01.015 Botschaft über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. Februar 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1995 M 94.3377

Konsolidierung und einheitlicher Vollzug der Invalidenversicherung (IV) (S 14.12.94, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SR; N 28.9.95)

1995 P

95.3337

Eingliederung behinderter Menschen. Überprüfung der bundesrechtlichen Erlasse (N 6.10.95, Ruf)

1999 P

97.3394

4. IV-Revision. Wiedereingliederung Behinderter (N 4.3.99, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR 95.418)

2000 P

00.3285

Wiedereingliederung von IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern (N 6.10.00, Fraktion der Schweizerischen Volkspartei)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Februar 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11376

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0276

3205

Übersicht Die finanzielle Situation der Invalidenversicherung hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Ende 1996 wies das Kapitalkonto der IV einen Negativsaldo von 1,6 Milliarden aus; Ende 1997 betrugen die Schulden bereits 2,2 Milliarden Franken. Angesichts dieser Entwicklung schlug der Bundesrat im Juni 1997 im Rahmen seiner Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision rasch umsetzbare Massnahmen zur Zusatzfinanzierung der IV (Verlagerung von Kapital und von Beiträgen aus dem Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung [EO] zur IV), gezielte Einsparungen (Aufhebung der Zusatzrenten und der Viertelsrenten) sowie erste kostensteuernde Massnahmen vor.

Die Räte stimmten nur einer der beiden vorgeschlagenen Zusatzfinanzierungsmassnahmen zu: Per 1. Januar 1998 wurden 2,2 Milliarden Franken aus dem Ausgleichsfonds der EO zur Invalidenversicherung überwiesen. Dadurch konnten die bis Ende 1997 aufgelaufenen Schulden der IV abgebaut werden. Die übrigen Massnahmen des ersten Teils der 4. IV-Revision konnten nicht realisiert werden, da die Vorlage ­ hauptsächlich wegen des Widerstandes gegen die Aufhebung der Viertelsrenten ­ in der Volksabstimmung vom Juni 1999 gescheitert war.

Der Bundesrat greift in dieser Vorlage die für den ersten Teil der Revision vorgesehenen Massnahmen ­ mit Ausnahme der Aufhebung der Viertelsrenten ­ wieder auf und vereinigt diese mit den ursprünglich für den zweiten Teil vorgesehenen Revisionspunkten in einer einzigen Vorlage.

Mit der 4. IV-Revision werden folgende Hauptziele verfolgt: ­

Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV Die auf Anfang 1998 erfolgte Verlagerung von Kapital von der EO zur IV diente lediglich einem punktuellen Schuldenabbau. Ende 1999 beliefen sich die Schulden der IV bereits wieder auf 1,5 Milliarden Franken. Die mittelund langfristig ausgeglichene Finanzierung der IV bleibt deshalb weiterhin prioritär. Die erforderliche Zusatzfinanzierung der IV soll im Rahmen der 11. AHV-Revision angegangen werden; in diesem Rahmen wird eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Verlagerung von weiteren 1,5 Milliarden Franken aus der EO zur IV vorgeschlagen. Die 4. IV-Revision ihrerseits enthält Massnahmen, welche sich auf der Ausgabenseite entlastend auswirken.

Hierzu gehören die Aufhebung der Zusatzrenten, die Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen (EL) für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten sowie Massnahmen zur vermehrten Kostensteuerung (Bedarfsplanung bei Behinderteninstitutionen, gesetzliche Grundlage für die Finanzierung wissenschaftlicher Auswertungen).

­

Gezielte Anpassungen im Leistungsbereich Mit der Einführung einer Assistenzentschädigung sind gezielte Leistungsanpassungen im Hinblick auf eine erhöhte Autonomie von Menschen mit Be-

3206

hinderungen vorgesehen. Die Assistenzentschädigung soll dazu beitragen, dass behinderte Personen mit einem regelmässigen Bedarf an Betreuung oder Pflege die dadurch entstehenden Kosten (mindestens teilweise) decken können. Weiter soll das überholte Taggeldsystem der IV durch ein zeitgerechtes, transparentes und zivilstandsunabhängiges Taggeldsystem ersetzt werden. Und schliesslich werden die Grundlagen dafür geschaffen, dass die IV in Zukunft die invaliditätsbedingten Mehrkosten im Bereich der beruflichen Weiterausbildung ­ unabhängig von der Art des Berufsfeldes ­ unter klar definierten Voraussetzungen übernimmt.

­

Verstärkung der Aufsicht des Bundes Mit einer verstärkten Aufsicht des Bundes will der Bundesrat die Voraussetzungen für eine gesamtschweizerisch möglichst einheitliche Beurteilung von Leistungsgesuchen schaffen und die Ausgabenentwicklung in der IV (insbesondere IV-Renten) besser in den Griff bekommen. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Einführung von regionalen ärztlichen Diensten unter der direkten fachlichen Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vorgesehen. Als Ergänzung dazu schlägt der Bundesrat jährlich (statt nur periodisch) stattfindende Geschäftsprüfungen der IV-Stellen vor.

­

Verbesserung und Vereinfachung der Struktur und des Verfahrens der IV Mit der Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten und einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und kantonalen Durchführungsstellen, welche für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständig sind, soll das Verfahren einfacher und übersichtlicher gestaltet und besser koordiniert werden.

Die finanziellen Auswirkungen der 4. IV-Revision sind je nach gewähltem Zeithorizont unterschiedlich. Die Ausgaben für die Zusatzrenten verringern sich nicht sofort in grossem Umfang, sondern nehmen nur kontinuierlich ab, da für bisherige Leistungsbezügerinnen und -bezüger der Besitzstand gewährt wird.

Im Durchschnitt der ersten 15 Jahre werden die Ausgaben der IV insgesamt um 55 Millionen Franken pro Jahr vermindert. Sobald sämtliche Zusatzrenten ausgelaufen sind, hat die Revision für die IV Einsparungen von 232 Millionen Franken pro Jahr zur Folge. Die Revisionsmassnahmen haben auch Auswirkungen auf die Finanzhaushalte des Bundes und der Kantone, da sich der Beitrag des Bundes an die IV gemäss gesetzlicher Regelung auf 37,5 Prozent und derjenige der Kantone auf 12,5 Prozent der jährlichen Ausgaben der IV beläuft. Langfristig ergeben sich ­ unter zusätzlicher Berücksichtigung der finanziellen Auswirkungen der Revisionsmassnahmen auf die AHV und die EL ­ für den Bund insgesamt Einsparungen von 86 Millionen Franken und für die Kantone von 14 Millionen Franken pro Jahr.

Mit den Zusatzfinanzierungsmassnahmen der 11. AHV-Revision und den Massnahmen der 4. IV-Revision wird es gelingen, die Schulden der IV bis zum Jahr 2007 vollständig abzubauen und das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben wiederherzustellen.

3207

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Grundlagen der IV

1.1.1.1

Verfassungsauftrag

Gemäss Artikel 111 der seit 1. Januar 2000 geltenden Bundesverfassung (SR 101) trifft der Bund Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Diese beruht auf drei Säulen, der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge und der Selbstvorsorge. Gemäss Artikel 112 der Bundesverfassung müssen die Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung den Existenzbedarf angemessen decken.

Der Bund fördert zudem die Eingliederung Invalider und unterstützt Bestrebungen zu Gunsten Betagter, Hinterlassener und Invalider. Für diesen Zweck kann er Mittel aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung verwenden (Art. 111 Abs. 2 BV). Der Bund sorgt dafür, dass die erste und die zweite Säule ihren Zweck dauernd erfüllen können.

1.1.1.2

Aufgabe und Ziel der IV

Aufgabe der IV ist es in erster Linie, die nachteiligen Auswirkungen eines Gesundheitsschadens auf die Erwerbsfähigkeit versicherter Personen zu beseitigen oder bestmöglich zu mildern. Im Vordergrund steht dabei das Ziel der Eingliederung ins Erwerbsleben bzw. in den ursprünglichen Arbeitsbereich, während die Ausrichtung von Geldleistungen erst an zweiter Stelle kommt. Es gilt also das Prinzip «Eingliederung vor Rente». Eingliederungsmassnahmen sollen ferner nicht nur gewährt werden, wenn bereits eine Erwerbsunfähigkeit besteht, sondern schon dann, wenn eine solche unmittelbar bevorsteht, d.h. in absehbarer Zeit damit gerechnet werden muss.

Die Abgrenzung zwischen unmittelbar drohender Invalidität und sozialen Belastungen, welche die Erwerbsfähigkeit zwar beeinträchtigen, jedoch nicht unbedingt zu einer Invalidität führen müssen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich im Zusammenhang mit der Suchtproblematik, der Arbeitslosigkeit und den zunehmenden Sozialhilfekosten. Bereits in der Botschaft zum Entwurf des IV-Gesetzes (SR 831.20) wurde ausgeführt, dass das Anwendungsgebiet der IV von anderen Zweigen der Sozialen Sicherheit klar abzugrenzen sei. Dieser Konzentration der Invalidenversicherung auf ihre eigentlichen Aufgaben kommt heute vermehrt Bedeutung zu. Aus diesem Grund wird auch die Koordination zwischen den verschiedenen Zweigen der Sozialen Sicherheit immer wichtiger.

1.1.2

Notwendigkeit und Ziele der 4. IV-Revision

Seit Ende der Siebzigerjahre besteht kein finanzielles Gleichgewicht mehr zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Versicherung. Weitere Faktoren, wie z.B. die konjunkturellen Verhältnisse, die Fortschritte in Technik und Medizin oder die Ver3208

änderungen in der Bevölkerungsstruktur, verstärkten die Notwendigkeit und Dringlichkeit, mit einer weiteren Revision der IV geeignete Massnahmen zu treffen. Revisionswünsche kamen aus den Reihen des Parlaments, aber auch von Seiten der Behinderten1..Mit der Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK S) vom 28. September 1994 (94.3377) wurde der Bundesrat aufgefordert, «die sich rasch zuspitzende Problematik der IV unter Einbezug aller wirtschaftlichen und sozialen Faktoren grundsätzlich anzugehen und den eidgenössischen Räten baldmöglichst Massnahmen vorzuschlagen, die 1.

das System im Allgemeinen und die administrativen Abläufe im Besonderen radikal vereinfachen,

2.

eine wesentlich bessere Abstimmung und Zusammenarbeit mit den übrigen Zweigen der Sozialversicherung gewährleisten,

3.

die stark divergierende Anwendung der IV in den Kantonen vereinheitlichen und den Vollzug straffen,

4.

eine finanzielle Konsolidierung der IV herbeiführen, ohne dass einfach zum Mittel von Mehreinnahmen gegriffen werde, und

5.

auch in wirtschaftlich schwieriger Zeit wirkungsvolle Integrationsmassnahmen für Behinderte nach dem Grundsatz ermöglichen sollen».

Das Anliegen der Förderung einer umfassenderen Eingliederung behinderter Menschen sowie der Prüfung von Anreizmodellen zur wirksameren beruflichen Wiedereingliederung Behinderter in die Arbeitswelt findet sich zudem im Postulat Ruf vom 23. Juni 1995 (95.3337) sowie im Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK N) vom 15. August 1997 (97.3394).

Der 4. IV-Revision als Ganzes liegen vier Hauptzielsetzungen zu Grunde: ­

Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV Die finanzielle Konsoliderung der IV ist prioritär. Die erforderliche Zusatzfinanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer soll im Rahmen der 11. AHV-Revision angegangen werden. Weiter sollen in der 11. AHV-Revision 1,5 Milliarden Franken aus der EO zur IV verlagert werden. Die 4. IVRevision enthält Massnahmen, welche sich entlastend auf den Finanzhaushalt der IV auswirken. Hierzu gehören die Aufhebung der Zusatzrenten, die Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen (EL) für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten sowie Massnahmen, welche einen gezielteren und wirkungsvolleren Einsatz der Versicherungsgelder ermöglichen sollen (Massnahmen zur vermehrten Kostensteuerung).

­

Gezielte Anpassungen im Leistungsbereich Mit der Einführung einer Assistenzentschädigung sind gezielte Leistungsanpassungen im Hinblick auf eine erhöhte Autonomie von Menschen mit Behinderungen vorgesehen. Die Assistenzentschädigung soll dazu beitragen, dass behinderte Personen mit einem regelmässigen Bedarf an Betreuung oder Pflege die dadurch entstehenden Kosten (mindestens teilweise) decken

1

Vgl. Bericht der Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe DOK zu einer 4. IVG-Revision vom Dezember 1992.

3209

können. Weiter soll das überholte Taggeldsystem der IV durch ein zeitgerechtes, transparentes und zivilstandsunabhängiges Taggeldsystem ersetzt werden. Und schliesslich werden die Grundlagen dafür geschaffen, dass die IV in Zukunft die invaliditätsbedingten Mehrkosten im Bereich der beruflichen Weiterausbildung ­ unabhängig von der Art des Berufsfeldes ­ unter klar definierten Voraussetzungen übernimmt.

­

Verstärkung der Aufsicht des Bundes Mit einer verstärkten Aufsicht des Bundes will der Bundesrat die Voraussetzungen für eine gesamtschweizerisch möglichst einheitliche Beurteilung von Leistungsgesuchen schaffen und die Ausgabenentwicklung in der IV (insbesondere IV-Renten) besser in den Griff bekommen. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Einführung von regionalen ärztlichen Diensten unter der direkten fachlichen Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vorgesehen. Als Ergänzung dazu schlägt der Bundesrat jährlich (statt nur periodisch) stattfindende Geschäftsprüfungen der IV-Stellen vor.

­

Verbesserung und Vereinfachung der Struktur und des Verfahrens der IV Mit der Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten und einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und kantonalen Durchführungsstellen, welche für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständig sind, soll das Verfahren einfacher und übersichtlicher gestaltet und besser koordiniert werden.

1.1.3

Kostenentwicklung in der IV

1.1.3.1

Entstehung des finanziellen Ungleichgewichts und Erhöhung des IV-Beitragssatzes im Rahmen der 2. IV-Revision

Mit der 8. AHV-Revision wurden die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Basisleistungen der AHV und der IV ausgebaut. Die Leistungsverbesserungen wurden mit einer zweistufigen Erhöhung des Beitragssatzes für die AHV und die IV (IV-Beitragssatz 1973 von 0,6 auf 0,8%, 1975 auf 1,0%) ermöglicht. Die ebenfalls mit der 8. AHV-Revision vorgenommene starke Rentenerhöhung bewirkte allerdings, dass die Ausgaben der IV rasch deren Einnahmen überstiegen. 1974 wies das Kapitalkonto der Invalidenversicherung erstmals seit deren Entstehung einen Negativsaldo aus.

In der zweiten Stufe der 2. IV-Revision, welche am 1. Januar 1988 in Kraft trat, wurde dem Bundesrat die Kompetenz zur Erhöhung des IV-Beitragssatzes von 1 auf höchstens 1,2 Prozent übertragen. Diese Massnahme diente nicht allein der Finanzierung der in dieser Revision eingeführten Verbesserungen, sondern war auch zum Ausgleich der bisherigen Defizite der IV erforderlich. Der Bundesrat schöpfte seine Kompetenz durch die Erhöhung des IV-Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte bereits auf den 1. Januar 1988 voll aus. Insbesondere dadurch nahm die IV 1988 gegenüber 1987 27,7 Prozent mehr Beiträge der Arbeitnehmenden und -gebenden ein. Um den gesamten Beitragssatz für die Eidgenössischen Sozialwerke nur geringfügig zu verändern, wurde gleichzeitig der Beitrag an die Erwerbsersatzordnung (EO) von 0,6 auf 0,5 Prozent gesenkt. Die im Rahmen der 2. IV-Revision vorgenommene Erhö3210

hung des Beitragssatzes bewirkte, dass die IV ab 1990 wieder positive Rechnungsabschlüsse aufwies. Die Schulden der IV in der Höhe von 770 Millionen Franken beim Ausgleichsfonds der AHV konnten per Ende 1992 in ein Guthaben von 240 Millionen Franken umgewandelt werden2.

1.1.3.2

Verlagerung von Mitteln des Ausgleichsfonds der EO in die IV auf den 1. Januar 1998

Angesichts der finanziellen Lage der IV schlug der Bundesrat in der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149) zwei rasch umsetzbare Massnahmen zur Zusatzfinanzierung der IV vor. Er beantragte auf Anfang 1998 einerseits eine Verlagerung von Kapital in der Höhe von 2,2 Milliarden Franken aus dem Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung zur Invalidenversicherung und anderseits eine befristete Verlagerung von Beiträgen (1 Lohnpromille) der Erwerbsersatzordnung zu Gunsten der Invalidenversicherung. Die Eidgenössischen Räte hiessen am 10. Oktober 1997 die Kapitalverlagerung gut, welche per 1. Januar 1998 durchgeführt wurde (AS 1998 685). Die Verlagerung der Beiträge wurde abgelehnt.

Durch die Kapitalverlagerung vom Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung auf die Rechnung der IV beim Ausgleichsfonds konnten die bis Ende 1997 aufgelaufenen Schulden der IV auf Anfang 1998 abgebaut werden. Das Ziel einer mittel- und langfristig ausgeglichenen Finanzierung der IV ist damit allerdings noch nicht erreicht. Ende 1998 beliefen sich die Schulden der IV bereits wieder auf 690 Millionen und Ende 1999 auf rund 1,5 Milliarden Franken.

1.1.3.3

Bundesbeschluss über die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV

Der in der bis Ende 1999 geltenden BV enthaltene Artikel 41ter Absatz 3bis gab dem Bund die Möglichkeit, den Satz der Mehrwertsteuer (MWST) um höchstens 1 Prozentpunkt anzuheben, wenn die Finanzierung der AHV/IV wegen der Entwicklung des Altersaufbaus nicht mehr gewährleistet ist3. Der Bundesrat beantragte dem Parlament mit Botschaft vom 1. Mai 1997, diese Kompetenz wahrzunehmen. Die Bundesversammlung stimmte dem vorgeschlagenen Bundesbeschluss über die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV (SR 641.203) am 20. März 1998 zu.

Dieser Bundesbeschluss ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten.

Der Ertrag aus der Anhebung der MWST-Sätze geht zwar mehrheitlich an die AHV.

Der Bundesrat kann aber bestimmen, dass höchstens 10 Prozent des Gesamtertrags zur Finanzierung des demografiebedingten Kostenwachstums der IV verwendet werden. Von diesem Anteil würden jeweils 37,5 Prozent dem Bund für seine Rückstellung für die IV gutgeschrieben.

In der IV nehmen die demografiebedingten Mehrkosten erst ab dem Jahr 2002 ein Ausmass an, das es rechtfertigen würde, ihr einen Teil des Ertrages zukommen zu 2 3

Vgl. dazu Botschaft vom 29. November 1993 über die Erhöhung des IV-Beitragssatzes, BBl 1994 I 1.

Diese Kompetenz findet sich auch in der neuen, seit 1. Januar 2000 geltenden BV, vgl. Art. 130 Abs. 3.

3211

lassen. Die Verlagerung eines MWST-Promilles würde zu jährlichen Mehreinnahmen von 136 Millionen Franken führen4. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel genügen jedoch noch nicht zur Herstellung eines dauerhaften Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben in der IV.

1.1.4

Analyse der finanziellen Situation

1.1.4.1

Kostenentwicklung allgemein

Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben sowie die Veränderung des Kapitalkontos der IV von 1980 bis 1999: Einnahmen und Ausgaben der IV sowie Stand des Kapitalkontos 1980­1999 Beträge in Mio. Fr.

zu laufenden Preisen 1980

1990

1995

1996

1997

1998

1999

Einnahmen, total

2111

4412

6483

6886

7037

7269

7562

Beiträge der Versicherten und der Arbeitgebenden

1035

2307

3131

3148

3120

3190

3285

Beiträge der öffentlichen Hand ­ Bund ­ Kantone

1076

2067

3285

3657

3826

3983

4181

807 269

1550 517

2432 853

2742 914

2869 956

2987 996

3136 1045

Einnahmen aus Regress

0

38

67

82

91

97

96

Ertrag der Anlagen, Kapitalzinsen

­

­

­

­

­

­

­

Ausgaben, total

2151

4133

6826

7313

7652

7965

8362

Geldleistungen

1440

2607

4238

4462

4707

4956

5199

Kosten für individuelle Massnahmen

347

702

1136

1181

1249

1253

1274

Beiträge an Institutionen und Organisationen

288

684

1196

1367

1434

1504

1592

Durchführungs- und Vewaltungskosten

59

127

200

229

167

225

236

Kapitalzinsen

17

13

56

74

94

27

61

­40

279

­343

­427

­615

­696

­799

Differenz Einnahmen/Ausgaben Kapitalkonto

4

5

­356

6 ­1148 ­1575 ­2190

­6865 ­1485

Dies sind die effektiv der IV-Rechnung zukommenden Einnahmen. Von den 217 Millionen Franken des MWST-Promilles wegen der Belastung des veränderten Altersaufbaus gehen 37,5 Prozent, d.h. 81 Millionen Franken, an den Bund.

Per 1. Januar 1998 wurden 2,2 Milliarden Franken von der EO in die IV verlagert.

3212

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung verschiedener Ausgabenposten und des Kapitalskontos der IV im Vergleich zu den Beiträgen und zur Minimalrente zwischen 1993 und 1999: Entwicklung der Ausgaben in der Invalidenversicherung im Vergleich zu den Beiträgen und zur Minimalrente 1993­1999 Beträge in Mio. Fr.

zu laufenden Preisen 1993

1999

Durchschnittliche Veränderung pro Jahr in %

3264

4759

6,5

277

301

1,4

112 328 199

137 400 276

3,4 3,4 5,6

293 136 61 133 852

322 203 76 114 1283

1,6 6,9 3,7 ­2,5 7,1

131 184 10

183 236 10

5,7 4,2 0

Total (ohne Zinsen)

2439

3240

4,8

Total IV-Ausgaben, ohne Zinsen

5980

8300

5,6

­ der Versicherten und der Arbeitgebenden

2637

3285

3,7

­ der öffentlichen Hand

2881

4181

6,4

Kapialkonto: Stand Ende Jahr

­180

­1485

940

1005

Renten Taggelder Übrige Ausgaben Hilflosenentschädigungen Medizinische Massnahmen Massnahmen beruflicher Art Beiträge für Sonderschulung und hilflose Minderjährige Hilfsmittel Reisekosten Baubeiträge Betriebsbeiträge Beiträge an Dachorganisationen und Ausbildungsstätten Durchführung und Verwaltung Diverses

Beiträge

Monatliche Minimalrente in Franken (bei vollständiger Beitragsdauer)

1,1

Während die Beiträge der Versicherten von 1993 bis 1999 im Durchschnitt um 3,7 Prozent pro Jahr angestiegen sind, haben in der gleichen Zeitspanne die Ausgaben der Versicherung (ohne die Schuldzinsen) im Durchschnitt um 5,6 Prozent pro Jahr zugenommen. In dieser Zeit sind die Ausgaben also in jedem Jahr um rund 1,9 Prozentpunkte stärker gewachsen als die Beiträge, obwohl die Rentenanpassun3213

gen lediglich 1,1 Prozent pro Jahr ausmachten. Dabei ist insbesondere zu vermerken, dass die Rentenausgaben stärker gestiegen sind als die übrigen Ausgaben, nämlich um jährlich 6,5 Prozent gegenüber jährlich 4,8 Prozent.

1.1.4.2

Entwicklung der Ausgaben im Bereich der Renten und mögliche Ursachen für das Ausgabenwachstum

1.1.4.2.1

Allgemeine Bemerkungen

Die Renten stellen den grössten Ausgabenposten der IV dar. Zwischen 1993 und 1999 ist die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten in der Schweiz jährlich um durchschnittlich 4,3 Prozent gestiegen. 22 Prozent des jährlichen Wachstums werden durch die veränderten demografischen Verhältnisse verursacht.

Der Anteil der Menschen knapp unterhalb des AHV-Rentenalters nimmt stetig zu.

In dieser Altersgruppe ist das Invaliditätsrisiko am grössten6. Die übrigen 78 Prozent des jährlichen Wachstums sind eine Folge davon, dass in den letzten Jahren die Invalidierungswahrscheinlichkeit in allen Altersklassen, insbesondere bei den 30- bis 44-Jährigen, zugenommen hat7. Die Zahl der Rentenzugänge (neuer Rentenanspruch oder Heraufsetzen des Invaliditätsgrades) steigt, jene der Rentenabgänge (Faktoren: Wiedereingliederungen und Lebenserwartung der Rentenbezügerinnen und -bezüger) nimmt ab. Der Prozess zunehmender Eintritte und abnehmender Austritte und die damit verbundene längere Rentenbezugsdauer in der IV wird noch über Jahre ein überdurchschnittliches Wachstum der Rentenausgaben erzeugen. Besonders nachteilig wirkt sich dabei das tiefere Renteneintrittsalter aus.

Die Zunahme der Personen, welche eine IV-Rente beziehen, ist ein äusserst komplexes soziales und wirtschaftliches Phänomen. Nachstehend werden die wichtigsten Ergebnisse der in der letzten Zeit durchgeführten Untersuchungen zusammenfassend dargestellt.

1.1.4.2.2

Die Schweiz im internationalen Vergleich

Laut einer Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung: «Invalidenversicherung: Europäische Entwicklungstendenzen zur Invalidität im Erwerbsalter»8 werden für ganz Westeuropa hohe und meist kontinuierlich steigende Ausgaben im Bereich der Invalidenversicherung ausgewiesen. Die Schweiz 6 7

8

Infolge des heraufgesetzten Rentenalters für Frauen ist in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen noch eine stärkere Zunahme der IV-Rentnerinnen absehbar.

Die Wahrscheinlichkeit, invalid zu werden (Invalidierungsrisiko), ist zwischen 1985 und 1995 in allen Altersgruppen gestiegen. Absolut gesehen ist das Invalidierungsrisiko bei den über 60-Jährigen am grössten. Die relative Zunahme war jedoch bei den 30- bis 44-Jährigen am markantesten. Dies hat aber auch eine längere Bezugsdauer der IV-Renten zur Folge.

Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung: «Invalidenversicherung: Europäische Entwicklungstendenzen zur Invalidität im Erwerbsalter», hrsg. vom BSV (EDMZ 318.010.7/99d). Die Studie thematisiert die aktuellen Situationen wie auch die in den letzten Jahrzehnten festzustellenden Entwicklungen der Invalidenversicherungssysteme in sieben europäischen Staaten (Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz). Sie basiert auf von nationalen Expertinnen und Experten erstellten Länderprofilen, welche nach einem einheitlich strukturierten Raster erarbeitet wurden.

3214

hat ein vergleichsweise tiefes Ausgabenniveau zu verzeichnen. Eine Betrachtung des Risikos «Invalidität» ergibt gemäss OECD-Datenbank für 1995 folgende Anteile am Bruttoinlandprodukt (BIP): Niederlande 4,06 Prozent, Norwegen 2,67 Prozent, Schweden 2,42 Prozent, Österreich 1,54 Prozent, Italien 1,37 Prozent, Schweiz 1,28 Prozent (mit der Beruflichen Vorsorge 1,63%) und Deutschland 1,09 Prozent Anteil am BIP.

Die Studie liefert einmal Anhaltspunkte dafür, dass in der Schweiz Invalidenrenten nicht als vorzeitige Altersrenten benützt werden. Im Vergleich zu Staaten, welche so genannte Frührentensysteme kennen, weist die Schweiz keinen entsprechend höheren Anteil an IV-Renterinnen und -rentnern in der betroffenen Altersgruppe auf. Es scheint deshalb, dass die IV nicht als Auffangbecken für Frühpensionierungen missbraucht wird. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass der Invaliditätsbegriff nicht in jedem Land gleich definiert ist. Im Unterschied zu etlichen anderen Ländern kennt die Schweiz einen wirtschaftlichen Invaliditätsbegriff, wonach Leistungen nicht schon bei Vorliegen eines Gesundheitsschadens, sondern erst bei einer gesundheitlich bedingten verminderten Erwerbsfähigkeit erbracht werden.

Im Ländervergleich der Studie weist die Schweiz sowohl einen tiefen Anteil der IVRentnerinnen und -Rentner als auch der jährlichen Neuzugänge auf. Dieser positiven Beurteilung der aktuellen Situation steht eine eher ungünstige Entwicklung gegenüber. Während die aktuellen Zahlen der Neuzugänge im Vergleich zu jenen von 1980 in den meisten Vergleichsstaaten abgenommen haben, ist in der Schweiz ein Anstieg der Neuzugänge zu verzeichnen; von der Zunahme ist insbesondere die Altersgruppe der unter 50-Jährigen betroffen. Dieses schweizerische Phänomen lässt sich nur bedingt erklären. Im Gegensatz zu den entsprechenden Versicherungen in den meisten Vergleichsstaaten ist die schweizerische Invalidenversicherung eine Volksversicherung und nicht eine Versicherung der Arbeitnehmenden. In der Schweiz haben somit auch Geburts- und Frühbehinderte sowie nicht erwerbstätige Personen Anspruch auf Leistungen der IV.

Weitere interessante Hinweise liefert die Literaturstudie «Determinanten der Inanspruchnahme einer Invalidenrente»9. Wenn Länder mit ähnlichen exogenen10 Faktoren Unterschiede bei der Inanspruchnahme einer IV-Rente
aufweisen, so können diese Unterschiede nur mit endogenen11 Faktoren erklärt werden. Als erste wesentliche Erkenntnis kann der Literaturstudie entnommen werden, dass für die Schweiz die exogenen Faktoren ­ wie Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und niedriges Bildungsniveau ­ einen wesentlich geringeren Einfluss auf die Zunahme der IV-Rentnerinnen und -Rentner haben als Faktoren, die im Aufbau und der Funktionsweise der Invalidenversicherung selbst liegen. Als für die Schweiz bedeutende systemspe9

10

11

Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung: «Determinanten der Inanspruchnahme einer Invalidenrente. Eine Literaturstudie», hrsg. vom BSV (EDMZ 318.010.10/00 d). Trotz der umfangreichen Bibliographie bleibt die Quelle gewisser Aussagen manchmal zu vage («Interpretation der Autorenschaft»). Bevorzugt wurde im Übrigen der ökonomische Ansatz, so dass medizinische, juristische oder soziologische Forschungsergebnisse zum Thema eher weniger berücksichtigt wurden. Dasselbe gilt auch für Studien aus dem frankophonen Raum.

Als exogen werden jene Faktoren bezeichnet, die von ausserhalb der Invalidenversicherung dazu anreizen, Leistungen der Invalidenversicherung zu beantragen, wie z.B. verschärfter internationaler Wettbewerb, Verdrängung ganzer Industriesektoren durch neue Dienstleistungsbranchen, steigende Erwerbsquote bei Frauen, demografische Verhältnisse usw.

Endogen sind jene Faktoren, die der Invalidenversicherung inhärent sind, die sich also aus dem System der Versicherung selbst herleiten.

3215

zifische (endogene) Faktoren nennt die Literaturstudie die nach dem Invaliditätsgrad abgestuften Renten, die Sonderregelung für Geburts- und Frühinvalide, die Struktur der IV als Volksversicherung, die komplexe Invaliditätsdefinition und die relativ grossen Ermessens- und Entscheidungsspielräume der IV-Stellen. Die Gewichte der definierten Faktoren sind aber immer im landesspezifischen Kontext zu sehen12.

1.1.4.2.3

Krankheit als Hauptinvaliditätsursache

Das IVG nennt als Ursache eines zur Invalidität führenden Gesundheitsschadens Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall. Die IV-Statistik unterscheidet demzufolge bei der Rentenzusprache nach diesen Ursachen. 80 Prozent der Neurentner und rentnerinnen erhalten ihre Rente auf Grund einer Krankheit.13 Unter den Krankheiten, welche zu einem Rentenbezug führen, werden immer häufiger Beeinträchtigungen der Knochen oder der Bewegungsorgane (Bänder, Muskeln und Sehnen) sowie psychische Erkrankungen (psychogene oder millieureaktive Störungen; Neurosen, Borderline cases, einfache psychische Fehlentwicklungen, funktionelle Störungen des Nervensystems, psychosomatische Störungen) festgestellt.

Wie die nachfolgenden Grafiken zeigen, sind die Wachstumsraten dieser beiden Krankheitstypen im Vergleich zu anderen Krankheiten sehr hoch. Machten sie im Jahre 1985 die Hälfte der Neuberentungen aus, sind es 15 Jahre später schon zwei Drittel.

Erstrenten wegen Krankheiten 1985 umore 8% Kreislauf 17%

1999

Psychische Krankheiten 24%

Tumore 8% Kreislauf 9%

Psychische rankheiten 36%

Übrige 18%

Übrige 24%

12

13

Knochen, Bewegungsorgane 26%

Knochen, Bewegungsorgane 31%

Landesspezifisch heisst für die Schweiz u.a. Folgendes: Für die IV gilt als oberste Maxime der Grundsatz «Eingliederung vor Rente». Das schweizerische Sozialversicherungssystem ist dem Solidaritätsgedanken (Generationen, Einkommen, Gesundheitszustand) verpflichtet. Die in der Schweiz geltende komplexe Invaliditätsdefinition orientiert sich an ökonomischen und nicht an medizinischen Kriterien. Der Invaliditätsgrad ergibt sich somit aus einem Vergleich der möglichen Einkünfte ohne Invalidität und den nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen noch zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten. Dabei wird von einem abstrakten, ausgeglichenen Arbeitsmarkt ausgegangen.

BSV, F. Donini, N. Eschmann, «Anstieg der IV-Rentenbezüger. Erklärungsansätze».

Soziale Sicherheit 4/1998, S. 202­207.

3216

Mit 31 Prozent machen heute die Gebrechen an Knochen und Bewegungsorganen die zweithäufigste Berentungsursache unter den Krankheiten aus. BSV-interne Untersuchungen zeigen, dass davon vor allem Personen aus der Alterskategorie der über 45-Jährigen betroffen sind, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Inzidenz mit zunehmendem Alter massiv zunimmt. Dabei gilt es zu beachten, dass nur 60 Prozent der Personen, die aus Gründen einer Erkrankung des Bewegungsapparates eine Rente erhalten, eine ganze Rente beziehen.

Als Invaliditätsursache nehmen die psychischen Krankheiten bei den Erstrenten wegen Krankheiten die Spitzenposition ein (36%). Betrachtet man die Invalidisierungswahrscheinlichkeit nach Alter, so fällt auf, dass im Alter von 20­35 Jahren mehr Menschen wegen psychischer Gebrechen invalidisiert werden als wegen aller anderen Ursachen. Die durch psychische Krankheiten verursachten Kosten in der IV entfallen hauptsächlich auf die Renten (1999: 474 Mio. Fr.). Unbedeutende Kosten verursachen die Hilflosenentschädigungen (2 Mio. Fr.), während die EL stark zugenommen haben; 1994 lagen sie mit 49 Millionen Franken noch unter den Kosten der individuellen Massnahmen der IV, 1999 liegen sie mit 115 Millionen Franken deutlich darüber. Die individuellen Massnahmen der IV verursachen Kosten von 74 Millionen Franken.

Die heute vorhandenen Daten tragen nur begrenzt zu einer Erklärung des Phänomens der Zunahme der IV-Rentenbezüge bei. Dies gilt insbesondere für den Bereich der psychisch bedingten Krankheiten. Ein Erklärungsversuch liefert die bereits weiter oben erwähnte Literaturstudie14. In der Folge des sich vollziehenden Strukturwandels von der Industrie- hin zur Dienstleistungsgesellschaft verliert die körperliche Leistungsfähigkeit vermehrt an Bedeutung. Die Nachfrage nach sozialen und emotionalen Kompetenzen wächst. Viele Menschen sind den neuen psychischen Anforderungen nicht mehr gewachsen, sie werden invalid. Diese Aussage entspricht der festzustellenden Veränderung in der Zusammensetzung der Invalidenpopulation, die einhergeht mit der Verschiebung des Profils des «typischen IV-Rentners»: vom älteren, an Muskeln oder Knochen erkrankten Mann zur jüngeren, an einer psychischen Krankheit leidenden Frau. Nach wie vor muss jedoch festgehalten werden, dass die Ursachen der erheblichen Wachstumsraten der psychischen Krankheiten als Invaliditätsursache bis heute noch nicht gründlich erforscht sind.

1.1.4.2.4

Mangelndes IV-spezifisches Fachwissen der Ärztinnen und Ärzte und gewandelter Krankheitsbegriff

Die Angaben zur Arbeitsfähigkeit und zu verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten sind für das Entscheidverfahren der IV von grundlegender Bedeutung. Gemäss einer kürzlich durchgeführten Untersuchung15 ist davon auszugehen, dass die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit versicherter Personen für Ärztinnen und Ärzte oftmals schwierig ist. Sie sind zu wenig vertraut mit den Anforderungen der einzelnen Arbeitsstellen, verfügen nicht über genaue Kriterien zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und haben begrenzte Kenntnisse im Bereich der Arbeitsmedizin. Weiter bestätigt die Untersuchung, dass zahlreiche Verwechslungen zwischen den verschiedenen Begrif14 15

Vgl. Fussnote 9.

Studie Interface, «Die ärztliche Beurteilung und ihre Bedeutung im Entscheidverfahren über einen Rentenanspruch in der Eidg. Invalidenversicherung», 1999.

3217

fen Arbeitsfähigkeit, Erwerbsfähigkeit und Invaliditätsgrad vorkommen. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass sich die IV-Stellen bei ihren Entscheiden immer seltener ausschliesslich auf die hausärztlichen Berichte stützen. Immer häufiger werden ­ trotz der begrenzten Zahl von Gutachterinnen und Gutachtern und der dadurch bedingten langen Wartefristen ­ medizinische Gutachten veranlasst.

Die erwähnte Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen: Der von Ärztinnen und Ärzten verwendete Krankheitsbegriff wandelt sich. Nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Versicherten reagieren auf psychische und soziale Faktoren ihres Umfeldes mit grösserer Sensibilität. Psychische Erkrankungen sind in der Gesellschaft kein Tabuthema mehr.

Auch die in anderem Zusammenhang zitierte Literaturstudie «Determinanten der Inanspruchnahme einer Invalidenrente»16 bezeichnet die veränderte Einstellung der Gesellschaft gegenüber Krankheit als einen der ganz wenigen exogenen, robusten und für die Schweiz bedeutenden Faktor. Sie hält fest, dass psychische Invalidität heute viel weniger stigmatisierend wirkt als früher. Die Zunahme der psychiatrischen und psychotherapeutischen Praxen (Zunahme um 72% zwischen 1986 und 1995) mag ein Hinweis darauf sein, dass psychisch bedingte Beschwerden ernster genommen werden und ihnen mehr soziale Akzeptanz zukommt.

Von grosser Bedeutung ist ferner, wie Ärztinnen und Ärzte ihre Rolle definieren, welche sie gegenüber Versicherten und der Gesellschaft einnehmen. In neuerer Zeit wird bei der ärztlichen Beurteilung den psychischen und sozialen Faktoren sowie deren Auswirkungen vermehrt Rechnung getragen. Dabei kann nicht übersehen werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Rentenzusprachen umso grösser wird, je mehr Gewicht die Hausärztinnen und Hausärzte17 den Interessen ihrer Patientinnen und Patienten beimessen. Im Weiteren ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es wahrscheinlich schwieriger ist, die beruflichen Konsequenzen von psychischen Krankheiten abzuschätzen als diejenige von somatischen Gesundheitsproblemen. Da die ärztlichen Angaben zur Arbeitsfähigkeit und zu verbleibenden Arbeitsmöglichkeiten im Entscheidverfahren der IV eine wesentliche Rolle einnehmen, liegt die Vermutung nahe, dass die verantwortlichen IV-Stellen eher bereit sind, Rentengesuchen wegen psychischer Beschwerden im Zweifelsfalle zu entsprechen.

1.1.4.2.5

Wirksamkeit der beruflichen Massnahmen

Die Entwicklung der Renten wird ebenfalls durch die Wiedereingliederung invalider Personen in die Berufswelt beeinflusst. Auf Grund einer Untersuchung des BSV18 beziehen zwei Drittel der Versicherten, denen eine berufliche Massnahme gewährt wurde, in den beiden nachfolgenden Jahren keine Rente (56%), eine halbe oder eine Viertelsrente (11%). Diese Wirksamkeit hängt wesentlich von der Ursache der 16 17

18

Vgl. Fussnote 9.

Die Hypothese, dass Ärztinnen und Ärzte über ein mangelndes IV-spezifisches Fachwissen (Versicherungs- und Arbeitsmedizin) verfügen, trifft insbesondere auf die Hausärztinnen und Hausärzte zu.

BSV, M. Buri, «Wirksamkeit beruflicher Massnahmen der Invalidenversicherung», Soziale Sicherheit 6/2000, S. 327­330. In der Studie wird davon ausgegangen, dass eine «berufliche Massnahme» wirksam ist, wenn eine Person die berufliche Massnahme abschliesst und in den beiden Folgejahren keine ganze Rente bezieht. Eingliederungen in geschützten Werkstätten wurden nicht berücksichtigt, weil hier das Ziel die soziale Eingliederung ist.

3218

Invalidität ab. Bei Unfällen beträgt sie 80 Prozent, bei den Geburtsgebrechen dagegen nur knapp 50 Prozent. In der Kategorie Krankheiten (Wirksamkeit 73%) bestehen für psychische Erkrankungen sowie Erkrankungen des Nervensystems die geringsten Aussichten auf eine erfolgreiche Eingliederung. Die Wirksamkeit ist seit 1993 recht stabil.19

Wirksamkeit von beruflichen Massnahmen bei Krankheiten 1997 ø 73%

Nervens.

Psyche Kreislauf Tumore Sinne Andere Knochen, Bew.

Allergien

0%

25%

50%

75%

100%

Die berufliche Umschulung erweist sich für alle Invaliditätsursachen als die wirkungsvollste Massnahme. Für die einzelnen Versicherten nimmt die Wahrscheinlichkeit, dank beruflicher Massnahmen keine oder eine niedrigere Rente zu erhalten, mit höherer Qualifikation bzw. grösserem Qualifikationspotenzial zu. Die Wirksamkeit der Eingliederungsarbeit der IV bewegt sich somit auf einem mit den Erfolgsquoten von Studierenden vergleichbaren Niveau: Drei von vier Studierenden schliessen ihr Studium mit dem Lizentiat oder einem Diplom ab.

1.1.4.2.6

Zusammenhang zwischen Invalidität und Arbeitslosigkeit?

Die Ausgaben für IV-Renten variierten in der Vergangenheit stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung: Je kleiner das Wachstum des Bruttoinlandprodukts im Vergleich zum Vorjahr war, desto höher fiel die Zunahme bei den Ausgaben für Renten aus. Zudem erhöhten sich die Ausgaben der IV bei tiefem Wirtschaftswachstum markant, gingen aber in Zeiten höheren wirtschaftlichen Wachstums nicht im selben Mass wieder zurück20. Diese asymmetrische Relation zwischen Arbeitslosigkeit und Invalidität lässt selbst die zyklischen Bewegungen der Arbeitslosenrate21 für die Invalidenvorsorge problematisch erscheinen.

Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Invalidität zu vermuten. Verschiedene Untersuchungen zeigen aber, dass zwar ein gewisser Zusammenhang besteht, für die Zunahme des Invaliditätsrisikos der Bevölkerung neben der Arbeitslosenquote jedoch noch weitere Faktoren relevant sind.

19 20 21

Erstmalige Ausbildung 1993: 62,2%; 1997: 65,2%. Umschulung: 1993 72,3%, 1997 75,2%.

Vgl. Bericht der IDA FiSo vom Juni 1996 über die Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen, Seite 28.

Exogener Faktor für die Inanspruchnahme einer Invalidenrente.

3219

Obwohl davon auszugehen ist, dass Arbeitslosigkeit gesundheitlich negative Auswirkungen hat, zeigen Erfahrungen in der Praxis22, dass die Invalidisierung oft bereits vor der eigentlichen Periode der Arbeitslosigkeit erfolgt. Ein langjähriges Leiden (z.B. Rückenleiden) erlangt in Zeiten von (wirtschaftlich) drohender Arbeitslosigkeit eine krankmachende Bedeutung. Der Weg führt also aus dem (zwar von Arbeitslosigkeit bedrohten) Erwerbsleben über Krankheit in die Invalidität, ohne dass die betroffene Person je ein Arbeitslosentaggeld bezogen hätte.

Zwischen 1985 und 1995 nahm die Wahrscheinlichkeit für eine Person, im Erwerbsalter rentenbegründend invalid zu werden (sog. Inzidenz), um rund 30 Prozent zu23.

Dabei bestehen grosse kantonale Unterschiede. Es zeigt sich, dass Kantone mit starker Inzidenz generell auch eine hohe Arbeitslosenquote aufweisen24. Umgekehrt ist für Kantone mit unterdurchschnittlichem Anteil an IV-Rentnerinnen und -Rentnern auch eine niedrige Arbeitslosenquote zu verzeichnen. Zwischen Arbeitslosenquote und Invalidisierungswahrscheinlichkeit besteht somit eine gewisse Parallelität.

Die Zahl der ausgesteuerten Arbeitslosen stieg bis 1994 stark an, hingegen blieb der Anteil derjenigen Personen, die anschliessend innerhalb von zwei Jahren eine IVRente erhielten, mit gut 2 Prozent stabil. Damit wird die Behauptung widerlegt, dass der Anstieg der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger auf einen beinahe schon institutionalisierten Übertritt der ausgesteuerten Arbeitslosen zur IV zurückzuführen sei25. Allerdings muss geltend gemacht werden, dass das für die Untersuchung berücksichtigte Zeitintervall von zwei Jahren zu kurz ist, um die Auswirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit mit ausreichender Sicherheit zu erfassen.

1.1.4.2.7

Geplante Untersuchungen

Da die heute vorliegenden Daten das Phänomen der Zunahme der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger nur begrenzt erklären, sind zur Beantwortung weiterer Fragen zusätzliche Studien notwendig. Allen voran sind die Ursachen der Invalidität aus psychischen Gründen zu hinterfragen. Hierzu können die der IV zurzeit zur Verfügung stehenden individuellen Daten keine Antwort geben. Eine solche ergibt sich vermutlich eher aus einer Analyse der gesellschaftlichen Trends. Die Kenntnisse solcher Trends (Internationalisierung, Individualisierung der Lebensläufe, Infragestellung der allgemeinen Solidarität, schwindende Identifikation mit dem Staat und seinen Aufgaben, Medizinisierung des Lebens) sollen vor allem helfen zu verstehen, dass die Zunahme von Invalidität in einem grösseren und nicht einfach zu beeinflussenden Gesamtzusammenhang gesehen werden muss.

Vorgesehen ist, die Motivationsgründe der Arbeitgeberschaft, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, zu untersuchen. Weiter soll dem steigenden Invaliditätsrisiko in der Schweiz, insbesondere der überproportionalen Zunahme in der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen, vermehrt auf den Grund gegangen werden. Ein weiterer Forschungsgegenstand sollten auch die kantonalen Unterschiede in Grösse 22 23 24 25

H. Herzer, EMH Schweizerische Ärztezeitung 2000; 81: Nr. 47, S.2668­2672 BSV, F. Donini, N. Eschmann, «Anstieg der IV-Rentenbezüger. Erklärungsansätze».

Soziale Sicherheit 4/1998, S. 202­207.

Vgl. hierzu Arbeitslosenquote 1995: «Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, Dezember 1995», S. 7, BIGA BSV, F. Donini, N. Eschmann, «Anstieg der IV-Rentenbezüger: Erklärungsansätze», Soziale Sicherheit 4/1998, S. 205.

3220

und Wachstum der Invalidenpopulation sein. Bei den Untersuchungen sind ausserdem die Entwicklungen in anderen Staaten mitzuberücksichtigen. Ferner wird es auch darum gehen, ein Qualitätssicherungssystem im Rentenentscheidverfahren zu erarbeiten.

Das BSV hat für die Jahre ab 2001 folgende drei Forschungsschwerpunkte festgelegt: Untersuchung von Invalidisierungsprozessen, betriebliche Behindertenpolitik und Analyse der Unterschiede bei den Invalidisierungsquoten in den Kantonen. Die Projektorganisation erfolgt in Berücksichtigung der heutigen personellen und finanziellen Ressourcen des BSV und wird zurzeit erarbeitet. Die Forschungsarbeiten des Amtes werden mit themenmässig ähnlich gelagerten Forschungsvorhaben des Staatssekretariates für Wirtschaft (seco; im Rahmen der periodisch vorgesehenen Anstrengungen im Bereich Wirkungsanalyse Arbeitslosenversicherung) sowie mit laufenden oder geplanten nationalen Forschungsprojekten (NFP) koordiniert.

1.1.4.3

Entwicklung der Ausgaben im Bereich der kollektiven Leistungen

Auch im Bereich der Beiträge an Institutionen und an Organisationen ist ein deutlicher Anstieg der Ausgaben festzustellen (zwischen 1993 und 1999: durchschnittliche jährliche Veränderung von 7,1 Prozent bei den Betriebsbeiträgen an Institutionen und 5,7 Prozent bei den Beiträgen an Organisationen; vgl. Tabelle in Ziff.

1.1.4.1). Der Anteil der Ausgaben für kollektive Leistungen am Gesamttotal der Ausgaben der IV ist jedoch stabil geblieben.

Die gestiegenen Ausgaben sind auf verschiedenste Faktoren zurückzuführen. Zwischen 1993 und 1999 betrug die Teuerung insgesamt 4,9 Prozent und durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr. In der gleichen Zeit hat die Zahl der Rentenbezügerinnen und -bezüger jährlich um rund 4,3 Prozent zugenommen. Diese Zunahme ist deshalb von Bedeutung, weil eine höhere Anzahl von Menschen mit Behinderungen einen entsprechend grösseren Bedarf an kollektiven Leistungen auslöst. Bei den Werkstätten und Wohnheimen für Behinderte wurde das Angebot in den letzten Jahren gesamthaft deutlich erweitert, dies in erster Linie, weil Menschen mit Behinderungen vermehrt in eigens für sie geschaffenen Einrichtungen statt in psychiatrischen Kliniken oder in Alters- und Pflegeheimen untergebracht werden. Ein Ausbau hat auch bei den Suchtinstitutionen stattgefunden.

Der sprunghafte Anstieg in den Jahren 1996 und 1997 bei den Beiträgen an Institutionen und an private Organisationen ist auch auf die Aufarbeitung und Abrechnung von Rückständen zahlreicher Gesuche aus den Achtziger- und Neunzigerjahren zurückzuführen.

Um die Kostensteigerung im Bereich der kollektiven Leistungen in den Griff zu bekommen, sind verschiedene Massnahmen eingeleitet worden. Hierzu gehören insbesondere die Reduktion des Beitragssatzes bei den Bau- und Einrichtungsbeiträgen sowie eine konsequentere Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und eine entsprechende Anpassung der Beiträge. Weiter befinden sich verschiedene Steuerungsinstrumente im Aufbau: Auf Grund der 1996 auf Verordnungsstufe eingeführten kantonalen oder interkantonalen Bedarfsplanung für Wohnheime und Werkstätten hat das BSV für die Jahre 1998 bis 2000 lediglich einen Ausbau von 12 statt der von den Kantonen ursprünglich beantragten 16 Prozent der Plätze bewilligt. Ferner wird derzeit vom geltenden nachschüssigen Beitragssystem auf im Voraus vereinbarte Leis3221

tungsverträge umgestellt: Per 1999 wurden mit den ersten Werkstätten Leistungsverträge abgeschlossen. Per 2001 wird zudem mit sämtlichen Organisationen der privaten Behindertenhilfe das neue Beitragssystem verwirklicht sein. Die Leistungsverträge werden ausschliesslich mit nationalen bzw. sprachregionalen Dachorganisationen abgeschlossen. Regionale oder lokale Behindertenorganisationen werden nur noch indirekt, d.h. via Dachorganisationen, Beiträge erhalten können.

1.1.5

Parlamentarische Vorstösse

Wir schlagen vor, vier Vorstösse abzuschreiben.

Mit der Motion der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK S; 94.3377) wurde der Bundesrat aufgefordert, die sich rasch zuspitzende Problematik der IV unter Einbezug aller wirtschaftlichen und sozialen Faktoren grundsätzlich anzugehen und baldmöglichst Massnahmen vorzuschlagen, die zu einer Vereinfachung des Systems und der administrativen Abläufe, einer besseren Abstimmung und Zusammenarbeit mit den übrigen Zweigen der Sozialversicherung, einer Vereinheitlichung der Anwendung der IV in den Kantonen und einer Straffung des Vollzugs, einer finanziellen Konsolidierung der Versicherung sowie zu wirkungsvollen Eingliederungsmassnahmen für Menschen mit Behinderungen führen.

Diese Anliegen werden mit dem vorliegenden Entwurf (Schiedsgericht, Einspracheverfahren, Vereinfachungen der Rechtspflege im Bereich der kollektiven Leistungen, regionaler ärztlicher Dienst) weitgehend erfüllt. Massnahmen zur finanziellen Konsolidierung der IV stellen die bereits vollzogene Kapitalverlagerung aus dem Ausgleichsfonds der EO in die IV, die Spar- und Konsoliderungsmassnahmen (insbes. Aufhebung der Zusatzrente, Massnahmen zur Kostensteuerung) sowie die Zusatzfinanzierungsmassnahmen innerhalb der 11. AHV-Revision dar.

Die Anliegen der Überprüfung der Gesetzgebung im Hinblick auf die Förderung einer umfassenderen Eingliederung behinderter Menschen (Postulat Ruf; 95.3337), der Prüfung von Anreizmodellen zur wirksameren beruflichen Wiedereingliederung Behinderter in die Arbeitswelt (Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates; 97.3394) sowie der Prüfung gesetzgeberischer Möglichkeiten zur Erleichterung der Wiedereingliederung von IV-Rentnerinnen und -Rentern in den Arbeitsprozess (Motion Fraktion der Schweizerischen Volkspartei; 00.3285) gehen alle in eine ähnliche Richtung. Den in den erwähnten Vorstössen gestellten Forderungen wird in dieser Vorlage durch eine gesamtschweizerische Informationsarbeit (vgl. Ziff. 2.6.3) und durch die vorgesehene Leistungsausweitung bei der Übernahme invaliditätsbedingter Mehrkosten bei der beruflichen Weiterbildung (vgl. Ziff. 2.3.3) Rechnung getragen. Auf weitergehende IV-finanzierte Anreizsysteme wird in dieser Botschaft aus finanziellen Gründen verzichtet. Das Anliegen soll
jedoch in einem grösseren Rahmen unter der Federführung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (bzw. des seco) bis Mitte 2001 untersucht werden. Einzelne Massnahmen zu einer verbesserten Eingliederung sind zudem auf Verordnungsstufe umgesetzt worden oder werden noch geprüft (vgl. hierzu Ziff. 2.7.1). Im Zusammenhang mit gesetzgeberischen Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ganz allgemein verweisen wir schliesslich auf die am 11. Dezember 2000 verabschiedete Botschaft zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» und zum Entwurf eines Bundesgesetzes

3222

über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; BBl 2001 1715; vgl. Ziff. 1.2.5).

1.2

Vorarbeiten

1.2.1

Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision

Angesichts der Entwicklung des Finanzhaushalts der IV (und in Erfüllung der Motion der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 28. September 1994) beschloss das Eidg. Departement des Innern (EDI) Ende 1995, einen Bericht über die Grundzüge und vorgesehenen Massnahmen der 4. IVG-Revision zuhanden des Bundesrates auszuarbeiten. Mit Beschluss des Bundesrates vom 2. Dezember 1996 wurde das EDI ermächtigt, das Vernehmlassungsverfahren zum Bericht über die Grundzüge und Hauptpunkte der 4. IVG-Revision vom November 1996 zu eröffnen.

Nach Auswertung des Vernehmlassungsverfahrens verabschiedete der Bundesrat am 25. Juni 1997 die Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149).

Diese Botschaft enthielt Massnahmen auf der Einnahmenseite (Kapital- und Beitragsverlagerung von der EO in die IV) sowie Sparmassnahmen (Aufhebung der Viertels- und der Zusatzrenten).

Die Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision wurde in der Folge von den Eidgenössischen Räten durchberaten. Am 10. Oktober 1997 wurde der Bundesbeschluss betreffend die Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung gutgeheissen (AS 1998 685) Am 26. Juni 1998 beschlossen die Räte die Änderung des IV-Gesetzes (IVG) in einer gegenüber der Botschaft leicht modifizierten Fassung (insbesondere unter Einbezug des ärztlichen Dienstes; BBl 1998 3479).

Im Oktober 1998 reichten die Schweizer Paraplegiker Vereinigung und der Schweizerische Invaliden-Verband fristgerecht das Referendum «Gegen die Abschaffung der IV-Viertelsrente» ein. Das Referendumskomitee machte geltend, der Spareffekt der Aufhebung der Viertelsrente sei im Vergleich zu den Einbussen der Betroffenen sehr gering. Die übrigen Massnahmen der Vorlage waren demgegenüber nicht Gegenstand der Diskussion. Anlässlich der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 wurde der erste Teil der 4. IV-Revision abgelehnt.

1.2.2

Vereinigung der beiden Teile der 4. IV-Revision

Die in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 abgelehnte Vorlage zur 4. IV-Revision bildete ursprünglich den ersten Teil eines Gesamtpaketes zur Reform der Invalidenversicherung. Es war Absicht des Bundesrates, zu Beginn des Jahres 2000 ein Vernehmlassungsverfahren zum zweiten Teil der Revision durchzuführen und Ende 2000 die Botschaft zu verabschieden. Nach der Ablehnung des ersten Teils der 4. IV-Revision in der Volksabstimmung erachtet es der Bundesrat als sinnvoll, die im Wesentlichen unbestrittenen Massnahmen des ersten Teils und den zweiten Teil der 4. IV-Revision in einer einheitlichen Vorlage zusammenzufassen.

3223

1.2.3

11. AHV-Revision

Am 2. Februar 2000 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft über die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (BBl 2000 1865). Mit dieser Vorlage soll die AHV mittelfristig konsolidiert werden. In diesem Rahmen soll auch die Finanzierung der IV gesichert werden. Der Bundesrat schlägt vor, den MWST-Satz auf den 1. Januar 2003 um 1 Prozentpunkt zu Gunsten der IV anzuheben. Eine Verlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus der EO in die IV soll den Schuldenabbau in der IV beschleunigen. Nach der Schuldentilgung kann die MWST voraussichtlich um 1 Promille reduziert werden.

Ziffer 1.1 der Botschaft zur 11. AHV-Revision enthält eine Gesamtschau über die finanzielle Entwicklung der verschiedenen Sozialversicherungen und die geplanten Massnahmen des Bundesrates im Hinblick auf die gesamthafte Konsolidierung. In diesem Abschnitt wird auch die Situation der Invalidenversicherung dargestellt.

1.2.4

Verhältnis zum Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)

Am 6. Oktober verabschiedete die Bundesversammlung das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR ...; AS ... ;BBl 2000 5041). Dieses geht zurück auf eine parlamentarische Initiative von Ständerätin Josi Meier vom 7. Februar 1985. Ziel des nun vorliegenden Erlasses ist eine Vereinheitlichung der bestehenden Sozialversicherungsgesetze, ohne die bisherigen Strukturen zu zerstören. Das ATSG koordiniert das Sozialversicherungsrecht des Bundes, indem es Grundsätze, Begriffe und Institute des Sozialversicherungsrechts definiert, ein einheitliches Sozialversicherungsverfahren festlegt und die Rechtspflege regelt, die Leistungen aufeinander abstimmt und den Rückgriff der Sozialversicherungen auf Dritte ordnet (vgl. Art. 1 ATSG).

Das ATSG ist derzeit noch nicht in Kraft. Es ist aber davon auszugehen, dass es vor der 4. IV-Revision in Kraft gesetzt wird. Deshalb basiert die vorliegende Botschaft bereits auf den durch das ATSG geschaffenen Grundlagen. Insbesondere folgt sie der gesetzgeberischen Konzeption, derzufolge ­

das ATSG auf diejenigen Gebiete innerhalb des IVG zur Anwendung gelangt, welche in Artikel 1 IVG umschrieben werden (konkret wird deshalb eine Neuformulierung von Artikel 1 IVG vorgeschlagen, welcher die neuen Bestimmungen zur Zusammenarbeit zwischen Versicherung und Leistungserbringerinnen und -erbringern zum Tarifwesen und zur kantonalen Schiedsgerichtsbarkeit [Art. 27 und 27bis IVG] dem Anwendungsbereich des ATSG entzieht, weil es sich dabei um eine Materie handelt, welche ihrer Natur nach nicht zur Unterstellung unter das ATSG geeignet ist);

­

innerhalb des Anwendungsbereichs des ATSG im IVG jede Abweichung einer Einzelregelung ausdrücklich als solche bezeichnet wird (vgl. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen).

Einige Revisionsmassnahmen, die in der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision noch enthalten waren, sind bereits im Rahmen der Einführung des ATSG umgesetzt worden. Es ist somit nicht mehr nötig, diese Massnahmen in der 4. IV-Revision zu erwähnen. Bei den erwähnten Revisionspunkten handelt sich um die Einführung des

3224

Einspracheverfahrens in der IV (vgl. insbes. Art. 52 ATSG [Einsprache]), die Einführung der Eidgenössischen Rekurskommission für kollektive Leistungen der IV (vgl. den mit dem ATSG neu eingeführten Art. 75bis IVG), sowie die rechtlichen Grundlagen für das Erbringen von Vorschussleistungen (vgl. Art. 19 Abs. 4 ATSG).

Zwei Revisionspunkte der 4. IV-Revision betreffen Leistungen oder Definitionen, welche auch im ATSG und in anderen Sozialversicherungsgesetzen geregelt sind. Es sind dies die Einführung der Assistenzentschädigung, welche u.a. die Hilflosenentschädigung ablöst (vgl. Ziff. 2.3.1), und die Präzisierung des Invaliditätsbegriffs (vgl. Ziff. 2.6.1). Als wichtige Leistung verschiedener Sozialversicherungen (IV, AHV, Unfall- und Militärversicherung) spielt die heutige Hilflosenentschädigung auch im ATSG eine Rolle (vgl. insbes. Definition der Hilflosigkeit in Art. 9 ATSG und Koordinationsbestimmungen in Art. 66 ATSG). Im Weiteren ist im ATSG, aber auch in anderen Sozialversicherungen, in zahlreichen Artikeln vom «körperlichen oder geistigen» Gesundheitsschaden bzw. von der Schädigung oder Beeinträchtigung der «körperlichen oder geistigen» Integrität die Rede (vgl. Art. 3­8 ATSG; Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung [UVG, SR 832.20]; Art. 4 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Militärversicherung [MVG, SR 833.1]). Bezüglich des Invaliditätsbegriffs verweist das IVG neu auf das ATSG. Nach langjähriger, konstanter Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum geltenden Invaliditätsbegriff von Artikel 4 Absatz 1 IVG werden unter den Oberbegriff der «geistigen» auch die «psychischen» Gesundheitsschäden eingeordnet. Der Bundesrat schlägt nun in dieser Botschaft vor, die psychischen Gesundheitsschäden neben den geistigen und den körperlichen Gesundheitsschäden ausdrücklich auf Gesetzesebene ebenfalls als mögliche Ursache der Invalidität anzuerkennen.

Angesichts der grundlegenden Bedeutung dieser beiden Neuerungen ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Anpassungen nicht nur in der IV, sondern im gesamten Sozialversicherungsrecht vorzunehmen sind. Um die Neuerung konsequent durchzusetzen, müssen sowohl im ATSG als auch in übrigen (Sozialversicherungs-)Gesetzen Anpassungen vorgenommen werden (vgl. hierzu insbes. Ziff. 4.4).

1.2.5

Verhältnis zum Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)

Am 11. Dezember 2000 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» und zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; BBl 2001 1715). Dieses Gesetz trägt dazu bei, den Verfassungsauftrag von Artikel 8 Absatz 4 BV zu erfüllen, wonach der Bund beauftragt ist, Benachteiligungen von Behinderten durch gesetzliche Massnahmen zu verringern oder zu beseitigen. Werden die Anliegen behinderter Menschen frühzeitig in die Planung einbezogen, können Benachteiligungen meist verhindert werden, ohne dass ein (grosser) Zusatzaufwand entsteht. Der Sensibilisierung für die Anliegen der Behinderten kommt deshalb besonders grosse Bedeutung zu. Beispielhaft werden im Entwurf zum BehiG die wichtigsten Bereiche genannt, die für die Teilnahme behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben und die Integration in die Gesellschaft einen zentralen Stellenwert einnehmen: die sozialen Kontakte, die

3225

Bildung sowie die berufliche Tätigkeit, die eine möglichst ungehinderte Kommunikation und Mobilität voraussetzen.

Artikel 2 des Entwurfes zum BehiG definiert die wichtigsten Begriffe für den Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs. In Absatz 1 wird der Begriff «Mensch mit Behinderung (Behinderter)» umschrieben: Als solcher gilt eine «Person, der es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben».

Das Sozialversicherungsrecht definiert demgegenüber nicht die «Behinderung», sondern den engeren Begriff der «Invalidität». Neu ist diese in Artikel 8 ATSG (SR ...; AS ... (BBl 2000 5041) definiert. Sowohl das IVG als auch das UVG, das MVG und das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG; SR 837.0) verweisen in Bezug auf den Invaliditätsbegriff auf die Definition im ATSG. Nach Artikel 8 Absatz 1 ATSG ist unter «Invalidität» die «voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit» zu verstehen. Als Erwerbsunfähigkeit gilt nach Artikel 7 ATSG «der durch die Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder (neu) psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt». Artikel 8 Absatz 2 und 3 ATSG umschreibt die Invalidität bei nicht erwerbstätigen Minderjährigen (Abs. 2) und bei Volljährigen, die vor der Beeinträchtigung der Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (Abs. 3). Im Übrigen gilt im gesamten Sozialversicherungsrecht der Grundsatz der Schadenminderungspflicht. Aus ihm wird abgeleitet, dass die versicherte Person Leistungen nur beanspruchen kann, wenn sie alles ihr Zumutbare vorgekehrt hat, um ihre Erwerbsunfähigkeit zu beheben oder doch zu mildern (sog. Selbsteingliederung). Überdies muss sich die versicherte Person den vorgeschriebenen Eingliederungsmassnahmen unterziehen. Die Eingliederung hat Vorrang vor der Rente. Somit ist die Invalidität erst dann zu bemessen, wenn allfällige Eingliederungsmassnahmen durchgeführt sind (vgl. insbes. Art. 7 und
Art. 21 Abs. 4 ATSG).

Der Begriff der «Behinderung» im BehiG und jener der «Invalidität» im ATSG, welcher auch für die IV anwendbar ist, unterscheiden sich erheblich. Dies hat zur Folge, dass auch die Anwendungsbereiche der Gesetze unterschiedlich sind.

Das ATSG definiert eine besondere Form der Erwerbsunfähigkeit (nämlich eine aus gesundheitlichen Gründen eingetretene und länger dauernde Erwerbsunfähigkeit) und bezeichnet diese als Invalidität. Im BehiG werden demgegenüber Funktionsverluste des Menschen umschrieben und als Behinderung bezeichnet. Die Definition der «Behinderung» ist unabhängig von den erwerblichen Auswirkungen eines Gesundheitsschadens und erfasst demnach eine grössere Menschengruppe als das IVG: Im Gegensatz zu Letzterem gilt das BehiG auch für behinderte Personen, die nicht mehr im erwerbsfähigen Alter stehen, oder auch für solche, welche zwar gesundheitliche Beeinträchtigungen, jedoch keine Erwerbseinbusse erlitten haben. Während die IV die teilweise oder ganz verlorene Erwerbsfähigkeit durch geeignete Eingliederungsmassnahmen wieder herzustellen, zu verbessern oder zu erhalten versucht bzw. den bleibenden Einkommensverlust durch eine individuelle Rente an eine bestimmte Person ausgleicht, verbessert das BehiG die allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die (auch wenn sie gestützt auf Art. 7 BehiG durch eine Klage

3226

oder Beschwerde einer behinderten Person erzwungen werden kann) einer unbestimmten Vielzahl von Personen zugute kommen.

1.2.6

Stellungnahme der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission

Die Eidgenössische AHV/IV-Kommission beriet den Vernehmlassungsentwurf im Dezember 1999 und im April 2000. Gegenstand der ersten Sitzung waren die im Vergleich zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149) neuen Massnahmen der Vorlage. Die Kommission war mit dem vorgesehenen Inhalt der Revision mehrheitlich einverstanden. Einzig die Massnahme der Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten (vgl. Ziff. 2.2.1.2) wurde abgelehnt. Über zwei Drittel der anwesenden Kommissionsmitglieder sprachen sich zudem für die Einführung einer Assistenzentschädigung aus (vgl. Ziff. 2.3.1). Die Kommission befürwortete eine im Vergleich zum Vorschlag der Verwaltung grosszügigere Lösung und wies die Angelegenheit an die Verwaltung zurück mit dem Antrag, es sei ein Modell auszuarbeiten, welches erlauben würde, das durch die Aufhebung der Zusatzrente eingesparte Geld vollumfänglich für die Assistenzentschädigung einzusetzen. Im Weiteren wurde in der Kommission das Anliegen geäussert, es seien vergleichsweise mehr finanzielle Mittel für einen Ausbau zugunsten von Familien mit schwer behinderten Kindern zu verwenden.

Anlässlich der zweiten Sitzung wurden die vorgesehenen Gesetzesbestimmungen und Erläuterungen beraten. Gleichzeitig wurden der Kommission zwei Grundmodelle mit je zwei Untervarianten der Assistenzentschädigung mit unterschiedlichen Kostenfolgen zur Beratung vorgelegt. Die zwei Varianten des ersten Grundmodells sahen eine gleichmässige Berücksichtigung der drei vorgesehenen Korrekturbereiche vor (vgl. Ziff. 2.3.1.5.2) und unterschieden sich vom heutigen System der Hilflosenentschädigung lediglich in der Höhe der Entschädigung. Die zwei Varianten des zweiten Grundmodells sahen nicht nur eine allgemeine Erhöhung der Entschädigung vor, sondern berücksichtigten zusätzlich schwerpunktmässig den ersten Korrekturbereich (Minderjährige zu Hause).

Nach eingehender Diskussion entschied sich die Mehrheit der anwesenden Kommissionsmitglieder, die beiden Varianten des zweiten Grundmodells in die Vernehmlassung zu geben. Die von der Kommission beantragten Varianten unterschieden sich im Ausmass der Erhöhung der Ansätze. Während die erste Variante eine Verdoppelung der heutigen Ansätze beinhaltete, ging die zweite Variante von einer Multiplikation der
Ansätze mit dem Faktor 2,5 aus. Der Hauptgrund für die Wahl der zweiten Variante war die Überlegung, dass die im Durchschnitt der ersten 15 Jahre erzielten Einsparungen in der IV infolge Aufhebung der Zusatzrente vollumfänglich für die Einführung einer Assistenzentschädigung verwendet werden sollten. Bei beiden Varianten sollten die erhöhten Ansätze nur für Versicherte gelten, welche ausserhalb von Heimen oder Spitälern wohnen bzw. sich zu Hause aufhalten. Personen mit psychischen oder leichten geistigen Behinderungen sollten bei beiden Varianten Anspruch auf eine Assistenzentschädigung der niedrigsten Stufe erhalten. Ebenfalls vorgesehen war bei beiden Varianten ein zweistufiger Intensivpflegezuschlag für Minderjährige, die ­ zusätzlich zu einem hohen oder mittleren Assistenzbedarf ­ besonders intensive Pflege benötigen. Die Ansätze dieses Zu-

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schlags sollten bei beiden Varianten gleich hoch sein. Die von der Kommission beantragte zweite Variante (Multiplikation mit Faktor 2,5) hätte im Jahr 2003 für die IV Mehrausgaben im Vergleich zu heute von insgesamt 224 Millionen Franken ­ und damit 71 Millionen Franken mehr als die erste Variante ­ zur Folge.

In der Frage der Ausrichtung von Vorschüssen war die Kommission der Meinung, es genüge vollkommen, den Zeitpunkt, ab welchem Vorschussleistungen möglich seien, in der Verordnung zu regeln. Dies lasse die Möglichkeit von Ausnahmen offen. Schliesslich stellte die Kommission den Antrag, dass in Zukunft die Geschäftsführung der IV-Stellen jährlich (statt wie bisher periodisch) zu überprüfen sei. Dieser Antrag wurde übernommen (vgl. Ziff. 2.4.2). Im Übrigen stimmte die Kommission mit 10 zu 0 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) den vorgelegten Gesetzesbestimmungen sowie der Gesamtvorlage zu.

Nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens beriet die Kommission im Januar 2001 den Botschaftsentwurf. Gegenstand der Beratungen waren Empfehlungen (nachfolgend «Anträge» genannt), die vom vorberatenden (allerdings noch nicht offiziell konstituierten) IV-Ausschuss zuhanden der Kommission eingereicht worden waren, allfällige weitere Anträge aus den Reihen der Kommissionsmitglieder sowie schwerpunktmässig die im Vergleich zur Vernehmlassungsunterlage neuen oder geänderten Gesetzesbestimmungen. Neben einigen formellen Änderungsvorschlägen fasste die Kommission folgende wichtige Beschlüsse: Mit knapper Mehrheit wurde ein Antrag des IV-Ausschusses, an der früher geforderten Erhöhung der heutigen Ansätze der Hilflosenentschädigung um den Faktor 2,5 statt 2 festzuhalten, abgelehnt (vgl. Ziff. 2.3.1). Ebenfalls abgelehnt wurde ein weiterer Antrag des Ausschusses, die Übernahme der invaliditätsbedingten Mehrkosten für berufliche Weiterausbildungen, die von Behinderteninstitutionen und -organisationen angeboten werden, nicht auszuschliessen (vgl. Ziff. 2.3.3). Zustimmend äusserte sich die Kommission hingegen zum Antrag des IV-Ausschusses, das Anliegen der Ausrichtung ausserordentlicher IV-Renten für Geburts- und Frühbehinderte ins Ausland oder allfälliger Ersatzleistungen für die fehlende Möglichkeit solcher Rentenzahlungen ausserhalb der 4. IV-Revision fundiert zu prüfen (vgl. Ziff. 2.7.2). Schliesslich wurde ein Antrag
des IV-Ausschusses, in Zukunft die Kosten für Massnahmen der sozialberuflichen Rehabilitation durch die IV zu übernehmen, von der Kommission mehrheitlich abgelehnt (vgl. Ziff. 2.7.2). Den übrigen (berücksichtigten und nicht berücksichtigten) Revisionsmassnahmen und den entsprechenden vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen stimmte die Kommission mit grosser Mehrheit zu.

1.2.7

Ergebnis der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung zum erläuternden Bericht und Entwurf zur 4. IV-Revision von Juni 2000 wurde am 28. Juni 2000 eröffnet. Zur Stellungnahme eingeladen wurden die Kantone, die Eidgenössischen Gerichte, die Parteien, die Spitzenverbände der Wirtschaft und weitere interessierte Organisationen. Die Vernehmlassungsfrist endete am 15. September 2000.

Insgesamt sind 100 Stellungnahmen eingegangen. Von 137 direkt angeschriebenen (sog. offiziellen) Vernehmlassungspartnerinnen und -partnern haben 77 Stellung genommen. Zusätzlich haben sich 34 weitere Vereinigungen, Organisationen und Einzelpersonen, die nicht auf der offiziellen Liste stehen, für die Vernehmlassungsunterlage interessiert. Davon haben 23 Stellung genommen.

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Die hauptsächlichen Tendenzen der Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen: Befürwortung der Konzeption und der Hauptziele der Revision Es wird allgemein begrüsst, dass die ursprünglich vorgesehenen zwei Teile der 4. IV-Revision nun in einer Vorlage vereinigt sind. Dies erleichtert eine Gesamtkonzeption und eine langfristige Beurteilung.

Zudem wird anerkannt, dass die 4. IV-Revision vor der schwierigen Aufgabe steht, ein Gleichgewicht zwischen gegensätzlichen Anforderungen zu finden. Einerseits wird die finanzielle Konsolidierung der IV angestrebt, andererseits soll eine gezielte Leistungsanpassung herbeigeführt werden. Die Kantone weisen darauf hin, dass der Grundsatz «Eingliederung vor Rente» gewährleistet sein muss und eine «Medizinalisierung der IV» verhindert werden soll.

Geteilte Meinungen in Bezug auf die finanziellen Aspekte der 4. IV-Revision Alle Vernehmlassungspartner und -partnerinnen sind zwar über die finanzielle Situation der IV besorgt, die Massnahmen zur finanziellen Konsolidierung indes sind umstritten und werden heftig debattiert. Während einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen die Konsolidierung explizit gutheissen, stellen andere ihre Wirksamkeit in Frage. Weitere Vernehmlassungspartner und -partnerinnen wehren sich gegen eine Verschlechterung der Situation Invalider. Für die Spitzenverbände der Wirtschaft muss bei der IV-Revision die finanzielle Konsolidierung im Vordergrund stehen und die erzielten Einsparungen dürfen nicht in einen Leistungsausbau der Versicherung fliessen.

Mehrheitliche Ablehnung der Koppelung der notwendigen Zusatzfinanzierung der IV mit der Sicherung der AHV im Rahmen der 11. AHV-Revision Nur wenige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen befürworten die vom Bundesrat vorgeschlagene Koppelung der notwendigen Zusatzfinanzierung der IV mit der Sicherung der AHV im Rahmen der 11. AHV-Revision oder wenden sich zumindest nicht explizit dagegen. Zahlreich sind hingegen die Stimmen, die mit einer solchen Koppelung nicht einverstanden sind. Es herrscht die Auffassung vor, die Verschiebung der Beantwortung aktueller Finanzierungsfragen auf die in ihren Grundzügen inhaltlich und politisch völlig offene 11. AHV-Revision sei nicht sachgerecht und wenig transparent.

Geteilte Meinungen über die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent im Jahr 2003
für die IV Die Vernehmlassungspartner und -partnerinnen, die diesen Vorschlag unterstützen, weisen darauf hin, dass eine künftige finanzielle Konsolidierung nicht ausschliesslich über Prozente der Mehrwertsteuer herbeizuführen sei. Jene, die der Erhöhung ablehnend gegenüber stehen, sind im Wesentlichen der Ansicht, dass eine finanzielle Konsolidierung nicht über Zusatzeinnahmen auf der Beitragsseite anzustreben sei. Sie sprechen sich für eine konsequente Umsetzung der Sparmassnahmen auf der Leistungsseite aus. Zum Teil fliessen die Bedenken gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer mit den Vorbehalten gegen eine gekoppelte Zusatzfinanzierung von IV und AHV (in der 11. AHV-Revision) zusammen.

3229

Geteilte Meinungen über den Kapitaltransfer von 1,5 Milliarden Franken von der EO in die IV Die meisten Kantone sprechen sich dafür aus, den Kapitaltransfer vorzuziehen und gesondert von der 11. AHV-Revision zu vollziehen. Vollkommen abgelehnt wird diese Finanzierungsmöglichkeit von Wirtschaftsverbänden.

Anregung, Lohnprozent der Arbeitslosenversicherung (ALV) für die Zusatzfinanzierung der IV zu verwenden Einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen, darunter auch neun Kanntone, regen an, als zusätzliche Einnahmequelle für die Finanzierung der IV das ab 2003 für die ALV nicht mehr benötigte dritte Lohnprozent der ALV zu verwenden.

Grundsätzliche Zustimmung zur Aufhebung der Zusatzrente Eine bedeutende Mehrheit der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen ist mit dieser Sanierungsmassnahme einverstanden und vertritt die Meinung, dass zivilstandsabhängige Leistungen aufgehoben werden müssen. Dieses breite Einverständnis setzt jedoch die Einführung einer substanziellen Assistenzentschädigung voraus.

Zahlreiche Stellungnahmen schliessen sich der Meinung der Eidgenössischen AHV/ IV-Kommission an und fordern, dass die gesamten durch die Aufhebung der Zusatzrente erzielten Einsparungen in die Assistenzentschädigung fliessen. Die Meinungen zur Besitzstandsgarantie gehen auseinander.

Grundsätzliche Zustimmung zur Aufhebung der Härtefallrente Eine bedeutende Mehrheit der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen heisst diese zur finanziellen Konsolidierung der IV notwendige Sparmassnahme gut. Die sich in der Minderheit befindende Gegnerschaft befürchtet, dass diese Massnahme bei Personen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen zu wesentlichen Einkommenseinbussen führt. Ausserdem wird die Begründetheit der Massnahme bestritten, weil die erwarteten Einsparungen gering sind und es sich dabei in erster Linie um eine blosse Kostenverlagerung handelt.

Zustimmung zur Einführung einer Assistenzentschädigung mit Vorbehalten bezüglich der Ausgestaltung und der finanziellen Mittel Die Einführung einer Assistenzentschädigung ist sicherlich die am meisten diskutierte Massnahme der Revision. Obwohl eine bedeutende Mehrheit grundsätzlich damit einverstanden ist, sind Ausgestaltung und finanzielle Aspekte sehr umstritten.

Die Mehrheit der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen ist der Ansicht, dass die Einführung
der Massnahme bedeutende Verbesserungen zur Folge hat.

Mehr als die Hälfte der offiziellen Vernehmlassungspartner und -partnerinnen ist mit der Ausgestaltung nicht einverstanden und weist auf folgende Mängel hin: ­

Höhe der Assistenzentschädigung: Über die Höhe der Beträge herrscht Uneinigkeit: die Ansätze werden als zu hoch oder als zu tief empfunden. Zahlreiche Vernehmlassungspartner und -partnerinnen sehen zwar ein, dass die finanzielle Situation der IV der Ausgestaltung des neuen Systems Grenzen setzt; sie vertreten jedoch die Ansicht, dass die durch die Aufhebung der Zusatzrente erzielten Einsparungen eine Erhöhung der Beträge um den Faktor 2,5 rechtfertigen.

3230

Im Gegensatz dazu halten einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen fest, dass die finanzielle Situation der IV eine Erhöhung der heutigen Ansätze um den Faktor 2 nicht zulässt.

­

Leistungsabbau für schwerbehinderte Kinder: Es ist ein ausdrückliches Anliegen der Behindertenorganisationen, dass diese bedenkliche Lücke geschlossen wird und dass der Bundesrat ihrem Postulat nach einer Erhöhung der Assistenzentschädigung um den Faktor 2,5 Folge leistet. Anderenfalls wird resolut die Einführung einer dritten Stufe des Intensivpflegezuschlages gefordert.

­

AHV/IV: Assistenzbedürftige Behinderte, die das AHV-Alter erreicht haben, erhalten infolge Besitzstand höhere Assistenzentschädigungen als Rentner und Rentnerinnen, deren Assistenzbedarf erst im AHV-Alter entstanden ist. Dieser Punkt muss daher unbedingt neu überdacht werden.

­

Feinere Abstufung: Einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen wünschen sich ein 4oder 5-stufiges System, das dem individuellen Bedarf der behinderten Personen besser gerecht wird.

­

Diskriminierung Hörbehinderter: Es wird beanstandet, dass die längst bekannten Probleme Hörbehinderter noch immer ungelöst bleiben.

­

Beitragssenkung für begleitetes Wohnen.

­

Beitragssenkung für Freizeittransporte Behinderter.

Schliesslich erachtet die Gegnerschaft die Zielsetzung der Assistenzentschädigung zwar als erstrebenswert. Ihre Verwirklichung führt indessen zu einem derart bedeutenden Kostenanstieg, dass die Einführung einer Assistenzentschädigung abgelehnt wird.

Zustimmung zur Neugestaltung des Taggeldsystems Diese Massnahme stösst auf breite Zustimmung. Ihre wichtigsten Vorzüge liegen in der Vereinfachung des Systems und in der Anlehnung an das Taggeldsystem der Unfallversicherung. Die Einwände beruhen auch hier auf finanziellen Erwägungen, und zwar konkret darauf, dass die heutige finanzielle Situation der IV die Angleichung an die Unfallversicherung nicht zulasse und die Einführung eines neuen Taggeldsystems nicht vordringlich sei.

Äusserst geteilte Meinungen über die Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes Alle Vernehmlassungspartner und -partnerinnen befürworten die Idee einer verstärkten ärztlichen Untersuchung, die Mehrheit jedoch widersetzt sich der vorgesehenen Ausgestaltung.

Mehr als die Hälfte der offiziellen Vernehmlassungspartner und -partnerinnen sprechen sich gegen eine Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes aus und beanstanden folgende Mängel:

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­

Ablehnung einer Bundesverwaltungsstelle: Das Einschieben einer neuen administrativen Ebene sei überhaupt nicht erforderlich. Dies käme einem Rückschritt gleich und würde die zur speditiveren und transparenteren Verfahrensabwicklung unternommenen Bestrebungen zunichte machen. Durch die Ausübung der Aufsichtsfunktion über einen selbst ausgestalteten Dienst wäre der Bund ausserdem Richter in eigener Sache, was nicht annehmbar ist. Eine verstärkte medizinische Beurteilung ­ wie schon heute unter Bundesaufsicht ­ muss im Rahmen der heutigen Strukturen erfolgen.

­

Wahrung der räumlichen Nähe: Die räumliche Nähe des IV-Stellenarztes und der -ärztin zu den Versicherten und dem IV-Stellenpersonal ist der grösste Vorteil der heutigen Struktur.

Die Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes würde als zusätzlicher kostspieliger und unpersönlicher Verwaltungsaufwand verstanden.

­

Wahrung der interdisziplinären Zusammenarbeit: Ein weiterer erhaltenswerter Vorzug ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der IV-Stellen. Die Schaffung eines regionalen ärztlichen Dienstes darf nur als Ergänzung dazu in Betracht gezogen werden.

­

Ärztliche Untersuchungskompetenz: Zum heutigen Zeitpunkt dürfen die IV-Stellenärzte und -ärztinnen keine Untersuchungen bei den Versicherten durchführen. Einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen sprechen sich für die Aufhebung dieses Untersuchungsverbots aus. Sie vertreten die Meinung, dass eine Verordnungsänderung sowie die entsprechende Aufstockung des Fachpersonals bei den IVStellen verbunden mit einer strengen Aufsicht des BSV wirksamere Massnahmen darstellen.

­

Effizienz: Die Effizienz des Dienstes wird in Frage gestellt. Es werden erhebliche Verfahrensverzögerungen befürchtet und Bedenken werden laut, ob die erhoffte Transparenz gewährleistet werden kann. Zudem obliegen die Verantwortlichkeit im Bereich der Beurteilung von Gesuchen sowie die Kompetenz, medizinische Untersuchungen anzuordnen, weiterhin den IV-Stellen. Diese sind auf die im Dienst stehenden Ärzte und Ärztinnen angewiesen, um ihrem Abklärungsauftrag nachzukommen. Im Übrigen würden die IV-Stellen auch trotz eines regionalen ärztlichen Dienstes weiterhin medizinische Abklärungen in Auftrag geben müssen.

Zustimmung zur Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen Die Massnahme als solche und die Finanzierung sind unbestritten. Hingegen hat sich immerhin ein Viertel der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen bezüglich der vom Bundesrat vorgeschlagenen Ausgestaltung kritisch geäussert. Die Hauptgründe der Ablehnung liegen in der Befürchtung, dass eine echte Verbesserung nicht erreicht werden könne. Insbesondere wird gefordert, dass die ursprünglich diskutierten Vorschläge, insbesondere die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zwischen

3232

den beteiligten Versicherungen und Institutionen auf vertraglicher Basis wirksam zu verbessern, wieder aufgenommen werden müssen.

Zustimmung zur Verstärkung der Aufsicht des Bundes Nahezu alle Vernehmlassungspartner und -partnerinnen sind mit der Massnahme einverstanden. Gründe für die Zustimmung sind die erhoffte Vereinheitlichung der Rechtsanwendung sowie die Hoffnung, dass damit ein Beitrag an die finanzielle Konsolidierung der IV geleistet werden kann. Viele Kantone, die sich zwar für eine verstärkte Aufsicht ausgesprochen haben, wünschen aber, dass die Revision durch externe, spezialisierte vom Bund anerkannte Revisionsstellen erfolgt.

Zustimmung zur Einführung einer gesetzlichen Grundlage für selbstamortisierende Darlehen Alle Vernehmlassungspartner und -partnerinnen befürworten das Prinzip der selbstamortisierenden Darlehen. Einige weisen darauf hin, dass die Kostenneutralität gewährleistet sein muss oder dass bei sehr teuren Einrichtungen eine Umschulung sinnvoller und zumutbar wäre. Andere führen an, dass selbstamortisierende Darlehen auf Personen, die einen Landwirtschafts- oder Gewerbebetrieb führen, begrenzt werden sollten.

Zustimmung zur gesamtschweizerischen Informationsarbeit 43 Prozent der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen haben sich zur Massnahme geäussert. Die Massnahme scheint mit gut vier Fünftel Befürwortenden unbestritten. Die Gegner/innen halten alle fest, die Öffentlichkeitsarbeit habe in Artikel 57 IVG heute schon eine klare und genügende Grundlage. Die Koordination und Finanzierung der den IV-Stellen unter anderem obliegenden Oeffentlichkeitsarbeit soll im Rahmen der Aufsichtspflicht des Bundes erfolgen.

Zustimmung zur Erwähnung des Aufgabenbereichs im Gesetz im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen Knapp ein Drittel der eingegangenen Stellungnahmen äussert sich zu dieser Massnahme, die mehr oder weniger unbestritten ist. Vor allem die Behindertenorganisationen unterstützen die Massnahme vorbehaltlos, denn damit wird eine seit langem angestrebte Verbesserung der Rolle der im Haushalt tätigen Personen in IV-rechtlichen Belangen erreicht. Diejenigen Vernehmlassungspartner und -partnerinnen, die sich gegen die Ausgestaltung der Massnahme gewendet haben, machen geltend, dass viel mehr eine Strategie des «sowohl als auch» verfolgt werden sollte,
indem die Eingliederung sowohl auf die aktuelle Tätigkeit (Aufgabenbereich) als auch auf die (künftige) Erwerbstätigkeit ausgerichtet sein sollte.

Geteilte Meinungen über den Verzicht auf die Überführung der medizinischen Massnahmen, welche der Wiederherstellung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit dienen, in das Leistungssystem der Krankenversicherung (Aufhebung von Artikel 12 IVG) Viele Kantone befürworten eine Aufhebung von Artikel 12 IVG. Die Überführung der medizinischen Massnahmen der IV in das Leistungssystem der Krankenversicherung würde zu der gewünschten «Entmedizinalisierung» der IV beitragen.

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Mehrheitliche Forderung der Ausweitung des Leistungsspektrums im Bereich der beruflichen Weiterausbildung (Art. 15 ff. IVG) In der Vernehmlassungsunterlage wurde die Nichtberücksichtigung der Massnahme vorgeschlagen. Eine Mehrheit der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen plädiert jedoch für eine Ausweitung des Leistungspektrums im Bereich der beruflichen Weiterausbildung und fordert durch diese Gesetzesänderung den Zugang zu neuen Berufsfeldern für Behinderte. Sie sehen sich damit der nachhaltigen Verbesserung der Erfolgsquote der Wiedereingliederungsmassnahmen einen Schritt näher. Einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen führen ausserdem finanzielle Argumente ins Feld; die Massnahme soll sich mittel- und längerfristig für die IV kostenmindernd auswirken.

Mehrheitliche Zustimmung zum Verzicht auf die Prüfung steuerrechtlicher und arbeitsmarktlicher Anreizsysteme für Arbeitgebende, welche behinderte Arbeitskräfte beschäftigen Die Mehrheit der Vernehmlassungspartner und -partnerinnen befürwortet den Entscheid des Bundesrates, diese Massnahme in der vorliegenden Revision nicht zu berücksichtigen. Diese Zustimmung wurde einmal mehr hauptsächlich auf Grund der finanziellen Situation der IV erteilt. Einige Vernehmlassungspartner und -partnerinnen vermissen Ansatzpunkte für Anreizsysteme und fordern, dass in diese Richtung gehende Untersuchungen vorangetrieben werden.

Mehrheitliche Zustimmung zum Verzicht auf die Erhöhung der Ansätze der IV-Renten für Geburts- und Frühbehinderte Die Mehrheit ist damit einverstanden, diese Massnahme zurückzustellen, wobei einige mit der Begründung, dass die Einführung der Assistenzentschädigung und notwendiger Eingliederungsmassnahmen nicht gefährdet werden dürfe. Die Gegnerschaft des bundesrätlichen Entscheids führt an, dass die Renten zu tief und die geringen zusätzlichen Kosten angesichts der erwirkten Verbesserungen tragbar seien.

2

Inhalte der 4. IV-Revision

2.1

Vorbemerkung

Mit diesem Entwurf greift der Bundesrat ­ mit Ausnahme der Aufhebung der Viertelsrente ­ sämtliche im ersten Teil der 4. IV-Revision vorgeschlagenen Gesetzesänderungen in der von den Räten verabschiedeten Fassung wieder auf und ergänzt diese mit weiteren Revisionsvorschlägen, welche ursprünglich für einen zweiten Teil der Revision vorgesehen waren. Die 4. IV-Revision stellt nun ein Gesamtpaket dar.

2.2

Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV

2.2.1

Einsparungen für die IV

2.2.1.1

Aufhebung der Zusatzrente

Im Zuge der 10. AHV-Revision, welche am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist, wurde die Zusatzrente für die Ehefrau in der AHV aufgehoben. In der IV wurde die Zusatzrente beibehalten und gleichzeitig geschlechtsneutral ausgestaltet. Der Anspruch steht rentenberechtigten verheirateten Personen zu, die unmittelbar vor ihrer 3234

Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben und deren Ehegatte keinen eigenen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente hat. Ausserdem muss der nicht behinderte Ehegatte entweder ein volles Beitragsjahr aufweisen oder seinen Wohnsitz in der Schweiz haben (Art. 34 Abs. 1 IVG).

Grund für die Beibehaltung und Ausweitung der Zusatzrente in der IV anlässlich der 10. AHV-Revision war die Überlegung, dass ein Teil des von einer verheirateten versicherten Person erzielten Erwerbseinkommens für den Unterhalt der ehelichen Gemeinschaft bestimmt ist. Der ganze oder teilweise Wegfall dieses Einkommensbestandteils wird durch die Zusatzrente abgegolten. Dabei kann es nicht von Bedeutung sein, ob dieses Einkommen vom Mann oder von der Frau erzielt wurde.

Die Zusatzrente für die Ehepartnerin oder den Ehepartner beträgt 30 Prozent der Invalidenrente, d.h. seit Anfang 2001 zwischen 309 und 618 Franken pro Monat (ganze Rente bei vollständiger Beitragsdauer; Art. 38 Abs. 1 IVG). Im Januar 1999 wurden durch die IV rund 66 200 Zusatzrenten für Ehegatten ausgerichtet. Im Vergleich dazu betrug die Zahl der invaliden Rentenbezügerinnen und -bezüger rund 227 800.

Die Zusatzrente für die Ehepartnerin oder den Ehepartner soll nun auch in der IV aufgehoben werden. Sie ist in der IV noch die einzige zivilstandsbezogene Leistung.

Die Zusatzrenten in der IV kommen seit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision lediglich den vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erwerbstätigen Personen zu. Nicht wenige dieser Personen können ebenfalls Leistungen der beruflichen Vorsorge beanspruchen. Der finanziell am schlechtesten gestellten Behindertengruppe der Geburtsund Frühbehinderten steht heute demgegenüber weder ein Anspruch auf eine Zusatzrente (mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Behinderung) noch ein solcher auf Leistungen der beruflichen Vorsorge zu. Mit Ergänzungsleistungen kann jedoch vermieden werden, dass infolge Fehlens der Zusatzrente Bezügerinnen oder Bezüger von IV-Renten in eine finanzielle Notlage geraten.

Die geplante Aufhebung soll kraft Übergangsrecht nur diejenigen Personen betreffen, welche nach Inkrafttreten der 4. IV-Revision einen Rentenanspruch erwerben.

Das bedeutet, dass alle bisherigen Zusatzrenten bis zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen ausgerichtet werden sollen.
Die Aufhebung der Zusatzrente in der IV wird eine Erhöhung der Komplementärrenten der Unfallversicherung bzw. der Rentenleistungen der Militärversicherung nach sich ziehen. In der Unfallversicherung ist in den ersten 15 Jahren mit Mehrausgaben von durchschnittlich 18 Millionen Franken und langfristig mit rund 31 Millionen Franken im Jahr zu rechnen. In der Militärversicherung dürften die Ausgaben auch längerfristig lediglich um 1 bis 2 Millionen Franken zunehmen (vgl.

Ziff. 5.3.2).

2.2.1.2

Aufhebung der Härtefallrente und Schaffung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten

Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40, jedoch unter 50 Prozent besteht in der IV Anspruch auf eine Viertelsrente (Art. 28 Abs. 1 IVG). Der Anspruch auf eine Viertelsrente berechtigt nicht zum Bezug von Ergänzungsleistungen (Art. 2c Bst. a des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, ELG; SR 831.30). Nach geltendem Recht werden Renten, die 3235

einem Invaliditätsgrad von weniger als 50 Prozent entsprechen, nicht ins Ausland ausgerichtet (Art. 28 Abs. 1ter)26.

In klar definierten wirtschaftlichen Härtefällen haben Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten Anspruch auf eine Härtefallrente (Art. 28 Abs. 1bis IVG). Diese setzt sich zusammen aus einer Viertelsrente und einem so genannten «Härtefallteil», der ebenfalls der Höhe einer Viertelsrente entspricht. Gesamthaft entspricht der Betrag der Härtefallrente somit dem Betrag einer halben Rente.

Im Januar 1999 wiesen rund 7000 Personen einen Invaliditätsgrad zwischen 40 und 50 Prozent auf. Hiervon bezogen rund 1700 Personen auf Grund schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse eine Härtefallrente.

Auf Grund des Anspruchs auf eine Härtefallrente (welche in Bezug auf den Betrag eine halbe Rente darstellt) ist es möglich, einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu erwerben, sofern die entsprechenden Voraussetzungen der EL gegeben sind.

Auf Grund des Freizügigkeitsabkommens mit der EU müssen Viertelsrenten in die Mitgliedstaaten der EU ausbezahlt werden. Für die Härtefallrenten bedeutet dies, dass nur derjenige Teil, welcher der Viertelsrente entspricht, exportiert werden muss. Der so genannte «Härtefallteil» unterliegt demgegenüber nicht der Exportpflicht27.

Die Härtefallrente soll nun aufgehoben werden. Gleichzeitig wird auch für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen geschaffen. Das bedeutet, dass Personen, denen eine Viertelsrente der IV zusteht, in Zukunft statt einer Härtefallrente neu Ergänzungsleistungen beantragen können, wenn sie sich in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen befinden. Die Voraussetzungen des Härtefalles und diejenigen für den Bezug von Ergänzungsleistungen sind sehr ähnlich28.

Bei diesem Systemwechsel wird darauf geachtet, dass Personen, welche heute Härtefallrenten beziehen, in Zukunft finanziell nicht schlechter gestellt werden. Die laufenden Härtefallrenten werden grundsätzlich durch Viertelsrenten ersetzt. Personen, welche heute zusätzlich zur Härtefallrente Ergänzungsleistungen beziehen, erhalten in Zukunft eine Viertelsrente und entsprechend höhere Ergänzungsleistungen. Bei Personen, welche heute eine Härtefallrente (ohne Ergänzungsleistungen) erhalten, wird eine Vergleichsrechnung gemacht. Fällt die Viertelsrente
zusammen mit allfälligen Ergänzungsleistungen tiefer aus als die bisherige Härtefallrente, so wird weiterhin die Härtefallrente ausgerichtet, solange bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. dazu die Erläuterungen in Ziff. 4.3 zu Bst. c der Übergangsbestimmungen).

26 27 28

Eine Ausnahme besteht lediglich für das Fürstentum Liechtenstein (auf Grund des Sozialversicherungsabkommens).

Diese Regelung gilt für Schweizerinnen und Schweizer sowie für EU-Staatsangehörige, welche in einem EU-Mitgliedsstaat wohnen.

Schweizer Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz sowie unter bestimmten Bedingungen auch Ausländerinnen und Ausländer haben unter klar umschriebenen Voraussetzungen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn die gesetzlich anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen.

Bei Inkrafttreten der Bilateralen Verträge mit der EU sind EU-Staatsangehörige den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern für den Anspruch auf Ergänzungsleistungen gleichgestellt. Die Ergänzungsleistungen werden aber auch nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens ausnahmslos nur in der Schweiz ausgerichtet, da das Abkommen sie von der Exportpflicht ausnimmt.

3236

2.2.2

Verstärkte Kostensteuerung

2.2.2.1

Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten

Der Bundesrat führte auf den 1. April 1996 den Bedarfsnachweis für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten auf Verordnungsstufe ein (Art. 100 Abs. 3, Art. 106 Abs. 5 der Verordnung über die Invalidenversicherung, IVV; SR 831.201). Danach müssen die Kantone die erwähnten Institutionen nach quantitativen und qualitativen Kriterien in die kantonale oder interkantonale Bedarfsplanung aufnehmen. Diese ist anschliessend dem BSV zu unterbreiten, welches über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Planung entscheidet. Es kann die Bedarfsplanung auch unter Vorbehalten und/oder in Verbindung mit Auflagen gutheissen. Der Entscheid, ob eine Institution in die Bedarfsplanung aufzunehmen ist oder nicht, obliegt grundsätzlich dem Standortkanton der Institution.

Somit werden Bau- und Betriebsbeiträge nur noch ausgerichtet, wenn die Institution in eine vom BSV genehmigte kantonale oder interkantonale Planung eingebettet ist.

Durch die neue Regelung wird die Stellung der Kantone gestärkt. Indem sie entscheiden können, welche Gesuche sie im Rahmen der Bedarfsplanung unterstützen und an das BSV weiterleiten, erhalten sie die Möglichkeit, das Angebot zu steuern.

Ausserdem erhält das BSV einen Überblick über das in der Schweiz geplante Angebot und somit ein Instrument zur Kostensteuerung29.

Weil mit der Bedarfsplanung das Verfahren für die Bau- und Betriebsbeiträge grundlegend geändert wird, soll diese nun auf Gesetzesstufe verankert werden.

Falls die Bedarfsplanung der Kantone vom BSV nicht oder nur mit Vorbehalten und/oder Auflagen genehmigt wird, können diese direkt bei der mit Einführung des ATSG neu geschaffenden Eidgenössischen Rekurskommission für kollektive Leistungen der IV Beschwerde erheben (vgl. Art. 75bis in der durch das ATSG angepassten Fassung des IVG).

2.2.2.2

Gesetzliche Grundlage für die Finanzierung wissenschaftlicher Auswertungen

Die IV verfügt heute nicht über die finanziellen Mittel, um statistische Erhebungen ­ z.B. im Bereich der Beiträge an Behinderteninstitutionen und -organisationen ­ oder Wirkungsanalysen im Sinne von wissenschaftlichen Auswertungen durchzuführen. Solche Instrumente stehen anderen Sozialversicherungen zur Verfügung: So enthält beispielsweise das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG; SR 837.0) eine Bestimmung, wonach die Arbeitslosenversicherung Beiträge zur Förderung der Arbeitsmarktforschung gewähren kann (Art. 73 AVIG). Auch im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) finden sich Bestimmungen über die Aufsicht und die Statistik (vgl. Art. 23 KVG sowie insbesondere Art. 32 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung [KVV; SR 832.102], der die Durchführung von Wirkungsanalysen regelt).

29

Im August 1999 lag die erste vom BSV genehmigte Bedarfsplanung für Werkstätten und Wohnheime für den Zeitraum 1998 bis 2000 für sämtliche Kantone definitiv vor.

3237

Eine entsprechende gesetzliche Regelung für die Finanzierung von wissenschaftlichen Auswertungen zur Evaluation und Weiterentwicklung des Gesetzes durch die IV würde beispielsweise die Durchführung von Untersuchungen für die Entwicklung von Steuerungsinstrumenten in der IV mit Mitteln der Versicherung ermöglichen. Ferner könnten auch zusätzliche Untersuchungen zur Erklärung der Zunahme der Zahl der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger zu Lasten der IV durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um grundlegende Kennzahlen der Versicherung, die unabhängig von der Budgetsituation des Bundes erhoben werden müssen. Ohne finanzielle Mittel der Versicherung wird eine zeitgerechte Erarbeitung dieser Grundlagen erschwert.

2.3

Leistungsverbesserungen

2.3.1

Einführung einer Assistenzentschädigung

2.3.1.1

Allgemeines

Die Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149) kündete für den zweiten Teil der Revision die Einführung einer Assistenzentschädigung als einheitliche Leistungskategorie an Stelle der bestehenden Hilflosenentschädigung, der Pflegebeiträge für Versicherte unter 18 Jahren sowie der Entschädigung für Hauspflege (Art. 4 IVV) an. Es sei ein mässiger Ausbau anzustreben, wobei darauf zu achten sei, «dass die Versicherten nicht schlechter gestellt werden als beim heutigen System».

Die Einführung einer Assistenzentschädigung soll die heutigen Mängel beseitigen und behinderten Menschen mit Assistenzbedürfnissen eine vermehrte Autonomie und Selbstbestimmung ermöglichen. Es soll ein zentrales Anliegen von Menschen mit Behinderungen ­ die Selbstbestimmung bzw. das Recht, die eigene Wohn- und Lebenssituation selbst zu wählen ­ verwirklicht werden. Angesichts der begrenzten finanziellen Mittel, die für einen Leistungsausbau innerhalb der IV zur Verfügung stehen, wird kein grundlegender Umbau mit beträchtlichen Kostenfolgen, sondern eine Bereinigung des heutigen Systems mit massvollen Mehrausgaben vorgeschlagen. Mit der vorgesehenen grösseren Selbstbestimmung erhalten die betroffenen Personen mit Behinderungen (bzw. ihre Angehörigen) mehr Flexibilität und Autonomie, um sich nicht nur in der Freizeit, sondern auch in der Berufswelt besser behaupten zu können. In diesem Sinne schafft die Assistenzentschädigung wichtige Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Eingliederung.

2.3.1.2

Notwendigkeit höherer Leistungen für Pflege und Betreuung

Die IV entrichtet heute Entschädigungen für die Pflege und Betreuung behinderter Menschen. Die monatlichen Ansätze betragen 206 Franken für leichte, 515 Franken für mittlere und 824 Franken für schwere Hilflosigkeit30. Der Maximalansatz von 30

An dieser Stelle wird nur über die Hilflosenentschädigungen und die Pflegebeiträge für Minderjährige gesprochen. Zusätzlich zu erwähnen sind die Hauspflegebeiträge, die grundsätzlich an geburtsbehinderte Kinder und Jugendliche ausgerichtet werden.

Vgl. hierzu Ziff. 2.3.1.3.1.

3238

824 Franken im Monat wird nur ausgerichtet, wenn eine behinderte Person in allen alltäglichen Lebensverrichtungen (Ankleiden, Auskleiden; Aufstehen, Absitzen, Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichten der Notdurft; Fortbewegung, Kontaktaufnahme) auf Dritthilfe angewiesen ist und überdies dauernde Pflege oder Überwachung benötigt (vgl. hierzu Ziff. 2.3.1.3.1).

Es ist offensichtlich, dass sich Personen mit Behinderungen mit den geltenden Ansätzen der Hilflosenentschädigung keine Pflege zu Hause leisten können, reichen doch die Beiträge bei weitem nicht für die Bezahlung von qualifiziertem Pflegepersonal aus. Die heutigen Ansätze sind aber auch dann zu tief, wenn die Betreuungspersonen aus dem familiären, dem nachbarschaftlichen oder einem sonstigen nicht professionellen Umfeld stammen. Selbst wenn man von einem bescheidenen Stundenlohn von 30 Franken ausgeht, ergibt sich heute bei der maximalen Hilflosenentschädigung weniger als eine Pflegestunde pro Tag für Schwerstbehinderte.

Die Ansätze der Hilflosenentschädigung der obligatorischen Unfallversicherung sind im Vergleich zu denjenigen der IV mehr als doppelt so hoch31.

Wenn die IV ihren Auftrag im Bereich der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderungen erfüllen soll, müssen die Entschädigungsansätze erhöht werden. Die erhöhten Leistungen für den Pflegeaufwand führen zu gewissen Entlastungen in anderen Bereichen der IV, so etwa bei den Beiträgen an das Begleitete Wohnen (Art. 74 IVG) und bei den Transportkostenbeiträgen (Art. 109bis IVV). Ob und inwieweit durch die Einführung einer höheren Assistenzentschädigung längerfristig weniger (neue) Heimplätze notwendig werden, wird die Bedarfsplanung für Wohnheime für die Jahre 2004­2006 zeigen. Zu erwarten sind in diesem Bereich allerdings nur geringe Einsparungen, da es sich bei einem grossen Teil der Heimbewohnerinnen und -bewohnern um Personen mit schweren und schwersten Behinderungen handelt. Bei diesen Personen dürfte eine Verdoppelung der heutigen Ansätze in der Regel noch nicht ausreichen, um sich ein selbstbestimmtes Leben ausserhalb des Heimes finanzieren zu können.

Gewisse Einsparungen sind jedoch auch bei den Leistungen der EL, die im Bereich des Begleiteten Wohnens und der Pflege und Betreuung Behinderter erbracht werden, zu erwarten32.

2.3.1.3

Notwendigkeit weiterer Verbesserungen

2.3.1.3.1

Geltendes System

Heute erbringt die IV im Bereich der Pflege und Betreuung von Personen mit Behinderungen folgende Leistungen: ­

31

32

Gemäss Artikel 42 Absatz 1 IVG haben hilflose Versicherte, die in der Schweiz wohnen, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, sofern ihnen Ansätze der Hilflosenentschädigung in der Unfallversicherung: 6facher, 4facher oder doppelter Höchstbetrag des versicherten Tagesverdienstes (Fr. 293.­ seit 1. Januar 2000), d.h. 1758.­/1172.­/586.­ pro Monat; Art. 38 der Verordnung über die Unfallversicherung, UVV; SR 832.202) Vgl. Art. 3d Abs. 1 Bst. b des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG, SR 831.30) und dazugehörige Ausführungsbestimmungen. Bei den Einsparungen dürfte es sich um rund 3­5 Millionen Franken handeln.

3239

keine Hilflosenentschädigung der obligatorischen Unfallversicherung oder der Militärversicherung zusteht. Als hilflos gilt, wer wegen der Invalidität für die alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf (Art. 42 Abs. 2 IVG)33. Artikel 36 IVV unterscheidet zwischen schwerer, mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit und umschreibt diese Grade näher. Die monatliche Hilflosenentschädigung richtet sich nach dem Grad der Hilflosigkeit und ist proportional zum Mindestbetrag der Altersrente34. Bei Hilflosigkeit schweren Grades beträgt die Entschädigung 80 Prozent der minimalen Altersrente, d.h. 824 Franken, bei einer solchen mittleren Grades 50 Prozent, d.h. 515 Franken, und bei einer Hilflosigkeit leichten Grades 20 Prozent, d.h. 206 Franken.

33

34

35

­

Weiter richtet die IV Pflegebeiträge an hilflose Minderjährige aus, die das zweite Altersjahr zurückgelegt und sich nicht zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen (insbes. Sonderschulung) in einer entsprechenden Einrichtung (z.B. Sonderschulinternat) aufhalten (Art. 20 IVG, Art. 13 IVV).

Auch die Pflegebeiträge werden nach den drei Hilflosigkeitsgraden abgestuft. Der Beitrag wird pro Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet und beläuft sich auf 27, 17 bzw. 7 Franken. Bei Heimaufenthalt, welcher nicht zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen dient, erhält die versicherte Person zusätzlich zum Pflegebeitrag noch einen Kostgeldbeitrag von 56 Franken pro Übernachtung (Ausnahme: Spital- oder Kuraufenthalt).

­

Als dritte Leistungskategorie der IV im Bereich Pflege und Betreuung sind die Beiträge an die Kosten der Hauspflege zu erwähnen (Art. 14 Abs. 3 IVG; Art. 4 IVV). Diese sind grundsätzlich anders ausgestaltet als die Hilflosenentschädigung und die Pflegebeiträge. Voraussetzung ist einerseits, dass medizinische Massnahmen der IV in Hauspflege durchgeführt werden; dies ist der Fall bei Minderjährigen mit einem oder mehreren Geburtsgebrechen, nicht aber bei Kindern, welche als Folge einer Krankheit behindert wurden35. Anderseits müssen durch die Anstellung von zusätzlichen Hilfskräften Kosten entstehen. Die IV übernimmt diese Kosten bis zu einer festgelegten Höchstgrenze, wenn der invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand voraussichtlich während mehr als drei Monaten das zumutbare Mass überschreitet.

Artikel 4 IVV legt vier Betreuungsstufen fest. Die monatlichen Höchstgrenzen der Entschädigung entsprechen der maximalen Altersrente bzw. einem Bruchteil davon (drei Viertel, Hälfte, ein Viertel) und betragen bei sehr ho-

Massgebend sind nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) die folgenden sechs alltäglichen Lebensverrichtungen: Ankleiden, Auskleiden; Aufstehen, Absitzen, Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichtung der Notdurft; Fortbewegung (im oder ausser Haus), Kontaktaufnahme (vgl. BGE 107 V 136 und 145; bestätigt in 113 V 19, 117 V 148).

Seit 1. Januar 2001 beläuft sich der Mindestbetrag der vollen Altersrente auf 1030 Franken (vgl. Art. 34 Abs. 5 des AHV-Gesetzes [AHVG; SR 831.10] und Verordnung 01 vom 18. September 2000 über die Anpassungen an die Lohn- und Preisentwicklung bei der AHV/IV [SR 831.109]).

Liegt kein behandlungsbedürftiges Geburtsgebrechen vor, so fällt die medizinische Behandlung in die Zuständigkeit der Krankenversicherung. Der Anspruch auf die medizinische Behandlung von Geburtsgebrechen erlischt grundsätzlich mit Vollendung des 20. Altersjahres (Art. 13 Abs. 1 IVG). In ganz seltenen Fällen können auch Erwachsene Hauspflegeleistungen beanspruchen, wenn ihnen medizinische Eingliederungsmassnahmen nach Art. 12 IVG zugesprochen worden sind und der Betreuungsaufwand zu Hause mit den medizinischen Massnahmen der IV im Zusammenhang steht.

3240

hem Betreuungsaufwand 2060, bei hohem 1545, bei mittlerem 1030 und bei geringem Betreuungsaufwand 515 Franken pro Monat.

Auch die AHV richtet Hilflosenentschädigungen aus, allerdings nur bei schwerer und mittlerer Hilflosigkeit (Art. 43bis des AHV-Gesetzes, AHVG; SR 831.10)36.

Bezüger/innen von Leistungen für Pflege/Betreuung/Überwachung im Januar 1998 und Kosten 1997 Anzahl Personen

Kosten (in Mio. Fr.)

Ø-Kosten pro Person im Jahr (in Fr.)

Ø-Kosten pro Person im Monat (in Fr.)

Hilflosenentschädigung der IV Pflegebeiträge für hilflose Minderjährige Hauspflegebeiträge

22 000

131

5 955

496

32 13

5 333 6 500

444 542

Totale IV

28 000

176

6 285

526

Hilflosenentschädigung der AHV

37 000

340

9 189

766

Total IV / AHV

65 000

516

7 701

642

2.3.1.3.2

6 000 2 00037

Mängel des geltenden Systems

Der Hauptkritikpunkt des geltenden Systems der Leistungen für die Pflege und Betreuung behinderter Menschen besteht darin, dass die heutigen Entschädigungsansätze generell zu tief sind. Dies wurde bereits in Ziffer 2.3.1.2 ausgeführt. Das heutige System vermag aber auch unter weiteren Gesichtspunkten nicht mehr zu befriedigen:

36

37

­

Der Begriff «Hilflosenentschädigung» wird von den Behinderten als diskriminierend empfunden. Der Bundesrat hat Verständnis für dieses Unbehagen.

Menschen mit Behinderungen sollen deshalb in Zukunft nicht mehr als «Hilflose» bezeichnet werden, sondern als Personen, welche in verschiedenen Bereichen ihres alltäglichen Lebens auf Assistenz anderer Menschen angewiesen sind.

­

Das Leistungssystem ist unübersichtlich und kompliziert. Die Zielgruppen und die Anspruchsvoraussetzungen der Hilflosenentschädigung, Pflege- und Hauspflegebeiträge sind für jede dieser Leistungen unterschiedlich. Eine Folge davon ist, dass Kinder und Jugendliche mit erworbenen Leiden schlechtere Leistungen erhalten als jene mit anerkannten und behandlungs-

Hiervon gibt es eine Ausnahme: Personen, welche im IV-Alter eine Hilflosenentschädigung der IV für Hilflosigkeit leichten Grades bezogen haben, beziehen diese in der AHV weiter, sofern die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind (sog. Besitzstand; Art. 43bis Abs. 4 AHVG). Die Kosten werden von der AHV übernommen, sobald die Personen das AHV-Alter erreichen.

Davon bezogen rund 400 Minderjährige lediglich Hauspflegebeiträge und keine Pflegebeiträge.

3241

bedürftigen Geburtsgebrechen38. Kinder, welche an einer Krankheit leiden, haben keinen Anspruch auf medizinische Massnahmen der IV und damit auch nicht auf die Vergütung der Kosten für die Hauspflege.

­

Menschen mit psychischen oder leichten geistigen Behinderungen erfüllen in den meisten Fällen die Anspruchsvoraussetzungen für die heutigen Leistungen nicht39.

­

Die heutigen Verfahrensabläufe sind kompliziert (Abklärung verschiedenartiger Ansprüche, Rechnungsstellung bei der Hauspflege).

2.3.1.4

Leistungen anderer Finanzierungsträger im Bereich Pflege und Betreuung

Die Frage der Höhe der finanziellen Leistungen an Menschen mit Behinderungen zur Abdeckung sämtlicher Kosten und Aufwendungen, welche infolge Invalidität in den verschiedensten Lebensbereichen zusätzlich anfallen, kann nicht nur aus der Sicht der IV betrachtet werden. Im Bereich Pflege und Betreuung werden Leistungen von verschiedensten Finanzierungsträgern erbracht. Allein im Sozialversicherungsrecht des Bundes findet sich eine Fülle von Finanzierungsträgern, welche ihrerseits unterschiedliche Finanzierungssysteme und Vergütungsarten aufweisen und ihre Anwendungsbereiche und Anspruchsvoraussetzungen auf Grund unterschiedlicher Kriterien umschreiben.

So übernimmt beispielsweise die obligatorische Krankenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen genau umschriebene Leistungen bei Krankenpflege zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim (vgl. insbes. Art. 7 ff. der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, SR 832.112.31). Sowohl die Unfall- als auch die Militärversicherung erbringen bestimmte Leistungen bei Hauspflege bzw. zur Abgeltung der Hilflosigkeit bzw. neu eines Assistenzbedarfs (vgl. insbes. Art. 10, 26 und 27 [UVG, SR 832.20] und Art. 18 der Verordnung über die Unfallversicherung [UVV, SR 832.20]; Art. 16 und 20 MVG). Personen, welche jährliche Ergänzungsleistungen beziehen, haben Anspruch auf die Vergütung von ausgewiesenen Krankheits- und Behinderungskosten (vgl. insbes.

Art. 3d des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung [ELG, SR 831.30] sowie Verordnung über die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen [ELKV, SR 831.301.1]). Im Weiteren kennt das Sozialversicherungsrecht nicht nur Leistungen direkt an die betroffenen pflege- oder betreuungsbedürftigen Personen, sondern auch solche, welche an Organisationen ausgerichtet werden. Die AHV richtet beispielsweise Beiträge an Spitex-Organisationen aus (AHVG, SR 831.10).

Die IV finanziert mit Beiträgen an Behinderteninstitutionen auch Massnahmen der 38

39

Kinder mit Geburtsgebrechen erhalten im Durchschnitt rund dreimal höhere Leistungen.

Voraussetzung für diese Höhe der Leistungen ist, dass der Höchstbetrag des Hauspflegebeitrags ausgeschöpft ist, d.h. dass für diesen Betrag Hilfskräfte angestellt werden. Heute erhalten rund 70 Prozent aller pflege- und betreuungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren lediglich Pflegebeiträge, ohne Hauspflegebeiträge. Die restlichen 30 Prozent sind finanziell sehr viel besser gestellt, da sie entweder zusätzlich (24%) oder aber ausschliesslich Hauspflegebeiträge beziehen (6%).

Diese Personen benötigen in den meisten Fällen keine Hilfe bei den definierten alltäglichen Lebensverrichtungen (Ausnahme: indirekte Hilfe); ferner sind in den seltensten Fällen die Voraussetzungen für eine dauernde persönliche Überwachung erfüllt.

3242

Pflege und Betreuung mit (vgl. insbes. Art. 73 IVG). Verlässt man die Bundesebene, so kommen zusätzlich Leistungen der Kantone und der Gemeinden hinzu, die ebenfalls sehr unterschiedlich ausgestaltet sind.

Aus dieser beschränkten und keinesfalls vollständigen Darstellung wird deutlich, dass die betroffenen behinderten Menschen, welche auf finanzielle Leistungen angewiesen sind, mit den unterschiedlichsten Systemen, die mehr oder weniger koordiniert nebeneinander bestehen, konfrontiert sind und dass es an Transparenz und Übersichtlichkeit fehlt.

Zur Zeit fehlt eine Gesamtübersicht der Kosten im ambulanten und stationären Bereich der Langzeitpflege und in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen.

Die heute vorliegenden Statistiken liefern nur Teilantworten und keine Gesamtschau. Diese Problematik ist ebenfalls im Bereich der Krankenversicherung aufgeworfen worden. Im Rahmen der Kommissionsberatungen (SGK-N) zur parlamentarischen Initiative Rychen (97.402) zur Finanzierung der Leistungen im Pflegebereich ist der Bundesrat beauftragt worden, ein Konzept zu erarbeiten. Ausgangspunkt eines solchen Konzeptes ist es, die Aufgaben von Krankenversicherung, Kantonen und Gemeinden voneinander abzugrenzen und die Frage der Finanzierung zu prüfen. Es ist angebracht, dass bei den Arbeiten ebenfalls die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV und die im Rahmen der 4. IV-Revision vorgesehene Assistenzentschädigung einbezogen werden. Ein solches Pflegekonzept hat zudem sowohl die Pflege in einem Pflegeheim als auch die Pflege zu Hause zu umfassen. Der Bundesrat beabsichtigt, das Konzept dem Parlament noch in diesem Jahr zu unterbreiten.

2.3.1.5

Die Assistenzentschädigung

2.3.1.5.1

Grundsatz

Die bisherigen drei Leistungen ­ Hilflosenentschädigung, Pflegebeitrag für hilflose Minderjährige und Hauspflegebeitrag ­ sollen durch eine einheitliche Leistungskategorie für sämtliche Altersgruppen, die Assistenzentschädigung, ersetzt werden. Auf diese Entschädigung besteht nach wie vor ein Rechtsanspruch. Die Anspruchsvoraussetzungen werden praktisch gleich umschrieben wie bei der Hilflosenentschädigung.

Statt von Hilflosigkeit wird neu von einem Bedarf an persönlicher Assistenz gesprochen. Auch bei der Assistenzentschädigung bestehen drei Stufen des Assistenzbedarfs40. Wie bei der Hilflosenentschädigung bestimmt sich die jeweilige Entschädigung grundsätzlich danach, in welchen der sechs alltäglichen Lebensverrichtungen die versicherte Person wegen der Invalidität dauernd regelmässig in erheblicher Weise der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf (Ausnahme: Anspruch auf Grund eines Bedarfs an lebenspraktischer Begleitung, vgl. Ziff.

2.3.1.5.2.3). Wie heute besteht der Anspruch nicht, wenn sich die versicherte Person zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen in einer Institution aufhält. Nach Artikel 67 Absatz 2 ATSG entfällt der Anspruch zudem für die Zeit, während der sich eine Bezügerin oder ein Bezüger einer Assistenzentschädigung zu Lasten der Sozialversicherung in einer Heilanstalt aufhält.

40

Die Schaffung von mehr als drei Stufen würde eine grundlegende Veränderung des Systems bedeuten. Dies steht zur Zeit nicht zur Diskussion, da die Mehrkosten nicht abschätzbar sind.

3243

Auch weiterhin entsteht der Anspruch grundsätzlich nach Ablauf eines Wartejahres.

Eine Ausnahme gilt für Minderjährige vor Vollendung des ersten Lebensjahres: Bei diesen kann der Anspruch schon vorher entstehen, sofern begründeterweise anzunehmen ist, dass voraussichtlich während mehr als zwölf Monaten mindestens ein geringer Assistenzbedarf bestehen wird41. Die grundsätzlich anwendbare einjährige Karenzfrist lässt sich dadurch begründen, dass die Auswirkungen länger dauernder oder stabiler Gesundheitsschäden in den Zuständigkeitsbereich der IV fallen, während die Folgen akuter oder kurzzeitiger gesundheitlicher Probleme durch die Krankenversicherung zu übernehmen sind.

Die Entschädigungen werden bei Erwachsenen als monatliche Pauschalen, bei Minderjährigen ­ analog zu den heutigen Pflegebeiträgen ­ für jeden Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet. Der Kostgeldbeitrag soll für die Minderjährigen unverändert beibehalten werden. Die Beträge der Assistenzentschädigung sind wie heute als Prozentsätze der Altersrente definiert.

Wie die heutige Hilflosenentschädigung wird die Assistenzentschädigung nur in der Schweiz ausgerichtet42. Die Assistenzentschädigung wird ausschliesslich durch die öffentliche Hand finanziert. Damit bleibt die Auszahlung ins Ausland auch beim Inkrafttreten der bilateralen Verträge mit der EU ausgeschlossen.

In drei Bereichen ist eine Korrektur im Sinne erhöhter Entschädigungsansätze oder einer Erweiterung der Anspruchsberechtigung notwendig. Nachstehend werden diese drei Korrekturbereiche einzeln aufgeführt (Ziff. 2.3.1.5.2).

2.3.1.5.2

Korrekturbereiche

2.3.1.5.2.1

Korrekturbereich 1: Besserstellung von Kindern und Jugendlichen zu Hause

Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche mit und solche ohne Geburtsgebrechen, die sich zu Hause aufhalten, werden heute finanziell unterschiedlich behandelt. Mit der Einführung der Assistenzentschädigung als einer einheitlichen Leistung zur Abgeltung von Betreuung und Überwachung soll diese Ungleichbehandlung beseitigt werden. Damit die Minderjährigen mit Geburtsgebrechen in Zukunft nicht schlechter gestellt sind, ist eine generelle Anhebung der Entschädigungsansätze für Minderjährige zu Hause unabdingbar.

Auch wenn der Betrag der Assistenzentschädigung im Vergleich zu den heutigen Pflegebeiträgen erheblich erhöht wird, können auf Grund des Wegfalls der heutigen Hauspflegebeiträge in Zukunft für minderjährige Leistungsbezügerinnen und -bezüger Leistungsverschlechterungen entstehen. Diese Schlechterstellung ist insbesondere bei schwer behinderten Kindern und Jugendlichen mit Geburtsgebrechen stossend. Zur Abschwächung der Leistungsunterschiede im Vergleich zu heute schlägt der Bundesrat folgende Spezialregelung für Kinder und Jugendliche, die sich zu Hause aufhalten, vor: Bei Minderjährigen mit einem anspruchsbegründenden Assistenzbedarf kann der Betrag der Assistenzentschädigung um einen Intensivpfle41 42

Der Anspruch auf Hauspflege kann demgegenüber heute theoretisch bereits drei Monate nach der Geburt entstehen.

Neu sind für bestimmte Minderjährige Ausnahmen vom Wohnsitzerfordernis vorgesehen (vgl. Art. 42bis), damit diese im Vergleich zu heute keine Verschlechterungen in Kauf nehmen müssen.

3244

gezuschlag erhöht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass zusätzlich zum Assistenzbedarf ein invaliditätsbedingter Betreuungsaufwand von mindestens vier, mindestens sechs oder mindestens acht Stunden pro Tag ausgewiesen ist. Als Betreuungsaufwand anrechenbar ist der Aufwand für die medizinische Behandlungspflege und die Grundpflege. Der dreistufige Zuschlag stellt eine Pauschale pro Tag dar und wird nur bis zur Volljährigkeit gewährt. Nach dem 18. Altersjahr besteht die Möglichkeit, EL zu beanspruchen.

2.3.1.5.2.2

Korrekturbereich 2: Besserstellung von erwachsenen Behinderten, welche nicht im Heim wohnen

Erst wenn Menschen mit Behinderungen die nötigen finanziellen Mittel erhalten, um sich die erforderliche Assistenz «einzukaufen», können sie über ihre Wohn- und Betreuungssituation selbst bestimmen. Der Betrag der Assistenzentschädigung soll deshalb auch für erwachsene Behinderte, welche ausserhalb von Institutionen wohnen, im Vergleich zur heutigen Hilflosenentschädigung angehoben werden. Die erhöhten Ansätze sollen es den Betroffenen ermöglichen, möglichst lange selbständig zu wohnen und einen allfälligen Heimeintritt zu vermeiden.

Für anspruchsberechtigte Personen mit Behinderungen, welche in Heimen leben, wird weiterhin der Betrag der heutigen Hilflosenentschädigung ausgerichtet. Ein Ausbau ist hier nicht angezeigt, da die Pflege und Betreuung durch die Institutionen erbracht und in erster Linie über die kollektiven Leistungen der IV entschädigt wird43.

Die vorgeschlagene Massnahme hat zur Folge, dass die Beiträge, welche die IV heute unter dem Titel von Artikel 74 IVG an das Begleitete Wohnen ausrichtet, teilweise entfallen44. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass die anspruchsberechtigten Behinderten mit den erhöhten Ansätzen der Assistenzentschädigung ­ welche u.a. auch für den Assistenzbedarf in der alltäglichen Lebensverrichtung «Fortbewegung» ausgerichtet wird ­ die von ihnen benötigten Transportdienste in Zukunft weitgehend selber finanzieren können. Die Beiträge der IV an Freizeittransporte für Behinderte nach Artikel 109bis IVV können daher aufgehoben werden.

2.3.1.5.2.3

Korrekturbereich 3: Besserstellung von erwachsenen psychisch oder leicht geistig Behinderten, die nicht im Heim wohnen

Menschen mit psychischen oder leichten geistigen Behinderungen sind auf Hilfe und Assistenz im persönlichen Leben angewiesen. Um auch ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, soll die Assistenzentschädigung auch für sie eingeführt werden.

43

44

In der Praxis erhöhen die Behinderten- und Pflegeinstitutionen ihre Pensionspreise bzw.

ihre Taxen jeweils um den Betrag der Hilflosenentschädigung. Eine Erhöhung der Ansätze würde daher nicht den Versicherten zugute kommen, sondern den Heimen.

Für Personen, welche keine oder noch keine Assistenzentschädigung beanspruchen können, wird jedoch auch weiterhin ein Bedarf an Beratungsdiensten bestehen. Die genaue Abgrenzung der Assistenzentschädigung vom Begleiteten Wohnen und die Festlegung der Voraussetzungen der Finanzierung dieser Dienste müssen auf Weisungsebene erfolgen.

3245

In der Regel benötigen psychisch und leicht geistig Behinderte hauptsächlich lebenspraktische Begleitung. Da das geltende System in erster Linie auf die Beeinträchtigung körperlicher Funktionen abstellt, erhalten heute psychisch und leicht geistig Behinderte oftmals keine Hilflosenentschädigung. Weil unseres Erachtens auch bei diesen Personen ein Assistenzbedarf vorliegen kann, schlagen wir vor, eine Assistenzentschädigung für lebenspraktische Begleitung einzuführen. Sie soll aber nur eine Assistenzentschädigung der niedrigsten Stufe sein. Der Anspruch soll zudem auf Erwachsene beschränkt sein, weil Kinder bis zum Erreichen des Mündigkeitsalters ohnehin bei allen wichtigen Handlungen die Zustimmung der Eltern, eines Beistandes oder Vormundes brauchen.

Die Anspruchsvoraussetzungen sind in der Verordnung klar zu umschreiben. So dürfte ein Anspruch bspw. dann gegeben sein, wenn eine behinderte Person auf Grund ihrer psychischen Erkrankung ohne Begleitung nicht selbstständig wohnen kann, oder wenn sie nicht in der Lage ist, das Haus zum Einkaufen oder zum Kontakt mit Ämtern oder Medizinalpersonen zu verlassen, oder wenn auf Grund ihrer psychischen Erkrankung die Gefahr besteht, dass sie sich dauernd isoliert. Massgebend kann zudem nur diejenige Hilfe sein, die nicht bereits durch einen Vormund, Beirat oder Beistand erbracht wird. Auch der Tatsache, dass der Gesundheitszustand von Menschen mit psychischen Behinderungen in der Regel grösseren Schwankungen unterliegt, ist Rechnung zu tragen. Eine spezielle Regelung wird insbesondere notwendig sein für die Ermittlung des durchschnittlichen Assistenzbedarfs während des Wartejahres sowie für die Häufigkeit der Revisionen.

2.3.1.5.3

Beträge der Assistenzentschädigung

Für sämtliche Versicherte, die ausserhalb eines Heimes wohnen, sollen im Vergleich zu heute doppelt so hohe Entschädigungen ausgerichtet werden. Psychisch und leicht geistig behinderte Menschen haben neu Anspruch auf eine Assistenzentschädigung der niedrigsten Stufe. Bei Minderjährigen mit einem anspruchsbegründenden Assistenzbedarf und einem zusätzlichen Bedarf an intensiver Betreuung (vgl. Ziff.

2.3.1.5.2.1) wird die Assistenzentschädigung um einen Intensivpflegezuschlag erhöht. Dieser beträgt bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens vier Stunden 309 Franken, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden 618 Franken und bei einem solchen von mindestens acht Stunden 927 Franken pro Monat. Diese Beträge entsprechen 15, 30 oder 45 Prozent der Altersrente. Der Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag erlischt mit vollendetem 18. Altersjahr.

Die nachstehende Tabelle stellt die Beträge der heutigen Hilflosenentschädigung bzw. der monatlichen Pflegebeiträge bei dauerndem Aufenthalt zu Hause mit Einschluss allfälliger Hauspflegebeiträge nach Artikel 4 IVV einerseits und die Beträge der Assistenzentschädigung anderseits einander gegenüber:

3246

Vergleich der heutigen und der neuen Leistungen Beträge in Franken pro Monat Hilfslosigkeit/Assistenzbedarf + invaliditätsbedingter Betreuungsaufwand

Heute Hilflosenentschädigung oder Pflegebeitrag + evtl. Hauspflege

Neu Assistenzentschädigung mit dreistufigem IPZ Wohnen/Aufenthalt zu Hause

Wohnen im Heim

leicht/gering + mind. 2 Std.

+ mind. 4 Std.

+ mind. 6 Std.

+ mind. 8 Std.

206 721 1236* 1751* 2266*

412 412 721** 1030** 1339**

206

max.

max.

max.

max.

Mittel + mind. 2 Std.

+ mind. 4 Std.

+ mind. 6 Std.

+ mind. 8 Std.

515 1030* 1545* 2060* 2575*

1030 1030 1339** 1648** 1957**

515

max.

max.

max max.

schwer/hoch + mind. 2 Std.

+ mind. 4 Std.

+ mind. 6 Std.

+ mind. 8 Std.

824 1339* 1854* 2369* 2884*

1648 1648 1957** 2266** 2575**

824

max.

max.

max.

max.

Bedarf an lebenssprakt. Begleitung

--

412***

--

*

Die Hauspflegebeiträge werden nur ausgerichtet, sofern ­ zu Hause medizinische Massnahmen durchgeführt werden (d.h. wenn ein behandlungsbedürftiges Geburtsgebrechen vorliegt und medizinische Pflege zu Hause erbracht wird); ­ tatsächlich Hilfspersonal angestellt wird; ­ entsprechende Kosten anfallen.

­ Die Beträge sind Maximalbeträge.

In der grossen Mehrheit der Fälle erfüllen nur Minderjährige die Voraussetzungen zum Bezug von Hauspflegebeiträgen.

** Intensivpflegezuschlag: nur für Minderjährige *** Assistenzentschädigung für lebenspraktische Begleitung: nur für volljährige Versicherte

Anwendungsbeispiel 145 Ein neunjähriges Kind mit einer schweren zerebralen Bewegungsstörung lebt zu Hause bei seinen Eltern. Das Kind benötigt neben verschiedenen Therapien (Physio-, Ergotherapie) intensive Pflege. Der invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand beträgt sechseinhalb Stunden im Tag. Das Kind ist in allen alltäglichen Lebensverrichtungen46 auf die Hilfe der Eltern oder anderer Personen angewiesen und braucht 45

46

Die Anwendungsbeispiele 1 und 2 sind vereinfacht. Es wird davon ausgegangen, dass sich das betreffende Kind dauernd zu Hause aufhält. Nicht berücksichtigt ist der Umstand, dass die Leistungen für Pflege und Betreuung von Kindern (nach heutigem und nach neuem Recht) pro Tag berechnet und nur pro Aufenthaltstag zu Hause ausgerichtet werden.

Vgl. Fussnote 33.

3247

zudem eine dauernde persönliche Überwachung. Da die Betreuung sehr intensiv ist, haben die Eltern eine Nachbarin zur Entlastung für die Arbeiten im Haushalt angestellt. Der Nachbarin wurden von den Eltern für ihre Hilfe im Monat Januar 1400 Franken, im Februar 1600 Franken ausbezahlt.

Anspruch nach geltendem Recht: Das Kind hat Anspruch auf einen Pflegebeitrag für Hilflosigkeit schweren Grades.

Dieser beträgt pauschal 824 Franken im Monat. Zudem besteht Anspruch auf Ersatz der ausgewiesenen Kosten für die Hauspflege für hohen Betreuungsaufwand bis max. 1545 Franken pro Monat. Die Eltern erhalten somit für den Monat Januar 1400 Franken und für den Monat Februar 1545 Franken (Höchstbetrag) von der IV zurückvergütet. Insgesamt erhalten die Eltern im Monat Januar 2224 Franken und im Februar 2369 Franken.

Anspruch nach neuem Recht Das Kind hat Anspruch auf eine Assistenzentschädigung für hohen Assistenzbedarf.

Diese beträgt pauschal 1648 Franken im Monat. Zusätzlich besteht Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag für einen invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von über 6 Stunden. Der Zuschlag beträgt pauschal 618 Franken im Monat (Stufe 2). Die Eltern erhalten somit jeden Monat einen Pauschalbetrag von insgesamt 2266 Franken.

Anwendungsbeispiel 2 Das im ersten Anwendungsbeispiel erwähnte Kind ist nicht infolge eines Geburtsgebrechens, sondern infolge einer Krankheit oder eines Unfalls behindert. Der Aufwand für die Betreuung des Kindes ist genau gleich wie im Anwendungsbeispiel 1.

Anspruch nach geltendem Recht: Das Kind hat lediglich Anspruch auf einen Pflegebeitrag von monatlich pauschal 824 Franken.

Anspruch nach neuem Recht Die Leistungen sind gleich hoch wie beim Anwendungsbeispiel 1.

Anwendungsbeispiel 3 Eine 28-jährige Frau leidet schon längere Zeit an schweren Depressionen und an Angstzuständen. Da sie sich ausserhalb des Hauses nicht selber bewegen kann, ist sie auf eine Person angewiesen, die sie zum Einkaufen, zu Therapien usw. begleitet.

Anspruch nach geltendem Recht: Heute hat sie keinen Anspruch auf Leistungen der IV.

Anspruch nach neuem Recht Die Frau hat Anspruch auf eine Assistenzentschädigung für lebenspraktische Begleitung in der Höhe von 412 Franken im Monat.

3248

2.3.1.5.4

Verhältnis zu anderen Sozialversicherungen

2.3.1.5.4.1

Verhältnis zur AHV

In der AHV wird die Hilflosenentschädigung umbenannt, im Übrigen jedoch unverändert beibehalten. Personen, welche bereits vor Eintritt ins AHV-Alter eine Assistenzentschädigung bezogen haben, erhalten denselben Betrag im AHV-Alter weiter, solange die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (Besitzstand).

2.3.1.5.4.2

Verhältnis zur obligatorischen Unfallversicherung (UV) und zur Militärversicherung (MV)

Wie bereits in Ziffer 1.2.4 ausgeführt wurde, sollen die heutigen Begriffe «Hilflosigkeit» und «Hilflosenentschädigung» im ganzen Sozialversicherungsrecht durch «Assistenzbedarf» und «Assistenzentschädigung» ersetzt werden. Das bedeutet, dass sowohl im ATSG (vgl. v.a. Art. 9 ATSG) als insbesondere auch im UVG und dem MVG Anpassungen vorgenommen werden müssen (vgl. hierzu auch Ziff. 4.4).

Sowohl in der UV als auch in der MV handelt es sich ­ wie auch in der AHV (vgl.

oben, Ziff. 2.3.1.5.4.1) um eine reine Umbenennung. Der Begriff «Assistenzentschädigung» ersetzt durchwegs den bisherigen Begriff «Hilflosenentschädigung».

Materiell erfolgen keine Änderungen am heutigen System der UV und der MV. Anspruch, Höhe und inhaltliche Ausgestaltung der Leistungen bleiben die gleichen.

Die obligatorische UV richtet neben der Hilflosenentschädigung Leistungen bei zu Hause erbrachter Pflege aus. Die Voraussetzungen für Beiträge an die Hauspflege sind jedoch grundsätzlich anders umschrieben als in der IV. Die Hauspflege der obligatorischen UV stellt eine Form der Heilbehandlung dar und hat eine andere Zweckbestimmung als die Assistenzentschädigung. Sie wird deshalb als eigenständige Leistung neben der Assistenzentschädigung der UV weiter bestehen47.

Nach Artikel 20 MVG werden so genannte Zulagen für Hauspflege oder Kuren sowie Hilflosenentschädigungen ausgerichtet. Diese Leistungen gehen weiter als die Leistungen der IV und können nicht mit ihnen gleichgesetzt werden. Es werden die Aufwendungen für Pflege und Betreuung, aber auch für Hilfe im Haushalt im Einzelfall entschädigt. Trotz dieser materiellen Unterschiede kann die Hilflosenentschädigung der MV in «Assistenzentschädigung» umbenannt werden.

Im Gegensatz zur IV anerkennen weder die UV noch die MV die lebenspraktische Begleitung als anspruchsbegründend für den Bezug einer Assistenzentschädigung.

UV- und MV-Versicherte werden indessen nicht schlechter gestellt. Die lebenspraktische Beratung und Begleitung von psychisch und geistig Kranken wird in der UV und der MV bei gegebenen Voraussetzungen im Rahmen der Heilbehandlung entschädigt. Anderseits können Personen mit einem Assistenzbedarf auf Grund einer psychischen oder geistigen Beeinträchtigung der Gesundheit, welche rein für diesen Bedarf keinen Anspruch auf eine Assistenzentschädigung der UV oder der MV be-

47

In der obligatorischen UV werden Beiträge an die medizinische Behandlungspflege (im Sinne der Heilbehandlung) ausgerichtet, welche durch eine zugelassene medizinische Hilfsperson durchgeführt wird. Ausnahmsweise kann der Versicherer Beiträge an eine durch nicht zugelassene Personen durchgeführte Hauspflege ausrichten (Art. 10 Abs. 3 UVG, SR 832.20; Art. 18 UVV, SR 832.202).

3249

gründen, für die lebenspraktische Begleitung eine Assistenzentschädigung der IV beanspruchen.

2.3.1.5.5

Mehrausgaben der Assistenzentschädigung

Der Ersatz der heutigen Leistungen durch eine einheitliche Assistenzentschädigung gemäss vorliegendem Vorschlag (vgl. Ziff. 2.3.1.5) hat im Jahr 2003 für die IV Mehrausgaben im Vergleich zu heute (zu Preisen von 2001) von insgesamt 162 Millionen Franken zur Folge48. Diese verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Anwendungsbereiche: Korrekturbereich 1 (Minderjährige zu Hause) Die Verdoppelung der Ansätze der Pflegebeiträge für Minderjährige zu Hause und die Einführung des Intensivpflegeschlags führt ­ abzüglich der Einsparungen infolge Aufhebung der Hauspflegebeiträge ­ zu Mehrausgaben im Jahr 2003 von rund 44 Millionen Franken pro Jahr.

Korrekturbereich 2 (zu Hause lebende Erwachsene) Die Verdoppelung der Ansätze für zu Hause lebende Erwachsene führt zu Mehrausgaben. Eingespart würde anderseits ein Teil der Ausgaben der IV im Bereich des Begleiteten Wohnens. Ferner könnten die jährlichen Ausgaben für Transportkostenbeiträge der IV (heute rund 10 Millionen Franken) eingespart werden. Insgesamt sind im Jahr 2003 Mehrausgaben von rund 62 Millionen Franken im Jahr zu erwarten.

Korrekturbereich 3 (zu Hause lebende psychisch/leicht geistig Behinderte) Die Erweiterung der Anspruchsberechtigung auf erwachsene Personen mit psychischen oder leichten geistigen Behinderungen, welche nicht in einem institutionellen

48

Eine reine Zusammenführung der heutigen Leistungen (ohne Erhöhung der heutigen Ansätze, jedoch mit Intensivpflegezuschlag für Minderjährige und dem neuen Anspruch für psychisch und leicht geistig behinderte Menschen) würde zu Mehrausgaben in der IV von rund 28 Millionen Franken führen. Die Ausgaben für Hauspflegebeiträge würden praktisch in den Intensivpflegezuschlag fliessen. Eine solche Ausgestaltung der Assistenzentschädigung wäre jedoch nicht ohne weiteres realisierbar, denn sie hätte erhebliche Leistungsverschlechterungen für pflegebedürftige Kinder mit Geburtsgebrechen zur Folge (bei schwer behinderten Kindern über 1000 Franken im Monat!).

3250

Rahmen wohnen, hätte nach Schätzungen im Jahr 2003 Mehrausgaben von rund 56 Millionen Franken zur Folge49.

In der AHV entstehen auf Grund des Ausbaus in den Bereichen 2 und 3 höhere Besitzstandskosten.

Die nachstehende Tabelle zeigt die im Vergleich zu heute anfallenden jährlichen Mehrausgaben der IV infolge Einführung einer Assistenzentschädigung in der vorgeschlagenen Höhe, verteilt auf die einzelnen Korrekturbereiche.

Mehrausgaben der Assistenzentschädigung insgesamt und der einzelnen Korrekturbereiche im Jahr 2003 Beträge in Millionen Franken

zu Preisen von 2001

Massnahmen

Mehrausgaben im Jahr 2003

Korrekturbereich 1 Besserstellung von Kindern und Jugendlichen zu Hause

44

Korrekturbereich 2 Besserstellung von erwachsenen Behinderten, welche nicht im Heim wohnen

62

Korrekturbereich 3 Besserstellung von erwachsenen psychisch oder leicht geistig Behinderten, die nicht im Heim wohnen

56

Total Mehrausgaben in der IV Mehrausgaben infolge Besitzstand in der AHV

2.3.2

162 63

Neugestaltung des IV-Taggeldsystems

Das IV-Taggeld hat den Zweck, Versicherten während einer Eingliederungsmassnahme der IV das deswegen entgehende Einkommen zumindest teilweise zu ersetzen. Gemäss der geltenden gesetzlichen Regelung hat Anspruch auf ein Taggeld, wer an wenigstens drei aufeinander folgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder wer in der gewohnten Tätigkeit zu min49

Vgl. BRAINS, Projektbericht «Projekt Assistenzentschädigung der IV: Erweiterung des Bezüger/innenkreises auf psychisch behinderte Erwachsene, welche ausserhalb des Heimes/Spitals wohnen», Zürich, Oktober 1999. Die Schätzung kommt bei der (berichtigten) Bezugsgrösse von 180 000 Rentenbezügerinnen und -bezügern auf Mehrausgaben von zwischen 34 und 63 Millionen, also durchschnittlich 49 Millionen Franken im Jahr 1999.

In dieser Schätzung wurde die Behindertengruppe der leicht geistig Behinderten vernachlässigt, da deren Zahl als vergleichsweise tief angenommen wurde.

Die Schätzung wurde auch der Schweiz. Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter (SAEB) unterbreitet. Diese hält den geschätzten Betrag für zu hoch. Die SAEB argumentiert u.a. damit, dass bei der Gruppe der psychisch Behinderten ein voraussehbarer und über eine gewisse Zeitspanne konstanter Assistenzbedarf weit weniger vorkommt als bei anderen Behindertengruppen. Aus dieser berechtigten Überlegung heraus sind wir der Ansicht, dass der Mittelwert der Schätzung nach unten, d.h. von 49 Millionen auf 45 Millionen Franken (im Jahr 1999), zu korrigieren ist.

3251

destens 50 Prozent arbeitsunfähig ist. Versicherten in der erstmaligen beruflichen Ausbildung sowie Versicherten vor dem vollendeten 20. Altersjahr, die noch nicht erwerbstätig gewesen sind, wird ein Taggeld ausgerichtet, wenn sie eine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse erleiden (vgl. Art. 22 Abs. 1 IVG).

Das heutige Taggeldsystem der IV beruht grundsätzlich auf dem bis Juni 1999 geltenden Taggeldsystem des Erwerbsersatzgesetzes (EOG; SR 834.1). In Bezug auf die einzelnen Taggeldarten, die Ansätze, Bemessungsregeln und Höchstgrenzen der Taggelder verwies das IVG bisher auf das EOG50. Am 1. Juli 1999 ist die 6. EO-Revision in Kraft getreten (AS 1999 1571 ff.)51. Mit der Einführung einer zivilstandsunabhängigen Grundentschädigung, der Zulage für Betreuungskosten und der Erhöhung des Einheitsansatzes für Rekruten ist das System der EO-Entschädigungen grundlegend umgestaltet worden. Für die IV-Taggelder wurde demgegenüber vorerst das alte System unverändert beibehalten, indem die entsprechenden Bestimmungen des alten EOG ins IVG übernommen wurden.

Dem bis Ende Juni 1999 geltenden EOG lag die Vorstellung einer Versorgerehe zu Grunde. Demgemäss sind im IVG, welches sich auf das alte EOG stützt, für verheiratete Personen ­ unabhängig vom Vorhandensein von Kindern ­ höhere Entschädigungen als für Alleinstehende vorgesehen. Während Letztere nur eine Entschädigung von 45 Prozent des durch die zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit erzielten Einkommens beanspruchen können, erhalten Verheiratete eine Entschädigung von 75 Prozent des früheren Einkommens52. Hinzu kommen je nach den Verhältnissen im Einzelfall die auch im alten EOG vorgesehenen Kinder-, Unterstützungs- und Betriebszulagen53. Zusätzlich zu diesen Zulagen werden in der IV weitere Zuschläge gewährt: Alleinstehende Personen haben Anspruch auf einen Zuschlag für Alleinstehende, und sämtliche Versicherte, die während der Eingliederung selber für Verpflegung oder Unterkunft aufkommen müssen, erhalten einen Eingliederungszuschlag54.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die Anlehnung des Taggeldsystems der IV an jenes der EO nicht durchwegs bewährt hat. Da die EO einem anderen Zweck dient als die IV und auch die Verhältnisse der Versicherten kaum vergleichbar sind, scheint eine Weiterführung dieser Verknüpfung nicht sinnvoll55. Mit der Botschaft zum
ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149) kündete deshalb der Bundesrat für den zweiten Teil der Revision die Überprüfung des Systems der IV-Taggelder an.

Im Rahmen dieses Entwurfs schlägt der Bundesrat für die IV nun ein Taggeldsystem vor, welches sich mit gewissen Abweichungen an das Taggeldsystem der obligatorischen Unfallversicherung (UV) anlehnt. Es handelt sich um ein einfaches System, 50

51

52 53 54 55

In Bezug auf die Bemessungsregeln und die Höchstgrenzen gilt der Verweis auch weiterhin, d.h. das revidierte IVG verweist auf das nunmehr revidierte EOG (vgl. Art. 24 Abs. 1 IVG, in Kraft seit 1. Juli 1999).

Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Zulage für Betreuungskosten (Art. 7, 14, 16 Abs. 3 und 19 Abs. 2 Bst. b und c EOG), welche erst am 1. Januar 2000 in Kraft getreten sind.

Vgl. Art. 9 aEOG sowie Art. 24bis IVG, in Kraft seit 1. Juli 1999.

Vgl. Art. 6­8 aEOG, Art. 23 IVG sowie Art. 23quater-sexies und Art. 24ter-quinquies IVG, in Kraft seit 1. Juli 1999.

Vgl. Art. 24bis aIVG und Art. 24bis Abs. 3 IVG, in Kraft seit 1. Juli 1999, sowie Art. 25 IVG.

Vgl. hierzu auch die entsprechenden Ausführungen in der Botschaft vom 1. April 1998 zur 6. EO-Revision (BBl 1998 3418).

3252

das geschlechts- und zivilstandsneutral ist. Alle Versicherten erhalten grundsätzlich die gleiche Grundentschädigung. Diese beträgt 80 Prozent des Erwerbseinkommens, welches zuletzt ohne gesundheitliche Einschränkung erzielt worden ist. Der versicherte Verdienst basiert auf dem massgebenden Lohn nach AHVG. Im Unterschied zum versicherten Verdienst in der obligatorischen UV sind darin Kinder- und Familienzulagen nicht eingeschlossen. Zusätzlich zur Grundentschädigung wird deshalb ein Kindergeld gewährt. Die Grundentschädigung und das Kindergeld machen zusammen das Taggeld aus. Dieses wird ­ wie heute ­ pro Tag ausgerichtet.

Wie in der obligatorischen UV wird auch für die IV-Taggelder ein Höchstbetrag festgesetzt. Das Taggeld darf nicht höher sein als das Erwerbseinkommen, das vor der gesundheitlichen Beeinträchtigung erzielt worden ist; vorbehalten sind die Fälle, in welchen die Mindestgarantie ausgerichtet wird. Es darf ferner den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes in der obligatorischen Unfallversicherung nicht übersteigen. Dieser Betrag beläuft sich auf den Tag umgerechnet auf gegenwärtig 293 Franken56. Die Grundentschädigung beträgt mindestens 30 Prozent dieses Höchstbetrages (d.h. 88 Fr. pro Tag) und höchstens 80 Prozent, d.h. max. 235 Franken. Das Kindergeld wird pro Kind auf 6 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes (d.h. 18 Fr. pro Kind und Tag) festgesetzt57. Unter Hinzurechnung des Kindergeldes darf der Höchstbetrag des Taggeldes nicht überschritten werden. Nach unten wird ­ im Unterschied zur obligatorischen UV ­ eine Mindestgarantie für Personen mit kleinen Einkommen und für nicht Erwerbstätige gewährt. Diese entspricht für Versicherte ohne Kinder dem Mindestbetrag der Grundentschädigung (d.h. 88 Fr. pro Tag bzw. 2640/2728 Fr. pro Monat). Für Personen mit Kindern beträgt die Mindestgarantie 35 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes (d.h. 103 Fr. pro Tag bzw.

3090/3193 Fr. pro Monat). Damit liegt der Mindestbetrag des Taggeldes deutlich über dem Betrag der maximalen IV-Rente (2060 Fr./Monat) und steht in einem angemessenen Verhältnis zu den Durchschnittslöhnen der Frauen (4144 Fr./Monat) und der Männer (5378 Fr./Monat)58.

Die Anhebung der Taggelder macht die bisherigen Zuschläge und Zulagen überflüssig. Nach neuem Recht werden daher keine Betriebs-59 und Unterstützungszulagen60
mehr gewährt. Da neu alle Personen, unabhängig von ihrer familiären Situation, eine einheitliche Grundentschädigung von 80 Prozent des versicherten Verdienstes erhalten, sind in Zukunft auch die heutigen IV-spezifischen Zuschläge für Alleinstehende und für die Eingliederung nicht mehr nötig.

Dagegen wird das Taggeld nach wie vor reduziert, wenn die IV vollumfänglich für die Kosten von Unterkunft und Verpflegung aufkommt. Der entsprechende Abzug

56 57

58 59 60

Vgl. UVV vom 28. September 1998, AS 1998 2588.

Dieser Ansatz entspricht dem Dreifachen des Durchschnitts aller kantonalen Kinder- und Familienzulagenordnungen und der eidgenössischen Familienzulagen in der Landwirtschaft bzw. dem Dreifachen der im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs (NFA) zur Diskussion stehenden gesamtschweizerischen Zulage.

Vgl. Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 1996, Bundesamt für Statistik, Neuchâtel 1998 Angesichts der geringen Bedeutung, die die Betriebszulage in der Realität hat, halten wir einen Verzicht auf diese Zulage für vertretbar.

Angesichts der verschwindend geringen Bedeutung, die die Unterstützungszulage in der Realität hat, und des enormen Aufwandes, der zur Abklärung der Anspruchsberechtigung notwendig ist, halten wir einen Verzicht für vertretbar. Die Unterstützungszulage ist im Übrigen auch im Rahmen der 6. EO-Revision abgeschafft worden.

3253

wird neu ebenfalls als Prozentsatz des Höchstbetrages festgesetzt (6%, d.h. 18 Fr.

pro Tag).

Das Prinzip der Berechnung des sogenannten «kleinen Taggeldes» bleibt im neuen System unverändert. Versicherte in der erstmaligen beruflichen Ausbildung sowie Versicherte vor dem vollendeten 20. Altersjahr, die noch nicht erwerbstätig gewesen sind, erhalten somit auch weiterhin ein Taggeld, das in der Regel dem Durchschnittslohn der Lehrlinge entspricht. Dieses soll jedoch neu auch in Prozenten des Höchstbetrages festgesetzt werden (rund 10%, d.h. 891 Fr./Monat). Versicherte, die ohne Behinderung ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hätten und im Erwerbsleben stehen würden, erhalten wie bisher den Mindestbetrag der Grundentschädigung.

Der Höchstbetrag des Taggeldes wird im Anpassungsrhythmus des UVG an die Lohnentwicklung angepasst. Dadurch, dass das Kindergeld und sämtliche weiteren Beträge (z.B. Mindestbetrag usw.) als Prozentsätze des Höchstbetrages definiert sind, ist eine automatische Angleichung gewährleistet.

In der nachstehenden Tabelle werden die Hauptmerkmale des geltenden und des neuen Taggeldsystems einander gegenübergestellt: Vergleich des geltenden und des neuen IV-Taggeldsystems Beträge in Fr./Tag

Berechnungsbasis (versicherter Verdienst) Grundentschädigung Minimalbeträge (Mindestgarantie)

Maximalbeträge

Höchstbetrag des Taggeldes Kindergeld (KG)

3254

IV-Taggeld heute (Beträge ab 1.1.2001)

IV-Taggeld neu

Massgebender Lohn nach AHVG (d.h. ohne Familien-/Kinderzulagen) umgerechnet auf 360 Tage 45% des versicherten Verdienstes für Alleinstehende; 75% für Verheiratete 15% bzw. 25% des Höchstbetrages + Zuschläge, max. jedoch 43% (94.­): 72.­ Alleinstehende 81.­ Verheiratete ohne Kinder 94.­ Verheiratete mit Kind + evtl. Betriebszulage 45% bzw. 75% des Höchstbetrages + Zuschläge: 136.­ Alleinstehende 189.­ Verheiratete ohne Kinder 209.­ Verheiratete mit 1 Kind 229.­ Verheiratete mit 2 Kindern 242.­ Verheiratete mit 3 Kindern 242.­ Verheiratete mit 4 Kindern + evtl. Betriebszulage 215.­ (indexiert)

Massgebender Lohn nach AVHG (d.h. ohne Familien-/Kinderzulagen) umgerechnet auf 365 Tage 80% des versicherten Verdienstes für alle Versicherten

9% des Höchstbetrages pro Kind (20.­)

30% d. Höchstbetrages + Kindergeld; max. jedoch 35% (103.­); ohne Kinder: 88.­ mit Kindern: 103.­

80% des Höchstbetrages + Kindergeld, jedoch maximal Höchstbetrag von 293.­ ohne Kinder: 235.­ mit 1 Kind: 253.­ mit 2 Kindern: 271.­ mit 3 Kindern: 289.­ mit 4 Kindern: 293.­ 293.­ (analog oblig. UV ab 1.1.2000) 6% des Höchstbetrages pro Kind (18.­ pro Kind)

IV-Taggeld heute (Beträge ab 1.1.2001)

IV-Taggeld neu

­ Alleinstehendenzuschlag (12.­) keine Zuschläge ­ Eingliederungszuschlag (27.­) ­ Betriebszulage: 27% des Höchstbetrags (59.­) ­ Unterstützungszulage (39.­ bzw. 20.­) Internatsaufenthalt Kürzung des EingliederungsAbzug vom Taggeld in der Höhe zu Lasten der IV zuschlags um 20.­ von rund 6% des Höchstbetrages (d.h. 18.­) ­> Regelung auf Verordnungsebene Ansätze für nicht Mindestgarantie Mindestgarantie Erwerbstätige «kleines Taggeld» In der Regel der Lehrlingslöhne: In der Regel rund 10% des (für Versicherte 30.50 Höchstbetrags: 29.70 in erstm. berufl.

Maximalbetrag entspricht der ­> Regelung auf VerordnungsAusbildung und Mindestgarantie, d.h.

ebene noch nicht erwerbs- 72.­ Alleinstehende Maximalbetrag entspricht der tätig gewesene 81.­ Verheiratete Mindestgarantie, d.h. 88.-Versicherte bis 20 Jahre) Teuerungsteilweise indexiert Anpassungsrhythmus des UVG anpassung ErgänzungsAnspruch auf EL bei ununterbroAnspruch auf EL bei ununterbroleistungen (EL) chenem Bezug von Taggeldern von chenem Bezug von Taggeldern mind. 6 Monaten von mind. 6 Monaten Zuschläge

Durch die Einführung des neuen Taggeldsystems werden bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt. Mit der einheitlichen Grundentschädigung von 80 Prozent des versicherten Verdienstes wird der grössere Teil der unverheirateten Versicherten ohne Kinder61 besser gestellt sein als heute. Mit dem Kindergeld in der vorgeschlagenen Höhe gibt es für Versicherte mit einem Kind im mittleren Einkommensbereich gegenüber dem heutigen System nur minime Leistungsverschlechterungen. Bei finanziellen Notlagen können diese Versicherten Ergänzungsleistungen beantragen. Dadurch, dass nur noch eine Grundentschädigung zuzüglich eines allfälligen Kindergeldes ausgerichtet wird und sämtliche speziellen Bestandteile des bisherigen Taggeldes wegfallen, ist das neue Taggeldsystem im Vergleich zum heutigen System auch wesentlich einfacher und transparenter.

Die Einführung des neuen Taggeldsystems verursacht Mehrausgaben in der Höhe von rund 12 Millionen Franken.62

61 62

Von allen IV-Taggeldbezüger/innen sind ca. 55 Prozent unverheiratet und ohne Kinder.

Vgl. hierzu die Ausgaben für IV-Taggelder im Jahr 1996: 310 Mio., im Jahr 1998 286 Mio. Fr. Quelle: Betriebsrechnung der IV.

3255

2.3.3

Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung

Artikel 16 Absatz 1 IVG regelt den Anspruch auf eine erstmalige berufliche Ausbildung. Demnach haben Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten der versicherten Person entspricht. Die berufliche Weiterausbildung, mit der die Erwerbsfähigkeit wesentlich verbessert werden kann, ist der erstmaligen beruflichen Ausbildung gleichgestellt (vgl. Art. 16 Abs. 2 Bst. c).

Wie bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung übernimmt die IV somit die sogenannten invaliditätsbedingten Mehrkosten einer Weiterausbildung. Als invaliditätsbedingte Mehrkosten werden jene Kosten der Ausbildung bezeichnet, die einer behinderten Person wegen ihrer Behinderung im Vergleich zu den Aufwendungen einer nicht behinderten Person zusätzlich entstehen (z.B. Dolmetscherkosten für Gehörlose, Kosten für Literaturvergrösserungen für Sehbehinderte, Transportkosten usw.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) ist unter Weiterausbildung nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c IVG jene Berufsbildung zu verstehen, welche die im Wesentlichen bereits erworbenen Kenntnisse eines Berufes weiter ausbaut; es muss sich um die Fortsetzung oder Vervollkommnung einer erstmaligen Berufsbildung handeln. Demgemäss stellt eine Berufsschulung, die auf ein wesentlich anderes Endziel als die ursprüngliche Ausbildung gerichtet ist, keine Weiterausbildung, sondern eine Umschulung i.S. von Artikel 17 IVG dar (vgl. hierzu u.a. BGE 96 V 32). Als berufliche Weiterausbildung im Sinne des IVG bejaht wurde vom EVG bspw. die Weiterbildung eines Automechanikers zum diplomierten Automobiltechniker oder jene vom Elektroniker zum IngenieurTechniker; als solche abgelehnt wurde demgegenüber die Ausbildung einer kaufmännischen Angestellten zur Sozialarbeiterin oder eines Mechanikers zum soziokulturellen Animator, und zwar mit der Begründung, dass mit der zweiten Ausbildung ein wesentlich anderes berufliches Endziel als mit der ursprünglichen Ausbildung angestrebt werde.

Diese restriktive Auslegung von Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c durch das höchste Gericht hat zur Folge, dass heute Menschen mit Behinderungen gegenüber nicht behinderten
Personen in ihrer beruflichen Weiterentwicklung teilweise benachteiligt werden. Behinderten Menschen können während der Weiterbildung invaliditätsbedingte Kosten entstehen, die Nichtbehinderte nicht zu tragen haben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in Zukunft im Verlauf einer beruflichen Karriere immer häufiger der Beruf gewechselt wird, und zwar aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen. Da die finanzielle Belastung während einer Weiterbildung häufig bereits durch die Ausbildungsgebühren und den allfälligen Lohnausfall recht gross ist, ist es heute vielen Behinderten nicht möglich, auch noch für die invaliditätsbedingten Mehrkosten aufzukommen. Ihnen bleibt oft nur die Möglichkeit, sich mittels Gesuchen an Fonds usw. die nötige finanzielle Unterstützung zu beschaffen oder andernfalls auf die Weiterbildung zu verzichten.

Mit der vorliegenden Gesetzesrevision sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Menschen mit Behinderungen für ihre berufliche Weiterentwicklung die gleichen Möglichkeiten wie nicht behinderten Menschen offen stehen. Das bedeutet, dass in Zukunft die invaliditätsbedingten Mehrkosten einer beruflichen Wei-

3256

terausbildung nicht nur im angestammten, sondern auch in neuen Berufsfeldern durch die IV übernommen werden. Ferner soll die bisherige Anspruchsvoraussetzung der «wesentlichen» Verbesserung der Erwerbsfähigkeit etwas gemildert werden.

Der Anspruch auf Übernahme der invaliditätsbedingten Mehrkosten einer beruflichen Weiterausbildung weist eine Besonderheit auf, die ihn von den übrigen Eingliederungsmassnahmen der IV unterscheidet: Er besteht unabhängig davon, ob die betreffende berufliche Weiterbildung notwendig ist, um die Erwerbsfähigkeit (oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen) zu erhalten oder zu verbessern (vgl. Art. 8 Abs. 2bis). Auf das Kriterium der «Notwendigkeit» bzw. «Erforderlichkeit» wird bewusst verzichtet. Die invaliditätsbedingten Mehrkosten einer beruflichen Weiterbildung sind somit auch dann durch die IV zu übernehmen, wenn die betroffene behinderte Person auch ohne diese Weiterbildung beruflich bereits genügend eingegliedert ist. Das bedeutet, dass versicherte Personen, die bereits zweckmässig eingegliedert sind und bei denen invaliditätsbedingt keine Notwendigkeit für die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen besteht, in den Genuss der erweiterten Leistungen nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c kommen.

Im Gegenzug zu dieser Ausweitung der Leistungsübernahme soll der Anspruch deutlich begrenzt werden. Die Anspruchsvoraussetzungen werden deshalb auf Gesetzesstufe klar definiert: Die berufliche Weiterausbildung soll dazu beitragen, dass die Erwerbsfähigkeit länger dauernd verbessert oder erhalten werden kann. Übernommen werden nur die invaliditätsbedingten Mehrkosten (Transporte, Dolmetscherkosten usw.). Die üblichen Kosten einer Weiterbildung, die auch nicht behinderten Personen entstehen (Kursgebühren, Material, Übernachtungskosten, Lohnausfall, Spesen usw.), werden nicht durch die IV finanziert. Im Weiteren muss auch die berufliche Weiterausbildung ­ wie alle Eingliederungsmassnahmen ­ geeignet und angemessen sein. Die Geeignetheit bezieht sich einerseits (objektiv) auf die Massnahme, anderseits (subjektiv) auf die versicherte Person. Die Angemessenheit beinhaltet eine sachliche, zeitliche, wirtschaftlich-finanzielle und persönliche Angemessenheit. Die Übernahme von invaliditätsbedingten Mehrkosten beschränkt sich zudem auf Weiterbildungsangebote ausserhalb
des Bildungsangebots von Behinderteninstitutionen und -organisationen.

Bei der beruflichen Weiterausbildung wird der Taggeldanspruch ausgeschlossen.

Unter geltendem Recht, d.h. für Weiterausbildungen im bisherigen Berufsfeld, besteht ein Taggeldanspruch. Es handelt sich jedoch um sehr wenige Einzelpersonen, die während der Weiterausbildung ein Taggeld auf Grund einer nachgewiesenen invaliditätsbedingten Erwerbseinbusse beziehen. Angesichts dieser wenigen Fälle und der generellen Leistungsverbesserung im Bereich der beruflichen Weiterbildung ist diese Lösung vertretbar.

Die Verbesserung der Leistungen im Bereich der beruflichen Weiterausbildung hat grob geschätzt Mehrkosten von ca. 4 Millionen Franken im Jahr zur Folge.

3257

2.4

Verstärkung der Aufsicht des Bundes

2.4.1

Regionale ärztliche Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV

Jede Abklärung des Anspruchs auf Leistungen der IV beinhaltet auch eine ärztliche Untersuchung der versicherten Person. Diese Untersuchung wird in der Regel von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Wie wir in Ziffer 1.1.4.2.4 aufgezeigt haben, ist eine der Ursachen des Ausgabenwachstums in der IV das in der Regel mangelhafte versicherungsspezifische Wissen dieser Ärztinnen und Ärzte.

Dazu kommt ein Wandel des Krankheitsverständnisses insbesondere bei den psychischen Erkrankungen, welches der Zweckbestimmung der IV nicht immer gerecht wird. Es ist daher unerlässlich, dass die Berichte über die hausärztliche Untersuchung von Ärztinnen und Ärzten der Invalidenversicherung überprüft werden. Diese im Abklärungsprozess entscheidende Aufgabe obliegt den IV-Stellen. Um sie erfüllen zu können, verfügt jede IV-Stelle über ärztliches Personal im Anstellungsverhältnis. In kleineren IV-Stellen sind die Ärztinnen und Ärzte in Teilpensen angestellt. Dabei kommen Anstellungen im Umfang von 5­10 Prozent, zusätzlich zu einer Tätigkeit in der eigenen Arztpraxis, vor. Diese Ärztinnen und Ärzte beurteilen den Gesundheitszustand bzw. die Arbeitsfähigkeit versicherter Personen auf Grund der Akten. Bei unklaren oder komplizierten Krankheitsbildern können sie weitergehende medizinische Abklärungen durch Spezialistinnen und Spezialisten oder in medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) vorschlagen. Sie sind jedoch nicht befugt, selber ärztliche Untersuchungen bei Versicherten vorzunehmen (Art. 69 Abs. 4 IVV).

Es hat sich gezeigt, dass das geltende System der Überprüfung der ärztlichen Angaben durch die IV-Stellen nicht ausreicht, um die starke Zunahme der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger in den Griff zu bekommen. Hinzu kommen die erwiesenermassen seit Jahren bestehenden erheblichen kantonalen Unterschiede in der Inzidenz (d.h. Wahrscheinlichkeit für eine Person, im Erwerbsalter rentenbegründend invalid zu werden). Zur Verbesserung dieser Situation wurde in der Vernehmlassung von verschiedenen Seiten ­ insbesondere von zahlreichen Kantonen und den IV-Stellen (vgl. Ziff. 1.2.6) ­ die Einräumung der medizinischen Untersuchungskompetenz an das ärztliche Personal der IV-Stellen und eine vermehrte regionale Zusammenarbeit zwischen den einzelnen IV-Stellen vorgeschlagen. Die bestehenden Probleme würden dadurch
allerdings nur beschränkt gelöst. Nötig ist auch eine Verstärkung der aufsichtsrechtlichen Kompetenzen des BSV in dem Sinne, als dessen Aufsicht über die Tätigkeit der Ärztinnen und Ärzte der Versicherung nicht nur indirekt ­ d.h. via Aufsicht über die IV-Stelle ­, sondern direkt und unmittelbar möglich ist.

Bereits im Rahmen des ersten Teils der 4. IV-Revision wurde das Anliegen der Schaffung regionaler ärztlicher Dienste von Seiten des Parlaments eingebracht (vgl.

Art. 53 Abs. 2 IVG gemäss Beschluss des Parlamentes vom 26. Juni 1998, BBl 1998 3479). Der Bundesrat nimmt die damals vorgeschlagene Massnahme der Einführung regionaler ärztlicher Dienste wieder auf. Wie die IV-Stellen sollen die ärztlichen Dienste unmittelbar der fachlichen Aufsicht des BSV unterstellt sein. Ziel ist die Bildung mehrerer Regionen, in welchen jeweils eine IV-Stelle mit der Verwaltung des ärztlichen Dienstes beauftragt wird. Die Auswahl und die Anstellung des Personals der ärztlichen Dienste obliegt den jeweiligen beauftragten IV-Stellen (unter Vorbehalt der Genehmigung der Anstellung der ärztlichen Leitung durch das BSV).

3258

Die fachliche Aufsicht beinhaltet die Kompetenz des BSV, den ärztlichen Diensten im medizinischen Bereich allgemeine Weisungen sowie, wenn nötig, Weisungen in konkreten Einzelfällen zu erteilen. Die ärztlichen Dienste werden aus Mitteln der Versicherung finanziert.

Diese regional strukturierten ärztlichen Dienste unterstützen die IV-Stellen, indem sie die medizinischen Aspekte der Anspruchsvoraussetzungen bei IV-Leistungsgesuchen, insbesondere im Bereich der beruflichen Massnahmen und der Renten, beurteilen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kompetenz zur Durchführung von Abklärungen sowie zur Anordnung spezialärztlicher oder polydisziplinärer Untersuchungen an die ärztlichen Dienste delegiert wird. Vielmehr obliegt die umfassende Verantwortung für die Durchführung der Abklärung und für den Entscheid über Leistungsbegehren anderseits weiterhin allein den IV-Stellen (vgl. Art. 57 Abs. 1 IVG).

Zu den Aufgaben der regionalen ärztlichen Dienste gehört die Prüfung und die allfällige Vervollständigung der von den IV-Stellen zugestellten medizinischen Unterlagen. Wenn nötig können die ärztlichen Dienste ärztliche Untersuchungen vornehmen. Auf Verordnungs- und Weisungsebene wird sodann zu regeln sein, welche Fälle den regionalen ärztlichen Diensten obligatorisch unterbreitet werden müssen.

Die vorliegende strukturelle Massnahme bewirkt eine Vereinheitlichung der für das Entscheidverfahren notwendigen medizinischen Grundlagen sowie eine gesamtschweizerisch möglichst einheitliche, qualitativ verbesserte und speditive Beurteilung der Leistungsgesuche. Der Bundesrat erhofft sich auch, dass dadurch das starke Wachstum insbesondere im Bereich der Rentenausgaben abgebremst werden kann.

Das Einsparungspotenzial ist allerdings nicht schätzbar. Die Massnahme kann für IV-Stellen zur Folge haben, dass die medizinische Beurteilung der Versichertenakten künftig zumindest teilweise ausser Haus erfolgt. Der dadurch bedingte organisatorische Mehraufwand kann jedoch durch eine optimale Logistik und den Einsatz von EDV minimiert werden. Im Vergleich zu heute ist nach einer groben Schätzung mit jährlichen Mehrausgaben von ca. 20 Millionen Franken zu Lasten der Versicherung zu rechnen. Langfristig dürfte die Massnahme eine Eindämmung des Ausgabenwachstsum im Bereich der IV-Renten zur Folge haben.

2.4.2

Jährliche Geschäftsprüfungen

Nach Artikel 64 Absatz 1 IVG vollziehen die IV-Stellen ­ und neu auch die ärztlichen Dienste (vgl. Ziff. 2.4.1) ­ das IV-Gesetz unter Aufsicht des Bundes. Diese wird durch das Departement oder in dessen Auftrag durch das BSV ausgeübt (Art. 92 Abs. 1 IVV). Gemäss heutigem Wortlaut des IVG ist die Geschäftsführung der IV-Stellen vom BSV periodisch zu überprüfen (Art. 64 Abs. 2 IVG).

Die heutige Aufsicht des Bundes über die IV-Stellen, welche in der Praxis durch das BSV ausgeübt wird, beinhaltet einerseits eine fachliche und anderseits eine administrative und finanzielle Aufsicht. Gegenstand der fachlichen Aufsicht (Art. 92 IVV) ist die Aufsicht über die einheitliche und korrekte Rechtsanwendung auf gesamtschweizerischer Ebene. Zu diesem Zweck erlässt das BSV Weisungen im Allgemeinen oder auch im Einzelfall, stellt die Schulung des Fachpersonals der IV-Stellen sicher, überprüft periodisch die Geschäftsführung der IV-Stellen und nimmt jährlich die Berichte der IV-Stellen über ihre Geschäftsprüfung ab. Die administrative und finanzielle Aufsicht ihrerseits (Art. 92bis IVV) ist unterteilt in eine allgemeine Auf3259

sicht (Genehmigung der Reglemente und der Organisation der IV-Stellen, des Stellenplanes mit der Endeinstufung des Personals) und eine besondere Aufsicht (Überprüfung und Genehmigung des Voranschlages der IV-Stellen, Genehmigung der Kostenaufstellung).

Die Geschäftsprüfungen, welche auch als Revisionen bezeichnet werden, dienen in erster Linie der Ausübung der fachlichen Aufsicht. Das BSV prüft insbesondere, ob in den einzelnen IV-Stellen bei der Behandlung der Leistungsgesuche die Anspruchsvoraussetzungen vorschriftsgemäss geprüft, die Entscheide auf Grund der gesetzlichen Vorschriften getroffen und die Verfahrensvorschriften eingehalten werden. In vielen Fällen handelt es sich um Ermessensentscheide. Dort ist es Aufgabe des BSV darüber zu wachen, dass sich die Entscheide der IV-Stellen innerhalb des vorhandenen Ermessensspielraums bewegen und nicht darüber hinausgehen. Werden Mängel festgestellt, so weist das BSV darauf hin und verpflichtet die betroffene IV-Stelle, diese zu beheben.

Bis Ende 1999 erfolgten die Geschäftsprüfungen bei den IV-Stellen in der Regel im Abstand von fünf Jahren; seit Anfang 2000 werden sie im Abstand von drei Jahren durchgeführt. Es gibt gute Gründe, diesen Abstand zu verkürzen. Die Vornahme von Revisionen in kürzeren Abständen würde es dem BSV als Aufsichtsorgan erlauben, Mängel und Unklarheiten bei den IV-Stellen bereits in einem frühen Stadium zu entdecken und zu beseitigen. Häufigere Revisionen dienen auch dazu, die heute zum Teil unterschiedliche Rechtsanwendung in den verschiedenen Kantonen bestmöglich zu vereinheitlichen. Der Bundesrat schlägt vor, in Zukunft bei sämtlichen IV-Stellen jährlich eine Revision durchzuführen. Die Massnahme ist allerdings nur mit einem deutlich höheren Personalbestand im BSV zu bewerkstelligen (vgl. Ziff. 5.2).

Die Folge dieser verstärkten Aufsicht des Bundes ist eine bessere Gewähr für rechtlich einwandfreie und gesamtschweizerisch einheitliche Entscheide. Die Massnahme soll mittelfristig dazu beitragen, die Ausgaben der Versicherung für individuelle Leistungen (insbesondere die IV-Renten) besser in den Griff zu bekommen.

2.5

Verbesserung und Vereinfachung der Struktur und des Verfahrens der IV

2.5.1

Allgemeines

Im Jahr 1994 wurde der Bundesrat in einer Motion aufgefordert, den eidgenössischen Räten baldmöglichst Massnahmen vorzuschlagen, die das System der IV im Allgemeinen und die administrativen Abläufe im Besonderen radikal vereinfachen, die stark divergierende Anwendung der IV in den Kantonen vereinheitlichen und den Vollzug straffen (vgl. hierzu Ziff. 1.1.5). In der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149) kündigte der Bundesrat für den zweiten Teil der Revision eine klare gesetzliche Regelung der rechtlichen Stellung der IV an. Anzustreben seien eine einfache, zweckmässige Struktur der Versicherung, Vereinfachungen beim Verfahren und die Nutzung von Synergien mit anderen Sozialversicherungen.

Es muss das Ziel jeder Sozialversicherung sein, laufend nach Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf das Verfahren und die Struktur zu suchen. Dies ist auch ein prioritäres Anliegen der IV. Strukturelle Optimierungen oder Vereinfachungen beim Verfahren erfordern indessen nicht immer eine Änderung der gesetzlichen Grund3260

lagen. Vielmehr ist bei jeder Verbesserung zu prüfen, ob hierfür eine Änderung des Gesetzes erforderlich ist oder ob eine Änderung der Verordnungsbestimmungen oder der entsprechenden Verwaltungspraxis genügt.

Die nachstehend aufgeführten Massnahmen zur Optimierung und Vereinheitlichung des Verfahrens sowie zur verbesserten Koordination der IV mit anderen Sozialversicherungszweigen sollen im Rahmen der 4. IV-Revision realisiert werden.

2.5.2

Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten

Das BSV schliesst mit der Ärzteschaft, den Berufsverbänden der Medizinalpersonen und der medizinischen Hilfspersonen, den Einrichtungen, die Eingliederungsmassnahmen durchführen, sowie den Abgabestellen für Hilfsmittel Tarifverträge ab (Art. 27 Abs. 1 IVG). Durch die Aufnahme einer entsprechenden Vertragsklausel können die Parteien eine paritätische Kommission zur Schlichtung und/oder ein Schiedsgericht zur Entscheidung von Streitigkeiten vorsehen. Heute fehlen jedoch in den meisten Tarifverträgen solche Klauseln, sodass das Vorgehen bei Konflikten ungeklärt ist. In der Kranken-, der Unfall- und der Militärversicherung sind ­ im Gegensatz zur Invalidenversicherung ­ die Zuständigkeit und das Verfahren solcher Schiedsgerichte ausführlich im Gesetz geregelt. Die betreffenden Bestimmungen sehen hierfür die Zuständigkeit eines kantonalen Schiedsgerichts vor, welches sich aus einem neutralen Vorsitz und je einer Vertretung der Parteien zusammensetzt. Im Übrigen bezeichnet der Kanton das Schiedsgericht und regelt das Verfahren.

Durch eine ausdrückliche Regelung der Schiedsgerichtsbarkeit im Invalidenversicherungsgesetz würde weder der Invalidenversicherung noch deren Vertragspartnern und -partnerinnen ein Nachteil erwachsen. Im Gegenteil würde eine gesetzliche Regelung massgebend zur Rechtssicherheit beitragen, da die konkrete Ausgestaltung eines Schiedsgerichtsverfahrens nicht mehr den Parteien überlassen würde. Die Schaffung neuer Instanzen ist nicht notwendig; es könnten die bereits für die Kranken-, Unfall- und Militärversicherung bestehenden Schiedsgerichte tätig werden, in denen die Invalidenversicherung ebenfalls vertreten wäre. Eine Harmonisierung insbesondere mit der Unfall- und der Militärversicherungsgesetzgebung wäre auch deshalb wünschenswert, weil die Invalidenversicherung Tarifverträge im Bereich der medizinischen Massnahmen zusammen mit der Unfall- und der Militärversicherung abschliesst. Die Schiedsgerichtsbarkeit wäre für alle drei Versicherungen einheitlich geregelt, und die Invalidenversicherung müsste keine vertraglichen Sonderregelungen vorsehen.

Die vorgeschlagene Formulierung von Artikel 27bis hindert die betroffenen Kantone nicht daran, im Sonderfall, in welchem die Leistungserbringerinnen interkantonale öffentlich-rechtliche Anstalten sind, ein interkantonales Schiedsgericht
zur Behandlung der Streitigkeiten zwischen diesen und der IV einzurichten.

Die Kosten des zusätzlichen Aufwandes der Schiedsgerichte sollen ­ analog zur Unfall- und zur Militärversicherung ­ durch die Kantone getragen werden.

3261

2.5.3

Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen

Zwischen der IV, der Arbeitslosenversicherung (nachstehend ALV) und der Sozialhilfe bestehen in der Anwendung zahlreiche Berührungspunkte: Bezügerinnen und Bezüger von Taggeldern der ALV, welche während der Arbeitslosigkeit einen Gesundheitsschaden erleiden, der sie ganz oder teilweise in ihrer Erwerbsfähigkeit einschränkt, können sich zum Bezug von Leistungen der IV anmelden. Die zuständigen IV-Stellen führen medizinische und wirtschaftliche Abklärungen durch. Dabei dauert es oft längere Zeit, bis über das Vorliegen einer Invalidität entschieden werden kann. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass einkommensschwächere Personen in finanzielle Notlagen geraten und sich an die Sozialhilfe wenden, welche vorschussweise Zahlungen erbringt.

Die Gründe für eine (teilweise oder vollständige) Erwerbslosigkeit können unterschiedlicher Natur sein und je nach Situation auch zusammenwirken. In Betracht fallen gesundheitliche Beeinträchtigungen, die jeweiligen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt oder auch persönliche Gründe (z.B. Ausbildung, Alter, Nationalität, Probleme am Arbeitsplatz, Sucht usw.). Die Zahl der Personen, bei welchen die Ursachen für die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nicht von vornherein klar eruiert werden können, nimmt zu. Je nach Situation ist die IV, die ALV oder der Kanton (Sozialhilfe oder weitere spezialisierte kantonale Stellen) zuständig. Dabei kann es vorkommen, dass Betroffene von einer Stelle zur anderen geschickt werden.

Die Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der ALV und kantonalen Durchführungsstellen, die für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständig sind, soll nun verbessert werden. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, teilweise oder ganz erwerbslose Personen, die sich bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug angemeldet haben und deren Erwerbsfähigkeit untersucht wird, möglichst rasch wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Diese sollen umgehend die für sie geeigneten Massnahmen der ALV (arbeitsmarktliche Massnahmen), der IV (Eingliederungsmassnahmen) oder allenfalls kantonale Integrationsmassnahmen63 erhalten.

Besteht weder ein Anspruch auf Leistungen der ALV noch ein solcher auf Leistungen der IV, so hat die Kostenübernahme durch den Kanton zu erfolgen. Die Übernahme der Kosten gegenüber den Trägerinnen und Trägern der verschiedenen Eingliederungsmassnahmen64 richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die 63

64

Die möglichen kantonalen Integrationsmassnahmen sind je nach Kanton sehr unterschiedlich. In Betracht fallen Integrationsmassnahmen im Rahmen von Gesetzen zur kantonalen Arbeitshilfe, spezieller kantonaler Gesetze zur Eingliederung oder von Sozialhilfegesetzen.

Die Trägerinnen und Träger von Eingliederungsmassnahmen der ALV sind in Art. 14 Abs. 5bis, 62 Abs. 1 und 72 AVIG (SR 837.0) erwähnt (vgl. Art. 89 AVIV; SR 837.02): öffentliche oder private, nicht auf Gewinn ausgerichtete Institutionen zur Arbeitsbeschaffung oder Wiedereingliederung ins Erwerbsleben; Unternehmen und Verwaltungen, welche Beschäftigungsprogramme im Rahmen von Berufspraktika durchführen; Organisationen der Arbeitgeber/innen und der Arbeitnehmer/innen, gemeinsame Einrichtungen der Sozialpartner, Kantone, Gemeinden sowie andere öffentliche oder private Institutionen. Unter den Trägern der Eingliederungsmassnahmen der IV werden die öffentlichen und gemeinnützigen privaten Einrichtungen, die in wesentlichem Umfang Eingliederungsmassnahmen der IV durchführen, verstanden (vgl. Art. 73 Abs. 1 IVG).

3262

Verfügungskompetenz liegt auch weiterhin bei den erwähnten Durchführungsorganen der IV, der ALV bzw. der Kantone.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen65 hält das Gesetz klar fest, dass das Personal der IV-Stellen und der Durchführungsorgane der ALV (Regionale Arbeitsvermittlungszentren und Arbeitslosenkassen) untereinander von der Schweigepflicht entbunden ist. Die Schweigepflicht entfällt auch gegenüber den für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen, soweit diese den IV-Stellen und den Durchführungsorganen der ALV Gegenrecht gewähren. Gegenüber Dritten besteht die Schweigepflicht nach wie vor.

Damit das Ziel der verbesserten Zusammenarbeit auch praktisch umgesetzt wird, soll der Bundesrat auf Verordnungsebene die nötigen Bestimmungen in Bezug auf eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organen erlassen.

Auch die Botschaft zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz enthält eine neue Gesetzesbestimmung, welche die Förderung der interkantonalen und interinstitutionellen Zusammenarbeit zum Ziel hat (vgl. Botschaft zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG] vom ... 2001, BBl 2001 ...). Die Absätze 3 und 4 des vorgesehenen Artikels 85e AVIG regeln die Zusammenarbeit zwischen den IV-Stellen und den Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung analog.

Eine verbesserte Koordination zwischen IV, ALV und den Kantonen liegt im Interesse aller Beteiligten. Dadurch könnte das Risiko einer sozialen Ausgrenzung erwerbsunfähiger Personen erheblich verringert werden. Mit der gegenseitigen Entbindung von der Schweigepflicht der Durchführungsorgane können zudem unnötige Verfahrensverzögerungen vermieden werden.

2.6

Weitere Massnahmen

2.6.1

Präzisierung des Invaliditätsbegriffs

Im geltenden Invaliditätsbegriff von Artikel 4 IVG werden als Ursachen einer voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit ausdrücklich körperliche und geistige Gesundheitsschäden erwähnt. Die psychischen Gesundheitsschäden werden gemäss ständiger Rechtsprechung den geistigen Gesundheitsschäden im weiteren Sinne zugeordnet. Obwohl somit im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, werden heute auch die psychischen Gesundheitsschäden als mögliche Invaliditätsursachen anerkannt.

Die Behindertenkreise sehen in dieser Praxis eine ungerechtfertigte Benachteiligung von psychisch kranken Menschen. Sie wünschen, dass die psychischen Gesundheitsschäden vom Gesetz als gleichwertige Krankheitskategorie anerkannt und neben den körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden explizit erwähnt werden. Dieses Anliegen ist berechtigt, stellen doch geistige und psychische Gesundheitsschäden völlig unterschiedliche Schädigungen dar: Als geistige Gesundheitsschäden im engeren Sinne gelten mangelnde intellektuelle Entwicklungen durch angeborene oder erworbene Schädigungen (z.B. Schwachsinn, Geistesschwäche). Demgegen65

Vgl. hierzu das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und kantonale Datenschutzgesetze.

3263

über spricht man bei emotionalen oder kognitiven (Wahrnehmungs-)Störungen von psychischen Gesundheitsschäden (z.B. Schizophrenie, Depression, Persönlichkeitsstörungen).

Bezüglich des Invaliditätsbegriffs verweist das IVG neu auf Artikel 8 ATSG (vgl.

Art. 4 Abs. 1 IVG). Die ausdrückliche Anerkennung der psychischen Gesundheitsschäden als ­ genauso wie die körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden ­ mögliche Ursache der Invalidität ist von grundlegender Bedeutung und soll deshalb im gesamten Sozialversicherungsrecht umgesetzt werden. Dies bedingt insbesondere auch eine Änderung des ATSG (vgl. hierzu Ziff. 1.2.4 und Ziff. 4.4).

Mit der ausdrücklichen Nennung der psychischen Gesundheitsschäden auf Gesetzesebene wird der gelebten Verwaltungs- und Gerichtspraxis Rechnung getragen. Der geltende Invaliditätsbegriff wird dadurch nicht ausgeweitet. Eine Definition der psychischen Gesundheitsschäden braucht hingegen nicht ins Gesetz aufgenommen zu werden. Genau wie bei den geistigen und körperlichen Gesundheitsschäden gilt für die psychischen Gesundheitsschäden, dass sie invalidisierend sein bzw. die Erwerbsfähigkeit langzeitig beeinträchtigen müssen.

2.6.2

Einführung einer gesetzlichen Grundlage für selbstamortisierende Darlehen

Die IV gibt Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung zu Eigentum oder leihweise an Versicherte ab (Art. 21 Abs. 3 IVG). Kostspielige Hilfsmittel, die ihrer Art nach auch für andere Versicherte Verwendung finden können, werden grundsätzlich leihweise abgegeben. Alle übrigen Hilfsmittel erhalten die Versicherten zu Eigentum (vgl. Art. 3 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung [HVI], SR 831.232.51). Fallen die Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von Hilfsmitteln dahin, so nimmt die IV leihweise abgegebene Hilfsmittel in der Regel zurück und lagert diese bis zur Weiterverwendung in IV-eigenen Depots.

Bei bestimmten kostspieligen Hilfsmitteln ist eine Rücknahme durch die IV mit anschliessender Lagerung in IV-Depots zwecks erneuter Abgabe nicht möglich. Diese Situation liegt insbesondere bei teuren Geräten oder Einrichtungen vor, welche zur Berufsausübung an Versicherte mit Landwirtschafts- oder Gewerbebetrieben abgegeben werden (z.B. Entmistungsanlagen, Rohrmelkanlagen usw.). Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Versicherten selbstständigerwerbend sind oder nicht. Da diese Einrichtungen auf die individuellen Betriebsverhältnisse zugeschnitten sind, ist eine Wiederverwendung durch andere Versicherte praktisch unmöglich. Es käme jedoch einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Betroffenen gleich, wenn diese ihre teuren, von der IV mitfinanzierten Einrichtungen auch bei Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen ohne finanzielle Folgen weiter behalten könnten. Zur Lösung dieser Problematik wurde in den letzten Jahren eine spezielle Abgabeform entwickelt: Bei Versicherten mit Landwirtschafts- und Gewerbebetrieben, welche zur Berufsausübung wegen der Invalidität einen Anspruch auf kostspielige Geräte oder Einrichtungen haben, übernimmt die IV die invaliditätsbedingten Investitionen in Form der Gewährung selbstamortisierender Darlehen. Die Geräte und Einrichtungen werden durch die Versicherten angeschafft. Die IV gewährt ein Darlehen zur Abgeltung der invaliditätsbedingten Mehrkosten. Die Darlehenssumme verringert sich jährlich, je nach Abschreibungsdauer der Investitionen. Fallen die Anspruchsvoraussetzungen 3264

vor Ablauf der Abschreibungsdauer dahin, so ist die versicherte Person gegenüber der IV zur Rückzahlung der Restschuld verpflichtet.

Im Rahmen der vorliegenden Revision soll die gesetzliche Grundlage für diese besondere Form der Hilfsmittelabgabe geschaffen werden. Da selbstamortisierende Darlehen bereits heute unter dem Titel «Hilfsmittel» ausgerichtet werden, führt diese Massnahme zu keinen Mehrausgaben.

2.6.3

Gesamtschweizerische Informationsarbeit

Wie die AHV muss auch die IV kontinuierlich über ihre Versicherungsbedingungen und Leistungen informieren, damit allfällige Ansprüche geltend gemacht werden können. Gemäss Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe f IVG obliegt diese Informationsarbeit jeder einzelnen IV-Stelle. Die entsprechenden Kosten werden von der Versicherung vergütet. Es zeigt sich zunehmend, dass die kantonal zu leistende Information der Versicherten nicht alle Informationsbedürfnisse abdeckt. In einer Eidgenössischen Versicherung gibt es Bereiche, in denen eine gesamtschweizerische, durch den Bund durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit sinnvoller und effizienter ist als einzelne Informationen auf kantonaler Ebene. Im Weiteren gewinnt eine breit angelegte Information, die sich nicht wie bisher lediglich direkt an die Versicherten richtet, sondern die auch verschiedenste mit Behindertenfragen und IV-spezifischen Problemen konfrontierte Personen, Behörden, Stellen, Arbeitgeberinnen und -geber usw.

zu erreichen versucht, zunehmend an Bedeutung.

Eine gesamtschweizerische Information wäre insbesondere im Hinblick auf die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten behinderter Menschen vonnöten. Bereits heute fördert die IV mit verschiedenen Mitteln die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Den IV-Stellen obliegen die Abklärung der Eingliederungsfähigkeit versicherter Personen, die Berufsberatung, die Arbeitsvermittlung (Art. 57 Abs. 1 Bst. b IVG) sowie die Bestimmung und die Überwachung von Eingliederungsmassnahmen (Art. 57 Abs. 1 Bst. c IVG). Gestützt auf Artikel 21 Absatz 1 IVG und Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) i.V.m. Ziffer 13 des Anhangs zur HVI (SR 831.232.51) können Arbeitsplätze für Personen mit Behinderungen abgeändert und auf die jeweiligen Verhältnisse angepasst werden. Während Anlernzeiten in vermittelten Arbeitsstellen besteht die Möglichkeit der befristeten Weitergewährung des Taggeldes (Art. 20 IVV). Damit diese Leistungen der IV ihre Wirkung entfalten können, ist in erster Linie eine entsprechende Sensibilisierung der Arbeitgeberschaft unerlässlich. Mit mehr und besserer Information können Unwissen, Bedenken und Unsicherheiten der Arbeitgebenden, der Behinderten sowie der Arbeitskolleginnen und -kollegen im Hinblick auf eine mögliche
Beschäftigung ausgeräumt werden.

Behinderte werden nämlich heute oft entlassen bzw. nicht angestellt, weil die Arbeitgebenden über die Leistungen an die Versicherten zu wenig informiert sind bzw.

sich nicht bewusst sind, dass diese individuellen Leistungen indirekt auch ihnen zugute kommen. Mit gezielten Informationen würde somit ein wichtiger Beitrag zur erfolgreichen Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt geleistet.

Weiter könnte das festgestellte Informationsdefizit der behandelnden Ärztinnen und Ärzte in theoretischen und anwendungsbezogenen Fragen des Versicherungsrechts mit gezielten Informationen über die Feststellung und Bemessung der Invalidität in 3265

der IV angegangen werden (vgl. hierzu Ziff. 1.1.4.2.4). Eine gesamtschweizerische Information wäre auch sinnvoll als begleitende Massnahme von Gesetzgebungsprojekten. Ganz allgemein könnte mit Informationen über die Abgrenzung der IV von anderen Sozialversicherungen bzw. von der Sozialhilfe oder über die Funktion der IV auf gesamtschweizerischer Ebene viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Denkbar wären in diesem Zusammenhang beispielsweise auch aus der Sicht der IV notwendige und gezielte Schulungen bestimmter Berufsgruppen.

Diese Art von Informationsarbeit auf gesamtschweizerischer Ebene soll mehrheitlich mit bundesexternen Ressourcen realisiert werden. Um dies mit finanziellen Mitteln der Versicherung zu ermöglichen, ist eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage notwendig.

2.6.4

Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen: Erwähnung des Aufgabenbereichs im Gesetz

Auf Grund des Gesetzes besteht Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der IV, soweit diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern (Art. 8 Abs. 1 IVG). Der neu im gesamten Sozialversicherungsrecht anwendbare Invaliditätsbegriff des ATSG, auf welchen das IVG ausdrücklich verweist (vgl. insbes. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 IVG) stellt die Unmöglichkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, der Erwerbsunfähigkeit gleich (vgl. Art. 8 Abs. 3 ATSG). In der Rechtsprechung des EVG wird der Begriff der Erwerbsfähigkeit in Artikel 8 Absatz 1 IVG in einem weiten Sinne verstanden; er erfasst gegebenenfalls auch die Eingliederung in den bisherigen Aufgabenbereich (BGE 108 V 210 Erw. 1c). Ferner ist die Eingliederung einer vor Eintritt der Invalidität erwerbstätig gewesenen Person in eine nicht auf Erwerb gerichtete Tätigkeit nicht von vornherein ausgeschlossen, sofern ein angemessenes Verhältnis zwischen den Kosten und dem praktischen Nutzen der Massnahme besteht. Somit steht der Zusprache von Eingliederungsmassnahmen (z.B. eines Hilfsmittels) an eine Person, die für die Invaliditätsschätzung als erwerbstätig behandelt worden ist, zur Eingliederung im Haushalt nichts entgegen.

Die Zusprechung einer Eingliederungsmassnahme setzt im Übrigen nicht voraus, dass die Massnahme den für den Rentenanspruch massgebenden Invaliditätsgrad beeinflusst. Diese weite Auslegung von Artikel 8 IVG ist in den geltenden Verwaltungsweisungen66 vollumfänglich berücksichtigt und wird in der Praxis bei der Prüfung und Zusprache von Eingliederungsmassnahmen umgesetzt.

Im Sinne einer vermehrten Klarheit sowie der Gleichbehandlung erwerbstätiger und nicht erwerbstätiger Versicherter auf Stufe des Gesetzes ist es angezeigt, nicht nur bei der Umschreibung der Invalidität in Sonderfällen (vgl. Art. 5 Abs. 1 IVG i.V.m.

Art. 8 Abs. 3 ATSG), sondern auch in sämtlichen Bestimmungen des IVG, welche Ansprüche auf Eingliederungsmassnahmen regeln, die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, explizit neben der Erwerbsfähigkeit aufzuführen.

66

Vgl. Kreisschreiben über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art (KSBE), gültig ab 1. Januar 2000, insbes. Rz 2001, 3002, 4001; Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME), gültig ab 1. Januar 1994 (mit Nachträgen), insbes. Rz 33; Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (KHMI), gültig ab 1. Februar 2000, insbes. Rz 1016, 1018 ff., 1024. Vertrieb: BBL/EDMZ, 3003 Bern, www.admin.ch/edmz.

3266

Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung wird u.a. auch einer der Forderungen einer vor wenigen Jahren durchgeführten Nationalfondsstudie zum Thema «Rollenfixierung in der Invalidenversicherung» Rechnung getragen67. Dabei handelt es sich um eine rein formale Gesetzesänderung, welche keine Leistungsausweitung zur Folge hat.

2.6.5

Regelung der Invaliditätsbemessungsmethoden für nicht erwerbstätige und teilerwerbstätige Personen auf Gesetzesebene

Artikel 28 Absatz 2 IVG verweist für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten neu auf Artikel 16 ATSG. Diese seit dem Bestehen des IVG geltende allgemeine Methode zur Festsetzung des Invaliditätsgrades wird als Einkommensvergleich bezeichnet. Sie kommt grundsätzlich bei allen Versicherten zur Anwendung, die vor Eintritt der Invalidität erwerbstätig waren, sowie bei Versicherten, die zwar vor Eintritt der Invalidität nicht erwerbstätig waren, denen aber die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zugemutet werden könnte. Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entscheides der IV-Stelle. Bei nicht erwerbstätigen Versicherten wird für die Bemessung der Invalidität darauf abgestellt, in welchem Masse sie behindert sind, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Als Aufgabenbereiche, welche einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt und somit bei der Invaliditätsbemessung berücksichtigt werden können, nennt die Verordnung die Haushaltsarbeit (mit Einbezug der Kindererziehung) sowie die Tätigkeit in einer klösterlichen Gemeinschaft (vgl. Art. 27 Abs. 2 IVV). Dieses Vorgehen zur Invaliditätsbemessung wird in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis spezifische Methode oder auch Betätigungsvergleich genannt. Bei Versicherten, welche neben der Haushaltsarbeit eine entlöhnte Teilerwerbstätigkeit oder eine (entlöhnte oder nicht entlöhnte) Tätigkeit im Betrieb des Ehepartners oder der Ehepartnerin ausüben, erfolgt die Bemessung der Invalidität nach der so genannten gemischten Methode: Die Invalidität im Teilbereich der Erwerbstätigkeit bzw. der Tätigkeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin wird auf Grund eines Einkommensvergleichs, jene im Haushalt auf Grund des Betätigungsvergleichs ermittelt. Am Schluss wird der Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in beiden Bereichen bemessen.

Während der Einkommensvergleich auf Gesetzesstufe geregelt ist, befinden sich die anwendbaren Bestimmungen zur Invaliditätsbemessung für Nicht-, Teilerwerbstätige oder Personen, welche im Betrieb des Ehepartners oder der Ehepartnerin mitarbeiten, heute auf Verordnungsebene (vgl. Art. 27 und Art. 27bis Abs. 1 IVV). Die Kompetenz zur Regelung dieser Bemessungsmethoden ist dem Bundesrat delegiert worden. Diese Ungleichbehandlung auf formaler Ebene soll nun beseitigt werden. Neu sollen alle Methoden
zur Invaliditätsbemessung in ihren Grundzügen auf Gesetzesstufe geregelt werden. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung wird zudem einer der Forderungen einer vor wenigen Jahren durchgeführten Nationalfondsstudie zum Thema «Rollenfixierung in der Invalidenversicherung» Rechnung getragen 68.

67

68

NFP 35, Katerina Baumann und Margareta Lauterburg: Frauen in Recht und Gesellschaft, Wege zur Gleichstellung, Forschungsprojekt «Rollenfixierung in der Invalidenversicherung», 1997.

Vgl. Fussnote 67.

3267

2.6.6

Nachtrag zur 10. AHV-Revision: Ausdehnung des Anspruchs auf Hilfsmittel in der AHV auf Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen

Vor Inkrafttreten der 10. AHV-Revision waren sowohl der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung als auch der Anspruch auf Hilfsmittel in der AHV u.a. an die Voraussetzung des Bezugs einer AHV-Rente geknüpft (vgl. Art. 43bis und 43ter des AHVG in der Fassung vor der 10. AHV-Revision). Im Zuge der 10. AHV-Revision, welche am 1. Januar 1997 in Kraft trat, wurden die ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen in das System der Ergänzungsleistungen übergeführt. Damit Personen, welche neu ausschliesslich Ergänzungsleistungen statt eine ausserordentliche Rente beziehen, auch in Zukunft einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV geltend machen können, wurde der Anspruch zum Bezug einer Hilflosenentschädigung ausgedehnt. Seit dem 1. Januar 1997 sind somit auch Ergänzungsleistungsbezügerinnen und -bezüger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz berechtigt, eine Hilflosenentschädigung der AHV zu beziehen.

Eine analoge Anpassung der Anspruchsvoraussetzungen im Bereich der Hilfsmittel der AHV wurde irrtümlicherweise nicht vorgenommen. Dieses Versehen wird nun berichtigt. Demnach soll auch Bezügerinnen und Bezügern von Ergänzungsleistungen ein Anspruch auf Hilfsmittel der AHV zustehen. Die Gesetzesanpassung verursacht keine Mehrausgaben.

2.7

Nicht berücksichtigte Revisionsbegehren

2.7.1

In der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision zur Prüfung angekündigte Massnahmen

In der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 161 f.) waren weitere Massnahmen zur Prüfung angekündigt worden, welche aus den nachstehenden Gründen nicht umgesetzt werden.

Überführung der medizinischen Massnahmen, welche der Wiederherstellung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit dienen, in das Leistungssystem der Krankenversicherung, d.h. Aufhebung von Artikel 12 IVG Eine Verlagerung der Kosten der medizinischen Massnahmen nach Artikel 12 IVG auf die Krankenversicherung würde für die IV eine finanzielle Entlastung von rund 80 Millionen Franken bedeuten. Hiervon würden ca. 51 Millionen Franken auf die obligatorische Krankenversicherung und der Rest auf die Versicherten sowie auf Kantone und Gemeinden überwälzt. Für die Versicherten würde insbesondere durch die in Zukunft notwendige Kostenbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt) eine finanzielle Zusatzbelastung entstehen. Eine Kostenverlagerung von einer nach sozialen Kriterien finanzierten Versicherung zu einer Sozialversicherung, welche mit Kopfprämien finanziert wird, soll vermieden werden. Eine Aufhebung von Artikel 12 IVG ist deshalb abzulehnen.

3268

Überprüfung des Leistungsumfangs der IV bei der Übernahme der medizinischen Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG) Bei einer Harmonisierung der Leistungen der IV bei der medizinischen Behandlung von Geburtsgebrechen mit denjenigen der obligatorischen Krankenversicherung würden sich Einsparungen und Mehrausgaben für die IV etwa die Waage halten. Für die Versicherten würde durch eine solche Harmonisierung allerdings ein Leistungsabbau erfolgen. Eine Überführung der medizinischen Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen in die obligatorische Krankenversicherung ist im heutigen Zeitpunkt nicht denkbar. Auf entsprechende Massnahmen in diesem Bereich wird deshalb verzichtet.

Gesetzliche Regelung der Aufgabenteilung zwischen IV, Bund und Kantonen in den Bereichen Sonderschulung, Werkstätten, Wohnheime und Organisationen der privaten Invaliden- und Altershilfe (Art. 19, 73 und 74 IVG, Art. 101bis AHVG) Die Aufgabenentflechtung und die Neuordnung der Finanzierungsströme sind Bestandteil des Neuen Finanzausgleichs. Massnahmen, welche eine Änderung der Aufgabenteilung zwischen IV, Bund und Kantonen bewirken, müssen auf den Neuen Finanzausgleich abgestimmt sein, dessen Ergebnisse abzuwarten sind. Das Gesetzgebungsprojekt war bis Ende November 1999 in Vernehmlassung. Die Botschaft ist für Ende 2001 angekündigt. Die Entscheide dürften nicht vor dem Jahr 2003 vorliegen (vgl. hierzu Ziff. 8).

Klare gesetzliche Regelung der rechtlichen Stellung der IV; einfache, zweckmässige Struktur der Versicherung, Vereinfachungen beim Verfahren, Nutzung von Synergien mit andern Sozialversicherungszweigen Die vorliegende Revision enthält auch Massnahmen zur Verbesserung der Struktur, des Verfahrens und der Koordination, nämlich die Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten (Ziff. 2.5.2) und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen (vgl. Ziff. 2.5.3), Einige Revisionsmassnahmen, die in der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision noch enthalten waren, sind bereits im Rahmen der Einführung des ATSG umgesetzt worden. Es handelt sich um die Einführung des Einspracheverfahrens in der IV, die Einführung der Eidgenössischen Rekurskommission für kollektive
Leistungen der IV sowie um die rechtlichen Grundlagen für das Erbringen von Vorschussleistungen (vgl. hierzu Ziff. 1.2.4).

In der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision war zudem die Beschränkung des Rückforderungsrechts der Arbeitslosenversicherung (ALV) bei der Verrechnung von Leistungen der IV mit Leistungen der ALV als Revisionsmassnahme vorgeschlagen worden (vgl. Ziff. 247 des erläuternden Berichts und Entwurfes für die Vernehmlassung vom Juni 2000 sowie den darin vorgeschlagenen neuen Abs. 1bis von Art. 95 AVIG). Da einerseits die für die Beurteilung des Revisionsbegehrens notwendigen Schätzungen der Mehrausgaben der Arbeitslosenversicherung im heutigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen und anderseits eine Revision des AVIG bevorsteht, hält es der Bundesrat für sinnvoll, das Anliegen der Beschränkung des Rückforderungsrechts der ALV bei der Verrechnung von Leistungen der IV mit solchen der ALV im Rahmen seiner Botschaft zur 3. AVIG-Revision umfassend zu prüfen und gegebenenfalls vorzuschlagen.

3269

Weitere Massnahmen lassen sich schliesslich ohne Gesetzesänderung realisieren. Zu denken ist hier bspw. an eine allfällige Angleichung der Bestimmungen der ALV an die Drittauszahlungsbestimmungen in der IV (Art. 85bis IVV) sowie die Aufhebung des privilegierten ALV-Taggeldansatzes für invalide Personen, deren Rentenanspruch noch nicht verbindlich von der IV-Stelle festgestellt worden ist (Art. 33 Abs. 3 Bst. b ALVV).

Prüfung steuerrechtlicher und arbeitsmarktlicher Anreizsysteme für Arbeitgebende, welche behinderte Arbeitskräfte beschäftigen Die Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt stellt ein prioritäres Anliegen der IV dar. Sie kann durch verschiedenste Massnahmen gefördert werden. Eine davon stellt die in dieser Revision vorgeschlagene verbesserte Information der betroffenen Kreise (Personen und Stellen, die mit Behindertenfragen und IV-spezifischen Problemen konfrontiert sind, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber usw.) dar (vgl. Ziff. 2.6.3). Eine aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner, der Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK), der Kantone, der Sozialhilfe sowie der Bundesverwaltung zusammengesetzte Arbeitsgruppe prüfte die heute denkbaren Anreizsysteme für die Beschäftigung Behinderter und kam in ihrem Bericht69 zum Schluss, dass innerhalb der Revision auf Massnahmen, welche über die oben erwähnte Informationsarbeit hinausgehen, zu verzichten sei. Bonus/Malus- oder reine Bonussysteme, steuer- oder beitragsrechtliche Anreize tragen nur dann zur vermehrten Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte bei, wenn für die betreffenden Arbeitgebenden die finanziellen Vorteile im Verhältnis zum Mehraufwand bei der Anstellung behinderter Personen überwiegen. Eine solche Wirkung könnte nur mit einem sehr hohen Einsatz finanzieller Mittel erzielt werden. Ein Bonussystem würde die IV bspw. mit mehreren hundert Millionen Franken belasten.

Auf weitergehende IV-finanzierte Anreizsysteme als die erwähnte verbesserte Information soll ­ angesichts der erwartbaren finanziellen Auswirkungen ­ innerhalb dieser Revision verzichtet werden.

Das Anliegen soll jedoch in einem grösseren Rahmen, d.h. im Hinblick auf den Verfassungsauftrag von Artikel 8 Absatz 4 BV vertieft werden. Zu diesem Zweck ist das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (bzw. das seco)
vom Bundesrat beauftragt worden, in Zusammenarbeit mit dem EDI, dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Eidgenössischen Finanzdepartement bis Mitte 2001 einen ergänzenden Bericht über die Notwendigkeit der Einführung von Anreizsystemen für die Anstellung von Personen mit Behinderungen, mit Einschluss einer Analyse im Hinblick auf die gegenwärtigen wirtschaftlichen und strukturellen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes, vorzulegen. Auf der Grundlage dieses Berichtes will der Bundesrat über allfällige zusätzliche gesetzgeberische Massnahmen zuhanden des Parlamentes entscheiden.

69

Dieser Bericht vom 26. März 1999 wurde in französischer Sprache verfasst (Originaltitel: «Mécanismes d'incitation à l'emploi des personnes handicapées. Rapport du groupe de travail ») und kann beim BSV, Sektion Eingliederung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, bezogen werden. Eine kurze Zusammenfassung des Berichts der Arbeitsgruppe ist wiedergegeben in der Zeitschrift Soziale Sicherheit 6/1999, S. 293 f.

(BSV, Benno Schnyder, «Massnahmen zur Förderung der Beschäftigung von behinderten Arbeitskräften»).

3270

Einzelne Massnahmen zu einer verbesserten Eingliederung konnten auf Verordnungs- oder auf der Ebene von Leistungsverträgen realisiert werden. Auf Anfang 2001 in Kraft gesetzt wurde die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung geschützter Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen in der freien Wirtschaft mittels Ausrichtung von IV-Betriebsbeiträgen (vgl. Art. 100 Abs. 1 Bst. a, Art. 101 Abs. 3, Art. 106 Abs. 4 IVV). Eine Ausweitung unterstützender Massnahmen für behinderte Personen am Arbeitsplatz konnte ferner im Rahmen von Leistungsverträgen mit Organisationen der privaten Behindertenhilfe nach Artikel 74 IVG realisiert werden.

Harmonisierung von Leistungsangebot und -struktur zwischen der IV und der AHV im Hilfsmittelbereich Wie im erläuternden Bericht zur Vernehmlassung ausgeführt worden war, sollte in der vorliegenden Revision der Besitzstand für Personen, die bereits im IV-Alter Hilfsmittel der IV bezogen haben, auf Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ausgedehnt werden (vgl. Ziff. 257 des erläuternden Berichts und Entwurfes für die Vernehmlassung vom Juni 2000). Mit Inkrafttreten der Revision der freiwilligen Versicherung stellt sich die Rechtslage nun jedoch anders dar: Eingliederungsmassnahmen der IV werden grundsätzlich so lange gewährt, als eine Person der obligatorischen oder freiwilligen Versicherung unterstellt ist. Um also weiterhin im Ausland Eingliederungsmassnahmen zu erhalten, wäre ein Anschluss an die freiwilige Versicherung nötig. Ein solcher ist unter den neuen Bestimmungen jedoch nur noch in engen Grenzen möglich: Die freiwillige Versicherung steht zwar nicht mehr nur Schweizerinnen und Schweizern, sondern auch Angehörigen von EU-Staaten offen. Neu können jedoch nur noch Personen beitreten, die nicht im Gebiet eines Staates der EU wohnen. Voraussetzung ist zudem, dass diese Personen eine vorbestandene Versicherungszeit von fünf aufeinander folgenden Jahren in der obligatorischen Versicherung aufweisen. Für Personen im IV-Alter erlischt der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen unweigerlich, wenn sie in ein Land ziehen, welches zur EU gehört. Ein Anschluss an die freiwillige Versicherung ist nicht mehr möglich. Eine Besitzstandsgarantie im AHV-Alter würde demnach zu einer Ungleichbehandlung von Personen im AHV-Rentenalter und Personen im IV-Alter
führen.

Im Übrigen kann auf Verordnungsebene harmonisiert werden. Eine teilweise Anpassung der Hilfsmittellisten der AHV und der IV ist möglich und sinnvoll. Grundsätzlich sind jedoch die Unterschiede in der Leistungsstruktur der AHV (i.d.R. Kostenbeitrag, keine Ersatzleistungen, keine Betriebs-, Unterhalts-, Reparatur- und Nebenkosten, kein Gebrauchstraining) gegenüber derjenigen der IV gerechtfertigt, da die AHV ­ im Gegensatz zur IV ­ nicht die berufliche Eingliederung bzw. Eingliederung in den Aufgabenbereich zum Zweck hat.

Erhöhung der Ansätze der IV-Renten für Geburts- und Frühbehinderte Die heutigen Rentenansätze für Personen, die vor Vollendung des 25. Altersjahres invalid wurden (sog. Geburts- und Frühbehinderte) sind sehr tief. Der Anteil der Bezügerinnen und Bezüger von EL in dieser Behindertengruppe ist mit rund 50 Prozent im Vergleich zu den übrigen IV-Rentnerinnen und -Rentnern (23%) ausserordentlich hoch. Eine Erhöhung der Renten hätte bei EL-Bezügerinnen und -Bezügern ­ ohne weitergehende Korrekturen im EL-System ­ eine entsprechende Reduktion oder den Wegfall der EL zur Folge, sodass der insgesamt verfügbare Betrag per Saldo etwa gleich bleiben dürfte. Im Weiteren sollten hohe behinderungsbedingte 3271

Mehrkosten, welche bei selbstständigem Wohnen anfallen, nicht durch Leistungen für Erwerbsersatz (Renten), sondern durch solche für Kostenersatz ausgeglichen werden. Vorhandene finanzielle Mittel sind deshalb gezielt für die Einführung einer Assistenzentschädigung einzusetzen.

Ergreifen konkreter Massnahmen im Bereich des Controlling und der Tarifierung von Versicherungsleistungen. Konsolidierung der Berechtigung und des Vollzugs der Beiträge an Dachorganisationen der privaten Invalidenhilfe (Art. 74 IVG) Ziel sämtlicher dieser Massnahmen ist ein möglichst effizienter und transparenter Einsatz der finanziellen Mittel der IV. Hierfür ist indessen keine Gesetzesänderung notwendig. Im Verlauf der letzten Jahre wurden verschiedene Massnahmen im Hinblick auf eine vermehrte Kostensteuerung eingeleitet. 1998 wurde die Bedarfsplanung für Werkstätten und Wohnheime auf Verordnungsebene eingeführt (Art. 100 Abs. 3 und 106 Abs. 5 IVV; vgl. Ziffer 2.2.2.1). Ab 1998 wurde bei den Werkstätten begonnen, stufenweise ein Controllingsystem einzuführen. Ab dem Jahr 2001 ist eine Qualitätssicherung bei Werkstätten und Wohnheimen obligatorisch anzuwenden. 1999 wurde zudem die stufenweise Einführung eines neuen Beitragssystems bei den Organisationen der privaten Behindertenhilfe eingeleitet. Die rechtlichen Grundlagen für das neue Beitragssystem wurden am 2. Februar 2000 vom Bundesrat verabschiedet und sind am 1. Januar 2001 in Kraft getreten (vgl. Art. 108 ff.

IVV). Sämtliche dieser Massnahmen sind ohne Gesetzesänderung möglich. Für allfällige grundlegende Änderungen ist der Ausgang des Neuen Finanzausgleichs abzuwarten.

Im Übrigen soll mittels einer gezielten Tarifpolitik der Druck auf die Leistungserbringenden im Hilfsmittelbereich erhöht werden. Hierfür genügen die bestehenden gesetzlichen Grundlagen.

2.7.2

Weitere zur Prüfung beantragte Massnahmen

Im Weiteren wird im Rahmen dieser Gesetzesrevision auf die Umsetzung folgender Anliegen, die entweder im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum ersten Teil oder im Rahmen der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision beantragt wurden, verzichtet: Harmonisierung der Geldleistungen der IV und der obligatorischen Unfallversicherung (UV) Im Rahmen der Beratungen des ersten Teils der 4. IV-Revision wurde festgehalten, dass Personen, die infolge eines Unfalls invalid geworden sind, in Bezug auf die Versicherungsleistungen gegenüber krankheitshalber invalid gewordenen Personen besser gestellt seien. Es wurde beantragt, dieses Problem im Rahmen der weiteren Arbeiten zur 4. IV-Revision zu untersuchen und entsprechende Massnahmen zu einer Harmonisierung vorzuschlagen. Die Prüfung der Unterschiede bei den Rentenleistungen der IV und der UV hat ergeben, dass diese in Anbetracht der unterschiedlichen Zielsetzungen dieser beiden Sozialversicherungen ­ Existenzsicherung einerseits, Abdeckung des Lohnausfalls anderseits ­ durchaus gerechtfertigt sind. Die unterschiedlichen Zielsetzungen von IV und UV, das Drei-Säulen-Prinzip70 sowie die

70

Vgl. Ziffer 1.1.1.1

3272

heutigen Finanzierungsstrukturen der beiden Versicherungssysteme71 lassen einen Umbau der IV bzw. der obligatorischen UV im Sinne einer Anpassung oder gegenseitigen Angleichung nicht zu. Eine finanzielle Besserstellung der IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger könnte allenfalls durch Leistungsverbesserungen anderer Versicherungsträger (z.B. Ausbau der beruflichen Vorsorge oder Schaffung neuer Leistungskategorien in der Krankenversicherung) oder durch die Erschliessung anderer Finanzierungsquellen erreicht werden.

Neuregelung des bei der Rentenberechnung anwendbaren Karrierezuschlags Die Bemessung der ordentlichen IV-Rente hängt ­ wie diejenige der AHV-Rente ­ einerseits vom Verhältnis der Beitragsdauer der versicherten Person im Verhältnis zu derjenigen ihres Jahrgangs und anderseits vom massgebenden durchschnittlichen Erwerbseinkommen (unter Berücksichtigung allfälliger Erziehungs- und Betreuungsgutschriften) ab. Erst in zweiter Linie ist der Invaliditätsgrad für die Höhe der IV-Rente bestimmend (Viertels-, halbe oder ganze Rente, vgl. Art. 28 Abs. 1 IVG).

Für die Ermittlung des durchschnittlichen Jahreseinkommens gelten die Regeln der AHV. Bei versicherten Personen, welche vor Vollendung des 45. Altersjahres invalid werden, d.h. den Höhepunkt ihrer Karriere noch nicht erreicht haben, wird in der IV das für die Rentenberechnung massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen je nach Alter um einen prozentualen Zuschlag erhöht72.

Anlässlich der Beratungen zur 4. IV-Revision in einer der vorberatenden parlamentarischen Kommissionen wurde gewünscht, diesen Karrierezuschlag zu überprüfen.

Insbesondere sei im Hinblick auf allfällige Einsparmöglichkeiten zu untersuchen, ob die Altersgrenze von 45 Jahren immer noch zeitgerecht sei. Bei der Überprüfung auf Grund der vorliegenden statistischen Unterlagen73 zeigte sich, dass eine Anpassung des heutigen Karrierezuschlags angezeigt wäre. Heute wird bei Eintritt der Invalidität ein Karrierezuschlag angewendet, der das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen gleich auf die Höhe des Karrieremaximums anhebt. Um dem effektiven Verlauf der beruflichen Karriere gerecht zu werden, müsste jedoch eine regelmässige, altersabhängige Anpassung des Karrierezuschlags erfolgen. Die Prüfung hat weiter gezeigt, dass der Karrierezuschlag einerseits für sämtliche Altersgruppen,
insbesondere für jüngere Versicherte, erheblich erhöht (z.B. für Versicherte unter 22 Jahren auf 150%) und dass anderseits die obere Altersgrenze heraufgesetzt werden müsste (d.h. Versicherte bis zum vollendeten 49. Altersjahr sollten noch einen Karrierezuschlag von 5 Prozent erhalten).

Beide Verbesserungen zusammen könnten kostenneutral vorgenommen werden, da die Mehrkosten einer Anpassung des Karrierezuschlages nach oben (ca. 55 Mio. Fr.)

durch die Einsparungen infolge der regelmässigen, altersabhängigen Anpassung kompensiert würden. Gemäss Verfassungsauftrag sollen jedoch die Renten den Existenzbedarf angemessen decken (Art. 112 Abs. 2 Bst. b BV). Eine regelmässige, 71

72

73

Die Finanzierung der IV erfolgt über Beiträge der Versicherten und der öffentlichen Hand, jene der Berufsunfallversicherung ausschliesslich über die Arbeitgeberschaft. Die Prämien der Nichtberufsunfallversicherung gehen zu Lasten des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin.

Bei Eintritt der Invalidität unter 23 Jahren wird das durchschnittliche Jahreseinkommen bspw. um 100 Prozent, ab 23 Jahren um 90 Prozent und ab 24 Jahren um 80 Prozent erhöht. Zwischen 32 und 34 Jahren beträgt die Erhöhung nur noch 20 Prozent, zwischen 35 und 38 Jahren 10 Prozent und zwischen 39 und 45 Jahren noch 5 Prozent (vgl. Art. 33 IVV).

AHV-Einkommensstatistik des Jahres 1995.

3273

altersabhängige Anpassung des Karrierezuschlags hätte eine Senkung der Rentenhöhe zur Folge. Eine solche wäre aber ­ insbesondere für jüngere Versicherte mit Familie ­ nicht mehr mit dem Verfassungsauftrag vereinbar, so dass auf eine Anpassung des Systems des Karrierezuschlags zu verzichten ist.

Ausrichtung ausserordentlicher IV-Renten für Geburts- oder Frühbehinderte ins Ausland Die ausserordentlichen Renten werden von Gesetzes wegen nur an in der Schweiz wohnhafte Schweizerinnen und Schweizer ausgerichtet74. Sie sind für jene Personen bestimmt, welche die invaliditätsmässigen Voraussetzungen für eine Rente erfüllen, jedoch nicht während mindestens eines Jahres Beiträge geleistet haben. Voraussetzung ist das Bestehen der ununterbrochenen Versicherteneigenschaft ab Eintritt in die Beitragspflicht. In der IV erfüllen die Geburts- oder Frühbehinderten, die vor Vollendung des 20. Altersjahres75 invalid geworden sind und keine ordentliche IVRente beanspruchen können, diese Voraussetzungen.

Die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) ­ und mit ihr anlässlich der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision zahlreiche weitere Behindertenorganisationen ­ verlangt, dass ausserordentliche Renten für Geburts- oder Frühbehinderte zur Ermöglichung einer vermehrten Mobilität auch ins Ausland ausgerichtet werden. Es sprechen mehrere Gründe gegen einen solchen Rentenexport: Die ausserordentlichen Renten stellen, wie die Ergänzungsleistungen und die Hilflosenentschädigungen, bedarfs- und nicht beitragsabhängige Leistungen dar. Solche Leistungen werden grundsätzlich nur in der Schweiz ausgerichtet. Eine Ausrichtung ausserordentlicher Renten ins Ausland hätte zur Folge, dass auch frühbehinderte Ausländerinnen und Ausländer, welchen auf Grund von staatsvertraglichen Bestimmungen ein Anspruch auf eine ausserordentliche Rente zusteht, bei einem Wegzug ins Ausland ihre Rente ihr Leben lang weiterhin beziehen könnten.

Das Personenverkehrsabkommen mit der EU76 verpflichtet die Schweiz, sämtliche AHV- und IV-Renten, mit Einbezug der ausserordentlichen Renten, ins Ausland auszurichten77. Dies gilt jedoch nur für Renten von Personen, welche erwerbstätig sind oder waren; Personen, die noch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, sind nur in Bezug auf Rechtsansprüche geschützt, die sie von einer erwerbstätigen
Person ableiten. Da es sich bei den ausserordentlichen IV-Renten für Geburts- oder Frühbehinderte um eigenständige Ansprüche handelt, fallen sie somit nicht in den Geltungsbereich der Verordnung bzw. des Abkommens. Dies bedeutet, dass diese Renten bei der heutigen Rechtslage nicht exportiert werden müssen.

Da jedoch ein Ausschluss des Exports ausserordentlicher IV-Renten ins Ausland für die betroffenen Personen erhebliche finanzielle Einbussen mit sich bringt, soll das Anliegen auf Antrag der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission ausserhalb der

74

75 76 77

Auch invalide Ausländerinnen und Ausländer und Staatenlose, die als Kinder die versicherungsmässigen Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen erfüllt haben, können solche Renten beanspruchen (Art. 39 Abs. 3 IVG). Im Übrigen haben Ausländerinnen und Ausländer nur gestützt auf staatsvertragliche Vereinbarungen Anspruch auf ausserordentliche Renten.

Genau genommen muss die Invalidität vor dem 1. Dezember des der Vollendung des 20. Altersjahres folgenden Jahres eingetreten sein (vgl. Art. 40 Abs. 3 IVG).

Damit wirkt die Schweiz bei der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mit.

Ausgenommen von der Exportpflicht ist der Härtefallzuschlag zu den Viertelsrenten (vgl.

Ziff. 2.2.1.2).

3274

4. IV-Revision durch die Verwaltung im Jahr 2002 umfassend geprüft werden (vgl.

Ziff. 1.2.5).

Weitere in der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision eingebrachte Revisionsbegehren Im Weiteren wurden in der Vernehmlassung zur 4. IV-Revision hauptsächlich vier neue Revisionsanliegen eingebracht, welche in dieser Vorlage nicht berücksichtigt sind: Auf die Einführung einer feineren Rentenabstufung bzw. einer Dreiviertelsrente, welche hauptsächlich von Seiten der Behindertenorganisationen sowie der Gewerkschaften und der SPS gefordert wurde, wird vorläufig verzichtet. Es ist bis heute zu wenig nachgewiesen, inwiefern eine feinere Rentenabstufung bzw. die Einführung einer Dreiviertelsrente tatsächlich zur Förderung der Eingliederungsmotivation von Menschen mit Behinderungen beiträgt. Diese Frage soll mittelfristig näher untersucht werden.

Von Behindertenorganisationen und zahlreichen Kantonen wurde die Prüfung einer gesetzlichen Grundlage für die sozialberufliche Rehabilitation gefordert. Der Bundesrat will auf die Übernahme der sozialberuflichen Rehabilitation als individuelle Eingliederungsmassnahme verzichten, weil die IV mit ihren Beiträgen an geschützte Werkstätten und Wohnheime (Art. 73 IVG) und an Sozialberatungsstellen (Art. 74 IVG) sowie ihren individuellen Leistungen im Rahmen der beruflichen Massnahmen bereits einen Teil der sozialberuflichen Rehabilitation finanziert. Im Weiteren sind auch andere Finanzierungsträger (wie z.B. die Krankenversicherung und die Kantone) in diesem Bereich leistungspflichtig78. Eine Übernahme der sozialberuflichen Rehabilitation durch die IV hätte nicht nur eine Kostenverlagerung hin zur IV, sondern vor allem auch eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung der IV infolge zusätzlicher Taggeldzahlungen zur Folge.

Die meisten Behindertenorganisationen und Gewerkschaften forderten eine verstärkte Arbeitsvermittlung und Begleitung am Arbeitsplatz durch die IV. Auch in diesem Bereich soll auf eine Gesetzesänderung verzichtet werden. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen, zusammen mit dem neuen Artikel 68bis IVG, genügen vollauf, um den Forderungen aus der Vernehmlassung gerecht zu werden. Um ihnen mehr Gewicht zu verleihen, ist vorgesehen, sie auf Weisungsebene zu konkretisieren.

Auch auf das Begehren eines grossen Teils der Kantone sowie der Durchführungsstellen der IV,
eine getrennte Verfügungskompentenz der IV-Stellen und der Ausgleichskassen einzuführen, soll nicht eingetreten werden. Aus Gründen der Transparenz und des Rechtsschutzes für die betroffenen behinderten Personen soll die einheitliche Verfügungskompetenz der IV-Stellen beibehalten werden.

Schliesslich weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass das Anliegen einiger Vernehmlassungsteilnehmender, den Personalvorsorgeeinrichtungen gegen IV-Ent78

Ziel der sozialberuflichen Eingliederung ist die Wiederherstellung der beruflichen Eingliederungsfähigkeit. Demgegenüber setzen berufliche Massnahmen der IV erst dann ein, wenn eine Person eingliederungsfähig ist. Der fachliche Inhalt der sozialberuflichen Rehabilitation ist zudem unklar; es existiert keine einheitliche Begriffsdefinition. Bei dieser Situation könnten auch Teilbereiche der Medizin oder Paramedizin wie z.B. Ergotherapie, Sozialpsychiatrie, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik usw., welche von der Kranken- oder Unfallversicherung, den Kantonen oder Gemeinden mitfinanziert werden, als Sozialrehabilitation definiert werden, was zu enormen Kostenverschiebungen führen würde.

3275

scheide ein eigenes Beschwerderecht einzuräumen, mit dem Inkrafttreten des ATSG (vgl. Ziff. 1.2.4) verwirklicht sein wird79.

3

Finanzielle Auswirkungen der Revisionsmassnahmen

3.1

Finanzielle Auswirkungen der Revision auf die IV, die AHV und die EL

3.1.1

Auswirkungen im Durchschnitt der ersten 15 Jahre (mit Übergangseffekten)

Die Aufhebung der Zusatzrente, die Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten sowie die Einführung der Assistenzentschädigung in der IV mit Besitzstand in der AHV stellen Abbau- bzw. Aufbauprozesse dar. Deshalb werden die finanziellen Folgen einerseits mit den Durchschnittswerten der ersten 15 Jahre (vgl. Tabellen in dieser Ziffer) und andererseits mit den Mehrausgaben und Einsparungen ohne Übergangseffekte zusammengestellt (vgl. Tabellen in Ziff. 3.1.2). Die in dieser und der nachfolgenden Ziffer 3.1.2 dargestellten finanziellen Auswirkungen beziehen sich durchwegs auf das Jahr 2003 (voraussichtliches Jahr des Inkrafttretens).

Die Ausgaben für die Zusatzrente in der IV können nur langfristig eingespart werden, da bereits laufende Zusatzrenten auf Grund der Besitzstandsregelung bis zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen weitergewährt werden. Fünf Jahre nach Inkrafttreten werden rund die Hälfte der altrechtlichen Zusatzrenten weggefallen sein, 17 Jahre danach 90 Prozent.

In der AHV hat die Aufhebung der Zusatzrenten der IV ebenfalls Einsparungen zur Folge, da der heute gewährte Besitzstand vom Eintritt ins Rentenalter bis zum Rentenbezug der Ehegattin oder des Ehegatten entfällt80. Ausgehend von einem Bestand von rund 89 Millionen Franken im Jahr 2003 steigt dieser Betrag anfänglich durch die Rentenaltererhöhungen der Frauen an und baut sich nachher ab.

79

80

Nach Art. 49 Abs. 4 ATSG hat ein Versicherungsträger, welcher eine Verfügung erlässt, die die Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, diesem die Verfügung ebenfalls zu eröffnen. Der andere Träger kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person.

Nach Art. 22bis Abs. 1 AHVG (SR 831.10) wird Männern und Frauen, die bis zur Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente eine Zusatzrente der Invalidenversicherung bezogen haben, diese Rente weitergewährt, bis ihr Ehegatte einen Anspruch auf eine Altersrente oder eine Invalidenrente erwirbt.

3276

Finanzielle Auswirkungen der 4. IV-Revision auf die IV, die AHV und die EL im Durchschnitt der ersten 15 Jahre Beträge in Millionen Franken

Basis 2003, zu Preisen von 2001

Massnahmen

IV

AHV

EL

Aufhebung der Zusatzrenten81 Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten Einführung der Assistenzentschädigung Neugestaltung des IV-Taggeldsystems Regionale ärztliche Dienste Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterbildung

­244 ­8

­14 ­

9 4

162 12 19 4

29 ­ ­ ­

­ ­ ­ ­

­55

15

13

Total

Die durch die Aufhebung der Zusatzrenten entstehenden jährlichen Einsparungen in der IV betragen in den ersten 15 Jahren durchschnittlich 244 Millionen Franken. In der AHV reduzieren sich die Ausgaben in diesem Zeitraum um durchschnittlich 14 Millionen Franken pro Jahr. Die Mehrausgaben bei den Ergänzungsleistungen infolge der Aufhebung der Zusatzrenten dürften in diesem Zeitraum rund 9 Millionen Franken betragen.

Die Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten führen zu Einsparungen in der IV von rund 8 Millionen Franken. Bei den Ergänzungsleistungen entstehen dadurch zusätzliche Ausgaben in der halben Höhe.

Die Einführung der Assistenzentschädigung löst Mehrausgaben von 162 Millionen Franken aus. Die Massnahme führt auch zu höheren Besitzstandskosten in der AHV.

Diese dürften in den ersten 15 Jahren durchschnittlich rund 29 Millionen Franken pro Jahr betragen.

Die Neugestaltung des IV-Taggeldsystems wird nur geringe Mehrausgaben von 12 Millionen Franken zur Folge haben. Die Einführung der ärztlichen Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV löst Kosten von 19 Millionen Franken für die IV aus. Für die Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterbildung sind Mehrausgaben von 4 Millionen einzusetzen.

Insgesamt werden die Ausgaben der IV auf Grund der Revision im Durchschnitt der ersten 15 Jahre um 55 Millionen Franken pro Jahr vermindert. Dadurch werden auch die Anteile von Bund und Kantonen bei den Einnahmen der IV-Rechnung entsprechend beeinflusst: Für die IV-Rechnung bleibt nur die halbe Einsparung, also jährlich rund 27 Millionen Franken, wirksam. Bezüglich IV, AHV und EL ergeben sich

81

Die Aufhebung der Zusatzrenten wirkt sich auch auf die Unfall- und die Militärversicherung aus: In der Unfallversicherung ist in den ersten 15 Jahren mit Mehrausgaben von durchschnittlich 18 Millionen Franken im Jahr zu rechnen. In der Militärversicherung sind die Mehrausgaben praktisch vernachlässigbar (vgl. hierzu Ziff. 5.1.3).

3277

für den Bund Nettoeinsparungen von insgesamt 14 Millionen Franken pro Jahr, für die Kantone Mehrausgaben von insgesamt 2 Millionen Franken pro Jahr.

3.1.2

Auswirkungen ohne Übergangseffekte

Finanzielle Auswirkungen der 4. IV-Revision auf die IV, die AHV und die EL ohne Übergangseffekte Beträge in Millionen Franken

Basis 2003, zu Preisen von 2001

Massnahmen

IV

AHV

EL

Aufhebung der Zusatzrenten82 Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten Einführung der Assistenzentschädigung Neugestaltung des IV-Taggeldsystems Regionale ärztliche Dienste Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterbildung

­415

­89

15

­14 162 12 19

­ 63 ­ ­

7 ­ ­ ­

­

­

Total

­232

­26

22

4

Nach Auslaufen sämtlicher Zusatzrenten betragen die Einsparungen 415 Millionen Franken in der IV und 89 Millionen Franken in der AHV. Die in der EL dadurch entstehenden Mehrausgaben belaufen sich langfristig auf 15 Millionen Franken pro Jahr. Die Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten führen zu Einsparungen in der IV von rund 14 Millionen Franken. Bei den Ergänzungsleistungen entstehen dadurch zusätzliche Ausgaben in der halben Höhe.

Langfristig werden die Ausgaben der IV auf Grund der Revision insgesamt um 232 Millionen Franken pro Jahr vermindert.

Für die IV-Rechnung ergeben sich ohne Übergangseffekte Einsparungen von 116 und für die AHV-Rechnung 21 Millionen Franken pro Jahr.

Die finanziellen Folgen der Revision auf die AHV sind also als gering einzustufen.

82

Die Aufhebung der Zusatzrenten wirkt sich auch auf die Unfall- und die Militärversicherung aus: In der Unfallversicherung ist in den ersten 15 Jahren mit Mehrausgaben von durchschnittlich 18 Millionen Franken im Jahr zu rechnen. In der Militärversicherung sind die Mehrausgaben praktisch vernachlässigbar (vgl. hierzu Ziff. 5.1.3).

3278

3.2

Finanzhaushalt der IV

Für die Berechnungen der Finanzhaushalte (vgl. Anhangtabellen 1 und 2) wird für die Bevölkerungsentwicklung das gleiche Szenario A-00-95 «Trend»83 verwendet wie bei der Botschaft zur 11. AHV-Revision (BBl 2000 1865). Für die Neuzugänge und Abgänge des Rentenbestandes werden für alle Jahre die Wahrscheinlickkeiten von 1996 verwendet. Bezüglich der Lohn- und Preisentwicklung entsprechen die Annahmen den neuen Vorgaben bis ins Jahr 2004 der Eidgenössischen Finanzverwaltung für den Voranschlag 2001 und die Finanzplanung 2002­2004. Die weitere Entwicklung entspricht den Vorgaben in der Botschaft zur 11. AHV-Revision.

Für 1999 handelt es sich um die Zahlen aus der Betriebsrechnung der IV.

Die Zahlen ab 2001 sind teuerungsbereinigt, das heisst sie entsprechen dem Preisindex von 2001. Da nur das Realwachstum berücksichtigt wird, bedeutet dies, dass die Ausgaben in den Jahren, in denen keine Rentenerhöhung stattfindet, nur unwesentlich zu- oder sogar abnehmen.

Die Finanzhaushalte gehen von einem Inkrafttreten der 11. AHV-Revision am 1. Januar 2003 aus (gemäss Botschaft). Um dem Übergangseffekt Rechnung zu tragen, sind in der folgenden Tabelle die finanziellen Folgen der einzelnen Revisionspunkte im Rahmen des IV-Finanzhaushalts in den ersten 15 Jahren dargestellt.

Übergangseffekte im Finanzhaushalt der IV Beträge in Millionen Franken

zu Preisen von 2001

Jahr

Zusatzrente

Assistenzentschädigung

Härtefälle

Übrige Revisionspunkte

Total

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

­42 ­97 ­148 ­208 ­243 ­290 ­322 ­373 ­390 ­428 ­439 ­447 ­495 ­498 ­532

162 164 165 176 175 185 184 192 190 199 196 193 208 204 213

0 ­4 ­4 ­5 ­6 ­7 ­7 ­8 ­9 ­9 ­10 ­10 ­11 ­11 ­12

36 35 35 36 36 36 37 38 38 39 39 40 40 41 41

156 99 48 ­1 ­38 ­75 ­109 ­151 ­170 ­200 ­214 ­224 ­258 ­265 ­289

Insgesamt sind in den ersten drei Jahren Mehrkosten von durchschnittlich rund 100 Millionen Franken zu erwarten. Ab dem fünften Jahr werden die Einsparungen bei den Zusatzrenten spürbar.

Entsprechende Beschlüsse zur Sanierung der IV wurden bereits im Rahmen der 11.

AHV-Revision unterbreitet (vgl. BBl 2000 1865; Bundesbeschluss über die Finan83

Bundesamt für Statistik, Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 1995­2050, Bern, 1996

3279

zierung der AHV/IV durch Anhebung der Mehrwertsteuersätze und Bundesgesetz betreffend die Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung). Die Sanierung besteht aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt zu Gunsten der IV und einer weiteren Überweisung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds in die IV (vgl hierzu Ziff. 1.2.3). Die Anhangtabelle 1 zeigt diese Ausgangssituation ohne die Auswirkungen der 4. IV-Revision. Für die Beurteilung des Finanzhaushalts ist der Stand des Kapitalkontos in Prozenten der Ausgaben am aussagekräftigsten. Ende 2007 enthält das Kapitalkonto der IV rund 7 Prozent einer Jahresausgabe. Ab 2008 kann die Mehrwertsteuer um 0,2 Prozentpunkte reduziert werden und der Stand des Kapitalkontos bleibt längerfristig bei rund 7 Prozent der Ausgaben.

Die Anhangtabelle 2 zeigt die Auswirkungen der 4. IV-Revision. Die Einsparungen betragen im Jahr 2015 258 Millionen Franken. Allerdings wirkt sich nur die Hälfte der Einsparungen auf die IV-Rechnung aus, sodass keine weitere Reduktion der Mehrwertsteuer vorgenommen werden kann. Der Stand des Kapitalkontos beträgt Ende 2015 10 Prozent der Jahresausgabe.

4

Besonderer Teil: Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

4.1

Vorbemerkung

Die vorliegende Revision geht davon aus, dass das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 (SR ...; AS ... ;BBl 2000 5041) über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 4. IV-Revision bereits in Kraft ist. Zur Konzeption des ATSG und zum Verhältnis des IVG zum ATSG verweisen wir auf die grundsätzlichen Ausführungen in Ziffer 1.2.4.

Mit der Einführung des ATSG werden auch viele Bestimmungen des IVG geändert.

Diesbezüglich verweisen wir auch auf den Bericht der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK N) vom 26. März 1999 «Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht» (BBl 1999 4523 ff.). In Ziffer 51 des Berichtes der SGK N werden die Hintergründe der Artikel des ATSG erläutert.

Die Reihenfolge und der Inhalt der ATSG-Bestimmungen wurden allerdings nach dem Bericht der nationalrätlichen Kommission noch verschiedentlich angepasst und abgeändert, so dass die Nummerierung der Artikel häufig nicht mehr mit dem nun verabschiedeten ATSG übereinstimmt. In Ziffer 6 des Berichts der SGK N finden sich die Erläuterungen zu den Änderungen der Einzelgesetze infolge Einführung des ATSG. Betreffend den Kommentar zu den Anpassungen des IVG verweisen wir auf Ziffer 68 des Berichts der nationalrätlichen Kommission.

4.2

Änderung des IVG

Art. 1 Abs. 1 Artikel 1 IVG enthält den allgemeinen Grundsatz der Anwendbarkeit der Bestimmungen des ATSG, soweit das IVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht. Bei der Redaktion des ATSG wurde übersehen, dass auch der Bereich der Zusammenarbeit zwischen Organen der Versicherung und Leistungser3280

bringerinnen und -erbringern sowie das Tarifwesen (Art. 27 IVG) vom Geltungsbereich des ATSG auszunehmen ist. Ebenfalls keine Anwendung findet das ATSG auf die mit der Revision vorgesehenen neuen Bestimmungen über das kantonale Schiedsgericht (Art. 27bis IVG).

Art. 5 Abs. 1 Sonderfälle Artikel 5 wird mit der Einführung des ATSG vollständig angepasst.

Im ganzen Sozialversicherungsrecht ­ d.h. im ATSG sowie in den Einzelgesetzen ­ werden nun die psychischen Gesundheitsschäden den körperlichen und geistigen ausdrücklich gleichgestellt (vgl. insbes. Art. 3 Abs. 1, Art. 6, Art. 7 sowie Art. 8 Abs. 2 und 3 ATSG und Erläuterungen in Ziff. 4.4.2; Art. 24 Abs. 1 UVG und Erläuterungen in Ziff. 4.4.5; Art. 4 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 MVG und Erläuterungen in Ziff. 4.4.6).

Erforderlich ist somit auch eine entsprechende Anpassung von Artikel 5 Absatz 1.

Diese Änderung im Wortlaut bewirkt jedoch keine inhaltliche Änderung der betroffenen Bestimmungen des ATSG und der übrigen Sozialversicherungsgesetze. Bereits unter dem geltenden Recht wird der psychische Gesundheitsschaden unter den Oberbegriff der «geistigen Gesundheitsschäden» eingeordnet. Letztere sollen neu eine eigene Kategorie von Gesundheitsschäden bilden; hierunter fallen sämtliche Arten einer mangelhaften intellektuellen Entwicklung durch angeborene oder erworbene Schädigungen. Die bisherige Definition der psychischen Behinderung gilt weiterhin. Darunter ist eine durch endogene oder exogene Faktoren verursachte, chronifizierte emotionale oder kognitive (Wahrnehmungs-)Störung zu verstehen, die sich über längere Zeit oder dauernd manifestiert und sich beruflich oder sozial als zentraler Steuerungs- und Adaptationsdefekt (Schwäche der Steuerungs- oder Anpassungsfähigkeit) auswirkt.

Art. 7

Kürzung und Verweigerung von Leistungen

Artikel 7 wird mit der Einführung des ATSG vollständig angepasst. Die Grundsätze über die Kürzung und die Verweigerung von Leistungen finden sich neu in Artikel 21 ATSG.

Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so kommt Artikel 21 Absatz 4 ATSG zur Anwendung. Das bedeutet, dass nach einem Mahn- und Bedenkzeitverfahren die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden können.

Absatz 1 regelt zunächst die Pflicht versicherter Personen zur Mitwirkung bei der Eingliederung. Der erste Satz entspricht der heutigen Regelung von Artikel 10 Absatz 2 erster Satz. Hinzu kommt neu die Erwähnung des Aufgabenbereichs als Folge der ausdrücklichen Gleichstellung des Erwerbslebens und des Aufgabenbereichs auf Gesetzesebene (vgl. Ziff. 2.6.4 und Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 3). Des Weiteren wird festgelegt, dass dass die Regeln von Artikel 21 Absatz 4 ATSG über die Kürzung und die Verweigerung von Leistungen auch dann gelten, wenn eine Person ihre Mitwirkung bei der Eingliederung in den Aufgabenbereich verweigert hat.

3281

Der Inhalt von Artikel 7 IVG in der Fassung gemäss ATSG wird neu zu Absatz 2.

Der Wortlaut ist anzupassen, da die Hilflosenentschädigungen in die Assistenzentschädigung übergeführt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 42).

Art. 8 Abs. 1, 2, 2bis (neu) und 3 Bst. c

Grundsatz

Mit der neuen Formulierung von Absatz 1 wird die Betätigung im Aufgabenbereich der Erwerbstätigkeit gleichgestellt (vgl. Ziff. 2.6.4). Damit wird die geltende Rechtslage ausdrücklich im Gesetz festgehalten. Die Rechtsprechung des EVG zur Auslegung von Artikel 8 ist weiterhin massgebend.

Auch in Absatz 2 erfolgt die Erwähnung des Aufgabenbereichs. Zudem wird Artikel 20 aus der Aufzählung verschiedener Gesetzesartikel entfernt, da die Pflegebeiträge für Minderjährige aufgehoben und in die Assistenzentschädigung übergeführt werden (vgl. Ziff. 2.3.1).

Die Einfügung von Absatz 2bis erfolgt im Zusammenhang mit der Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c (vgl. Ziff. 2.3.3 und Erläuterungen zu Art. 16). Im Gegensatz zu den übrigen Eingliederungsmassnahmen besteht der Anspruch auf Übernahme der invaliditätsbedingten Mehrkosten unabhängig davon, ob die berufliche Weiterausbildung notwendig ist, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern. Es handelt sich um eine bewusst getroffene Ausnahme vom Grundsatz der «Notwendigkeit» bzw.

«Erforderlichkeit» in Artikel 8 Absatz 1.

In der Aufzählung von Absatz 3 werden infolge Einführung der Assistenzentschädigung die Massnahmen zur Betreuung von hilflosen Versicherten vor dem vollendeten 20. Altersjahr (sog. Pflegebeiträge) nicht mehr erwähnt. Diese werden vollumfänglich durch die neue Assistenzentschädigung ersetzt. Die Assistenzentschädigung für Minderjährige stellt somit künftig keine Eingliederungsmassnahme mehr dar.

Art. 10 Sachüberschrift

Entstehen und Erlöschen des Anspruchs

Mit Einführung des ATSG soll einerseits die Sachüberschrift von Artikel 10 angepasst, anderseits dessen Absatz 2 gestrichen werden.

Da Absatz 1 nicht nur das Entstehen, sondern auch das Erlöschen des Anspruchs regelt, wird die Sachüberschrift wieder erweitert (gleiche Formulierung wie vor Einführung des ATSG).

Art. 12 Abs. 1

Anspruch im Allgemeinen

Die Ergänzung von Absatz 1 ist Folge der Gleichstellung des Erwerbslebens und des Aufgabenbereichs auf Gesetzesebene (vgl. Ziff. 2.6.4 und Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 3).

Art. 14 Abs. 3

Umfang der Massnahmen

Der letzte Satz in Absatz 3 ist zu streichen, da die Hauspflegebeiträge aufgehoben und in die Assistenzentschädigung übergeführt werden (vgl. Ziff. 2.3.1 und Erläuterungen zu Art. 42). In Zukunft können auf Grund von Artikel 14 IVG nur noch die ärztlich angeordneten medizinischen Massnahmen, welche durch qualifiziertes medizinisches Personal zu Hause durchgeführt werden, übernommen werden. Im Übrigen erfolgt im deutschen Text eine redaktionelle Anpassung: Der veraltete Aus3282

druck «in billiger Weise» wird durch die zeitgemässe Formulierung «in angemessener Weise» ersetzt.

Art. 16 Abs. 2 Bst. c

Erstmalige berufliche Ausbildung

Vorab verweisen wir auf die allgemeinen Ausführungen in Ziffer 2.3.3.

Neu im Vergleich zur heutigen Formulierung von Absatz 2 Buchstabe c ist die ausdrückliche Gleichstellung neuer und bisheriger Berufsfelder. Damit erfolgt eine bewusste Ausweitung der Übernahme von invaliditätsbedingten Mehrkosten im Bereich der beruflichen Weiterausbildung und eine Gleichbehandlung der verschiedenen Weiterausbildungen.

Der Anspruch wird auf Gesetzesebene klar eingegrenzt: Die berufliche Weiterausbildung muss (objektiv und subjektiv) geeignet und (sachlich, zeitlich, wirtschaftlich-finanziell und persönlich) angemessen sein. Sie muss dazu dienen, dass die Erwerbsfähigkeit der betroffenen Person länger dauernd verbessert oder erhalten werden kann. Keine Kosten werden übernommen für Weiterausbildungen, die von Behinderteninstitutionen oder ­organisationen nach den Artikeln 73 oder 74 IVG angeboten werden. Es muss sich vielmehr um Weiterbildungsangebote des «freien Marktes» handeln.

Art. 19 Sachüberschrift

Sonderschulung bildungsfähiger Versicherter

Die Sachüberschrift von Artikel 19 erübrigt sich, da Artikel 20 aufgehoben (vgl.

Erläuterungen zu Art. 20) und der Gliederungstitel vor Artikel 19 entsprechend angepasst wird.

Art. 20

Betreuung hilfloser Minderjähriger

Minderjährige Versicherte, welche einen bestimmten, im Gesetz (oder in der Verordnung) umschriebenen Bedarf an Pflege und Betreuung haben, haben in Zukunft Anspruch auf eine Assistenzentschädigung (vgl. Ziff. 2.3.1 und Erläuterungen zu Art. 42). Artikel 20 wird vollumfänglich aufgehoben.

Art. 21 Abs. 2

Anspruch

Die Ergänzung von Absatz 2 ist Folge der Gleichstellung des Erwerbslebens und des Aufgabenbereichs auf Gesetzesebene (vgl. Ziff. 2.6.4). Die Rechtsprechung des EVG zum Anspruch auf Hilfsmittel im Aufgabenbereich ist weiterhin massgebend.

Art. 21bis Abs. 2bis und 3

Ersatzleistungen

In Artikel 21bis sind die Ersatzleistungen für Hilfsmittel der IV erwähnt (Amortisationsbeiträge an ein selbst angeschafftes Hilfsmittel, Dienstleistungen Dritter an Stelle eines Hilfsmittels). Wie diese Ersatzleistungen stellt die Ausrichtung eines selbstamortisierenden Darlehens eine spezielle Form der Hilfsmittelabgabe dar.Artikel 21bis wird demzufolge mit einem Absatz 2bis ergänzt, worin die Voraussetzungen für die Ausrichtung eines selbstamortisierenden Darlehens festgehalten sind. Einzelheiten, wie z.B. die Berechnung des Darlehensbetrages, die jährliche Verringerung der Darlehenssumme, die Rückerstattungspflicht usw. können auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Im Übrigen verweisen wir auf Ziffer 2.6.2.

3283

Art. 22 Abs. 1, 1bis (neu), 1ter (neu), 2 und 2bis (neu)

Anspruch

Vorab verweisen wir auf die allgemeinen Ausführungen in Ziffer 2.3.2.

Die Umschreibung der Voraussetzungen für einen Taggeldanspruch ändert im Vergleich zur geltenden Regelung nicht. Somit bleibt Absatz 1 ­ mit Ausnahme der geschlechtsneutralen Formulierung und dem Verweis auf Artikel 6 ATSG (Definition der Arbeitsunfähigkeit) ­ unverändert.

Nach dem neu eingefügten Absatz 1bis besteht das Taggeld aus der Grundentschädigung und einem allfälligen Kindergeld. Allen Versicherten steht ein Anspruch auf die Grundentschädigung zu.

Anspruch auf ein Kindergeld haben Versicherte mit eigenen Kindern oder mit unentgeltlich zu dauernder Pflege und Erziehung aufgenommenen Pflegekindern, welche die Voraussetzungen nach Absatz 1ter erfüllen. Zur Vermeidung von Verwechslungen mit den kantonalen Kinderzulagen wird der Begriff «Kindergeld» gewählt.

In Absatz 2 erfolgt eine Anpassung infolge des geänderten Rentenalters der Frauen.

Es wird die Formulierung von Artikel 10 Absatz 1 übernommen, da mit dem Erlöschen des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen automatisch auch der Anspruch auf ein Taggeld erlischt.

Neu ist Absatz 2bis. Demnach wird für berufliche Weiterausbildung im bisherigen oder in einem anderen Berufsfeld nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c der Taggeldanspruch vollständig ausgeschlossen (vgl Ziff. 2.3.3 und Erläuterungen zu Art. 16).

Absatz 3 von Artikel 22 bleibt unverändert.

Art. 23

Grundentschädigung

Absatz 1 regelt die Höhe der Grundentschädigung und sieht gleichzeitig eine Minimalgarantie und einen Höchstbetrag vor. Wie heute ist die Bemessungsgrundlage das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person durch die zuletzt ohne gesundheitliche Einschränkung ausgeübte Tätigkeit ­ also vor Eintritt der teilweisen oder vollumfänglichen Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 ­ erzielt hat.

Absatz 2 regelt den Anspruch von Versicherten, die vor der Eingliederung nicht erwerbstätig waren. Unter diese Regelung fallen z.B. Versicherte, die vor der Eingliederung im Haushalt tätig waren. Diese erhalten 30 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Artikel 24 Absatz 1.

Gemäss Absatz 3 ist wie heute dasjenige Einkommen massgebend, von dem AHVund IV-Beiträge erhoben werden. Bei schwankenden Einkommen ist das durchschnittliche Einkommen zu ermitteln. Im Übrigen sind die heutigen Regeln zur Bemessung des massgebenden Einkommens weiterhin anwendbar.

Art. 23bis

Kindergeld

Dadurch, dass das Kindergeld in Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes ausgedrückt ist, wird es mit dessen Anpassung an die Lohnentwicklung ebenfalls automatisch angepasst (vgl. Erläuterungen zu Art. 24).

3284

Art. 23ter­23sexies Diese Artikel werden ersatzlos gestrichen.

Art. 24

Höhe des Taggeldes, Höchst- und Mindestbetrag

Nach Absatz 1 entspricht der Höchstbetrag des Taggeldes dem Höchstbetrag des versicherten Verdienstes im Tag nach Artikel 22 Absatz 1 UVV (SR 832.202). Dieser beträgt seit 1. Januar 2000 293 Franken im Tag. Gemäss Artikel 15 Absatz 3 UVG (SR 832.20) wird der Höchstbetrag des versicherten Verdienstes angepasst, sobald die Voraussetzung, dass in der Regel mindestens 92 Prozent, aber nicht mehr als 96 Prozent der versicherten Arbeitnehmenden zum vollen Verdienst versichert sind, nicht mehr erfüllt ist84. Damit wird der versicherte Verdienst lediglich der Entwicklung der Löhne der Unselbstständigerwerbenden angepasst. Seit 1984 wurde der versicherte Verdienst in der obligatorischen Unfallversicherung dreimal angepasst (1987, 1991 und 2000).

Absatz 2 regelt die Kürzung des Taggeldes. Dieses darf nicht höher sein als das massgebende Erwerbseinkommen nach Artikel 23 Absatz 3. Die untere Grenze für die Kürzung bildet der Mindestansatz von 35 Prozent des Höchstbetrages.

Absatz 3 sieht eine Höchstgrenze des Taggeldes für Versicherte in der erstmaligen beruflichen Ausbildung sowie für Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr, die noch nicht erwerbstätig gewesen sind, vor. Diese erhalten höchstens den Mindestbetrag der Grundentschädigung. Die Einzelheiten werden ­ wie heute ­ auf Verordnungsebene geregelt.

Absatz 4 entspricht dem geltenden Artikel 25bis, welcher die Koordination mit der Unfallversicherung regelt.

Absatz 5 übernimmt inhaltlich die Regelung von Artikel 24 Absatz 3 IVG sowie Artikel 22 IVV.

Art. 24bis

Abzug bei Unterkunft und Verpflegung auf Kosten der Invalidenversicherung

Im geltenden Taggeldsystem werden zusätzlich zum Taggeld diverse Zuschläge ausgerichtet. Neu soll ein höheres Taggeld ausgerichtet werden, von welchem allenfalls ein Abzug gemacht wird.

Nach heutigem Recht (Art. 25) haben Versicherte, die während der Eingliederung selbst für Verpflegung oder Unterkunft aufkommen müssen, unabhängig von ihrem Zivilstand und allfälligen Unterhaltspflichten, Anspruch auf einen Eingliederungszuschlag. Diese Regelung soll beibehalten werden. Vom System her wird nun neu ein Abzug gemacht, wenn nicht die versicherte Person selbst, sondern die IV für diese Kosten aufkommt. Die Höhe des Abzugs ist identisch mit dem bisherigen Eingliederungszuschlag. Das neue System ist ähnlich wie die im ATSG vorgesehene Regelung, welche bei Aufenthalt in einer Heilanstalt zur Anwendung kommt (vgl.

Art. 67 Abs. 1 ATSG).

Art. 24ter und 24quinquies Diese Artikel werden ersatzlos gestrichen.

84

Diese Anpassung ist somit keine direkte Anpassung an die Teuerung.

3285

Art. 25

Beiträge an Sozialversicherungen

Die Formulierung dieses Artikels entspricht grundsätzlich der in der Botschaft zur 11. AHV-Revision (BBl 2000 1865) vorgeschlagenen geänderten Fassung des geltenden Artikels 25ter.

In Absatz 1 wird jedoch statt von «Taggeldern einschliesslich Zuschlägen» nur noch vom Taggeld gesprochen.

Absatz 2 entspricht Absatz 1bis gemäss der Fassung der Botschaft zur 11. AHV-Revision.

Absatz 3 entspricht inhaltlich dem geltenden Artikel 25ter Absatz 2. Die Kompetenz des Bundesrates zur Regelung der Einzelheiten und des Verfahrens ergibt sich bereits aus Artikel 86 Absatz 2 IVG und kann deshalb gestrichen werden.

Art. 25bis­25ter Diese Artikel werden ersatzlos gestrichen.

Art. 26 Abs. 4

Wahl unter Ärzten, Zahnärzten und Apothekern

Für den Entzug der Befugnis zur Behandlung oder zur Arzneimittelabgabe ist bereits heute ein kantonales Schiedsgericht zuständig. Dieses wird neu in Artikel 27bis geregelt. In Absatz 4 kann deshalb auf Artikel 27bis verwiesen werden. Der Ausdruck «Behandlung Versicherter» wird ersetzt durch den gleichbedeutenden Ausdruck «ärztliche Behandlung».

Die Einführung von Artikel 27bis hat zudem zur Folge, dass der Gliederungstitel vor Artikel 26 angepasst wird.

Art. 27 Sachüberschrift und Abs. 2 Zusammenarbeit und Tarife Durch die Einführung der Bestimmungen über ein Schiedsgericht für Tarifstreitigkeiten auf Gesetzesstufe in Artikel 27bis fällt die Möglichkeit einer vertraglichen Bestimmung von paritätischen Kommissionen zur Schlichtung und von Schiedsgerichten zur Entscheidung von Anständen weg. Absatz 2 ist somit aufzuheben.

Entsprechend dem neuen Inhalt von Artikel 27 wird eine neue Sachüberschrift ­ analog zum Gliederungstitel vor Artikel 56 UVG (SR 832.20) ­ gewählt.

Art. 27bis (neu)

Kantonales Schiedsgericht

Die Sachüberschrift dieses Artikels wird analog zu jener in Artikel 89 KVG (SR 832.10) gewählt.

Absatz 1 regelt den Grundsatz, dass Streitigkeiten zwischen der Invalidenversicherung und Leistungserbringerinnen und -erbringern durch das gesetzlich vorgesehene Schiedsgericht entschieden werden sollen. Unter dem Begriff «Leistungserbringer» sind sämtliche in Artikel 27 Absatz 1 erwähnten Personen, Anstalten und Werkstätten, welche Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung durchführen, die Abgabestellen für Hilfsmittel usw. zu verstehen. Der Begriff findet sich insbesondere auch im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Art. 89 KVG; SR 832.10).

3286

Ferner ist die Zuständigkeit des kantonalen Schiedsgerichtes auch für den Entzug der Befugnis zur Behandlung Versicherter oder zur Abgabe von Arzneien aus wichtigen Gründen nach Artikel 26 Absatz 4 gegeben, denn auch hier handelt es sich um Streitigkeiten zwischen der Versicherung und Leistungserbringerinnen und -erbringern. Bereits das geltende Recht erklärt hierfür die kantonalen Schiedsgerichte für zuständig.

Die Absätze 2­7 entsprechen inhaltlich den im KVG (Art. 89; SR 832.10), im UVG (Art. 57; SR 832.20) und im MVG (Art. 27; SR 833.1) enthaltenen Bestimmungen über ein kantonales Schiedsgericht.

Art. 28 Abs. 1bis, 2, 2bis (neu), 2ter (neu) und 3

Massgebende Invalidität

Absatz 1bis ist infolge Aufhebung der Härtefallrenten (vgl. Ziff. 2.2.1.2) aufzuheben.

Absatz 2, welcher bisher die Invaliditätsbemessung von erwerbstätigen Versicherten regelte, soll bei der Einführung des praktisch gleich lautenden Artikels 16 ATSG aufgehoben werden. Da neu auch die Invaliditätsbemessung für nicht und teilerwerbstätige Personen auf Gesetzesstufe geregelt wird (vgl. Abs. 2bis und 2ter), wird in Absatz 2 der Klarheit und Transparenz halber der ausdrückliche Verweis auf Artikel 16 ATSG aufgenommen.

In den Absätzen 2bis und 2ter werden die Grundzüge der Invaliditätsbemessung von nicht oder teilerwerbstätigen Versicherten geregelt. Diese befinden sich heute auf Verordnungsebene (Art. 26bis, Art. 27 Abs. 1 und Art. 27bis Abs. 1 IVV) und sollen aus Gründen der formalen Gleichbehandlung von erwerbs-, teilerwerbs- und nicht erwerbstätigen Personen auf Gesetzesstufe gehoben werden (vgl. Ziff. 2.6.5). Unter nicht erwerbstätigen Versicherten werden die in Artikel 8 Absatz 3 ATSG erwähnten Personen verstanden, die in einem Aufgabenbereich tätig sind (zum Aufgabenbereich vgl. Art. 27 IVV). Bei der Anwendung der verschiedenen Methoden der Invaliditätsbemessung ändert sich im Vergleich zur geltenden Regelung nichts.

Einige Erläuterungen sind in Bezug auf die unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb des Ehepartners oder der Ehepartnerin angebracht: Seit Anfang 2001 wird die unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb bei der Invaliditätsbemessung der Erwerbsarbeit gleichgestellt (vgl. Art. 27bis Abs. 1 IVV). Das bedeutet, dass die Invalidität in diesem Bereich in Zukunft nach dem ausserordentlichen Bemessungsverfahren zu ermitteln ist. Diese Methode der Invaliditätsbemessung ist nicht neu. Auf Grund der ständigen Rechtsprechung des EVG kommt sie immer dann zur Anwendung, wenn eine zuverlässige Berechnung der beiden Vergleichseinkommen nicht möglich ist. In diesen Fällen wird die konkrete Erwerbstätigkeit der versicherten Person in verschiedene Tätigkeitsbereiche aufgeteilt (z.B. bei selbstständig Erwerbenden: Aufteilung in kaufmännische und handwerkliche Tätigkeit), um anschliessend in jedem Bereich die jeweiligen Einschränkungen und die entsprechenden erwerblichen Auswirkungen abschätzen zu können.

Absatz 3 wird aufgehoben. Infolge der Regelung der Invaliditätsbemessungsmethoden auf Gesetzesebene erübrigt
sich die heutige Delegation an den Bundesrat.

Die Kompetenz des Bundesrates, das zur Invaliditätsbemessung massgebende Erwerbseinkommen zu umschreiben, findet sich neu in Absatz 2. Weiterhin in der Verordnung bleiben die Bestimmungen über die Bemessung des Erwerbseinkommens (Art. 25 IVV), diejenigen über das Erwerbseinkommen von Versicherten ohne Ausbildung (Art. 26 IVV), die Umschreibung des Aufgabenbereichs der im Haushalt

3287

tätigen Versicherten (Art. 27 IVV) sowie die Vermutung bei Teilerwerbstätigen (Art. 27bis Abs. 2 IVV).

Art. 34

Zusatzrente

Dieser Artikel ist infolge der Aufhebung der Zusatzrente (vgl. Ziff. 2.2.1.1) zu streichen. Für die Besitzstandsregelung wird auf die nachstehenden Erläuterungen zu den Übergangsbestimmungen (vgl. Ziff. 4.3) verwiesen.

Art. 38 Sachüberschrift und Abs. 1

Höhe der Kinderrenten

Entsprechend der Aufhebung von Artikel 34 regelt Artikel 38 neu nur noch die Höhe der Kinderrenten. Der Wortlaut von Absatz 1 und die Sachüberschrift werden entsprechend angepasst.

Art. 42

Anspruch

Die Assistenzentschädigung tritt als einheitliche Leistungskategorie an die Stelle der bisherigen Hilflosenentschädigungen, der Pflegebeiträge für hilflose Minderjährige und der Hauspflegebeiträge (vgl. Ziff. 2.3.1). Die Grundzüge dieser Leistung für Pflege und Betreuung von Personen mit Behinderungen sind neu in drei Artikeln geregelt. In Artikel 42 werden die für alle Versicherten geltenden Voraussetzungen des Anspruchs und in Artikel 42bis die für minderjährige Versicherte besonderen Anspruchsvoraussetzungen geregelt. Artikel 42ter umschreibt die Höhe der neuen Leistung.

In Absatz 1 und 2 werden die Grundzüge des Anspruchs umschrieben. Dieser ist sehr ähnlich umschrieben wie der heutige Anspruch auf die Hilflosenentschädigung.

Statt von Hilflosigkeit wird jedoch neu durchwegs von einem Bedarf an (persönlicher) Assistenz gesprochen.

Bezüglich des Assistenzbedarfs wird auf die allgemeine Definition in Artikel 9 ATSG verwiesen (vgl. Erläuterungen zu Art. 9 ATSG, Ziff. 4.4.2). Wie bisher wird darauf abgestellt, ob eine behinderte Person in den alltäglichen Lebensverrichtungen Hilfe benötigt. Bei der Bemessung der Höhe der Assistenzentschädigung werden somit in Zukunft dieselben Kriterien anwendbar sein wie heute bei der Hilflosenentschädigung. Weiter ist erforderlich, dass die Hilfe wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit notwendig ist. Insbesondere bei der Bemessung des Assistenzbedarfs von Minderjährigen ist zu beachten, dass, je niedriger das Alter des Kindes ist, desto mehr auch bei voller Gesundheit eine gewisse Hilfsbedürftigkeit und Notwendigkeit einer Überwachung bestehen. Wie heute bei der Prüfung des Anspruchs auf Pflegebeiträge ist daher auf den Mehrbedarf an Hilfeleistung und persönlicher Überwachung im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen gleichen Alters abzustellen. In den ersten Monaten nach der Geburt könnte bspw. ein Mehrbedarf an Hilfeleistungen auf Grund einer durch das Gebrechen bedingten ständigen und besonders aufwendigen Pflege ausgewiesen sein (vgl. Art. 36 Abs. 3 Bst. c IVV). Die Assistenz muss im Weiteren von längerer Dauer sein, d.h. es ist grundsätzlich eine Wartefrist von einem Jahr zu erfüllen (Ausnahme: Kinder im ersten Lebensjahr, vgl.

Abs. 3). Schliesslich ist ein bestimmtes Ausmass an Hilfe erforderlich (sog. Erheblichkeit). Diese Voraussetzung sowie das Kriterium, dass die Hilfe regelmässig erforderlich sein muss, sollen weiterhin auf Verordnungsstufe geregelt werden. Damit

3288

behält sich der Bundesrat vor, allenfalls eine differenzierte Anspruchsregelung für Menschen mit Hörbehinderungen zu treffen85.

Wie heute bei der Hilflosenentschädigung ist der Anspruch grundsätzlich an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gebunden. Bezüglich des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts wird auf die Definitionen in Artikel 13 ATSG verwiesen. Neu sind Ausnahmen für bestimmte Minderjährige vorgesehen (vgl. Art. 42bis Abs. 1 und 2).

In Absatz 2 wird die allgemeine Definition des Assistenzbedarfs des ATSG erweitert. Demnach ist in der IV ein Assistenzbedarf auch dann gegeben, wenn eine Person wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit zu Hause lebt und dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist. Die lebenspraktische Begleitung stellt weder eine Hilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen noch eine Überwachung dar und muss deshalb speziell erwähnt werden. Der Begriff «Begleitung» meint Begleitung und Beratung, die zur Bewältigung des praktischen Alltags dient. Wie die Hilfe oder die Überwachung muss diese Begleitung von gewisser Dauer sein. Der Anspruch steht ferner nur denjenigen Personen zu, die «zu Hause leben», d.h. die sich nicht in einem Heim aufhalten. Ebenfalls neu ist, dass bereits im Gesetz drei Stufen des Assistenzbedarfs vorgesehen sind. Bei psychisch und leicht geistig behinderten Personen, welche ausserhalb eines Heims leben und nur auf lebenspraktische Begleitung angewiesen sind (d.h. keiner weitergehenden Assistenz bei den alltäglichen Lebensverrichtungen oder in Form einer persönlichen Überwachung bedürfen), ist gemäss ausdrücklicher Regelung in Absatz 2 immer nur ein geringer Assistenzbedarf anzunehmen. Der Anspruch auf Grund lebenspraktischer Begleitung steht im Übrigen nur volljährigen Versicherten zu (vgl. Art. 42bis Abs. 5).

Absatz 3 regelt den Beginn und das Ende des Anspruchs. Da die Assistenzentschädigung nicht nur die Hilflosenentschädigung, sondern auch die Pflegebeiträge für hilflose Minderjährige und die Hauspflegebeiträge ersetzt, ist der Anspruchsbeginn neu festzulegen. Nach der Rechtsprechung des EVG gelten die Regeln über die Entstehung des Rentenanspruchs sinngemäss auch für den Beginn des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung (vgl. ZAK 1980, S. 65). Diese Regelung wird nun ausdrücklich ins Gesetz
aufgenommen. Auch weiterhin ist somit in der Regel das Wartejahr zu erfüllen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Gruppe der Kinder im ersten Lebensjahr. Diese können infolge ihres Alters das Wartejahr gar nicht erfüllen. Damit auch schwer behinderte Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten Leistungen für die Pflege und Betreuung erhalten können, entsteht deren Anspruch, sobald begründeterweise anzunehmen ist, dass diese Kinder voraussichtlich während mehr als 12 Monaten einen anspruchsbegründenden Assistenzbedarf aufweisen werden (vgl. Art. 42bis Abs. 3).

Absatz 4 entspricht inhaltlich der Regelung des heutigen Artikels 20, welcher aufgehoben wird, sowie Artikel 35 Absatz 2 IVV. Kein Anspruch auf eine Assistenzentschädigung besteht somit, wenn Versicherte sich zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen der IV in einer Institution aufhalten. Auf Verordnungsebene soll klar definiert werden, dass mit «Aufenthalt» das Übernachten in einer Institution gemeint ist. In Artikel 35 Absatz 2 IVV wird eine Ausnahme gemacht für die Hilflosenentschädigung nach Artikel 36 Absatz 3 Buchstabe d (Dienstleistungen Dritter 85

Bei Schwerhörigkeit darf gemäss ständiger Rechtsprechung ­ im Gegensatz zur hochgradigen Sehschwäche ­ nicht ohne Weiteres eine leichte Hilflosigkeit angenommen werden (vgl. AHI-Praxis 1998 S. 205 ff.).

3289

zur Pflege gesellschaftlicher Kontakte bei schwerer Sinnesschädigung oder schwerem körperlichem Gebrechen). Das EVG hielt fest, dass in diesen Fällen im Allgemeinen keine Überentschädigung vorliege. In den Fällen von Absatz 3 Buchstaben a bis c dürfte bei einem Anstaltsaufenthalt die leichte Hilfsbedürftigkeit regelmässig schon durch die dort gebotene Betreuung oder sonstige Dritthilfe abgegolten sein.

Unter diesem Gesichtspunkt unterscheide sich der Buchstabe d wesentlich von den Buchstaben a bis c. Die Dienstleistungen zur gesellschaftlichen Kontaktaufnahme würden nur ausnahmsweise vom Personal der Institution erbracht (vgl. ZAK 1986, S. 592 ff.). Das Gesetz räumt nun dem Bundesrat die Kompetenz ein, für diese Fälle eine Ausnahmeregelung zu treffen.

Absatz 5 wird aus dem bestehenden Artikel 42 Absatz 4 IVG übernommen: Demnach hat bei einem nur teilweise unfallbedingten Assistenzbedarf (heute: «Hilflosigkeit») die Unfallversicherung Anspruch auf einen Anteil der Assistenzentschädigung (heute: «Hilflosenentschädigung») durch die IV in der Höhe desjenigen Betrags, den diese ausrichten würde, wenn die versicherte Person nicht verunfallt wäre. Diese Verordnungskompetenz des Bundesrates soll unverändert beibehalten werden. Im Übrigen steht es dem Bundesrat auf Grund von Artikel 86 Absatz 2 IVG zu, die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zur Assistenzentschädigung (zur Bemessung des Assistenzbedarfs usw.) zu erlassen.

Art. 42bis (neu)

Besondere Voraussetzungen für Minderjährige

Die Pflegebeiträge für Minderjährige nach geltendem Recht (Art. 20) und die Hauspflegebeiträge nach geltendem Recht (Art. 14 Abs. 3 und Art. 4 IVV) stellen Eingliederungsmassnahmen dar und können auch dann an Minderjährige ausgerichtet werden, wenn das Kriterium des Wohnsitzes nicht erfüllt ist. Seit der Revision der freiwilligen Versicherung, welche mit Ausnahme weniger Bestimmungen am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist (vgl. Änderung des AHVG vom 23. Juni 2000, AS 2000 2677), werden Eingliederungsmassnahmen in der Regel nur gewährt, wenn und solange die anspruchsberechtigte Person versichert ist (Erwerbstätigkeit oder Wohnsitz in der Schweiz; Zugehörigkeit zur freiwilligen Versicherung). Unter der Voraussetzung, dass mindestens ein Elternteil freiwillig versichert ist (Art. 22quater Abs. 2 IVV), können Personen unter 20 Jahren Eingliederungsmassnahmen jedoch auch beanspruchen, wenn sie selbst nicht oder nicht mehr versichert sind. Die Assistenzentschädigung gilt nicht als Eingliederungsmassnahme. Damit die minderjährigen Schweizer Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz im Ausland und Aufenthalt in der Schweiz deshalb in Zukunft nicht schlechter gestellt sind, wird für sie eine besondere Bestimmung eingefügt. Nach Absatz 1 können sie eine Assistenzentschädigung beanspruchen.

Minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz wohnen, haben heute gestützt auf Artikel 9 Absatz 3 Anspruch auf Pflegebeiträge (oder Hauspflegebeiträge; bis 20 Jahre). Auch diese sollten bezüglich ihrer Ansprüche nicht schlechter gestellt werden. In Zukunft können sie auf Grund von Absatz 2 ­ zu den gleichen Bedingungen, wie sie heute Pflegebeiträge beziehen können ­ eine Assistenzentschädigung beanspruchen.

Absatz 3 regelt den speziellen Fall des Anspruchsbeginns für Minderjährige, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bei diesen entsteht der Anspruch, sobald begründeterweise anzunehmen ist, dass voraussichtlich während mehr als 12 Monaten ein anspruchsbegründender Assistenzbedarf gegeben sein wird.

3290

Absatz 4 hält fest, dass minderjährige Versicherte nur an den Tagen Anspruch auf eine Assistenzentschädigung haben, an welchen sie sich nicht in einer Institution zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen oder in einer Heilanstalt zu Lasten der Sozialversicherung (vgl. Art. 67 Abs. 2 ATSG) aufhalten. Der Anspruch für Minderjährige besteht somit pro Tag und nicht pro Monat.

Absatz 5 schliesst für Minderjährige den Anspruch auf eine Assistenzentschädigung aus, wenn diese lediglich auf lebenspraktische Begleitung angewiesen sind.

Art. 42ter (neu)

Höhe

Die Höhe der Assistenzentschädigung gestaltet sich vielfältiger als diejenige der heutigen Hilflosentschädigung, da neu auch Minderjähige einen Anspruch haben und die Ansätze je nach Aufenthalt zu Hause oder im Heim variieren. Daher wird die Höhe der Leistung in einem separaten Artikel geregelt.

Absatz 1 regelt die Ansätze der Assistenzentschädigung für Versicherte, welche sich ausserhalb eines Heimes aufhalten (vgl. Abs. 2, e contrario). Neu werden die drei Entschädigungsstufen bereits im Gesetz genannt. Die Ansätze sind im Vergleich zur heutigen Hilflosenentschädigung (bzw. den Pflegebeiträgen für Minderjährige) doppelt so hoch. Sie richten sich neu nach dem Höchstbetrag der Altersrente, welcher in Artikel 34 Absatz 3 und 5 AHVG geregelt ist. Für Minderjährige berechnet sich die Entschädigung pro Tag.

Die Ansätze nach Absatz 2 werden an Versicherte ausgerichtet, welche sich in einem Heim aufhalten; die Ansätze entsprechen den Beträgen der heutigen Hilflosenentschädigung. Kein «Heimaufenthalt» im erwähnten Sinne liegt vor bei einem Aufenthalt in einer Institution zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen der IV oder bei einem Aufenthalt in einer Heilanstalt auf Kosten der Sozialversicherung; in diesen beiden Fällen besteht kein Anspruch auf eine Assistenzentschädigung (vgl.

Art. 42 Abs. 4 und Art. 42bis Abs. 4 IVG sowie Art. 67 Abs. 2 ATSG). Eine besondere Regelung gilt für Minderjährige, die sich in einem Heim aufhalten. Sie erhalten eine um einen Kostgeldbeitrag erhöhte Assistenzentschädigung.

Der Begriff «Heim» muss auf Verordnungsebene definiert werden. Eine Definition in der Verordnung ist flexibler und kann rasch an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden.

Nach Absatz 3 wird die Assistenzentschädigung unter bestimmten Voraussetzungen um einen Intensivpflegezuschlag erhöht. Der Zuschlag wird nur an Minderjährige, welche sich nicht in einem Heim aufhalten, ausgerichtet. Anspruch auf einen Zuschlag besteht, wenn zusätzlich zu einem anspruchsbegründenden Assistenzbedarf noch mindestens vier, sechs oder acht Stunden intensive Pflege pro Tag nachgewiesen werden können. Massgebend ist der invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand, welcher aus medizinischer Behandlungspflege oder Grundpflege bestehen kann. Der Zuschlag berechnet sich pro Tag und beträgt bei einem invaliditätsbedingten
täglichen Betreuungsaufwand von mindestens 8 Stunden 45 Prozent (d.h. derzeit 927 Franken im Monat), bei einem solchen von mindestens 6 Stunden 30 Prozent (d.h. derzeit 618 Franken im Monat) und bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens 4 Stunden 15 Prozent der maximalen Altersrente (d.h.

derzeit 309 Franken im Monat). Der Intensivpflegezuschlag wird nur bis zur Volljährigkeit gewährt. Nach dem 18. Altersjahr besteht die Möglichkeit, Ergänzungsleistungen zu beanspruchen.

3291

Art. 44

Verhältnis zur Unfall- und Militärversicherung

Dieser Artikel wird bereits im Rahmen des ATSG angepasst. Der Ausdruck «obligatorisch» kann gestrichen werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Geregelt wird das Verhältnis der IV und der obligatorischen oder der freiwilligen Unfallversicherung. Es handelt sich um eine rein terminologische Klarstellung.

Art. 52

Einschränkung des Rückgriffs

Die Bestimmungen über den Rückgriff auf haftpflichtige Dritte befinden sich neu in den Artikeln 72­75 ATSG. Artikel 52 enthält eine Abweichung für die Fälle, in denen die IV eine Härtefallrente ausrichtet.

Infolge Aufhebung der Härtefallrenten (vgl. Ziff. 2.2.1.2) ist diese Bestimmung aufzuheben.

Art. 57 Abs. 1 Bst. d

Aufgaben

Absatz 1 Buchstabe d ist infolge Einführung der Assistenzentschädigung anzupassen. Neu ist nicht mehr die Hilflosigkeit, sondern der Assistenzbedarf zu bemessen (vgl. Erläuterungen zu Art. 42).

Art. 59 Abs. 2 und 3 (neu)

Verfügbare Dienste

Artikel 59 Absatz 1 schreibt vor, dass die IV-Stellen über die notwendigen Dienste verfügen müssen, damit sie die in Artikel 57 erwähnten Aufgaben «fachgerecht und beförderlich» durchführen können.

Absatz 2 wird neu formuliert. Die neu zu schaffenden regionalen ärztlichen Dienste sollen ­ ähnlich wie die nun in Absatz 3 vorgesehenen Dienste (Spezialisten der privaten Invalidenhilfe, Experten, medizinische und berufliche Abklärungsstellen usw.) ­ den IV-Stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen. Die ärztlichen Dienste sind für die Abklärung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen zur Beurteilung von Leistungsgesuchen zuständig. Wie die IV-Stellen sind auch die ärztlichen Dienste der direkten Aufsicht des BSV unterstellt. Die Errichtung, die Regelung der Organisation und der konkreten Aufgaben der ärztlichen Dienste sowie der Befugnisse des BSV obliegen dem Bundesrat.

Der heutige Absatz 2 wird neu zu Absatz 3.

Art. 60 Abs. 1 Bst. c

Aufgaben

Absatz 1 Buchstabe c ist anzupassen, da die Hilflosenentschädigungen in die Assistenzentschädigung übergeführt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 42).

Art. 64 Abs. 2

Aufsicht

Statt periodisch soll gemäss Absatz 2 die Geschäftsführung der IV-Stellen in Zukunft von Gesetzes wegen jährlich durch das BSV überprüft werden (vgl. Ziff.

2.4.2).

3292

Art. 68 (neu)

Wissenschaftliche Auswertungen und Information, Kostenvergütung

Dieser Artikel ist vollständig neu und tritt an die Stelle des per 1. Januar 1985 aufgehobenen Artikels 68.

Nach Absatz 1 lässt der Bund von Dritten wissenschaftliche Auswertungen zur Evaluation und Weiterentwicklung des IVG erstellen. Die entsprechenden Studien müssen für eine zweckmässige, wirksame und rationelle Durchführung der Versicherung notwendig sein. Darunter könnte z.B. die Finanzierung von Untersuchungen im Hinblick auf die Entwicklung von Steuerungsinstrumenten in der IV mit Mitteln der Versicherung fallen. Das Bearbeiten von Personendaten für Forschung, Planung und Statistik erfolgt nach Artikel 22 des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG, SR 235.1).

Nach Absatz 2 sorgt der Bund zudem für eine allgemeine, gesamtschweizerische Information über die Leistungen der IV. Der Bundesrat regelt die Art und Weise der Information.

Nach Absatz 3 vergütet die Invalidenversicherung die Kosten für wissenschaftliche Auswertungen nach Absatz 1 sowie für die gesamtschweizerische Information über die IV und deren Leistungen nach Absatz 2. Die Kostenübernahme der allgemeinen Information wäre eigentlich mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen möglich (vgl. bis zur Einführung des ATSG: Art. 81 IVG i.V.m. Art. 95 Abs. 1bis AHVG).

Die Verweisungsnorm von Art. 81 IVG wird jedoch mit der Einführung des ATSG aufgehoben. Aus diesem Grund soll die gesetzliche Grundlage für die Kostenvergütung nun ins IVG aufgenommen werden. Die Kostenübernahme nach Absatz 1 und 2 soll sich in einem zum voraus festgesetzten Rahmen bewegen.

Art.68bis (neu)

Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen

Mit dieser Bestimmung wird die gesetzliche Grundlage für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den IV-Stellen, den Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung (ALV) und kantonalen Durchführungsstellen, welche für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständig sind, geschaffen. Ziel ist eine bessere Zusammenarbeit, ohne dass dadurch neue Stellen geschaffen werden.

Absatz 1 umschreibt den Zweck dieser Zusammenarbeit. Ziel ist die Ermöglichung eines raschen Zuganges zu den geeigneten beruflichen Eingliederungsmassnahmen für Personen, welche sich bei der IV zum Leistungsbezug angemeldet haben und deren Erwersfähigkeit untersucht wird. Dabei soll nicht abgewartet werden müssen, bis eine entsprechende Verfügung vorliegt. Vielmehr sollen die Betroffenen möglichst rasch Zugang zu den geeigneten Massnahmen erhalten, damit ihre Erwerbsfähigkeit erhalten bzw. rasch wieder hergestellt werden kann. Als Kostenträgerinnen kommen die IV, die ALV oder der Kanton in Frage. Bei den Massnahmen handelt es sich um Eingliederungsmassnahmen der Invaliden- oder der Arbeitslosenversicherung oder auch um kantonale Massnahmen. Die möglichen kantonalen Integrationsmassnahmen sind je nach Kanton völlig unterschiedlich. In Betracht fallen Integrationsmassnahmen im Rahmen von Gesetzen zur kantonalen Arbeitshilfe, spezieller kantonaler Gesetze zur Eingliederung oder von Sozialhilfegesetzen.

3293

Absatz 2 stellt die datenschutzrechtlich notwendige gesetzliche Grundlage für den formlosen Austausch von Versichertendaten unter den beteiligten Durchführungsorganen der IV und der ALV dar. Der formlose Datenaustausch ist nur zulässig in Fällen, in denen die zuständige Kostenträgerin noch nicht klar bestimmbar ist und sofern die Auskünfte und Unterlagen zur Ermittlung der geeigneten Eingliederungsmassnahmen und zur Klärung der Zuständigkeit der IV oder der ALV dienen. Ferner darf kein überwiegendes Privatinteresse entgegenstehen.

Nach Absatz 3 entfällt die Schweigepflicht auch gegenüber den kantonalen Durchführungsstellen, die für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständig sind, jedoch nur, wenn diese gegenüber den IV-Stellen und Durchführungsorganen der ALV Gegenrecht gewähren.

Nach Absatz 4 ist für den Datenaustausch ­ im Gegensatz zu Artikel 32 ATSG und Artikel 50a Absatz 1 Buchstabe a AHVG ­ keine schriftliche und begründete Anfrage im Einzelfall erforderlich. Der gegenseitige Austausch von Daten zu spezifischen Einzelfällen kann zwischen den genannten Stellen im klar umschriebenen Rahmen von Absatz 2 formlos erfolgen. Im Anschluss an den Datenaustausch sind die betroffenen Personen über dessen Inhalt zu informieren.

Art. 69 Abs. 3 (neu)

Besonderheiten der Rechtspflege

Dieser Artikel wird im Rahmen des ATSG vollumfänglich angepasst, da die Bestimmungen zum Sozialversicherungs- und zum Rechtspflegeverfahren grundsätzlich im ATSG geregelt sind.

Neu ist Absatz 3, welcher den Rechtsweg für die Anfechtung von Entscheiden der kantonalen Schiedsgerichte nach Artikel 27bis festlegt. Gegen diese Entscheide kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht erhoben werden.

Art. 73 Abs. 4 (neu)

Anstalten, Werkstätten und Wohnheime

Im neuen Absatz 4 dieses Artikels erfolgt die gesetzliche Verankerung des bereits auf Verordnungsstufe auf den 1. April 1996 eingeführten Bedarfsnachweises für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten (vgl. insbesondere Art. 100 Abs. 3 und Art. 106 Abs. 5 IVV sowie Ziff. 2.2.2.1). Die von den Kantonen eingereichten Bedarfsplanungen sind vom BSV zu genehmigen. Der Entscheid kann mit Vorbehalten und/oder Auflagen verbunden werden. Um die gerichtliche Anfechtbarkeit dieses Entscheides zu ermöglichen, muss er in Form einer Verfügung erfolgen.

Das BSV wird zudem zur Regelung des Verfahrens für die Einreichung der Bedarfsplanung der Kantone und zur Festlegung der für die Genehmigung der Bedarfsplanung massgebenden Kriterien ermächtigt. Nach Artikel 48 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010) ist eine Übertragung der Rechtsetzung auf Gruppen und Ämter nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz oder ein allgemein verbindlicher Bundesbeschluss dazu ermächtigt. Mit der vorliegenden Delegation in Absatz 6 erhält das BSV vom Gesetzgeber die ausdrückliche Legitimation zur Regelung der erwähnten Bereiche in Verwaltungsweisungen (vgl. Kreisschreiben zur Bedarfsplanung für Werkstätten und Wohnheime).

3294

Art. 75 Abs. 1

Gemeinsame Bestimmungen

Nach der heutigen Formulierung von Absatz 1 setzt der Bundesrat die Höhe der Beiträge nach den Artikeln 73 und 74 fest. Er kann deren Gewährung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen oder mit Auflagen verbinden. In der IVV werden die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Beiträgen sowie Höchstgrenzen der Beiträge festgelegt (vgl. Art. 99 ff. IVV). Die konkrete Art der Ermittlung der Beiträge, die Berechnungsart im Einzelnen sowie die ganz konkreten Voraussetzungen für den Anspruch auf Beiträge (z.B. die Mindestanzahl von Plätzen einer Institution usw.) werden heute in den entsprechenden Verwaltungsweisungen geregelt (vgl. Kreisschreiben [KS] über die Betriebsbeiträge an Eingliederungsstätten für Invalide, KS über die Gewährung von Beiträgen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Fachpersonal der beruflichen Eingliederung Invalider, KS über die Gewährung von Betriebsbeiträgen an Werkstätten für die Dauerbeschäftigung Behinderter, KS über die Gewährung von Betriebsbeiträgen an Wohnheime und Tagesstätten für Behinderte, KS über die Beiträge an Organisationen der privaten Invalidenhilfe).

Nach Artikel 48 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010) ist eine Übertragung der Rechtsetzung auf Gruppen und Ämter nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz oder ein allgemein verbindlicher Bundesbeschluss dazu ermächtigt. Für den Erlass der erwähnten Verwaltungsweisungen fehlt im geltenden Recht streng genommen die gesetzliche Grundlage. Mit der Neuformulierung von Absatz 1 wird nun eine juristisch korrekte Delegationsnorm geschaffen. Damit erhält das BSV vom Gesetzgeber direkt die ausdrückliche Legitimation zur Regelung der Art der Berechnung der Beiträge sowie der Details der Anspruchsvoraussetzungen in Verwaltungsweisungen.

Art. 77 Abs. 2 (neu)

Aufbringung der Mittel

Die Hilflosenentschädigung nach Artikel 42 wird heute nur bei Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ausgerichtet. Dies soll künftig auch für die Assistenzentschädigung gelten (vgl. Art. 42 Abs. 1, vorbehältlich Art. 42bis Abs. 1 und 2).

Das durch die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU anzuwendende EU-Recht verlangt demgegenüber, dass alle Geldleistungen bei Alter und Invalidität in alle EU-Staaten ausbezahlt werden, auch wenn das Landesrecht die Auszahlung auf die Schweiz beschränkt. Für die Hilflosenentschädigung wurde eine besondere Regelung erwirkt. Damit sie in Zukunft nicht exportiert werden muss, wurde in den Bestimmungen des IVG über die Finanzierung ausdrücklich festgehalten, dass die Hilflosenentschädigung ausschliesslich durch die öffentliche Hand und nicht durch Beiträge von Arbeitgebenden und -nehmenden finanziert wird (vgl. Bundesgesetz zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 8.10.1999, BBl 1999 8643, noch nicht in Kraft). Diese für die Hilflosenentschädigung vorgesehene Bestimmung (Art. 77 Abs. 2) ist analog für die Assistenzentschädigung zu übernehmen.

Art. 78

Beiträge der öffentlichen Hand

Diese für die Hilflosenentschädigung eingeführte Bestimmung ist analog für die Assistenzentschädigung zu übernehmen. Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 77.

3295

Art. 79 Abs. 1

Rechnungsführung

Absatz 1 wird mit der Einführung des ATSG angepasst. Bezüglich des Regresses wird auf die entsprechenden Bestimmungen des ATSG verwiesen.

Dem Ausgleichsfonds sind neu auch die Ausgaben für die Durchführung von wissenschaftlichen Auswertungen und für die Informationsarbeit (Art. 68) zu belasten.

Die Artikel 71 und 72 sind schon vor mehreren Jahren aufgehoben worden und werden deshalb aus der Aufzählung der Artikel in Absatz 1 entfernt.

Art. 86 Abs. 2

Inkrafttreten und Vollzug

Nach Artikel 48 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010) ist eine Übertragung der Rechtsetzung auf Gruppen und Ämter nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz oder ein allgemein verbindlicher Bundesbeschluss dazu ermächtigt. Mit der Ergänzung von Artikel 86 Absatz 2 erhält der Bundesrat von Gesetzes wegen die Möglichkeit, die Kompetenz zum Erlass von Vollzugsbestimmungen direkt an das BSV weiter zu delegieren. Dies wäre z.B. dann sinnvoll, wenn in einem bestimmten Bereich detaillierte Vollzugsregelungen nötig sind.

4.3

Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG

a. Überführung der Hilflosenentschädigung, Pflegebeiträge für Minderjährige und Beiträge für Kosten der Hauspflege in die Assistenzentschädigung Absatz 1 schreibt vor, dass nach altem Recht zugesprochene Leistungen (Hilflosenentschädigungen, Pflegebeiträge für Minderjährige und Beiträge an die Kosten für Hauspflege) innert eines Jahres nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu überprüfen sind. Die IV-Stelle hat innert Jahresfrist zu klären, inwieweit die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Assistenzentschädigung gegeben sind oder nicht und den Anspruch auf die neue Assistenzentschädigung zu ermitteln.

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Hilflosenentschädigung bzw. Pflegebeiträge einerseits und für die Assistenzentschädigung anderseits sind praktisch gleich (Ausnahme: lebenspraktische Begleitung). Die Ermittlung des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes für den Intensivpflegezuschlag bei der Assistenzentschädigung erfolgt nach den gleichen Regeln wie die Ermittlung des zeitlichen Mehraufwandes bei der Hauspflege.

Anschliessend ist eine Vergleichsrechnung zwischen den altrechtlichen Leistungen (Hilflosenentschädigungen oder Pflegebeiträge für Minderjährige und allenfalls zusätzlich zu diesen noch Beiträge an die Kosten für Hauspflege) und der nach neuem Recht ermittelten Assistenzentschädigung vorzunehmen.

Absatz 2 regelt den Vergleich bei Versicherten, denen nach altem Recht entweder eine Hilflosenentschädigung oder Pflegebeiträge für Minderjährige (ohne Hauspflegebeiträge) zustehen. Ergibt die Vergleichsrechnung eine im Vergleich zur früheren Entschädigung gleich hohe oder höhere Assistenzentschädigung, so wird der Anspruch auf die Assistenzentschädigung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens festgesetzt.

Absatz 3 regelt die Vergleichsrechnung bei Versicherten, die nach altem Recht zusätzlich zu den Pflegebeiträgen für Minderjährige oder einer Hilflosenentschädigung 3296

(Letzteres dürfte allerdings sehr selten vorkommen) Hauspflegebeiträge nach Artikel 4 IVV beanspruchen können. Ergibt der Vergleich, dass der Betrag der Assistenzentschädigung tiefer ist als der Gesamtbetrag der früheren Leistungen, so sind die früheren Leistungen nach den allgemein anerkannten Bestimmungen für die Herabsetzung von Renten oder Hilflosenentschädigungen der IV, d.h. erst ab dem ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats, herabzusetzen (vgl. Art. 88bis Abs. 2 Bst. a IVV). Ergibt die Vergleichsrechnung einen höheren Betrag der Assistenzentschädigung, so wird der Anspruch auf diese wie bei Absatz 2 rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens festgesetzt.

Absatz 4 regelt sodann, welche Beträge für die Vergleichsrechnung massgebend sind. Bei der Hilflosenentschädigung und den Pflegebeiträgen für Minderjährige ist der verfügte Betrag (bei Letzteren umgerechnet auf den Monat; ohne Einbezug des Kostgeldes) massgebend. Bei den Hauspflegebeiträgen, welche nicht als Pauschale, sondern als Kostenersatz ausgerichtet werden, ist ein Durchschnittswert festzulegen.

Massgebend ist der im Durchschnitt der letzten zwölf Monate vor der Überprüfung monatlich effektiv ausbezahlte Betrag. Verglichen wird mit dem neu ermittelten Betrag der Assistenzentschädigung. Bei Minderjährigen ist der Betrag pro Monat mit einem allfälligen Intensivpflegezuschlag, jedoch ohne Kostgeldbeitrag, massgebend.

b. Besitzstandswahrung bei Taggeldern für laufende Eingliederungsmassnahmen Grundsätzlich ist für Taggelder, die während laufenden, d.h. nach altem Recht zugesprochenen, Eingliederungsmassnahmen ausgerichtet werden, neues Recht anwendbar. Die Berechnung der Taggelder richtet sich ab Inkrafttreten der Revision nach den neuen Vorschriften. Ergibt jedoch die Anwendung des neuen Rechts ein niedrigeres Taggeld, so ist bis zum Abschluss der jeweiligen Eingliederungsmassnahmen das bisherige Taggeld weiter auszurichten.

c. Besitzstandswahrung bei der Aufhebung der Härtefallrenten Um finanzielle Verschlechterungen bei laufenden, d.h. nach altem Recht zugesprochenen, Härtefallrenten zu vermeiden, braucht es die Übergangsbestimmung.

Bei Personen, welche bereits Ergänzungsleistungen beziehen, führt die kleinere Rente (Viertelsrente) zu einer höheren Ergänzungsleistung. Die Ergänzungsleistungen
decken bekanntlich den Ausgabenüberschuss (Ausgaben minus Einnahmen).

Die Verminderung auf der Einnahmenseite führt zu einer entsprechenden Erhöhung des Ausgabenüberschusses.

Absatz 2 regelt die Situation von rentenberechtigten Personen, welche vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung ­ sei es auf Grund der unterschiedlichen Berechnungsvorschriften, sei es wegen Nichterfüllung der Karenzfrist ­ keinen Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung haben. Bei diesen Personen wird der Einnahmenrückgang (Viertelsrente an Stelle der halben Rente) nicht durch eine im gleichen Umfang höhere Ergänzungsleistung ausgeglichen. In diesen Fällen wird daher eine Vergleichsrechnung gemacht und bei einer finanziellen Verschlechterung ein Besitzstand (d.h. die halbe Härtefallrente) gewährt. Wichtig für die Anwendung von Absatz 2 ist der fehlende Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung und nicht etwa der fehlende Bezug. Dies ist nötig, damit auch bei rückwirkend zugesprochenen IV-Renten der Besitzstand gewährt werden kann.

Der Besitzstand wird solange gewährt, als vier Voraussetzungen erfüllt sind:

3297

Bereits heute gibt es eine Härtefallrente nur, solange der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt in der Schweiz gegeben ist. Diese Voraussetzung muss weiterhin erfüllt sein (Bst. a).

Bei einem Invaliditätsgrad von 50 Prozent und mehr besteht Anspruch auf eine halbe IV-Rente. Eine Besitzstandsgarantie für die Härtefallrente (halbe Rente an Stelle der Viertelsrente) ist in diesen Fällen nicht mehr nötig. Sobald der Invaliditätsgrad tiefer als 40 Prozent fällt, hört der Besitzstand auf. Im geltenden Recht würde in einem solchen Fall auch keine Härtefallrente mehr gewährt werden. Der Besitzstand soll nicht zu einer Ausdehnung gegenüber heute führen (Bst. b).

Beim Härtefall handelt es sich um einen wirtschaftlichen Härtefall. Solange die wirtschaftliche Voraussetzung nach bisherigem Recht gegeben ist, wird der Besitzstand gewährt. Die Berechnungsvorschriften für die Ergänzungsleistungen und den Härtefall sind nicht völlig identisch. Daher können nicht einfach die Regeln der Ergänzungsleistungen angewendet werden (Bst. c).

Sobald die Viertelsrente und die jährliche Ergänzungsleistung, welche monatlich ausgerichtet wird, zusammen höher sind als die halbe Rente, braucht es den Besitzstand nicht mehr. Die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b ELG (SR 831.30) wird dabei nicht berücksichtigt, weil es sich hierbei um einmalige Leistungen handelt (Bst. d).

In Absatz 3 sind die so genannten altrechtlichen Übergangsfälle geregelt. In der 2. IV-Revision wurde der Invaliditätsgrad, welcher Anspruch auf eine IV-Rente gibt, von 331/3 Prozent auf 40 Prozent angehoben. Um Verschlechterungen zu verhindern, wurde ein Besitzstand gewährt (vgl. Abs. 2 der ÜbBest. der Änderung vom 9. Oktober 1986). Dieser Besitzstand wird weitergeführt. Davon betroffen sind 46 Fälle (Stand Rentenregister vom 31. März 1999).

Zu Absatz 4: Heute richten auch Verbandsausgleichskassen Härtefallrenten aus. Da die Ergänzungsleistungen in fast allen Kantonen (Ausnahme Kantone ZH, BS und GE) von der kantonalen Ausgleichskasse festgesetzt und ausgerichtet werden, ist es sinnvoll, wenn diese Ausgleichskassen die laufenden Renten von Personen mit einem Invaliditätsgrad unter 50 Prozent festsetzen und ausrichten. Die kantonalen Ausgleichskassen können dann auch die Vergleichsrechnung nach Absatz 2
durchführen. Dies erleichtert die Überführung der laufenden Härtefallrenten in die Ergänzungsleistungen.

Die Regelungskompetenz des Bundesrates für die weiteren Einzelheiten des Verfahrens ist vor allem wegen der drei Kantone Zürich, Basel-Stadt und Genf nötig, bei denen die Ergänzungsleistungen nicht von der kantonalen Ausgleichskasse festgesetzt und ausgerichtet werden.

d. Besitzstandswahrung bei laufenden Zusatzrenten Nach Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung werden keine neuen Zusatzrenten mehr zugesprochen. Bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung zugesprochene Zusatzrenten werden so lange ausgerichtet, als die bisherigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.

3298

4.4

Änderung weiterer Bundesgesetze

4.4.1

Änderung des Bundesgesetzes über den Wehrpflichtersatz (WPEG)

Art. 4 Abs. 1 Bst. a, abis und ater

Befreiung von der Ersatzpflicht

Die Anpassung von Absatz 1 Buchstabe a steht in Zusammenhang mit der ausdrücklichen Gleichstellung der psychischen Gesundheitsschäden mit den körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden, welche im ganzen Sozialversicherungsrecht ­ d.h. im ATSG sowie in den Einzelgesetzen ­ erfolgt. Die Änderung ist rein formeller Natur (vgl. hierzu Ziff. 1.2.4 und 2.6.1; Art. 5 IVG und Erläuterungen dazu in Ziff. 4.2 sowie dortige Verweise).

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung in der IV und die entsprechende neue Bezeichnung in der UV werden redaktionelle Anpassungen in Absatz 1 Buchstabe abis und ater notwendig (vgl. Ziff. 4.2, Erläuterungen zu Art. 42 IVG, und Ziff.

4.4.5, Erläuterungen zu Art. 26 UVG).

4.4.2

Art. 3 Abs. 1

Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) Krankheit

Die Anpassung des Wortlautes von Absatz 1 ist Folge der ausdrücklichen Gleichstellung der psychischen Gesundheitsschäden mit den körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden, welche im ganzen Sozialversicherungsrecht ­ d.h. im ATSG sowie in den Einzelgesetzen ­ erfolgt. Die Änderung ist rein formeller Natur (vgl.

hierzu Ziff. 1.2.4 und 2.6.1; Art. 5 IVG und Erläuterungen dazu in Ziff. 4.2 sowie dortige Verweise).

Art. 4

Unfall

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 3.

Art. 6

Arbeitsunfähigkeit

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 3.

Art. 7

Erwerbsunfähigkeit

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 3.

Art. 8 Abs. 2 und 3

Invalidität

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 3.

Art. 9

Assistenzbedarf

Die Einführung der Assistenzentschädigung, welche in der IV u.a. die Hilflosenentschädigung ablöst (vgl. Ziff. 2.3.1), ist von grundlegender Bedeutung für das Sozial-

3299

versicherungsrecht und soll sich deshalb nicht nur auf die IV beschränken. Während in der IV im Vergleich zu heute materielle Änderungen im Sinne von Leistungsverbesserungen vorgenommen werden, erfolgt in den anderen Sozialversicherungsgesetzen, welche heute ebenfalls die Leistungskategorie der Hilflosenentschädigung kennen, lediglich eine begriffliche Anpassung ohne materielle Änderung: Die Ausdrücke «Hilflosigkeit» und «Hilflosenentschädigung» werden neu durch die Begriffe «Assistenzbedarf» und «Assistenzentschädigung» ersetzt. Betroffen von dieser Begriffsanpassung ist in erster Linie das ATSG, aber vor allem auch die AHV, die Unfall- und die Militärversicherung (vgl. Ziff. 1.2.4 und 2.3.1.5.4).

Neu wird somit in Artikel 9 nicht mehr die Hilflosigkeit, sondern der Assistenzbedarf definiert.

Art. 15

Allgemeines

Infolge Ersatz der heutigen Hilflosenentschädigung durch die Assistenzentschädigung im gesamten Sozialversicherungsrecht wird eine redaktionelle Anpassung notwendig (vgl. Ziff. 1.2.4 und 2.3.1.5.4 sowie Erläuterungen zu Art. 9).

Art. 19 Abs. 3

Auszahlung von Geldleistungen

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 9 und 15.

Art. 66 Sachüberschrift und Abs. 3 Renten und Assistenzentschädigungen Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 9 und 15.

Art. 67 Abs. 2

Heilbehandlung und Geldleistungen

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 9 und 15.

Art. 69 Abs. 3

Überentschädigung

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 9 und 15.

Art. 74 Abs. 2 Bst. d

Gliederung der Ansprüche

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 9 und 15.

4.4.3 Art. 29septies Abs. 1

Änderung des AHVG 4. Betreuungsgutschriften

Infolge der Umbenennung der «Hilflosenentschädigung» in «Assistenzentschädigung» in der AHV und des Ersatzes des Begriffes «Hilflosigkeit» durch «Assistenzbedarf» wird eine redaktionelle Anpassung notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG).

Die Formulierung entspricht im Übrigen der in der Botschaft zur 11. AHV-Revision (BBl 2000 1865) vorgeschlagenen geänderten Fassung.

3300

Art. 43bis

Assistenzentschädigung

Für die Einführung der Assistenzentschädigung in der AHV verweisen wir auf Ziffer 2.3.1.5.4.1. In der AHV wird lediglich der Begriff «Hilflosenentschädigung» durch «Assistenzentschädigung» und der Ausdruck «Hilflosigkeit» durch «Assistenzbedarf» ersetzt. Im Übrigen erfolgt in der AHV keine materielle Änderung. Der Anspruch und die Höhe der Leistung bleiben unverändert.

Nach Absatz 4 gilt weiterhin der Besitzstand für Leistungen, die schon vor Erreichen des AHV-Rentenalters bezogen wurden. Demnach wird der Betrag einer Assistenzentschädigung der IV auch im AHV-Alter ausgerichtet, sofern die entsprechenden Voraussetzungen (insbes. Höhe des Assistenzbedarfs, Wohnen ausserhalb einer Institution) weiterhin erfüllt sind.

Absatz 5 entspricht inhaltlich dem heutigen Absatz 4bis. Der Wortlaut wird angepasst, da auch in der Unfallversicherung eine Begriffsänderung erfolgt, indem die «Hilflosenentschädigung» in «Assistenzentschädigung» umbenannt wird (vgl. Ziff.

2.3.1.5.4.2).

Absatz 6 entspricht mehr oder weniger dem heutigen Absatz 5. Der Begriff des Assistenzbedarfs ist jedoch neu in Artikel 9 ATSG definiert, sodass sich der diesbezügliche Verweis auf das IVG erübrigt Art. 43ter Abs. 1 und 2

Hilfsmittel

Mit der Änderung von Absatz 1 wird eine im Zuge der 10. AHV-Revision versehentlich nicht vorgenommene Anpassung nachgeholt (vgl. Ziff. 2.6.6).

Die Voraussetzung des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz gilt auf Grund der Auslegung auch für Absatz 2. Die neue Formulierung dient der Klarheit.

Art. 44 Sachüberschrift und Abs. 1 Auszahlung von Renten und Assistenzentschädigungen Infolge der Umbenennung der «Hilflosenentschädigung» in «Assistenzentschädigung» in der AHV wird eine redaktionelle Anpassung notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG).

In der 11. AHV-Revision (BBl 2000, 1865) ist eine Änderung dieses Artikels vorgesehen. Die Regelungen des ATSG sind darin jedoch noch nicht berücksichtigt.

Der vorliegende Artikel 44 entspricht einer überarbeiteten Fassung der 11. AHV-Revision, welche mit den Bestimmungen des ATSG in Übereinstimmung gebracht worden ist.

Art. 46 Sachüberschrift und Abs. 2

Nachzahlung nicht bezogener Leistungen

Infolge der Umbenennung der «Hilflosenentschädigung» in «Assistenzentschädigung» in der AHV wird eine redaktionelle Anpassung notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG).

Art. 63 Abs. 1 Bst. b, c und d

Aufgaben der Ausgleichskassen

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 46.

3301

Art. 71 Abs. 2

Errichtung und Aufgaben

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 46.

Art. 101bis Abs. 2

Beiträge zur Förderung der Altershilfe

Bei den Beiträgen zur Förderung der Altershilfe soll eine Delegationsnorm analog zu Artikel 75 Absatz 1 IVG aufgenommen werden (vgl. Erläuterungen in Ziff. 4.2).

Die dort gemachten Überlegungen gelten auch für die AHV.

Art. 102 Abs. 2

Grundsatz

Die Hilflosenentschädigung der AHV nach Artikel 43bis AHVG wird heute nur bei Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ausgerichtet. Dies soll künftig auch für die Assistenzentschädigung in der AHV gelten.

Im Übrigen verweisen wir auf die Erläuterungen zu Artikel 77 Absatz 2 IVG (Ziff. 4.2). Die Überlegungen zur Assistenzentschädigung in der IV gelten analog im Bereich der AHV.

Art. 103 Abs. 1 und 1bis

Beitrag der öffentlichen Hand

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 78 IVG (Ziff. 4.2). Die Überlegungen zur Assistenzentschädigung in der IV gelten analog im Bereich der AHV.

4.4.4 Art. 2 Abs. 2 Bst. a

Änderung des ELG Anspruch auf Ergänzungsleistungen

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung in der IV und in der AHV wird eine redaktionelle Anpassung von Absatz 2 notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 IVG in Ziff. 4.2 und Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG in Ziff. 4.4.3). Für das Erfordernis des vollendeten 18. Altersjahres verweisen wir auf die Erläuterungen zu Artikel 2c.

Art. 2c Bst. a und c

Invalide

Als Folge der Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten wird Buchstabe a neu formuliert: Neu sind sämtliche Personen, welche einen Anspruch auf eine IV-Rente haben, anspruchsberechtigt im Sinne von Artikel 2 ELG. Im Übrigen verweisen wir auf Ziffer 2.2.1.2.

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung in der IV und in der AHV werden in Buchstabe c redaktionelle Anpassungen notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 IVG in Ziff. 4.2 und Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG in Ziff. 4.4.3). Zusätzlich ist nötig, dass das 18. Altersjahr vollendet ist. Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung besteht nach heutigem Recht erst ab vollendetem 18. Altersjahr.

Die Assistenzentschädigung kann jedoch grundsätzlich bereits ab Geburt bezogen werden (Art. 42 Abs. 3 und 42bis Abs. 3 IVG). Gegenüber heute ist bei den Ergänzungsleistungen keine Ausdehnung der Anspruchsberechtigung beabsichtigt. Eine solche stand bisher auch nie zur Diskussion.

3302

Art. 3c

Anrechenbare Einnahmen

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung in der IV und in der AHV werden redaktionelle Anpassungen notwendig (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 IVG in Ziff. 4.2 und Erläuterungen zu Art. 43bis AHVG in Ziff. 4.4.3).

4.4.5

Änderung des UVG

Art. 24 Abs. 1

Anspruch

Die Anpassung des Wortlautes von Absatz 1 ist Folge der ausdrücklichen Gleichstellung der psychischen Gesundheitsschäden mit den körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden, welche im ganzen Sozialversicherungsrecht ­ d.h. im ATSG sowie in den Einzelgesetzen ­ erfolgt. Die Änderung ist rein formeller Natur (vgl.

hierzu Ziff. 1.2.4 und 2.6.1; Art. 5 IVG und Erläuterungen dazu in Ziff. 4.2 sowie dortige Verweise).

Art. 26

Anspruch

Die Einführung der Assistenzentschädigung beschränkt sich nicht nur auf die IV, sondern führt zu Begriffsanpassungen im gesamten Sozialversicherungsrecht. In den jeweiligen Gesetzen (ATSG, AHVG, UVG, MVG) werden die Ausdrücke «Hilflosigkeit» und «Hilflosenentschädigung» durch die Begriffe «Assistenzbedarf» und «Assistenzentschädigung» ersetzt. Im Gegensatz zum IVG handelt es sich bei den anderen Gesetzen (AHVG, UVG und MVG) lediglich um eine begriffliche Anpassung ohne materielle Änderung (vgl. Ziff. 1.2.4 und 2.3.1.5.4 sowie Erläuterungen zu Art. 9 ATSG in Ziff. 4.4.2).

Art. 27

Höhe

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung auch in der Unfallversicherung wird eine redaktionelle Anpassung der Bestimmung notwendig. Im Übrigen verweisen wir auf die Erläuterungen zu Artikel 26.

Art. 36 Abs. 1

Zusammentreffen verschiedener Schadensursachen

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 26 und 27.

Art. 103 Abs. 1

Militärversicherung

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 26 und 27.

Art. 118 Abs. 2 Bst. c

Übergangsbestimmungen

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu den Artikeln 26 und 27.

3303

4.4.6 Art. 4 Abs. 1

Änderung des MVG Gegenstand der Militärversicherung

Die Anpassung des Wortlautes von Absatz 1 ist Folge der ausdrücklichen Gleichstellung der psychischen Gesundheitsschäden mit den körperlichen und geistigen Gesundheitsschäden, welche im ganzen Sozialversicherungsrecht ­ d.h. im ATSG sowie in den Einzelgesetzen ­ erfolgt. Die Änderung ist rein formeller Natur (vgl.

hierzu Ziff. 1.2.4 und 2.6.1; Art. 5 IVG und Erläuterungen dazu in Ziff. 4.2 sowie dortige Verweise).

Art. 8 Bst. c

Leistungsarten

Die Einführung der Assistenzentschädigung beschränkt sich nicht nur auf die IV, sondern führt zu Begriffsanpassungen im gesamten Sozialversicherungsrecht. In den jeweiligen Gesetzen (ATSG, AHVG, UVG, MVG) werden die Ausdrücke «Hilflosigkeit» und «Hilflosenentschädigung» durch die Begriffe «Assistenzbedarf» und «Assistenzentschädigung» ersetzt. Im Gegensatz zum IVG handelt sich bei den anderen Gesetzen (AHVG, UVG und MVG) lediglich um eine begriffliche Anpassung ohne materielle Änderung (vgl. Ziff. 1.2.4 und 2.3.1.5.4 sowie Erläuterungen zu Art. 9 ATSG in Ziff. 4.4.2).

Art. 20 Sachüberschrift und Abs. 1 Zulagen für Hauspflege oder Kuren sowie Assistenzentschädigungen Durch die Einführung der Assistenzentschädigung auch in der Militärversicherung wird eine redaktionelle Anpassung notwendig. Im Übrigen verweisen wir auf die Erläuterungen zu Artikel 8.

Art. 48 Abs. 1

Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsbeginn

Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 4.

Art. 76

Unfallversicherung

Durch die Einführung der Assistenzentschädigung auch in der Militärversicherung wird eine redaktionelle Anpassung notwendig. Im Übrigen verweisen wir auf die Erläuterungen zu Artikel 8.

5

Weitere Auswirkungen

5.1

Finanzielle Auswirkungen

5.1.1

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Gemäss Artikel 78 IVG trägt der Bund 37,5 Prozent der jährlichen Ausgaben der IV. Bei den EL leistet der Bund Beiträge an die Aufwendungen der Kantone, welche je nach Finanzkraft 10­35 Prozent der jährlichen kantonalen Ausgaben betragen

3304

(Art. 9 Abs. 2 ELG), im Durchschnitt rund 21 Prozent. Der Anteil an den Ausgaben der AHV beträgt zur Zeit 16,36 Prozent86.

Der Beurteilung der langfristigen Auswirkungen auf den Bund sind die finanziellen Auswirkungen der Revision im Jahr 2003 zu Grunde zu legen. Für den Bund ergeben sich insgesamt Einsparungen von jährlich 86 Millionen Franken (vgl. Ziff.

3.1.2). Die Einsparungen in der IV und der AHV wirken sich mit 87 bzw. 4 Millionen Franken pro Jahr auf den Bund aus, die höheren Ausgaben bei den EL haben Mehrausgaben des Bundes von 5 Millionen Franken pro Jahr zur Folge.

Für das Ausmass der Auswirkungen in den ersten 15 Jahren wird der Finanzhaushalt der IV betrachtet (vgl Tabelle in Ziff. 3.2 sowie Anhangstabelle 2). Während für den Bund in den ersten drei Jahren noch Mehrausgaben von durchschnittlich rund 38 Millionen Franken entstehen, ist ab dem fünften Jahr mit Minderausgaben zu rechnen. Über den ganzen Betrachtungszeitraum ergibt sich eine Entlastung von jährlich durchschnittlich 42 Millionen Franken.

5.1.2

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Der Anteil der Kantone an den jährlichen Ausgaben der IV beläuft sich auf 12,5 Prozent (Art. 78 IVG). Die Ausgaben für Ergänzungsleistungen werden zu 65­90 Prozent durch die Kantone getragen (Art. 9 Abs. 2 ELG e contrario). Der Anteil an den Ausgaben der AHV beträgt zur Zeit 3,64 Prozent87.

Der Beurteilung der langfristigen Auswirkungen auf die Kantone sind die finanziellen Auswirkungen der Revision im Jahr 2003 zu Grunde zu legen. Für die Kantone ergeben sich insgesamt Einsparungen von jährlich 14 Millionen Franken (vgl. Ziff.

3.1.2). Die Einsparungen in der IV und der AHV wirken sich mit 30 Millionen bzw.

1 Million Franken pro Jahr auf die Kantone aus, die Mehrausgaben bei den EL haben Mehrausgaben der Kantone von 17 Millionen Franken zur Folge.

Für das Ausmass der Auswirkungen in den ersten 15 Jahren wird der Finanzhaushalt der IV betrachtet (vgl Tabelle in Ziff. 3.2 sowie Anhangstabelle 2). Während für die Kantone in den ersten drei Jahren noch Mehrausgaben von durchschnittlich rund 13 Millionen Franken entstehen, ist ab dem fünften Jahr mit Minderausgaben zu rechnen. Über den ganzen Betrachtungszeitraum ergibt sich eine Entlastung von jährlich durchschnittlich 14 Mio. Franken.

5.1.3

Finanzielle Auswirkungen auf die obligatorische Unfallversicherung und die Militärversicherung

Nach Artikel 20 Absatz 2 UVG gewährt die Unfallversicherung Komplementärrenten an Personen, welche infolge eines Unfalles eine IV-Rente beziehen. Die Komplementärrente entspricht der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der IV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität in der Unfallversicherung vorgesehenen Betrag. Für die Militärversicherung gilt die 86

87

Mit dem Stabilisierungsprogramm 98 wurde der Anteil des Bundes von 17,0 auf 16, 36 Prozent herabgesetzt, jener der Kantone auf 3,64 Prozent angehoben. Diese Massnahme muss bis spätestens 1. Januar 2005 durch eine neue Regelung ersetzt werden.

Vgl. Fussnote 86

3305

allgemeine Überentschädigungsregelung von Artikel 69 ATSG. Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verusachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen (Art. 69 Abs. 2 ATSG). Hat eine nach dem MVG rentenberechtigte Person gleichzeitig Anspruch auf eine Rente der IV, so wird die Rente der Militärversicherung um den Betrag der Überentschädigung gekürzt (Art. 69 Abs. 3 ATSG; Ausnahme: Altersrenten für Invalide nach Art. 77 MVG).

Die Aufhebung der Zusatzrente in der IV wird eine Erhöhung der Komplementärrenten der Unfallversicherung bzw. der Rentenleistungen der Militärversicherung nach sich ziehen. In der Unfallversicherung ist in den ersten 15 Jahren mit Mehrausgaben von durchschnittlich 18 Millionen Franken und langfristig mit rund 31 Millionen Franken im Jahr zu rechnen. In der Militärversicherung dürften die Ausgaben auch längerfristig lediglich um 1 bis 2 Millionen Franken im Jahr zunehmen.

5.2

Personelle Auswirkungen

Die Einführung regionaler ärztlicher Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV (vgl. Ziff. 2.4.1) erfordert zusätzliches ärztliches und nicht ärztliches Personal. Es handelt sich schätzungsweise um 75 ärztliche und 30 nicht ärztliche Stellen (1 Stelle beim BSV, die durch den Bund finanziert wird, und 74/30 Stellen, die durch die Versicherung finanziert werden). Die Verstärkung der Aufsicht des Bundes durch die jährliche Durchführung von Geschäftsprüfungen bei den IV-Stellen und den ärztlichen Diensten (vgl. Ziff. 2.4.2) ist nicht ohne eine deutliche Erhöhung des Personalbestandes im BSV zu bewerkstelligen. Die Durchführung von Geschäfsprüfungen in der jeweiligen Amtssprache der betroffenen Kantone erfordert ein interdisziplinäres und mehrsprachiges Team. Bestandteil der Prüfungen sind sämtliche Bereiche der individuellen Leistungen der IV. Hiervon wäre jedes Jahr in mindestens zwei bis drei Bereichen eine repräsentative Auswahl von Versichertendossiers zu prüfen. Für die wirksame und neu jährliche Erfüllung dieser Aufgaben braucht das Amt mindestens 10 zusätzliche Stellen. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Durchführungsorganen der IV, der ALV und der Sozialhilfe (vgl. Ziff.

2.5.3) fällt im Bereich der IV nicht ins Gewicht.

5.3

Auswirkungen auf die Informatik

Mit dem zusätzlichen Personalbedarf für die neu zu schaffenden ärztlichen Dienste sowie das BSV (vgl. Ziff. 5.2) entsteht auch ein entsprechender zusätzlicher Bedarf an Arbeitsmitteln der Informatik. Der Informatikbedarf der IV-Stellen geht zu Lasten der Versicherung, die zusätzlichen Arbeitsmittel des BSV zu Lasten des Bundes.

5.4

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

5.4.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Die 4. IV-Revision verfolgt hauptsächlich folgende Ziele: Sie soll einen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV leisten und beinhaltet gezielte Leistungsanpas3306

sungen, Massnahmen zur Verstärkung der Aufsicht des Bundes sowie Verbesserungen und Vereinfachungen der Struktur und des Verfahrens der IV (vgl. Ziff. 1.1.2).

Das erste Ziel steht in engem Zusammenhang mit der 11. AHV-Revision, welche u.a. Massnahmen zur Zusatzfinanzierung der IV ­ eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Verlagerung von Mitteln aus der EO in die IV ­ beinhaltet (vgl. Botschaft des Bundesrates zur 11. AHV-Revision vom 2. Februar 2000, BBl 2000 1865; vgl. Ziff. 1.2.3). Die in der Botschaft zur 11. AHV-Revision enthaltenen Ausführungen über die anstehenden Herausforderungen und Entwicklungen in Bezug auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Demografie sind auch im Zusammenhang mit der 4. IV-Revision massgebend.

Die Revisionsvorlage enthält verschiedene Massnahmen von unterschiedlicher volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Mit der Aufhebung der Zusatzrente sowie mit der Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten wird der Finanzhaushalt der IV vor allem längerfristig wirksam entlastet. Tendenziell kostendämpfend wirken sich auch die steuernden Massnahmen aus (Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten für Behinderte, Finanzierung wissenschaftlicher Auswertungen). Mehrausgaben sind insbesondere durch die Einführung einer Assistenzentschädigung, die Neugestaltung des IV-Taggeldsystems sowie die Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung zu erwarten. Die Einführung regionaler ärztlicher Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV dürfte kurzfristig zu Mehrausgaben, längerfristig jedoch zu einer (nicht quantifizierbaren) verminderten Zunahme der Rentenausgaben führen. Insgesamt ermöglicht die 4. IV-Revision auf lange Sicht eine Reduktion der jährlichen Ausgaben um 2,7%.

Sowohl die Einführung regionaler ärztlicher Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV als auch die Bedarfsplanung im Hinblick auf eine Steuerung des gesamtschweizerischen Angebots von Behinderteninstitutionen bedingen inhaltlich eine Zunahme staatlicher Vorgaben. Durch das Instrument der regionalen ärztlichen Dienste erhält die IV ein im Vergleich zu heute verstärktes und direkteres Instrument zur Überprüfung der Untersuchungstätigkeit behandelnder Ärztinnen und Ärzte. Die Bedarfsplanung beinhaltet eine klare
Kompetenz von Bund und Kantonen, das Angebot an Institutionen für Behinderte zu steuern. Angesichts der unbestritten vorhandenen, längerfristig kostendämpfenden Wirkung dieser Massnahmen ist eine staatliche Intervention in beiden Bereichen zu befürworten.

Mit der angestrebten Vereinfachung materieller Regelungen sowie einer verbesserten Koordination mit anderen Sozialversicherungen und der Sozialhilfe wird das Leistungssystem der IV für Leistungsbezügerinnen und -bezüger sowie für weitere betroffene Kreise übersichtlicher und besser handhabbar. Anpassungen an veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse (vgl. zivilstandsneutrales IV-Taggeldsystem, vermehrte Autonomie durch die Einführung der Assistenzentschädigung, Chancengleichheit im Bereich der beruflichen Weiterausbildung) und die Vereinheitlichung ähnlicher Leistungen (im Bereich der Assistenzentschädigung) stellen sinnvolle und nötige Verbesserungen dar.

3307

5.4.2

Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen

Personen mit Behinderungen und ihre Angehörige Für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige bringt die Revision ­ trotz der Aufhebung der Zusatzrenten und der Härtefallrenten ­ mehrheitlich Vorteile.

Die Assistenzentschädigung hat für betreuungsbedürftige Personen mit Behinderungen deutliche Verbesserungen zur Folge. Die erhöhten Ansätze bei selbstständigem Wohnen zu Hause fördern die Autonomie und ermöglichen es den betroffenen Behinderten, dass sie vermehrt und länger ausserhalb von Institutionen betreut werden können. Das Leistungssystem wird im Vergleich zu heute stark vereinfacht. Die Assistenzentschädigung trägt ferner zu einer erfolgreichen (beruflichen und sozialen) Eingliederung bei.

Das neue IV-Taggeldsystem bringt den betroffenen Behinderten grundsätzlich Vorteile, da es besser verständlich, transparenter und gerechter ist.

Mit der Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung wird bezüglich Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten die Chancengleichheit von behinderten im Vergleich zu nicht behinderten Menschen verwirklicht.

Schliesslich kommt die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Durchführungsorganen der IV, der ALV und einzelner Kantone im Bereich der beruflichen Eingliederung den betroffenen Personen mit Behinderungen zugute, indem sie ihre Arbeitsfähigkeit besser erhalten und wieder verwerten können.

Behinderteninstitutionen Die Einführung der Bedarfsplanung auf Gesetzesebene bringt für die Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten insofern keinen zusätzlichen Aufwand, als dieses Planungsinstrument bereits im März 1996 auf Verordnungsebene eingeführt worden ist.

Die vermehrte Autonomie von Menschen mit Behinderungen als Folge der Einführung der Assistenzentschädigung könnte allenfalls bewirken, dass die erwartete Zunahme der Wohnheimeintritte tendenziell etwas abgebremst werden könnte.

Arbeitgebende Die 4. IV-Revision hat keine Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten der Arbeitgebenden. Langfristig hat die Revision zwar Einsparungen zur Folge. Auf der anderen Seite sind für die Wiederherstellung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts Mehreinnahmen erforderlich, die im Rahmen der 11. AHV-Revision beschafft werden sollen (vgl. Ziff. 1.2.3).

Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bzw. für Unternehmen sind insbesondere diejenigen Revisionsmassnahmen von
Bedeutung, welche eine wirkungsvolle Eingliederung behinderter Menschen zum Zweck haben.

Mit verbesserten Informationsinstrumenten soll privaten und öffentlichen Arbeitgebenden vermehrt Hilfe und Unterstützung bei Fragen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Anstellung von Behinderten geboten werden. Dies wird dazu beitragen, dass behinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die ihnen mögliche und zumutbare Arbeitsleistung erbringen und zum Betriebserfolg bestmöglich beitragen können.

3308

Das neue IV-Taggeldsystem bringt für Arbeitgebende den Vorteil, dass es einfacher und verständlicher ist.

Die Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung behinderter Personen bewirkt, dass auf dem Arbeitsmarkt tendenziell besser qualifiziertes und motiviertes behindertes Personal zur Verfügung steht.

Arbeitnehmende Auf die Sozialabzüge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat die 4. IV-Revision keinen Einfluss.

Eine verbesserte gesamtschweizerische Information zu Fragen bezüglich der Arbeit Behinderter kommt behinderten Arbeitskräften und deren Arbeitskolleginnen und -kollegen zugute und wirkt sich positiv auf die Arbeitssituation aus.

Die Einführung der Assistenzentschädigung dürfte zur Folge haben, dass in Zukunft vermehrt Betreuungsarbeit von nicht qualifizierten Hilfspersonen (z.B. Verwandte, Bekannte) geleistet und entsprechend finanziell entschädigt wird. Tendenziell dürften dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Denkbar wäre auch ein gewisser Verlagerungseffekt von der qualifizierten Dritthilfe (z.B. Spitex) zu «nicht professioneller» Arbeit.

Das vereinfachte Taggeldsystem ist für behinderte Arbeitnehmerinnen und -nehmer besser verständlich.

Die Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung hat zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen ihre beruflichen Qualifikationen verbessern oder sich beruflich verändern und dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten oder gar verbessern können.

Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Durchführungsorganen der IV, der ALV und einzelner Kantone im Bereich der beruflichen Eingliederung verbessert und beschleunigt die Wiedereingliederung von behinderten Arbeitnehmenden ins Erwerbsleben.

Ärztinnen und Ärzte Durch die Einführung der regionalen ärztlichen Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV wird eine verbesserte Nachprüfung der ärztlichen Berichte durch die Organe der IV möglich. Dies dürfte u.a. auch zur Folge haben, dass der Qualität von Arztberichten in Zukunft vermehrt Bedeutung geschenkt werden wird.

5.4.3

Alternative Regelungen

Alternativen zur Einführung regionaler ärztlicher Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV sind nicht sinnvoll. Denkbar wäre allenfalls die Einräumung einer medizinischen Untersuchungskompetenz für die heutigen IV-Stellen-Ärztinnen und -Ärzte. Eine solche Massnahme würde jedoch nur bedingt zu den gewünschten Ergebnissen (insbesondere grössere Einheitlichkeit bei der Überprüfung der medizinischen Entscheidgrundlagen) beitragen.

Weitere Massnahmen zur Beeinflussung des Kostenwachstums bei den IV-Renten können noch nicht ergriffen werden, da die Gründe und Zusammenhänge des Ausgabenanstiegs zur Zeit noch zu wenig erhellt sind.

3309

Zur vermehrten Förderung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen wurden neben einer gesamtschweizerischen Informationsarbeit auch andere Modelle ­ wie z.B. steuerrechtliche und arbeitsmarktliche Anreizsysteme für Arbeitgebende, die Behinderte beschäftigen ­ geprüft (vgl. den in Ziff. 2.7.1 erwähnten Bericht «Mécanismes d'incitation à l'emploi des personnes handicapées»88). Diese sollen nicht im Rahmen der vorliegenden Revision realisiert werden, da für deren Einführung ein verhältnismässig zu hoher Einsatz an finanziellen Mitteln erforderlich wäre. Sie werden nun in einem weiteren Zusammenhang, unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, vertieft geprüft. Andere Massnahmen zur verbesserten Eingliederung ­ wie z.B. die finanzielle Unterstützung von in die freie Wirtschaft ausgelagerten Arbeitsplätzen für Behinderte ­ konnten zudem durch Verordnungsanpassungen oder mittels Abschluss entsprechender Leistungsverträge mit Organisationen der privaten Behindertenhilfe realisiert werden (vgl. Ziff. 2.7.1) Marktwirtschaftliche Alternativen zur Bedarfsplanung bei Institutionen würden nicht zum gewünschten Erfolg führen. Das Angebot von Behinderteninstitutionen darf nicht in erster Linie von wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden, sondern muss sich an den Bedürfnissen von behinderten Personen ausrichten. Die Planung ermöglicht eine Übersicht über das Angebot und erlaubt sowohl eine Sicherstellung als auch eine Steuerung der Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen.

5.4.4

Zweckmässigkeit im Vollzug

Die Revisionsmassnahmen sind insgesamt zweckmässig im Vollzug.

Die neuen Regelungen sind verständlicher und transparenter. Sie verursachen weniger Aufwand im Zusammenhang mit der Abklärung der Leistungsansprüche und der Auszahlung der Leistungen (vgl. insbes. Taggeld, Assistenzentschädigung, berufliche Weiterausbildung). Durch die Einführung des kantonalen Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten werden die bislang unklaren und unterschiedlichen Rechtswege vereinheitlicht und vereinfacht.

Die neuen regionalen ärztlichen Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV erfordern einen erhöhten Aufwand für die Beurteilung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen. Der zusätzliche administrative Aufwand kann durch logistische und organisatorische Massnahmen sowie durch den Einsatz der EDV möglichst tief gehalten werden.

6

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 vom 1. März 2000 angekündigt (Anhang 2 in Abschnitt 3.1, Soziale Sicherheit und Gesundheit, Rubrik «Richtliniengeschäfte», vgl. BBl 2000 2336).

88

Dieser Bericht vom 26. März 1999 wurde in französischer Sprache verfasst. Originaltitel: «Mécanismes d'incitation à l'emploi des personnes handicapées. Rapport du groupe de travail ». Vgl. auch Fussnote 69.

3310

7

Verhältnis zum europäischen Recht

7.1

Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft

Mit dem am 2. Oktober 1997 unterzeichneten Vertrag von Amsterdam wurden der Vertrag über die Europäische Union sowie die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften abgeändert. Gestützt auf den neuen Artikel 13 kann der Rat Massnahmen ergreifen zur Bekämpfung von Diskriminierungen, insbesondere wenn diese auf eine Behinderung zurückzuführen sind. Der Vertrag von Amsterdam ist am 1. Mai 1999 in Kraft getreten. Angesichts der Sachlage lässt sich sagen, dass sich der Gesetzgebungsprozess der Gemeinschaft im Bereich des sozialrechtlichen Schutzes noch immer auf die Umsetzung der Grundsätze des EG-Vertrages konzentriert.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche neu in Artikel 39 des EG-Vertrages verankert ist, verlangt die Errichtung eines Koordinationssystems der nationalen Systeme der Sozialen Sicherheit (Art. 42 des EG-Vertrages).

Dieses Prinzip ist in der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und in der entsprechenden Durchführungsverordnung Nr. 574/7289 festgelegt. Es bezweckt keine Harmonisierung der nationalen Systeme, sondern hat deren Koordination zum Ziel. Die Mitgliedstaaten können sowohl die Struktur wie auch die Grundsätze ihrer Systeme der sozialen Sicherheit selber festlegen, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Zu garantieren sind insbesondere die drei folgenden Grundprinzipen: Gleichbehandlung der eigenen Staatsangehörigen und der Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten, der Staatenlosen und Flüchtlinge; Totalisation der Versicherungszeiten, die in den einzelnen Staaten zurückgelegt wurden; Export der Sozialversicherungsleistungen in alle Staaten der Gemeinschaft. Der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erstreckt sich auf Personen mit der Staatsangehörigkeit eines EU-Staates, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern und eine unselbstständige oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, auf Staatenlose und Flüchtlinge sowie auf die Familienangehörigen und Hinterlassenen dieser Personen. Alle diese Personen sind während ihrer aktiven Erwerbsphase wie auch nach der Pensionierung oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit geschützt. Die Verordnungen gelten für
die klassischen Zweige der Sozialen Sicherheit. Dazu gehören insbesondere Leistungen bei Invalidität, auch jene, die der Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit dienen. Die Schweiz wird diesem Koordinationssystem mit der Inkraftsetzung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG beitreten (vgl. Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG; BBl 1999 6128).

Die Gleichstellung zwischen Mann und Frau ist ein weiterer Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Im Bereich der Sozialen Sicherheit wurden zwei Richtlinien erlassen: die Richtlinie 79/7 vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit90 sowie die Richtlinie 86/378 vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betriebli89

90

Kodifiziert durch die Verordnung des Rates Nr. 118/97; ABl Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung des Rates Nr. 1399/1999, ABl Nr. L 164 vom 30.6.1999, S. 1 ABl Nr. L 6 vom 10.1.1979, S. 24

3311

chen Systemen der sozialen Sicherheit91. Diese wurde durch die Richtlinie 96/97 vom 20. Dezember 1996 geändert92.

Der Rat hat zudem Empfehlungen im Rahmen der Sozialpolitik verabschiedet. Zu erwähnen sind insbesondere die Empfehlung vom 24. Juni 1992 über gemeinsame Kriterien für ausreichende Zuwendungen und Leistungen im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherung93 sowie die Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes94. Die erste Empfehlung hat die Anerkennung eines grundlegenden Anspruchs auf ausreichende Zuwendungen und Leistungen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens zum Ziel.

Sie enthält eine Reihe allgemeiner Grundsätze und an die Mitgliedstaaten gerichteter praktischer Orientierungen, die auf die Anerkennung und Umsetzung dieses Grundrechts zielen. Die zweite Empfehlung legt eine Reihe von Grundsätzen und Orientierungen zuhanden der Mitgliedstaaten fest, mit dem Ziel, eine Annäherung der nationalen Politiken in den Bereichen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Alter und Familie zu erzielen. Auch auf Grund dieser Empfehlungen können die Mitgliedstaaten die Konzeption, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit selber festlegen.

Ferner hat der Rat am 17. Juni 1999 eine Entschliessung betreffend gleiche Beschäftigungschancen für behinderte Menschen verabschiedet95. Danach sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, geeignete präventive und aktive politische Ansätze zu erarbeiten mit dem Ziel, die Eingliederung von behinderten Personen auf dem Arbeitsmarkt, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor, zu begünstigen.

7.2

Instrumente des Europarats

Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 am 16. September 1977 ratifiziert (AS 1978 1491) und damit insbesondere den Teil IX betreffend die Leistungen bei Invalidität angenommen.

Die Rolle der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit besteht in erster Linie darin, dafür zu sorgen, dass die nationalen Gesetzgebungen der Vertragsstaaten einen gewissen Mindestschutz garantieren. So muss beispielsweise die ausgerichtete Invalidenrente für den Typus des Leistungsempfängers (Mann mit Ehefrau und 2 Kindern) mindestens 40 Prozent seines früheren Verdienstes betragen. Schreibt die nationale Gesetzgebung eine Höchstgrenze für den Leistungsbetrag oder für den Verdienst vor, auf dessen Grundlage die Leistung berechnet wird (wie es nach IVG der Fall ist), so darf der Leistungsbetrag für den Typus des Leistungsempfängers nicht kleiner sein als die in der Europäischen Ordnung festgelegte Leistungshöhe für einen männlichen gelernten Arbeiter (Definition gemäss Ordnung).

In Bezug auf die Finanzierung sieht die Ordnung vor, dass die Leistungen und die Verwaltungskosten durch Beiträge oder Steuern ­ oder aus beiden zusammen ­ zu finanzieren sind, und zwar so, dass Minderbemittelte nicht übermässig belastet werden. Dabei sind die wirtschaftliche Lage der Vertragspartei und jene der geschützten 91 92 93 94 95

ABl Nr. L 225 vom 12.8.1986, S. 40 ABl Nr. L 46 vom 17.2.1997, S. 20 ABl Nr. L 245 vom 26.8.1992, S. 46 ABl Nr. L 245 vom 26.8.1992, S. 49 ABl Nr. C 186 vom 2.7.1999, S. 3

3312

Personen zu berücksichtigen. Zudem darf die Summe der von den geschützten Arbeitnehmenden aufzubringenden Versicherungsbeiträge 50 Prozent der Summe der für den Schutz der Arbeitnehmer und ihrer Ehefrauen und Kinder bestimmten Mittel nicht übersteigen.

Im Übrigen beinhaltet die Ordnung eine Bestimmung über das Ruhen (d.h. Verweigerung, Kürzung oder Aufhebung) von Leistungen. Gemäss Artikel 68 Buchstabe f ist eine Leistungskürzung nur möglich, wenn die Invalidität vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Nach Buchstabe g desselben Artikels kann eine Leistung zudem aufgehoben werden, wenn die betreffende Person es unterlässt, die ihr zur Verfügung stehenden Einrichtungen des ärztlichen Dienstes oder für die Rehabilitation zu benutzen.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 ist ein von der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit zu unterscheidendes Abkommen, welches diese nicht ersetzt. Die (revidierte) Ordnung geht über die Bestimmungen der Ordnung von 1964 hinaus ­ insbesondere durch die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs und die Verbesserung der Leistungsarten und des Leistungsniveaus. Sie ist gleichzeitig aber auch flexibler: Die Bedingungen für die Ratifikation wurden abgeschwächt und die Bestimmungen sind genügend flexibel formuliert, um die nationalen Gesetzgebungen so weit als möglich berücksichtigen zu können. Trotzdem ist die revidierte Ordnung noch von keinem Staat ratifiziert worden, weshalb sie noch nicht in Kraft getreten ist.

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, ist die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 das Pendant zur europäischen Menschenrechtskonvention. Die Schweiz hat die Sozialcharta unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Artikel 12 sieht das Recht auf soziale Sicherheit vor und gehört zu den sieben Artikeln, die den «harten Kern» der Charta bilden; für eine Ratifizierung müssen fünf dieser sieben Artikel vollumfänglich angenommen werden. In Absatz 3 dieses Artikels ist insbesondere vorgesehen, dass sich die Vertragsparteien bemühen, «das System der Sozialen Sicherheit fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen».

Artikel 15 schreibt vor, dass körperlich, geistig oder seelisch Behinderte ein Anrecht auf eine berufliche Ausbildung sowie auf berufliche und soziale Eingliederung
oder Wiedereingliederung haben.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Sie ist ebenfalls ein neues Abkommen, welches das alte nicht ersetzt. Das Recht auf Soziale Sicherheit ist in Artikel 12 enthalten. Artikel 15 hält das Recht behinderter Personen auf Autonomie, soziale Integration und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben fest. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten. Die Schweiz hat dieses Instrument nicht ratifiziert.

7.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Die Vereinbarkeit der Revisionsvorlage mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft ist gegeben. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Durchführungsorganen der IV, der Arbeitslosenversicherung und der Kantone (vgl. Ziff. 2.5.3) sowie die Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung (vgl.

3313

Ziff. 2.3.3) gehen in die Richtung, welche in der Entschliessung betreffend gleiche Beschäftigungsschancen für behinderte Menschen empfohlen wird.

Die Revisionsvorlage steht auch im Einklang mit den Verpflichtungen, die sich bei einem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Gemeinschaft für die Schweiz ergeben werden. Die im Freizügigkeitsabkommen vorgesehene Mitwirkung an der zwischen den EU-Staaten bestehenden Koordination der Sozialversicherungen belässt der Schweiz das uneingeschränkte Recht der freien Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungsgesetze (vgl. Ziff. 7.1). Sie muss aber bei deren praktischen Durchführung den Koordinationsgrundsätzen Rechnung tragen.

Einer dieser Grundsätze betrifft die Auslandszahlung der Geldleistungen. Bei den Verhandlungen mit der EU konnte die Schweiz hinsichtlich der Hilflosenentschädigungen eine Ausnahme von der Auslandszahlungspflicht erwirken, unter der Voraussetzung, dass diese Leistungen ausschliesslich von der öffentlichen Hand finanziert werden. Die eidgenössischen Räte haben im Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft anderseits über die Freizügigkeit (BBl 1999 8643) dementsprechend eine Änderung der Finanzierung beschlossen. Auch die Finanzierung der Assistenzentschädigung soll aus Mitteln der öffentlichen Hand erfolgen. Damit bleibt die Ausrichtung von Leistungen weiterhin auf Personen in der Schweiz beschränkt. Dies ist gerechtfertigt, weil auch andere an der Sozialversicherungskoordination mitwirkende Staaten ähnliche Leistungen kennen und diese ebenfalls nur im Inland ausrichten. Der auf den wirtschaftlichen Härtefall zurückzuführende «Härtefallteil» der Härtefallrente ist gemäss Freizügigkeitsabkommen von der Auslandszahlungspflicht ausgenommen (vgl. Ziff. 2.2.1.2). Eine Verlagerung in die Ergänzungsleistungen bringt diesbezüglich keine Änderung, da das Abkommen auch die Ergänzungsleistungen von der Auslandszahlungspflicht ausnimmt.

Die Revisionsvorlage ist auch mit den Instrumenten des Europarates vereinbar.

Trotz Aufhebung der Zusatzrente für Ehegatten liegt die Höhe der Invalidenrente für den Typus des Leistungsempfängers im Sinne der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit immer noch über den darin vorgesehenen
Ansätzen. Ferner geht die Revisionsvorlage mit der Einführung der Assistenzentschädigung in der Invalidenversicherung in die in Artikel 12 Absatz 3 der Europäischen Sozialcharta aufgezeigte Richtung.

8

Vereinbarkeit mit dem neuen Finanzausgleich

Der neue Finanzausgleich soll im Gesamtergebnis weder den Bund noch die Kantone belasten oder entlasten. In Bezug auf die Leistungen der Sozialversicherungen soll er keinen Leistungsabbau, aber auch keinen Leistungsausbau bewirken.

Nach dem heutigen Stand der Arbeiten zum Neuen Finanzausgleich sollen die Finanzierung und der Vollzug der individuellen Leistungen der IV (Renten, Hilflosenentschädigungen, Taggelder) vollständig Bundessache werden. Neu soll der Bund zuständig sein, in den Kantonen die IV-Stellen einzurichten. Die Beiträge an Institutionen für Behinderte (Werkstätten, Wohnheime, Eingliederungsstätten, Sonderschulen) sollen demgegenüber kantonalisiert und der interkantonalen Zusammenarbeit zugeordnet werden. Ferner wird vorgeschlagen, dass sich die IV aus der Finanzierung der Ausbildungsstätten für das Fachpersonal zurückzieht, da dies eine so 3314

genannte Verbundaufgabe (Annahme 1/3 Bundesbeteiligung) darstellt. Schliesslich sollen im Sinne einer Teilentflechtung der Beiträge an Dachorganisationen der privaten Behindertenhilfe grundsätzlich die Kantone zuständig werden, wobei der Bund bzw. die IV Aufgaben der Behindertenhilfe von nationalem oder sprachregionalem Charakter nach wie vor unterstützen soll.

In der 4. IV-Revision werden keine strukturellen Veränderungen innerhalb der IV vorgeschlagen, welche ein Präjudiz für den Neuen Finanzausgleich schaffen würden. Ein inhaltlicher Bezug zwischen der Revision und dem Neuen Finanzausgleich besteht in folgenden Punkten: Die Mehrausgaben infolge Einführung einer Assistenzentschädigung, der Aufhebung der Härtefallrenten und Schaffung eines EL-Anspruchs für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten, des neuen Taggeldsystems sowie der Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung gingen bei der Realisierung der Vorschläge des Neuen Finanzausgleichs maximal zur Hälfte (der genaue Prozentsatz ist noch zu ermitteln) zu Lasten des Bundes. Demgegenüber würde bei Beibehaltung des geltenden Systems der Anteil des Bundes an den Ausgaben lediglich 37,5 Prozent betragen.

Allenfalls notwendige Anpassungen des IVG werden nach Vorliegen der Entscheide bezüglich des neuen Finanzausgleichs erfolgen müssen. Weiter wird in diesem Zeitpunkt auch der Finanzhaushalt der IV neu zu berechnen sein. Es versteht sich von selbst, dass allfällige Mehrausgaben im Rahmen der Saldobilanz zwischen Bund und Kantonen ausgeglichen werden müssten.

9

Rechtliche Grundlagen

9.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorgeschlagenen Änderungen des IVG und des AHVG stützen sich auf Artikel 112, diejenigen des ELG auf Artikel 196 Ziffer 10 BV (Übergangsbestimmung zu Art. 112).

9.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der IV, der AHV und der EL erforderlichen Regelungskompetenzen werden wie üblich an den Bundesrat delegiert. Im Einzelnen kann er zusätzlich zu seinen bestehenden Kompetenzen neu in folgenden Bereichen Bestimmungen erlassen: ­

Ausrichtung selbstamortisierender Darlehen: Festsetzung der Darlehenssumme (Art. 21bis Abs. 3 IVG);

­

Abzug vom Taggeld bei Unterkunft und Verpflegung auf Kosten der Invalidenversicherung: Festsetzung der Höhe des Abzuges (Art. 24bis IVG);

­

Assistenzentschädigung: Definition des Aufenthalts in einer Institution und Erlass spezifischer Ausnahmebestimmungen (Art. 42 Abs. 4 IVG); Festsetzung der Höhe des Kostgeldbeitrags für Minderjährige, die sich in einem Heim aufhalten (Art. 42ter Abs. 2 IVG); Regelung der Einzelheiten des Intensivpflegezuschlags (Art. 42ter Abs. 3 IVG); 3315

­

Regelung der Organisation und der Aufgaben der regionalen ärztlichen Dienste sowie der Befugnisse des zuständigen Bundesamtes (Art. 59 Abs. 2 IVG);

­

Gesamtschweizerische Information: Bestimmungen über die Art und Weise der Information (Art. 68 Abs. 2 IVG);

­

Erlass von Vollzugsverordnungen: Möglichkeit der Weiterdelegation an das zuständige Bundesamt (Art. 86 Abs. 2 IVG);

­

Besitzstandswahrung bei der Aufhebung der Härtefallrenten: Regelung weiterer Einzelheiten des Verfahrens (Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG).

Zudem werden folgende Kompetenzen direkt an das zuständige Bundesamt (zur Zeit das BSV) delegiert: ­

Taggeld: Aufstellen verbindlicher Tabellen für die Ermittlung der Taggelder (Art. 24 Abs. 5 IVG);

­

Bedarfsplanung: Regelung des Verfahrens für die Einreichung der Bedarfsplanung der Kantone und Festlegung der Genehmigungskriterien (Art. 73 Abs. 4 IVG);

­

Beiträge nach den Artikeln 73 und 74 IVG: Regelung der Berechnung der Beiträge und der Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen (Art. 75 Abs. 1 IVG);

­

Erlass von Vollzugsverordnungen, sofern der Bundesrat die Kompetenz dazu erteilt (Art. 86 Abs. 2 IVG);

­

Beiträge nach Artikel 101bis AHVG: Regelung der Berechnung der Beiträge und der Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen (Art. 101bis Abs. 2 AHVG).

9.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Die vorliegende Änderung des IVG erfolgt demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

3316

8 301 8 715 9 442 9 471 9 912 9 994 10 197 10 716 10 760 11 179 11 173 11 581 11 543 11 944 11 884 11 830 12 435 12 371 12 778

0 0 0 0 0 0 90 95 94 97 94 91 96 94 99

61 92 135 182 138 110 69 35 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10

8 362 8 807 9 577 9 653 10 050 10 104 10 266 10 751 10 763 11 179 11 263 11 676 11 637 12 041 11 978 11 921 12 531 12 465 12 887

3317

Rentenanpassung: 2001, 03, 06, 08, 10, 12, 15

3 381 3 500 3 589 3 618 3 646 3 669 3 716 3 762 3 798 3 841 3 875 3 923 3 952 3 991 4 019 4 050 4 092 4 122 4 161

Einnahmen

Total

Beiträge und Regress

11. AHV- Zinsen Revision

Ausgaben

Geltende Ordnung 1)

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in %: Jahr 2000 2001­2004 ab 2005 Lohn 2,0 2,0 3,5 Preis 1,5 1,75 2,5

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Jahr

Beträge in Millionen Franken

IV-Finanzhaushalt mit 11. AHV-Revision

27 25 22 20 23 22 24 24 22 23 23 23 24 23 23

1 707 2 324 2 354 2 377 2 400 1 825 1 842 1 859 1 875 1 890 1 906 1 921 1 937 1 954 1 970

Mehrwertsteuer 2)

4 181 4 403 4 788 4 826 5 024 5 051 5 133 5 375 5 381 5 590 5 631 5 838 5 818 6 021 5 988 5 960 6 265 6 232 6 443

Öffentliche Hand

0 0 0 0 0 0 0 0 0 15 18 19 19 16 13 13 7 0 0

Zinsen

7 562 7 903 8 377 8 444 10 404 11 069 11 225 11 534 11 602 11 293 11 390 11 663 11 686 11 941 11 949 11 967 12 325 12 331 12 597

Total

- 800 - 904 -1 200 -1 209 354 965 959 783 839 114 127 - 13 49 - 100 - 29 46 - 206 - 134 - 290

-1 486 -2 390 -3 590 -4 737 -2 853 -1 839 - 835 - 32 808 902 1 007 969 994 870 820 846 619 470 169

Stand Ende Jahr 3)

Kapitalkonto der IV Jährliche Veränderung

3) 1.1.2003: 1500 Mio. Fr. Überweisung von der EO

2) Erhöhung der Mehrwertsteuer (linear), Anteil Bund 0,1875 Prozentpunkte 1.1.2003: 1,0 Prozentpunkte 1.1.2008: ­0,2 Prozentpunkte

1) inklusive EU-Abkommen ab 1.7.2001

Beiträge 11. AHVRevision

BSV / 15.2.2001

-17.8 -27.1 -37.5 -49.1 -28.4 -18.2 -8.1 -0.3 7.5 8.1 8.9 8.3 8.5 7.2 6.8 7.1 4.9 3.8 1.3

in Prozenten der Ausgaben

zu Preisen von 2001

Anhangtabelle 1

Total

3 381 3 500 3 589 3 618 3 646 3 669 3 716 3 762 3 798 3 841 3 875 3 923 3 952 3 991 4 019 4 050 4 092 4 122 4 161 27 25 22 20 23 22 24 24 22 23 23 23 24 23 23

1 707 2 324 2 354 2 377 2 400 1 825 1 842 1 859 1 875 1 890 1 906 1 921 1 937 1 954 1 970

4 181 4 403 4 788 4 826 5 103 5 103 5 160 5 378 5 364 5 552 5 577 5 762 5 733 5 921 5 882 5 848 6 136 6 099 6 293

0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 16 19 22 23 24 28 28 27 23

Zinsen

7 562 7 903 8 377 8 444 10 483 11 121 11 252 11 537 11 585 11 250 11 334 11 587 11 604 11 848 11 854 11 870 12 217 12 225 12 470

Total

- 800 - 904 -1 200 -1 209 275 914 932 780 854 146 180 62 137 7 90 173 - 56 25 - 118

Jährliche Veränderung

-1 486 -2 390 -3 590 -4 737 -2 932 -1 968 - 988 - 184 674 804 964 1 002 1 115 1 095 1 158 1 303 1 215 1 210 1 062

Stand Ende Jahr 3)

2001­2004 2,0 1,75

ab 2005 3,5 2,5

3318

Rentenanpassung: 2001, 03, 06, 08, 10, 12, 15

2000 2,0 1,5

3) 1.1.2003: 1500 Mio. Fr. Überweisung von der EO

2) Erhöhung der Mehrwertsteuer (linear), Anteil Bund 0,1875 Prozentpunkte 1.1.2003: 1,0 Prozentpunkte 1.1.2008: ­0,2 Prozentpunkte

8 362 8 807 9 577 9 653 10 208 10 207 10 320 10 757 10 731 11 104 11 154 11 525 11 467 11 841 11 764 11 697 12 273 12 200 12 588

Öffentliche Hand

1) inklusive EU-Abkommen ab 1.7.2001

156 99 48 -1 - 38 - 75 - 109 - 151 - 170 - 200 - 214 - 224 - 258 - 265 - 289

61 92 135 182 140 114 75 42 9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Beiträge Mehrwert11. AHV- steuer Revision 2)

BSV / 15.2.2001

-17.8 -27.1 -37.5 -49.1 -28.7 -19.3 -9.6 -1.7 6.3 7.2 8.6 8.7 9.7 9.2 9.8 11.1 9.9 9.9 8.4

in Prozenten der Ausgaben

zu Preisen von 2001 Kapitalkonto der IV

Jahr Lohn Preis

8 301 8 715 9 442 9 471 9 912 9 994 10 197 10 716 10 760 11 179 11 263 11 676 11 637 12 041 11 978 11 921 12 531 12 465 12 877

Beiträge und Regress

Zinsen

Geltende Ordnung, inkl.

11. AHV-Rev.

1)

4. IVRevision

Einnahmen

Ausgaben

Anhangtabelle 2

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in %:

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Jahr

Beträge in Millionen Franken

IV-Finanzhaushalt mit 11. AHV-Revision und 4. IV-Revision

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3206

1 Allgemeiner Teil 3208 1.1 Ausgangslage 3208 1.1.1 Grundlagen der IV 3208 1.1.1.1 Verfassungsauftrag 3208 1.1.1.2 Aufgabe und Ziel der IV 3208 1.1.2 Notwendigkeit und Ziele der 4. IV-Revision 3208 1.1.3 Kostenentwicklung in der IV 3210 1.1.3.1 Entstehung des finanziellen Ungleichgewichts und Erhöhung des IV-Beitragssatzes im Rahmen der 2. IVRevision 3210 1.1.3.2 Verlagerung von Mitteln des Ausgleichsfonds der EO in die IV auf den 1. Januar 1998 3211 1.1.3.3 Bundesbeschluss über die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV 3211 1.1.4 Analyse der finanziellen Situation 3212 1.1.4.1 Kostenentwicklung allgemein 3212 1.1.4.2 Entwicklung der Ausgaben im Bereich der Renten und mögliche Ursachen für das Ausgabenwachstum 3214 1.1.4.2.1 Allgemeine Bemerkungen 3214 1.1.4.2.2 Die Schweiz im internationalen Vergleich 3214 1.1.4.2.3 Krankheit als Hauptinvaliditätsursache 3216 1.1.4.2.4 Mangelndes IV-spezifisches Fachwissen der Ärztinnen und Ärzte und gewandelter Krankheitsbegriff 3217 1.1.4.2.5 Wirksamkeit der beruflichen Massnahmen 3218 1.1.4.2.6 Zusammenhang zwischen Invalidität und Arbeitslosigkeit?

3219 1.1.4.2.7 Geplante Untersuchungen 3220 1.1.4.3 Entwicklung der Ausgaben im Bereich der kollektiven Leistungen 3221 1.1.5 Parlamentarische Vorstösse 3222 1.2 Vorarbeiten 3223 1.2.1 Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision 3223 1.2.2 Vereinigung der beiden Teile der 4. IV-Revision 3223 1.2.3 11. AHV-Revision 3224 1.2.4 Verhältnis zum Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) 3224 1.2.5 Verhältnis zum Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) 3225 1.2.6 Stellungnahme der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission 3227 1.2.7 Ergebnis der Vernehmlassung 3228 2 Inhalte der 4. IV-Revision 2.1 Vorbemerkung 2.2 Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der IV

3234 3234 3234 3319

2.2.1 Einsparungen für die IV 3234 2.2.1.1 Aufhebung der Zusatzrente 3234 2.2.1.2 Aufhebung der Härtefallrente und Schaffung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen für Bezügerinnen und Bezüger von Viertelsrenten 3235 2.2.2 Verstärkte Kostensteuerung 3237 2.2.2.1 Bedarfsplanung für Werkstätten, Wohnheime und Tagesstätten 3237 2.2.2.2 Gesetzliche Grundlage für die Finanzierung wissenschaftlicher Auswertungen 3237 2.3 Leistungsverbesserungen 3238 2.3.1 Einführung einer Assistenzentschädigung 3238 2.3.1.1 Allgemeines 3238 2.3.1.2 Notwendigkeit höherer Leistungen für Pflege und Betreuung3238 2.3.1.3 Notwendigkeit weiterer Verbesserungen 3239 2.3.1.3.1 Geltendes System 3239 2.3.1.3.2 Mängel des geltenden Systems 3241 2.3.1.4 Leistungen anderer Finanzierungsträger im Bereich Pflege und Betreuung 3242 2.3.1.5 Die Assistenzentschädigung 3243 2.3.1.5.1 Grundsatz 3243 2.3.1.5.2 Korrekturbereiche 3244 2.3.1.5.2.1 Korrekturbereich 1: Besserstellung von Kindern und Jugendlichen zu Hause 3244 2.3.1.5.2.2 Korrekturbereich 2: Besserstellung von erwachsenen Behinderten, welche nicht im Heim wohnen 3245 2.3.1.5.2.3 Korrekturbereich 3: Besserstellung von erwachsenen psychisch oder leicht geistig Behinderten, die nicht im Heim wohnen 3245 2.3.1.5.3 Beträge der Assistenzentschädigung 3246 2.3.1.5.4 Verhältnis zu anderen Sozialversicherungen 3249 2.3.1.5.4.1 Verhältnis zur AHV 3249 2.3.1.5.4.2 Verhältnis zur obligatorischen Unfallversicherung (UV) und zur Militärversicherung (MV) 3249 2.3.1.5.5 Mehrausgaben der Assistenzentschädigung 3250 2.3.2 Neugestaltung des IV-Taggeldsystems 3251 2.3.3 Leistungsausweitung im Bereich der beruflichen Weiterausbildung 3256 2.4 Verstärkung der Aufsicht des Bundes 3258 2.4.1 Regionale ärztliche Dienste unter der fachlichen Aufsicht des BSV 3258 2.4.2 Jährliche Geschäftsprüfungen 3259 2.5 Verbesserung und Vereinfachung der Struktur und des Verfahrens der IV 3260 2.5.1 Allgemeines 3260 2.5.2 Einführung eines Schiedsgerichtes für Tarifstreitigkeiten 3261

3320

2.5.3 Zusammenarbeit zwischen IV-Stellen, Durchführungsorganen der Arbeitslosenversicherung und für die Förderung der beruflichen Eingliederung zuständigen kantonalen Durchführungsstellen 2.6 Weitere Massnahmen 2.6.1 Präzisierung des Invaliditätsbegriffs 2.6.2 Einführung einer gesetzlichen Grundlage für selbstamortisierende Darlehen 2.6.3 Gesamtschweizerische Informationsarbeit 2.6.4 Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen: Erwähnung des Aufgabenbereichs im Gesetz 2.6.5 Regelung der Invaliditätsbemessungsmethoden für nicht erwerbstätige und teilerwerbstätige Personen auf Gesetzesebene 2.6.6 Nachtrag zur 10. AHV-Revision: Ausdehnung des Anspruchs auf Hilfsmittel in der AHV auf Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen 2.7 Nicht berücksichtigte Revisionsbegehren 2.7.1 In der Botschaft zum ersten Teil der 4. IV-Revision zur Prüfung angekündigte Massnahmen 2.7.2 Weitere zur Prüfung beantragte Massnahmen 3 Finanzielle Auswirkungen der Revisionsmassnahmen 3.1 Finanzielle Auswirkungen der Revision auf die IV, die AHV und die EL 3.1.1 Auswirkungen im Durchschnitt der ersten 15 Jahre (mit Übergangseffekten) 3.1.2 Auswirkungen ohne Übergangseffekte 3.2 Finanzhaushalt der IV

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4 Besonderer Teil: Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 3280 4.1 Vorbemerkung 3280 4.2 Änderung des IVG 3280 4.3 Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG 3296 4.4 Änderung weiterer Bundesgesetze 3299 4.4.1 Änderung des Bundesgesetzes über den Wehrpflichtersatz (WPEG) 3299 4.4.2 Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) 3299 4.4.3 Änderung des AHVG 3300 4.4.4 Änderung des ELG 3302 4.4.5 Änderung des UVG 3303 4.4.6 Änderung des MVG 3304 5 Weitere Auswirkungen 5.1 Finanzielle Auswirkungen 5.1.1 Finanzielle Auswirkungen auf den Bund 5.1.2 Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone 5.1.3 Finanzielle Auswirkungen auf die obligatorische Unfallversicherung und die Militärversicherung 5.2 Personelle Auswirkungen

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5.3 Auswirkungen auf die Informatik 5.4 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 5.4.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 5.4.2 Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen 5.4.3 Alternative Regelungen 5.4.4 Zweckmässigkeit im Vollzug

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6 Legislaturplanung

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7 Verhältnis zum europäischen Recht 7.1 Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft 7.2 Instrumente des Europarats 7.3 Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

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8 Vereinbarkeit mit dem neuen Finanzausgleich

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9 Rechtliche Grundlagen 9.1 Verfassungsmässigkeit 9.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 9.3 Erlassform

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Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (Entwurf)

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