9.2.5

Botschaft zum Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Aserbaidschan vom 10. Januar 2001

9.2.5.1 9.2.5.1.1

Allgemeiner Teil Einleitung

Ziel des Abkommens über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Republik Aserbaidschan ist es, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern und zu festigen. Gleichzeitig sollen damit die in Aserbaidschan eingeleiteten marktwirtschaftlichen Reformprozesse unterstützt werden.

Der Inhalt dieses nicht präferentiellen Abkommens basiert auf den Grundprinzipien des GATT/WTO. Das Abkommen nimmt Bezug auf die Grundsätze der pluralistischen Demokratie. Es enthält ausführliche Bestimmungen über den Schutz des geistigen Eigentums und regelt die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der als Rahmenvereinbarung konzipierte Vertrag schliesst ausserdem eine Entwicklungsklausel ein, welche erlaubt, die Vertragsinhalte neuen Entwicklungen anzupassen.

Das Abkommen bleibt vorerst für eine Dauer von fünf Jahren gültig und verlängert sich, sofern es nicht schriftlich gekündigt wird, jeweils um weitere fünf Jahre.

9.2.5.1.2

Ursprung des Abkommens

Mit der Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sind 15 souveräne Staaten entstanden, die von der Schweiz anerkannt worden sind. Angesichts der historisch bedingten starken wirtschaftlichen und politischen Verflechtung haben sich zwölf dieser neuen Staaten in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammengeschlossen. Nach anfänglicher mit der Bewahrung ihrer Autonomie begründeten Zurückhaltung ist 1993 auch die Republik Aserbaidschan dieser Gemeinschaft beigetreten.

Im Gegensatz zur Föderation Russland, die als «Etat continuateur» (Fortsetzerstaat) der ehemaligen Sowjetunion die früheren Abkommen mit der Schweiz im Wesentlichen beibehielt, haben verschiedene GUS-Staaten den Wunsch nach Aufbau eines eigenen bilateralen Vertragsnetzes geäussert, das den neuen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt.

Aserbaidschan gehört zu den letzten GUS-Staaten, mit denen die Schweiz ein Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen hat. Vergleichbare Abkommen wurden bereits mit Russland, der Ukraine, Belarus (Weissrussland), der Republik Moldawien, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Armenien abgeschlossen; das Ratifizierungsverfahren des Abkommens mit Georgien ist im Gang.

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2000-2798

9.2.5.1.3

Politische und wirtschaftliche Lage in Aserbaidschan

Aserbaidschan erstreckt sich über ein Gebiet von 86 600 km2. Im Osten grenzt das Land an das Kaspische Meer, dessen Ressourcen die Haupteinnahmequelle des Landes bilden. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist sehr homogen: 90 Prozent der 7,6 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen gehören der ethnischen Volksgruppe der Aseri an. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 504 US-Dollar (1999) hat das Land einen der tiefsten Lebensstandards innerhalb der GUS.

Präsident Alijew, der seit 1993 an der Macht ist, verfolgt eine Politik der Diversifizierung der Beziehungen, insbesondere mit der Türkei und dem Iran. Die als pragmatisch eingestuften Beziehungen mit Russland sind von Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Nutzung der Ressourcen im Kaspischen Meer geprägt. Gegenüber dem Westen versucht der Präsident, Investoren anzuziehen. Die Innenpolitik wird nach wie vor vom Konflikt um Berg Karabach mit Armenien beherrscht; Verhandlungen für eine Kompromisslösung sind seit längerem im Gang. Im Juni 2000 entschied die Parlamentarische Versammlung des Europarates die Aufnahme Aserbaidschans.

Die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes hat sich nach 1994 stabilisiert.

1996 wurde erstmals eine positive Wachstumsrate verzeichnet (+1,3%), und der Aufschwung beschleunigte sich in den Folgejahren mit jährlichen Wirtschaftsraten zwischen 5 und 10 Prozent. Das Wachstum ist vor allem auf die Erdöl- und Erdgasvorkommen zurückzuführen, die bedeutende ausländische Investitionen anziehen.

Aserbaidschan kommt in den Genuss von Darlehen des IWF, der mit seiner Politik versucht, die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Erdölsektor zu verringern. Im Industrie- und im Agrarsektor ist eine Modernisierung der Strukturen nötig, um die Produktion und die Produktivität zu erhöhen. Die aus der Sowjetära stammenden Grossunternehmen rentieren heute kaum mehr, und deren Zahlungsrückstände bringen die Finanzinstitute des Landes in eine prekäre Lage. Die Inflationsrate konnte dank einer restriktiven Geldpolitik beträchtlich gesenkt werden; sie ist heute eine der tiefsten in der gesamten Region. Das Ertragsbilanzdefizit (1999: 600 Mio. US-$ oder 15% des BIP) bleibt hoch, trotz höherer Erdölpreise und des Importrückgangs im Anschluss an die Abwertung des Manat im Juni 1999. Ferner ist das Problem des Exportweges des Erdöls (via Georgien
und der Türkei oder via Russland) noch nicht gelöst. Die Präsidenten von Aserbaidschan, Georgien und der Türkei haben eine Vereinbarung über die Realisierung des ersten Projekts in den Jahren 2001­2004 getroffen. Auf Grund der enormen Kosten und der relativ bescheidenen Erdölmengen, die bisher im Kaspischen Meer gefunden worden sind, wird die Prospektionsphase noch einige Zeit andauern, wodurch sich die Realisierung des geplanten Projekts verzögert.

9.2.5.1.4

Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit Aserbaidschan

Der Handelsaustausch zwischen der Schweiz und Aserbaidschan ist noch wenig entwickelt: 1999 wurden Exporte im Wert von lediglich etwas mehr als 5 Millionen Franken (hauptsächlich Edelmetalle, Schmuckwaren, Maschinen und Uhren) getätigt, während sich die Importe auf weniger als eine Million Franken beliefen (Textilien und landwirtschaftliche Produkte). Aserbaidschan gehört zur Stimmrechtsgruppe der Schweiz bei den Bretton-Woods-Institutionen. 1998 kam das Land in 1083

den Genuss von Kreditgarantien, und zwar in gleichem Umfang wie Kasachstan und Usbekistan. In diesem Zusammenhang wurde eine Garantie von 20 Millionen Franken für die Sanierung eines thermischen Kraftwerks in Baku gewährt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft wird mit einem nicht rückzahlungspflichtigen Betrag von 10 Millionen Franken die Sanierung des Trinkwasserversorgungssystems in Baku unterstützen, an der sich auch die Weltbank und die EBRD beteiligen.

Eine Reihe von Schweizer Firmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit Aserbaidschan und haben Investitionen in der Region getätigt. Das Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit ist das erste Wirtschaftsabkommen zwischen den beiden Ländern. Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen sind im Gang.

9.2.5.2 9.2.5.2.1

Besonderer Teil Verhandlungverlauf

Das Abkommen konnte nach zwei Verhandlungsrunden im August 1999 paraphiert werden. In der Folge wurden am Entwurf einige geringfügige Änderungen vorgenommen. Am 30. Oktober 2000 wurde das Abkommen vom Vorsteher des EFD anlässlich seines Besuchs in Baku unterzeichnet.

9.2.5.2.2

Inhalt des Abkommens

Das mit Aserbaidschan ausgehandelte Abkommen stellt ein ausbaufähiges Rahmenabkommen dar. Es schafft Rahmenbedingungen, die eine Ausweitung des gegenseitigen Waren- und Dienstleistungsaustausches, intensivere gegenseitige Beziehungen und damit eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs begünstigen (Art. 1). Dabei stützt es sich auf grundlegende WTO/GATT-Prinzipien (Art. 2). Die Vertragsparteien sind in Bezug auf den Warenhandel dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung verpflichtet (Art. 3) und gewähren einander die Meistbegünstigung (Art. 4).

Die importierten Güter des Vertragspartners kommen in den Genuss der Inländerbehandlung (Art. 5). Zahlungen im Zusammenhang mit dem Güter- und Dienstleistungshandel haben ausschliesslich in frei konvertierbarer Währung zu erfolgen, und der Zugang zu Devisen darf nicht in diskriminierender Weise eingeschränkt werden (Art. 6). Der Warenhandel hat zu Marktpreisen und auf der Grundlage international üblicher Geschäftsgepflogenheiten zu erfolgen; Tausch- und Gegengeschäfte sollen von den Vertragsparteien weder verlangt noch gefördert werden (Art. 7). Artikel 8 verlangt von den Vertragsparteien, dass sie der Gegenseite ermöglichen, sich über abkommensrelevante Gesetze, Gerichtsentscheide und Verwaltungsentscheide, die den Geschäftsverkehr betreffen, zu informieren. Dasselbe gilt für Änderungen bei der Zoll- sowie der statistischen Nomenklatur. Im Falle von Marktstörungen verpflichten sich die Vertragsparteien vor Ergreifen von Schutzmassnahmen zu gegenseitigen Konsultationen und zur Suche nach einvernehmlichen Lösungen (Art. 9).

Die Vertragsparteien gewährleisten einen angemessenen, wirksamen und nicht diskriminierenden Schutz der Immaterialgüterrechte (Art. 10), wobei der Schutz vor Fälschungen und Nachahmungen im Mittelpunkt steht. Sie verpflichten sich insbesondere, zumindest den Anforderungen zu genügen, die sich aus den wichtigsten 1084

internationalen Abkommen auf dem Gebiet der Immaterialgüter (wie die Pariser Verbandsübereinkunft und die Berner Übereinkunft) ergeben. Was das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen) betrifft, wird jedoch Aserbaidschan dessen Bestimmungen erst voll einzuhalten haben, sobald es WTO-Mitglied geworden ist (Anhang 1 zu Art. 10). Aserbaidschan hat bei der WTO derzeit einen Beobachterstatus; die Verhandlungen über den Marktzugang für Waren und Dienstleistungen haben noch nicht begonnen.

Artikel 11 umschreibt die in Handelsabkommen üblichen Ausnahmeregelungen (z.B. Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Schutz menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens). Anhang 2 enthält bezüglich der Sicherheit eine besondere Klausel, deren Wortlaut Artikel XXI des Abkommens GATT/WTO von 1994 (SR 0.632.20 Anhang 1A.1) entspricht. Artikel 12 ist der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gewidmet, welche strukturelle Veränderungen beschleunigen und den Erfahrungsaustausch fördern soll. Die Wirksamkeit des Abkommens wird durch einen regelmässig zusammentretenden Gemischten Ausschuss zu überprüfen sein (Art. 13). Auf Antrag einer Vertragspartei sind die Abkommensbestimmungen zu überprüfen; diese können in gegenseitigem Einverständnis ergänzt werden (Art. 14).

Das Abkommen gilt auch für das Fürstentum Liechtenstein (Art. 15).

Das Abkommen tritt am ersten Tag des Folgemonats in Kraft, nachdem sich die Vertragsparteien gegenseitig die Beendigung der internen Genehmigungsverfahren notifiziert haben (Art. 16). Es wird für eine Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und verlängert sich automatisch um dieselbe Dauer, sofern es nicht innert der vorgeschriebenen Frist gekündigt wird (Art. 17).

9.2.5.3

Finanzielle Auswirkungen

Das Abkommen hat keine finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Allfällige Projekte im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit werden über den laufenden Rahmenkredit für die Zusammenarbeit mit den GUS-Staaten abgewickelt.

9.2.5.4

Legislaturplanung

Das Abkommen entspricht dem Inhalt von Ziel 2 (Verbesserte Stellung und Wahrnehmung der Schweiz im internationalen Umfeld) des Berichts über die Legislaturplanung 1999­2003 (BBl 2000 2276).

9.2.5.5

Verhältnis zum europäischen Recht und Bezug zu den anderen Instrumenten der Handelspolitik

Das Abkommen orientiert sich an den GATT/WTO-Übereinkommen und steht somit im Einklang mit den aus diesen Übereinkommen resultierenden Verpflichtungen.

Die Europäischen Gemeinschaften und deren Mitgliedstaaten unterzeichneten am 22. April 1996 ein Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit Aserbaidschan, das am 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist. Dieses Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen stimmt in handelspolitischer Hinsicht weitgehend mit dem

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vorliegenden Abkommen überein. Es ist deshalb mit den Zielen unserer europäischen Integrationspolitik vereinbar.

9.2.5.6

Gültigkeit für das Fürstentum Liechtenstein

Das Abkommen hat auch für das Fürstentum Liechtenstein Gültigkeit, solange dieses mit der Schweiz durch eine Zollunion verbunden ist (Art. 15).

9.2.5.7

Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage des Bundesbeschlusses findet sich in der allgemeinen aussenpolitischen Kompetenz des Bundes gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung. Die Kompetenz der Bundesversammlung, diesen Vertrag zu genehmigen, ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung.

Das vorliegende Abkommen kann unter Einhaltung einer Vorankündigungsfrist von sechs Monaten auf das jeweilige Ende der fünfjährigen Geltungsdauer gekündigt werden. Es liegt weder ein Beitritt zu einer internationalen Organisation noch eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vor. Der Ihnen zur Genehmigung unterbreitete Bundesbeschluss unterliegt somit nicht dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung.

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