97.462 Parlamentarische Initiative StGB. Revision von Artikel 179quinquies zum Schutze des Geschäftsverkehrs Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 2. Mai 2001

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen nach Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

2. Mai 2001

Im Namen der Kommission

11457

Der Präsident: Dick Marty

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2001-0903

Übersicht Ständerat Bruno Frick verlangte in seiner Parlamentarischen Initiative vom 19. Dezember 1998, Artikel 179quinquies des Strafgesetzbuches so zu ändern, dass straflos bleibt, wer ein eigenes Gespräch für den nicht öffentlichen Gebrauch lediglich zum Zwecke aufzeichnet, um damit Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.

Der Ständerat hat dieser Initiative am 10. Juni 1998 Folge gegeben.

Gemäss der seit dem 1. Januar 1998 in Kraft stehenden Revision dieses Artikels sind nur Aufzeichnungen von Notrufen für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste straffrei. Jede andere ohne Zustimmung der Beteiligten vorgenommene Aufzeichnung eines Telefongesprächs ist demzufolge auf Klage hin strafbar. Diese Regelung wird den heutigen Gepflogenheiten in Wirtschaft und Gesellschaft nicht gerecht. So werden heute beispielsweise im Tourismusbereich Reservationen, Bestellungen oder andere in der Regel telefonisch abgewickelte Geschäfte sowie im Versandwesen, im Devisenhandel und von Banken zahlreiche Telefongespräche aufgezeichnet, um Beweise sicherzustellen oder Missverständnisse zu verhindern.

Die Kommission für Rechtsfragen hat im vorliegenden Entwurf die Liste der nicht strafbaren Handlungen erweitert und dabei dem Schutz der Privatsphäre, den Persönlichkeitsrechten und den einschlägigen Datenschutzbestimmungen Rechnung getragen. Gemäss diesem neuen Artikel 179quinquies StGB können Fernmeldegespräche durch einen Gesprächsteilnehmer oder einen Abonnenten des beteiligten Anschluss dann straflos aufgezeichnet werden: ­

wenn es sich um ein Fernmeldegespräch mit Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdiensten handelt,

­

wenn alle Gesprächsteilnehmer vorgängig über die Aufzeichnung informiert worden sind, und

­

wenn es sich um ein Fernmeldegespräch unter Beteiligung einer Geschäftsperson handelt und dessen Aufzeichnung einzig dazu dient, über den geschäftlichen Inhalt Beweis zu führen.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 19. Dezember 1997 hat Ständerat Bruno Frick eine parlamentarische Initiative eingereicht mit dem Ziel, das Strafgesetzbuch so zu ändern, dass straflos bleibt, wer ein eigenes Gespräch für den nicht öffentlichen Gebrauch lediglich zum Zwecke aufzeichnet, um damit Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.

Der heutige Artikel 179quinquies StGB (SR 311.0), der seit dem 1. Januar 1998 in Kraft ist, sieht nur Straffreiheit für Personen vor, die für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Notrufe aufzeichnen. Jede andere Aufzeichnung eines Telefongesprächs ohne die Zustimmung der Beteiligten ist demzufolge auf Klage hin strafbar.

Bis zur Revision dieser Bestimmung war die Aufzeichnung von Telefongesprächen ausnahmsweise insbesondere möglich für eine Person, die «ein Gespräch, das über eine dem Telephonregal unterstehende Telephonanlage geführt wird, mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Sprechstelle oder Zusatzeinrichtung mithört oder auf einen Tonträger aufnimmt». Im Zuge der allmählichen Aufweichung des Fernmeldemonopols der PTT wurde diese Bestimmung immer mehr zur allgemeinen Regel. Nicht nur Banken, Devisenfachleute, Reiseveranstalter nutzten zunehmend die Möglichkeit, Gespräche ohne die Zustimmung der betroffenen Personen aufzuzeichnen, sondern auch Journalisten, ob es nun darum ging, Beweise sicherzustellen oder Missverständnisse zu verhindern.

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats hat am 23. Februar 1998 mit 9 gegen 2 Stimmen beantragt, der Initiative Folge zu geben. Sie hat sich zudem klar für den Schutz der Privatsphäre, der Persönlichkeitsrechte und für die Einhaltung der einschlägigen Datenschutzbestimmungen ausgesprochen. Am 10. Juni 1998 hat der Ständerat der Initiative einstimmig Folge gegeben.

Nach Artikel 21quater Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) hat der Ständerat die Kommission für Rechtsfragen beauftragt, einen Erlassesentwurf auszuarbeiten. Diese hat nach Artikel 21quater Absatz 2 das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement zur Mitwirkung beigezogen. Die Kommission erstellte einen Vorentwurf1 und ersuchte den Bundesrat um die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens. Die Vernehmlassung fand vom 20. März bis zum 30. Juni 2000 statt. Gestützt auf deren Ergebnisse2 modifizierte die Kommission den Vorentwurf.

Sie hat den vorliegenden Entwurf einstimmig verabschiedet.

1 2

Erläuternder Bericht und Vorentwurf vom 4. November 1999 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches.

Vgl. dazu die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Vorentwurf der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zur Änderung von Artikel 179quinquies StGB, Bundesamt für Justiz, August 2000, sowie unten 24.

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2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Die Entwicklung der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des revidierten Fernmeldegesetzes

Gemäss den Strafbestimmungen von Artikel 179bis ff. StGB3 macht sich u.a. strafbar, wer als Dritter oder Gesprächsteilnehmer ein nicht öffentliches Gespräch ­ so bspw. auch ein Telefongespräch ­ ohne Einwilligung der daran Beteiligten auf einen Tonträger aufnimmt.

Unter der Marginalie «Nicht strafbare Handlungen» bestimmte Artikel 179quinquies Absatz 1 StGB eine Ausnahme von dieser Strafbarkeit für den Fall, wo das Gespräch über eine dem Telefonregal unterstehende Telefonanlage geführt und mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Zusatzeinrichtung auf einen Tonträger aufgenommen wurde.

Diese Ausnahme von der Strafbarkeit der nicht einverständlichen Aufzeichnung von Telefongesprächen durch Beteiligte entwickelte sich im Zuge der schrittweisen Liberalisierung des Fernmeldewesens zur Regel, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen beschränkte sich das Bewilligungserfordernis für Aufnahmegeräte auf eine generelle technische Typenprüfung; zum andern entfiel mit der neuen Fernmeldeordnung Anfang der Neunzigerjahre auch die Pflicht zur Meldung und damit die Kennzeichnung der aufzeichnungsberechtigten Anschlüsse in den Telefonbüchern (Eintrag des sog. Pick-up-Zeichens).

Der Zweck der einschlägigen Strafnormen, den Gesprächsteilnehmer davor zu schützen, dass sein kurzlebiges und u.U. situationsbezogenes Wort unbemerkt konserviert und gegebenenfalls in ganz anderem Zusammenhang reproduziert wird, kam somit im Telefonverkehr nicht mehr zum Tragen. Aus diesem Grund schlug der Bundesrat in der Botschaft zum revidierten Fernmeldegesetz4 eine wesentlich restriktivere Formulierung der Ausnahmebestimmung vor: Demnach bleibt nur noch straflos, wer für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Notrufe aufzeichnet. Diese Neufassung von Artikel 179quinquies des Strafgesetzbuches blieb in den Räten unbestritten und trat am 1. Januar 1998 mit dem neuen Fernmeldegesetz in Kraft5.

2.2

Der heute geltende Artikel 179quinquies StGB

Der neue Artikel 179quinquies hat zur Konsequenz, dass mit Ausnahme von Notrufen für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Aufzeichnungen von Telefongesprächen, die ohne Einwilligung der daran Beteiligten erfolgen, in keinem Fall mehr vom Gesetz als straflos erklärt werden. Vielmehr muss jede Person, die ihre Gespräche aufzuzeichnen wünscht, ihre Gesprächspartner davon unterrichten, wie dies bereits heute bei Telefonbeantwortern automatisch passiert6. Die Folge ist, dass früher breit praktizierte Gesprächsaufzeichnungen jetzt strafrechtliche Verantwortlichkeit 3

4 5 6

Eingefügt mit dem BG über die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes des persönlichen Geheimbereichs vom 20. Dezember 1968, AS 1969 319 ff., vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates in BBl 1968 I 585 ff.

BBl 1996 III 1405 AS 1997 2187 Vgl. die Botschaft in BBl 1996 III 1452.

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begründen können. Dies betrifft insbesondere auch Gesprächsaufnahmen zur Beweissicherung oder Vermeidung von Missverständnissen im Geschäftsleben, die bspw. von Banken, Devisenhändlern oder im Bestell- und Reservationswesen angefertigt werden.

2.3

Optionen einer Neuregelung und Vorentwurf der Kommission vom 4. November 1999

Die heutige Fassung von Artikel 179quinquies StGB hat dazu geführt, dass die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte der Teilnehmer an einem Telefongespräch den Interessen an einer Aufzeichnung praktisch immer vorgehen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die heutige Rechtslage den Realitäten und Bedürfnissen des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens nicht gerecht wird. Durch eine Neuregelung von Artikel 179quinquies muss ein vernünftiger Mittelweg zwischen völligem Verbot und schrankenloser Zulässigkeit gefunden werden.

Zur Erreichung dieses Zieles hat die Kommission verschiedene Regelungskonzepte geprüft. Ein Lösungsansatz läge darin, für Fernmeldegespräche eine Sonderregelung zu treffen, wonach hier ­ im Unterschied zum persönlichen Gespräch unter Anwesenden ­ vom Grundsatz der Zulässigkeit der Gesprächsaufnahme durch einen Beteiligten mit Widerspruchsvorbehalt ausgegangen würde: Das Gesetz würde eine Vermutung der stillschweigenden Einwilligung der anderen Beteiligten in die Gesprächsaufnahme durch einen Teilnehmer bzw. Anschlussinhaber statuieren. Diese Vermutung könnte indessen durch den expliziten Widerspruch eines mit der Aufzeichnung nicht einverstandenen Gesprächspartners umgestossen werden. Eine Gesprächsaufnahme trotz geäussertem Widerspruch eines Teilnehmers bliebe mithin strafbar. Eine solche Regelung wäre vergleichsweise einfach und klar. Auch bliebe der strafrechtliche Schutz vor Aufzeichnungen und Abhörungen von Telefonaten durch aussenstehende Dritte vollumfänglich erhalten. Hingegen ist nicht zu verkennen, dass dadurch die im Rahmen der Fernmeldegesetzrevision vorgenommene Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes im Fernmeldebereich vollumfänglich rückgängig gemacht würde.

Die Kommission hat auch geprüft, ob ein Regelungsmodell, welches nicht auf die Modalitäten der Gesprächsaufnahme, sondern allein auf die spätere Verwertung der Aufzeichnung abstellt, zur Lösung des Problems führen könnte. Eine solche Lösung würde es zwar erlauben, dem Wortlaut der Parlamentarischen Initiative weit entgegen zu kommen. Allerdings würde der Schutz der Teilnehmer an einem Telefongespräch vor nicht erkennbarer Aufzeichnung auch hier wieder völlig beseitigt. Eine spätere Aufdeckung von missbräuchlichen Verwendungen dürfte zudem ausserordentlich schwierig sein, dies umso mehr, als das Strafrecht
kaum flankierende Vorschriften über die Aufbewahrung, Sicherung oder Vernichtung privater Aufzeichnungen aufstellen kann.

Die Kommission kam aus diesen Gründen zum Schluss, dass Artikel 179quinquies StGB auch künftig primär bei der Zulässigkeit der Gesprächsaufzeichnung anknüpfen muss. Zudem ist sicherzustellen, dass für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger leicht erkennbar ist, unter welchen Voraussetzungen sie mit der Aufnahme ihrer Telefongespräche rechnen müssen. Schliesslich ist der Grundsatz der Vertraulichkeit und Nichtaufzeichnung von Fernmeldegesprächen zu wahren.

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Gestützt auf diese Überlegungen schlug die Kommission im Vorentwurf vom 4. November 1999 vor, den geltenden Artikel 179quinquies um zwei weitere Ausnahmen von der Strafbarkeit zu ergänzen: Neben der bereits heute als zulässig erklärten Aufzeichnung von Notrufen für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste (Abs. 1) soll zudem jeder Teilnehmer eines beteiligten Anschlusses ein- und ausgehende Fernmeldegespräche straflos aufzeichnen dürfen, sofern alle übrigen Gesprächsteilnehmer hinreichend über die Aufzeichnung informiert werden (Abs. 2). Sodann darf jeder Teilnehmer eingehende Fernmeldegespräche aufzeichnen, sofern die Aufnahmemöglichkeit aus den Teilnehmerverzeichnissen ersichtlich ist (Abs. 3).

2.4

Vernehmlassungsergebnisse

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens äusserten sich insgesamt 52 Teilnehmer (25 Kantone, 7 Parteien, das Bundesgericht, 16 Verbände und Organisationen sowie 3 Unternehmungen und Private) zum Vorentwurf. Die Notwendigkeit einer Revision von Artikel 179quinquies StGB und die Stossrichtung der Vorlage wurden dabei verbreitet bejaht. Die im Vorentwurf vorgeschlagenen konkreten Lösungen erhielten allerdings nur von einer knappen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer volle oder doch überwiegende Zustimmung.

Bei dem im Vergleich zum geltenden Recht unveränderten Absatz 1 des Vorentwurfs stand die Feststellung im Vordergrund, dass sich die Regelung im polizeilichen Alltag als nicht praktikabel erweise. Es wurde deshalb vorgeschlagen, den Text dahingehend zu ergänzen, dass neben Notrufen auch der gesamte Fernmeldeverkehr durch polizeiliche Alarm- und Einsatzzentralen aufgezeichnet werden darf.

Die neu vorgeschlagene Bestimmung von Absatz 2 führte nicht zu zahlreichen Bemerkungen, was auf ein relativ breites Einverständnis mit dem Grundsatz der Norm schliessen lässt.

Absatz 3 gab demgegenüber zu zahlreichen, überwiegend negativen Bemerkungen Anlass. Gegen diese Bestimmung wurden im Wesentlichen folgende Einwände erhoben: ­

Die Publizität/Transparenz der beabsichtigten Aufzeichnung sei für den betroffenen Gesprächsteilnehmer ungenügend.

­

Das Abstellen auf Teilnehmerverzeichnisse bilde im liberalisierten Fernmeldemarkt keine praktikable Lösung.

­

Abklärungswillige Teilnehmer ohne Zugriff auf elektronische Verzeichnisse würden gezwungen, die kostenpflichtige Sprachauskunft in Anspruch zu nehmen.

2.5

Überarbeitung des Vorentwurfs

Gestützt auf diese Ergebnisse beschloss die Kommission, Absatz 3 des Vorentwurfs durch eine neue Bestimmung zu ersetzen, welche Gesprächsteilnehmer oder Abonnenten eines beteiligten Anschlusses von der Strafbarkeit ausnimmt, sofern sie im Geschäftsverkehr Fernmeldegespräche aufzeichnen, an denen mindestens eine Ge-

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schäftsperson beteiligt ist. Solche Aufzeichnungen dürfen zudem ausschliesslich zum Zweck verwendet werden, über deren geschäftlichen Inhalt Beweis zu führen.

Die beiden ersten Absätze wurden demgegenüber lediglich geringfügig modifiziert.

3

Kommentierung des neu vorgeschlagenen Artikels 179quinquies StGB

Buchstabe a. Nach geltendem Artikel 179quinquies ist von der Strafbarkeit ausgenommen, wer für Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste Notrufe aufzeichnet. Mit dem Begriff «Notrufe» verbindet sich das Problem, dass Hilfs-, Rettungs- und Sicherheitsdienste die Aufzeichnung eines Gesprächs ausschalten bzw. den Gesprächspartner über die Aufzeichnung informieren müssten, sofern sich herausstellt, dass es sich beim Gespräch materiell nicht um einen Notruf handelt. Diese Regelung wurde im Vernehmlassungsverfahren verschiedentlich als nicht praktikabel kritisiert. Durch die Verwendung des Begriffs «Fernmeldegespräche» an Stelle von «Notrufe» wird diesem Einwand Rechnung getragen. Damit dürfen Hilfs-, Rettungsund Sicherheitsdienste ihren Telefonverkehr durchgehend aufzeichnen.

Eine zweite Modifikation zum geltenden Recht besteht darin, dass analog zu Buchstaben b und c des Entwurfs auch hier die Gesprächsteilnehmer oder Abonnenten der beteiligten Anschlüsse zur Aufzeichnung legitimiert werden. Damit folgt die Neuregelung von Artikel 179quinquies durchgehend dem Grundsatz, dass die an einem Telefongespräch Beteiligten unter den gleichen Voraussetzungen Aufzeichnungen anfertigen dürfen.

Buchstabe b statuiert neu eine Ausnahme von der Strafbarkeit auch für denjenigen, der «als Gesprächsteilnehmer oder Abonnent eines beteiligten Anschlusses Fernmeldegespräche aufzeichnet, sofern alle Gesprächsteilnehmer vorgängig hinreichend über die Aufzeichnung informiert werden». Der Begriff «Gesprächsteilnehmer oder Abonnent», der in allen drei Varianten von Artikel 179quinquies Anwendung findet, erfasst einerseits die Teilnehmer am Gespräch. Andererseits sind auch alle Abonnenten der beteiligten Anschlüsse bzw. die für sie handelnden natürlichen Personen (beispielsweise in einer Unternehmung) abgedeckt. Abzugrenzen von Gesprächsteilnehmern und Abonnenten sind andererseits aussenstehende Dritte; der strafrechtliche Schutz vor Abhörungen und Aufzeichnungen durch Dritte ­ bspw. mittels Anzapfen der Leitung ­ wird durch Artikel 179quinquies nicht eingeschränkt.

Die Aufzeichnung eines Fernmeldegesprächs durch die umschriebenen Teilnehmer eines beteiligten Anschlusses kann dann straflos erfolgen, sofern alle übrigen Gesprächsteilnehmer «vorgängig hinreichend über die Aufzeichnung informiert werden». Gemeint ist die vorgängige
Information im Rahmen des einzelnen Telefongesprächs, insbesondere in standardisierter Form durch vorgeschaltete automatische Ansagetexte. Der Begriff «hinreichend» soll verdeutlichen, dass ein expliziter Hinweis auf die Aufzeichnung nicht erforderlich ist, sofern für die Gesprächsbeteiligten auf andere Weise ohne weiteres feststellbar ist, dass eine Aufzeichnung erfolgt, wie dies insbesondere bei der Verwendung von Telefonbeantwortern der Fall ist. Das vorgeschlagene Regelungskonzept geht von standardisierten Mindestanforderungen an die Publizität der Aufzeichnungsmöglichkeit aus, hingegen setzt es nicht das Wissen der Gesprächsteilnehmer im Einzelfall voraus. Es ist daher auch nicht verlangt, dass automatische Ansagetexte in mehreren Sprachen erfolgen müssten.

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Buchstabe c. Der im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage gänzlich neu gefasste Buchstabe c von Artikel 179quinquies stellt Gesprächsteilnehmer und Abonnenten eines beteiligten Anschlusses straflos, welche im Geschäftsverkehr unter Beteiligung einer Geschäftsperson Fernmeldegespräche aufzeichnen. Mit Geschäftsverkehr sind Verhandlungen, Abschlüsse bzw. Abwicklungen von beliebigen privatrechtlichen Vertragsgeschäften gemeint. Das Gespräch muss für die Beteiligten erkennbar einen primären Bezug zum Geschäftsverkehr aufweisen. Weiter ist vorausgesetzt, dass zumindest eine Geschäftsperson am Gespräch teilnimmt. Es muss mit anderen Worten eine Partei beteiligt sein, welche berufsmässig Geschäfte abschliesst. Mit dieser Einschränkung soll vermieden werden, dass reine Privatgespräche ohne vorherige Information der Teilnehmenden aufgezeichnet werden dürfen, bloss weil sie einen Vertragsabschluss zum Inhalt haben.

Davon abgesehen wird man für die Zulässigkeit der Aufzeichnung keine allzu strengen Massstäbe anlegen, da eine spätere Verwertung der Aufzeichnungen ausschliesslich zum Zweck erfolgen darf, über den geschäftlichen Inhalt des Gesprächs Beweis zu führen. Von der Verwendung zur Beweisführung abgedeckt sind auch Vorstufen einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis hin zur Behebung von Missverständnissen. Jedoch bleibt strafbar, wer die Aufzeichnungen zweckwidrig verwendet, und zwar auch dann, wenn sie im Rahmen des Zulässigen angefertigt wurden.

Zu denken ist beispielsweise an den Fall, wo eine beiläufige private Äusserung einem Dritten zugänglich gemacht wird. Hingegen wirkt die Strafbefreiung von Buchstabe c auch dann, wenn gar keine Verwendung von zulässigerweise angefertigten Aufzeichnungen erfolgt, so insbesondere bei deren blosser Aufbewahrung.

4

Rechtsvergleich

In Deutschland ist gemäss § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB strafbar, wer unbefugt das nicht öffentlich gesprochene Wort eines andern auf einen Tonträger aufnimmt.

Unter diese Bestimmung fällt grundsätzlich auch die Aufzeichnung von Telefongesprächen durch Gesprächsteilnehmer. Seiner Schutzfunktion entsprechend ist indessen der Tatbestand auf das Aufnehmen ohne Wissen des Betroffenen beschränkt; wer mit Wissen des Betroffenen das Telefongespräch aufzeichnet, handelt nicht «unbefugt» im Sinne der Vorschrift. Darüber hinaus kommt eine Rechtfertigung auf Grund mutmasslicher Einwilligung vor allem bei Telefongesprächen im Geschäftsund Behördenverkehr in Betracht.

Frankreich verfügt in Artikel 226-1 Code pénal über eine Strafnorm, die u.a. die Aufnahme von privaten oder vertraulichen Äusserungen erfasst, sofern die Aufnahme ohne Zustimmung des Äussernden erfolgt. Hat der Betroffene jedoch Kenntnis von der Aufnahme und opponiert er nicht, obschon er dazu in der Lage wäre, so wird seine Einwilligung vermutet. Eine Sonderregelung für aufzeichnende Teilnehmer an einem Telefongespräch sieht das Gesetz nicht vor.

In Italien sind die einschlägigen Strafnormen zum Schutze des Privatlebens gegen unrechtmässiges Eindringen, gegen die Abhörung der Telekommunikation und die Verwendung von Aufnahmegeräten (Art. 615bis, 617, 617bis CP) gemäss Wortlaut und Praxis nur auf aussenstehende Dritte anwendbar. Die Aufzeichnung von Telefongesprächen durch eine Person, die am Gespräch teilnimmt, ist nicht strafbar. Sol-

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che Aufzeichnungen können denn auch als Beweismittel im Prozess verwendet werden.

In Österreich schliesslich ist die Aufzeichnung von Telefongesprächen in § 120 StGB geregelt. Der Empfänger der Äusserung fällt nicht unter die Strafnorm, auch dann nicht, wenn er die Tonaufnahme heimlich herstellt. Strafbar ist hingegen die Veröffentlichung oder die Weitergabe der Aufzeichnung an unbefugte Dritte, sofern kein Einverständnis des Sprechenden vorliegt.

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Finanzielle oder personelle Auswirkungen für Bund und Kantone sind mit der vorliegenden Gesetzesänderung nicht verbunden.

6

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts Sache des Bundes.

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