00.088 Botschaft zum Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten und vermissten Personen vom 8. November 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten und vermissten Personen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. November 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-1545

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Übersicht Die Technik der DNA-Analyse erlaubt seit mehreren Jahren die zuverlässige Identifikation von Personen mit dem sogenannten DNA-Profil. Mittels Vergleich mit Tatortspuren kann die Anwesenheit von Personen am Tatort nachgewiesen und die Beweisführung unterstützt werden. In anderen Staaten hat die systematische Erfassung der DNA-Profile in einem Informationssystem die Aufklärung zahlreicher Straftaten ermöglicht.

Die Forderung nach einem DNA-Profil-Informationssystem für die Schweiz kommt von den Strafverfolgungsbehörden und der Polizei. Es ist sinnvoll, diese Aufgabe gesamtschweizerisch zu erfüllen, und zudem hat der Bund nach Artikel 119 BV den Auftrag, die genetischen Untersuchungen beim Menschen gesetzlich zu regeln.

Der Bundesrat hat auf den 1. Juli 2000 den Probebetrieb eines DNA-ProfilInformationssystems beschlossen, will aber dieses auf Artikel 351septies des Strafgesetzbuches abgestützte Projekt rasch spezialgesetzlich regeln.

Der Gesetzes-Entwurf sieht vor, dass zur Aufklärung aller Verbrechen und Vergehen die DNA-Analyse eingesetzt werden darf, wenn diese Methode erfolgversprechend angewendet werden kann. Das Gesetz gilt ferner für die Identifizierung von unbekannten, vermissten oder toten Personen. Die Probenahme, bei lebenden Personen, in der Regel ein Wangenschleimhautabstrich, kann von der Polizei im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung angeordnet werden; weigert sich die betroffene Person, muss eine Strafuntersuchungsbehörde entscheiden. Nur für spezielle Fälle, insbesondere Massenuntersuchungen, ist die Anordnung ausschliesslich einer richterlichen Behörde vorbehalten. Die entnommenen Proben sollen aufgrund einer Bestätigung durch den Richter analysiert werden. Auf die kostspielige Analyse kann jedoch verzichtet werden, wenn mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das DNAProfil die Aufnahmebedingungen in das DNA-Profil-Informationssystem nicht oder nach kurzer Zeit nicht mehr erfüllt.

Das Informationssystem enthält die DNA-Profile von verdächtigen oder verurteilten Personen, von Spuren sowie von nicht identifizierten lebenden, toten oder vermissten Personen. Grundsätzlich werden die Profile bei Wegfall des Tatverdachts, bei Freispruch oder nach dem Tod der Person gelöscht, spätestens jedoch nach 30 Jahren. Wird die Person verurteilt, so kann sie nach einer gewissen
Zeit die Löschung beantragen. Der Datenschutz richtet sich nach dem Datenschutzgesetz und nicht nach der Regelung für andere Polizeiinformationssysteme.

Die Kosten für die DNA-Analyse sind heute noch hoch. Sie fallen zumeist in den Kantonen und nur in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit beim Bund an. Die Einrichtung des Informationssystems und dessen Betrieb verursacht dem Bund nur geringen personellen und finanziellen Aufwand, weil die Fälle gleichzeitig für das Fingerabdrucksystem AFIS bearbeitet werden.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die im Jahre 1985 eingeführte und in den letzten Jahren weiterentwickelte Technik der DNA-Analyse erlaubt es, jeden Menschen mit Ausnahme eineiiger Zwillinge eindeutig zu identifizieren. Diese Technik macht sich auch die Strafverfolgung zu Nutze, indem sie insbesondere tatrelevantes biologisches Material (Spuren) analysiert und mit dem DNA-Profil von tatverdächtigen Personen vergleicht.

Es hat sich rasch erwiesen, dass der Direktvergleich von DNA-Profilen zur Identifizierung und Beweisführung die Möglichkeiten dieser Methode nur unzureichend ausschöpft. Es werden deshalb seit einigen Jahren in verschiedenen Staaten Informationssysteme geführt, in welchen DNA-Profile bestimmter Personen und von Spuren aufgenommen werden, die für aktuelle Strafverfolgungszwecke noch relevant sind. Dies ermöglicht den routinemässigen Vergleich mit einer viel grösseren Anzahl von DNA-Profilen und vergrössert damit auch die Wahrscheinlichkeit einer Identifizierung.

Vor einigen Jahren begann die Diskussion über den Einsatz der DNA-Analyse im Strafverfahren in der Schweiz im Rahmen der Konferenzen der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) und der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS). Einige Kantone haben eigene Projekte für DNA-ProfilInformationssysteme gestartet, deshalb entschloss sich der Bundesrat, ein gesamtschweizerisches Projekt an die Hand zu nehmen.

1.2

Bedeutung der Identifizierung mit DNA-Profilen im Strafverfahren

Bei sehr vielen Straftaten werden Spuren erhoben, die zur Identifizierung der Täter dienen können. Besonders häufig sind Spuren bei Taten, die mit Gewalt an Personen oder Sachen verbunden sind, weil der Täter Hautabschürfungen erleidet, Blut- oder Speichelspuren hinterlässt, Haare verliert usw. Eine ebenfalls sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass dem Täter zuzuordnende Spuren als solche erkannt werden, besteht dann, wenn die Täter sich in Räumen aufgehalten haben, deren rechtmässige Benützer und Benützerinnen abschliessend bekannt sind, z.B. Privatwohnungen, in die eingebrochen wurde, oder gestohlene Autos.

In der DNA-Datenbank für England und Wales (UK National DNA Database) wurden in zehn Monaten 16'150 Übereinstimmungen ("Hits") festgestellt ­ zwischen Personen und Spuren und zwischen Spuren unter sich. 15'400 dieser Hits betrafen Diebstähle, insbesondere Einbrüche und Autodiebstähle. Nur etwa 300 betrafen Delikte gegen Leib und Leben, Sexualstraftaten und schweren Raub. Schlussfolgerung: Der Vergleich der DNA-Profile in einem Informationssystem kann bei den schwersten Straftaten eine relativ kleine Anzahl lösen helfen, eine hohe Aufklärungsquote bringt sie dagegen bei Straftaten, die fortgesetzt, berufs- und bandenmässig begangen werden. Aus diesem Grund wurde die erste DNA-Datenbank in Deutschland, im

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Bundesland Rheinland-Pfalz, gezielt gegen osteuropäische Tätergruppierungen eingesetzt, die massenhaft Eigentumsdelikte verübten.

Bedeutung hat die DNA-Analyse im Strafverfahren hauptsächlich in drei Bereichen: ­

Bei schwersten Straftaten gegen Leib, Leben und körperliche Integrität, bei denen Täter und Opfer im eigentlichen Sinn gewaltsam aufeinandertreffen und sich gegenseitig und das Umfeld mit Spuren versehen.

­

Bei Straftaten gegen das Eigentum, bei denen die Täter Spuren hinterlassen, sei es durch die Gewaltanwendung an Sachen oder durch Unachtsamkeit.

­

Bei der wiederholten Begehung der oben erwähnten Straftaten durch den gleichen Täter (Serien- bzw. Wiederholungstäter) oder durch die gleiche Tätergruppe (Einbrecherbanden).

1.3

Entstehungsgeschichte der Vorlage

Im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 24novies aBV, der am 17. Mai 1992 von Volk und Ständen angenommen wurde, erarbeitete eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Professor Heinz Hausheer den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen. Es gehörten ihr Vertretungen der Medizin, des Gesundheits- und Zivilrechts, der Wirtschaft sowie des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und der Bundesverwaltung an. Der Vorentwurf enthält einen Abschnitt über die genetischen Untersuchungen zu Identifizierungszwecken (Art. 27-31). Der Entwurf wurde am 28. September 1998 in eine Vernehmlassung geschickt und der Bundesrat nahm im November 1999 vom Vernehmlassungsergebnis Kenntnis.

Am 25. November 1997 setzte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) im Einvernehmen mit der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) eine Expertenkommission "Errichtung einer gesamtschweizerischen DNA-Profil-Datenbank" ein, der Vertretungen von Bund und Kantonen, Gerichtsmedizin, Humangenetik und Moraltheologie angehörten. Sie schlug mit ihrem Bericht vor, auf der Grundlage einer Verordnung als Übergangslösung eine DNA-Profil-Datenbank im Probebetrieb zu errichten und anschliessend eine Rechtsgrundlage auf Gesetzesstufe zu erarbeiten.

Das Projekt "DNA-Profil-Datenbank" wurde 1999 in der KKJPD vorgestellt und diskutiert, weil eine provisorische Lösung nur mit freiwilliger Mitwirkung der Kantone realisiert werden kann. Es wurde in der Folge im Generalsekretariat EJPD weiterbearbeitet, und am 31. Mai 2000 verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über das DNA-Profil-Informationssystem EDNA1 Sie ist seit 1. Juli 2000 in Kraft und bis Ende 2004 befristet und ausschliesslich für den ebenfalls befristeten Probebetrieb des DNA-Profil-Informationssystems konzipiert. Damit der Probebetrieb nach Abschluss der Versuchsphase in ein Definitivum übergeführt werden kann und dieses nicht auf der Grundlage der rechtlich ausreichend abgestützten, aber politisch heiklen Verordnungsstufe erfolgen soll, hat sich der Bundesrat entschlossen, die Rechtsgrundlagen für die Identifizierung von Personen im Strafverfahren mit DNAProfilen aus dem Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen herauszulösen und mit denjenigen für das DNA-Profil1

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SR 361.1; AS 2000 1715

Informationssystem zusammenzulegen und rasch den eidgenössischen Räten zu unterbreiten.

1.4

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Obgleich sich in der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen nur wenige Stellungnahmen ausdrücklich auf den Artikel 28 über die genetischen Untersuchungen zu Identifizierungszwecken in Strafuntersuchungen beziehen, kann von einer grundsätzlichen Zustimmung ausgegangen werden. Zahlreiche Vernehmlassungen, v.a. Kantone und Parteien, geben an, sie erachteten den Entwurf als "angemessen und zweckdienlich" (BE), als "sehr ausgewogen" (GL), als "zeitgemässe Lösung" (GR) und merken an, dass sie mit den Bestimmungen, zu denen sie keine Bemerkungen machen, ausdrücklich einverstanden seien. Bei den Stellungnahmen der interessierten Organisationen, die zum Teil nur spezifische Anliegen vertreten, ist dieser Schluss weniger häufig möglich, sondern es muss davon ausgegangen werden, dass die Nichtäusserung weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung darstellt.

Aus den relativ wenigen direkten Aussagen zu wesentlichen Fragen des vorliegenden Gesetzes sind folgende hervorzuheben: ­

Die Einschränkung der Untersuchung auf den Zweck der Identifizierung und das Verbot der Forschung nach dem Gesundheitszustand wird begrüsst, doch wird mehrfach angemerkt, dass auch die Forschung nach der Abstammung in bestimmten Verfahren notwendig sei.

­

Der Anwendungsbereich der Untersuchung auf alle Strafverfahren, d.h. die Probeentnahme bei jeder erkennungsdienstlichen Behandlung, wird nur ganz vereinzelt kritisiert: Es verlangen die SP eine "äusserst restriktive Regelung", die demokratischen Juristinnen und Juristen die Untersuchung nur bei "schweren Straftaten", die FMH einen abschliessenden Deliktskatalog. Dass in Ausnahmefällen weitere genetische Daten erhoben werden dürfen, wurde nicht grundsätzlich bekämpft, aber als zu unklar geregelt empfunden, insbesondere der Anwendungsbereich "bei schweren Straftaten".

­

Die Zuständigkeit der Polizei zur nicht-invasiven Untersuchung wurde in keiner einzigen Vernehmlassung kritisiert. Verschiedene Stellungnahmen wiesen aber darauf hin, dass der Begriff "gerichtliche Polizei" nicht in allen Kantonen verwendet werde.

­

Der Grundsatz, dass die Proben bei Abschluss des Verfahrens zu vernichten seien, wurde von einigen Kantonen bekämpft; die FDP zöge es vor, die Probe so lange aufzubewahren wie die Akten des Verfahrens. TG verwies darauf, dass die Vernichtung der Probe nicht die Löschung in der DNADatenbank bedeuten dürfe.

­

Der Verweis darauf, dass die DNA-Datenbank in einem andern Gesetz geregelt würde, führte zu einer Bemerkung, die Schaffung der Datenbank sei dringlich und das Gesetz rasch zu erlasssen; wogegen zwei genkritische Organisationen und der Schweizerische Landfrauenverband die Schaffung einer DNA-Datenbank generell ablehnen.

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­

Der hohe Stellenwert des Daten- und Persönlichkeitsschutzes wird durchwegs betont.

­

Dass Ärztinnen und Ärzte und Laboratorien nur mit staatlicher Bewilligung genetische Untersuchungen durchführen dürfen, wurde durchwegs begrüsst; einige Vernehmlassungen forderten, dass dies ausnahmslos gelten müsse und der Bundesrat keine Ausnahmen vorsehen könne.

Nachdem der Bundesrat am 31. Mai 2000 beschlossen hatte, zur vorliegenden Gesetzesvorlage nicht nochmals eine Vernehmlassung durchzuführen, veranstaltete das Generalsekretariat EJPD am 15. Juni 2000 ein Hearing mit Fachleuten aus der Bundesverwaltung und aus Strafverfolgungsbehörden, Polizei, Rechtsmedizin, Strafrecht und Datenschutz. Die Fachleute nahmen zu einem Vorentwurf Stellung. Das Gesetzgebungskonzept wurde einhellig begrüsst, doch über die Voraussetzungen und den Umfang der genetischen Untersuchungen und der Registrierung der DNAProfile gingen die Meinungen weit auseinander. Die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden sehen in der DNA-Analyse eine neue erkennungsdienstliche Methode, die analog den Fingerabdrücken breit angewendet werden sollte. Sie wünschen, dass die Anordnungskompetenz bei der Polizei bleibt und die DNA-Profile ausreichend lange im Informationssystem bearbeitet werden. Die Datenschutzbeautragten betonen das Missbrauchsrisiko und verlangen deshalb einen sehr restriktiven Einsatz der DNA-Analyse. Sie wünschen, dass die Probenahme und Aufnahme in das Informationssystem nur von einem Richter angeordnet werde und die Löschung der DNA-Profile von Personen, die nicht verurteilt werden, von Amtes wegen erfolge.

Das Hearing ergab zahlreiche wertvolle Hinweise für die Weiterbearbeitung des Vorentwurfs.

1.5

Rechtsvergleich

Die Gesetzgebungen über die genetischen Untersuchungen im Strafverfahren sind in einer raschen Entwicklung begriffen. Wir beschränken uns deshalb auf wenige Staaten (Stand Frühjahr 2000).

In den USA laufen Vorarbeiten seit 1988. 1998 ist mit dem Namen CODIS (Combined DNA-Index System) eine nationale Datenbank eingeführt worden, in der wegen schwerer Straftaten verurteilte Personen sowie tatrelevante Spuren erfasst werden. Innert weniger Monate wurden 150'000 verurteilte Personen erfasst.

In England und Wales ist die Polizei weitgehend frei, in welchen Straffällen sie die DNA-Analyse einsetzt (any recordable offense); zusätzlich wird von verurteilten Straftätern ein DNA-Profil erstellt. Seit 1995 besteht ein Informationssystem, in das jährlich 100 - 150'000 Profile eingegeben werden, davon ca. 10 % von Spuren.

In Deutschland wurde nach Versuchen in Rheinland-Pfalz 1998 ein DNAIdentitätsfeststellungsgesetz erlassen. Es sieht die Aufnahme in die Datenbank nach einem abschliessenden Katalog von 41 Straftaten vor, v.a. gegen Leib und Leben, die sexuelle Integrität, schwere Vermögensdelikte, Erpressung, Brandstiftung, aber auch Vollrausch (analog Art. 12 und 263 des schweizerischen StGB "actio libera in causa"). Es sind 32'000 Personen und 4'000 Spuren erfasst, pro Monat kommen ca.

4'500 neue Datensätze hinzu.

In den Niederlanden wird seit 1997 eine sehr kleine Datenbank aufgebaut, in welche nur wegen ganz schwerer Straftaten verurteilte Personen und unbekannte Spuren 34

solcher Taten aufgenommen werden. Die Aufnahme wird durch Gerichtsbeschluss angeordnet und die Datenbank umfasst erst wenige Hundert Profile (200 Straftäter, 400 Spuren).

In Österreich läuft seit 1997 ein Pilotprojekt, in welches die DNA-Profile von Personen, die schwerer Straftaten gegen Leben und Gesundheit verdächtigt werden, sowie unbekannte Spuren aufgenommen werden. Es sind 20'000 Personen und 3'000 Spuren erfasst.

Die finnische DNA-Datenbank wird seit 1999 betrieben. Sie enthält die DNAProfile von tatverdächtigen und verurteilten Personen, die einer Straftat mit höherer Strafandrohung als ein Jahr Freiheitsentzug verdächtigt werden oder deswegen verurteilt worden sind, sowie unbekannte Spuren. In den ersten sechs Monaten wurden 1000 Personen und einige Spuren aufgenommen.

Eine norwegische DNA-Datenbank ist vor der Betriebsaufnahme. In sie werden gestützt auf einen Gerichtsbeschluss Personen aufgenommen, die wegen einer schweren Straftat gegen Leben und Gesundheit oder wegen sexuellem Missbrauch verurteilt worden sind, sowie unbekannte Spuren.

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Besonderer Teil

2.1

Grundzüge der Gesetzesvorlage

2.1.1

Begriffe

Für die Rechtssicherheit ist in einem sensitiven Bereich wie demjenigen der DNAAnalyse im Rahmen von Strafverfahren eine klare und einheitliche Terminologie sehr wichtig. Sie hat indessen nicht einen so hohen Stellenwert, als dass sie im Gesetz aufgenommen werden müsste ­ mit Ausnahme der Definition des Begriffs "DNA-Profil". Die geplante Verordnung zum vorliegenden Gesetzesentwurf wird den nachfolgenden Begriffskatalog enthalten: ­

DNA Desoxyribonukleinsäure (desoxyribonucleic acid) ist der chemische Stoff, der die menschliche Erbinformation enthält. Sie befindet sich als fadenförmiges Molekül im Kern jeder Zelle des menschlichen Körpers.

­

Codierende Abschnitte der DNA (=Gene) Für die Erbmerkmale (z.B. Augenfarbe) verantwortliche, meist Eiweisssubstanzen produzierende "sprechende" Abschnitte der DNA.

­

Nicht-codierende Abschnitte der DNA Rund 90% der DNA bestehen aus sogenannten nicht-codierenden, das heisst, genetisch "stummen" Abschnitten, die keine Eiweisssubstanzen produzieren, sich aber bei jedem Individuum und zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Aus ihnen wird das DNA-Profil erstellt.

­

DNA-Profil Für ein Individuum spezifische Buchstaben- und Zahlenkombination, die mit Hilfe molekularbiologischer Techniken aus den nicht-codierenden Abschnitten der Erbsubstanz DNA gewonnen wird und die eindeutige Identifizierung einer Person erlaubt.

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­

Probe Das für die Erstellung eines DNA-Profils erhobene biologische Material (z.B.

Wangenschleimhautabstrich, Blut- oder Gewebeprobe und andere tatrelevante biologische Spuren).

­

Nichtinvasive Probeentnahme Entnahme eines Wangenschleimhautabstriches als erkennungsdienstliche Behandlung, ohne die Haut zu verletzen.

­

Invasive Probeentnahme Meist Blut- oder Gewebeentnahme, bei der die Haut verletzt wird.

­

WSA: Wangenschleimhautabstrich, der bei der erkennungsdienstlichen Behandlung mit einem Wattestäbchen an der Innenseite der Wange entnommen wird.

­

Tatrelevantes biologisches Material (Spuren): Körperflüssigkeiten wie Speichel, Blut, Sperma oder Gewebeteile wie Hautpartikel, Haare.

­

Betroffene Person Person, der eine Probe entnommen wird, um daraus ein DNA-Profil zu erstellen.

­

Anordnende Behörde Polizei, Strafuntersuchungsbehörden und Gerichte, welche die Entnahme einer Probe anordnen.

­

DNA-Profil-Informationssystem Informationssystem, das DNA-Profile und Prozesskontrollnummern enthält.

­

Prozesskontrollnummer (PCN) Fortlaufend verteilte Nummern mit integrierten Prüfziffern zur eindeutigen, nicht verwechselbaren Bezeichnung von zusammenhängenden Objekten im Identifikationsprozess (wie Fingerabdrücke, Fotos, Proben) und zur Anonymisierung des Ablaufs.

­

Weitere Daten Die gespeicherten Informationen über die erkennungsdienstlich behandelten Personen wie Personalien, Heimatort und Zusatzinformationen über den Fundort von Spuren.

2.1.2

Die DNA-Analyse und das DNA-Profil

Die Erbsubstanz DNA (Abkürzung für Desoxyribo-Nucleic-Acid, deutsch Desoxyribo-Nuklein-Säure, DNS2) ist der chemische Stoff, der die menschliche Erbinformation enthält. Die DNA befindet sich als fadenförmiges, etwa 1,5 m langes Molekül im Kern jeder Zelle des menschlichen Körpers. Nur einige wenige Prozente des DNA-Moleküls enthalten die heute bekannten Erbfaktoren, die Gene. Diese Abschnitte werden als "codierend" oder "sprechend" bezeichnet. Auch die übrigen Abschnitte, die als "nicht-codierend" oder "stumm" bezeichnet werden, sind sehr vielgestaltig, so dass mit Ausnahme eineiiger Zwillinge jeder Mensch eine unterschiedliche DNA hat.

2

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International hat sich auch in deutscher Sprache die Abkürzung DNA durchgesetzt, weshalb sie auch für die Schweiz verwendet wird.

Die DNA-Analyse zu Identifizierungszwecken untersucht die Zusammensetzung bestimmter nicht-codierender Abschnitte der DNA. Jeder dieser Abschnitte hat mehrere Kombinationen der Bauelemente der DNA, so dass für bestimmte Elemente nur zehn Prozent der Menschen die gleiche Kombination haben, bei andern Abschnitten sogar noch viel weniger, weil es eine grössere Anzahl von Kombinationen gibt. In allen Staaten, welche die DNA-Analyse zur Identifikation einsetzen, wird von denselben untersuchten Abschnitten ausgegangen, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass sich zufällig zweimal das gleiche DNA-Profil vorfindet, desto kleiner ist, je grösser die Anzahl untersuchter Abschnitte ist. Für die ersten DNA-Informationssysteme wurden fünf bis sieben Abschnitte untersucht, in den USA werden für das System CODIS (COmbined DNA-Index System) 13 Abschnitte untersucht. Verschiedene forensisch-wissenschaftliche europäische Gremien gehen zur Zeit von einem Standard von 7 zu untersuchenden Abschnitten aus. Für den bis Ende 2004 befristeten Probebetrieb des DNA-Informationssystems schreibt das EJPD den Instituten für Rechtsmedizin, welche die DNA-Profile erstellen, vor, dabei mindestens 11 Abschnitte der DNA (inkl. Geschlecht) zu untersuchen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Entwicklung im Gebiet der forensischen Genetik werden mit der Zeit zu einer Erweiterung der Anzahl zu untersuchender Abschnitte führen.

Bei einem DNA-Profil, welches aufgrund der Analysen von 11 DNA-Abschnitten erstellt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderes Individuum ein gleiches Profil aufweist weniger als eins zu 10 Milliarden3. Die grössere Zahl von untersuchten Abschnitten erlaubt es, auch bei partiell zerstörten Spuren oder Mischspuren eine ausreichende Anzahl Abschnitte zu untersuchen und sie mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit dem mutmasslichen Täter zuordnen zu können.

Das im Labor ermittelte DNA-Profil kann nur von spezialisierten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern interpretiert werden. Sie legen für jeden Abschnitt mit einer zwei- bis vierstelligen Zahl das Ergebnis fest. Bei 11 untersuchten Abschnitten gibt das ein DNA-Profil, das mit einer Zahl von 26 ­ 33 Ziffern wiedergegeben wird, ergänzt durch die Buchstaben XX für weibliche und XY für männliche Personen. Das DNA-Profil wird dadurch für nicht ausgebildete
Personen und für Maschinen lesbar. Da es bei der Bestimmung der massgebenden Zahlen uneindeutige Interpretationen geben kann, erachten die Verantwortlichen der Rechtsmedizin eine doppelte Analyse als notwendig. Ein Fehler führt jedoch nicht dazu, dass eine falsche Identifizierung erfolgt, sondern normalerweise dazu, dass die Identifizierung scheitert.

Für die Identifizierung wären unter Umständen auch codierende Abschnitte interessant, z.B. die Gene, welche die Augen-, Haar- oder Hautfarbe bestimmen. Es würden damit nicht nur DNA-Profile verglichen, sondern ein teilweises Robot-Bild geschaffen, das die visuelle Identifizierung ermöglichen oder unterstützen würde. Diese Möglichkeit der routinemässigen Ausdehnung der Analyse auf Gene schliesst der Gesetzesentwurf grundsätzlich aus, denn diese Informationen sind für die Identifizierung nicht notwendig, und es könnten Missbräuche nicht ausgeschlossen werden.

Da nicht zum vornherein feststeht, dass in einem Strafverfahren für die Beweisführung auch weitere genetische Informationen benötigt werden, erlaubt Artikel 2 Absatz 2 in Ausnahmefällen die Untersuchung codierender Abschnitte der DNA. Die Anordnung muss durch eine richterliche Behörde erfolgen (Art. 7 Abs. 3) und die 3

Raphaël Coquoz, Profils ADN: matière d'expertise ou élément d'enquête préliminaire?, ZStrR 118 (2000) S. 161ff, 166

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Informationen dürfen ausschliesslich im betreffenden Verfahren verwendet werden.

Im Informationssystem wird weder die Tatsache einer solchen Untersuchung noch deren Ergebnis bearbeitet. Bei besonders schweren Verbrechen und einer Wahrscheinlichkeit von Folgetaten könnte zudem der Richter anordnen, dass eine Spur nach bestimmten codierenden Merkmalen untersucht würde, die eine Fahndung nach der Täterschaft ermöglichen, z.B. die Augen-, Haar- oder Hautfarbe.

2.1.3

Probenahme und Spurenerhebungen

Das DNA-Profil kann grundsätzlich aus jedem biologischen Material erstellt werden, das kernhaltige Zellen enthält. Als biologisches Vergleichsmaterial, das tatverdächtigen Personen entnommen wird, stehen der Wangenschleimhautabstrich oder die Blutprobe im Vordergrund. Die Blutprobe wird als invasiver Eingriff in die körperliche Integrität verstanden, der nach dem Recht der meisten Kantone richterlich angeordnet werden muss; dagegen ist der Abstrich an der Wangeninnenseite mittels eines Wattestäbchens als nichtinvasiver Eingriff einzustufen, der in die Kompetenz der Polizei fällt und im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung vorgenommen wird. Bei Toten werden als Probe am ehesten Weichteile oder Knochen entnommen, an Tatorten sind neben Blut und Speichel auch Sperma, Vaginalsekret, Urin, Stuhl, Nasensekret, Haare oder Hautpartikel gute Ausgangsmaterialien.

Das Bundesgericht hat die Entnahme von einigen Haaren4 oder von Blut5 als leichten Eingriff in die persönliche Freiheit bezeichnet, aber gefordert, dass "für den Fall eines negativen Ergebnisses (...) alle weiteren möglichen Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit (...) vermieden werden" müssen. Der Gesetzgeber hat deshalb einen weiten Ermessensspielraumn, in welchen Fällen er die Probenahme vorsieht, aber er muss auch dafür sorgen, dass die Verhältnismässigkeit nicht durch zu lange Aufbewahrung von Probe oder DNA-Profil strapaziert wird.

2.1.4

Anwendungsfälle der DNA-Analyse

Die DNA-Analyse kann grundsätzlich für jeden denkbaren Vergleich von unbekanntem bzw. nicht zuordenbaren biologischen Material mit dem DNA-Profil einer bekannten Person verwendet werden. Es könnte zum Beispiel danach geforscht werden, wo sich eine Person aufgehalten hat. Der Verfassungsauftrag aus Artikel 119 BV verlangt jedoch, dass der Bundesgesetzgeber für den Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeit sorgt und missbräuchlichen Einsatz der Gentechnologie unterbindet.

Im Strafverfahrensrecht ist die Beweisführung zumeist sehr offen geregelt. So kann zum Beispiel die geschädigte Partei auch bei geringfügigen Straftaten beantragen, es sei durch DNA-Analyse zu beweisen, dass sich eine bestimmte verdächtige Person an einem bestimmten Ort aufgehalten habe, um damit die Aussage eines Zeugen zu bekräftigen, der die Person an diesem Ort gesehen hat. Für solche Einzelfälle mit konkretem Beweiszweck rechtfertigt sich keine Einschränkung des Anwendungsbereichs der DNA-Analyse.

4 5

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BGE publiziert in EuGRZ 1996 470 BGE 114 I 80, 82f

Für den Gesetzgeber bedeutsam sind dagegen die routinemässigen Anwendungsfälle der DNA-Analyse, bei denen die Relevanz für das Verfahren noch nicht absehbar ist. Für diese Abwägung ist festzulegen, ob der DNA-Profil-Vergleich vor allem der Aufklärung schon begangener Straftaten dienen soll oder ob er dazu dient, bei Wiederholungstaten eine rasche Identifikation zu erlauben.

In den Staaten, die DNA-Profil-Informationssysteme haben, gibt es zwei Stossrichtungen: ­

Werden in das Informationssystem nur Profile von verurteilten Straftätern aufgenommen, z.B. in den USA und den Niederlanden, dann dient es nur dem raschen Erkennen von Rückfalltätern.

­

Werden dagegen systematisch die Profile von tatverdächtigen Personen erhoben, z.B. in England und im Versuch in Rheinland-Pfalz, in welchem nur nach Straftaten osteuropäischer Banden gesucht wurde, dann werden schon begangene Straftaten über die analysierten Spuren den Tätern zugeordnet.

Das erstgenannte System erlaubt es, relativ wenige besonders schwere Straftaten aufzuklären; in einem Informationssystem dieser Art gibt es wenige "Hits". Wird dagegen auch nach weniger schweren Straftaten geforscht und nach Tatzusammenhängen gesucht, gibt es relativ viele "Hits", insbesondere können gefassten Berufseinbrechern und Diebesbanden eine viel grössere Anzahl von Taten nachgewiesen werden.

Wir schlagen vor, dass die DNA-Analyse recht breit eingesetzt wird, d.h. das Ziel einer hohen Aufklärungsquote verfolgt werden soll. Wir begründen dies damit, dass in der Schweiz das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung nicht nur aus den Kapitalverbrechen gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität resultiert, sondern auch stark durch die serienmässig verübten Eigentumsdelikte, insbesondere Einbruch- und Entreissdiebstähle, geprägt wird. Eine hohe Aufklärungsquote hat wahrscheinlich sogar eine gewisse Abschreckungswirkung und schafft Vertrauen in die Schutzwirkung der Polizei und der Strafverfolgung, auch wenn damit keine begangene Tat rückgängig gemacht werden kann.

Ein breiter Einsatz der DNA-Analyse verlangt nach Korrektiven: Je häufiger von verdächtigen Personen ein DNA-Profil erstellt wird, desto häufiger befinden sich auch Personen darunter, denen nachher keine Strafat nachgewiesen werden kann. Es muss deshalb denjenigen Personen, deren erkennungsdienstliche Behandlung und DNA-Profil-Erstellung sich nachträglich als grundlos herausstellt, ein Löschungsanspruch eingeräumt werden. Wird dagegen das amerikanische System gewählt, muss damit auch fast zwingend die grundsätzlich lebenslängliche Speicherung des DNAProfils verbunden werden.

2.1.5

Aufnahme in das Informationssystem und Bewirtschaftung

Grundsätzlich sind die Profile aller analysierten WSA von tatverdächtigen Personen in das DNA-Profil-Informationssystem aufzunehmen. Da beim Entfallen des Tatverdachts ­ sei es durch Ausschluss des Verdachts durch den Vergleich mit tatrelevanten Spuren, sei es durch Beweis der Unschuld oder Freispruch wegen nichtausreichendem Beweis ­ die Aufnahmebedingung in das Informationssystem nicht mehr erfüllt ist (Art. 11 Abs. 1 Bst. a), wird die anordnende Behörde unter Umständen 39

den WSA nicht sofort analysieren lassen, weil das DNA-Profil im Moment nicht für die Identifizierung oder Beweisführung notwendig ist. Sie muss sich jedoch innert drei Monaten entscheiden, weil sonst die Probe vernichtet wird (Art. 9 Abs. 1 Bst. b).

Im automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystem AFIS führen die Registrierungspraxis und die Aufbewahrungsfristen dazu, dass während relativ langer Zeit ein früherer "Kontakt" mit Polizei und Strafverfolgungsbehörden noch angezeigt wird, auch wenn später keine Verurteilung erfolgt ist. Die Polizei erachtet eine solche breite Registrierung als sinnvoll und notwendig; wird ein früherer Verdächtiger nie straffällig oder ein Straftäter nicht rückfällig, sei die Aufnahme in ein Polizeiinformationssystem ein minimaler Grundrechtseingriff. Die neueste Praxis des Bundesgerichts6 und des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte7 erklärt dagegen, die Voraussehbarkeit einer weiteren Datenbearbeitung sei nach längerer Aufbewahrungsdauer nicht mehr gegeben.

Dieser Grundrechtspraxis entspricht das vorgeschlagene System, indem es eine relativ breite Aufnahme von Personen vorsieht, gegen die der Tatverdacht nicht behoben ist oder die verurteilt worden sind, und verbindet dies mit einer restriktiven Bewirtschaftung des Informationssystems, das DNA-Profile rasch ausscheidet, wenn die Aufnahmevoraussetzungen nicht mehr gegeben sind, und ausreichend kurze Aufbewahrungsdauern vorsieht, ausgenommen bei nicht therapierbaren gefährlichen Tätern, die lebenslang rückfallgefährlich sind.

2.1.6

Datenschutz und Datensicherheit

Bei allen strafrechtlichen Verdachtslagen besteht die Gefahr von Fehlschlüssen durch aussenstehende Dritte, wenn ihnen die entsprechenden Informationen bekanntgegeben werden. Ungeachtet der Unschuldsvermutung werden Personen, die Ziel polizeilicher Ermittlungen waren, in der Öffentlichkeit als Täter gesehen. Ein funktionierender Datenschutz ist deshalb unabdingbar.

Für den Datenschutz entscheidend ist die weitestgehende Anonymisierung des gesamten Ablaufs. Die anordnende Behörde vergibt bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Entnahme des WSA einer verdächtigen Person und bei der Erhebung tatrelevanter Spuren eine Prozesskontrollnummer (PCN). Dem Labor, welches den WSA oder die Spur analysiert und daraus ein DNA-Profil erstellt, werden von der anordnenden Behörde lediglich die PCN und diejenigen Personendaten bekanntgegeben, die es für die Erstellung des DNA-Profils und die Beurteilung dessen Beweiswertes benötigt. Dies können zum Beispiel Angaben über die Rassenzugehörigkeit der betroffenen Person oder über den Fundort der Spur sein, nicht aber Personalien der betroffenen Person (Art. 8 Abs. 3). Die Personalien der Person, der ein WSA entnommen wurde und die Angaben zum Fundort von Spuren werden von der anordnenden Behörde zusammen mit der PCN nur an die für das Informationssystem zuständige Bundesbehörde, die AFIS Services des Bundesamtes für Polizei (BAP) weitergeleitet (Art. 12 Abs. 1). Die für das Informationssystem verantwortlichen AFIS Services bearbeiten diese weiteren Daten in einem physisch vom DNA6 7

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BGE 120 Ia 147, siehe auch BGE 124 I 80 Entscheid des EGMR vom 16. Februar 2000 i. S. Amann c. Schweiz (Beschwerde Nr.

17798/95)

Profil-Informationssystem strikte getrennten Informationssystem, dem Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem (IPAS) des Bundesamtes für Polizei (BAP), dessen formell-gesetzliche Grundlage mit dem neuen Artikel 351octies StGB geschaffen worden ist und die der Bundesrat auf den 1. Juli 2000 in Kraft gesetzt hat.

Die Verknüpfung von DNA-Profilen und den weiteren Personen- und Spurendaten erfolgt mittels der PCN und wird aussschliesslich durch die für das Informationssystem verantwortliche Bundesbehörde vorgenommen (Art. 14 Abs. 3). Nur sie gibt der anordnenden Behörde das Resultat des Abgleichs und allenfalls weitere Personen- und Spurendaten bekannt.

Die anonyme Speicherung der DNA-Profile im Informationssystem als datenschutzrechtlicher "Standard" wird auch von anderen europäischen Ländern so gehandhabt, welche DNA-Profil-Informationssysteme führen, mit Ausnahme von Deutschland.

In der deutschen Datenbank werden DNA-Profile und Personalien in der gleichen Datenbank gespeichert.

2.1.7

Verhältnis zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts

Mit der vom Volk am 28. März 2000 verabschiedeten Justizreform (Art. 123 BV) hat der Bund neu die Kompetenz, auch im Bereich des Strafprozessrechts zu legiferieren. Eine eidgenössische Strafprozessordnung wird indessen erst gegen Ende des Jahrzehnts in Kraft treten können. So lange kann mit der Gesetzgebung zu Artikel 119 BV und mit der definitiven Regelung des DNA-Profil-Informationssystems nicht zugewartet werden. Der Bundesrat hat deshalb begonnen, bei kurzfristigem Gesetzgebungsbedarf kleinere Ausschnitte des Strafprozessrechts vorweg zu vereinheitlichen und damit die Kantone von Anpassungen ihrer Gesetzgebung für eine kurze verbleibende Zeit zu entlasten8. Es steht dabei noch nicht fest, ob die Bestimmungen über Informationssysteme im Dienste der Polizei und Strafverfolgung in den eidgenössischen Bundesstrafprozess integriert werden oder weiterhin separat geregelt bleiben9

8

9

Siehe z.B. die Botschaft vom 1. Juli 1998 zu den Bundesgesetzen betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und über die verdeckte Ermittlung (BBl 1998 4241); bei der vorhergehenden Neuregelung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs im Jahre 1979 verpflichtete der Bund die Kantone, innert dreier Jahre ihre Strafprozessordnungen an das neue Bundesrecht anzupassen (Art. 400 bis StGB, AS 1979 1170) Heute sind sie teils im 3. Buch des StGB geregelt (Art. 351bis ­ 351 octies StGB) oder in Spezialgesetzen (z.B. im Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, SR 120, und im Zentralstellengesetz, SR 360)

41

2.2

Erläuterung der einzelnen Bestimmungen

2.2.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

2.2.1.1

Artikel 1 Gegenstand und Zweck

Das Gesetz regelt nur einen Ausschnitt aus dem breiten Anwendungsfeld der Identifizierung von Personen mittels humangenetischer Untersuchungen, nämlich denjenigen der Strafverfolgung. Erweitert wird dieser Geltungsbereich um die Identifizierung von unbekannten, vermissten oder toten Personen, die ausserhalb eines Strafverfahrens von der Polizei identifiziert werden müssen (Abs. 3). Es handelt sich dabei um jene Fälle, in denen traditionelle Identifikationsmethoden mit Ausweispapieren, Befragung, Fotos oder Fingerabdrücken nicht möglich ist. Zum Beispiel um: ­

Leichen, die durch einen Unfall oder wegen Verwesung unkenntlich geworden sind, z.B. nach einem Flugzeugabsturz;

­

unbekannte Leichen, bei denen der Tod nicht durch eine Straftat herbeigeführt wurde, z.B. unbekannte Selbstmörder;

­

lebende Personen, die sich zum Beispiel wegen ihres Alters (Kleinkinder), wegen unbekannter Sprache oder Verwirrtheit nicht zu ihrer Identität äussern können.

Die Identifizierung mit DNA-Profilen, als eine unter mehreren Identifizierungsmethoden (wie Fotos, Fingerabdrücke), hat zum hauptsächlichen Ziel, einen Beitrag zur Steigerung der Effizienz der Stafverfolgung zu leisten.

In Artikel 1 sind die unterschiedlichen Verwendungszwecke der DNA-Analyse bzw.

des Vergleichs von DNA-Profilen im Strafverfahren aufgeführt:

42

­

Identifizierung bedeutet, dass eine im Zusammenhang mit einer Straftat erhobene Spur mittels DNA-Analyse einer verdächtigen Person zugeordnet werden kann oder als von einer Person herrührend erkannt wird, die der Polizei schon bekannt ist (z.B. eines rückfälligen Straftäters). Eine teilweise Identifikation liegt vor, wenn an einem Tatort mehrere Spuren dasselbe DNA-Profil aufweisen oder an mehreren Tatorten Spuren mit demselben DNA-Profil gefunden werden (Serientäter). Mittels Vergleich der DNAProfile kann umgekehrt auch eine vorerst tatverdächtige Person vom Tatverdacht entlastet werden.

­

Unterstützen der Beweisführung bedeutet, dass die Spur am Tatort mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zeigt, dass sich eine bestimmte Person dort aufgehalten hat; die Spur kann jedoch auch von einer andern Person dorthin gebracht worden sein. Die Beweiskraft des DNA-Profils allein ist sehr unterschiedlich: Wird die biologische Tatortspur als Hautpartikel unter dem Fingernagel eines Opfers gefunden, ist der Beweiswert wesentlich höher als wenn ein Papiertaschentuch mit Ausscheidungen einer Person im Abfallkübel einer öffentlichen Anlage gefunden wird. Für die Beweiskraft des DNAProfils gilt wie für alle Beweise der Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das Gericht.

­

Werden die DNA-Profile in einem Informationssystem aufbewahrt, dann können sie der Identifizierung über längere zeitliche und geografische Räume dienen und bis zum Ende der Aufbewahrungsdauer für die Beweisführung herangezogen werden.

Mit dem Begriff Strafverfahren erfassen wir das bürgerliche Strafrecht, das Militärund Verwaltungsstrafrecht. Im letzteren dürften jedoch Verfahren, in denen eine Erhebung biologischer Spuren und die Entnahme von Proben an verdächtigen Personen notwendig ist, nicht sehr häufig sein. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass künftig gegen bestimmte Formen des Abgabebetrugs (Zölle, Mehrwertsteuer) Identifizierungen durch DNA-Profile zur Anwendung kommen könnten.

2.2.1.2

Artikel 2 DNA-Profil und Verwendungszweck

Bei der DNA-Analyse zu Identifizierungszwecken wird das sog. DNA-Profil erstellt, das sich bezüglich Lesbarkeit und Aussagekraft mit dem "klassischen" Fingerabdruck vergleichen lässt. Das DNA-Profil im Sinne dieses Gesetzes ist die für ein Individuum spezifische Buchstaben-Zahlenkombination, die mit Hilfe molekularbiologischer Techniken aus den nicht-codierenden, das heisst "stummen" Abschnitten der Erbsubstanz DNA gewonnen wird und die Identifizierung einer Person erlaubt (vgl. auch Ziffer 2.1.2 zur DNA-Analyse und zum DNA-Profil). Bei der Untersuchung des nicht-codierenden Teils der DNA kann im Gegensatz zu anderen genetischen Untersuchungen auf dem codierenden, das heisst "sprechenden" Teil der DNA, nicht nach dem Gesundheitszustand oder nach der Veranlagung zu bestimmten Krankheiten geforscht werden. Absatz 2 verbietet deshalb auch explizit das Erforschen des Gesundheitszustandes oder anderer persönlicher Merkmale der betroffenen Person. Sollte das Labor bei der DNA-Analyse zwecks Erstellung des DNAProfils zufällig, ohne danach geforscht zu haben, auf einen Hinweis zur Gesundheit oder zu einer anderen persönlichen Eigenschaft der betroffenen Person stossen, darf es diesen Hinweis weder in den Untersuchungsbericht aufnehmen, noch weitergeben. Das Ergebnis der DNA-Analyse zu Identifizierungszwecken darf immer nur ein DNA-Profil mit der Angabe des Geschlechts der betroffenen Person sein. In Ausnahmefällen kann zur Klärung eines Verbrechens das Strafgericht die Untersuchung von codierenden Teilen einer Spur anordnen, um zusätzliche Hinweise auf die Person des Täters zu erhalten (siehe oben Ziff. 2.1.2). Für die Identifizierung interessant sind zum Beispiel Angaben über die Augen-, Haar- oder Hautfarbe, mit denen die visuelle Identifizierung unterstützen werden kann.

Absatz 3 schreibt ausserdem vor, dass das DNA-Profil und das zugrundeliegende Analysematerial sowie die ausnahmsweise erhobenen genetischen Daten zu keinen anderen als den in diesem Gesetz vorgesehenen Zwecken verwendet werden dürfen.

Ein DNA-Profil, das zur Klärung einer Straftat erstellt worden ist, darf nur der anordnenden Behörde (Art. 7) weitergegeben und von dieser nur im Strafverfahren und nicht in allfälligen anderen, zivilrechtlichen Verfahren verwendet werden. Ein DNA-Profil, das von einem Verwandten einer toten Person nach einem Unfall zur sicheren Identifikation der Leiche erstellt worden ist (Art. 6 Abs. 4), darf nicht in einem Strafverfahren verwendet werden.

43

2.2.2

2. Abschnitt: Probenahme und DNA-Analyse

2.2.2.1

Artikel 3 Probenahme und DNA-Analyse im Strafverfahren

Voraussetzung für die Entnahme einer nicht-invasiven Probe an einer betroffenen Person ist eine begangene oder vermutete Straftat. In der Regel wird die nichtinvasive Probe in Form eines Wangenschleimhautabstriches (WSA) genommen werden. In den meisten Kantonen und voraussichtlich auch im künftigen vereinheitlichten Strafprozessrecht wird ein WSA im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung entnommen, bei der gleichzeitig Fingerabdrücke genommen und Fotografien erstellt werden.

Die Probenahme des WSA soll nur beim Verdacht auf ein Verbrechen oder ein Vergehen zum erkennungsdienstlichen Standard werden, wie die Abnahme der Fingerabdrücke und deren Aufnahme in das Fingerabdruckidentifizierungssystem AFIS.

Im Unterschied zum AFIS soll aber die Entnahme eines WSA im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht in allen Fällen zur Erstellung des DNAProfils und zur Aufnahme in das Informationssystem führen. Für einen Verzicht auf die Analyse des WSA, über den eine richterliche Behörde entscheidet (Art. 7 Abs. 3 Bst. a), sehen wir folgende Gründe: ­

Die DNA-Analyse ist viel teurer als die Aufnahme und der Abgleich der Fingerabdrücke im AFIS. Sie soll deshalb erst dann gemacht werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für die nachfolgende Aufnahme im Informationssystem besteht.

­

Die gegenüber dem heutigen AFIS erweiterten Ansprüche auf Löschung des DNA-Profils können dazu führen, dass nach sehr kurzer Zeit eine Löschung vorgenommen werden muss; die Erstellung des Profils wäre deshalb in den Fällen unverhältnismässig, in denen noch nicht feststeht, ob es im Verfahren benötigt wird.

Kein WSA wird dann entnommen, wenn die Person aus anderen als strafrechtlichen Gründen erkennungsdienstlich behandelt wird. Häufigster Fall ist die erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerberinnen und ­bewerbern. Ihre Daktyloskopierung dient der Verhinderung mehrfacher Asylgesuche unter anderer Identität.

Dazu genügt der Abgleich der Fingerabdrücke. Sieht ein Kanton in anderen ausländerrechtlichen Fällen die erkennungsdienstliche Behandlung vor, z.B. bei fremdenpolizeilichen Wegweisungen10, besteht ebenfalls kein Anlass für eine Probenahme zwecks DNA-Analyse, weil bei späterem Aufgreifen in der Schweiz die Identifizierung auch ohne DNA-Profil, nur mittels Fingerabdruckvergleich möglich ist.

In den Kantonen werden weitere Personen erkennungsdienstlich behandelt, bei denen ebenfalls wegen fehlendem Verdacht auf eine strafbare Handlung kein WSA genommen werden darf, zum Beispiel weil:

10

44

­

das Anwesenheitsrecht einer Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit in der Schweiz nicht geklärt ist;

­

die Angaben der angehaltenen Person über ihre Identität mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wahr sind.

Siehe Art. 28 Abs. 1 Bst. d Polizeigesetz des Kantons Bern (BGS 551.1).

Absatz 2 regelt die Fälle, in denen auf die Erstellung eines DNA-Profils verzichtet werden kann. In vielen Strafuntersuchungen müssen die verdächtigen Personen nicht mehr identifiziert werden und ist auch kein Vergleich mit tatrelevanten Spuren notwendig. In diesen Fällen kann mit der teuren DNA-Analyse zugewartet werden, bis absehbar ist, dass das DNA-Profil auch in das DNA-Profil-Informationssystem aufgenommen wird. Wenn dagegen der Tatverdacht innert kurzer Zeit entfällt, müsste das DNA-Profil sofort wieder gelöscht werden. Dieses Ausscheiden aus dem möglichen Täterkreis kann in vielen Fällen innert weniger Tage erfolgen. Da das DNA-Profil bei nicht dringlichen Fällen erst nach zehn Tagen vorliegt, wäre seine Erstellung schon vor Aufnahme in das Informationssystem überflüssig geworden.

Deshalb wird der Analyseauftrag erst erteilt, wenn sich der Verdacht erhärtet. Damit das Ermessen unter Abwägung der Interessen der Strafverfolgung und der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ausgeübt wird, sieht Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe a vor, dass eine Strafuntersuchungsbehörde über die Analyse entscheidet, bzw. das Strafgericht, das die Probenahme angeordnet hat.

2.2.2.2

Artikel 4 Spurenerhebung und Probeentnahme bei toten Personen

Die Spurensicherung und -auswertung wird in keiner schweizerischen Strafprozessordnung näher geregelt. Sie wird als Aufgabe der Polizei zugewiesen. Es ist deshalb auch ohne besondere Rechtsgrundlage in solchen Verfahren ein DNA-Profil erstellt worden, in denen der Direktvergleich zwischen Spur und Täter möglich war. Dies soll auch in Zukunft möglich sein, weshalb eine offene Regelung getroffen und einzig auf kriminaltechnische und wissenschaftliche Kriterien abgestellt wird. Eine natürliche Begrenzung wird schon über die Kosten erreicht.

Eine parallele Kompetenz wird für die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte vorgesehen (Art. 7 Abs. 1). Sie haben die Wahl, ob sie der Polizei einen mündlichen Auftrag geben oder ob sie die Anordnung schriftlich abfassen; letzteres ist angezeigt, wenn die Spurenauswertung auf Antrag einer Partei erfolgt.

Bei toten Opfern wird das DNA-Profil als Spur bearbeitet. Das DNA-Profil von lebenden Opfern wird dagegen als Probe nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b bearbeitet.

2.2.2.3

Artikel 5 Probenahme im Strafvollzug

Verschiedene kantonale Erlasse sehen vor, dass bei Antritt des Strafvollzugs eine erkennungsdienstliche Behandlung vorgenommen wird. Im Hinblick auf das rasche Erkennen von Rückfalltaten soll von denjenigen Personen ein WSA genommen werden, an denen eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr vollzogen wird und deren DNA-Profil noch nicht im Informationssystem aufgenommen ist. In den ersten Jahren des Betriebs wird dies noch einen grösseren Teil der Strafvollzugs-Insassen betreffen, später werden es nur noch Ausnahmen sein.

45

2.2.2.4

Artikel 6 Identifizierung ausserhalb von Strafverfahren

Für die Identifizierung von toten Personen, z.B. unbekannten Unfallopfern, kann das DNA-Profil mit biologischem Material verglichen werden, das von Personen stammt, die zum Beispiel in einer Passagierliste eingetragen sind oder die später als vermisst gemeldet werden.

Es wird versucht, eine biologische Vergleichsspur zu erhalten, z.B. aus der Wohnung der verstorbenen Person. Es gibt fast immer Möglichkeiten, eindeutige Zuordnungen vorzunehmen, z.B. Haare aus einer Bürste oder einem Kamm, Hautpartikel aus der Innenseite von Kleidern. Wenn dies nicht möglich ist, kann nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft auch das DNA-Profil einer verwandten Person erstellt und verglichen werden.

Der Persönlichkeitsschutz gebietet, dass diese Profile möglichst nur für eine kurze Dauer bearbeitet werden. Nach der Identifizierung sind Proben zu vernichten und das DNA-Profil im Informationssystem zu löschen (Art. 16 Abs. 3). Wenn die Identifizierung durch Direktvergleiche möglich ist, dann erfolgt gar keine Aufnahme in das Informationssystem.

Im Unterschied zur Identifizierung von unbekannten lebenden oder toten Personen (Abs. 1), bei denen bei der Person eine Probe genommen werden kann, wird bei den vermissten Personen (Abs. 3) umgekehrt vorgegangen: Nach der Vermisstmeldung wird aus ihrem Lebensumfeld eine Spur gesichert, das DNA-Profil erstellt und im Informationssystem registriert. Wird später von einer unbekannten toten Person ein DNA-Profil erstellt, kann mit dem Abgleich im Informationssystem die vermisste Person identifiziert werden.

Mangels eindeutiger biologischer Vergleichsproben kann es sinnvoll sein, das DNAProfil einer verwandten Person erstellen zu lassen. Absatz 4 sieht hier vor, dass dies nur mit Zustimmung der verwandten Person geschehen kann. In der Praxis wird davon ausgegangen, dass die Verwandten einer vermissten oder nicht mehr identifizierbaren toten Person an der Identifikation sehr interessiert sind und deshalb in der Regel der Probenahme und der Erstellung eines Vergleichs-DNA-Profils zustimmen.

2.2.2.5

Artikel 7 Anordnende Behörden

In Artikel 7 wird festgestellt, dass es grundsätzlich in der Kompetenz der Polizei ist, eine nicht-invasive Probenahme anzuordnen. Die Polizei wird diese Probenahme in der Regel im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung als Wangenschleimhautabstrich durchführen. Wenn sich nun die betroffene Person der Probenahme widersetzt, insbesondere wenn sie körperlichen Widerstand leistet, muss die Anordnung durch die Strafuntersuchungsbehörde bestätigt werden. Dasselbe gilt, wenn von Opfern und tatortberechtigten Personen auch ein DNA-Profil erstellt werden muss (Art. 3 Abs. 1 Bst. b), um ihr Profil von den Profilen verdächtiger Personen unterscheiden zu können. Im Regelfall werden sie einer Probenahme durch die Polizei zustimmen. Es gibt indessen auch Situationen, in denen die Zustimmung verweigert wird, insbesondere wenn die betreffende Person ein Interesse daran hat, dass die Straftat nicht geklärt wird. Ist dies der Fall, muss die Probenahme auch gegen ihren Willen durch die Strafuntersuchungsbehörden angeordnet werden können.

46

Da nicht jede einer Person entnommene Probe analysiert wird (Art. 3 Abs. 2), soll eine richterliche Behörde über die Durchführung der Analyse entscheiden. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist es die Strafuntersuchungsbehörde, sobald ein urteilendes Gericht das Verfahren führt, dessen Präsidentin oder Präsident.

Dieser Entscheid ist keine selbständig anfechtbare Verfügung; als Anordnung einer Zwangsmassnahme gilt nur die Probenahme.

Im weiteren werden diejenigen Fälle festgehalten, in denen nicht die Polizei, sondern nur Strafuntersuchungsbehörden und Strafgerichte die Probenahme anordnen können (Abs. 3). Eine invasive Probeentnahme wird selten zur Anwendung kommen, wird aber aufgeführt um klarzustellen, dass sie im schweizerischen Recht nicht generell an die Polizei delegiert ist, sondern als Zwangsmassnahme gilt, die von einer Richterin oder einem Richter angeordnet werden muss. Die Analyse invasiv entnommener Proben wird in Fällen vorgenommen, in denen gleichzeitig eine Blutprobe angeordnet worden ist oder eine Blutprobe schon besteht, weshalb auf die erneute Probenahme verzichtet werden kann.

Massenuntersuchungen, die bei Personengruppen vorgenommen werden, welche bestimmte Merkmale der Täter aufweisen, z.B. Hautfarbe, Sprache, bestimmte andere äusserliche Kennzeichen, können allenfalls die Aufklärung schwerster Verbrechen ermöglichen. Sie sind indessen deshalb problematisch, weil sie in einem Spannungsverhältnis zur Unschuldsvermutung stehen. Die meisten der untersuchten Personen müssen dazu beitragen, einen vagen Verdacht auszuschliessen, währenddem es im Regelfall Aufgabe des Staates ist, den positiven Nachweis der Schuld durch gezielte Massnahmen zu erbringen. Da in diesen seltenen Fällen ohnehin ein Richter oder Staatsanwalt das Verfahren leitet, ist es auch angezeigt, dieser Person die Anordnungsbefugnis zu erteilen.

Für die Identifizierung von toten Personen ist häufig die Polizei zuständig, aber nicht immer. Die Abklärung kann auch durch andere Untersuchungsbehörden vorgenommen werden, z.B. durch das Büro für Flugunfalluntersuchungen.

2.2.3

3. Abschnitt: Organisation der DNA-Analyse

2.2.3.1

Artikel 8 DNA-Analyse

Für die Organisation der Analyse werden nur die wesentlichen Grundsätze festgehalten und die näheren Bestimmungen auf die Verordnungsebene delegiert (Art. 20).

Dies ist insbesondere deshalb notwendig, damit die Regelungen der raschen wissenschaftlichen und technischen Entwicklung im Bereich der forensischen Genetik angepasst werden können.

Um einen einheitlichen Qualitätsstandard und damit auch einen hohen Beweiswert der im Informationssystem gespeicherten DNA-Profile sicherzustellen, dürfen die Kantone nur Labors mit der Analyse beauftragen, die vom EJPD anerkannt worden sind. Die wichtigste, aber nicht allein ausreichende Voraussetzung für die Anerkennung wird die Akkreditierung durch die Schweizerische Akkreditierungstelle beim Eidgenössischen Amt für Messwesen sein. Im Rahmen des im zweiten Semester 2000 angelaufenen Probebetriebs werden sich die Institute für Rechtsmedizin dieser Akkreditierung unterziehen und damit die Bestätigung einholen, dass sie im Bereich der forensischen Genetik auf einem hohen wissenschaftlichen und technischen Stand sind.

47

Dem Bundesrat muss auch ein organisatorischer Spielraum eingeräumt werden, damit er die Schlüsse aus der Auswertung des Probebetriebs ziehen kann. Die DNAAnalyse ist ein strafprozessualer Expertenauftrag, der zumindest im Bereich der Spurenerhebung auch hoheitliche Züge aufweist; deshalb muss genau geprüft werden, ob neben den Instituten für Rechtsmedizin auch private Labors anerkannt werden sollen. Unabhängig von der Frage nach Erledigung der Aufgabe durch staatliche Organe oder private Anbieter muss auch geprüft werden können, ob das Routinegeschäft der WSA-Analyse zentral oder dezentral abgewickelt werden soll. Es ist nicht auszuschliessen, dass ein Zentrallabor preisgünstiger sein und bei Dringlichkeit besser zeitliche Prioritäten setzen könnte. In anderen europäischen Ländern, die DNAProfile zuhanden eines Informationssystems erstellen lassen, wird die Analyse für das ganze Land jeweils durch ein zentrales Institut vorgenommen.

Nach bisheriger Praxis kennen die Institute für Rechtsmedizin in vielen Fällen die Personalien von Tätern und Opfern und die Tatumstände ­ insbesondere dann, wenn sie zum Beispiel die Obduktion des Opfers vorzunehmen haben oder die Strafverfolgungsbehörde sie mit der körperlichen Untersuchung von Opfern oder tatverdächtigen Personen beauftragt. Dies ist rechtlich in Ordnung. Werden WSA analysiert, sind die vollständigen Angaben zur Person nicht notwendig und ihre Bekanntgabe wäre deshalb aus Sicht des Daten- und Persönlichkeitsschutzes problematisch.

Diese Personendaten sollen nur denjenigen Stellen bekanntgegeben werden, die sie für ihre Arbeit notwendigerweise brauchen. Die Proben werden deshalb mit einer Prozesskontrollnummer (PCN) versehen, die eine eindeutige Zuordnung des DNAProfils erlaubt, und die ebenfalls für die Fingerabdrücke und Fotos verwendet wird.

In den AFIS Services11 werden die PCN mit den Personalien oder Tatort- und Fundortangaben verknüpft, aber in einem andern Informationssystem bearbeitet (Art. 14 Abs. 2).

Gewisse zusätzliche Daten sind für das Labor wichtig, um zum DNA-Profil die sogenannte Beweiswertberechnung durchzuführen. Für die Einordnung von DNASpuren in einen Tatablauf und für die Berechnung des Beweiswertes einer Spur braucht der oder die Sachverständige in der Regel zusätzliche Angaben zum Tatablauf, so z.B. über den Ort der Erhebung
der Spur, zur Witterung, über die Anzahl beteiligter Personen etc. Weiter ist die Kenntnis der Rasse des nichtausgeschlossenen Tatverdächtigten für die korrekte Berechnung des Beweiswertes der Spur sehr wichtig. Aus dem DNA-Profil lässt sich bekanntlich die Hautfarbe der Person nicht direkt erkennen. Falls die Beweiswertberechnung aber mit nichtadäquaten DNAProfil-Häufigkeiten erfolgt, ergibt sich eine Überschätzung des Beweiswertes der Spur und somit eine Benachteiligung des Tatverdächtigten, und zwar deshalb, weil bei weissen Personen häufig vorkommende DNA-Merkmale bei Personen schwarzer Hautfarbe seltener sind und umgekehrt. Dies wird sich vor allem bei sogenannten inkompletten DNA-Profilen und in Situationen, in denen verwandte Personen tatbeteiligt sind, auswirken, da dann die Beweiskraft eingeschränkt ist und deshalb alle für den Beweiswert relevanten und verfügbaren Informationen einbezogen werden müssen.

Diese Ausnahmen von der Anonymität der Proben sind auch deshalb gerechtfertigt, weil die Wissenschafter in den Fällen, in denen sie wie bereits erwähnt als Gerichtsmediziner in das Verfahren einbezogen sind, ohnehin weitere Personendaten kennen.

11

48

Siehe Kommentar zu Artikel 12.

2.2.3.2

Artikel 9 Vernichtung der Proben

Die WSA-Proben werden im Labor aufbewahrt, um eine bestrittene Analyse wiederholen zu können. Sobald die Probe nicht mehr für ein Verfahren notwendig ist, muss sie vernichtet werden. Zum einen kann die Übermittlung der Fingerabdrücke der betroffenen Person an die AFIS-Services ergeben, dass zu dieser Person bereits ein DNA-Profil besteht, zum Beispiel weil ein anderer Kanton dieses veranlasst hat.

In diesen Fällen ist es nicht notwendig, ein zweites DNA-Profil erstellen zu lassen; die anordnende Behörde weist das Labor an, die Probe kann vernichten (Abs. 1 Bst.

a).

Wird in den Fällen der Artikel 3 und 5 vorerst kein DNA-Profil erstellt, muss sich die anordnende Behörde innert dreier Monate entscheiden oder die Probe vernichten (Abs. 1 Bst. b). Eine weitere Voraussetzung der Anerkennung von Labors durch das EJPD (Art. 8 Abs. 1) wird die Gewährleistung der sicheren Aufbewahrung und der zuverlässigen Vernichtung der Proben sein.

Wenn die Polizei als anordnende Behörde bereits im Verlauf ihrer eigenen Ermittlungen feststellt, dass die betroffene Person als Täter nicht in Frage kommen kann, ordnet sie die Vernichtung der Probe an (Abs. 1 Bst. c). Und schliesslich muss die einer unbekannten Person oder den Verwandten einer vermissten Person entnommene Probe vernichtet werden, sobald die unbekannte oder vermisste Person idenfiziert werden konnte (Abs. 1 Bst. d).

Nicht nur die anordnenden Behörden tragen eine Verantwortung für die Vernichtung der nicht mehr benötigten Proben. Auch die Labors sind einzubeziehen. Der Bundesrat wird in der Verordnung eine Frist ansetzen, nach welcher die Proben, die von Personen genommen wurden, vom Labor vernichtet werden, ausgenommen in Fällen, in denen die anordnende Behörde aus zureichenden Gründen eine weitere Aufbewahrung angeordnet hat. Für die Spuren, zu denen ein DNA-Profil erstellt wurde, kann keine Vernichtung vorgesehen werden. Für sie gelten die Regeln über die Aufbewahrung von Beweisstücken.

2.2.4

4. Abschnitt: DNA-Profil-Informationssystem

2.2.4.1

Artikel 10 Grundsatz

Das DNA-Profil-Informationssystem erlaubt den Vergleich von DNA-Profilen. Im Unterschied zu AFIS, das komplexe Bilddarstellungen der Fingerabdrücke enthält, oder zum kriminalpolizeilichen Informationssystem JANUS, das grosse Informationsmengen über organisierte Kriminalität enthält, ist das DNA-ProfilInformationssystem eine einfache Datensammlung, die für jede gespeicherte Person oder Spur zwei Buchstaben-Zahlenreihen enthält: Eine ca. 30-stellige Zahlenreihe mit zwei Buchstaben für die Angabe des Geschlechts gibt das DNA-Profil wieder, die zweite Zahlenreihe ist die Prozesskontrollnummer PCN, welche die Verknüpfung mit den im getrennt davon geführten Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem (IPAS) des Bundesamtes für Polizei gespeicherten Personalien oder Zusatzinformationen über die Spur ermöglicht.

Datenschutzrechtlich ist das DNA-Profil-Informationssystem ungeachtet der an und für sich wenig aussagekräftigen gespeicherten Buchstaben-Zahlenreihen eine Datensammlung mit besonders schützenswerten Personendaten. Die Personen sind zwar 49

nicht mit dem DNA-Profil-Informationssystem allein, jedoch unter Beizug von IPAS bestimm- und erkennbar12, und schon die Tatsache der Aufnahme in das DNA-Profil-Informationssystem gibt den Hinweis auf "strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen"13. Die Bearbeitung im DNA-Profil-Informationssystem kann deshalb nur auf der Grundlage eines formellen Gesetzes erfolgen14. Eine solche Rechtsgrundlage liegt mit Artikel 351septies StGB zwar bereits vor. Sie ist indessen so allgemein gehalten, dass es politisch geboten scheint, eine ausführlichere Regelung auf Gesetzestufe vorzunehmen.

2.2.4.2

Artikel 11 Aufnahme in das Informationssystem

Aus polizeilicher Sicht wäre es sinnvoll, wenn alle einmal erstellten DNA-Profile im DNA-Profil-Informationssystem aufgenommen und während der Lebensdauer der betroffenen Personen gespeichert würden. Es ist zum Beispiel nicht auszuschliessen, dass eine in einer Massenuntersuchung als Täter ausgeschlossene Person oder eine freigesprochene Person später doch ein schweres Verbrechen begeht und mit Hilfe ihres im Informationssystem gespeicherten DNA-Profils als Urheberin identifiziert werden könnte. Ein effektiver Grundrechtsschutz und auch die Unschuldsvermutung fordern eine restriktivere Aufnahme und eine begrenzte Bearbeitungsdauer. Die neuere Bundesgerichtspraxis verleiht den betroffenen Personen den Anspruch auf Löschung der über sie bearbeiteten Daten15. Aus dieser Praxis muss der Schluss gezogen werden, dass nicht nur ein Löschungsanspruch für Daten vorgesehen werden muss, sondern dass bei bestimmten DNA-Profilen von Beginn weg von der Aufnahme im Informationssystem abzusehen ist. Dies gilt insbesondere für identifizierte Opfer, Tatortberechtigte und die Personen, die in einer Massenuntersuchung als Täter ausgeschlossen wurden. Ihre Profile dürfen nicht im DNA-ProfilInformationssystem aufgenommen werden.

Die DNA-Profile von nicht identifizierten lebenden oder toten Personen, von einer vermissten Personen zuordenbaren biologischen Materialien sowie von Verwandten toter oder vermisster Personen werden nur dann im Informationssystem aufbewahrt, wenn der Direktvergleich nicht zu einer Identifikation geführt hat. Damit kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn eine unbekannte tote Person aufgefunden wird oder eine vermisste Person wieder auftaucht, der für die Identifizierung notwendige Abgleich vorgenommen werden.

Artikel 11 nennt in den Absätzen 1 - 3 abschliessend die Profile, die in das DNAProfil-Informationssystem aufgenommen werden. Er nennt jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit in Absatz 4 auch die wichtigsten Kategorien von Profilen, die ausdrücklich nicht aufgenommen werden dürfen. Diese Profile werden grundsätzlich im Labor durch Direktvergleich mit den DNA-Profilen der tatrelevanten Spuren bearbeitet; handelt es sich um eine grosse Zahl, wird die Verordnung erlauben, dass ein reiner Abgleich über das DNA-Profil-Informationssystem erfolgen darf16.

12 13 14 15 16

50

Begriffselement für Personendaten (Art. 3 Bst. a DSG) Begriffselement für besonders schützenswerte Daten (Art. 3 Bst. c Ziff. 4 DSG) Art. 17 Abs. 2 DSG BGE 120 I 147, 152f Art. 5 Abs. 4 der EDNA-Veordnung sieht einen solchen Abgleich für nicht identifizierte tote oder lebende Personen vor.

2.2.4.3

Artikel 12 Verantwortliche Bundesbehörde

Das Datenschutzgesetz verlangt, dass für jedes Informationssystem ein veranwortliches Bundesorgan bezeichnet wird. Für das DNA-Profil-Informationssystem wird diese Funktion das Bundesamt für Polizei (BAP) erfüllen, dessen AFIS Services das DNA-Profil-Informationssystem bewirtschaften und die erkennungsdienstlichen Daten in IPAS führen wird17. Um die Organisationsautonomie des Bundesrates nach Artikel 43 RVOG18 nicht einzuschränken, wird das BAP nicht namentlich erwähnt.

Der Bundesrat soll zudem auch die Vorschriften über die Eingabe von Daten in das DNA-Profil-Informationssystem erlassen (Art. 20 Bst. a). Damit kann er die Situation der beteiligten Labors und die wissenschaftliche Entwicklung berücksichtigen.

Die Möglichkeit des Online-Anschlusses hingegen muss im Gesetz ausdrücklich vorgesehen werden19. Im laufenden Probebetrieb hat nur ein einziges IRM als Koordinationsstelle den Online-Anschluss und gibt sämtliche DNA-Profile ein. Der Bundesrat soll in dieser organisatorischen Frage ebenfalls den Spielraum behalten können.

2.2.4.4

Artikel 13 Internationale Ersuchen

Es ist heute eine unbestrittene Notwendigkeit, dass Polizei und Strafverfolgungsbehörden international zusammenarbeiten. Diese polizeiliche Amts- und Rechtshilfe ist verfahrensmässig im Rechtshilfegesetz20 (IRSG) und in internationalen Abkommen geregelt21. Die grenzüberschreitenden Ersuchen laufen bei der Rechtshilfe über das Bundesamt für Justiz, bei polizeilicher Amts- oder Rechtshilfe über das Bundesamt für Polizei. Die Nachforschung im DNA-Profil-Informationssystem aufgrund von Anfragen aus dem Ausland kann erfolgen, wenn die Voraussetzungen dazu nach schweizerischem Recht auch gegeben wären, es wird nur zu Zwecken der Strafverfolgung oder zur Identifizierung unbekannter lebender und toter Personen Auskunft erteilt, ob im DNA-Profil-Informationssystem ein mit dem aus dem Ausland stammenden DNA-Profil identisches gespeichert ist.

Die Vergleichbarkeit der Profile setzt nicht voraus, dass bei der Analyse die gleiche Anzahl DNA-Abschnitte untersucht worden sind. Ein Profil, das aus sechs oder sieben untersuchten Abschnitten erstellt worden ist, lässt sich durchaus mit einem Profil aus 11 oder 13 Abschnitten vergleichen; je kleiner die Anzahl Abschnitte, desto grösser ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen dasselbe DNA-Profil aufweisen.

17 18 19 20 21

Siehe dazu den Kommentar zu Artikel 14 SR 172.010 Art. 19 Abs. 3 DSG SR 351.1, siehe insbesondere Art. 75 ff Siehe als neue solche Abkommen, die eine direkte Zusammenarbeit zwischen den Polizeien vorsehen: Grenzpolizeiliche Zusammenarbeit mit Frankreich und Italien. BBl 1999 1485, Art. 5 und 30 des Abkommens mit Frankreich, Art. 11 und 15 des Abkommens mit Italien.

51

2.2.5

5. Abschnitt: Bearbeitung weiterer Daten

Artikel 14 regelt die Bearbeitung der weiteren Daten. Es handelt sich um jene Daten zu Personen und zu Spuren, welche mittels Prozesskontrollnummer mit den Daten im DNA-Profil-Informationssystem verknüpft werden können und von der anordnenden Behörde den AFIS Services gemeldet werden.

Die AFIS Services bearbeiten die Daten nach Artikel 14 im IPAS22. Auf diesen Teil von IPAS haben nur sie Zugriff, nicht aber andere Verwaltungseinheiten des BAP oder anordnende Behörden, Labors und andere externe Stellen. Es kann nach Artikel 351octies StGB allerdings in Betracht gezogen werden, dass für die Bearbeitung ausländischer Ersuchen die zuständige Verwaltungseinheit des BAP auch OnlineZugriff erhält.

Im Gegensatz zur Regelung in anderen Staaten (z.B. in Deutschland) ist unter anderem auch aus datenschutzrechtlichen Gründen ein Grundsatz des Gesamtsystems die strikte Trennung von biologischem Material, DNA-Profilen und Personalien. Der Ablauf ist vom Absenden der WSA durch den Erkennungsdienst der Polizei bis zur Rückmeldung eines Hits durch die AFIS Services durch eine Prozesskontrollnummer (PCN) anonymisiert. Die Zusammenführung von Analyseresultat (DNA-Profil) und Personalien geschieht ausschliesslich und in analoger Weise im Rahmen des bestehenden Systems für die Identifizierung von Fingerabdrücken durch die AFISServices des BAP.

2.2.6

6. Abschnitt: Datenschutz

2.2.6.1

Artikel 15 Recht auf Auskunft

Das Recht auf Auskunft entspricht der Regelung des Datenschutzgesetzes (Art. 8 und 9). Ist aus überwiegenden öffentlichen oder entgegenstehenden privaten Interessen nicht eine vollständige Auskunft möglich, sieht Artikel 9 DSG die Verweigerung, Einschränkung oder das Aufschieben der Auskunft vor. Da die Personen, die erkennungsdienstlich behandelt worden sind, über die Erstellung eines DNA-Profils informiert sind (Abs. 2), dürften solche Abweichungen von der vollen Auskunft selten vorkommen. Verweigerungen könnten zum Beispiel dann aktuell werden, wenn von einer dringend verdächtigen, aber flüchtigen Person aus anderem, ihr zuordenbaren biologischem Material als dem WSA ein Profil erstellt wurde.

Über dessen Vorhandensein kann das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung zumindest während des laufenden Verfahrens überwiegen. Ob ausnahmsweise aus Rücksicht auf ein Verfahren oder aus andern überwiegenden öffentlichen Interessen eine Einschränkung der Auskunft notwendig ist, können die AFIS Services nicht allein beurteilen. Sie werden gemeinsam mit den anordnenden Behörden eine Liste erstellen, in welchen Fällen vor der Auskunftserteilung eine Rückfrage erfolgen muss.

Die Information der betroffenen Person über die Erstellung eines DNA-Profils und dessen Bearbeitung im Informationssystem (Abs. 2) ist eine Voraussetzung dafür, dass sie ihre Rechte nach den Artikeln 15 ­ 17 wahrnehmen kann.

22

52

Siehe dazu Ziffer 2.1.6 zu Datenschutz und Datensicherheit und Ziffer 2.2.4.1zu Art. 10

2.2.6.2

Artikel 16 Löschung der DNA-Profile

Die Löschungsvorschriften sind in Anlehnung an diejenigen im Fingerabdruckidentifizierungssystem AFIS konzipiert, berücksichtigen jedoch die seitherige Entwicklung im Grundrechtsschutz, d.h. die Löschungsansprüche werden erweitert, und es wird in bestimmten Fällen von Amtes wegen gelöscht. Der Bundesrat wird die Vorschriften für AFIS, die er auf Verordnungsebene erlässt, restriktiver fassen und wenn möglich denjenigen dieses Gesetzes anpassen.

Die anordnende Behörde als Herrin der Daten kann jederzeit und ohne Begründung die Löschung des von ihr veranlassten DNA-Profils verlangen. Der Hauptfall wird sein, dass DNA-Profile von Spuren nach Klärung der Identität der Verursacher gelöscht werden. Der identifizierte Täter wird dagegen unter der PCN seiner Person weiter registriert bleiben. Das Bundesgericht hat 1998 entschieden, die Erstellung eines DNA-Profils sei zulässig und verhältnismässig, wenn sichergestellt ist, dass die Probe und die Ergebnisse der DNA-Analyse vernichtet werden, wenn aufgrund des DNA-Profils die Person als Täter ausgeschlossen werden kann23. Es hat damit auch entschieden, dass diese Löschung von Amtes wegen erfolgen müsse.

Mit dem Tod der betroffenen Person erlischt auch das Interesse an der Weiterbearbeitung im DNA-Profil-Informationssystem. Ausgenommen sind die Fälle der nicht identifizierten toten Personen.

Da der Tod einer Person in den meisten Fällen den Bundesbehörden nicht mitgeteilt wird, werden grundsätzlich die DNA-Profile aus erkennungsdienstlichen Behandlungen nach 30 Jahren gelöscht. Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn die betroffene Person in der Zeit zwischen der Probenahme und dem Ablauf der 30 Jahre wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt wurde. In diesen Fällen wird das Profil erst auf Gesuch hin nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe e gelöscht. Diese Löschung von Amtes wegen ist eine Praxisänderung gegenüber AFIS, denn Fingerabdrücke werden heute gelöscht, wenn die betroffene Person 80 Jahre alt ist.

Für die Spuren gilt eine ähnliche Regelung mit der Abweichung, dass nach der 30jährigen Aufbewahrungsdauer nur die Besonderheit der Straftat, ihre Unverjährbarkeit, eine Erstreckung bewirkt, aber auf die Zustimmung der anordnenden Behörde verzichtet wird.

Aufgrund der Erfahrungen, insbesondere der Bergkantone, ist es gerechtfertigt, die gestützt auf
Artikel 11 Absatz 2 aufbewahrten DNA-Profile unbekannter oder vermisster Personen erst bei der Identifizierung, jedoch spätestens nach 50 Jahren zu löschen (Abs. 3). Vor allem in den Alpenregionen kommt es immer wieder vor, dass Personen bei Bergwanderungen verschwinden und von einem Gletscher "verschluckt" werden. Es kann durchaus vorkommen, dass diese Personen nicht mehr geborgen werden können und der Gletscher sie einschliesst und erst nach langer Zeit wieder freigibt. Werden dann solche Überreste einer Person gefunden, so können diese mit dem Abgleich ihres DNA-Profils mit demjenigen im Informationssystem identifiziert werden, falls bei der Bearbeitung der damaligen Vermissmeldung Spurenmaterial der vermissten Person sichergestellt und analysiert worden ist.

Die maximale Aufbewahrungszeit wird trotz der Möglichkeit, dass Gletscherleichen auch später wieder auftauchen können, auf 50 Jahre begrenzt. Falls die Praxis zeigt,

23

BGE 124 I 80, 84

53

dass dies zu kurz ist, könnte die Begrenzung vor der Löschung der ersten Profile bei einer gelegentlichen Gesetzesrevision aufgehoben werden.

Die PCN in IPAS und damit die weiteren Daten nach Artikel 14 können erst gelöscht werden, wenn auch allfällige Fingerabdrücke in AFIS gelöscht worden sind.

Es ist anzunehmen, dass sich in der Regel Gesuche auf alle erkennungsdienstlichen Daten beziehen werden, so dass die Datensätze der betreffenden Person gleichzeitig in allen drei Informationssystemen (AFIS, DNA-Profil-Informationssystem, IPAS) gelöscht werden. Wird ausnahmsweise nur das DNA-Profil, nicht aber die anderen erkennungsdienstlichen Daten gelöscht, so ist im IPAS der Hinweis auf das Bestehen eines DNA-Profils zu löschen. Massgebend für diese Löschung ist das Recht, das für IPAS gilt.

2.2.6.3

Artikel 17 Löschung der DNA-Profile auf Gesuch

Die Löschung von Amtes wegen wird vom Bundesgericht aus der Unschuldsvermutung abgeleitet. Für den Fall des Freispruchs verlangt der gleiche Grundsatz ultimativ die Löschung; eine Ausnahme bilden die schuldunfähigen Täter, bei denen jedoch Wiederholungsgefahr besteht, wenn sie beispielsweise aus einer Verwahrung entflohen sind. Für den Fall, dass bei Freisprüchen die anordnende Behörde keine Kenntnis hat, bleibt die Löschung nach Freispruch auf Gesuch hin im Gesetz. Die betroffene Person soll die Löschung direkt beim zuständigen Bundesamt beantragen können und soll nicht an die anordnende Behörde gelangen müssen.

Wird ein Strafverfahren eingestellt, weil die Beweislage nicht zur Überführung der Täter ausreicht, kommt der mit der Unschuldsvermutung eng verwandte Grundsatz "im Zweifel zugunsten des Angeklagten" ("in dubio pro reo") zur Anwendung. In diesem Fall kann jedoch bei Vorliegen neuer Beweise das Verfahren wieder eröffnet werden, deshalb rechtfertigt sich eine weitere Bearbeitung des DNA-Profils, jedoch nicht für eine lange Dauer24.

Die Zustimmung zur Löschung soll von der anordnenden Behörde nur dann verweigert werden können, wenn konkrete Hinweise darauf vorliegen, dass das DNAProfil in der Zukunft nochmals verwendet werden muss. An die Begründung des verbleibenden Verdachts oder der Wiederholungsgefahr können jedoch nicht sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Die Gründe können sich aus der Art der Straftaten (z.B. schwere oder wiederholte Sexualdelikte) oder aus dem Vorleben der Person ergeben (zahlreiche Vorstrafen und Rückfälle).

2.2.7

7. Abschnitt: Finanzierung

Der Bund trägt nach Artikel 18 die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb des Informationssystems. Auf Stufe Bund können die Bundesanwaltschaft sowie das BAP als Kriminalpolizei des Bundes als anordnende Behörde die Probenahme vornehmen lassen. Die andern anordnenden Behörden aus den Kantonen tragen die von ihnen verursachten Kosten, insbesondere zahlen sie den Labors die Analysen, wobei 24

54

In Artikel 17 der Erkennungsdienstverordnung (SR 172.213.57) ist dafür noch eine Frist von fünf Jahren vorgesehen, was der neuen Bundesgerichtspraxis kaum mehr standhalten dürfte.

der Preis für WSA wesentlich tiefer ist als für die Spuren, die eventuell noch extrahiert werden müssen.

2.2.8

8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

2.2.8.1

Artikel 19 Vollzug in den Kantonen

Die Kantone sind für den Vollzug verantwortlich, insbesondere seitens der Strafverfolgungsbehörden; die Kantone mit Instituten für Rechtsmedizin haben deren zusätzliche Vollzugsaufgaben zu erfüllen. Bis zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts haben die Kantone weiterhin die Rechtsetzungskompetenz, die anordnenden Behörden festzulegen, nämlich die Behörden, welche die erkennungsdienstliche Behandlung und die DNA-Analyse anordnen können. Da diese Regelungen in den Kantonen sehr uneinheitlich sind, werden möglicherweise einige Kantone die anordnenden Behörden neu regeln.

2.2.8.2

Artikel 20 Vollzug im Bund

Statt an zahlreichen Stellen die delegierten Rechtsetzungskompetenzen aufzuführen, sind diese in Artikel 20 zusammengefasst. Das vereinfacht die Umschreibungen insofern, als für die Einzelheiten der Datenbearbeitung in zahlreichen Artikeln Delegationen vorgenommen werden müssten.

Aus diesem Gesetz ergibt sich als zusätzliche Vollzugsaufgabe der Betrieb des DNA-Profil-Informationssystems, das im Zeitpunkt des Inkrafttretens schon als Probebetrieb läuft. Dieser wird evaluiert, und es werden allfällige Anpassungen an das Gesetz vorgenommen.

2.2.8.3

Artikel 21 Übergangsbestimmungen

Es ist naheliegend und notwendig, den Datenbestand aus dem Probebetrieb nach den neuen gesetzlichen Vorschriften weiterzubearbeiten. Im Probebetrieb werden die Profile gemäss einem relativ engen Deliktskatalog aufgenommen, so dass sie auch im DNA-Profil-Informationssystem weiterbearbeitet werden können.

Mit Absatz 2 wird klargestellt, dass die provisorische Anerkennung der Institute für Rechtsmedizin nach der Verordnung über den Probebetrieb Ende 2004 ausläuft.

Damit soll sichergestellt werden, dass nur solche Labors und Institute DNA-Profile gestützt auf dieses Gesetz erstellen, welche die Kriterien für die Anerkennung durch das EJPD erfüllen und insbesondere die Akkredititerung erfolgreich abgeschlossen haben. Eine weitere Verlängerung der für den Probebetrieb gerechtfertigten provisorischen Anerkennung stünde den Anforderungen dieses Gesetzes an die Qualität und die Zuverlässigkeit der Aussagekraft von DNA-Profilen entgegen.

55

2.2.8.4

Artikel 22 Referendum und Inkrafttreten

Der Probebetrieb des DNA-Profil-Informationssystems ist bis Ende 2004 befristet.

Der Bundesrat kann das DNA-Profil Gesetz jedoch auch früher in Kraft setzen, wenn nicht aufgrund der Behandlung in den Räten grössere Anpassungen am Informationssystem notwendig sind.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1

Auf den Bund

Für den Bund sind mit dem Probebetrieb geringfügige Kosten für die Beschaffung eines Servers entstanden (ca. 70'000 Franken). Diese Kosten konnten im Rahmen der bestehenden Budgets aufgefangen werden. Aus diesem Grund entstehen mit dem Inkrafttreten des DNA-Profil Gesetzes keine zusätzlichen Kosten ausser in den Fällen, in denen eine Bundesbehörde als anordnende Behörde ein DNA-Profil erstellen lässt, und abgesehen von geringen wiederkehrenden Wartungs- und Betriebskosten, welche im Rahmen der bestehenden Budgets aufgefangen werden können Personell wurde der Probebetrieb aufgefangen, indem das Personal, das für den 24Stunden-Betrieb zugunsten der Grenzpolizei (Anfragen wegen Asylbewerberinnen und bewerbern) angestellt wurde, auch den Mehraufwand für das DNA-ProfilInformationssystem auffangen konnte. Die Löschungen der DNA-Profile von Amtes wegen und die Auftragserteilung zur Vernichtung von Proben wird unter Umständen die Schaffung von ein bis zwei zusätzlichen Stellen erfordern. Der genaue Aufwand kann im Moment noch nicht abgeschätzt werden.

3.2

Auf die Kantone

Für die Kantone bedeutet eine raschere und sicherere Identifizierung von verdächtigen Personen eine personelle Entlastung und eine Steigerung der Effizienz bei der Strafverfolgung.

Die Kosten der einzelnen DNA-Analyse werden mit der Zeit durch die grössere Anzahl gesenkt, aber insgesamt entstehen gleichwohl jährliche Mehrkosten von zirka 10 Millionen Franken, sofern die DNA-Analyse bei allen erkennungsdienstlich behandelten Personen 25 und bei rund 8'000 Spuren pro Jahr durchgeführt wird.

4

Legislaturplanung

Das Geschäft ist in der Legislaturplanung26 unter Ziel 12 als Geschäft R 26 und in den Jahreszielen des Bundesrates für das Jahr 2000 als Ziel 00-24 aufgeführt.

25 26

56

Erfahrungsgemäss speichern die AFIS-Services pro Jahr rund 20'000 Fingerabdrücke für Strafverfahren; für die Zahl der zu analysierenden Spuren gibt es keine Erfahrungswerte.

BBl 2000 2276, 2303

5

Verhältnis zum europäischen Recht

In mehreren europäischen Staaten sind DNA-Profil-Informationssysteme in Betrieb oder im Aufbau27. Sie sind sehr unterschiedlich ausgelegt, teils erfassen sie alle Straftaten, teils nur einen engen Deliktskatalog oder nur verurteilte Personen. Eine Vereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union ist nicht in Sicht, dies möglichweise darum, weil die wissenschaftlichen Methoden und die erstellten Profile auch bei unterschiedlichen Standards kompatibel sind.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungsmässigkeit

Artikel 119 BV beauftragt den Bund, den Menschen vor Missbräuchen der Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnologie zu schützen. Das vorliegende Gesetz löst die Untersuchungen im Strafverfahren aus dem geplanten "Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen" heraus und vereinigt sie mit den Bestimmungen mit strafprozessualem Charakter, die sich ihrerseits auf Artikel 123 BV abstützen. Mit der Annahme der Justizreform am 12. März 2000 ist dem Bund die Kompetenz zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts eingeräumt worden.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Im Polizei- und Strafverfolgungsbereich ist es unumgänglich, besonders schützenswerte Daten und Persönlichkeitsprofile zu bearbeiten. In den Gesetzgebungen der Neunzigerjahre28 hat sich jedoch gezeigt, dass die Forderung des Datenschutzgesetzes, diese Datenbearbeitungen abschliessend auf Gesetzesstufe zu regeln, nicht realistisch ist; die Details müssen auch hier an den Bundesrat delegiert werden (siehe Art. 20 Abs. 1 Bst. a), wenn nicht im Gesetz Datenbearbeitung auf Vorrat geregelt werden soll. Zu besonders schützenswerten Daten werden die Informationen nach diesem Gesetz dadurch, dass sie Anhaltspunkte für strafrechtliche Untersuchungen geben, auch wenn nur die Tatsache der Erfassung als verdächtige oder verurteilte Person vorhanden ist. Dies reicht für die Qualifikation als besonders schützenswerte Daten aus.

Die andern Delegationen (Art. 20 Abs. 1 Bst. b ­ g) betreffen organisatorische, technische oder wissenschaftliche Einzelheiten, die nach der Praxis des Bundesgerichts delegationsfähig sind. Sie müssen zudem an die laufenden Entwicklungen angepasst werden können.

2367

27 28

Siehe oben Ziff. 1.5 Beispiele: Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994 über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes (ZentG, SR 360), Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (SR 120), Bundesgesetz über die Schaffung und Anpassung gesetzlicher Grundlagen für Personenregister (Änderungen des StGB, des SVG und des ZentG, verabschiedet am 18. Juni 1999, teils noch nicht in der AS).

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