01.041 Botschaft betreffend das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 27. Juni 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt und beantragen Ihnen, dem Entwurf zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Juni 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11501

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0830

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Übersicht Das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit, das am 29. Januar 2000 in Montreal von der ausserordentlichen Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt verabschiedet wurde, stellt eine historische Etappe in der Entwicklung und der Anwendung der Gentechnologie in der Umwelt dar. Tatsächlich ist das Protokoll von Cartagena das erste völkerrechtliche Instrument, das sich ganz gezielt mit Aspekten der Sicherheit von Umwelt und Gesundheit im Zusammenhang mit der Verwendung von gentechnisch veränderten lebenden Organismen befasst.

Das Protokoll von Cartagena soll gewährleisten, dass die mit Hilfe der modernen Biotechnologie veränderten lebenden Organismen, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt eine Gefahr bilden können, sicher übertragen, verändert und genutzt werden. Das Protokoll konzentriert sich in erster Linie auf Aspekte der grenzüberschreitenden Verbringung, welche selten von innerstaatlichen Regelungen erfasst wird, sofern solche überhaupt bestehen.

Zentrales Element des Protokolls ist das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage, das bei der ersten grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten, für eine unmittelbare Verwendung in der Umwelt bestimmten Organismen angewendet wird. Dieses Verfahren erlaubt jedem Einfuhrland, über die Einfuhr von solchen lebenden veränderten Organismen selbst zu entscheiden, und zwar auf Grund einer Meldung, die alle nötigen Informationen für die Risikobeurteilung bezüglich Umwelt und Gesundheit enthält.

Das Protokoll sieht eine besondere Regelung für die landwirtschaftlichen Rohstoffe vor, die lebende veränderte Organismen enthalten, welche zur unmittelbaren Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen sind. Diese Regelung, die auf einem System der vorherigen Information beruht, gesteht den Ländern das Recht zu, einen Entscheid über die Einfuhr dieser Kategorie von lebenden veränderten Organismen gestützt auf ihre innerstaatliche Rechtsordnung zu treffen. Fehlt es an einer derartigen Regelung, so kann das Land einen Entscheid auf der Grundlage der im Protokoll definierten Kriterien für die Risikobeurteilung treffen.

Das Protokoll anerkennt das Vorsorgeprinzip bei der Entscheidfindung. Es enthält differenzierte
Bestimmungen über die Identifizierung von lebenden veränderten Organismen. Diese Bestimmungen sind für lebende veränderte, zur Verwendung in der Umwelt bestimmte Organismen sehr detailliert gehalten, während eine Fracht, die lebende veränderte, zum Konsum oder zur Verarbeitung vorgesehene Organismen enthält, zumindest als «kann lebende veränderte Organismen enthalten» gekennzeichnet werden muss.

Das Protokoll und die anderen internationalen Handelsübereinkünfte haben den gleichen Status und sollen sich gegenseitig unterstützen.

Schliesslich soll das Protokoll zur Sicherung des Umwelt- und Gesundheitsschutzes im Bereich der Biotechnologie das Zustandekommen eines internationalen Informa-

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tionsaustausch-Systems erlauben. Auch unterstützt es die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd bei der Erhöhung der technischen und institutionellen Kapazitäten und bei der Vereinheitlichung der Verfahren auf internationaler Ebene.

Die Schweiz hat das Protokoll von Cartagena unter Vorbehalt der Ratifizierung am 24. Mai 2000 anlässlich der 5. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt unterzeichnet. Am 3. Mai 2001 hatten es 93 Vertragsparteien des Übereinkommens, darunter sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union, unterzeichnet, und zwei Vertragsparteien hatten es bereits ratifiziert. Das Protokoll tritt 90 Tage nach der 50. Ratifizierung in Kraft.

Die Ratifizierung und die Umsetzung des Protokolls von Cartagena erfordern keine Änderungen auf Gesetzesebene. Es geht ausschliesslich um die Anpassung der diesbezüglichen Bestimmungen der Ausführungsverordnungen zum Bundesgesetz über den Umweltschutz, namentlich der Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung).

Die Ratifizierung hat keine wesentlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft, weil das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage in der Schweiz seit 1995 bei der Ausfuhr von lebenden veränderten Organismen auf der Grundlage von Weisungen der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) freiwillig angewendet wird.

Die Ratifizierung erfordert die Schaffung einer innerstaatlichen Anlaufstelle, die damit beauftragt ist, die innerstaatlichen Bestimmungen über die Ausfuhr von lebenden veränderten Organismen umzusetzen, die Massnahmen im Bereich des Informationsaustauschs zu koordinieren, und, im Rahmen der Anwendung des Protokolls, die Verbindung auf internationaler Ebene zu gewährleisten. Um diese Aufgaben sicherstellen zu können, bedarf das BUWAL einer zusätzlichen Stelle. Die zusätzlichen Arbeiten verursachen jährliche Kosten von 120 000 Franken, die bereits im Budget des BUWAL enthalten sind.

Für die Kantone bringt die Inkraftsetzung des Protokolls keine zusätzlichen Aufgaben mit sich.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die moderne Biotechnologie, namentlich als Folge des Aufkommens der Gentechnologie, hat seit dem Ende der Achtzigerjahre eine starke Entwicklung erfahren. Die Agenda 21, welche 1992 in Rio de Janeiro von der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung verabschiedet wurde, erblickt in der modernen Biotechnologie ein vielversprechendes Instrument, das geeignet ist, zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, insbesondere im Bereich von Gesundheit, Agrarproduktion und Lebensmittelsicherheit sowie der Umwelttechnologien, beizutragen.

Heute sind die gentechnisch veränderten Organismen oder die lebenden veränderten Organismen1 ­ zumindest potenziell ­ auf den Markt sowie zu den Konsumentinnen und Konsumenten gelangt. In Nordamerika, Argentinien, China und der Europäischen Union sind gentechnisch veränderte Pflanzen zum grossflächigen Anbau zugelassen. Die seither eingefahrenen Ernten von Lebens- und Futtermitteln bilden einen kontinuierlich wachsenden Anteil am internationalen Agrarhandel.

Parallel zu dieser Entwicklung stiess die Gentechnologie als solche auf immer schärfere Kritik, und zwar in Anbetracht potenzieller Einwirkungen auf Gesundheit und Umwelt, die durch die Nutzung von lebenden veränderten Organismen oder durch den Konsum von daraus stammenden Produkten langfristig verursacht werden könnten. Um dieser Situation zu begegnen, haben die meisten Industrieländer seit Anfang der Neunzigerjahre Regelungen getroffen und die Nutzung von lebenden veränderten Organismen in der Umwelt gestützt auf Risikobeurteilungen für Gesundheit und Umwelt strengen Bewilligungsverfahren unterworfen.

Die immer strengere Gesetzgebung in den industrialisierten Ländern hat die Befürchtung geweckt, dass Freisetzungsprojekte mit lebenden veränderten Organismen in die Länder des Südens, die noch nicht über spezifische gesetzliche Regelungen in diesem Bereich verfügen, verlagert werden könnten. Zudem führte die Zunahme von lebenden veränderten Organismen im internationalen Agrarhandel angesichts des Fehlens eines anerkannten internationalen Identifikationssystems zur Befürchtung, dass die lebenden veränderten Organismen auf unkontrollierte Weise verbreitet werden könnten. Diese Befürchtung wurde noch verstärkt durch die traditionelle Praxis mancher Entwicklungsländer, einen Teil des zu Ernährungszwecken
eingeführten Getreides als Saatgut für die nächste Ernte zu verwenden.

Auf internationaler Ebene waren diese möglichen Auswirkungen der modernen Biotechnologie auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt bereits Gegenstand langer Diskussionen bei den Verhandlungen zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt Anfang der Neunzigerjahre. Die Durchführung der erforderlichen innerstaatlichen Massnahmen zur Regelung, Bewältigung und Beherrschung der mit der Nutzung von lebenden veränderten Organismen verbundenen 1

Das Abkommen und das Protokoll von Cartagena verwenden den Begriff «lebende veränderte Organismen»; demgegenüber wird in der schweizerischen Gesetzgebung und in der Umgangssprache von «gentechnisch veränderten Organismen» (GVO) gesprochen.

Die beiden Begriffe sind gleichwertig.

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Risiken wurde im Übereinkommen geregelt. Demgegenüber kommt der fehlende Konsens über die Notwendigkeit einer zwingenden internationalen Regelung im Bereich von Weitergabe, Handhabung und Nutzung von durch moderne Biotechnologie hervorgebrachten lebenden veränderten Organismen im Text des Übereinkommens selbst zum Ausdruck. Artikel 19 Absatz 3 des Übereinkommens fordert die Vertragsstaaten nämlich auf, «die Notwendigkeit und die näheren Einzelheiten eines Protokolls über geeignete Verfahren, insbesondere einschliesslich einer vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage, im Bereich der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch Biotechnologie hervorgebrachten lebenden veränderten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können», zu prüfen.

Nach dreijährigen Vorbereitungsarbeiten beschloss die zweite Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt im November 1995 in Jakarta, die Verhandlungen im Hinblick auf die Erarbeitung eines Protokolls über die biologische Sicherheit aufzunehmen, mit dem Ziel, in erster Linie die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen abzudecken.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Das Protokoll von Cartagena ist das Ergebnis langer und schwieriger, im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt geführter Verhandlungen. Die Schweiz nahm an diesen Verhandlungen mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesverwaltung (BUWAL, seco, EDA, PA V und DV) teil. Weitere Bundesämter (BLW, DEZA), die Universitäten, die Industrie sowie nichtstaatliche Organisationen für Umweltschutz und Entwicklung wurden konsultiert.

Die von der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zur Durchführung von Verhandlungen eingesetzte spezielle Arbeitsgruppe für biologische Sicherheit mit nicht begrenzter Zusammensetzung trat zwischen Juli 1996 und Februar 1999 sechsmal zusammen. Anlässlich ihrer vierten Zusammenkunft im Mai 1998 nahm die Konferenz der Vertragsparteien mit Befriedigung vom Fortschritt der Arbeiten Kenntnis und beschloss, dass das Protokoll über die biologische Sicherheit an einer ausserordentlichen Sitzung Ende Februar 1999 in Cartagena (Kolumbien) verabschiedet werden solle. Leider wurde die Konferenz von Cartagena ein Misserfolg, da sich die grosse Mehrheit der Staaten mit den Mitgliedern der Gruppe von Miami, die aus den Hauptexportländern von Agrarprodukten, darunter den USA, besteht, nicht einigen konnte. Letztere nahmen, da sie nicht Vertragspartei des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sind, als Beobachter aktiv an den Verhandlungen teil. Weiterhin Uneinigkeit bestand vor allem hinsichtlich der Massnahmen, die bei der grenzüberschreitenden Verbringung von Agrarprodukten, welche lebende veränderte Organismen enthalten und zum Konsum oder zur Weiterverarbeitung bestimmt sind, getroffen werden müssen, hinsichtlich der Übereinstimmung des Protokolls mit den Übereinkommen der Welthandelsorganisation2 (WTO), des Verhältnisses zu anderen internationalen Abkommen sowie der Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips. Auf Grund dieses Scheiterns wurde die 2

Siehe die Liste der Anhänge zum Abkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (SR 0.632.20).

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Konferenz vertagt. Sie trat im Januar 2000 in Montreal wieder zusammen. Nach einer Woche zäher Verhandlungen kam es schliesslich zu einer Kompromisslösung, und das Protokoll von Cartagena über biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Protokoll) wurde am 29. Januar 2000 von allen Staaten, die an den Verhandlungen teilgenommen hatten, angenommen.

Anlässlich der fünften Konferenz der Vertragsparteien im Mai 2000 in Nairobi wurde das Protokoll den Mitgliedstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zur Unterschrift unterbreitet. Die Schweiz hat es bei dieser Gelegenheit unter Vorbehalt der Ratifizierung unterzeichnet. Am 3. Mai 2001 war es von 93 Staaten unterzeichnet worden, und zwei hatten es bereits ratifiziert. Das Protokoll tritt 90 Tage nach der 50. Ratifizierung in Kraft.

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt und Ziele des Protokolls

Das Protokoll ist die erste internationale Regelung im Bereich der biologischen Sicherheit. Es soll gewährleisten, dass die mit Hilfe der modernen Biotechnologie veränderten lebenden Organismen, welche eine Gefahr für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt bilden können, sicher übertragen, gehandhabt und genutzt werden. Das Protokoll konzentriert sich in erster Linie auf Aspekte im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Verbringung, welche von staatlichen Regelungen, sofern solche überhaupt existieren, selten erfasst werden.

Die Präambel nennt die Grundsätze, auf denen das Protokoll basiert, namentlich das Vorsorgeprinzip gemäss Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung sowie das Verhältnis zu den Handelsabkommen, die sich gegenseitig stützen sollten, damit das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung erreicht werden kann.

Die Präambel anerkennt die grossen Chancen, welche die moderne Biotechnologie für das menschliche Wohlergehen bietet, aber auch die Besorgnis über ihre möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt.

Artikel 1 nennt das Ziel des Protokolls, das, in Einklang mit dem Vorsorgeprinzip, in der Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus bei der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der lebenden veränderten Organismen besteht, wobei das Schwergewicht auf der grenzüberschreitenden Verbringung liegt.

Artikel 2 umschreibt die allgemeinen Vorschriften, die jede Vertragspartei bei der Umsetzung des Protokolls einhalten muss. Das Recht, strengere als die im Protokoll vorgesehenen Massnahmen zu treffen, sofern sie mit dem Ziel und den Vorschriften des Protokolls vereinbar sind und im Einklang mit den übrigen durch das Völkerrecht auferlegten Verpflichtungen stehen, wird laut Absatz 4 nicht angetastet.

Artikel 3 enthält die Definitionen der im Protokoll verwendeten Begriffe.

Artikel 4 umschreibt den Geltungsbereich des Protokolls. Dieses ist anwendbar auf die grenzüberschreitende Verbringung, die Durchfuhr, die Handhabung und die Verwendung aller lebenden veränderten Organismen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können, wobei auch den Risiken für die menschliche Gesundheit Rechnung getragen wird.

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Artikel 5 regelt die Frage derjenigen lebenden veränderten Organismen, die Humanarzneimittel sind. Auf die grenzüberschreitende Verbringung dieser Organismen, für welche andere internationale Vereinbarungen gelten oder andere Organisationen ­ wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ­ zuständig sind, ist das Protokoll nicht anwendbar.

Artikel 6 beschlägt spezifisch die Durchfuhr von lebenden veränderten Organismen sowie die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Anwendung in geschlossenen Systemen bestimmt sind. Diese unterschiedlichen Arten von Tätigkeiten unterstehen nicht dem Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage.

Die Artikel 7, 8, 9, 10 und 12 beschreiben den Geltungsbereich und die verschiedenen Phasen des Verfahrens der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage.

Dieses Verfahren findet Anwendung vor der ersten grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur absichtlichen Freisetzung in die Umwelt der einführenden Vertragspartei bestimmt sind (siehe Ziff. 2.2.1).

Artikel 11 erläutert das Verfahren, das bei der Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung bestimmt sind, zum Zuge kommt (siehe Ziff. 2.2.2).

Artikel 13 enthält Formvorschriften und Voraussetzungen, die im Hinblick auf die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens erfüllt sein müssen.

Artikel 14 anerkennt die Möglichkeit, bilaterale, regionale und multilaterale Übereinkünfte und Abmachungen über die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen zu schliessen. Übereinkünfte und Abmachungen dürfen nicht zu einem niedrigeren Schutzniveau als im Protokoll vorgesehen führen.

Dank dieser Bestimmung kann beispielsweise die Europäische Union von einer gemeinschaftlichen Regelung zur Umsetzung der Bestimmungen des Protokolls profitieren.

Die Artikel 15 und 16 enthalten die Grundsätze der Risikobeurteilung und -bewältigung. Diese Grundsätze entsprechen denjenigen, in bestehenden Regelungssystemen wie der schweizerischen Gesetzgebung in diesem Bereich angewendet werden.

Artikel 17 gibt an, welche Massnahmen bei unabsichtlicher grenzüberschreitender Verbringung von lebenden veränderten Organismen und welche Notmassnahmen in einem solchen
Fall anzuwenden sind. Es geht vor allem darum, die betroffenen Staaten sowie die Informationsstelle für biologische Sicherheit zu orientieren.

Artikel 18 regelt die technischen Sicherheitsbedingungen für Handhabung, Transport und Verpackung und legt die Kriterien für die Identifizierung der lebenden veränderten Organismen in den Begleitunterlagen fest (siehe Ziff. 2.2.3).

Artikel 19 verpflichtet die Vertragsparteien, eine innerstaatliche Anlaufstelle und die für die Umsetzung des Protokolls zuständigen innerstaatlichen Behörden zu benennen.

Artikel 20 sieht die Einrichtung einer Informationsstelle für biologische Sicherheit vor und präzisiert deren Funktionen. Artikel 21 regelt die Frage der vertraulichen Informationen (siehe Ziff. 2.2.4).

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Artikel 22 lädt die Vertragsparteien zur Zusammenarbeit beim Auf- und Ausbau der personellen Mittel und der Institutionen im Bereich der biologischen Sicherheit und der Biotechnologie ein (siehe Ziff. 2.2.5).

Artikel 23 fordert die Vertragsparteien auf, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Fragen der biologischen Sicherheit und ihre Beteiligung am Entscheidprozess zu fördern.

Artikel 24 regelt die Frage der grenzüberschreitenden Verbringung zwischen Vertrags- und Nichtvertragsparteien des Protokolls; solche Verbringungen müssen mit dem Ziel des Protokolls vereinbar sein. Die Nichtvertragsparteien werden ermutigt, der Informationsstelle für biologische Sicherheit die für das Protokoll zweckdienlichen Angaben zu liefern.

Artikel 25 beschlägt die rechtswidrige grenzüberschreitende Verbringung. In einem solchen Fall kann die betroffene Vertragspartei von der Vertragspartei, aus deren Land der Organismus stammt, verlangen, den fraglichen lebenden veränderten Organismus auf eigene Kosten zu beseitigen.

Artikel 26 bietet den Vertragsparteien die Möglichkeit an, in einem Entscheid sozioökonomische Erwägungen zu berücksichtigen, die sich aus den Auswirkungen lebender veränderter Organismen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, insbesondere für einheimische und örtliche Siedlungsgemeinschaften, ergeben.

Artikel 27 verlangt von den Vertragsparteien, an ihrer ersten Sitzung zu beschliessen, innert vier Jahren internationale Regeln und Verfahren für die Haftung und Wiedergutmachung für Schäden aus der grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen auszuarbeiten (siehe Ziff. 2.2.6).

Artikel 28 legt den Finanzierungsmechanismus des Übereinkommens über die biologische Vielfalt fest, der gleichzeitig auch der Finanzierungsmechanismus des Protokolls ist (siehe Ziff. 2.2.7).

Die Artikel 29­40 setzen die Organe des Übereinkommens ein, das heisst die Tagung der Vertragsparteien, das Sekretariat und die Nebenorgane. Für das Übereinkommen ist keine neue Struktur vorgesehen. Die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens dient gleichzeitig als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls.

Desgleichen wird das Sekretariat vom Sekretariat des Übereinkommens wahrgenommen. Ferner regeln die genannten Bestimmungen das Verhältnis zum Übereinkommen und legen die Modalitäten für die Umsetzung des Protokolls fest.

2.2

Wesentliche Elemente des Protokolls und Haltung der Schweiz

2.2.1

Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage

Das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage nach den Artikeln 7­10 und 12 des Protokolls ist das zentrale operationelle Element des Protokolls. Dieses Verfahren soll gewährleisten, dass der zuständigen innerstaatlichen Behörde des Einfuhrlandes vor dem Versand eines lebenden veränderten Organismus

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alle für die Risikobeurteilung erforderlichen Informationen geliefert werden, damit diese Behörde den Einfuhrentscheid in Kenntnis der Sachlage treffen kann.

Das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage ist nicht auf jede grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen anwendbar. Artikel 7 des Protokolls definiert den Geltungsbereich des Verfahrens.

Dieses wird ausschliesslich vor der ersten grenzüberschreitenden Verbringung lebender veränderter Organismen mit dem Zweck der absichtlichen Freisetzung in die Umwelt der einführenden Vertragspartei angewendet. Beispiele für solche Anwendungen sind die grenzüberschreitende Verbringung von Keimen lebender veränderter Pflanzen, die für eine experimentelle Freisetzung oder für die Vermarktung zu Agrarzwecken bestimmt sind.

Die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur unmittelbaren Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen sind (zur Ernährung oder zur Verarbeitung bestimmte lebende veränderte Organismen), wie beispielsweise Soja oder Mais, unterliegt nach Artikel 11 des Protokolls einem besonderen Verfahren und wird unter Ziffer 4.2 im Detail erörtert.

Artikel 7 Absatz 4 des Protokolls überträgt der Tagung der Vertragsparteien des Protokolls die Kompetenz, die erste grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen vom Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage auszunehmen, wenn diese Organismenwahrscheinlich keine nachteiligen Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben. Um zudem jedes Missverständnis zu verhindern, schliesst Artikel 6 die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten, zur Anwendung in geschlossenen Systemen im Labor oder in Produktionsstätten sowie zur Durchfuhr vorgesehenen Organismen vom Verfahren über die vorherige Zustimmung in Kenntnis der Sachlage ausdrücklich aus.

Artikel 8 betrifft die erste Etappe des Verfahrens der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage und besteht in der schriftlichen Mitteilung der in Anlage I des Protokolls umschriebenen Informationen an die zuständige innerstaatliche Behörde der einführenden Vertragspartei. Die ausführende Vertragspartei muss die erforderlichen Massnahmen treffen, um die Übermittlung
der Mitteilung sicherzustellen und die Richtigkeit der darin enthaltenen Informationen zu überwachen.

Die folgende Etappe besteht darin, dass die einführende Vertragspartei dem Anmelder den Eingang der Anmeldung bestätigt. Artikel 9 setzt ihr dafür eine Frist von 90 Tagen und umschreibt den Inhalt der Empfangsbestätigung. Wird der Eingang der Anmeldung innerhalb der erwähnten Frist nicht bestätigt, so bedeutet dies nicht das Einverständnis mit der grenzüberschreitenden Verbringung. Die einführende Vertragspartei hat die Möglichkeit, in der Eingangsbestätigung anzumerken, dass sich das weitere Verfahren nach dem innerstaatlichen Recht richtet, sofern dieses dem Protokoll nicht zuwiderläuft, und nicht nach Artikel 10 des Protokolls.

Die letzte Etappe des Verfahrens der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage bildet der Entscheid der zuständigen innerstaatlichen Behörde der einführenden Vertragspartei. Artikel 10 enthält die diesbezüglichen Bestimmungen:

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a.

Der Entscheid muss auf einer Risikobeurteilung nach streng wissenschaftlichen Methoden im Sinne von Artikel 15 und der Anlage III des Protokolls beruhen.

b.

Der Entscheid kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Im Falle eines ausdrücklichen Entscheids muss dieser innerhalb von 270 Tagen nach Eingang der Anmeldung mitgeteilt werden. Bei der Fristberechnung werden die Tage im Zusammenhang mit einem Gesuch um weitere zweckdienliche Auskünfte durch die einführende Vertragspartei nicht berücksichtigt. Die Frist von 270 Tagen kann um eine von der Behörde der einführenden Partei festgelegte Dauer verlängert werden. Eine solche Verlängerung muss gegenüber dem Anmelder schriftlich begründet werden.

c.

Der Entscheid muss begründet sein, es sei denn, die Zustimmung werde ohne Auflagen erteilt.

d.

Der fehlende Nachweis wissenschaftlicher Sicherheit wegen unzureichender einschlägiger wissenschaftlicher Daten und Kenntnisse über den Umfang möglicher nachteiliger Auswirkungen eines lebenden veränderten Organismus soll einen auf Vorsicht basierenden Entscheid nicht verhindern, damit solche Auswirkungen verhindert oder auf ein Minimum reduziert werden können.

Schliesslich sieht Artikel 12 vor, dass jeder nach Artikel 10 getroffene Entscheid von der einführenden Vertragspartei aus eigener Initiative oder auf Ersuchen der ausführenden Vertragspartei oder des Anmelders jederzeit überprüft werden kann, wenn neue wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse vorliegen, welche das Ergebnis der Risikobeurteilung ändern können.

2.2.2

Lebende veränderte Organismen, die zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehen sind

Das Protokoll von Cartagena sieht in Artikel 11 ein besonderes Verfahren vor für die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehen sind. Davon betroffen ist vor allem die grenzüberschreitende Verbringung von unverarbeiteten Agrarprodukten (Getreide, Mais, Raps, Soja, Weizen, Reis). Die wichtigsten Produktionsländer für Agrarprodukte wollten die grenzüberschreitende Verbringung dieser Organismen von jedem Verfahren ausschliessen. Nach ihrer Auffassung können diese Organismen, da sie nicht für eine Nutzung in der Umwelt bestimmt sind, kein signifikantes Risiko für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt darstellen. Die Mehrheit der übrigen Länder, vor allem die Entwicklungsländer, hingegen hätten es vorgezogen, auch die erste grenzüberschreitende Verbringung dieser Organismen dem Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage zu unterstellen. Dies mit dem hauptsächlichen Einwand, es sei unmöglich, in gewissen Ländern die parallele Verwendung dieses Materials als Saatgut zu verhindern.

Artikel 11 des Protokolls enthält nun ein System der vorgängigen Information. Jede Vertragspartei, die auf ihrem Hoheitsgebiet die Verwendung eines lebenden veränderten Organismus gestattet, der als unverarbeitetes Agrarprodukt zur Ausfuhr vorgesehen ist, muss diesen Entscheid den anderen Vertragsparteien über die Informa4088

tionsstelle für biologische Sicherheit innert 15 Tagen mitteilen. Der Inhalt der dabei zu liefernden Angaben wird in Anlage II des Protokolls spezifiziert.

Das Protokoll anerkennt das Recht eines jeden Landes, im Rahmen seines innerstaatlichen Rechts einen Entscheid über die Einfuhr von lebenden veränderten Organismen, die zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehen sind, zu treffen, sofern dieser Entscheid mit den Zielen des Protokolls vereinbar ist. Der Grund für diese Bestimmung beruht auf der Tatsache, dass diese Art von Entscheid in den meisten Ländern unter die Lebensmittel- beziehungsweise die Futtermittelgesetzgebung fällt.

Auch in diesem Fall soll gewährleistet sein, dass die Schutzziele des Protokolls berücksichtigt werden.

Das Protokoll sieht ferner für die Entwicklungs- und die Schwellenländer, die noch über keine spezifische innerstaatliche Gesetzgebung verfügen, die Möglichkeit vor, in Ausübung ihrer innerstaatlichen Hoheitsrechte einen Entscheid vor der ersten Einfuhr eines lebenden veränderten, zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehenen Organismus zu treffen, und zwar auf der Grundlage einer Risikobeurteilung nach Anlage III des Protokolls.

2.2.3

Identifizierung der lebenden veränderten Organismen

Die Identifizierung des Materials, das lebende veränderte Organismen enthält, ist ein wesentliches Element für die Umsetzung des Protokolls und die Kontrolle der Verfahren. Zu diesem Zweck enthält Artikel 18 Absatz 2 differenzierte Bestimmungen über die Identifizierung der lebenden veränderten Organismen in den Begleitunterlagen zur grenzüberschreitenden Verbringung.

Bei dem zur Verwendung in geschlossenen Systemen bestimmten Material muss klar erkennbar sein, dass es lebende veränderte Organismen enthält; dasselbe gilt für Material, das zur absichtlichen Freisetzung in die Umwelt bestimmt ist. Ferner müssen in diesem letzteren Fall Identität sowie wichtige Merkmale bzw. Eigenschaften der lebenden veränderten Organismen spezifiziert werden. Hingegen muss eine Fracht mit lebenden veränderten, zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehenen Organismen zumindest mit dem Vermerk «kann lebende veränderte Organismen enthalten» gekennzeichnet sein. Dieser besondere Punkt bildete den letzten Stein des Anstosses in den Verhandlungen. Die schliesslich erzielte Lösung bildet zurzeit den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Frage der Identifizierung von Agrarprodukten, die lebende veränderte Organismen enthalten. Verglichen mit der Situation, wie sie noch einige Monate vor Verhandlungsabschluss bestand, stellt diese Lösung einen bedeutenden Fortschritt dar. Ferner sieht das Protokoll vor, dass die Tagung der Vertragsparteien auf die Frage zurückkommt und die einschlägigen Anforderungen im Bereich der Identifizierung der lebenden veränderten Organismen, die zur Ernährung oder zur Verarbeitung vorgesehen sind, im Einzelnen festlegt, und zwar spätestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Protokolls.

Die Konsumentinnen und Konsumenten haben Anspruch auf detaillierte und genaue Informationen über Herkunft und Zusammensetzung der Produkte im Handel. Diese Informationen können nur auf der Grundlage eines weltweiten Identifizierungssystems gewährleistet werden, das es erlaubt, die Entwicklung der lebenden veränder-

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ten Organismen vom Produzenten des Saatguts bis zum Endprodukt quer durch alle Stufen weltweit zurückzuverfolgen. Die Bestimmungen des Protokolls bilden die unabdingbare multilaterale Grundlage für die Errichtung eines solchen globalen Systems.

2.2.4

Informationsstelle für biologische Sicherheit

Die Informationsstelle für biologische Sicherheit ist der Schlussstein des Protokolls.

Sie hat drei Hauptfunktionen: Sie soll den Austausch der Informationen bezüglich der lebenden veränderten Organismen erleichtern, die Vertragsparteien in der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Protokoll unterstützen und die Transparenz verstärken. Die Informationsstelle für biologische Sicherheit ist zurzeit im Entstehen und arbeitet eng mit der Informationsstelle des Übereinkommens zusammen, ebenso mit den im Biotechnologiebereich bereits bestehenden Informationssystemen, wie dem BINAS, dem Netz der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), und dem BIOTRACK, dem System der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ziel ist es, über eine einsatzfähige Informationsstelle zu verfügen, sobald das Protokoll in Kraft tritt.

Das Protokoll auferlegt den Vertragsparteien eine Serie von Verpflichtungen in Bezug auf die Bekanntgabe von wissenschaftlichen, technischen, umweltbezogenen und rechtlichen Informationen an die Informationsstelle. Insbesondere müssen die Vertragsparteien die eigenen Regelungen zur Umsetzung des Protokolls, die Daten über die Risikobeurteilung, die ökologischen Studien, die im Rahmen von Entscheiden über die Nutzung lebender veränderter Organismen durchgeführt worden sind, sowie eine Kopie solcher Entscheide zur Verfügung stellen.

Die schweizerische Informationspolitik in Bezug auf die lebenden veränderten Organismen basiert auf Transparenz. Die Öffentlichkeit hat jeweils Zugang zum Dossier, das im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens zur Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen in der Umwelt eingereicht wird. Die Zusammenfassung der Dossiers einschliesslich der Risikobeurteilung sowie die behördlichen Entscheide sind im öffentlichen Register «Biotechnologie» verfügbar. Dieses öffentliche Register sowie die einschlägige Gesetzgebung sind über das Internet zugänglich. Alle diese Informationen stehen der Informationsstelle bereits zur Verfügung. Um Zugang und Lesbarkeit zu erleichtern, wird das innerstaatliche Informationssystem allerdings an die Entwicklung der Informationsstelle angepasst werden müssen.

2.2.5

Kapazitätsaufbau

Die Industriestaaten verfügen bereits über Regelungen zur Beurteilung der Einwirkungen lebender veränderter Organismen auf die Umwelt. Dies trifft indessen auf die Mehrheit der Entwicklungsländer offensichtlich nicht zu. Das Protokoll legt das Schwergewicht deshalb auf die Entwicklungszusammenarbeit und den Ausbau der personellen Mittel sowie der technischen und institutionellen Kapazitäten und sieht zu diesem Zweck in Artikel 22 eine Reihe von Massnahmen zu Gunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer vor.

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Bei der Annahme des Protokolls hat die ausserordentliche Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt die Schaffung einer «Expertengruppe biologische Sicherheit» beschlossen. Diese Expertengruppe besteht aus von den Regierungen ernannten Fachleuten für die Beurteilung und Bewältigung der Risiken und steht auf Wunsch den Entwicklungs- und Schwellenländern bei der Umsetzung der Bestimmungen des Protokolls zur Verfügung.

2.2.6

Haftung

Die Frage der Haftung für Schäden bezüglich der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt, die sich aus der Verwendung von lebenden veränderten Organismen ergeben können, war während der ganzen Verhandlungen Gegenstand langwieriger Diskussionen. Angesichts der Schwierigkeit dieser Frage sowie unter Berücksichtigung entsprechender Regelungen in anderen internationalen Umweltabkommen wurde schliesslich nur eine Kompetenzregelung (Art. 27) in das Protokoll aufgenommen. Die Bestimmung verlangt, dass die Tagung der Vertragsparteien des Protokolls an ihrer ersten Sitzung beschliesst, wie sie innert vier Jahren angemessene internationale Regeln und Verfahren ausarbeiten will, und zwar unter Berücksichtigung der einschlägigen Entwicklungen des Völkerrechts.

Die Schweiz unterstützt den Erlass von völkerrechtlichen Bestimmungen im Haftungsbereich, besonders wenn sie in materieller Hinsicht mit den entsprechenden Bestimmungen der schweizerischen Gesetzgebung und denjenigen der Europäischen Union vereinbar sind. Das Gen-Lex-Projekt sieht im Haftungsbereich übrigens strenge Regeln vor, die den Besonderheiten der gentechnisch veränderten Organismen Rechnung tragen.

2.2.7

Finanzielle Mittel und Finanzierungsmechanismus

Artikel 28 des Protokolls erwähnt ausdrücklich, dass der Finanzierungsmechanismus des Übereinkommens über die biologische Vielfalt gleichzeitig der Finanzierungsmechanismus für das Protokoll ist. Im Rahmen des Übereinkommens hat die Schweiz, wie die übrigen OECD-Länder, stets den Globalen Umweltfonds (GEF) als ständigen Finanzierungsmechanismus unterstützt. Als provisorischer Mechanismus funktioniert der GEF bereits seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens.

Gestützt auf den Beschluss der dritten Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens hat der GEF in Ausführung von Artikel 8j des Übereinkommens ein Programm zum Kapazitätsausbau in Bezug auf die Verhütung biotechnologischer Risiken unterstützt. Die Schweiz unterstützt die Fortsetzung der Aktivitäten des GEF in diesem Bereich.

2.3

Interesse der Schweiz an der Ratifizierung des Protokolls

Die Schweiz ist eines der führenden Länder im Bereich der modernen Biotechnologie. Die Regelung der modernen Biotechnologie, namentlich der Gentechnologie, 4091

durch Vorschriften zum Schutz der Umwelt ist sowohl in der Schweiz als auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein politisch brisantes Thema.

In den Bereichen Umweltschutz und biologische Vielfalt hat die Schweiz, was umweltgefährdende Organismen anbelangt, durch die Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG)3 eine umfassende Gesetzgebung geschaffen. Bei der Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung spielt die Schweiz eine Pionierrolle, denn diesbezügliche Bestimmungen wie das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage werden seit 1995 auf freiwilliger Grundlage angewendet.

Im Rahmen der innerstaatlichen Gentechnologie-Diskussion wurde oft auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Sicherheitsfragen auf globaler Ebene anzugehen seien. Es liegt in der Natur und den Eigenschaften der Organismen, dass sie auf staatliche Grenzen keine Rücksicht nehmen, und die möglichen Folgen der Einführung solcher Organismen können, je nach Art der biologischen Vielfalt, von einem Land zum anderen unterschiedlich sein. Der Einsatz der modernen Biotechnologie kann somit nicht ausschliesslich durch innerstaatliche Vorschriften geregelt werden. Dazu kommt, dass die Entwicklungsländer als potenzielle Nutzer von zur Hauptsache in den industrialisierten Ländern entwickelten lebenden veränderten Organismen im Allgemeinen noch nicht über angemessene Regelungen auf diesem Gebiet verfügen.

Indem das Protokoll das Schwergewicht auf die grenzüberschreitende Verbringung legt und die nötigen Mittel bereitstellt, um alle Länder in die Lage zu versetzen, gleichwertige Sicherheitsstandards zu entwickeln, stellt es einen entscheidenden Schritt für die Entwicklung einer sicheren und nachhaltigen modernen Biotechnologie dar, was denn auch einem der Ziele der Bundespolitik in diesem Bereich entspricht.

3

Folgen für die Schweiz

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Protokoll und die Umsetzung der damit verbundenen Verfahren bringen auf innerstaatlicher und internationaler Ebene zusätzliche Aufgaben mit sich (siehe Ziff. 3.3, 3.4 und 3.5). Der Vollzug dieser neuen Aufgaben ist ausschliesslich Sache des Bundes. Es ist somit der Bund, der zusätzliche Verpflichtungen zu übernehmen hat. Auf innerstaatlicher Ebene kommt ihm der Umstand gelegen, dass die meisten Verfahren schon bestehen und sie lediglich ergänzt werden müssen. Auf internationaler Ebene sieht das Protokoll eine Reihe von Arbeiten vor, insbesondere in den Bereichen Kapazitätsausbau, Entwicklung technischer Standards und Haftung.

Das BUWAL benötigt eine zusätzliche Stelle, um die Aufgaben der innerstaatlichen Anlaufstelle und die technische Kontrolle der Arbeiten des Protokolls auf der innerstaatlichen Ebene, einschliesslich der Koordination mit anderen internationalen Instrumenten, sicherzustellen. Die Arbeiten im Bereich des Kapazitätsausbaus, der Entwicklung technischer Standards und der Haftung sind mit jährlichen Kosten von

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120 000 Franken verbunden; dieser Posten ist bereits im Budget des BUWAL enthalten.

Der vorliegende Entwurf hat keine Auswirkungen auf die Informatik.

3.2

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Das Protokoll stellt insbesondere mit der vorgesehenen Risikoanalyse und dem Verfahren der Zustimmung in Kenntnis der Sachlage gewisse Anforderungen an die Wirtschaft. Risikoanalysen sind bereits heute im einschlägigen schweizerischen Recht vorgesehen und entsprechen dem Protokoll. Seit 1995 wendet die schweizerische Wirtschaft die Richtlinien für das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen der Schweizerischen Kommission für die biologische Sicherheit in Forschung und Technik (SKBS) an. Diese Richtlinien sehen unter anderem vor, bei der Ausfuhr lebender veränderter Organismen, die zur Verwendung in der Umwelt bestimmt sind, das Verfahren der Zustimmung in Kenntnis der Sachlage anzuwenden (siehe Ziff. 3.3). Die Ratifikation des Protokolls wird also lediglich zur Folge haben, dass ein Verfahren, welches die Wirtschaft bereits heute auf freiwilliger Basis anwendet, in das formelle Recht übergeführt wird. Ansonsten entstehen für die Wirtschaft in der Schweiz keine neuen Verpflichtungen.

Das Protokoll führt auf internationaler Ebene genaue Regeln betreffend den grenzüberschreitenden Verkehr mit lebenden veränderten Organismen ein. Rechtssicherheit und Transparenz werden dadurch erhöht und die Wettbewerbsbedingungen für die Schweizer Wirtschaft auf internationalem Niveau angeglichen, wovon auch kleinere und mittlere Unternehmen profitieren sollten.

3.3

Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht

Die Schweiz verfügt über ausreichende gesetzliche Grundlagen zur Umsetzung der innerstaatlichen Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung des Protokolls von Cartagena ergeben.

Die Ausführungsverordnungen zum USG betreffend die Organismen, das heisst die Verordnung vom 25. August 19994 über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung, FrSV) und die Verordnung vom 25. August 19995 über den Umgang mit Organismen in geschlossenen Systemen (Einschliessungsverordnung, ESV), regeln die Kriterien für die Evaluation und Handhabung des Umgangs mit lebenden veränderten Organismen auf innerstaatlicher Ebene.

Die Einfuhr von lebenden veränderten Organismen ist in der FrSV geregelt; diese unterstellt die Gesuche für Freisetzungen von lebenden veränderten Organismen in der Umwelt, seien sie importiert oder seien sie in der Schweiz entwickelt worden, einer Bewilligung. In allen Fällen müssen die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller Wohnsitz oder Geschäftssitz in der Schweiz haben (Art. 7 Abs. 3 FrSV). Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung, insbesondere die Anforderungen in 4 5

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Bezug auf die verlangten Informationen, die Risikobeurteilung, die Fristen und die Überprüfung der Entscheide entsprechen den Artikeln 8, 10, 12 und 15 des Protokolls. Folglich wird die Schweiz die anderen Vertragsparteien nach Artikel 9 Absätze 2 Buchstabe c und 3 des Protokolls über die Informationsstelle für biologische Sicherheit darüber informieren, dass das innerstaatliche Verfahren, das heisst die FrSV, anstelle des in Artikel 10 des Protokolls vorgesehenen Verfahrens Anwendung findet.

Artikel 29g USG gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Vorschriften für die Ausfuhr von Organismen zu erlassen. Zu diesem Zweck sieht schon Artikel 17 FrSV ein System der vorherigen Meldung an das Einfuhrland vor der ersten grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Freisetzung in der Umwelt bestimmt sind, vor. Das Verfahren der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage, wie es im Protokoll vorgesehen ist, wird in der Schweiz auf freiwilliger Grundlage bereits seit 1995 gestützt auf technische Weisungen der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit angewandt. Die Einführung des Verfahrens der vorherigen Zustimmung in Kenntnis der Sachlage wurde im Vernehmlassungsverfahren zur FrSV seitens der Vernehmlasser einstimmig begrüsst.

Die entsprechende Bestimmung konnte dann allerdings wegen der Verzögerung bei der Annahme des Protokolls nicht in die FrSV eingefügt werden.

Die Lebensmittel- und die Landwirtschaftsgesetzgebung, die auf die Einfuhr und das Inverkehrbringen von lebenden veränderten Organismen als Lebens- oder Futtermittel Anwendung finden, sehen eine Beurteilung der Umweltaspekte gestützt auf das USG vor. Sie sind folglich mit den Zielen des Protokolls vereinbar.

Die Bestimmungen des Protokolls über die Begleitunterlagen der grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Verwendung in geschlossenen Systemen und zur absichtlichen Freisetzung in der Umwelt vorgesehen sind, entsprechen den Anforderungen des USG im Bereich der Identifizierung.

Demgegenüber ist die Lösung, welche für die Begleitunterlagen der grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, die zur Ernährung oder zur Verarbeitung bestimmt sind, getroffen worden ist, aus der Sicht des schweizerischen Rechts nicht befriedigend. Die
Kennzeichnung «Kann lebende veränderte Organismen enthalten» stimmt mit den Vorschriften der Lebensmittel- und der Umweltschutzgesetzgebung sowie der Gesetzgebung über die landwirtschaftlichen Hilfsstoffe nicht überein. Alle diese Gesetzgebungen verlangen eine Kennzeichnung im Sinne von «enthält lebende veränderte Organismen». In diesem Fall ist Artikel 2 Absatz 4 des Protokolls anwendbar, der das Recht der Vertragsparteien, strengere Massnahmen zu ergreifen, anerkennt, sofern diese mit dem Zweck und den Bestimmungen des Protokolls vereinbar sind und mit den übrigen dieser Vertragspartei durch das Völkerrecht auferlegten Verpflichtungen übereinstimmen.

Der Entwurf vom 1. März 2000 für eine Änderung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (Gen-Lex) hat keine direkten Auswirkungen auf die innerstaatliche Umsetzung des Protokolls von Cartagena. Der Wille, die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt erneut mit aller Deutlichkeit zu bekräftigen, kann nur begrüsst werden und entspricht dem Zweck des Protokolls von Cartagena ebenso wie einem der zentralen Ziele des Bundesgesetzes über den Umweltschutz.

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3.4

Bezeichnung einer innerstaatlichen Anlaufstelle und Massnahmen im Bereich des Informationsaustauschs

Jede Vertragspartei muss eine innerstaatliche Anlaufstelle bezeichnen, die damit beauftragt ist, bei der Anwendung des Protokolls in ihrem Namen für die Verbindung mit dem Sekretariat zu sorgen. Die Funktion als innerstaatliche schweizerische Anlaufstelle wird vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) wahrgenommen. Das BUWAL ist das zuständige Amt insbesondere für die Erteilung von Bewilligungen für die experimentelle Freisetzung genetisch veränderter Organismen und für die Registrierung der Meldungen betreffend die Ausfuhr solcher Organismen.

Die innerstaatliche Anlaufstelle für das Protokoll von Cartagena ist auch mit der Umsetzung der innerstaatlichen Vorschriften über die Ausfuhr von lebenden veränderten Organismen und mit der Koordination der Massnahmen im Bereich des Informationsaustauschs beauftragt. Sie muss dafür sorgen, dass der Informationsstelle für biologische Sicherheit alle vom Protokoll vorgeschriebenen Daten zur Verfügung gestellt werden.

3.5

Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern

Über die DEZA und das BUWAL hat die Schweiz bereits eine Reihe von Initiativen bezüglich die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern im Bereich der Biotechnologie und der biologischen Sicherheit unterstützt. Im Rahmen dieser Initiativen wurde das Schwergewicht auf die Sensibilisierung der Regierungsvertreter, die an den Arbeiten zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt teilnahmen, auf die Erarbeitung von Entscheidungshilfen für die mit der Risikobeurteilung beauftragten Behörden sowie auf die Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit im Bereich von Evaluation und Handhabung der modernen Biotechnologien gelegt.

Diese Anstrengungen werden im Rahmen der Umsetzung des Protokolls fortgesetzt.

Den Ländern, die es wünschen, stehen Fachleute zur Verfügung, und zwar durch die Vermittlung der «Expertengruppe biologische Sicherheit», einer von der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt eingesetzten Gruppe (siehe Ziff. 2.2.5). Die Schweiz sieht auch vor, auf bilateraler Grundlage mit den zuständigen Behörden derjenigen Staaten zusammenzuarbeiten, in denen schweizerische Stellen die Durchführung von Freisetzungen lebender veränderter Organismen planen, sofern diese Staaten es wünschen. Die Unterstützung zur Bereitstellung von regionalen Infrastrukturen bei der Risikoverhütung wird im Rahmen der verfügbaren Mittel fortgesetzt.

3.6

Auswirkungen auf die internationale Umweltpolitik

Aus globaler und internationaler Sicht verstärkt das Protokoll die Bedeutung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und trägt dazu bei, dass dieses seine Rolle als Rahmenabkommen besser wahrnehmen kann.

Erstmals wird das Vorsorgeprinzip im internationalen Umweltrecht im Rahmen eines Verfahrens eingesetzt; bekräftigt wird ausserdem in einem wichtigen Wirt4095

schaftssektor der Grundsatz der gegenseitigen Stützung der multilateralen Umweltund Handelsabkommen.

Der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen über das Protokoll setzt im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt ein positives Zeichen für eine konkretere Umsetzung der Vorschriften über den Technologietransfer, den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Teilhabe an deren Vorteilen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1999­2003 im Anhang A2 (Parlamentsgeschäfte, Kapitel Aussenbeziehungen) angekündigt6. Angestrebt wird die Ratifikation des Protokolls vor der ersten Tagung der Vertragsparteien, die wahrscheinlich 2002 in Verbindung mit der sechsten Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt stattfinden wird.

5

Beziehung zu anderen internationalen Abkommen

Ausgehend von der Idee, dass zwischen dem Protokoll und den internationalen Handelsabkommen kein Konflikt besteht, sondern dass diese verschiedenen Instrumente sich im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung ergänzen und gegenseitig unterstützen, stellt die Präambel klar, dass das Protokoll nicht in dem Sinne ausgelegt werden darf, als bringe es eine Änderung der Rechte und Pflichten aus anderen internationalen Abkommen mit sich. Andererseits stellt die Präambel klar, dass das Protokoll nicht anderen internationalen Abkommen untergeordnet ist. Dies ist vor allem im Verhältnis zu den Bestimmungen der Übereinkommen der WTO von Bedeutung. Das Protokoll und die WTO-Übereinkommen haben den gleichen Status.

Sowohl die Europäische Gemeinschaft (EG) als auch sämtliche ihrer Mitgliedstaaten haben das Protokoll von Cartagena unterzeichnet und sich dafür eingesetzt, dass es innert kürzester Frist ratifiziert wird. Das Protokoll wird somit grundsätzlich auch in der EG Anwendung finden, ausgenommen betreffend die absichtliche grenzüberschreitende Verbringung lebender veränderter Organismen innerhalb der Gemeinschaft. In diesem Bereich dürfen die Vertragsparteien nämlich bilaterale, regionale oder multilaterale Abkommen oder Vereinbarungen eingehen, welche in den Beziehungen untereinander an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des Protokolls treten (Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Protokolls). Innerhalb der EG kommt diesbezüglich somit die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106 vom 17. April 2001, S. 1 ff.) zur Anwendung. Diese Richtlinie ist am 17. April 2001 in Kraft getreten und ersetzt ­ wie bereits aus ihrem Titel ersichtlich ist ­ die bisher geltende Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117 vom 8. Mai 1990, S. 15 ff.), die auf den 17. Oktober 2002 aufgehoben werden soll. Bis spätestens Juli 2001 muss die Europäische Kommission im 6

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Übrigen einen Legislativvorschlag zur detaillierten Durchführung des Protokolls von Cartagena vorlegen, der die Richtlinie 2001/18/EG ergänzt und, falls erforderlich, ändert (Art. 32 der Richtlinie 2001/18/EG).

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bund hat nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV sind völkerrechtliche Verträge von der Bundesversammlung zu genehmigen, sofern nicht auf Grund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist.

Eine solche Delegation der Kompetenz zur Genehmigung des vorliegenden Protokolls an den Bundesrat liegt nicht vor; für die Genehmigung des Protokolls ist daher die Bundesversammlung zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen, dem fakultativen Referendum. Das Protokoll ist unbefristet, aber kündbar. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und führt keine Rechtsvereinheitlichung herbei. Der zur Genehmigung vorliegende Bundesbeschluss unterliegt deshalb nicht dem fakultativen Referendum.

6.2

Das Protokoll von Cartagena und die schweizerische Ratifikationspraxis

Was die Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen anbelangt, hält sich der Bundesrat an den Grundsatz, sie «nur zu unterzeichnen, wenn in absehbarer Zeit mit einer Ratifikation gerechnet werden darf» (Bericht des Bundesrates vom 22. Febr.

1989 über seine Geschäftsführung im Jahre 1988 [Tätigkeitsbericht], S. 47; bestätigt in: Sechster Bericht über die Schweiz und die Konventionen des Europarates vom 29. Nov. 1995 [Bericht], in: BBl 1996 I 433ff.). «Für die Ratifikationspraxis des Bundesrates haben diese Grundsätze zur Konsequenz, dass zwischen einem Übereinkommen und der innerstaatlichen Rechtsordnung keine erheblichen Unterschiede bestehen dürfen» (Tätigkeitsbericht S. 47; Bericht S. 436). Sind die Bestimmungen des völkerrechtlichen Vertrags nicht in allen Teilen mit dem innerstaatlichen Recht deckungsgleich, so unterbreitet der Bundesrat das Abkommen den Räten nur dann, wenn die Lücken «durch gesetzgeberische Massnahmen innert nützlicher Frist geschlossen werden können» (Tätigkeitsbericht S. 47; Bericht S. 436).

Das Protokoll von Cartagena regelt Bereiche, die das Anwendungsgebiet der Umweltschutzgesetzgebung betreffen. Das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) enthält die erforderlichen innerstaatlichen Rechtsgrundlagen. Somit sind die Voraussetzungen, die es dem Bundesrat erlauben, das Protokoll dem Parlament zur Ratifizierung zu unterbreiten, erfüllt.

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