01.036 Botschaft zur Volksinitiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» vom 15. Juni 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit die Botschaft und den Beschlussentwurf zur Volksinitiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Juni 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0150

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Übersicht Am 13. November 2000 wurde die Volksinitiative ,,gegen Asylrechtsmissbrauch" in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht. Die Initiative verlangt eine Ergänzung von Artikel 121 Absatz 1 der Bundesverfassung durch einen neuen Absatz 1a. Dieser sieht vor, dass der Bund im Asylbereich unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verpflichtungen neben verfahrens- auch straf- und fürsorgerechtliche Grundsätze beachten und dadurch die Attraktivität der Schweiz als Asylland senken soll. Mit einem neuen Nichteintretenstatbestand (Bst. a) und der Bezeichnung sicherer Drittstaaten durch den Bundesrat (Bst. b) soll die Dauer des Verfahrens illegal eingereister Asylsuchender und der effektive Aufenthalt weggewiesener Personen verkürzt werden, sofern den Betroffenen die Möglichkeit offen stand oder gestanden hätte, im Drittstaat um Asyl nachzusuchen; Fluggesellschafen des konzessionierten Linienverkehrs, welche die Einhaltung der schweizerischen Einreisebestimmungen durch ihre Passagiere nicht oder nicht ausreichend kontrollieren, sollen mittels Sanktionen zur Verantwortung gezogen werden (Bst. c). Während des verfahrensrechtlich notwendigen Aufenthaltes in der Schweiz sollen die Asylsuchenden Fürsorgeleistungen zu gesamtschweizerisch einheitlichen niedrigen Ansätzen und grundsätzlich in Form von Sachleistungen erhalten (Bst. d). Ärztliche und zahnärztliche Leistungserbringerinnen und ­erbringer für bedürftige Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene sollen durch die Kantone bestimmt werden (Bst. e). Schliesslich sollen Asylsuchende, deren Wegweisung vollziehbar ist, sowie vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben, nur Fürsorgeleistungen im Werte einfacher Unterkunft und Verpflegung erhalten und die medizinische Versorgung soll auf Notfallbehandlungen beschränkt sein. Diesen Personen soll darüber hinaus eine Erwerbstätigkeit nur im Rahmen staatlicher Beschäftigungsprogramme erlaubt sein (Bst. f).

Gemäss der ebenfalls neu vorgeschlagenen Übergangsregelung von Artikel 197 sollen die nötigen Vollzugsbestimmungen bis zu deren Ablösung durch die ordentliche Gesetzgebung vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg erlassen werden und die Bestimmungen des neuen Artikel 121 Absatz 1a drei Monate nach Annahme der Initiative in Kraft treten.

Die Initiative ist als gültig zu betrachten und
Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten. Die Forderungen der Initiantinnen und Initianten sind im Fürsorgebereich weitgehend erfüllt und in verfahrensrechtlicher Hinsicht Gegenstand der laufenden Revisionen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer sowie des Asylgesetzes. Soweit die Forderungen die Beschränkung medizinischer Leistungen für bestimmte Personenkategorien anstreben, wäre deren Umsetzung angesichts der Tragweite der damit verbundenen ethischen Fragestellung heikel. Die zusätzlich für diese Personen geltende äusserst restriktive Regelung des Zugangs zum schweizerischen Arbeitsmarkt hätte beträchtliche Mehrkosten zur Folge.

Bei dieser Ausgangslage beantragt der Bundesrat dem Parlament die Ablehnung der Volksinitiative ,,gegen Asylrechtsmissbrauch" ohne Gegenentwurf.

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Botschaft 1

Allgemeines

1.1

Formelles

Am 13. November 2000 reichte die Schweizerische Volkspartei (SVP) die in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasste eidgenössische Volksinitiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" ein.

1.1.1

Wortlaut der Initiative

Die Initiative lautet wie folgt: I Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt ergänzt: Art. 121 Abs. 1a (neu) 1a

Zur Verhinderung von Asylrechtsmissbrauch beachtet der Bund unter Vorbehalt der völkerrechtlichen Verpflichtungen insbesondere folgende Grundsätze: a.

Ist der Asylsuchende aus einem sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist, wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, wenn der Asylsuchende im Drittstaat ein Asylgesuch gestellt hat oder hätte stellen können.

b.

Der Bundesrat legt eine Liste sicherer Drittstaaten fest, in denen die Umsetzung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

c.

Gegen Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs, welche die Schweiz anfliegen und die geltenden Vorschriften der Mitwirkung bei der Kontrolle der Einreisevorschriften nicht einhalten, werden Sanktionen ergriffen. Einzelheiten regelt das Gesetz.

d.

Fürsorgeleistungen an Asylsuchende werden einheitlich für die ganze Schweiz und abweichend von den allgemeinen Normen angesetzt. Sie werden in der Regel durch Sachleistungen erbracht.

e.

Die Kantone bestimmen die Leistungserbringer für die ärztliche und zahnärztliche Betreuung von Asylsuchenden.

f.

Asylsuchende, deren Gesuch abgelehnt oder auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, und bei denen der Vollzug der Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist, sowie vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht grob verletzen, erhalten bis zu ihrer Ausreise staatliche Fürsorgeleistungen nur im Werte einfacher Unterkunft und Verpflegung sowie ärztlichen und zahnärztlichen Notfalldienst. Erwerbstätigkeiten sind ihnen nur im Rahmen von staatlichen Beschäftigungsprogrammen erlaubt.

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II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 197 (neu) 1. Übergangsbestimmung zu Art. 121 Abs. 1a (Asylrecht) (neu) Die Bestimmungen von Artikel 121 Absatz 1a treten drei Monate nach ihrer Annahme durch Volk und Stände in Kraft. Der Bundesrat erlässt die nötigen Vollzugsbestimmungen auf dem Verordnungswege, bis sie durch die ordentliche Gesetzgebung abgelöst werden.

1.1.2

Zustandekommen

Die Bundeskanzlei stellte mit Verfügung vom 4. Dezember 2000 fest, dass die am 13. November 2000 eingereichte Initiative mit 107 438 gültigen Unterschriften formell zu Stande gekommen ist (BBl 2000 6233).

1.1.3

Behandlungsfrist

Die Botschaft des Bundesrates zur Initiative ist nach Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.1) spätestens innert 12 Monaten nach Einreichung der Initiative - also bis zum 13. November 2001 - der Bundesversammlung zu unterbreiten. Unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlass, verlängert sich diese Frist nach Artikel 29 Absatz 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.1) auf 18 Monate.

Der Beschluss der Bundesversammlung darüber, ob sie der Initiative in der eingereichten Form zustimmt oder sie ablehnt, muss spätestens 30 Monate nach Einreichung der Initiative gefasst werden, das heisst spätestens bis zum 13. Mai 2003. Hat mindestens ein Rat beschlossen, dass ein direkter oder indirekter Gegenvorschlag unterbreitet werden soll, so kann die Bundesversammlung diese Frist um ein Jahr verlängern.

Der Bundesrat hat am 15. Juni 2001 beschlossen, der Bundesversammlung die Ablehnung der Volksinitiative zu beantragen und angesichts der laufenden Revisionen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer sowie des Asylgesetzes auf einen direkten Gegenvorschlag zu verzichten.

1.2

Gültigkeit der Initiative

1.2.1

Einheit der Form

Das in Artikel 139 Absatz 3 BV statuierte Gebot der Einheit der Form verlangt, dass eine Volksinitiative entweder als allgemeine Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf ausformuliert sein muss; Mischformen sind nicht gestattet (Art. 75 Abs. 3 4728

des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte, BPR, SR 161.1). Die vorliegende Initiative liegt als ausgearbeiteter Entwurf vor, womit die Einheit der Form gewahrt ist.

1.2.2

Einheit der Materie

Das Gebot der Einheit der Materie (Art. 139 Abs. 3 BV) soll sicherstellen, dass mit dem Initiativbegehren nicht mehrere sachlich nicht zusammenhängende Fragen zur Abstimmung gelangen, die eine freie und unverfälschte demokratische Willensbildung und -kundgabe verunmöglichen. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen der Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR). Die vorliegende Initiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" will den Missbrauch des schweizerischen Asylrechts mit verschiedenen Massnahmen einschränken und dadurch die Schweiz als Zielland für Asylsuchende unattraktiv werden lassen. Einerseits sollen die Voraussetzungen zur Durchführung eines Asylverfahrens verschärft (Einführung zusätzlicher Nichteintretenstatbestände i.S. der Drittstaatenregelung) und die Dauer der Anwesenheit von asylsuchenden Personen in der Schweiz mit verschiedenen fürsorgerechtlichen Massnahmen verkürzt werden. Andererseits sollen mit den vorgeschlagenen neuen Strafbestimmungen die Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs dazu angehalten werden, die Einhaltung der Einreisevoraussetzungen in die Schweiz durch ihre Passagiere sicher zu stellen (carrier sanctions). Die verschiedenen Massnahmen stehen miteinander in ausreichendem Zusammenhang. Die Einheit der Materie ist demnach gewahrt.

1.2.3

Weiteres Gültigkeitserfordernis

Neben der Einheit der Form und der Materie verlangt die Bundesverfassung in Artikel 194 Absatz 2 die Beachtung der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Gemäss jüngster Praxis der Bundesbehörden und entsprechend der herrschenden Lehre stellen die Normen des zwingenden Völkerrechts eine absolute materielle Schranke des Verfassungsrechts dar (bspw. Verbot der Folter, des Völkermordes, der Sklaverei oder der Rückschiebung). Soweit es sich dabei um Völkergewohnheitsrecht handelt, kann sich ein Staat der Anwendung diesbezüglicher Regeln auch nicht durch die Kündigung internationaler Verträge entziehen (vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über die Reform der Bundesverfassung, BBl 1997 I 441-442). Darum kommt einem generellen Vorbehalt des Völkerrechts, wie ihn die Volksinitiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" vorsieht, lediglich deklaratorischer Charakter zu, handelt es sich doch beim Vorrang des internationalen gegenüber dem nationalen Recht um einen anerkannten Grundsatz der schweizerischen Rechtsordnung (vgl. bspw. Botschaft des Bundesrates vom 22. Juni 1994, BBl 1994 III 1480-1481). Der Initiativtext verletzt keine Bestimmung des zwingenden Völkerrechts. Damit sind die Voraussetzungen von Artikel 194 Absatz 2 BV erfüllt.

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1.2.4

Durchführbarkeit

Die Umsetzung der vorgeschlagenen Bestimmungen kann sich für die beteiligten eidgenössischen und kantonalen Behörden sowie die betroffenen medizinischen Leistungsbringerinnen und -erbringer als ausserordentlich schwierig erweisen: So setzt die Drittstaatenregelung, wie sie die Initiative vorsieht, die Bereitschaft des sicheren Drittstaates voraus, die über sein Territorium in die Schweiz eingereiste Person zurück zu nehmen. Ist die Wiedereinreise in den durchquerten sicheren Drittstaat jedoch nicht gewährleistet und kann die betroffene Person nicht in den Heimat- oder Herkunftsstaat zurück geführt werden, erweist sich die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagene Drittstaatenregelung als wirkungslos. Diesfalls bleiben die asylsuchenden Personen nämlich in der Schweiz.

Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs, die ihre Kontrollpflicht nicht erfüllen, sollen sanktioniert werden. An den Nachweis, dass eine Person mit einer bestimmten Fluggesellschaft in die Schweiz gereist ist, würden erhöhte Anforderungen gestellt werden.

Bei der medizinischen Versorgung abgewiesener Asylsuchender und bestimmter Gruppen vorläufig Aufgenommener hätten die einzelnen Leistungserbringerinnen und -erbringer die äusserst schwierige Aufgabe, im Einzelfall auf Grund des ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus und des konkreten Verfahrensstandes über Art und Umfang der zu gewährenden Leistung zu entscheiden.

Solche Umsetzungsprobleme können jedoch nach der Doktrin (vgl. statt vieler Pierre Tschannen, Stimmrecht und politische Verständigung, Bern 1995, S. 79 ff. m.w.H.)

und konstanter Praxis eine Ungültigerklärung nicht rechtfertigen. Ungültig erklärt werden dürfen einzig Volksinitiativen, die zweifelsfrei nie umgesetzt werden können, was vorliegend nicht der Fall ist.

2

Ziel und Inhalt der Initiative

Die Initiantinnen und Initianten streben mit der vorliegenden Volksinitiative eine Bekämpfung des Missbrauchs im schweizerischen Asylbereich an. Mit verschiedenen Massnahmen soll die Attraktivität der Schweiz als Asylland gesenkt werden.

Insbesondere soll auf Asylgesuche von Personen, welche über einen sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist sind, künftig nicht mehr eingetreten werden.

Während der Dauer ihrer Anwesenheit in der Schweiz sollen diesen Personen ­ unter der Voraussetzung, dass ihre Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist ­ Fürsorgeleistungen nur im Werte einfacher Unterkunft und Verpflegung sowie ärztliche und zahnärztliche Behandlung nur im Notfall gewährt werden. Eine Erwerbstätigkeit soll ihnen ausschliesslich im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen erlaubt sein. Gleiches soll auch für vorläufig Aufgenommene gelten, welche ihre Mitwirkungspflicht grob verletzen.

Die Ansätze der Fürsorgeleistungen für alle übrigen Personen, deren Asylgesuch noch hängig ist oder negativ entschieden wurde, sollen in der ganzen Schweiz einheitlich und tiefer als in der öffentlichen Fürsorge sein. Diese Fürsorgeleistungen sollen in der Regel nur in Form von Sachleistungen ausgerichtet werden. Die ärztli-

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chen und zahnärztlichen Behandlungen dieser Personen sollen ausschliesslich durch speziell bezeichnete Leistungserbringerinnen und -erbringer erfolgen.

3

Besonderer Teil

3.1

Anlass zur Volksinitiative

Wachsende Pendenzenberge, explodierende Kosten und der Vollzugsnotstand im Asylbereich sind nach Auffassung der Initiantinnen und Initianten das Resultat des Missbrauchs des schweizerischen Asylrechts und erfordern die vorgeschlagenen Massnahmen. Weil das schweizerische Asylrecht bisher nicht oder erst verspätet mit dem Recht der europäischen Nachbarstaaten koordiniert worden sei, könnten Asylsuchende noch bestehende Lücken zwischen dem schweizerischen und dem Rechtssystem der europäischen Nachbarstaaten zu ihren Gunsten nutzen. Die Schweiz werde dadurch ungewollt zu einem grossen Anziehungspunkt für Migrantinnen und Migranten. Deshalb und weil die bisherigen Bemühungen der SVP-Vertreterinnen und -Vertreter im Parlament nicht die erhofften Ergebnisse erzielt hätten, wurde die vorliegende Volksinitiative eingereicht.

3.2

Geltendes Recht

Die Schweiz hat bereits heute rechtliche Bestimmungen, welche unter den Begriff der Drittstaatenregelung fallen: Einerseits kann die asylsuchende Person vorsorglich in einen Drittstaat weggewiesen werden, wenn ihre Weiterreise in diesen Drittstaat zulässig, zumutbar und möglich ist (Art. 23 und 42 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998, SR 142.31 [AsylG]). Andererseits wird auf Asylgesuche nicht eingetreten, wenn die asylsuchende Person in ein Land ausreisen kann, in welchem bereits ein Asylgesuch hängig ist (Art. 32 Abs. 2 Bst. d AsylG).

Festsetzung und Ausrichtung von Fürsorgeleistungen an Asylsuchende, Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung und vorläufig Aufgenommene richten sich heute entsprechend der verfassungsmässigen Kompetenzverteilung nach kantonalem Recht (Art. 82 Abs. 1 AsylG). Der Bund vergütet den Kantonen ihre diesbezüglichen Aufwendungen grundsätzlich nach einheitlichen Ansätzen. Kantonale Unterschiede werden dabei lediglich hinsichtlich des Mietzinsniveaus und der Krankenversicherungsprämien berücksichtigt. Die zu vergütenden Pauschalbeträge basieren auf kostengünstigen Lösungen (Art. 89 Abs. 1 AsylG) und liegen bereits heute rund 20% unter den für die allgemeine öffentliche Fürsorge geltenden Ansätzen. Seit längerem gilt in der Fürsorge für Asylsuchende der Grundsatz, Unterstützungsleistungen nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten (Art. 82 Abs. 2 AsylG). Das Bundesamt für Flüchtlinge hat für die notwendigen zahnmedizinischen Behandlungen (Zahnerhaltung und Schmerzbekämpfung) Behandlungsstandards festgelegt und für jeden Kanton eine Vertrauenszahnärztin oder einen Vertrauenszahnarzt bezeichnet (Art. 28 Abs. 4 der Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen vom 11. August 1999, SR 142.312 [AsylV2]).

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Im Bereich der ärztlichen Betreuung sind die Kantone bereits heute verpflichtet, für Asylsuchende die freie Wahl der Leistungserbringerin oder des Leistungserbringers wie auch der Krankenversicherin oder des Krankenversicherers einzuschränken (Art.

26 Abs. 4 AsylV2).

3.3

Bisher eingereichte Initiativen und politische Vorstösse

3.3.1

Initiative "gegen die illegale Einwanderung"

Bereits mit der Initiative "gegen die illegale Einwanderung" vom 18. Oktober 1993 wurde unter anderem gefordert, unter Beachtung des Rückschiebungsverbotes auf Asylgesuche illegal eingereister Personen nicht mehr einzutreten. Jene Initiative behielt das Rückschiebeverbot explizit vor, während die Initiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" nur allgemein von der Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen spricht.

Das Volksbegehren wurde am 1. Dezember 1996 mit 982 867 zu 1 138 301 Stimmen abgelehnt.

3.3.2

Initiative "für eine Regelung der Zuwanderung"

Die Initiative "für eine Regelung der Zuwanderung" vom 15. Februar 1994 verlangte unter anderem die Unterbindung der finanziellen Anreize für einen weiteren Verbleib der Asylsuchenden in der Schweiz. Die Forderungen im Bereich der Fürsorge und der Erwerbstätigkeit waren jedoch aufgrund der tiefer angesetzten Fürsorgeleistungen sowie durch das bereits existierende zeitlich beschränkte Arbeitsverbot für Asylsuchende schon weitestgehend erfüllt.

Die Initiative "für eine Regelung der Zuwanderung" wurde am 24. September 2000 mit 636 848 zu 1 364 751 Stimmen abgelehnt.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Im Allgemeinen

Die vorliegende Initiative wurde in einem Zeitpunkt lanciert, in welchem ­ als Folge der Kosovo-Krieges ­ der Bestand der asylsuchenden und vorläufig aufgenommen Personen in der Schweiz gross und die damit verbundenen Ausgaben im Asylbereich ausserordentlich hoch waren. Seither sind im Rahmen des Rückkehrhilfeprogrammes Kosovo über 32'000 Personen in ihre Heimat zurück gekehrt. Parallel dazu hat sich die Anzahl neu eingereichter Asylgesuche laufend reduziert. Sie entspricht heute wieder den Verhältnissen vor Ausbruch des Bosnienkrieges. Die Volksinitiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" nimmt damit zu Unrecht die finanziellen Auswirkungen einer ausserordentlichen, dramatischen Fluchtsituation zum Anlass, grundlegende und einschneidende Änderungen des schweizerischen Asylrechts zum Nachteil der Betroffenen zu fordern.

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Mit der Umsetzung der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bestimmung für eine Drittstaatenregelung müsste die Schweiz ihre bisherige Politik der humanitären Tradition aufgeben. Der Zugang zum ordentlichen Asylverfahren würde mit der Einführung des vorgeschlagenen neuen Nichteintretenstatbestandes übermässig beschränkt, wodurch einer Vielzahl geflüchteter Personen sowohl wirksamer Schutz als auch eine adäquate Rechtsstellung während der Dauer ihrer Anwesenheit in der Schweiz verwehrt blieben. Der neue Nichteintretenstatbestand führt zwar unter Umständen zu einer Verfahrensverkürzung, aber nicht zu einer wesentlichen Verkürzung der Aufenthaltsdauer in der Schweiz, da die effektive Rückführung einer weggewiesenen Person in einen auf der Flucht durchquerten sicheren Drittstaat die Bereitschaft desselben zur Rückübernahme voraussetzt. Diese kann trotz der bestehenden internationalen Abkommen in der Mehrzahl der Fälle nicht ohne weiteres vorausgesetzt oder gar erzwungen werden.

Die Einführung von Strafbestimmungen gegenüber Transportunternehmen, die ihre Sorgfaltspflicht bei der Kontrolle der Einhaltung schweizerischer Einreisevorschriften durch die beförderten Personen verletzen, wird im Rahmen der Totalrevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vertieft geprüft.

In fürsorgerechtlicher Hinsicht sind die Anliegen der Initiantinnen und Initianten weitestgehend erfüllt. So werden Fürsorgeleistungen nach Möglichkeit als Sachleistungen und gesamtschweizerisch faktisch einheitlich ausgerichtet. Sie liegen unter den für übrige Fürsorgeempfängerinnen und -empfänger geltenden Ansätzen. Der Zugang der asylsuchenden und vorläufig aufgenommenen Personen zum schweizerischen Gesundheitssystem wird von den Kantonen mittels Einschränkung der Wahl der Leistungserbringerin bzw. des Leistungserbringers (bspw. Hausarztsystem oder HMO-Modell) und Bezeichnung eines oder mehrerer Vertrauenszahnärztinnen und ärzte gezielt gesteuert. Im Rahmen der laufenden Revision des Asylgesetzes wird der Bundesrat in diesem Bereich noch weitergehende Massnahmen vorschlagen, welche im Zusammenhang mit dem in der Motion der SPK-S (99.3567) erteilten Auftrag an den Bundesrat stehen. Dieser sieht vor, dass für die Übernahme der Pflegekosten von bedürftigen asylsuchenden und vorläufig aufgenommenen
Personen eine einheitliche und administrativ einfach handhabbare Lösung unterbreitet werden soll, welche die Interessen der betroffenen Personen, der Krankenversicherer, der Kantone und des Bundes berücksichtigt. Der Bundesrat ist überzeugt, dass mit diesen vorgesehenen Massnahmen wirksam auf die Pflegekosten von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen eingewirkt werden kann.

Gegen einen konsequenten Ausschluss einzelner Personenkategorien vom Arbeitsmarkt sprechen die daraus resultierenden Folgekosten zu Lasten des Bundes.

4.2

Im Besonderen

4.2.1

Drittstaatenregelungen (Bst. a und b der Volksinitiative)

Die Initiative verlangt, dass auf Gesuche von Asylsuchenden, die aus einem sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist sind, nicht eingetreten wird, wenn der Asylsuchende im Drittstaat ein Asylgesuch gestellt hat oder hätte stellen können. Ausserdem soll der Bundesrat in einer Liste sichere Drittstaaten bezeichnen, in denen die Umsetzung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Euro4733

päischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

Ein Blick in die ausländischen Asylgesetzgebungen zeigt, dass kein einheitlicher Begriff der Drittstaatenregelung besteht. Der kleinste gemeinsame Nenner der bestehenden Drittstaatenregelungen sieht vor, dass Asylsuchende in einem beschleunigten Verfahren in einen Staat weggewiesen werden können, der nicht der angebliche Verfolgerstaat ist, zu dem die asylsuchende Person aber eine bestimmte Beziehung hat und in welchem das Non-Refoulement-Gebot beachtet wird.

Der vorliegende Vorschlag für eine Drittstaatenregelung basiert auf den Ergebnissen einer Analyse zur Ausgestaltung und Wirkung von Drittstaatenregelungen in fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Kay Hailbronner "Kompatibilität des Schweizer Asylverfahrens mit Harmonisierungsbestrebungen im Asylrecht in der Europäischen Union", 1999). Diese Analyse zeigt, dass die allgemeinen Wirkungen dieser Drittstaatenregelungen gesamthaft eher gering sind, wenn auch für Deutschland eine gewisse Präventivwirkung einer solchen Regelung nicht ausgeschlossen werden kann.

Eine Regelung, wie sie die Initiantinnen und Initianten wünschen, hätte in der Schweiz zur Folge, dass in den meisten Fällen nicht mehr auf ein Asylgesuch eingetreten werden könnte. Erfahrungsgemäss stellt nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Asylsuchenden ihr Gesuch am Flughafen (im Jahr 2000 rund 600 Gesuche), an einer diplomatischen Vertretung der Schweiz im Ausland oder an der Grenze. Die überwiegende Mehrheit der Asylsuchenden (rund 95%) reist illegal in die Schweiz ein und reicht das Asylgesuch an einer Empfangsstelle ein. Wer auf dem Landweg in die Schweiz gelangt, muss grundsätzlich einen der Nachbarstaaten, also Frankreich, Italien, Österreich oder Deutschland durchqueren. Gerade diese Staaten gelten vermutungsweise als sichere Drittstaaten. Mit der vorgeschlagenen Drittstaatenregelung hätten die Asylbehörden bloss noch festzustellen, dass eine asyl-suchende Person auf dem Landweg illegal in die Schweiz eingereist ist und damit zwingend einen sicheren Drittstaat durchquert hat, wo sie hätte um Asyl nachsuchen können. Faktisch würde sich die Schweiz damit ihrer Verpflichtungen nach inhaltlicher Prüfung geltend gemachter Verfolgung entledigen.

Bisher wurde ein konstanter Anteil der
illegal Eingereisten als Flüchtlinge anerkannt und erhielt Asyl (in den letzten Jahren rund 10 %). Mit der vorgeschlagenen Drittstaatenregelung könnte diesen Personen nun nicht mehr Asyl gewährt werden, da von Verfassungs wegen auf entsprechende Gesuche nicht mehr eingetreten werden könnte. Im Rahmen des Wegweisungsverfahrens würden die asylsuchenden Personen in den vorher durchquerten Drittstaat weggewiesen, sofern dieser Staat feststellbar und zudem zur Rückübernahme bereit ist. Gemäss der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (T.I. c/United Kingdom, n°43844/98 vom 7. März 2000) dürfte eine Wegweisung wie bisher nur in einen Drittstaat erfolgen, der auch im Einzelfall Gewähr bietet für die Einhaltung des NonRefoulementgebotes sowie der in den Artikeln 2, 3 und 13 enthaltenen Rechte der EMRK (Recht auf Leben; Schutz vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung; Möglichkeit einer wirksamen Beschwerde). Andernfalls wäre die Wegweisung in den Herkunfts- oder Heimatstaat zu prüfen. Bei Personen, welche die materiellen Flüchtlingseigenschaften erfüllen und auf deren Gesuch aufgrund der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bestimmung nicht mehr eingetreten werden könnte, wäre die vorläufige Aufnahme anzuordnen.

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Das Institut der vorläufigen Aufnahme genügt den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention jedoch keineswegs. Denn diese sieht vor, dass Personen, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen, bezüglich der öffentlichen Fürsorge die gleiche Behandlung wie Einheimischen (Art. 23) und bezüglich der Erwerbstätigkeit sowie des Vereinsrechts die günstigste Behandlung, wie sie unter gleichen Umständen Staatsangehörigen eines fremden Staates zugebilligt wird (Art. 17 bzw. Art. 15), zu gewähren ist. Zudem steht eine vorläufige Aufnahme dem Ziel einer möglichst raschen und erfolgreichen Integration von anerkannten Flüchtlingen entgegen. Auch Familienangehörige von bereits anerkannten Flüchtlingen, welche gleich wie die anerkannte Person unter der Verfolgung ihres Familienmitglied gelitten haben (Reflexverfolgung) könnten mit der vorgeschlagenen Drittstaatenregelung kein Asyl, sondern nur eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz erlangen. Ein solches Ergebnis widerspricht den erklärten Zielen der Initiantinnen und Initianten, wonach tatsächlich Verfolgte in der Schweiz Asyl und nicht irgendeinen provisorischen Aufenthaltsstatus erhalten sollen.

Die Schweiz verfolgt seit langer Zeit eine Politik der humanitären Tradition. Die Folgen der Umsetzung der vorgeschlagenen Drittstaatenregelung hätten einen abrupten Bruch mit dieser Tradition zur Folge.

Die Initiantinnen und Initianten erachten es als Missbrauch, wenn eine verfolgte Person auf der Flucht nicht im erstmöglichen Staat ausserhalb des Verfolgerstaates um Asyl nachsucht. Sie wollen diesen Missbrauch mit einem beschleunigten Verfahren bekämpfen. Damit seien auch Verbesserungen im Vollzug der Wegweisungen verbunden. Gerade diese Wirkung vermag die Initiative aber, wie nachfolgend gezeigt wird, nicht zu erzielen.

Der Vollzug einer Wegweisung in einen Drittstaat ist nur möglich, wenn auch bekannt ist, in welchen Drittstaat sie zu erfolgen hat. Die vorgeschlagene Drittstaatenregelung fördert aber die Verschleierrung des Fluchtweges geradezu, wodurch die Rückübergabe einer Person an einen von ihr durchquerten Drittstaat unmöglich wird. Zudem wird kein Drittstaat bereit sein, eine asylsuchende Person ohne klaren Hinweis auf einen vorangegangenen Aufenthalt oder aufgrund ihrer blossen Aussage wieder einreisen zu lassen.

Zusammenfassend kann gesagt werden,
dass die Drittstaatenregelung der Initiantinnen und Initianten zu weit geht: Das materielle Asylverfahren würde damit faktisch auf die kontingentsweise von der Schweiz aufgenommenen Personen beschränkt.

Selbständig in die Schweiz geflüchtete Personen hätten hingegen kaum mehr Aussicht auf die Durchführung eines materiellen Asylverfahrens. Dadurch erhielten Personen, welche eigentlich als Flüchtlinge anerkannt werden müssten, in der Schweiz keinen wirksamen Schutz vor Verfolgung und keine adäquate Rechtsstellung. Die humanitäre Tradition der Schweiz würde damit aufgegeben.

Die bereits heute im Asylgesetz vorhandenen Bestimmungen zu einer Drittstaatenregelungen werden im Rahmen der laufenden Teilrevision des Asylgesetzes vom Bundesrat weiter entwickelt. Die heute strengen Anforderungen an die schweizerischen Behörden einen vorangegangenen Aufenthalt der asylsuchenden Person in einem Drittstaat nachzuweisen, sollen vereinfacht werden. Beim Vollzug von Wegweisungen sind Beschleunigungsmassnahmen zu prüfen.

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4.2.2

Sanktionen gegen Fluggesellschaften (Carrier sanctions; Bst. c der Volksinitiative)

Die Initiative verlangt, dass gegen Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs, welche die Schweiz anfliegen und die geltenden Vorschriften der Mitwirkung bei der Kontrolle der Einreisevorschriften nicht einhalten, Sanktionen ergriffen werden, wobei Einzelheiten im Gesetz zu regeln wären.

Die Fluggesellschaften sind aufgrund der Bestimmungen des Anhangs 9 zum Übereinkommen vom 7. Dezember 1944 über die internationale Zivilluftfahrt verpflichtet, vor dem Einsteigen zu kontrollieren, ob die Passagiere über die für den Transit und die Einreise vorgeschriebenen Reisedokumente verfügen. Passagiere, welche die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen, dürfen nicht transportiert werden.

Die Fluggesellschaften sind ferner verpflichtet, Personen, die von den zuständigen Behörden an der Grenze zurückgewiesen werden, ohne Verzug wieder an den Ausgangspunkt ihrer Flugreise oder an einen anderen Ort, wo eine legale Einreise möglich ist, zu befördern. Sind keine gültigen Reisedokumente vorhanden, wird ein spezielles Ersatzdokument gemäss den Bestimmungen des Anhangs 9 ausgestellt. Die Behörden der Abflugstation sind verpflichtet, solche Passagiere zurück zu nehmen.

Die Fluggesellschaft muss für alle ungedeckten Kosten aufkommen, die durch die Anwesenheit von Passagieren, welche nicht über die nötigen Dokumente verfügen, verursacht werden, einschliesslich einer allenfalls nötigen Sicherheitsbegleitung.

Heute endet diese Haftung mit der Ausreise oder, wenn eine solche unmöglich, unzulässig oder unzumutbar ist, mit der Bewilligung der Einreise.

Die Fluggesellschaften haben in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit den zuständigen Kontrollbehörden erhebliche Anstrengungen unternommen, um Passagiere, die nicht über die nötigen Dokumente verfügen, vom Transport auszuschliessen. Die Kontrollen der Fluggesellschaften können aber, soll der Flugverkehr effizent abgefertigt werden, nur stichprobenartig vorgenommen werden. Zudem sind allfällige Pass- und Visumsfälschungen meist nur schwer erkennbar. Auch kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Ereignissen, die weder der Fluggesellschaft noch den Passagieren zur Last gelegt werden können, wie z.B. ein technisch bedingter Routenwechsel oder der Diebstahl eines Reisedokumentes während der Reise.

Eingeschleuste Passagiere verstecken oder vernichten
oftmals nach dem Einsteigen bzw. vor dem Eintreffen am Einreisekontrollschalter im Zielland ihre gültigen Reisedokumente. Auch werden immer häufiger raffinierte Pass- und Visumsfälschungen verwendet, welche von den Fluggesellschaften mit den üblichen Hilfsmitteln und einem zumutbaren Aufwand nicht aufgedeckt werden können, zumal die Fluggesellschaften keinen Zugang zu den nationalen Informations- und Fahndungssystemen der Grenzkontrollorgane der einzelnen Transit- und Zielländer.

Der zunehmende wirtschaftliche Druck und die immer höheren Anforderungen an die Kontrolle können gewisse Fluggesellschaften dazu verleiten, ihre Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Prüfung der erforderlichen Reisedokumente zu vernachlässigen. Die Wirkungen der Sanktionen, welche einige Staaten seit Mitte der 80er Jahre eingeführt haben, um eine effizientere Kontrolle zu erzwingen, sind umstritten. Aufgrund des international durchorganisierten Menschenschmuggels ist die Wirkung der Abgangskontrollen der Fluggesellschaften vielfach sehr beschränkt.

Die Inkaufnahme einer unvermeidbaren Busse kann unter Umständen für eine Flug4736

gesellschaft wirtschaftlich vorteilhafter erscheinen als aufwändige präventive Massnahmen, welche zudem bei den Flugpassagieren unpopulär sind.

Trotzdem ist es zweifellos sinnvoll und auch weitgehend unbestritten, dass Fluggesellschaften (dies gilt übrigens auch für andere Personenbeförderungs-unternehmen) zur Kontrolle der für die Durchreise und die Einreise erforderlichen Dokumente zu verpflichten sind und bei mangelnder Durchsetzung dieser Kontrollen entsprechende Sanktionen vorgesehen werden müssen. Solche sind in den massgebenden Bestimmungen und Empfehlungen des erwähnten Anhangs 9 nicht enthalten. Dieser verpflichtet die Mitgliedstaaten nur, keine Bussen auszusprechen, wenn die Fluggesellschaft im Fall einer Passagierin oder eines Passagiers ohne die nötigen Dokumente nachweisen kann, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Artikel 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens und Artikel 11 des Protokolls der Vereinten Nationen gegen den Menschenschmuggel auf dem Land-, Luft- oder Seeweg verpflichten die Mitgliedstaaten, Sanktionen vorzusehen, wobei die Art und Weise der Ausgestaltung dem nationalen Recht vorbehalten bleibt (Die Schweiz hat weder das Übereinkommen noch das Protokoll unterzeichnet; ein Beitritt zum Protokoll gegen den Menschenschmuggel ist vorgesehen.). Angesichts dieser Sachlage hat der Bundesrat die Einführung von Sanktionen gegen Beförderungsunternehmungen, welche ihre Verpflichtungen in Zusammenhang mit der Kontrolle der Reisedokumente nicht einhalten, im Rahmen der Totalrevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG)1 vorgesehen. Ein entsprechender Vorschlag, der im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich gut aufgenommen worden ist, wird deshalb wie geplant in der zweiten Jahreshälfte 2001 dem Parlament mit der Botschaft für ein neues Ausländergesetz unterbreitet werden.

Die SVP-Initiative rennt somit in diesem Punkt offene Türen ein. Zudem will sie die erwähnten Verpflichtungen nur Fluggesellschaften des konzessionierten Linienverkehrs auferlegen und nimmt dadurch den Charterverkehr implizite aus. Eine derartige Ungleichbehandlung zweier sich zunehmend angleichender Verkehrsarten ist sachlich kaum zu rechtfertigen und unterläuft auch Ziel und Zweck der beschriebenen Bestrebungen des Bundesrates. Entscheidend muss sein, ob eine Fluggesellschaft ihre Verpflichtungen erfüllt, unbesehen der Art der von ihr durchgeführten Flüge.

4.2.3

Gesamtschweizerisch einheitliche Fürsorgestandards, Sachleistung (Bst. d der Volksinitiative)

Die Initiative verlangt, dass der Bund gesamtschweizerisch einheitliche, von den allgemeinen Normen abweichende Fürsorgeleistungen für Asylsuchende festsetzt.

Ausserdem sollen die Leistungen in der Regel in Form von Sachleistungen erbracht werden.

Gemäss den heutigen gesetzlichen Grundlagen sind die Kantone zuständig für die Festsetzung und Ausrichtung der Fürsorgeleistungen. Der Umfang der Fürsorgeleistungen richtet sich nach kantonalem Recht. Die Kantone werden vom Bund für ihre diesbezüglichen Aufwendungen pauschal und ­ mit Ausnahme der Unterbringungsund Krankenversicherungskosten ­ mit weitgehend einheitlichen Pauschalbeträgen 1

SR 142.20

4737

entschädigt. Die von den Kantonen ausgerichteten Fürsorgeleistungen variieren deshalb gesamtschweizerisch nur gering, wobei die verschieden hohen Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Kaufkraft unterscheidet sich das schweizerische Leistungsniveau auch im internationalen Vergleich nur wenig von dem anderer europäischer Staaten, wie verschiedene Studien belegen (vgl.

die Studie der Universität Genf, "Comparaison intercantonale des prestations d'assistance aux requérants d'asile", 1999 sowie des Schweizerischen Forums für Migrationsstudien SFM, "Sozialhilfe für Asylsuchende im europäischen Vergleich", 1999).

Die Fixierung einer gesamtschweizerisch einheitlichen Unterstützung Asylsuchender auf Bundesstufe erweist sich angesichts der in der Praxis bereits erfolgten Vereinheitlichung als unnötig. Die formale Anpassung der Rechtsgrundlagen mittels Abschluss eines Konkordates, gleichmässiger Anpassung der kantonalen Fürsorgegesetze oder Einführung einer entsprechenden Bundesnorm brächte im Ergebnis keine grössere Vereinheitlichung, als sie im heutigen Zeitpunkt bereits besteht. Insbesondere ist zu bedenken, dass auch bei einer Bundesnorm den kantonal unterschiedlichen Gegebenheiten im Bereich der Mietzinse und Krankenversicherungsprämien Rechnung getragen werden müsste.

Bei der Fürsorgezuständigkeit handelt es sich historisch um einen kantonalen Aufgabenbereich. Der Erlass materieller Fürsorgenormen durch den Bund käme einer Einmischung in den Kompetenzbereich der Kantone gleich und würde von diesen wohl nicht ohne weiteres akzeptiert.

Die Fürsorgeleistungen, die an Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und dereinst auch an Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung ausgerichtet werden, sind seit längerem bereits rund 20% niedriger angesetzt als bei der übrigen Wohnbevölkerung und werden nach Möglichkeit als Sachleistungen ausgerichtet (Art. 82 Abs. 2 AsylG).

Die Forderungen der Initiantinnen und Initianten bezüglich Vereinheitlichung des Umfangs, der Höhe und der Form von Fürsorgeleistungen sind damit bereits im heutigen Zeitpunkt erfüllt. Eine Anhebung der entsprechenden gesetzlichen Regelung auf Verfassungsstufe würde an der heutigen Situation nichts ändern und ist deshalb nicht sinnvoll.

4.2.4

Zugangssteuerung für ärztliche und zahnärztliche Leistungen (Bst. e der Volksinitiative)

Die Initiative fordert, dass die Kantone die Leistungserbringerinnen und -erbringer für die ärztliche und zahnärztliche Betreuung von Asylsuchenden bestimmen.

Im Bereich der ärztlichen Betreuung sind die Kantone bereits heute verpflichtet, für Asylsuchende die freie Wahl der Leistungserbringerinnen und -erbringer wie auch der Krankenversicherin oder des Krankenversicherers einzuschränken (Art. 26 Abs.

4 AsylV2). Die Kantone haben diese Vorgabe entsprechend ihren kantonalen Gegebenheiten umgesetzt, sei es durch die Einrichtung von speziellen Gesundheitszentren für asylsuchende Personen, welche diese im Bedarfsfall an eine Ärztin oder einen Arzt weiterleiten, sei es durch die Bezeichnung von speziellen Leistungserbringerinnen und -erbringern (Hausarztsystem) für die Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen in ihrem Kantonsgebiet.

4738

Im Bereich der zahnärztlichen Betreuung der Asylsuchenden hat der Bund schon vor längerer Zeit für jeden Kanton mindestens eine Vertrauensärztin oder einen Vertrauenszahnarzt bestimmt, welche oder welcher die Notwendigkeit und Zweckmässigkeit der zahnmedizinischen Behandlung im Hinblick auf die Schmerzbekämpfung und Zahnerhaltung bei Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen beurteilt (Art.

28 Abs. 4 und 5 AsylV2).

Mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen sind somit die Forderungen der Initiantinnen und Initianten auch im Bereich der ärztlichen und zahnärztlichen Gesundheitsversorgung seit längerem erfüllt. Eine entsprechende Regelung auf Verfassungsstufe erweist sich bei dieser Ausgangslage als überflüssig.

4.2.5

Existenzsicherung für abgewiesene Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben (Bst. f der Volksinitiative)

Die Initiative verlangt, dass Asylsuchenden in der Vollzugsphase und vorläufig Aufgenommenen, die ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben, nur noch minimale Fürsorgeleistungen ausgerichtet werden, dass ihre ärztliche und zahnärztliche Versorgung auf einen reinen Notfalldienst eingeschränkt wird und dass ihnen jede Erwerbstätigkeit untersagt wird.

Die Forderung nach Minimalisierung der Fürsorgeleistungen für Asylsuchende in der Vollzugsphase hat auch die paritätisch zusammen gesetzten Arbeitsgruppe ,,Finanzierung Asylwesen" in ihrem Schlussbericht vom 9. März 2000 erhoben. Bereits im Vernehmlassungsverfahren zum Schlussbericht wurde die Minimalisierung aber von den Kantonen mehrheitlich abgelehnt unter anderem unter Hinweis auf die kantonale Souveränität im Bereich der Ausrichtung der Fürsorge sowie mit der Begründung, dass der Standard der Fürsroge für Asylsuchende bereits heute relativ tief sei und dieser individuelle Anreiz deshalb nur eine geringe Wirkung entfalten könne. Im Rahmen der laufenden Asylgesetzrevision wurde die Empfehlung der Arbeitsgruppe vertieft geprüft. Gestützt auf die Ergebnisse dieser Prüfung hat der Bundesrat darauf verzichtet, zur Verbesserung der Mitwirkung Asylsuchender im Verfahren den negativen Anreiz der Minimalisierung auf Bundesebene einzuführen, und zwar aus folgenden Gründen: Grundsätzlich liegt die Ausrichtung der Fürsorgeleistungen in der Kompetenz der Kantone. Es liegt deshalb auch in ihrer Verantwortung, die gesetzlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Bedarfsfall so auszugestalten, dass eine Minimalisierung der Fürsorgeleistungen in der Vollzugsphase möglich ist. Sowohl nach Bundesrecht (Art. 83 AsylG, Art. 14c Abs. 4 ANAG i.V.m. Art. 83 AsylG) als auch nach verschiedenen kantonalen Erlassen besteht bereits heute die Möglichkeit, Fürsorgeleistungen unter Beachtung des verfassungsmässigen Rechts auf Existenzsicherung einzuschränken oder zu entziehen, wenn Personen des Asylrechts ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben. Eine darüber hinausgehende Gesetzgebung auf Bundesebene ist daher nicht gerechtfertigt und nicht notwendig. Es sollen vielmehr die bestehenden Spielräume genutzt werden, um das Verhalten der betroffenen Personen zu steuern.

Eine Einschränkung der ärztlichen Versorgung auf einen reinen Notfalldienst lehnt der Bundesrat ab. Im Rahmen der Vorarbeiten zur Teilrevision des Asylgesetzes konnte eine Lösung gefunden werden, mit welcher auf der Basis der obligatorischen 4739

Krankenversicherung (Grundversicherung) den überdurchschnittlichen Gesundheitskosten im Asylbereich wirksam begegnet werden kann. Angesichts des kulturell bedingten anderen Umgangs mit dem medizinischen Versorgungsangebot und der vergleichsweise atypischen Risikozusammensetzung dieser Versicherungsgruppe (mehrheitlich jüngere aber kranke bzw. verletzte Männer) sollen die rechtlichen Grundlagen für spezielle Gate-Keeping-Modelle bei fürsorgeabhängigen Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen geschaffen werden. Zudem soll diese Versichertenkategorie vom massgebenden Bestand für den Risikoausgleich ausgenommen werden. Die zahnärztliche Versorgung beschränkt sich heute schon ausschliesslich auf die Zahnerhaltung und die Schmerzbekämpfung (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 4.2.4).

Eine weitergehende Beschränkung insbesondere der medizinischen Versorgung auf reine Notfallbehandlung ist abzulehnen.

Asylsuchende in der Vollzugsphase haben bereits nach heute geltendem Recht grundsätzlich keinen ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt (Art. 43 AsylG). Die Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erlischt nach Ablauf der mit dem rechtskräftigen negativen Ausgang des Asylverfahrens festgesetzten Ausreisefrist, selbst wenn ein ausserordentliches Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf ergriffen wird und der Vollzug der Wegweisung ausgesetzt wurde. Ausserdem kann nach Verfügung der Wegweisung keine neue Stelle mehr angetreten werden.

Die Initiantinnen und Initianten fordern, dass auch Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht grob verletzen, keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben dürfen. Dieser Vorschlag wurde von der Arbeitsgruppe ,,Finanzierung Asylwesen" auf seine wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen genau untersucht. Der eingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt, wie er in der Initiative vorgeschlagen wird, würde es ungefähr zwei Dritteln der in der Schweiz ansässigen Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen im erwerbsfähigen Alter verunmöglichen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Beschäftigungsquote erwerbsfähiger Asylsuchender und vorläufig Aufgenommener liegt zur Zeit bei etwa 40 Prozent.

Die von der Initiative vorgeschlagene Einschränkung würde eine Senkung dieser Quote und eine entsprechende Erhöhung der Fürsorgeausgaben, welche sich auf mehrere 10 Millionen Franken belaufen
könnten, mit sich bringen. Der Bundesrat greift aber die Idee einer unterschiedlichen Behandlung von Personen des Asylbereichs bezüglich der Zulassung zum Arbeitsmarkt dennoch auf. Diese unterschiedliche Behandlung soll davon abhängen, ob das Asylverfahren noch hängig ist, ob die Person vorläufig aufgenommen wurde oder sie einen negativen Entscheid mit Ausreisefrist erhalten hat.

Wie eine Studie des Schweizerischen Forums für Migrationsstudien in Neuenburg (Asyldestination Europa, Eine Geographie der Asylmigrationen oder Determinanten der Verteilung von Asylgesuchen, 2000) gezeigt hat, wählen Asylsuchende ihr Zielland ­ soweit sie diesen Faktor überhaupt berücksichtigen ­ weniger gestützt auf die rechtlichen Möglichkeiten der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als vielmehr nach dem Wohlstand und den allgemeinen Erwerbsmöglichkeiten in einem Staat aus. Das von den Initiantinnen und Initianten geforderte Arbeitsverbot für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene, welche ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben, würde trotz der Möglichkeit des Besuchs von Beschäftigungsprogrammen voraussichtlich zu Schwierigkeiten bei der Betreuung der betroffenen Personen führen.

Da der Vollzug der Wegweisung bei vorläufig Aufgenommenen gerade nicht absehbar ist, und ihre Anwesenheitsdauer in der Schweiz unbestimmt ist, müsste mit ent4740

sprechenden Folgekosten ­ auch ausserhalb des Asylbereichs ­ gerechnet werden (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 6.3). Die Forderung der Initiantinnen und Initianten ist deshalb abzulehnen.

4.2.6

Zeitpunkt des Inkrafttretens (Übergangsbestimmung der Volksinitiative)

Die Übergangsbestimmung der Initiative verlangt, dass Artikel 121 Absatz 1a der Bundesverfassung drei Monate nach Annahme durch Volk und Stände in Kraft treten soll und die notwendigen Vollzugsbestimmungen vom Bundesrat bis zur Ablösung durch die ordentliche Gesetzgebung auf dem Verordnungswege zu erlassen sind. Diese Forderung wirft Umsetzungsprobleme auf und ist rechtsstaatlich problematisch.

Die in der Inititiative vorgeschlagene Übergangsfrist von drei Monaten ist äusserst kurz. Die Umsetzung der Massnahmen setzt nämlich sowohl bei den kommunalen und kantonalen Fürsorgebehörden als auch bei den vom Kanton speziell bezeichneten medizinischen Leistungserbringerinnen und -erbringern, den Krankenversicherern und weiteren Beteiligten im Gesundheitswesen (Spitäler, frei praktizierende Ärztinnen und Ärzte usw.) eine umfassende vorangehende Information über den Umfang der zu gewährenden Leistungen voraus, welche innert drei Monaten nicht zu bewerkstelligen wäre.

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist es zudem problematisch, ein eingespieltes System von unterschiedlichen Aufgaben und Zuständigkeiten innerhalb von drei Monaten völlig neu zu konzipieren und zu organisieren.

5

Frage eines Gegenvorschlags

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen beantragt der Bundesrat die Ablehnung der Volksinitiative "gegen Asylrechtsmissbrauch", ohne einen direkten Gegenvorschlag vorzulegen. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass die Forderungen zur Drittstaatenregelung und zu Sanktionen gegen Fluggesellschaften unter anderem Gegenstand der laufenden Revisionen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer sowie des Asylgesetzes bilden.

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

6.1

Auf den Bund

Mit der Einführung eines neuen Nichteintretenstatbestandes sind keine personellen Mehr-, aber auch keine Minderaufwendungen verbunden, da auch im Nichteintretensverfahren der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz des Non-Refoulementverbots zu beachten ist, welcher die zwangsweise Rückführung einer ausländischen Person in einen potentiellen Verfolgerstaat untersagt. In finanzieller Hinsicht werden mit der vorgeschlagenen Neuregelung auch keine grösseren Einsparungen erzielt, da mit einem Nichteintretensentscheid die Frage des Vollzugs der Wegweisung, wie unter Ziffer 4.2.1 dargelegt, nicht gelöst ist.

4741

Über die mit der Einführung von Sanktionen gegenüber Fluggesellschaften im allgemeinen Ausländerrecht zusammen hängenden personellen und finanziellen Mehraufwendungen können angesichts der nicht näher umschriebenen Anzahl Straftatbestände und ihrer Ausgestaltung keine Angaben gemacht werden.

Die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Fürsorge und der Erwerbstätigkeit hätten hinsichtlich der Bezeichnung zahnmedizinischer und allgemein medizinischer Leistungserbringerinnen und ­erbringer, der Vereinheitlichung der Fürsorgeleistungen, ihrer Ausrichtung als Sachleistung und der Reduktion der zahnmedizinischen Versorgung auf reine Notfallbehandlung im Sinn der Schmerzbekämpfung keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bund, da diese Forderungen bereits heute erfüllt sind und umgesetzt werden.

Die aus der Minimalisierung der allgemeinen Fürsorgeleistungen resultierenden Einsparungen können als gering bezeichnet werden, da die vom Bund abgegoltenen Fürsorgeleistungen bereits heute rund 20% unter den Ansätzen für die allgemeine öffentliche Fürsorge liegen. Da die nähere Ausgestaltung und der Umfang der letztendlich im Rahmen der Notfallversorgung auszurichtenden und zu vergütenden Leistungen auch im Rahmen der Arbeitsgruppe Finanzierung nicht abgegrenzt werden konnten, sind die voraussichtlichen Einsparungen nicht bezifferbar (vgl. dazu auch Schlussbericht der Arbeitsgruppe Finanzierung Asylwesen vom 9. März 2000). Zusätzliche finanzielle Aufwendungen würden anfallen für den Aufbau eines Systems von Vertrauensärztinnen und -ärzten, welche die Vergütbarkeit der bei abgewiesenen Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen zu erbringenden Leistungen beurteilen müssten.

Der sofortige systematische Entzug der Arbeitsbewilligung bei Asylsuchenden, deren Gesuch abgelehnt wurde, denen aber bereits während dem Asylverfahren eine Erwerbstätigkeit bewilligt worden war, wäre mit einem nicht zu rechtfertigenden administrativen Aufwand verbunden, zumal die Bewilligung mit Ablauf der Ausreisefrist ohnehin erlischt (vgl. unter Ziff. 4.2.5). Bei der Kategorie der vorläufig Aufgenommenen, welche während des Asylverfahrens ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben, ergäben sich Mehrkosten in Millionenhöhe durch zusätzliche fürsorgeabhängige Personen. Um den negativen Folgen
der Beschäftigungslosigkeit mit einer ausreichenden Anzahl Plätzen in Beschäftigungsprogrammen entgegen wirken zu können, wären weitere Ausgaben in der Höhe von mindestens 5,4 Mio Franken vorzusehen. Heute wird der Bereich der Beschäftigungsprogramme vom Bund mit ungefähr 17 Mio Franken pro Jahr finanziert. Zu dem der Initiative in diesem Punkt zu Grunde liegenden Problem des effizienten Vollzugs rechtskräftiger Wegweisungen wird der Bundesrat im Rahmen der aktuellen Teilrevision des Asylgesetzes einen Vorschlag für ein Finanzierungsmodell unterbreiten, welches die gegenseitige Zusammenarbeit von Bund und Kantonen mit finanziellen Anreizen fördern soll.

6.2

Auf die Kantone und Gemeinden

Angesichts der aufgezeigten, trotz der neuen Regelung bestehenden faktischen Schwierigkeiten beim Vollzug der Wegweisung in einen Heimat-, Herkunfts- oder auch Drittstaat wird in den meisten Fällen allenfalls ein beschleunigtes Verfahren durch die Bundesbehörden durchgeführt werden können. Wegen der bestehenden Wegweisungsprobleme wird jedoch in vielen Fällen bis zur Ausreise trotzdem eine Zuweisung an den Kanton erfolgen müssen.

4742

Auch für die Kantone und Gemeinden hätten die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der allgemeinen beziehungsweise der zahnmedizinischen Fürsorge und der Beschäftigung keine finanziellen und personellen Auswirkungen, sind diese Forderungen doch bereits erfüllt und umgesetzt.

Die Minimalisierung der Fürsorgeleistungen, die Beschränkung der allgemeinen medizinischen Versorgung auf eine reine Notfallbehandlung sowie der Ausschluss weggewiesener Asylsuchender und bestimmter vorläufig Aufgenommener vom Arbeitsmarkt hätten bei entsprechender Anpassung der Pauschalansätze keine direkten finanziellen Auswirkungen auf die Kantone (zu den indirekten Auswirkungen vgl.

jedoch Ziff. 6.3), da den Kantonen anfallende Mehrkosten vom Bund erstattet würden und Kosteneinsparungen diesem gutzuschreiben wären. In personeller Hinsicht würde die Minimalisierung der Fürsorgeleistungen den Betreuungsaufwand reduzieren. Die diesbezüglichen Einsparungen hätten jedoch voraussichtlich mindestens gleich hohe Kosten in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zur Folge (vgl. Ziff. 6.3).

6.3

Andere Auswirkungen

Die Minimalisierung der Fürsorgeleistungen wie auch die Beschränkung der allgemeinen Gesundheitsversorgung im Sinne der Notfallversorgung weggewiesener Asylsuchender und vorläufig Aufgenommener wären grundsätzlich geeignet, die Attraktivität der Schweiz als Asylland zu senken. Der Entscheid, in ein bestimmtes Land zu migrieren, wird aber weniger von der Ausgestaltung und vom Umfang der Fürsorge als vielmehr vom Bestehen oder Nichtbestehen eines sozialen Beziehungsnetzes im betreffenden Land beeinflusst (vgl. dazu die Studie des Schweizerischen Forums für Migrationsstudien SFM, "Asyldestination Europa, Eine Geographie der Asylmigrationen oder Determinanten der Verteilung von Asylgesuchen", Juni 2000). Zudem können die Minimalisierung der Fürsorgeleistungen und der Ausschluss vom Arbeitsmarkt zu einem Anstieg der Kleinkriminalität und damit zu zusätzlichen Kosten im Polizei- und Justizbereich führen, welchen angesichts der davon betroffenen Personenkategorien auch mit einer erhöhten Anzahl Plätze in Beschäftigungsprogrammen kaum vorgebeugt werden könnte.

7

Verhältnis zum europäischen Recht

Um zu verhindern, dass Asylsuchende sukzessive von verschiedenen Staaten weggewiesen werden, ohne dass ihr Asylgesuch von einem Signatarstaat behandelt wird, hat das Ministerkomitee des Europarates die Empfehlung R (97) 22 vom 25. November 1997 erlassen, welche Richtlinien für die Bezeichnung eines sicheren Drittstaates aufstellt. Sichere Drittstaaten müssen danach Gewähr bieten für die Einhaltung der völkerrechtlichen Grundsätze zum Schutz der Flüchtlinge und der Menschenrechte, insbesondere des Verbots der Folter beziehungsweise der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. In diesem Zusammenhang kommt der Zusicherung eines Drittstaates, wonach eine Person um Asyl und wirksamen Schutz vor einer Rückschiebung nachsuchen kann, besonderes Gewicht zu.

Die Frage, welcher europäische Staat für die Behandlung eines Asylgesuches zuständig ist, bestimmt sich ­ mit Ausnahme für die am Abkommen nicht beteiligte 4743

Schweiz ­ nach dem Dubliner Übereinkommen vom 15. Juni 1990. Mit der Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens wird vermieden, dass Asylsuchende von mehreren Staaten sukzessive weggewiesen werden, weil sich keiner von diesen als zuständig erachtet. Zudem wird der asylsuchenden Person garantiert, dass ihr Gesuch im Einklang mit den Normen des internationalen öffentlichen Rechts geprüft wird.

Die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bestimmungen widersprechen nicht den anwendbaren Normen des geltenden europäischen Rechts und führen grundsätzlich nicht zu einem Verstoss gegen das Non-Refoulement-Prinzip. Allerdings sieht der Entwurf einer neuen Richtlinie der Europäischen Kommission vom 20. September 2000 (COM (2000) 578 am Ende) vor, dass nur jene Länder, welche die Menschenrechte und die Bestimmungen der Flüchtlingskonvention beachten, als sichere Drittstaaten anerkannt werden dürfen. Die Kommission schlägt die Einführung gemeinsamer Normen für die Anwendung bestimmter Konzepte und Begriffe, wie zum Beispiel für den sicheren Drittstaat vor. Jedem Mitgliedstaat ist es frei überlassen, ob er diese Konzepte bzw. Begriffe übernimmt. Wenn er diese jedoch übernimmt, haben die innerstaatlichen Vorschriften die in der Richtlinie aufgestellten Rahmenbestimmungen zu beachten. Im gegenwärtigen Stadium kann die Vereinbarkeit mit der zukünftigen definitiven EU-Regelung im Bereich des sicheren Drittstaates jedoch nicht abschliessend bestimmt werden. Die spezifischen Fragen hinsichtlich der Verteilung der Asylgesuche unter den europäischen Ländern waren ­ insbesondere bezüglich des Grundsatzes des sicheren Drittstaates ­ bereits Gegenstand verschiedenster Interventionen auf unserem Kontinent.

8

Schlussfolgerungen

Die Forderungen der Initiantinnen und Initianten sind mit dem geltenden Recht in weiten Teilen bereits erfüllt. In den Bereichen der Drittstaatenregelung und der Sanktionen gegen Fluggesellschaften werden im Rahmen der laufenden Revisionen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer und des Asylgesetzes wirksame und umfassendere Regelungen erarbeitet. Im Bereich der Minimalisierung der Fürsorgeleistungen und der medizinischen Versorgung weggewiesener Asylsuchender und vorläufig Aufgenommener, welche ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben, und des Ausschlusses vom Arbeitsmarkt sind die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Massnahmen unverhältnismässig und zudem äusserst schwierig umzusetzen. Sie sind nicht geeignet, die Attraktivität der Schweiz als Asylland zu senken und vermögen ­ wenn überhaupt ­ nur beschränkt Kosteneinsparungen herbei zu führen. Die Mehrkosten auf Grund einer totalen Fürsorgeabhängigkeit der asylsuchenden und vorläufig aufgenomenen Personen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen würden, und auf Grund notwendiger zusätzlicher Investitionen im Bereich der Beschäftigungsprogramme würden diese Einsparungen bei weitem übertreffen.

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