00.092 Botschaft betreffend das Abkommen zwischen der Schweiz und der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China über Rechtshilfe in Strafsachen vom 22. November 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend das am 15. März 1999 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. November 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-2357

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Übersicht Am 1. Juli 1997 erfolgte die Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China. Hongkong wurde damit für die nächsten fünfzig Jahre eine selbstständige Besondere Verwaltungsregion der Volksrepublik China («Special Administrative Region», SAR Hongkong) mit eigenem Grundgesetz («Basic Law»). Die SAR Hongkong geniesst in dieser Zeit unabhängige exekutive, legislative und richterliche Befugnisse. Was die internationalen Beziehungen anbetrifft, so kann die SAR Hongkong unter anderem im Bereich der Rechtshilfe selbstständig Vereinbarungen mit ausländischen Staaten treffen. Solche Vereinbarungen stehen jedoch immer unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Volksrepublik China. Deshalb ist der Verhandlungsspielraum teilweise eingeschränkt.

Die Verhandlungen über das vorliegende Abkommen begannen bereits vor der Rückgabe der Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China.

Da sowohl die SAR Hongkong als auch die Schweiz bedeutende Finanzplätze sind, ist das Abkommen für beide Seiten von grosser Wichtigkeit. Insbesondere im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und die Geldwäscherei sind effiziente Instrumente der internationalen Strafrechtszusammenarbeit dringend notwendig. Die Volksrepublik China unterstützte die Verhandlungen, weil sie ebenfalls Interesse an einer weiterhin florierenden Wirtschaft der SAR Hongkong hat und die Verhinderung der Zunahme der Kriminalität, insbesondere der Ausbreitung der Korruption, dabei unabdingbar ist.

Für die SAR Hongkong hat das Abkommen überdies eine grosse politische Bedeutung. Jedes bilaterale Abkommen der SAR Hongkong fördert deren Autonomie und verleiht ihr einen internationalen Schutz gegen chinesische Einmischungen und Verletzungen der im Grundgesetz garantierten Rechte. Aus diesem Grund führte die SAR Hongkong mit verschiedenen Staaten, unter anderem mit den USA, mit Südkorea, Australien, Neuseeland, Frankreich, Grossbritannien und Italien, Verhandlungen auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen. Einige dieser Abkommen sind bereits in Kraft.

Das vorliegende Abkommen bildet die vertragliche Basis, damit Personenidentifikationen vorgenommen und der Aufenthalt gesuchter Personen ermittelt werden können, damit Schriftstücke zugestellt werden dürfen, damit Zeugen und Sachverständige auf dem Gebiet der anderen
Partei einvernommen und Häftlinge zum Zweck ihrer Einvernahme an die andere Partei überstellt werden können, damit die Erhebung von Beweismitteln veranlasst und die andere Partei um die Herausgabe von Gerichtsakten und amtlichen Schriftstücken ersucht werden kann. Das Abkommen regelt überdies die Durchsuchung und Beschlagnahme, die Möglichkeit der Herausgabe von aus strafbaren Handlungen stammenden beschlagnahmten Vermögenswerten und Geldern an die andere Partei zwecks Rückerstattung an die Berechtigten sowie das Aufspüren, die Blockierung und Einziehung von aus strafbaren Handlungen stammenden Vermögenswerten. Es wird auch generell den Austausch von Informationen fördern.

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Der Abkommenstext entspricht in den Grundzügen dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) und steht im Einklang mit dem schweizerischen Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1). Das Abkommen enthält auch Bestimmungen, die sich am Geldwäschereiübereinkommen des Europarats (SR 0.311.53) orientieren.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Anlässlich eines Arbeitsbesuches von Bundesrat Flavio Cotti im April 1995 äusserten die Behörden Hongkongs ihr Interesse am Abschluss eines Auslieferungsvertrags mit der Schweiz, da nach der Rückgabe der bisherigen britischen Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China der alte britische Auslieferungsvertrag vom 26. November 1880 nicht mehr auf die neue SAR Hongkong würde angewendet werden können und daher auf dem Gebiet der Auslieferung eine Lücke zu entstehen drohte.

Gleichzeitig regten sie die Aufnahme von Vertragsverhandlungen im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen an. Einerseits war Hongkong bestrebt, zwecks Stärkung seiner Position gegenüber der Volksrepublik China nach der Rückgabe mit möglichst vielen Staaten bilaterale Verträge in diesem Rechtsbereich abzuschliessen und die diesbezüglichen Vertragsverhandlungen noch vor der Rückgabe aufzunehmen.

Andererseits war ein Vertrag auf dem Gebiet der Rechtshilfe sowohl für Hongkong als auch für die Schweiz wegen der Bedeutung der Finanzplätze beider Länder von grossem Interesse. Im Hinblick darauf, dass das Abkommen vor der Rückgabe der Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China noch nicht in Kraft sein würde, hatte Hongkong der Volksrepublik China vorgängig zu den Verhandlungen einen Mustervertrag für den Bereich der Rechtshilfe unterbreitet. Die Volksrepublik China genehmigte diesen Mustervertrag, denn auch sie hat ein vitales Interesse an einem weiteren Wachstum der wichtigen Finanzmetropole. Eines der wichtigsten Mittel dazu ist die Verhinderung der Zunahme der Kriminalität, insbesondere der Ausbreitung der Korruption.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Bereits im Oktober 1995 trafen sich je eine Delegation aus beiden Parteien in Bern.

Traktandiert waren die Bereiche Auslieferung und Rechtshilfe.

Auf dem Gebiet der Auslieferung wurden die Gespräche sistiert, weil in wesentlichen Grundsatzfragen kein Kompromiss möglich war. Die Schweiz schliesst grundsätzlich nur noch Auslieferungsverträge ab, die in der Praxis auch zum Erfolg führen. Hongkong konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, auf die im angloamerikanischen Rechtskreis üblichen Vorschriften ­ insbesondere die Beweisdossierklausel ­ sowie auf Straftatenlisten, welche im europäischen Rechtskreis heutzutage überholt sind, zu verzichten. Umständliche Beweisvorschriften waren bekanntlich verantwortlich für die komplizierten und langwierigen Verfahren in den Fällen Rey und Krüger; in weniger bedeutenden Fällen verzichtet die Schweiz aus Verhältnismässigkeitsgründen regelmässig auf die Durchführung eines Auslieferungsverfahrens. Da per 1. Juli 1997 in Hongkong ein Gesetz in Kraft trat, welches ­ analog zum schweizerischen Rechtshilfegesetz vom 20. März 1981 (IRSG)1 ­ in Einzelfäl1

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SR 351.1

len und nach Zusicherung der Einhaltung des Gegenrechts die Auslieferung zulässt, wurde damit mittlerweile im Bereich der Auslieferung die durch die Unanwendbarkeit des britischen Auslieferungsvertrages im Gebiet der Auslieferung entstandene Lücke weitgehend gefüllt.

Auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen konnte auf der Basis des Mustertextes Hongkongs sowie des schweizerischen Vertragsmodells (als Muster diente der Rechtshilfevertrag in Strafsachen vom 7. Oktober 19932 zwischen der Schweiz und Kanada) ein erster gemeinsamer Entwurf ausgearbeitet werden. In mehreren strittigen Punkten wurde in der ersten Gesprächsrunde jedoch noch keine Einigung erzielt.

Im Oktober 1996 fand eine zweite Verhandlungsrunde in Hongkong statt. Für die offenen Punkte konnten Lösungen gefunden werden, der Text wurde bereinigt und das Rechtshilfeabkommen schliesslich paraphiert.

Am 1. Juli 1997 erfolgte die Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China.

Hongkong wurde für die nächsten fünfzig Jahre zu einer selbstständigen Region der Volksrepublik China. Der Status der «Besonderen Verwaltungsregion Hongkong» (Special Administrative Region, SAR) sowie deren Kompetenzen werden durch ein spezielles Grundgesetz geregelt. Gemäss diesem Gesetz kommt der SAR ein hoher Grad an Autonomie zu. Sie geniesst weitgehend unabhängige exekutive, legislative und richterliche Befugnisse. Was die internationalen Beziehungen anbetrifft, so kann die SAR ­ gestützt auf die Ermächtigung der Regierung der Volksrepublik China ­ unter anderem im Bereich der Rechtshilfe selbstständig Abkommen mit ausländischen Staaten abschliessen (Art. 96 des Grundgesetzes). Diese Abkommen stehen jedoch immer unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Volksrepublik China.

Für die Verhandlungen über ein Abkommen betreffend Rechtshilfe in Strafsachen hatte die Volksrepublik China im Voraus einen Rechtshilfe-Mustervertrag genehmigt. Das Problem der Verhandlungsdelegation Hongkongs bestand darin, dass sie jede Abweichung von diesem Mustervertrag gegenüber China gut würde begründen müssen. Trotz dieser einschränkenden Voraussetzung gelang es der Schweiz, eine Annäherung an das Europäische Übereinkommen vom 20. April 19593 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR) durchzusetzen. Speziell zu erwähnen ist, dass die Verhandlungspartner aus Hongkong bereit
waren, auf die Aufnahme von im angloamerikanischen Rechtskreis üblichen aufwendigen Formvorschriften zu verzichten.

Die Schweiz konnte auch erreichen, dass gewisse Bestimmungen aus dem Übereinkommen des Europarats vom 8. November 19904 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (Geldwäschereiübereinkommen des Europarats) sinngemäss übernommen wurden. Die vielen Kompromisse zu Gunsten der Schweiz waren nur möglich, weil Hongkong ein grosses Interesse am Zustandekommen des Abkommens hatte.

Um das Souveränitätsempfinden der Volksrepublik China nicht zu tangieren, legten die Verhandlungspartner Wert auf gewisse Nuancen in der Terminologie (zum Beispiel wurde «internes Recht» statt «innerstaatliches Recht», «die Parteien» statt «die Staaten», «Abkommen» statt «Vertrag» verwendet).

2 3 4

SR 0.351.923.2 SR 0.351.1 SR 0.311.53

151

Am 15. März 1999 fand in Hongkong die Unterzeichnung des Abkommens über Rechtshilfe in Strafsachen statt.

2

Besonderer Teil

2.1

Kommentar zum Abkommen

Das Abkommen ist fortschrittlich und trägt den heutigen Anforderungen der Praxis Rechnung, denn es übernimmt nicht nur bisher bewährte Grundlagen im Rechtshilfebereich, sondern ergänzt diese durch neue, moderne Bestimmungen. Dank seiner klaren Struktur ist es zudem sehr praktikabel. In Aufbau und Inhalt lehnt sich das Abkommen stark an das Rechtshilfeübereinkommen des Europarats (EUeR) an.

Ausserdem steht es im Einklang mit dem revidierten schweizerischen Rechtshilfegesetz (IRSG).

Die für die Umsetzung des Abkommens notwendigen Verfahrensvorschriften finden sich im ersten und im dritten Teil des IRSG. Soweit sie dem Abkommen nicht widersprechen, sind diese Bestimmungen des IRSG ergänzend anwendbar.

2.2

Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen des Abkommens

2.2.1

Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Verpflichtung zur Rechtshilfe

Absatz 1 statuiert zwischen den Parteien eine völkerrechtliche Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe. Die Rechtshilfe soll so weitgehend wie möglich gewährt werden.

Sie muss oder kann jedoch abgelehnt werden, wenn einer der in Artikel 3 aufgezählten Ablehnungsgründe vorliegt. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Rechtshilfe auch aufgeschoben werden. Eine Verweigerung oder Aufschiebung der Rechtshilfe ist immer zu begründen.

Absatz 2 enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der wichtigsten Rechtshilfemassnahmen, um die gestützt auf dieses Abkommen ersucht werden kann. Diese werden ausführlicher als üblich aufgelistet. Dies rechtfertigt sich, weil die SAR Hongkong beziehungsweise die Volksrepublik China einem anderen Rechtskreis angehören.

Art. 2

Nichtanwendbarkeit des Abkommens

Das Abkommen findet keine Anwendung bei Auslieferungen, bei der Vollstreckung von Strafurteilen5 sowie bei der Ahndung von Militärdelikten. Artikel 1 Absatz 2 des EUeR weist eine analoge Formulierung auf.

5

152

Die Herausgabe von Vermögenswerten, die nach Art. 74a IRSG in der Regel erst gestützt auf ein Urteil erfolgt, stellt keinen Anwendungsfall des vorliegenden Artikels dar (vgl. im Übrigen Art. 12 inklusive Kommentar).

Art. 3

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub

Dieser Artikel zählt die Gründe für die Verweigerung der Rechtshilfe auf. Dabei unterscheidet er zwischen zwingenden und fakultativen Ablehnungsgründen (Abs. 1 und 2). Diese Unterteilung ist für bilaterale Rechtshilfeverträge eher untypisch; in der Regel statuieren solche Verträge bloss fakultative Ablehnungsgründe (KannVorschriften). Die vorliegende Regelung stellt einen Kompromiss dar, denn Hongkong wollte ursprünglich alle Ablehnungsgründe zwingend formulieren. Der Artikel sieht ferner die Möglichkeit eines Aufschubs der Rechtshilfe (Abs. 3) sowie deren Gewährung unter Einhaltung gewisser Bedingungen (Abs. 4 Bst. b und Abs. 5) vor.

Absatz 1 enthält eine Liste der zwingenden Ablehnungsgründe. Sie finden ihre Entsprechung in den Artikeln 1a, 2, 3, 5 und 64 IRSG sowie in den Artikeln 2 und 5 EUeR (einschliesslich der Vorbehalte der Schweiz zu Art. 2 und 5 EUeR).

Konkret dürfen durch die Leistung der Rechtshilfe die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung6 der Schweiz oder der Volksrepublik China nicht beeinträchtigt werden (Bst. a). Die ersuchte Partei (die Schweiz oder die SAR Hongkong) hat die Rechtshilfe abzulehnen, wenn ihre wesentlichen Interessen in schwerwiegender Weise tangiert würden (Bst. b). Sie hat ebenfalls Ersuchen um Rechtshilfe in Fiskalsachen abzulehnen, ausser es handle sich um einen Abgabebetrug7 (Bst. d). Die Rechtshilfe muss ferner verweigert werden, wenn es sich um eine politische Tat handelt (Bst. c) oder wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass eine Person wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder politischen Einstellung Schaden erleidet (Bst. e). Die Rechtshilfe wird ebenfalls verweigert, wenn das Ersuchen dieselbe strafbare Handlung betrifft, die in der ersuchten Partei zu einer Verurteilung, einem Freispruch oder einer Begnadigung der betroffenen Person geführt hat (Prinzip «ne bis in idem», Bst. f). Wird im Ersuchen die Anwendung von Zwangsmassnahmen verlangt für Handlungen oder Unterlassungen, die nach dem Recht der ersuchten Partei nicht strafbar wären, so wird diese dem Ersuchen diesbezüglich nicht stattgeben (Bst. g; siehe dazu den Kommentar zu Art. 5).

Absatz 2 regelt die fakultativen Ablehnungsgründe. Die ersuchte Partei darf Rechtshilfeersuchen bei Verjährung (Bst. a) oder wenn die geforderte Vertraulichkeit nicht eingehalten werden
kann (Bst. b) ablehnen. Buchstabe c ermöglicht die Ablehnung eines Ersuchens, wenn es eine mit der Todesstrafe bedrohte Handlung betrifft.

Möglich ist es in einem solchen Fall auch, Rechtshilfe gestützt auf eine ausreichende Zusicherung, dass eine allfällig auszusprechende Todesstrafe nicht vollstreckt wird, zu leisten. Buchstabe c stellt eine für einen Rechtshilfevertrag neuartige Bestimmung dar. Dieser Verweigerungsgrund wurde von der SAR Hongkong ausdrücklich gefordert. Es ist hierzu anzumerken, dass die SAR Hongkong die Todesstrafe seit kurzem abgeschafft hat.

Absatz 3 räumt der ersuchten Partei die Möglichkeit ein, ein Ersuchen aufzuschieben, wenn sich dessen Vollzug negativ auf eine in ihrem Hoheitsgebiet laufende Ermittlung oder Strafverfolgung auswirken würde.

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7

Der Begriff «öffentliche Ordnung» ist im (weiten) Sinne des Begriffs «ordre public» auszulegen. Er beeinhaltet die Beachtung der Grundrechte des Menschen, insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, das Verbot der Todesstrafe und die grundlegenden Verfahrensgarantien.

Ein Abgabebetrug liegt zum Beispiel vor, wenn die Steuerbehörden mittels falscher, gefälschter oder inhaltlich unwahrer Angaben oder auf andere Weise arglistig getäuscht wurden, vgl. z.B. BGE 125 II 250.

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Bevor die ersuchte Partei ein Ersuchen ablehnt oder aufschiebt, hat sie die ersuchende Partei zu kontaktieren. Sie ist einerseits verpflichtet, den von ihr angerufenen Ablehnungs- oder Aufschiebungsgrund anzugeben (Abs. 4 Bst. a). Andererseits muss sie zusammen mit der ersuchenden Partei abklären, ob sie die Rechtshilfe nicht unter gewissen Bedingungen dennoch gewähren kann (Abs. 4 Bst. b). Die von ihr aufgestellten und von der ersuchenden Partei akzeptierten Bedingungen sind von letzterer dann auch einzuhalten (Abs. 5).

Art. 4

Anwendbares Recht

Die Bestimmung übernimmt den im internationalen Rechtshilfeverkehr üblichen Grundsatz, wonach Rechtshilfeersuchen nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates zu erledigen sind. In der Schweiz erfolgt der Vollzug nach dem IRSG sowie nach den Strafprozessordnungen der Kantone und des Bundes. Auch Hongkong verfügt seit kurzem über ein Rechtshilfegesetz.

Dieser Grundsatz wird in den nachfolgend aufgelisteten Bestimmungen konkretisiert. So werden die im Ersuchen angegebenen Weisungen respektiert, soweit diese nicht gegen das Recht der ersuchten Partei verstossen (Art. 28 Abs. 4). Bittet die ersuchende Partei um eine für die Zulassung von Beweismitteln notwendige Bescheinigung, so kommt die ersuchte Partei dem Wunsch nach (Art. 31 Abs. 2). Auf ausdrückliches Verlangen der ersuchenden Partei nimmt die ersuchte Partei Zustellungen in den gewünschten Formen vor, falls dies mit ihren eigenen Rechtsvorschriften vereinbar ist (Art. 17 Abs. 2). Ferner kann sich eine Person, die zur Aussage aufgefordert wird, auf ein ihr nach dem Recht der ersuchenden Partei zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen (Art. 10 Abs. 1 Bst. b).

Art. 5 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Bst. g

Zwangsmassnahmen

Damit die ersuchte Partei die anbegehrten Zwangsmassnahmen ­ wie Hausdurchsuchungen, Zeugeneinvernahmen, Beschlagnahme von Tatwerkzeugen oder die Aufhebung gesetzlich geschützter Geheimnisse ­ bei der Durchführung eines Rechtshilfeersuchens vornehmen kann, muss nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g die verfolgte Straftat sowohl in der ersuchenden als auch in der ersuchten Partei strafbar sein (sog. Prinzip der doppelten Strafbarkeit). Fehlt die beidseitige Strafbarkeit, so können keine Zwangsmassnahmen angeordnet werden.

Das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit bei Zwangsmassnahmen findet sich auch in Artikel 64 Absatz 1 IRSG sowie im Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a EUeR.

Artikel 5 sieht vor, dass die gewünschten Massnahmen nur bei vorherigem Einverständnis der ersuchenden Partei durch andere Massnahmen ersetzt werden dürfen.

Diese Regelung will beispielsweise verhindern, dass an Stelle einer beantragten formellen Zeugeneinvernahme lediglich eine polizeiliche Befragung stattfindet.

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2.2.2 Art. 6

Kapitel II: Beschaffung von Beweismitteln Allgemeine Grundsätze

Artikel 6 verankert zwei allgemeine Grundsätze für die Beweiserhebung.

So ist nach Absatz 1 die ersuchte Partei gehalten, die auf dem Rechtshilfeweg beantragte Beweiserhebung zu veranlassen, wenn es um eine strafbare Handlung geht, die der Gerichtsbarkeit der ersuchenden Partei unterliegt.

Absatz 2 listet auf, was die Beweiserhebung umfasst, nämlich die Herausgabe von Schriftstücken, Akten, Beweismaterial oder Gegenständen an die ersuchende Partei.

Art. 7

Beschränkte Verwendung

Gegenstand dieses Artikels ist die Regelung des Spezialitätsprinzips. Die Schweiz misst dem Spezialitätsprinzip grosse Bedeutung zu. Es ist denn auch im IRSG (Art. 67) verankert und findet sich im Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 2 EUeR.

Die vorliegende, einschränkendere Formulierung des Spezialitätsprinzips stellt einen Kompromiss dar. Sie entspricht dem Text, der im Mustervertrag Hongkongs vorgegeben war. Dieser stimmt sinngemäss mit der entsprechenden Regelung, die sich im Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen findet, überein 8.

Artikel 7 hält fest, dass die ersuchende Partei die erhaltenen Informationen und Beweismittel nicht aus anderen als den im Ersuchen angegebenen Gründen verwenden oder an Dritte weitergeben darf, ausser die ersuchte Partei erlaube dies vorgängig.

Art. 8

Durchsuchung und Beschlagnahme

Dieser Artikel regelt umfassend die Durchsuchung und Beschlagnahme sowie die Herausgabe von Beweismaterial. Es handelt sich um eine moderne Bestimmung, der insbesondere im Finanzbereich, bei der Erhebung von Bankdokumenten, zentrale Bedeutung zukommen wird. Die Rechtshilfemassnahme ist in Artikel 63 des IRSG vorgesehen.

Absatz 1 verpflichtet die ersuchte Partei, Ersuchen um Durchsuchung und Beschlagnahme sowie um Herausgabe sämtlichen für eine Ermittlung oder ein Verfahren bedeutenden Beweismaterials an die ersuchende Partei durchzuführen.

Nach Absatz 2 hat die ersuchte Partei die ersuchende Partei ­ soweit das von letzterer gewünscht wird ­ sowohl über das Ergebnis von Durchsuchungen, über den Ort und die Umstände der Beschlagnahme als auch über die Aufbewahrung der beschlagnahmten Vermögenswerte zu orientieren.

Werden der ersuchenden Partei die beschlagnahmten Vermögenswerte ausgehändigt, so ist sie ihrerseits verpflichtet, die von der ersuchten Partei bezüglich dieser Vermögenswerte auferlegten Bedingungen einzuhalten (Abs. 3).

8

BBl 1996 I 609, Art. 7 Ziff. 13

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Art. 9

Anwesenheit von Personen

Es wird den am Strafverfahren beteiligten Behörden und Personen und ihren Rechtsvertretern die Möglichkeit eingeräumt, bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen anwesend zu sein. Voraussetzung ist die Zustimmung der ersuchten Partei.

Die Anwesenheit wird in der Regel der besseren und effizienteren Abwicklung des Rechtshilfeverfahrens dienen und sich insbesondere in komplexen Verfahren als nützlich erweisen. So kann es im Interesse des ersuchten Richters sein, wenn er von der ausländischen ermittelnden Behörde, die mit dem Fall vertraut ist, unterstützt wird. Die Bestimmung entspricht sinngemäss Artikel 4 EUeR. Auch das IRSG erlaubt die Anwesenheit von am ausländischen Prozess beteiligten Personen, wenn der ersuchende Staat dies gestützt auf seine Rechtsordnung verlangt oder wenn dadurch die Ausführung des Ersuchens oder die Strafverfolgung erheblich erleichtert wird (Art. 65a IRSG).

Art. 10

Entgegennahme von Zeugenaussagen oder anderen Aussagen

Eine Person, die gestützt auf ein Rechtshilfeersuchen zur Aussage in der ersuchten Partei aufgefordert wird, kann die Aussage verweigern, falls ihr nach dem Recht einer der beiden Parteien ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (Abs. 1). Beruft sie sich auf ein ihr nach dem Recht der ersuchenden Partei zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht, so benötigt die ersuchte Partei eine Bestätigung der Zentralbehörde der ersuchenden Partei (Abs. 2).

Die Absätze 3 und 4 befassen sich mit den Fragen, die an die zur Aussage angehaltenen Personen zu richten sind. Die ersuchende Partei hat die zu stellenden Fragen im Ersuchen aufzuführen. Die ausführende Behörde der ersuchten Partei kann auch zusätzliche Fragen stellen.

Art. 11

Herausgabe von Gegenständen, Schriftstücken, Akten und Beweismitteln

Dieser Artikel sieht vor, dass Gegenstände, Schriftstücke, Akten und andere Beweismittel zu Beweiszwecken selbst dann an die ersuchende Partei herausgegeben werden können, wenn Dritte Rechte daran geltend machen. Falls keine anderweitigen Abmachungen getroffen worden sind, ist das Herausgegebene spätestens nach Abschluss des Verfahrens zurückzuerstatten.

Art. 12

Rückerstattung von Vermögenswerten und Geldern

Von der ersuchten Partei beschlagnahmte Vermögenswerte und Gelder, die von einer strafbaren Handlung herrühren, können der ersuchenden Partei zum Zweck der Rückgabe an die Berechtigten herausgegeben werden. Vorbehalten bleiben allerdings die Ansprüche von Personen, die Rechte an diesen Vermögenswerten gutgläubig erworben haben. Diese Rechtsansprüche müssen vorgängig befriedigt werden.

Die Herausgabe von Deliktsgut zwecks Rückerstattung an die Berechtigten stellt eine Ergänzung zur in Artikel 11 geregelten Herausgabe zu Beweiszwecken dar. Eine solche Bestimmung findet sich auch im revidierten Rechtshilfegesetz (Art. 74a). Es handelt sich um eine Regelung, die den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt.

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Art. 13

Öffentlich zugängliche und amtliche Schriftstücke

Die ersuchte Partei hat der anderen Partei Kopien gewünschter öffentlich zugänglicher Schriftstücke zuzustellen. Zu denken ist dabei zum Beispiel an Zeitungsausschnitte, Publikationen, veröffentlichte Gerichtsurteile, Auszüge aus Zivilstands-, Handels-, Betreibungs- und Grundbuchregistern.

Nicht öffentlich zugängliche amtliche Schriftstücke (sog. Verwaltungsakten) kann die ersuchte Partei der ersuchenden Partei in Kopie zur Verfügung stellen, und zwar im gleichen Umfang und unter den gleichen Bedingungen, wie sie dies ihren eigenen Gesetzesvollzugs- und Gerichtsbehörden gegenüber zu tun pflegt.

Art. 14

Gerichtsakten

Gerichtsakten müssen der ersuchenden Partei zur Verfügung gestellt werden. Auch hier richten sich der Umfang und die Bedingungen nach dem für die eigenen Behörden Üblichen.

Art. 15

Austausch von Informationen über Strafakten

Die Schweiz unterrichtet die SAR Hongkong über in der Schweiz zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Daueraufenthalter der SAR Hongkong; die SAR Hongkong ihrerseits informiert die Schweiz über in der SAR Hongkong zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Schweizerinnen und Schweizer. Die Parteien stellen einander diese Informationen ohne Ersuchen mindestens einmal jährlich zu. Es handelt sich um die jeweils seit der letzten Meldung ins Strafregister eingetragenen Urteile, die eine Freiheitsstrafe beinhalten. Die Regelung erlaubt es den Parteien, ihre Strafregister nachzuführen. Das EUeR kennt eine ähnliche, ein wenig umfassendere Bestimmung (Art. 22).

Art. 16

Übermittlung von Informationen zum Zweck der Strafverfolgung

Diese Bestimmung erlaubt jeder Partei, der anderen Partei ohne Vorliegen eines Ersuchens via die Zentralbehörden Informationen oder Beweismittel zum Zweck der Strafverfolgung zu übermitteln. Die Regelung wird unter anderem in Fällen Anwendung finden, wo Personen, die in der einen Partei straffällig geworden sind, in das Gebiet der anderen Partei flüchten und von dort nicht ausgeliefert werden können, weil sie zum Beispiel Staatsangehörige dieser Partei sind. Wird die Partei, welche die Informationen oder Beweismittel erhalten hat, tätig, so hat sie der übermittelnden Partei jede getroffene Massnahme mitzuteilen und Kopien aller ergangenen Entscheidungen zuzustellen. Die Regelung wurde Artikel 21 EUeR nachgebildet.

2.2.3

Art. 17

Kapitel III: Zustellung von Schriftstücken; Erscheinen von Personen Zustellung von Schriftstücken

Dieser Artikel übernimmt die Regelung von Artikel 7 EUeR.

157

Art. 18

Erscheinen von Zeugen oder Sachverständigen in der ersuchenden Partei

Die Absätze 1 und 2 befassen sich mit dem Erscheinen von Zeugen oder Sachverständigen in der ersuchenden Partei. Erscheint die vorgeladene Person nicht, so kommt die Regelung von Artikel 20 zur Anwendung.

Absatz 3 hält fest, dass die Kosten für die Bezahlung von Entschädigungen und Auslagen dieser Personen von der ersuchenden Partei zu tragen sind.

Art. 19

Überführung inhaftierter Personen

Verlangt die ersuchende Partei das Erscheinen einer in der ersuchten Partei inhaftierten Person, so wird diese in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Partei überführt.

Voraussetzung ist die Garantie der ersuchenden Partei, dass die überführte Person in Haft verbleiben und nach Abschluss der Rechtshilfeleistung zurückgeführt wird (Abs. 1).

Absatz 2 listet die möglichen Ablehnungsgründe auf, auf welche sich die ersuchte Partei berufen kann. Diese bezwecken insbesondere den Schutz der inhaftierten Person. Eine Überstellung kann jedoch auch ohne Zustimmung der inhaftierten Person stattfinden. Dies wird zum Beispiel bei Gegenüberstellungen vorkommen. Soll die inhaftierte Person aber als Zeuge aussagen, so wird in der Regel eine Überstellung gegen ihren Willen wenig Sinn machen.

Absatz 3 hält nochmals ausdrücklich fest, dass die überführte Person während ihres Aufenthaltes in Haft bleiben muss, ausser die ersuchte Partei verlange deren Freilassung. Ist die Freiheitsstrafe der überführten Person verbüsst, so muss die ersuchte Partei die ersuchende Partei darüber unterrichten. Letztere hat alsdann die Freilassung vorzunehmen (Abs. 4).

Art. 20

Nichterscheinen

Leistet eine Person einer Vorladung keine Folge, so darf sie selbst bei Androhung von Strafmassnahmen weder bestraft noch einer Zwangsmassnahme unterworfen werden. Dies gilt nicht, wenn sie sich freiwillig in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Partei begibt und dort erneut korrekt vorgeladen wird.

Art. 21

Freies Geleit

Diese Bestimmung übernimmt im Grossen und Ganzen die in Artikel 12 EUeR enthaltenen Garantien und ergänzt diese durch die Absätze 2 und 3. Der Artikel betrifft Personen, die in der ersuchenden Partei Ermittlungen unterstützen oder an einem Verfahren teilnehmen.

Absatz 1 garantiert denjenigen Personen, die als Zeugen oder Sachverständige vor die Justizbehörden der ersuchenden Partei vorgeladen sind, dass sie dort wegen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet der ersuchten Partei erfolgter strafbarer Handlungen nicht verfolgt, inhaftiert oder in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt werden sowie wegen Handlungen oder Unterlassungen aus dieser Zeit keiner Zivilklage unterworfen werden. Absatz 4 regelt den Schutz von Beschuldigten.

Diese dürfen nicht verfolgt, in Haft gehalten oder in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt werden für nicht in der Vorladung aufgeführte Handlungen oder Unterlassungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet der ersuchten Partei.

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Der Schutz entfällt, wenn die Betroffenen ­ ohne von den Behörden der ersuchenden Partei in irgendeiner Weise daran gehindert worden zu sein ­ deren Hoheitsgebiet nicht innerhalb von dreissig Tagen nach Erhalt der Mitteilung, dass ihre Anwesenheit nicht mehr erforderlich ist, verlassen haben. Dasselbe gilt, wenn sie nach dem Verlassen der ersuchenden Partei wieder dahin zurückkehren (Abs. 5).

Absatz 2 statuiert, dass Personen, die auf Grund von Artikel 18 oder 19 in der ersuchenden Partei erscheinen, wegen ihrer Aussagen nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfen, ausser wenn sie Meineid leisten. Zudem dürfen sie nach Absatz 3 nicht zu Aussagen in anderen Verfahren als demjenigen, auf welches sich das Ersuchen bezieht, angehalten werden.

2.2.4

Kapitel IV: Erträge aus strafbaren Handlungen

Die Aufnahme der nachfolgenden Bestimmungen in ein Rechtshilfeabkommen ist vor allem zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Geldwäscherei von Bedeutung. Insbesondere die Regelung des Instituts des Sucharrestes ist als wichtiger Schritt in der internationalen Strafrechtszusammenarbeit hervorzuheben.

Art. 22

Aufspüren von Erträgen aus strafbaren Handlungen oder von Tatwerkzeugen

Diese Bestimmung bezweckt die gegenseitige Unterstützung beider Parteien beim Aufspüren von Erträgen, die aus strafbaren Handlungen stammen, sowie von dabei verwendeten Tatwerkzeugen. Die ersuchte Partei nimmt ihre Nachforschungen auf Grund eines Ersuchens, in dem die vermutete Existenz solcher deliktischer Erträge und Tatwerkzeuge im Hoheitsgebiet der ersuchten Partei begründet wird, auf. Sie teilt das Ergebnis ihrer Nachforschungen der ersuchenden Partei mit.

Diese Regelung der gegenseitigen Unterstützung bei der Ermittlung von Tatwerkzeugen und deliktischer Vermögenswerte lehnt sich an die Artikel 8 und 9 des von der Schweiz 1993 ratifizierten Geldwäschereiübereinkommens des Europarats an.

Art. 23

Vorläufige Massnahmen

Wird die ersuchte Partei auf Grund eines Ersuchens nach Artikel 22 fündig, so trifft sie die nach ihrem Recht zulässigen Massnahmen, damit der Handel, die Veräusserung oder eine Übertragung der sichergestellten Erträge oder Tatwerkzeuge bis zum Vorliegen eines endgültigen Gerichtsentscheides der ersuchenden Partei verhindert werden kann. Ein erneutes Ersuchen um Vornahme vorläufiger Massnahmen ist nicht notwendig. Solche vorläufigen Massnahmen werden insbesondere das Einfrieren von Geldern sowie die Beschlagnahme sein.

Das Institut der vorsorglichen Massnahmen für Erträge aus strafbaren Handlungen und Tatwerkzeuge ist auch im Geldwäschereiübereinkommen des Europarats (Art. 11 und 12) geregelt.

Neben dem IRSG (Art. 18) sehen auch gewisse bilaterale Rechtshilfeverträge, so die Verträge mit den Vereinigten Staaten9, mit Australien10 sowie mit Peru11 und Ecua-

159

dor12, die Möglichkeit der Anordnung von Sofortmassnahmen vor. Das IRSG sowie die Rechtshilfeverträge mit den Vereinigten Staaten, mit Peru und mit Ecuador lassen solche Massnahmen jedoch nicht präventiv, sondern erst beim Vollzug eines Rechtshilfeersuchens zu. Die vorsorglichen Massnahmen sind in diesen Instrumenten allerdings nicht auf Erträge aus strafbaren Handlungen und Tatwerkzeuge beschränkt, sondern für jegliche Beweismittel möglich.

Art. 24

Einziehung

Die Regelung dieses Artikels orientiert sich an den Artikeln 13 ff. des Geldwäschereiübereinkommens des Europarats.

Die Bestimmung hat die Einziehung von Erträgen und Tatwerkzeugen aus strafbaren Handlungen zum Gegenstand. Die Parteien verpflichten sich, einander auf Ersuchen hin so weit als möglich zu unterstützen, damit die Einziehung von Erträgen aus strafbaren Handlungen oder von Tatwerkzeugen sichergestellt ist. Die Rechtshilfe kann in der Vollstreckung eines von der ersuchenden Partei erlassenen Einziehungsentscheides bestehen oder die Einleitung eines landesrechtlichen Einziehungsverfahrens oder die Unterstützung eines solchen Verfahrens in der ersuchenden Partei bezüglich der im Ersuchen aufgeführten Erträge aus strafbaren Handlungen oder Tatwerkzeuge bezwecken (Abs. 1).

Die eingezogenen Erträge oder Tatwerkzeuge können von der ersuchten Partei zurückbehalten werden (Abs. 2), wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

Art. 25

Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen

Eine wichtige Waffe im Kampf gegen die internationale Kriminalität ist der rasche Informationsaustausch. Dies gilt im Bereich der organisierten Kriminalität und der Geldwäscherei ganz besonders. Die vorliegende Bestimmung erlaubt den Parteien, einander ohne Vorliegen eines Rechtshilfeersuchens Informationen über Erträge aus strafbaren Handlungen oder über Tatwerkzeuge zu übermitteln. Die Übermittlung solcher Informationen erfolgt in der Regel via die Zentralbehörden. Die Informationsübermittlung ist freiwillig, die Parteien sind dazu nicht verpflichtet.

Bedingung für die unaufgeforderte Informationsübermittlung ist einerseits, dass die übermittelnde Partei der Meinung ist, die Informationen könnten der anderen Partei für deren Ermittlungen oder in Verfahren dienlich sein oder könnten sie dazu führen, ein Rechtshilfeersuchen zu stellen. Andererseits darf ein Informationsaustausch gestützt auf diesen Artikel die laufenden Ermittlungen und Verfahren der übermittelnden Partei nicht behindern.

Im Gegensatz zu Artikel 16 stehen die im Rahmen dieses Artikels gelieferten Informationen nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit einem konkreten Verfahren und betreffen zudem nur Erträge aus strafbaren Handlungen oder Tatwerkzeuge.

Es handelt sich um eine moderne und für den Rechtshilfebereich neuartige Bestimmung, die Artikel 10 des Geldwäschereiübereinkommens des Europarats entspricht.

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SR 0.351.933.6, Art. 31 SR 0.351.915.8, Art. 16 SR 0.351.964.1 (AS 2000 828), Art. 7 SR 0.351.932.7 (AS 2000 818), Art. 6

Das Instrument der spontanen Informationsübermittlung wurde erst im revidierten schweizerischen Rechtshilfegesetz (Art. 67a) und im Vertrag zwischen der Schweiz und Italien vom 10. September 199813 zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen verankert, allerdings nicht auf Tatwerkzeuge und deliktische Erträge beschränkt, wie es im vorliegenden Vertrag der Fall ist.

2.2.5

Kapitel V: Verfahren

Die nachstehenden Artikel regeln das bei der Einreichung von Rechtshilfeersuchen zu befolgende Vorgehen.

Art. 26

Zentralbehörde

Die Bestimmung sieht die Schaffung einer Zentralbehörde in jeder Partei vor (Abs. 1 und 2). Ersuchen dürfen fortan nur noch über diese Zentralbehörden gestellt werden (Abs. 3). Auch der sonstige Schriftverkehr hat in der Regel via die Zentralbehörden zu erfolgen. Die Zentralbehörden werden direkt miteinander verkehren (Abs. 4); sie können der anderen Partei ­ insbesondere in dringenden Fällen ­ jedoch auch Ersuchen via Interpol übermitteln (Abs. 5).

Die Institution von Zentralbehörden ist insbesondere im Verhältnis zu Staaten, die ein unterschiedliches Rechtssystem aufweisen, sehr nützlich. Beide Parteien haben bei der Behandlung von Rechtshilfeersuchen klar bezeichnete Ansprechpartner. Es werden so direkte, persönliche Kontakte zwischen den Spezialisten beider Parteien möglich. Missverständnissen kann vorgebeugt und die Zusammenarbeit verbessert werden. Im schweizerischen Rechtshilferecht wurde zum ersten Mal im Vertrag mit den USA aus dem Jahre 1973 eine Zentralbehörde geschaffen.

Art. 27

Inhalt der Ersuchen

Dieser Artikel stellt eine übliche Checkliste für die Angaben dar, die ein Rechtshilfeersuchen enthalten muss, damit es ausgeführt werden kann. Ist ein Ersuchen unvollständig oder anderweitig nicht vertragskonform, so teilt die ersuchte Partei dies der anderen Partei mit, damit sie das Ersuchen gemäss Artikel 28 Absatz 3 nachbessern kann. Absatz 3 des vorliegenden Artikels schliesst ausdrücklich aus, dass die ersuchte Partei das Beilegen von Beweismitteln verlangen darf.

Art. 28

Ausführung der Ersuchen

Absatz 1 statuiert, dass die Ersuchen unverzüglich auszuführen sind, und zwar entweder durch die Zentralbehörde selber oder durch die zuständigen Behörden. Dabei ist das Recht der ersuchten Partei anwendbar. Darunter fallen auf schweizerischer Seite das IRSG sowie die Strafprozessordnungen der Kantone und des Bundes. Die im Ersuchen angegebenen Anweisungen sollten jedoch von der ersuchten Partei befolgt werden, ausser wenn dadurch ihre eigenen Rechtsvorschriften verletzt würden (Abs. 4). Solche Anweisungen können zum Beispiel die Bescheinigung von

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BBl 1999 1485, Art. XXVIII

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Beweisunterlagen oder bei der Einvernahme von Zeugen oder Beschuldigten die Abnahme eines Eides betreffen.

In dringenden Fällen hat die Zentralbehörde ­ so weit als möglich ­ noch vor dem Eintreffen aller Unterlagen erste Massnahmen zu ergreifen (Abs. 2)14.

Absatz 3 regelt die Möglichkeit der Nachbesserung eines unvollständigen oder nicht vertragskonformen Ersuchens. Auch das IRSG (Art. 28 Abs. 6) kennt die Verbesserungs- oder Ergänzungsmöglichkeit für ungenügende Ersuchen.

Ist eine erhebliche Verzögerung in der Ausführung des Ersuchens zu erwarten, so hat die ersuchte Partei die andere Partei darüber zu informieren (Abs. 5).

Die zuständige Behörde übermittelt nach erfolgtem Vollzug das Original des Ersuchens, die erhobenen Beweismittel und die erhaltenen Auskünfte ihrer Zentralbehörde. Diese überprüft, ob das Ersuchen korrekt ausgeführt worden ist und weist es nötigenfalls an die ausführende Behörde zurück. Anschliessend teilt sie die Ergebnisse der Zentralbehörde der ersuchenden Partei mit (Abs. 6).

Art. 29

Vertraulichkeit

Die ersuchte Partei hat das Ersuchen und die darin enthaltenen Informationen vertraulich zu behandeln, ausser wenn sie von der ersuchenden Partei davon entbunden wird. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des internen Rechtes.

Art. 30

Informationspflicht im Ablehnungsfall

Dieser Artikel verankert die Regelung von Artikel 3 Absatz 4 noch einmal explizit.

Er hält ausdrücklich fest, dass die ersuchende Partei im Falle einer teilweisen oder vollständigen Ablehnung eines Ersuchens Anrecht auf eine sofortige Begründung hat.

Art. 31

Formerfordernisse

In Absatz 1 konnte der Grundsatz verankert werden, dass in Rechtshilfeverfahren zwischen beiden Parteien keine Beglaubigungen, in welcher Form auch immer, verlangt werden dürfen. Derselbe Grundsatz findet sich auch im EUeR (Art. 17). Im angloamerikanischen Rechtskreis wird üblicherweise derartigen Förmlichkeiten grosses Gewicht beigemessen. Alle Beweisunterlagen, einschliesslich Übersetzungen, müssen dort in der Regel versiegelt und mit eidesstattlich bezeugten Erklärungen versehen werden. Der Ausschluss von Beglaubigungsvorschriften im vorliegenden Abkommen kann als Erfolg betrachtet werden.

Absatz 2 lässt die Möglichkeit zu, dass die ersuchende Partei ausdrücklich verlangen kann, dass die ersuchte Partei die zu übermittelnden Unterlagen bescheinigen soll.

Es handelt sich hierbei aber nur um das Anbringen eines «Echtheitsstempels» und nicht um ein aufwendiges Beglaubigungsverfahren. Die Bescheinigung kann durch die Zentralbehörde der ersuchten Partei vorgenommen werden.

Absatz 3 hält noch einmal ausdrücklich fest, dass die Parteien nicht auf diplomatischem Weg vorzunehmende Legalisierungen (Beglaubigungen oder Bescheinigungen) verlangen können.

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Eine analoge Regelung findet sich in Art. 18 IRSG.

Der in diesem Artikel verankerte weitgehende Ausschluss von Formerfordernissen bezweckt, lange und kostspielige Verfahren zu vermeiden und dementsprechend die Rechtshilfe zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Art. 32

Sprache

Der Artikel schreibt vor, dass die ersuchende Partei dem Ersuchen und den mitgelieferten Schriftstücken eine Übersetzung in einer offiziellen Sprache der ersuchten Partei beizulegen hat. Die ersuchte Partei kann die gewünschte Sprache jeweils angeben. Konkret bedeutet dies, dass das Ersuchen und die dazugehörigen Unterlagen in eine der Vertragssprachen (also in Englisch, Deutsch oder Chinesisch) oder in eine Amtssprache der Schweiz zu übersetzen sind.

Art. 33

Vertretung und Kosten

Die ersuchte Partei hat nach Absatz 1 alles Notwendige zu unternehmen, damit die ersuchende Partei in den mit einem Ersuchen zusammenhängenden Verfahren vertreten werden kann. Ist eine Vertretung nicht möglich, so nimmt sie selbst die Interessen der ersuchenden Partei wahr.

Die Absätze 2 und 3 enthalten eine Kostenregelung. Die normalerweise beim Vollzug eines Ersuchens auf ihrem Gebiet anfallenden Kosten werden grundsätzlich von der ersuchten Partei getragen. Davon ausgenommen sind jedoch Anwalts- und Sachverständigenhonorare, Übersetzungs- und Dolmetscherkosten sowie Reiseauslagen und Entschädigungen (Abs. 2). Zeigt sich bei der Ausführung des Ersuchens, dass die üblicherweise anfallenden Kosten massiv zu überschritten werden drohen, so kontaktieren sich beide Parteien, um das weitere Vorgehen zu besprechen (Abs. 3).

2.2.6

Kapitel VI: Weitere Zusammenarbeit

Art. 34

Polizeiliche Zusammenarbeit

Gestützt auf die Artikel 351ter­351septies StGB15, auf Artikel 75a IRSG und Artikel 35 IRSV kann die Schweiz bereits heute einseitig auf polizeilicher Ebene mit anderen Staaten zusammenarbeiten. Solcher polizeilicher Nachrichtenaustausch (polizeilicher Rechtshilfeverkehr) ist im Gegensatz zur eigentlichen Rechtshilfe nur möglich, wenn es nicht um die Durchführung von Prozesshandlungen mit Zwangscharakter geht. Es können beispielsweise Personalien inklusive Fingerabdrücke, polizeiliche Ermittlungsunterlagen, Telefonabonnenten, Fahrzeughalter oder Angaben über kriminalpolizeiliche Vorgänge von Personen übermittelt werden. Es können jedoch keine Zeugeneinvernahmen, Telefonabhörungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Herausgaben von Dokumenten, die einem Geschäfts- oder Bankgeheimnis unterliegen, beantragt werden.

Mit der vorliegenden Bestimmung wird die Zusammenarbeit zwischen polizeilichen Behörden beider Parteien bilateral geregelt. Es wird ausdrücklich verankert, dass diese nur erfolgen darf, soweit keine Zwangsmassnahmen verlangt werden.

15

Schweizerisches Strafgesetzbuch, SR 311.0

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Die Übermittlung von Informationen im Zusammenhang mit solcher polizeilicher Zusammenarbeit erfolgt in der Regel auf dem Interpol-Kanal und nicht über die Zentralbehörden.

Art. 35

Andere Grundlagen für die Zusammenarbeit

Dieser Artikel hält fest, dass die Parteien nicht nur auf Grund dieses Abkommens zusammenarbeiten dürfen, sondern auch auf Grund anderer Abkommen und Vereinbarungen sowie gestützt auf ihr internes Recht. Voraussetzung ist allerdings, dass eine solche Zusammenarbeit nicht im Widerspruch zum vorliegenden Abkommen steht.

2.2.7

Kapitel VII: Schlussbestimmungen

Art. 36 und 37 Meinungsaustausch/Beilegung von Streitigkeiten Da die SAR Hongkong den von der Schweiz gewünschten Einbezug des Internationalen Gerichtshofs bei der Streitbeilegung nicht akzeptieren konnte, wurde der folgende Kompromiss gefunden (die beiden Artikel sind zusammen zu lesen): Tauchen bei der Anwendung oder Umsetzung dieses Abkommens Fragen oder Schwierigkeiten ­ sowohl genereller als auch fallbezogener Natur ­ auf, so können die Zentralbehörden beider Parteien sich kontaktieren und ihre Meinungen schriftlich oder mündlich austauschen oder sich für einen Meinungsaustausch treffen (Art. 36).

Entstehen Streitigkeiten bezüglich Auslegung, Anwendung oder Umsetzung des Abkommens, so versuchen die Zentralbehörden, diese gemeinsam beizulegen. Gelingt dies nicht, so muss eine Lösung auf diplomatischem Weg erreicht werden (Art. 37).

2.3

Würdigung des Abkommens

Zwischen der Schweiz und der SAR Hongkong konnte ein modernes Abkommen erarbeitet werden, das die Zusammenarbeit unter den Strafverfolgungsbehörden beider Parteien erleichtert und fördert und so einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität leistet. Es handelt sich um das erste formelle Rechtshilfeabkommen in Strafsachen, welches die Schweiz mit einem Vertragspartner im asiatischen Raum abschliesst. Deshalb wird ihm für künftige Vertragsverhandlungen in Asien Modellcharakter zukommen.

Inhaltlich orientiert sich das Abkommen am EUeR, am Geldwäschereiübereinkommen des Europarats, am IRSG und an bilateralen Verträgen, welche die Schweiz bisher im Rechtshilfebereich abgeschlossen hat, insbesondere den Rechtshilfeverträgen mit Kanada und Australien.

Das Abkommen berücksichtigt die Bedürfnisse der Praxis. Es wurde übersichtlich strukturiert. Im angloamerikanischen Rechtskreis übliche Formerfordernisse konnten wesentlich reduziert werden. Zur Verfahrenserleichterung wurde die Einrichtung einer Zentralbehörde in jeder Partei vorgesehen; diese Ansprechpartner können direkt miteinander verkehren.

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Die Bestimmungen des Kapitels IV, die insbesondere die Aufspürung und die Einziehung von Deliktserträgen regeln, finden mit dem vorliegenden Abkommen zum ersten Mal in solch umfassender Weise Eingang in einen bilateralen Rechtshilfevertrag der Schweiz. Insbesondere für eine effiziente Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Geldwäscherei sind solche Regelungen ein Bedürfnis. Gerade im Verhältnis zu einem so wichtigen Bankenplatz wie Hongkong kommt ihnen eine grosse Bedeutung zu. Inhaltlich übernehmen sie in den Grundzügen gewisse Bestimmungen des Geldwäschereiübereinkommens des Europarats.

Was die Menschenrechte anbetrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die SAR Hongkong die Todesstrafe nicht mehr kennt. Sie wurde zwar erst vor kurzem abgeschafft, ist aber bereits seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vollzogen worden. Das Grundgesetz der SAR Hongkong garantiert die weitere Selbstständigkeit der Justiz und des Strafvollzuges. Trotzdem wurde, im Sinne einer Absicherung, die Ablehnungsmöglichkeit eines Ersuchens bei einer drohenden Todesstrafe vorgesehen. Es ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass inzwischen verschiedene Staaten, unter anderem die USA, Südkorea, Australien, Neuseeland, Frankreich, Grossbritannien und Italien, mit Hongkong bilaterale Abkommen über Rechtshilfe in Strafsachen ausgehandelt haben; einige dieser Abkommen sind bereits seit kurzem in Kraft. Schliesslich ist anzumerken, dass Hongkong Mitglied einer Vielzahl von multilateralen Konventionen ist, welche den Schutz der Menschenrechte bezwecken16.

3

Finanzielle, personelle und volkswirtschaftliche Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Der Abschluss des Abkommens hat neue Verpflichtungen für unser Land zur Folge.

Insbesondere die vorgesehene Zentralbehörde, über die sich der gesamte Schriftverkehr (mit Ausnahme der Übermittlung von Ersuchen via Interpol) zwischen beiden Parteien abwickeln wird, bedeutet einen zusätzlichen Arbeitsanfall für das Bundesamt für Justiz (BJ). Der Arbeitsanfall wird von der Anzahl der Rechtshilfeersuchen und der Komplexität der Fälle abhängen.

16

Unter anderem ist Hongkong Mitglied des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (SR 0.103.1), des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2), des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105), des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (SR 0.107), des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (SR 0.108), der Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels (SR 0.311.31 und 0.311.32) bzw. zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels (SR 0.311.33) wie auch der Sklavereiabkommen (SR 0.311.37 und 0.311.371)

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3.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone

Durch das Abkommen fallen den Kantonen keine Mehraufgaben zu. Sie haben daher keine Mehrbelastung zu erwarten.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Das Abkommen wird keine Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft haben.

4

Legislaturplanung

Das Abkommen figuriert in der Legislaturplanung 1999­2003 (BBl 2000 2331).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Im Verhältnis zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten des Europarats ist im Rechtshilfebereich grundsätzlich das EUeR anwendbar. Zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten bestehen zusätzlich zu dieser Europaratskonvention bilaterale Ergänzungsabkommen17. Ausserdem kommt zwischen der Schweiz und vielen Europaratsmitgliedern das Geldwäschereiübereinkommen des Europarats zur Anwendung.

Das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der SAR Hongkong über Rechtshilfe in Strafsachen orientiert sich inhaltlich stark an der oben genannten Rechtshilfekonvention des Europarats und übernimmt die meisten darin verankerten Grundsätze. Der vorgeschlagene Abkommenstext ist folglich mit dem europäischen Recht kompatibel.

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SR 0.351.913.61 (mit Deutschland), 0.351.916.32 (mit Österreich), 0.351.934.92 (AS 2000 2242; mit Frankreich), BBl 1999 1485 (mit Italien)

6

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten, wozu auch der Abschluss von Staatsverträgen gehört, Sache des Bundes.

Die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen obliegt nach Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung.

Völkerrechtliche Verträge unterstehen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Das Rechtshilfeabkommen mit der SAR Hongkong erfüllt diese Voraussetzungen nicht: Zum einen wurde es zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber von jeder Partei jederzeit gekündigt werden. Zum anderen sieht das Abkommen weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation noch eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vor. Aus diesen Gründen untersteht der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung nicht dem fakultativen Referendum.

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