01.032 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Kirgisischen Republik vom 5. Juni 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das am 26. Januar 2001 unterzeichnete Abkommen mit der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. Juni 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2001-0885

Übersicht Am 26. Januar 2001 wurde mit der Kirgisischen Republik ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Das neue Abkommen bietet Personen mit steuerlichen Bezugspunkten zu beiden Staaten und speziell investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen institutionellen Schutz im Fiskalbereich. Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber solchen aus anderen Staaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden. Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens im Vernehmlassungsverfahren begrüsst.

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Botschaft 1

Vorgeschichte

Kirgisistan erlangte nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 den Status eines souveränen Staates. Das Land hat grosse Anstrengungen zur politischen und wirtschaftlichen Reform unternommen und weist eine relative Stabilität auf. Kirgisistan verfügt weiterhin über enge Bezüge zur Volkswirtschaft der Russischen Föderation und partizipiert an der Zollunion mit Russland, Kasachstan und Belarus. Mit Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan ist der Staat in der zentralasiatischen Wirtschaftsunion verbunden.

Unter der Präsidentschaft von Askar Akaev und mit ausländischer Unterstützung hat Kirgisistan bedeutende Anstrengungen zur wirtschaftlichen Strukturreform unternommen. Die Inflation konnte gebändigt werden, und wirtschaftliche Schlüsselsektoren wie die Agrarproduktion und die Edelmetallförderung erlebten einen Aufschwung. Für die Finanzierung des Staatsdefizits und seiner Einfuhren bleibt das Land allerdings auf ausländische Hilfe angewiesen. Durch die Einführung einer Mehrwertsteuer hat sich das Fiskalaufkommen erhöht.

Die Schweiz hat Kirgisistan in den Jahren seit dessen Erlangung der Unabhängigkeit auf vielfältige Art mit Finanzhilfen, Krediten und Projekthilfen unterstützt. In den Institutionen von Bretton Woods zählt das Land zur Stimmrechtsgruppe, welche von der Schweiz vertreten wird. Das vorliegende Doppelbesteuerungsabkommen stellt eine wichtige Ergänzung zu dem bereits bestehenden Wirtschaftsabkommen zur Stärkung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit (in Kraft seit 1.5.1998) sowie dem bestehenden Investitionsschutzabkommen (unterzeichnet am 29.1.1999) dar.

Die Abkommensverhandlungen wurden in zwei Runden 1998 und 1999 durchgeführt und fanden am 12. August 1999 mit der Paraphierung des Entwurfes eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen in der kirgisischen Hauptstadt Bishkek ihren Abschluss.

Nachdem die Kantone und interessierten Wirtschaftskreise sich zu dem Abkommen zustimmend geäussert hatten, wurde das Vertragswerk am 26. Januar 2001 in Davos unterzeichnet.

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Bemerkungen zu den Bestimmungen des Abkommens

Das Doppelbesteuerungsabkommen folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis auf diesem Gebiet. Wir beschränken uns deshalb im Folgenden darauf, auf zentrale Merkmale des Abkommens hinzuweisen und die wesentlichsten Abweichungen vom Musterabkommen bzw. von der schweizerischen Vertragspraxis zu erläutern.

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Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen. Die Verrechnungssteuer auf Lotteriegewinnen wird der schweizerischen Abkommenspraxis entsprechend vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossen. Dies gilt auch für die entsprechenden kirgisischen Steuern.

Art. 5

Betriebstätten

Baustellen, Montagen und Installationen begründen eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet.

Nicht betriebstättebegründend sind auf schweizerische Initiative hin ungeachtet ihrer Dauer Montagearbeiten an Maschinen oder Anlagen, die ein Lieferant des anderen Vertragsstaates vornimmt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Das Abkommen folgt dem im Musterabkommen der OECD festgelegten Grundsatz, dass eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr zugerechnet werden können.

In einer Protokollbestimmung wird hinsichtlich der Einkommenszuordnung näher umschrieben, dass einer Betriebstätte nicht das ganze Entgelt, sondern nur jener Teil des Entgelts zugerechnet werden kann, welcher den tatsächlichen Beiträgen und Funktionen einer solchen Betriebstätte entspricht.

Das Protokoll ordnet im Weiteren Leasinggebühren für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von industriellen, kommerziellen oder wissenschaftlichen Ausrüstungsgegenständen dem Abkommensartikel über die Unternehmensgewinne zu.

Art. 8

Internationale Transporte

Der Artikel sieht für Gewinne, die im internationalen Verkehr erzielt werden, nebst solchen aus Schiffs- und Luftfahrzeugtransporten auch auf jenen aus Strassenfahrzeugtransporten das ausschliessliche Besteuerungsrecht des Staates vor, in dem sich der Ort der effektiven Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

Art.10

Dividenden

Im Beteiligungsverhältnis wird die Steuer zu Gunsten des Quellenstaats begrenzt auf 5 Prozent, wenn die Beteiligung mindestens 25 Prozent des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft beträgt. Höchstens 15 Prozent beträgt sie in allen anderen Fällen.

Art. 11

Zinsen

Die Quellensteuer auf Zinsen wird generell auf 5 Prozent begrenzt.

Art. 12

Lizenzgebühren

Die Quellensteuer auf Lizenzgebühren wird generell auf 5 Prozent begrenzt.

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Der Lizenzbegriff des Abkommens umfasst ausschliesslich Gebrauchsrechte an Immaterialgütern.

Soweit Lizenzgebühren von der in einem Vertragsstaat gelegenen Betriebstätte eines Unternehmens getragen werden, gelten die Lizenzgebühren als aus diesem Vertragsstaat stammend.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Das Abkommen sieht ein Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates bei der Veräusserung von Beteiligungen an Immobiliengesellschaften vor.

Art. 17

Künstler und Sportler

Im Hinblick auf die Vermeidung von Missbräuchen können im Auftrittsstaat auch Einkünfte besteuert werden, die von Personen vereinnahmt werden, an deren Ertrag der auftretende Künstler oder Sportler direkt beteiligt ist.

Das Besteuerungsrecht des Auftrittsstaates ist ausgeschlossen, wenn die diesbezüglichen Einkünfte des Künstlers oder Sportlers in substanziellem Ausmass öffentlichen Geldern entstammen.

Art. 21

Übrige Einkünfte

Das Abkommen enthält eine Klausel betreffend übrige Einkünfte, wie sie im Musterabkommen der OECD enthalten ist.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Kirgisistan vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode. Auf ausschliesslich der Schweiz zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens- und Kapitalbestandteilen kann Kirgisistan den Progressionsvorbehalt geltend machen.

Die Schweiz wendet wie üblich die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt an und gewährt für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung. Schliesslich wird in Absatz 2 Buchstabe c festgehalten, dass Dividendeneinkünfte schweizerischer Unternehmen aus kirgisischer Quelle dieselbe steuerliche Entlastung geniessen wie Dividendeneinkünfte aus schweizerischen Quellen.

Art. 24

Gleichbehandlung

Die Gleichbehandlungsklausel erstreckt sich auf sämtliche Steuern der Vertragsstaaten.

Art. 26

Informationsaustausch

Ins Abkommen wurde eine Auskunftsklausel aufgenommen, wie sie unter anderem bereits mit Kroatien, Mazedonien, der Mongolei und Kasachstan vereinbart worden ist. Der Austausch ist beschränkt auf Informationen, welche für die Durchführung der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens notwendig sind. Die übermittelten Informationen dürfen nur für die Veranlagung und den Einzug der vom Abkommen erfassten Steuern verwendet werden. Ausgeschlossen ist der Austausch 4620

von Informationen, die ein Handels-, Geschäfts-, Bank-, Industrie- oder Berufsgeheimnis betreffen.

Art. 27

Diplomaten und Konsularbeamte

Die Klausel entspricht der im Vergleich mit dem OECD-Musterabkommen detaillierteren schweizerischen Abkommenspraxis.

Art. 28

Inkrafttreten

Für Quellensteuern sind die Bestimmungen des Abkommens auf Anfang des Jahres anwendbar, welches dem Jahr folgt, in dem der Austausch der Ratifikationsurkunden stattgefunden hat. Hinsichtlich der veranlagten Steuern finden die Bestimmungen des Abkommens ab Anfang des Jahres Anwendung, in dem das Abkommen in Kraft getreten ist.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der in Kirgisistan auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhobenen Quellensteuern. Die Einbussen, die sich aus der teilweisen Rückerstattung der Verrechnungssteuer an in der Kirgisischen Republik ansässige Personen ergeben, dürften nur geringfügig ins Gewicht fallen. Die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 verankerte pauschale Steueranrechnung wird eine gewisse Belastung der schweizerischen Steuerhoheitsträger nach sich ziehen. Diese Einbussen, deren Ausmass mangels geeigneter Unterlagen nicht geschätzt werden kann, werden aber teilweise aufgewogen durch den Umstand, dass inskünftig die aus Kirgisistan stammenden Einkünfte in der Schweiz mit dem Bruttobetrag besteuert werden, während bisher die kirgisische Quellensteuer zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden musste. Daraus wird sich im Allgemeinen eine Erhöhung des steuerbaren Einkommens ergeben.

Das neue Abkommen bringt wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen gegenüber dem bisherigen Zustand. Es darf erwartet werden, dass das Abkommen zur Förderung neuer schweizerischer Direktinvestitionen in Kirgisistan beitragen und sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken wird. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben dessen Abschluss im Vernehmlassungsverfahren gutgeheissen. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage dieses Abkommens ist Artikel 54 der Bundesverfassung vom 18. April 1999, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss unterliegt daher nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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Schlussfolgerungen

Das vorliegende Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es schafft Rechtssicherheit und bringt schweizerischen Investoren eine erhebliche Entlastung von den kirgisischen Steuern. Das Abkommen dürfte sich allgemein günstig auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Kirgisischen Republik auswirken.

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