Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 20. September 2000, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0); Artikel 1, 3 Absatz 1, 9, 10 und 11 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG; SR 235.154); in Sachen Universitätsspital Genf (HUG) betreffend Gesuch vom 27. Oktober 1999 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens verfügt:

Bewilligungsnehmer Dem Universitätsspital Genf wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Der Verantwortliche für die Bewilligungsforschung ist der medizinische Direktor Prof. Dr. med. Pierre Dayer.

Durch die Bewilligung wird dem mit dienstinterner Forschung betrauten Personal des Universitätsspitals Genf sowie den Doktoranden gestattet, zu Forschungszwekken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Daten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Datenanleger dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Universitätsspitals Genf. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten von andern Spitäler oder medizinischen Instituten angewiesen sein, oder soll externen Forschern Einblick in nicht anonymisierte Daten des Universitätsspitals Genf gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in den spitalinternen Datenbanken und Papierdateien die für interne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

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Bedingungen Wenn die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne, dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

Es dürfen nur dann ohne Einwilligung nicht anonymisierte Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Die Patientinnen und Patienten sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Daten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Der verantwortliche ärztliche Direktor hat den Schutz der Daten und die Befolgung allfällig erhobener Verwendungsverbote sicherzustellen.

Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das Universitätsspital Genf ist befugt, Krankendokumentationen sowohl in Papier- wie auch in elektronischer Form zu führen. Es hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben klar getrennt werden von den bereits anonymisierten Daten.

b.

Zu Forschungszwecken können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Universitätsspitals Genf sowie die Doktorandinnen und Doktoranden mit Einwilligung der jeweils zuständigen Chefärztin oder des leitenden Arztes auf neues Datenmaterial Zugriff nehmen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung des Chefarztes oder der Chefärztin einzuholen.

Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

Massnahmen für die Anonymisierung Die den Dateien des Universitätsspitals entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der registriereten Personen möglich ist.

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Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt muss eine ,,non-obstat" Erklärung einer Ethikkommission eingeholt werden. Sie steht unter der Verantwortung der zentralen Ethikkommission. Sie hat neben der Überprüfung der ethischen Voraussetzungen auch die datenschutzmässige Konformität des jeweiligen Forschungsprojektes festzustellen.

Ein klinik- oder institutsinterner Forschungsdelegierter hat sich über die Vollständigkeit der Angaben der jeweiligen Forschungsgesuche auszusprechen. Zu den notwendigen Angaben gehören: Das Forschungsziel, die Umschreibung der Forschungsthematik, die Methodik, der Rahmen, in der die Forschung verläuft. Die Patienteninformationsbroschüren und die Einverständniserklärungen.

In einer zweiten Phase prüft die zuständige Ethikkommission, unter der Verantwortung der zentralen Ethikkommission, ob die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Berechtigten an der Geheimhaltung ihrer Gesundheitsdaten überwiegen. Sie überprüft auch die Konformität der Aufklärungs- und Einverständniserklärungen. Sofern das Forschungsgesuch die notwendigen Angaben enthält, erlässt die Ethikkommission die Unbedenklichkeitserklärung.

Ferner überprüft das Chefärztekollegium die Gründe, weshalb eine Einsichtnahme in nicht-anonymisierte Daten notwendig ist, weshalb die Einwilligung der Berechtigten nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand einzuholen wäre, und, dass die Berechtigten über das Forschungsprojekt und das ihnen zustehende Vetorecht aufgeklärt worden sind. Sie vergewissern sich auch darüber, dass einzig diejenigen Personen Zugang zu den nicht­anonymisierten Daten haben, welche in das Forschungsprojekt einbezogen sind.

Schliesslich bestätigt der ärztliche Direktor ­ der im übrigen die verantwortliche Person gegenüber der Expertenkommissin ist ­ mit seiner Unterschrift auf der Unbedenklichkeitserklärung, dass das Forschungsprojekt sowohl die ethischen wie auch die juristischen Anforderungen erfüllt.

b.

Das Universitätsspital Genf hat die einzelnen internen Forschungsprojekte zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck ­ den verantwortlichen Projektleiter; die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen dürfen; für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer ,,non obstat"Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss litera a.

c.

Personendaten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden. Der Bewilligungsnehmer richtet sich dabei an den vom Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten herausgegebenen Leitfaden zu den technischen und organisato-

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rischen Massnahmen des Datenschutzes. Es ist insbesondere folgendes zu beachten: ­ Die nicht anonymisierten Personendaten, d.h. die EDV-Datensammlungen, die Krankengeschichten und die Patientenkarteien sind unter Verschluss zu halten; ­ der Zugriff auf die EDV-Datenbanken ist mit einem persönlichen Passwort zu sichern; ­ jede zugriffsberechtigte Person muss über ein Passwort verfügen, welches diese geheimzuhalten hat und ­ jeder Zugriff auf die personenbezogenen nicht anonymisierten Datenbanken auf den vernetzten EDV-Rechnern ist automatisch zu registrieren, es sei denn, es könnte auf andere Weise nachträglich festgestellt werden, ob Daten für denjenigen Zweck bearbeitet wurden, für den sie bekanntgegeben wurden.

d.

Bezüglich Datenerhebungen bis zum 31. Dezember 1995 verzichtet die Expertenkommission praxisgemäss auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der Berechtigten. Für die Datenerhebungen ab dem 1. Januar 1996 kann sie nicht mehr davon absehen. Der Bewilligungsnehmer hat demnach ­ sofern notwendig ­ eine nachträgliche Aufklärung der Betroffenen vorzunehmen.

In welcher Form dies geschieht, bleibt ihm überlassen. Der Wille der Berechtigten ist zu respektieren. Ein allfälliger Widerspruch ist sowohl in der Krankengeschichte wie auch auf den elektronischen Datenträgern zu vermerken. In Fällen, wo die Betroffenen nicht reagieren, ersetzt die vorliegende Bewilligung die Einwilligung.

e.

Fehlt es an der Urteilsfähigkeit der Berechtigten, soll der gesetzliche Vertreter oder eine nahestehende Person aufgeklärt werden. Existiert kein solcher, muss eine Vertretung berufen werden. Erscheint dem Spital ein solches Vorgehen als zu umständlich, hat es auf die Verwendung der Daten für Forschungszwecke zu verzichten.

Bestehen Zweifel hinsichtlich der Urteilsfähigkeit des Patienten, müssen neben des Patienten selbst der gesetzliche Vertreter oder die nahestehende Person über das Vetorecht aufgeklärt werden. Sobald es der Zustand der vorerst als urteilsunfähig bezeichneten Person erlaubt, ist sie nochmals aufzuklären.

Unmündige Personen, wie Kinder ab zirka zwölf Jahren oder Entmündigte, sind selbst und, soweit sie urteilsfähig sind, nur sie aufzuklären. Ihr Widerspruch ist verbindlich. Dasselbe gilt für den geltend gemachten Widerspruch der Angehörigen, sofern er dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht.

f.

Das Universitätsspital Genf hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zuzustellen.

Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Forschungszwecken Zugriff auf die EDVDatensammlungen mit nicht anonymisierten, personenbezogenen Daten haben. Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu ver-

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weigern. Insbesondere dürfen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschern nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Diejenigen Mitarbeiter und Doktoranden, welche gemäss der vorliegenden Bewilligung zugriffsberechtigt sind, haben die beiliegende Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen und zu Handen der Expertenkommission im Spital aufzubewahren.

Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt.

In folgenden Fällen muss vor Ablauf der Bewilligungsdauer ein neues, ergänzendes Gesuch gestellt werden: ­

Wechsel des ärztlichen Direktors

­

Wechsel des Vorsitzenden der zentralen Ethikkommission

­

Änderung der Datenverwaltung

­

Änderung des Zugriffsreglements

­

Änderung der Verwaltungs- und Organisationsstruktur des Spitals

Frist für Auflagenerfüllung Dem Universitätsspital Genf wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 8 Buchstaben b-e eine Frist von sechs Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bzw. Publikation bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

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Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Universitätsspital Genf und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt.

Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031/322 94 94) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

10. Juli 2001

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident, Prof. Dr. iur. F. Werro

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