01.042 Botschaft zum Vertrag zwischen der Schweiz und Ägypten über Rechtshilfe in Strafsachen vom 3. Juli 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu dem am 7. Oktober 2000 unterzeichneten Vertrag zwischen der Schweiz und Ägypten über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Juli 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11529

Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0504

4901

Übersicht Der Rechtshilfevertrag mit Ägypten ist ein wichtiger Meilenstein der schweizerischen Vertragspolitik. Es handelt sich um die erste Rechtshilfevereinbarung, welche die Schweiz mit einem arabischen Land abschliesst. Damit erstreckt sich das Vertragsnetz der Schweiz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen künftig auch auf den arabischen Raum.

Der Vertrag schafft eine internationale Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit der beiden Staaten bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen. Er verpflichtet die Vertragsparteien zur Rechtshilfeleistung in Verfahren wegen strafbarer Handlungen. Bisher konnte die Schweiz Ägypten nur auf der Grundlage des Rechtshilfegesetzes (IRSG; SR 351.1) Rechtshilfe gewähren.

Der Vertrag gibt der Schweiz und Ägypten die Möglichkeit, die Justizbehörden bei der Verbrechensbekämpfung gegenseitig aktiv zu unterstützen. Er umschreibt die Zusammenarbeit und stellt klar, in welchem Umfang die beiden Staaten bei Strafverfahren Rechtshilfe leisten. Der Vertrag liegt auch im Interesse der Schweiz: Er stellt im Verhältnis zu Ägypten einerseits das Gegenrecht sicher und berücksichtigt andererseits die schweizerische Rechtshilfepraxis im Bereich der Menschenrechte.

Die Zusammenarbeit kann verweigert werden, wenn in einem Strafverfahren, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenrechte bestehen.

Für die Schweiz stellt der Rechtshilfevertrag mit Ägypten einen Präzedenzfall dar.

Ob und in welchem Umfang die Schweiz mit Ägypten weitere vertragliche Verpflichtungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen eingehen kann, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie sich der Rechtshilfevertrag in der Praxis bewährt und wie sich die Menschenrechtssituation in Ägypten entwickelt.

4902

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Anlässlich der 3. Konferenz der frankophonen Justizminister, an der alt Bundesrat Koller im Herbst 1995 in Kairo teilnahm, regte der ägyptische Justizminister den Abschluss eines Auslieferungsvertrags und eines Vertrags über Rechtshilfe in Strafsachen mit der Schweiz an. Im November 1995 ersuchte Ägypten die Schweiz formell um die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Da die Schweiz noch mit keinem arabischen Land einen Auslieferungs- oder Rechtshilfevertrag abgeschlossen hatte, schlug das Bundesamt für Polizeiwesen1 dem ägyptischen Justizministerium fürs Erste die Aushandlung eines Rechtshilfevertrages vor und übermittelte den ägyptischen Behörden einen Vertragsentwurf zur Stellungnahme. Das ägyptische Justizministerium äusserte sich im Verlauf des Jahres 1996 zum schweizerischen Vertragsentwurf. Gleichzeitig legte es den Entwurf zu einem Auslieferungsvertrag vor und regte an, die Vertragsgespräche auf die Bereiche Terrorismus und organisierte Kriminalität auszudehnen. In der Folge einigten sich das Bundesamt für Polizeiwesen und das ägyptische Justizministerium darauf, die Gespräche auf die Rechtshilfe zu beschränken und die übrigen Rechtsbereiche vorerst auszuklammern.

Ausschlaggebend für die Zurückhaltung der Schweiz bei den Vertragsverhandlungen war die Situation der Menschenrechte in Ägypten. Laut Berichten des EDA und der Schweizer Botschaft, die das Bundesamt für Polizeiwesen eingeholt hat, scheinen die ordentlichen Gerichte zwar gut zu funktionieren; in diesen Verfahren werden die Menschenrechte in der Regel eingehalten. Zweifel sind aber bei der Militärjustiz angebracht, die seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes (1981) auch Privatpersonen verfolgt, denen Gewalt- und Terrorakte oder unerlaubte politische Aktivitäten vorgeworfen werden. Im Unterschied zu den ordentlichen Gerichten ist vor den Militärgerichten ein Verfahren, das den Menschenrechten und den minimalen Anforderungen an einen fairen Prozess genügt, nicht immer gewährleistet. Angesichts der allgemeinen Menschenrechtssituation in Ägypten schien es den zuständigen Stellen im EDA2 und im EJPD3 verfrüht, Vertragsgespräche über die Auslieferung oder die Überstellung verurteilter Personen zu führen, bevor erste Erfahrungen mit dem Rechtshilfevertrag gesammelt werden konnten.

1

2 3

Am 1. Juli 2000 ist die für die internationale Rechtshilfe zuständige Abteilung im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform in das Bundesamt für Justiz transferiert worden (Art. 7 Abs. 6a der Organisationsverordnung für das EJPD vom 17. Nov. 1999; SR 172.213.1).

Direktion für Völkerrecht und Politische Direktion, Abteilung IV, Sektion Menschenrechts- und humanitäre Politik Bundesamt für Justiz: Abteilung I für Rechtsetzung und Abteilung für Internationale Angelegenheiten, Sektion Menschenrechte

4903

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Anfang März 1997 fanden in Kairo erste Gespräche zwischen einer schweizerischen und einer ägyptischen Delegation über den Abschluss eines Vertrages über Rechtshilfe in Strafsachen statt. Ausgangspunkt der Gespräche waren ein schweizerischer Vertragsentwurf und ein ägyptischer Gegenvorschlag. In der ersten Gesprächsrunde konnten alle Divergenzen ausgeräumt und ein gemeinsamer Vertragstext erarbeitet werden. Beide Delegationen kamen überein, den ausgehandelten Vertragstext vor der Paraphierung den betroffenen nationalen Amtsstellen vorzulegen.

Der Vertrag wurde mit Briefwechsel vom 7. Oktober 1997 und 9. März 1998 zwischen dem schweizerischen und dem ägyptischen Delegationschef paraphiert, nachdem die zuständigen Stellen im EDA und im EJPD den Vertragstext gutgeheissen hatten.

Die Unterzeichnung des Vertrages verzögerte sich wegen des Attentats von Luxor, bei dem über 30 Schweizer Staatsangehörige getötet worden waren4. Der damalige Vorsteher des EJPD beschloss, mit der Unterzeichnung des Vertrages zuzuwarten, nachdem sich die Eidgenössische Finanzverwaltung im Rahmen der Ämterkonsultation für einen Aufschub der Vertragsunterzeichnung ausgesprochen hatte, bis die ägyptischen Behörden die im Nachgang zum Attentat gemachten Versprechen eingelöst hätten. Die Finanzverwaltung befürchtete, dass der Bundesrat andernfalls aussenpolitisch ein falsches Signal setzen würde und die Unterzeichnung ein Jahr nach dem Terroranschlag innenpolitisch als pietätloser Akt gegenüber den Opfern erachtet werden könnte.

Nach einer Überprüfung der Lage kam die Finanzverwaltung im Sommer 1999 zum Schluss, dass die Schweiz die bilaterale Zusammenarbeit mit Ägypten im Bereich der Verbrechensbekämpfung nicht mehr länger einfrieren könne, obwohl die von den ägyptischen Regierungsvertretern abgegebenen finanziellen Versprechungen nicht eingelöst worden waren. Die Bundespolizei teilte die Auffassung, dass ein weiterer Aufschub der Vertragsunterzeichnung die Haltung der ägyptischen Behörden in diesem Punkt kaum beeinflussen würde.

Im Januar 2000 genehmigte der Bundesrat den Vertrag und stimmte der Unterzeichnung zu. Diese fand am 7. Oktober 2000 in Kairo statt.

2

Besonderer Teil

2.1

Kommentar zum Vertrag

Der Vertrag mit Ägypten schafft eine internationale Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit der beiden Staaten bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen. Er verpflichtet die Vertragsparteien zur Rechtshilfeleistung in Verfahren wegen strafbarer Handlungen. Bisher konnte die Schweiz Ägypten nur auf der

4

Am 17. Nov. 1997 fanden beim Hatschepsut-Tempel in Luxor 58 Touristen (darunter 36 aus der Schweiz), vier einheimische Wachleute sowie sechs beteiligte Terroristen bei einem Terroranschlag den Tod. Weitere 25 Personen wurden verletzt, darunter 12 Schweizer Staatsangehörige.

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Grundlage des Rechtshilfegesetzes (IRSG)5 Rechtshilfe gewähren. Diese Zusammenarbeit wurde in der Regel an das Gegenrecht geknüpft6.

Da sich das ägyptische Rechtswesen stark am französischen System ausrichtet, konnten im Vertrag die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR)7 weitgehend übernommen werden. Der Vertrag enthält zudem die wichtigsten Grundsätze des IRSG. Er liegt auf der Linie der Rechtshilfeverträge, welche die Schweiz 1997 mit Peru8 sowie Ecuador9 und 1999 mit Hongkong10 abgeschlossen hat. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören: ­

Eine besondere Menschenrechtsklausel verpflichtet die Vertragsparteien, den Rechtshilfevertrag im Lichte der geltenden Menschenrechtsgarantien anzuwenden (Art. 1 Abs. 3).

­

Die Vertragsparteien können durch strafbares Handeln erlangte Gegenstände oder Vermögenswerte auch zum Zweck der Einziehung herausgeben (Art. 10).

­

Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen an eigene Staatsangehörige, die keine Zwangsmassnahmen erfordern, können an Stelle der Rechtshilfebehörden durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen zugestellt werden (Art. 13 Abs. 5).

­

Anstatt der üblichen Schiedsgerichtsklausel enthält der Vertrag eine Regelung, die eine Streitbeilegung ohne Schiedsgericht vorsieht (Art. 29 und 30).

Grundlage für die Umsetzung des Vertrages sind die Verfahrensvorschriften im ersten und im dritten Teil des IRSG. Soweit sie dem Vertrag nicht widersprechen, sind die Bestimmungen des IRSG ergänzend anwendbar.

Wir beschränken uns darauf, die Kernbestimmungen des Vertrages zu erläutern und die Besonderheiten aufzuzeigen.

2.2

Kommentar zu den Kernbestimmungen des Vertrags

Art. 1

Verpflichtung zur Rechtshilfe

Absatz 1 begründet zwischen den Vertragsparteien eine völkerrechtliche Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe. Bestehen keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 2 und 3, so müssen die Vertragsparteien einem Ersuchen um Rechtshilfe Folge geben.

In Absatz 2 werden die Rechtshilfemassnahmen aufgelistet, die nach dem Vertrag möglich sind. Die Liste ist nicht abschliessend, was es erlaubt, der Rechtsentwicklung in beiden Staaten Rechnung zu tragen.

5 6 7 8 9 10

SR 351.1 Der ausländische Staat muss zusichern, dass er im umgekehrten Fall einem schweizerischen Ersuchen Folge geben könnte und im Einzelfall dazu auch bereit wäre.

SR 0.351.1 SR 0.351.964.1 SR 0.351.932.7 BBl 2001 169

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Nach Absatz 3 muss der Rechtshilfevertrag im Lichte der geltenden Menschenrechte angewendet werden. Diese von der Schweiz ausgehandelte Zusatzregelung steckt den Rahmen für den Umfang der Rechtshilfeverpflichtung ab. Sie beschränkt sich nicht auf den Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt)11, sondern umfasst alle Instrumente über die Wahrung der Menschenrechte. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass sich die Schweiz im Wege der Rechtshilfe an Verfahren beteiligt, die dem internationalen Mindeststandard der geltenden Menschenrechtsinstrumente nicht entsprechen oder dem internationalen «Ordre public» zuwiderlaufen. Die Klausel präzisiert den «Ordre-public-Vorbehalt» in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c. Sie dient der Rechtssicherheit, indem sie Klarheit schafft, dass die Rechtshilfe im Falle einer Verletzung der Menschenrechte abgelehnt werden kann. Zwar gehört Ägypten wie die Schweiz dem UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte an. Die Menschenrechtsklausel drängte sich aber auf, weil in Ägypten Privatpersonen nicht nur der zivilen Gerichtsbarkeit unterstehen, sondern seit dem Ausnahmezustand von 1981 für bestimmte Delikte (unerlaubte politische Aktivitäten, Gewalt- und Terrorakte) vor ein Militärgericht gestellt werden können. In den Verfahren vor der Militärjustiz besteht keine Garantie, dass die elementaren Verfahrensgrundsätze beachtet und die Menschenrechte eingehalten werden. Die Betroffenen riskieren Folter und Körperstrafen.

Aus der vereinbarten Regelung ergibt sich, dass die Schweiz die Rechtshilfe an Ägypten verweigern kann, wenn in einem Verfahren, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, konkrete Anhaltspunkte für eine Menschenrechtsverletzung vorliegen. Die Regelung stützt sich auf den revidierten Artikel 2 Buchstabe a IRSG und steht im Einklang mit der schweizerischen Rechtshilfepraxis im Bereich der Menschenrechte.

Art. 2

Unanwendbarkeit

Die Bestimmung umschreibt den Geltungsbereich des Vertrages. Die Regelung entspricht Artikel 1 Absatz 2 EUeR.

Art. 3

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Ausführung des Ersuchens

Absatz 1 enthält eine abschliessende Liste der Gründe, die zur Verweigerung der Rechtshilfe führen können. Es handelt sich um klassische Ablehnungsgründe, die der ersuchte Staat im Einzelfall geltend machen kann. Es besteht keine Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe, wenn das ausländische Strafverfahren ein politisches Delikt oder ein Fiskaldelikt betrifft (Bst. a und b) oder wenn die Rechtshilfemassnahme einen Eingriff in die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (Ordre public) oder in andere wesentliche Interessen einer Vertragspartei darstellt (Bst. c). Die Rechtshilfe kann zudem verweigert werden, wenn das Ersuchen dieselbe strafbare Handlung betrifft, die im ersuchten Staat zu einem Freispruch oder einer Verurteilung der betroffenen Person geführt hat (Bst. d). Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 2 EUeR und den Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 2 Buchstabe a EUeR an. Sie folgt sinngemäss den Artikeln 1a, 3 und 5 IRSG.

Bei den Fiskaldelikten (Bst. b) hatte die Schweiz eine Regelung vorgeschlagen, die analog zu Artikel 3 Absatz 3 IRSG die Rechtshilfe bei Abgabebetrug ermöglicht 11

SR 0.103.2

4906

hätte12. Die ägyptische Seite wollte jedoch in diesem Bereich nicht über die Regelung im EUeR hinausgehen. Der Begriff des «Ordre public» (Bst. c) schliesst nach schweizerischer Rechtsauffassung auch die Beachtung der Grundrechte des Menschen ein. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien13. Diese Garantien sind vor allem im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankert.

Absatz 2 räumt dem ersuchten Staat die Möglichkeit ein, die Rechtshilfe aufzuschieben, wenn der Vollzug des Ersuchens negative Auswirkungen auf ein laufendes innerstaatliches Strafverfahren haben könnte.

Die Absätze 3 und 4 enthalten Vorschriften, wie bei der Ablehnung oder Verweigerung der Rechtshilfe vorzugehen ist: Der ersuchte Staat muss seinen Entscheid auf Ablehnung oder Aufschub der Rechtshilfe begründen und mit dem ersuchenden Staat abklären, ob und unter welchen Bedingungen Rechtshilfe allenfalls möglich wäre (Abs. 3). Eine Begründungspflicht für den ersuchten Staat besteht auch, wenn das Ersuchen nur in einzelnen Punkten abgelehnt wird (Abs. 4).

Art. 4

Anwendbares Recht

Absatz 1 verankert den Grundsatz, dass die Rechtshilfeersuchen nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates auszuführen sind. In der Schweiz erfolgt der Vollzug nach dem IRSG sowie nach dem massgebenden Prozessrecht der Kantone und des Bundes.

Absatz 2 gibt dem ersuchten Staat die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen von der Grundregel in Absatz 1 abzuweichen. Ein Rechtshilfeersuchen kann nach den Verfahrensvorschriften des ersuchenden Staates ausgeführt werden, wenn der ausländische Staat ausdrücklich darum ersucht und die verlangten Ausführungsmodalitäten mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar sind. Vorlage für diese Regelung ist Artikel 65 Absatz 1 IRSG.

Art. 5

Zwangsmassnahmen

Das EUeR erwähnt als Zwangsmassnahmen einzig die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Gegenständen (Art. 5). Die Schweiz hat den Anwendungsbereich von Artikel 5 EUeR auf sämtliche Zwangsmassnahmen ausgedehnt14. Sie umfassen z.B. auch die Vorführung widerspenstiger Zeugen, die Erzwingung der Zeugenaussage oder die Preisgabe gesetzlich geschützter Geheimnisse.

Artikel 5 lehnt sich an die Erklärung der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 EUeR an und übernimmt die in Artikel 64 Absatz 1 IRSG verankerte Regelung. Er knüpft die Anordnung von Zwangsmassnahmen an die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit. Das heisst, die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat muss sowohl im ersuchenden als auch im ersuchten Staat strafbar sein. Die Bestimmung erstreckt sich nicht nur auf Massnahmen, bei denen sich der prozessuale Zwang gegen Personen 12

13 14

Vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. a des Vertrags mit Peru (SR 0.351.964.1); Art. 3 Abs. 1 Bst. a des Vertrags mit Ecuador (SR 0.351.932.7); Art. 3 Abs. 1 Bst. d des Vertrags mit Hongkong (BBl 2001 170) BGE 125 II 356 E. 8 mit Hinweisen; 123 II 511 E. 5a und 6a mit Hinweisen Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Abs. 1 EUeR (SR 0.351.1)

4907

richtet (Vorführung von Zeugen, Erzwingung der Aussage, Durchsuchung), sondern gilt auch für die Beschaffung oder Sicherung von Beweismaterial (Beschlagnahme von Tatwerkzeugen, Durchsuchung von Räumen, Fahrzeugen, Grundstücken usw.).

Die Anordnung von Zwangsmassnahmen jeder Art im Rechtshilfeverfahren setzt voraus, dass die verfolgte Handlung in concreto alle objektiven Merkmale eines nach schweizerischem Recht strafbaren Straftatbestandes erkennen lässt15.

Art. 6

Vorläufige Massnahmen

Die Bestimmung erlaubt den Justizbehörden des ersuchten Staates, auf ausdrückliches Begehren des ersuchenden Staates vorläufige Massnahmen anzuordnen, z.B.

die Sperrung eines Bankkontos. Die Anordnung einer vorläufigen Massnahme setzt voraus, dass das ausländische Verfahren die Bedingungen erfüllt, die das Recht des ersuchten Staates an die Rechtshilfe knüpft. Ist die Schweiz ersuchter Staat, so können die im Rahmen eines ägyptischen Strafverfahrens verlangten vorläufigen Massnahmen angeordnet werden, wenn keine offensichtlichen Gründe gegen die Zusammenarbeit vorliegen (z.B. Fehlen der doppelten Strafbarkeit). Vorlage für die Regelung ist Artikel 18 IRSG.

Mit dieser Bestimmung haben die schweizerischen Justizbehörden künftig die Möglichkeit, in einem Strafverfahren von den ägyptischen Behörden den Vollzug vorläufiger Massnahmen zu verlangen. Dies war bis heute nicht möglich, weil Ägypten keine dem IRSG entsprechende gesetzliche Grundlage hat.

Art. 8

Zeugenaussagen im ersuchten Staat

Absatz 1 hält den wichtigen Grundsatz fest, dass eine Person, die im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens als Zeuge vorgeladen wird, die Aussage verweigern darf, falls ihr nach dem Recht des ersuchten oder des ersuchenden Staates ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.

Die Absätze 2 und 3 befassen sich mit den Folgen einer Zeugnisverweigerung.

Art. 10

Rückgabe von Gegenständen und Vermögenswerten

Diese Bestimmung räumt den Justizbehörden beider Staaten die Möglichkeit ein, beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte, die aus einer strafbaren Handlung herrühren, dem andern Staat zum Zweck der Einziehung herauszugeben. Eine Herausgabe setzt voraus, dass die Ansprüche von Personen, die Rechte an den beschlagnahmten Gegenständen und Vermögenswerten gutgläubig erworben haben, vorgängig befriedigt worden sind.

15

Siehe dazu Botschaft vom 1. März 1966 über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates, Ziff. II (BBl 1966 I 473/483)

4908

Im EUeR fehlt eine entsprechende Bestimmung16. Die Vertragsbestimmung stützt sich auf den neuen Artikel 74a IRSG ab. Im Unterschied zur Regelung im IRSG ist die Rückgabe von Deliktsgut nach Artikel 10 nur im Hinblick auf eine Einziehung im ausländischen Staat möglich17. Das ägyptische Recht erlaubte keine weitergehende Regelung.

Art. 12

Beschränkte Verwendung

Gegenstand dieses Artikels ist der Spezialitätsgrundsatz. Der für die Schweiz wichtige Grundsatz ist in Artikel 67 IRSG verankert und findet sich im Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 2 Buchstabe b EUeR.

Der Spezialitätsgrundsatz bedeutet, dass der ersuchende Staat die auf dem Rechtshilfeweg erhaltenen Informationen und Beweismittel nur zur Verfolgung eines rechtshilfefähigen Delikts verwenden oder an Dritte weitergeben darf, ausser der ersuchte Staat erlaube eine andere Verwendung. Hauptzweck dieser Bestimmung ist es zu verhindern, dass die Rechtshilfeakten im ersuchenden Staat in Fiskalverfahren benützt werden.

Die Ergänzung, die bei der Revision des IRSG in Artikel 67 Absatz 2 angebracht wurde, konnte nicht übernommen werden18. Die ägyptische Seite zog eine Regelung vor, wonach der ersuchte Staat in allen Fällen, in denen der ersuchende Staat eine weitere Verwendung der Rechtshilfeakten wünscht, die Einwilligung geben muss (Abs. 1). Dasselbe gilt für die Neuerung in Artikel 67 Absatz 3 IRSG19. Auch hier bevorzugte die ägyptische Seite eine Regelung, die das Akteneinsichtsrecht der geschädigten Partei, die in einem Vertragsstaat an einem Strafverfahren teilnimmt, auf den ausländischen Staat beschränkt (Abs. 2).

Art. 13­19

Zustellung von Verfahrensurkunden und Vorladungen

Die Bestimmungen, die sich mit der Zustellung von Verfahrensurkunden und der Vorladung von Zeugen und Sachverständigen befassen, sind den Artikeln 7­12 EUeR nachgebildet. Ausgenommen davon ist die Bestimmung über den Umfang der Zeugenaussagen im ersuchenden Staat (Art. 18). Im Folgenden werden die Abweichungen zur Regelung im EUeR erläutert.

In Artikel 13 (Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen) wurde die Frist für die Zustellung einer Vorladung an eine Person, die im ersuchten Staat wohnt und im ersuchenden Staat verfolgt wird, auf Wunsch Ägyptens auf 45 Tage festgesetzt (Abs. 4). Im Verkehr mit dem Mitgliedstaaten des EUeR hat die

16 17 18

19

Art. 3 EUeR sieht lediglich eine Herausgabe zu Beweiszwecken vor.

Art. 74a Abs. 1 IRSG lässt die Rückgabe auch zum Zweck der Rückerstattung an den Berechtigten zu.

Nach dem revidierten Art. 67 Abs. 2 IRSG und der Erklärung der Schweiz zu Art. 2 Bst. c EUeR kann der ersuchende Staat die Rechtshilfeakten in zwei Fällen ohne vorgängige Zustimmung des ersuchten Staates weiter verwenden: 1. die dem Ersuchen zu Grunde liegenden rechtshilfefähigen Taten werden im Ausland rechtlich anders qualifiziert, oder 2. die übermittelten Auskünfte sollen zur Verfolgung anderer Personen (z.B. Komplizen) verwendet werden.

Art. 67 Abs. 3 lautet: «Die Anwesenheit bei den Rechtshilfehandlungen und die Akteneinsicht werden unter den gleichen Bedingungen bewilligt (Art. 65a Abs. 1).»

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Schweiz die Frist auf 30 Tage beschränkt20. Der Artikel enthält ferner einen Zusatz, der die Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen durch die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ermöglicht (Abs. 5). Diese Zustellungsart beschränkt sich auf Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen, die sich an eigene Staatsangehörige richten, und ist nur zulässig, wenn keine Zwangsmassnahmen angewendet werden. Die Regelung entspricht der schweizerischen Praxis zum Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen21, das den diplomatischen und konsularischen Vertretungen in Artikel 5 Buchstabe j gewisse Rechtshilfeaufgaben überträgt.

Artikel 18 (Umfang der Zeugenaussage im ersuchenden Staat) verankert den Grundsatz, dass der ersuchende Staat die Aussage eines Zeugen oder die Herausgabe von Beweismitteln nicht mit Zwang durchsetzen darf, wenn der Zeuge die Aussage nach dem Recht eines der beiden Staaten verweigern kann. Diese Bestimmung deckt die Fälle ab, in denen sich ein Zeuge in den ersuchenden Staat begibt, um dort einvernommen zu werden. Sie ist ein Gegenstück zu Artikel 8, der sich mit der Einvernahme der Zeugen im ersuchten Staat befasst. Eine analoge Regelung findet sich in den Rechtshilfeverträgen mit Peru22 und Ecuador23.

Artikel 19 (Überführung inhaftierter Personen) enthält keine Regelung über den Transit von Häftlingen in einen Drittstaat24. Angesichts der geografischen Lage der Vertragsparteien erübrigt es sich, diesen Punkt zu regeln.

Art. 20

Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Die Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, auf Ersuchen Auskünfte aus ihrem Strafregister zu erteilen und einander über die gegen ihre Staatsangehörigen ergangenen strafrechtlichen Entscheidungen zu unterrichten. Vorlage für die Bestimmung sind die Artikel 13 und 22 EUeR.

Nach Absatz 2 können die Strafregisterauszüge auch für nicht strafrechtliche Zwecke (z.B. Zivilverfahren) übermittelt werden. Wird die Schweiz um Auszüge aus dem Strafregister ersucht, so richtet sich der Umfang der Auskunft nach Artikel 24 der Verordnung vom 1. Dezember 1999 über das automatisierte Strafregister25.

Die Informationspflicht nach Absatz 3 beschränkt sich auf die Übermittlung der üblichen Urteilsauszüge und die Bekanntgabe der nachfolgenden Eintragungen in das Strafregister. Die Bestimmung schafft indessen keine Rechtsgrundlage für die Abgabe vollständiger Urteile26.

20 21 22 23 24 25 26

Erklärung zu Art. 7 Abs. 3 EUeR (SR 0.351.1) SR 0.191.02 Art. 19 (SR 0.351.964.1) Art. 18 (SR 0.351.932.7) Vgl. Art. 11 Abs. 2 EUeR SR 331 Siehe BBl 1966 I 473/486

4910

Art. 21­26

Verfahren

Die Einzelheiten des formellen Rechtshilfeverfahrens werden in den Artikeln 21­26 umschrieben. Analoge Regelungen finden sich in den Rechtshilfeverträgen mit Peru27, Ecuador28 und Hongkong29.

Artikel 21 bestimmt die Ansprechpartner für die Behandlung der Rechtshilfeersuchen und regelt den Übermittlungsweg. In der Schweiz wird künftig das Bundesamt für Justiz für die Rechtshilfe zuständig sein30. Zentralbehörden haben sich in der Praxis vor allem im Verhältnis zu Staaten bewährt, die einem anderen Rechts- oder Kulturkreis angehören. Sie ermöglichen direkte Kontakte zwischen den Rechtshilfespezialisten und können dadurch die Zusammenarbeit wesentlich erleichtern.

Für die Ausführung des Rechtshilfeersuchens nach Artikel 23 sind die einschlägigen Bestimmungen des IRSG sowie das in Strafsachen geltende Verfahrensrecht der Kantone und des Bundes massgebend.

Die in Artikel 24 vorgesehene Befreiung von der Beglaubigungspflicht dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens. Vorlage für die Bestimmung ist Artikel 17 EUeR.

Art. 27

Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung und der Einziehung

Das Rechtsinstitut der Anzeige zum Zweck der Strafverfolgung ermöglicht einer Vertragspartei, bei Vorliegen einer strafbaren Handlung, die sie nicht verfolgen kann, die andere Vertragspartei um Eröffnung eines Strafverfahrens zu ersuchen und ihr die notwendigen Beweismittel und Informationen zu übermitteln. Dieses Vorgehen drängt sich vornehmlich in den Fällen auf, in denen der Staat A konkrete Anhaltspunkte hat, dass im Staat B eine Straftat verübt worden ist und er den Täter nicht verfolgen kann (z.B. wenn ein Schweizer Tourist in Ägypten Opfer eines Raubüberfalls wird und der Täter ein ägyptischer Staatsangehöriger ist). Die Bestimmung schafft keine Verpflichtung zur Strafverfolgung. Hingegen muss der Staat, der eine Anzeige erhalten hat, den anderen Staat informieren, welche Folge er der Anzeige gegeben hat.

Im Unterschied zu Artikel 21 EUeR ermöglicht die Vertragsbestimmung auch Anzeigen im Hinblick auf die Einziehung von durch strafbares Handeln erlangten Gegenständen und Vermögenswerten nach Artikel 10. Sie dient somit nicht nur der Einleitung eines Strafverfahrens, sondern umfasst auch Einziehungsverfahren.

Art. 28­31

Schlussbestimmungen

Die Artikel 29 und 30 sehen an Stelle der üblichen Schiedsgerichtsklausel eine Streitbeilegung ohne Schiedsgericht vor. Die Bestimmung wurde auf Wunsch der ägyptischen Seite in den Vertrag aufgenommen, weil Ägypten den Internationalen Gerichtshof nicht als Schiedsgericht anrufen wollte. Eine analoge Regelung findet sich im Rechtshilfevertrag mit Peru31.

27 28 29 30 31

Art. 21 ff. (SR 0.351.964.1) Art. 20 ff. (SR 0.351.932.7) Art. 26 ff. (BBl 2001 177) Siehe Fussnote 1 Art. 29 und 30 (SR 0.351.964.1)

4911

2.3

Würdigung des Vertrags

Der Rechtshilfevertrag mit Ägypten ist ein wichtiger Meilenstein der schweizerischen Vertragspolitik, der für andere Staaten des afrikanischen Kontinents wegweisend sein dürfte. Es ist die erste Rechtshilfevereinbarung, welche die Schweiz mit einem arabischen Land abgeschlossen hat. Damit erstreckt sich das Vertragsnetz der Schweiz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen künftig auch auf den arabischen Raum.

Der Vertrag gibt der Schweiz und Ägypten die Möglichkeit, die Justizbehörden künftig bei der Verbrechensbekämpfung gegenseitig aktiv zu unterstützen. Er umschreibt die Zusammenarbeit und stellt klar, in welchem Umfang die beiden Staaten bei Strafverfahren Rechtshilfe leisten. Spätestens nach dem Attentat von Luxor hat sich gezeigt, dass die Schweiz auf eine gute Zusammenarbeit mit Ägypten angewiesen ist. Der Rechtshilfevertrag liegt somit auch im Interesse der Schweiz, weil er im Verhältnis zu Ägypten das Gegenrecht sicherstellt. Er berücksichtigt zudem die schweizerischen Anliegen im Bereich der Menschenrechte insoweit, als die Zusammenarbeit verweigert werden kann, wenn Ägypten in einem Strafverfahren um Rechtshilfe ersucht, in dem konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenrechte bestehen. Damit steht der Vertrag im Einklang mit der geltenden Menschenrechtspolitik der Schweiz.

3

Finanzielle, personelle und volkswirtschaftliche Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Der Abschluss des Vertrags hat neue Verpflichtungen für unser Land zur Folge. Davon betroffen ist vor allem die Zentralbehörde, die den Rechtshilfeverkehr von und nach Ägypten im Bundesamt für Justiz sicherstellen muss. Der zusätzliche Arbeitsanfall wird von der Anzahl und der Komplexität der Rechtshilfeersuchen abhängen.

Ein allfälliger ressourcenmässiger Mehraufwand wird so weit als möglich departementsintern aufgefangen.

3.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone

Durch den Vertrag fallen den Kantonen keine zusätzlichen Aufgaben zu. Je nach Umfang und Komplexität der Rechtshilfeersuchen kann jedoch für einzelne kantonale Rechtshilfebehörden eine Mehrbelastung entstehen.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Der Vertrag wird keine Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz haben.

4912

4

Legislaturplanung

Der Vertrag figuriert im Bericht vom 1. März 2000 über die Legislaturplanung 1999­200332.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten des Europarats im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen wird im EUeR geregelt.

Ergänzend kommen Zusatzverträge zur Anwendung, welche die Schweiz mit den Nachbarstaaten abgeschlossen hat33.

Der Vertrag zwischen der Schweiz und Ägypten über Rechtshilfe in Strafsachen übernimmt alle wesentlichen Grundsätze, die im EUeR verankert sind. Der Vertrag ist folglich mit dem europäischen Recht kompatibel.

6

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten, wozu auch der Abschluss von Staatsverträgen gehört, Sache des Bundes.

Die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen obliegt nach Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung.

Völkerrechtliche Verträge unterstehen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Der Rechtshilfevertrag mit Ägypten erfüllt diese Voraussetzungen nicht: Zum einen wurde er zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber von jeder Partei jederzeit gekündigt werden. Zum andern sieht der Vertrag weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation noch eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vor. Aus diesen Gründen untersteht der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung nicht dem fakultativen Referendum.

32 33

BBl 2000 2276/2331 Mit Deutschland (SR 0.351.913.61), mit Österreich (SR 0.351.916.32), mit Frankreich (SR 0.351.934.92), mit Italien (BBl 1999 1485)

4913

7

Schlussfolgerung

Für die Schweiz stellt der Rechtshilfevertrag mit Ägypten einen wichtigen Präzedenzfall dar. Zum ersten Mal geht die Schweiz mit einem bedeutenden arabischen Land Rechtshilfeverpflichtungen ein. Dieser Schritt verpflichtet indessen die Schweiz nicht zu weiteren Vertragsabschlüssen. Ob und in welchem Umfang die Schweiz mit Ägypten weitere vertragliche Verpflichtungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen eingehen kann, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie sich der Rechtshilfevertrag in der Praxis bewährt und wie sich die Menschenrechtssituation in Ägypten entwickelt. Massgebend für künftige Vertragsabschlüsse mit Ägypten wird sein, wie die Schweiz die Einhaltung der Menschenrechte in diesem Land einschätzt.

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