01.012 Botschaft über einen Rahmenkredit an die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» für die Jahre 2002­2006 vom 14. Februar 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über einen Rahmenkredit an die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» für die Jahre 2002­2006 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Februar 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001­0067

1583

Übersicht Die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» wurde 1997 vom Bund gegründet.

Sie hat den Auftrag, die Lebensbedingungen der fahrenden Bevölkerung in der Schweiz zu sichern und zu verbessern und einen Beitrag zur Wahrung des kulturellen Selbstverständnisses dieser Minderheit zu leisten, die in unserem Land während langer Zeit diskriminiert und verfolgt wurde. Die Stiftung wurde mit einem Stiftungskapital von 1 Million Franken dotiert und mit einem ersten fünfjährigen Rahmenkredit für Betriebsbeiträge von 750 000 Franken ausgestattet.

In der Stiftung arbeiten Vertretungen verschiedener staatlicher Ebenen mit Repräsentanten der Fahrenden zusammen. Die Stiftung hat in den vergangenen Jahren verschiedene dringliche Probleme aufgegriffen, insbesondere in Bezug auf Standund Durchgangsplätze, bei Gewerbebewilligungen sowie beim Transit ausländischer Fahrender durch die Schweiz während der Sommermonate. In der Aufbauphase ging es zudem darum, Grundlagen für das gute Gelingen der Zusammenarbeit, in einem Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen Vertretern der Behörden und der Fahrenden im Stiftungsrat, zu schaffen. Nun sollte es der Stiftung ermöglicht werden, ihre Arbeit auf konsolidierter Basis weiterzuführen und neue Aktivitäten zu entwickeln.

Gestützt auf das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994 (SR 449.1) betreffend die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» (Art. 3 Abs. 2) beantragt der Bundesrat dem Parlament mit vorliegendem Beschlussesentwurf, der Stiftung für die Jahre 2002­2006 einen neuen Rahmenkredit von 750 000 Franken zu bewilligen.

1584

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Hintergrundinformationen zur Entstehung der Stiftung

Seit der Auflösung der Aktion «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse», in deren Rahmen zwischen 1926 und 1973 über 600 Kinder von Fahrenden ihren Eltern weggenommen wurden, hat sich der Bund verschiedentlich mit der schwierigen Situation der nichtsesshaften Minderheit in der Schweiz befasst. 1983 veröffentlichte eine vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzte Studienkommission den Bericht «Fahrendes Volk in der Schweiz ­ Lage, Probleme, Empfehlungen», der erstmals zur Aktion «Kinder der Landstrasse» kritisch Stellung nahm und auf die Notwendigkeit verwies, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Bericht erhob aber auch die Gegenwartssituation der Fahrenden, stellte ihre Probleme (fehlende Stand- und Durchgangsplätze, erschwerte Arbeitsmöglichkeiten auf Grund verschiedener kantonaler Gewerbegesetze und Patentregelungen, fehlende Ausbildung und Erfüllung der Schulpflicht während der Wandersaison, Anerkennung ihrer Lebensweise und Kultur) eingehend dar und richtete Empfehlungen an den Bund und die Kantone.

1990 hat sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats dieser Probleme angenommen und in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem Bundesamt für Kultur einen Lösungsvorschlag ausgearbeitet, welcher dem Rat in Form einer parlamentarischen Initiative unterbreitet wurde. Die Kommission kam zum Schluss, dass das fahrende Volk der Schweiz eine eigenständige kulturelle Minderheit sei und deshalb wie andere Minderheiten anerkannt werden solle. Sie stellte weiter fest, dass für die Lösung der Hauptprobleme der Fahrenden ein Handlungsbedarf auf gesamtschweizerischer Ebene bestehe und insbesondere die interkantonale und interkommunale Zusammenarbeit zu verbessern sei.

Dies jedoch nicht im Sinne einer Kompetenzverschiebung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden ­ d.h. durch Schaffung neuer Bundeskompetenzen ­, sondern durch ein koordiniertes Ausschöpfen der je eigenen Kompetenzen: «Mit Ausnahme des Einlasses Fahrender an der Landesgrenze wäre die Beschäftigung mit den Fahrenden eine ausschliesslich in den Kompetenzbereich der Kantone und Gemeinden fallende Angelegenheit, die allerdings im Allgemeinen zu Gunsten dieser Bevölkerungsgruppe sehr wenig unternehmen. Für die Rahmenbedingungen und für gewisse übergreifende Massnahmen trägt aber der Bund
eine Mitverantwortung und kann in diesem Zusammenhang wichtige Koordinationsfunktionen übernehmen».1 Die Kommission schlug vor, eine auf einem Bundesgesetz beruhende, unabhängige Stiftung zu errichten, in der die Behörden aller Stufen und die Fahrenden zusammenarbeiten können und die als Koordinationsorgan auf Bundesebene breit abgestützte Lösungen für die dargelegten Probleme erarbeiten sollte. Die Stiftung war als 1

Parlamentarische Initiative Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende». Bericht der Kommission für soziale Sicherheit vom 28. Aug. 1991 (BBl 1991 IV 462).

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Offerte an Kantone und Gemeinden konzipiert. Aus Gesprächen mit den am meisten betroffenen Kantonen und dem Gemeinde- und Städteverband ging hervor, dass diese die Einrichtung einer Stiftung vor allem als Kommunikationshilfe und Vermittlerin begrüssen. 1991 legte die Kommission dem Rat ihren Bericht und einen Gesetzesentwurf für die Schaffung einer Stiftung vor. Diese sollte sich nicht der Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern der Gegenwart und Zukunft der Schweizer Fahrenden widmen.

In Artikel 1 des Gesetzesentwurfes wurde der allgemeine Stiftungszweck wie folgt umschrieben: «Der Bund unterstützt zur Sicherheit und Verbesserung der Lebenssituation und zur Wahrung des kulturellen Selbstverständnisses der fahrenden Bevölkerung die privatrechtliche Stiftung .» Dieser Grundsatz war in der folgenden parlamentarischen Beratung mehrheitlich unbestritten. Dennoch vermochten das Gesetz und besonders der Entwurf für eine Stiftungsurkunde nicht alle zu überzeugen. Auch die Fahrenden hielten Distanz.

Dies hauptsächlich aus zwei Gründen: ­

Der Entwurf zur Stiftungsurkunde enthielt eine Bestimmung, wonach die Stiftung selber Stand- und Durchgangsplätze einrichten und diese auch verwalten sollte. Auf Empfehlung der vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat wurden aber der Aufgabenbereich und die juristische Verantwortlichkeit der Stiftung eingeschränkt und auf die Aufnahme dieser Bestimmung verzichtet. Von den Fahrenden wäre sie als Bevormundung empfunden worden, denn der Betrieb von Stand- und Durchgangsplätzen ist Sache der Fahrenden selbst.

­

Nicht eingetreten ist das Parlament auf die Forderung, wonach die Fahrenden die Mehrheit im Stiftungsrat bilden sollten. Dies aus gutem Grund: Die neue Stiftung sollte keine ausschliessliche Interessenvertreterin der Fahrenden werden. Für diese Aufgabe wurde und wird die Dachorganisation der Schweizer Fahrenden, die «Radgenossenschaft der Landstrasse», vom Bund unterstützt. Die Stiftung sollte zur Radgenossenschaft eine notwendige Ergänzung bilden, d.h. eine Institution sein, in welcher der Staat in Zusammenarbeit mit den Fahrenden seiner Verantwortung gegenüber dieser kulturellen Minderheit gerecht zu werden versucht. Zwischen den Aufgaben der Radgenossenschaft und denjenigen der Stiftung ist klar zu unterscheiden: Die Radgenossenschaft leistet Direkt- und Soforthilfe für die Fahrenden bei deren Alltagsproblemen. Die Stiftung hingegen soll eine minimale Infrastruktur zur Verfügung stellen, die mithilft, zwischen den Fahrenden und den Behörden zu vermitteln.

Nicht in einem organisatorischen, wohl aber in einem sachlichen Zusammenhang zur Stiftung steht die Aufarbeitung der Vergangenheit des «Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse». Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat dazu 1998 die Historische Studie über das «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» (Roger Sablonier, Walter Leimgruber, Thomas Meier) veröffentlicht und im Anschluss an eine Fachtagung im Dezember 1998 die Kantone konsultiert. Diese haben sowohl zur weiteren Aufarbeitung der Geschichte des «Hilfswerks» als auch zur Verbesserung der aktuellen Situation ausführlich Stellung genommen. Die Ergebnisse der Konsultation und das vom EDI geplante weitere Vorgehen wurden dem Bundesrat, den Kantonen und der Öffentlichkeit im Februar 2000 zur Kenntnis gebracht.

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Sie enthalten Anregungen der Kantone zu einem koordinierten Vorgehen bei der historischen Aufarbeitung auf Kantonsebene sowie Informationen über die gegenwärtige Situation der Fahrenden auf ihrem Gebiet. Verschiedentlich wurde zudem die Notwendigkeit einer vermehrten interkantonalen Zusammenarbeit beim Informationsaustausch und bei der Koordination von Massnahmen hervorgehoben (vgl.

Ziff. 1.2 Kritische Würdigung der Ausgangslage, S. 9).

1.1.2

Einrichtung und Zusammensetzung der Stiftung

Am 7. Oktober 1994 konnte das Bundesgesetz betreffend die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» (BG) in Kraft gesetzt werden. Dem EDI, welches mit der Errichtung der Stiftung betraut wurde, war es ein Anliegen, die Vertretungen der Kantone und Gemeinden so zu besetzen, dass tatsächlich eine Verbindung zu überkantonalen und -kommunalen Gremien und damit ein wirksames Einfliessen der Vorschläge der Stiftung gewährleistet ist. Solche Vertretungen zu finden, erwies sich als schwierig und beanspruchte Zeit, sodass die Mitglieder des Stiftungsrates erst Ende 1996 vollzählig ernannt waren und nach der Verurkundung der Stiftung im Mai 1997 ihre Arbeit aufnehmen konnten.

Von den Kantonen haben die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren sowie die Konferenz der Kantonalen Fürsorgedirektoren je eine Vertretung bestimmt. Die Gemeinden sind durch zwei Mitglieder des Schweizerischen Gemeindeverbandes, der Bund durch das Bundesamt für Kultur sowie durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (damals Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit) und die Fahrenden durch fünf Vertreter, die alle Mitglieder der «Radgenossenschaft der Landstrasse» sind, vertreten. Als erster Präsident konnte Regierungsrat Werner Niederer, Vorsteher der Justizdirektion des Kantons Appenzell Ausserrhoden, gewonnen werden.

1.1.3

Strukturen und Finanzierung der Stiftung

Der Stiftungsrat besteht aus 11 Mitgliedern (s. Anhang: Organe der Stiftung), die vom EDI auf Vorschlag des Stiftungsrates gewählt werden. Er wird in seiner Arbeit von einer unabhängigen, professionell geführten und entsprechend entschädigten Geschäftsstelle unterstützt, mit deren Leitung er Dr. Urs Glaus, Anwalt in St. Gallen, betraut hat. Die Stiftungsaufsicht liegt beim EDI, welchem die Stiftung jährlich über ihre Tätigkeiten und ihr Finanzgebaren Rechenschaft ablegt.

Der Bund hat der Stiftung 1997 den Betrag von 1 Million Franken als Stiftungskapital zur Verfügung gestellt (Art. 2 BG) und ihr für die ersten fünf Jahre einen Betriebsbeitrag von 750 000 Franken in Form eines Rahmenkredits zugesprochen (Art. 3 BG). Für die laufenden Aufgaben der Stiftung werden, gemäss Geschäftsreglement der Stiftung, in erster Linie der Betriebsbeitrag des Bundes und in zweiter Linie der Vermögensertrag des Stiftungskapitals sowie allfällige Zuwendungen Dritter verwendet. Auf das Kapital darf nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden, unter der Voraussetzung der Zustimmung von drei Vierteln der Mitglieder des Stiftungsrates.

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1.1.4

Auftrag und Zielsetzung

Mit dem BG wurde den Fahrenden erstmals der Status einer eigenständigen kulturellen Minderheit in der Schweiz zuerkannt. Die Stiftung ist gemäss Gesetz ein Instrument zur Verbesserung der Lebenssituation der Fahrenden. Als verwaltungsunabhängiges Organ auf nationaler Ebene soll die Stiftung den Dialog zwischen den betroffenen Parteien fördern und in Konfliktfällen nach raschen und unbürokratischen Lösungen suchen.

Ihre Ziele sind in der Stiftungsurkunde festgelegt. Sie bezweckt in erster Linie die Förderung der interkantonalen und interkommunalen Zusammenarbeit bezüglich: a.

Einrichtung und Verwaltung von Stand- und Durchgangsplätzen;

b.

Erleichterung der Berufsausübung;

c.

primärer, sekundärer und tertiärer Schulbildung;

d.

allgemeiner Massnahmen, welche zu einer Vergrösserung des Verständnisses für die Lebenssituation der fahrenden Bevölkerung in der Schweiz führen sowie zu deren Sicherung und Verbesserung beitragen.

Für die Umsetzung dieses Auftrags hat die Stiftung mit den bestehenden Institutionen und Vereinigungen der Fahrenden und mit den Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden zusammenzuarbeiten. Wenn für die Erfüllung bestimmter Aufgaben Institutionen und Vereinigungen fehlen oder deren Mittel nicht ausreichen, kann die Stiftung eigene Aktionen durchführen.

1.1.5

Bisherige Tätigkeiten der Stiftung

Die Stiftung konnte im Sommer 1997 ihre Arbeit aufnehmen. Sie hat sich in den letzten Jahren hauptsächlich dem Problem der fehlenden Stand- und Durchgangsplätze gewidmet. Die Geschäftsstelle nahm auch die Funktion einer Anlaufstelle wahr und leistete in Einzelfällen auf Anfrage hin Beratung und Unterstützung. In den Genuss dieser Hilfe sind vor allem Fahrende und Gemeinden gekommen, zum Beispiel im Falle drohender Wegweisung von Fahrenden in einzelnen Gemeinden, bei Schwierigkeiten mit Stand- und Durchgangsplätzen sowie bei Problemen mit der Schulpflicht fahrender Kinder. Die Geschäftsstelle bereitete zusammen mit dem Präsidenten die Sitzungen des Stiftungsrates und des Ausschusses vor (je sechs Sitzungen des Stiftungsrates und des Ausschusses pro Jahr); sie betreut die Anlagen des Stiftungsvermögens, vertritt die Stiftung gegen aussen und begleitet die laufenden Projekte (Gutachten Raumplanung, rechtliche Stellung der Fahrenden, Expo.02).

Ein wichtiger Teil der Aufgabe der Geschäftsstelle besteht in der Absprache mit anderen Organisationen der Fahrenden, insbesondere mit der Radgenossenschaft der Landstrasse und der Zigeunermission.

Die Stiftung hat in enger Zusammenarbeit mit der Radgenossenschaft der Landstrasse ein grösseres Projekt in Angriff genommen, das ein Grundanliegen der Fahrenden aufnimmt. Damit die Fahrenden ihre Kultur leben können, müssen sie über eine ausreichende Anzahl von Stand- und Durchgangsplätzen verfügen. Die Stiftung hat deshalb bei einem Raumplanungsbüro ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Bestand an bestehenden Plätzen erhebt und den Bedarf an weiteren Plätzen ermittelt. Aus den Abklärungen, die gegenwärtig im Gang sind, geht hervor, dass die bestehenden Plätze zu wenig gesichert sind und in vielen Regionen der Schweiz 1588

dringend Plätze geschaffen werden müssen. Zudem bildet das Gutachten eine Grundlage für die Beurteilung der rechtlichen Situation im Bereich der Raum- und Zonenordnung und zeigt den Planungsinstanzen von Kantonen und Gemeinden, dass Plätze verhältnismässig einfach und mit geringem Aufwand realisiert werden können. Auch dient es der Stiftung und den Organisationen der Fahrenden als sachliche und möglichst genaue Begründung für die Bedürfnisse der Fahrenden an den Raum. Die Stiftung bereitet gegenwärtig zuhanden von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie der Stiftung selbst einen Katalog an Umsetzungsmassnahmen vor.

Nach wie vor liegen die Probleme bei der Umsetzung von Projekten für Stand- und Durchgangsplätze hauptsächlich auf der Ebene der Gemeinden. Nur wenige sind bereit, ein entsprechendes Angebot zu schaffen, und mit Ausnahme von Buech (BE) sind in den letzten Jahren verschiedentlich entsprechende Vorhaben von einzelnen Gemeinden letztlich in Abstimmungen oder Referenden von den Stimmberechtigten abgelehnt worden. Fahrende werden somit weiterhin oft auf inoffizielle, provisorische Plätze verwiesen und kommen dadurch in Konflikt mit dem Gesetz bzw. mit den Rahmen- und Zonenordnungen, die auf die Bedürfnisse von Sesshaften ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang ist die Stiftung auch mehrmals an die Öffentlichkeit gelangt, so z.B. anlässlich der Eröffnung des neuen Standplatzes in Buech im Herbst 1998 sowie im Zusammenhang mit dem negativen Ausgang der Abstimmung über einen geplanten Standplatz in der Gemeinde Versoix (GE) im Sommer 2000. Die Stiftung hat bei dieser Gelegenheit gemeinsam mit der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) die Befürchtung geäussert, dass demokratische Grundrechte zur Diskriminierung von Minderheiten missbraucht werden können, und verfolgt diese Entwicklung mit Besorgnis. An dieser Stelle ist auch die gute Zusammenarbeit zwischen EKR und Stiftung zu erwähnen. Am 3. November 2000 hat die Stiftung ferner eine Tagung mit Vertreterinnen und Vertretern fast aller Kantone und zahlreicher Gemeinden durchgeführt. An dieser Tagung wurden nicht nur die Stiftung und ihre Tätigkeit vorgestellt, sondern sie gab allen Beteiligten auch die Möglichkeit, die in ihrem Kanton oder in ihrer Gemeinde gemachten Erfahrungen und die Problemlösungen zur Sprache zu bringen und einen
Gedankenund Erfahrungsaustausch zu pflegen. Einem allgemeinen Wunsch entsprechend sieht die Stiftung die Institutionalisierung solcher Tagungen vor.

Die Stiftung befasst sich weiter ausführlich mit den Problemen, die während der Durchreise ausländischer Fahrender im Sommer auftauchen, da sich die Situation in verschiedenen Regionen verschärft hat und die Konflikte direkte Auswirkungen auf die Lage der fahrenden Bevölkerung in der Schweiz haben (Zementierung von Vorurteilen, Schliessung von Plätzen). Hauptproblem ist nach wie vor das Fehlen geeignet eingerichteter Durchgangsplätze für grössere Karawanen von 60­80 Wagen entlang der Transitrouten in der Süd- und Nordwestschweiz, was illegale Besetzungen von Terrains mit den bekannten Konsequenzen zur Folge hat. Die Stiftung hat deshalb zuhanden des EDI einen Bericht mit einem Massnahmenkatalog verfasst und mit verschiedenen Gemeinden das Gespräch gesucht. Auf Initiative der Stiftung hat sich das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) wiederholt dafür eingesetzt, nicht genutzte Armee-Ausbildungsplätze für eine befristete Zeit im Sommer zur Verfügung zu stellen. In den meisten Fällen scheiterten diese Bemühungen jedoch bisher daran, dass entweder die Plätze nicht genutzt werden konnten oder die betroffenen Gemeinden nicht zustimmten. Als Sofortmassnahme bieten die Vertreter der Fahrenden in der Stiftung ihre Dienste für die Vermittlung in Konfliktfällen zwischen ausländischen Fahrenden und den Behörden an.

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Einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeiten der Stiftung bildeten die kantonal sehr unterschiedlichen Regelungen des Wandergewerbes, welche ein Haupthindernis für die Arbeitsmöglichkeiten der Fahrenden darstellen. Die Stiftung hat 1998 die Wettbewerbskommission (WeKo) veranlasst, ein Gutachten zu dieser Frage zu erstellen.

Die WeKo hat daraufhin den Kantonen, unter Berufung auf die Ziele und Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt, empfohlen, ihre Bewilligungspraxis zu überprüfen und Patente aus anderen Kantonen anzuerkennen. Die Kantone haben ihrerseits den Wunsch nach einer Aufhebung der Rechtszersplitterung geäussert und begrüssen die Vereinheitlichung des Wandergewerberechts auf Bundesebene. Unterdessen liegen eine Botschaft und ein Entwurf für ein Bundesgesetz über das Reisendengewerbe2 vor, der diesen Anliegen Rechnung trägt und für die Fahrenden ­ als am meisten betroffene Personengruppe ­ wesentliche Verbesserungen bringen dürfte. Die Stiftung hat im Rahmen der Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf Stellung genommen und ihn ausdrücklich gutgeheissen.

Eingesetzt hat sich die Stiftung auch für eine Berücksichtigung der Fahrenden an der Landesausstellung Expo.02. In verschiedenen Gesprächen mit der Direction artistique hat die Stiftung ihre Bereitschaft erklärt, sich an einem entsprechenden Projekt finanziell zu beteiligen. Die Stiftung geht davon aus, dass die Expo die einmalige Chance bietet, einen grossen Teil der Bevölkerung mit der Lebensweise der Fahrenden besser vertraut zu machen, Vorurteilen entgegenzuwirken und die Toleranz gegenüber einer kulturellen Minderheit in unserem Land zu fördern. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird eine auf drei oder fünf Tage beschränkte kulturelle Veranstaltung mit «Eventcharakter» stattfinden; sie wird von Fahrenden zur Präsentation ihrer Kultur organisiert und soll die Begegnung zwischen fahrender und sesshafter Bevölkerung ermöglichen.

1.1.6

Finanzielles

Die Stiftung verfügt, wie erwähnt, über ein Stiftungskapital von 1 Million Franken und einen Betriebsbeitrag, der pro Jahr 150 000 Franken ausmacht. Die Tätigkeit der Stiftung hat bisher für Stiftungsrat und Geschäftsstelle, die stark in Anspruch genommen wurden, einen Aufwand von rund der Hälfte des Bundesbeitrages erfordert.

Dieser Aufwand ist durch den Umstand bedingt, dass der Stiftungszweck in erster Linie durch die Arbeit der Stiftungsräte und der Geschäftsstelle, das heisst durch eine intensive Zusammenarbeit aller staatlichen Ebenen mit den Fahrenden zur Lösung der anstehenden Probleme, erreicht werden kann. Der andere Teil der Ausgaben setzte sich aus Beiträgen für Projekte, Publikationen und Förderbeiträgen zusammen. Von den rund 150 000 Franken, die in den vergangenen zwei Jahren mit dieser Zweckbestimmung verwendet wurden, entfielen rund 60 000 Franken auf den oben erwähnten Bericht über die Bedürfnisse der Fahrenden an den Raum und 27 000 Franken auf das von der Radgenossenschaft unterstützte Zigeuner-KulturZentrum in Zürich. Für noch geplante Projekte, u.a. die Darstellung der Kultur der Fahrenden an der Expo.02, wurden Rückstellungen gebildet.

2

Botschaft vom 28. Juni 2000 (BBl 2000 4186).

1590

1.2

Kritische Würdigung der Ausgangslage

Wie bereits erwähnt, hat sich die Stiftung in den vergangenen Jahren verschiedener dringlicher Probleme angenommen und sich insbesondere in den Bereichen Standund Durchgangsplätze, Gewerbebewilligungen sowie beim Transit ausländischer Fahrender durch die Schweiz engagiert. In der Aufbauphase ging es aber auch darum, Grundlagen für das gute Gelingen der Zusammenarbeit, in einem Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen den Vertretern der Behörden und der Fahrenden im Stiftungsrat, zu schaffen. Dies ist der Stiftung gelungen: Die Fahrenden schätzen die Möglichkeit, sich mit ihren Anliegen direkt an Vertreterinnen und Vertreter der Behörden aller staatlichen Ebenen wenden zu können, und machen davon regen Gebrauch. In Konfliktfällen interveniert die Stiftung regelmässig, rasch und unbürokratisch auf der politischen Ebene zu Gunsten von Fahrenden.

Als eher schwierig hat sich in der Anfangszeit die Wahrnehmung der Koordinationsfunktion zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen erwiesen. Insbesondere konnte die Rückkoppelung der Vertretungen von Kantonen und Gemeinden mit ihren übergeordneten Gremien bisher noch zu wenig greifen. Hier wird die Stiftung vermehrte Anstrengungen unternehmen. Für die Diskussion über Lösungen konkreter Probleme sollte sie die Verbindungen zu den interkantonalen und interkommunalen Behörden noch besser nutzen. Einschränkend ist hier jedoch festzuhalten, dass die Stiftung auf Grund der Kompetenzlage und des rechtlichen Rahmens weder dem Bund noch den Kantonen oder den Gemeinden verbindliche Auflagen für ihre Tätigkeiten machen kann.

Eine Konsultation der Kantone, die das EDI im Anschluss an eine Fachtagung über die historische Studie zum «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» durchgeführt hat, hat gezeigt, dass die Kantone bereit sind, ihren Beitrag nicht nur zur Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch zur Verbesserung der heutigen Situation der Fahrenden zu leisten. Aus den Ergebnissen der Konsultation geht auch hervor, dass die Stiftung als Hilfseinrichtung des Bundes auf kantonaler Ebene noch zu wenig bekannt ist. Die Kantone setzen indessen hohe Erwartungen in das Wirken der Stiftung; sie wird als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lage der Fahrenden wahrgenommen. Der Stiftungsrat hat sich mit den Ergebnissen der Konsultation eingehend befasst und
entsprechende Anregungen und Wünsche der Kantone in das Arbeitsprogramm der Stiftung aufgenommen. Sicherlich bildet die oben erwähnte Tagung vom 3. November 2000 den Beginn einer kontinuierlichen Kooperation.

Die Stiftung bietet die grosse Chance, dass Bund, Kantone und Gemeinden gemeinsam mit den Fahrenden zusammenarbeiten und so ihre je eigenen Kompetenzen koordiniert ausschöpfen können, anstatt sich die Probleme gegenseitig weiterzugeben.

Diese Chance muss künftig noch besser genutzt werden. Nur der Bund kann es jedoch der Stiftung materiell ermöglichen, ihre Arbeit auf konsolidierter Basis weiterzuführen, zu intensivieren und vermehrt auch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten zu entwickeln. Um dies zu erreichen, bedarf es für die nächste Periode von fünf Jahren eines neuen Rahmenkredites seitens des Bundes.

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2

Besonderer Teil: Kommentar zum Beschlussesentwurf

Artikel 1 legt die Gesamtsumme der jährlichen Betriebsbeiträge an die Stiftung für die Periode 2002­2006 in Form eines Rahmenkredites fest. Es handelt sich dabei um einen Höchstbeitrag. Die jährlichen Betriebsbeiträge sind nach Massgabe der Begehren der Stiftung in den Voranschlag einzustellen. Die Fünfjahresperiode entspricht den in Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 19943 betreffend die Stiftung ,,Zukunft für Schweizer Fahrende" festgelegten Bestimmungen.

Artikel 2 bestimmt die Form des Erlasses im Sinne von Artikel 163 Absatz 2 BV. Es handelt sich um einen Kreditbeschluss, der sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann. Er hat daher die Form eines einfachen Bundesbeschlusses und untersteht nicht dem Referendum.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle, personelle und informatikseitige Auswirkungen

3.1.1

Auf den Bund

Der Rahmenkredit an die Stiftung beläuft sich für die fünf Jahre von 2002 bis 2006 auf 750 000 Franken. Die Mittel werden im Finanzplan entsprechend eingestellt.

Hinsichtlich Personal und Informatik hat die Vorlage keine Auswirkungen.

3.1.2

Auf die Kantone und Gemeinden

Die Vorlage hat keine finanziellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2000­2003 vom 1. März 2000 angekündigt (Anhang 2, Abschnitt 3.2, Regionaler Ausgleich, Rubrik Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen BBL 2000 2338).

5

Rechtsgrundlagen

Der beantragte Kreditbeschluss stützt sich auf Artikel 3 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 19944 betreffend die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende». Nach Artikel 167 BV ist die Bundesversammlung zuständig, die Ausgaben des Bundes zu beschliessen.

3 4

SR 449.1 SR 449.1

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Anhang

Organe der Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» Mitglieder des Stiftungsrates Präsident Werner Niederer

Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden

Herisau

Bundesamt für Kultur

Bern

Vizepräsident/in Vakant, bis 31.7.2000 Stefanie Brander

Übrige Mitglieder des Stiftungsrates May Bittel Claudio Candinas Robert Huber Daniel Huber Johann Moser-Graf Sigisbert Lutz Max Läubli Dr. iur. Markus Metz Dr. iur. Guido Sutter

Zigeunermission Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden Radgenossenschaft der Landstrasse Radgenossenschaft der Landstrasse Radgenossenschaft der Landstrasse Schweizerischer Gemeindeverband Radgenossenschaft der Landstrasse Schweizerischer Gemeindeverband Staatssekretariat für Wirtschaft

Chur Zürich Balsthal Geuensee Bern Claro Binningen Bern

Geschäftsstelle Dr. iur. Urs Glaus, St. Gallen Kontrollstelle Eidgenössische Finanzkontrolle

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