genuss eines 3186

dem Arbeitsgesetz gleichwertigen Gesundheitsschutzes kommen, ist diese Vorschrift in dem Sinne zu ergänzen, dass die Vorschriften über das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis nur zu Gunsten sowohl der Vorschriften über den Gesundheitsschutz als derjenigen über die Arbeits- und Ruhezeit abweichen dürfen.

Die Kantone und Gemeinden haben damit weiterhin einen Spielraum für den Erlass von Vorschriften über das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis. Sie werden jedoch gezwungen, mindestens einen gleichwertigen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie das Arbeitsgesetz zu gewährleisten. Soweit sie von dieser Kompetenz keinen Gebrauch machen, käme subsidiär das Arbeitsgesetz zur Anwendung.

Zu ergänzen ist, dass diese Gesetzesänderungen nur eine geringfügige Änderung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz zur Folge hat. In Artikel 12 ArGV 1, in dem der Begriff der Assistenzärztinnen und -ärzte umschrieben ist, sind im Titel der Begriff «Assistenzärzte» und der Absatz 1 Buchstaben a und b zu streichen.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Für den Bund sind keine direkten finanziellen und personellen Auswirkungen zu erwarten. Zusätzliche Kosten fallen in den Kantonen und Gemeinden an, welche teilweise von den Versicherten über die Krankenkassenprämien, Franchisen und Selbstbehalte getragen werden müssten. Über die Mehrkosten sind allerdings nur generelle Schätzungen möglich. Zudem sind die Konsequenzen einer Arbeitszeitreduktion für Assistenzärztinnen und -ärzte beispielsweise je nach Spitaltyp unterschiedlich. Auch die Anrechnung des Bereitschaftsdienstes und der Ruhezeiten im Schichtbetrieb an die Arbeitszeit können heute von Kanton zu Kanton stark variieren.

Für den Kanton Bern kommt die Studie BASS bei einer Arbeitszeitreduktion auf durchschnittlich 50 Wochenstunden zu folgenden Ergebnissen: Bei einer vollständigen Ersetzung der Überzeiten durch neue Assistenzärztestellen müssten rund 26 Prozent zusätzliche Stellen geschaffen werden. Würde die Überzeit durch eine reine Barabgeltung kompensiert, würde dies den Kanton Bern rund 27 Millionen Franken kosten, das sind 2,5 Prozent der gesamten Personalkosten (inklusive Pflegepersonal).

Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass diese geschätzten Mehrkosten im Massstab 1:1 anfallen würden. Ein Teil der Überzeit könnte durch die Schaffung zusätzlicher Stellen beim finanziell günstigeren Administrativ- und medizinischen Hilfspersonal kompensiert werden. Dann hätte eine derartige Arbeitszeitreduktion, wie bereits beschrieben, Effizienzgewinne in verschiedener Hinsicht zur Folge. Allerdings sind diese kaum quantifizierbar. Wenn die Arbeitszeitreduktion Teil einer umfassenderen Reform im Spitalwesen wird, sind zusätzliche Effizienzgewinne möglich und es sind auch nicht alle Zusatzkosten alleine der Arbeitszeitreduktion anzulasten. Zu denken ist etwa an die Einführung von Spitalärzten.

Die Nettokosten der vorgeschlagenen Revision des Arbeitsgesetzes dürften also tiefer als die Berechnungen des Büros BASS für das Beispiel des Kantons Bern liegen.

Ausgeschlossen werden kann, dass die Revision zu einer eigentlichen Kostenexplosion führen würde.

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5

Verhältnis zum europäischen Recht

Bezüglich der Höchstarbeitszeiten in der Europäischen Union sind massgebend die Bestimmungen der Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 19936. Die «Ärzte in Ausbildung» werden in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie jedoch ausgenommen. Rat und Parlament haben mit der Richtlinie 2000/34/EG vom 22. Juni 20007 diese Bestimmung inzwischen in Form einer Ergänzung der Richtlinie 93/104 korrigiert.

Gemäss Artikel 17 Absatz 2 Nummer 2.4 (neu) erhalten die Mitgliedstaaten eine Übergangsfrist von fünf Jahren ab dem 1. August 2004, um für die «Ärzte in Ausbildung» die Wochenarbeitszeit schrittweise auf 48 Stunden zu reduzieren.

Da die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, ist sie von den erwähnten Richtlinien nicht betroffen. Auch das Inkrafttreten des sektoriellen Abkommens über die Personenfreizügigkeit8 ändert daran nichts, da die entsprechenden Bestimmungen im schweizerischen Arbeitsrecht nicht Gegenstand des Vertrages sind. Es stehen den Änderungen auch keine Vorschriften des Europarates entgegen.

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Verfassungsmässigkeit

Die Änderungen stützen sich auf Artikel 110 Absatz 1 Buchstabe a. der neuen Bundesverfassung.

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Amtsblatt nr. L 307 vom 13/12/1993 S. 0018 - 0024 Amtsblatt nr. L 195 vom 01/08/2000 S, 0041 Siehe BBl 1999 6128 und 7027

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