00.096 Botschaft über die Auflösung der Linthunternehmung vom 20. Dezember 2000

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Auflösung der Linthunternehmung, deren Aufgaben künftig im Rahmen eines Konkordats von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt der betroffenen Kantone erfüllt werden sollen, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Dezember 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0899

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Botschaft 1

Die eidgenössische Linthunternehmung

Gestützt auf einen Beschluss der Tagsatzung vom 28. Juli 1804 wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Glarner-Linth in den Walensee umgeleitet und der Abfluss des Walensees in den Zürichsee verbessert. Die Linthebene konnte damit wirksam gegen Hochwasser geschützt und später entsumpft werden. Die betroffenen Kantone waren damals nicht in der Lage, das von Ingenieurhauptmann Lanz von Bern vorgeschlagene und von einer Kommission unter der Leitung von Hans Conrad Escher ausgearbeitete Projekt allein zu realisieren. Als «Denkmal schweizerischer Solidarität» (Karl Guggenbühl, Das Linthwerk, Diss. Zürich, 1905, S. 14) wurde das Vorhaben als eidgenössisches Werk organisiert, finanziert und schliesslich auch realisiert.

1811 wurde der Mollis-Kanal (der heutige Escherkanal) in den Walensee geöffnet, 1816 der Maag-Linthkanal. In der Folge wurden verschiedene Aus- und Umbauten vorgenommen, so als besonders grosse 1841­1846 die Verlängerung des Escherkanals, 1886/87 die Grynaukorrektion, zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Vollendungsarbeiten (vgl. BBl 1896 IV 574) und Mitte des 20. Jahrhunderts die Korrektionsmassnahmen am Linthkanal zwischen Bilten und Grynau (vgl. BBl 1956 I 777).

Nach § 5 des Tagsatzungsbeschlusses von 1804 ernannte der Landammann (der Schweiz) einen Wasserbaumeister (v. Tulla), der unter der Leitung einer dreigliedrigen Kommission (Escher, Osterried und Schindler) die Arbeiten zu planen und auszuführen hatte. In den Geschäftsbereich dieser Aufsichtskommission fiel vor allem die technische Leitung des Werks. Die Aufgaben der Kommission wurden von der Tagsatzung 1812 in einer Verordnung über Polizeiaufsicht und Unterhalt der Linthkanäle festgehalten. Die heutige Organisation stützt sich auf den Bundesbeschluss vom 27. Januar 1862 betreffend die Reorganisation der Linthverwaltung.

Danach hat die Linthkommission, die sich aus 5 Mitgliedern zusammensetzt (je eines wird von den vier beteiligten Kantonen ­ Glarus, St. Gallen, Schwyz und Zürich ­ gestellt und eines vom Bundesrat gewählt), die Oberaufsicht über das Linthwerk zu besorgen. Sie hat für die Erhaltung und allfällige Vervollständigung des Werks zu sorgen und das Vermögen des Unternehmens zu verwalten, wobei ihr ein Linthingenieur und Angestellte zur Seite stehen. Der Unterhalt des Linthwerks wird durch das Bundesgesetz vom 6. Dezember 1867 sowie durch das Bundesgesetz vom 28. Juni 1882 betreffend Abänderung und Ergänzung dieses Gesetzes geregelt.

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Gründe für die Übertragung der Aufgaben auf die Kantone

Linthkommission und Linthingenieur haben die ihnen übertragenen Aufgaben bis heute verantwortungs- und kostenbewusst wahrgenommen. Das teilweise fast 200 Jahre alte Werk wurde so unterhalten, ausgebaut und ergänzt, dass es seinen Zweck, den Hochwasserschutz in der Linthebene sicherzustellen, bis heute zuverlässig und gut erfüllt hat. Es hat vielen Hochwassern, zuletzt denjenigen im Mai 1999, standgehalten. Die zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bauten und Anlagen haben das Ende ihrer Lebensdauer aber teilweise fast erreicht. Das Werk entspricht

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zudem auch in ökologischer Hinsicht den heutigen Vorstellungen nur beschränkt.

Damit der Hochwasserschutz in der Linthebene auch für die Zukunft sichergestellt ist, hat die Linthkommission schon 1998 Massnahmen für eine umfassende Erneuerung und Sanierung des Werks eingeleitet (Hochwasserschutzkonzept Linth 2000).

Die Hochwasser im Mai 1999 zeigten, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Die Massnahmen werden allerdings hohe Investitionen auslösen, die nicht wie in den letzten Jahrzehnten aus dem Vermögensertrag und den ordentlichen Einnahmen der Linthunternehmung gedeckt werden können, sondern durch Beiträge der Kantone und des Bundes bestritten werden müssen.

Nach Artikel 2 des Wasserbaugesetzes (WBG; SR 721.100) ist der Hochwasserschutz Sache der Kantone; der Bund ist Aufsichtsbehörde (Art. 11 WBG) und leistet unter bestimmten Voraussetzungen Abgeltungen an wasserbauliche Massnahmen (Art. 6 ff. WBG). Anders als zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind die Kantone an der Linth heute durchaus in der Lage, die ihnen übertragenen wasserbaulichen Aufgaben zu erfüllen. Es besteht somit kein Anlass mehr, weiterhin von der bundesrechtlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung an der Linth abzuweichen. Vielmehr ist es aus Gründen der Gleichbehandlung und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen angezeigt, auch das Linthwerk in die alleinige Verantwortung der Kantone zu legen und die eidgenössische Linthunternehmung aufzulösen.

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Das Konkordat

Gestützt auf diese Überlegungen und nach Konsultation der Kantone hat die Linthkommission eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Auftrag, wie bei der LinthebeneMelioration (vgl. BBl 1996 II 845), eine Interkantonale Vereinbarung (Konkordat) zur Fortführung des Linthwerks auszuarbeiten. Das von Fachleuten der Kantone und des Bundes entworfene Konkordat lehnt sich einerseits an die erwähnte Vereinbarung betreffend Melioration der Linthebene an, andererseits an die Interkantonale Vereinbarung 1985 über die II. Juragewässerkorrektion (SR 721.61). Nach dem Konkordat soll das Werk als öffentlich-rechtliche Anstalt mit dem Namen «Linthwerk» weitergeführt werden. Eine Zusammenlegung mit der ebenfalls als Anstalt konzipierten «Linthebene-Melioration» wurde abgelehnt, weil einerseits der Perimeter und die beteiligten Kantone nicht übereinstimmen und andererseits die zu erfüllenden Aufgaben zu verschieden sind. Die beiden Organisationen werden aber in bestimmten Bereichen wie bisher eng zusammenarbeiten. Das Konkordat umfasst sechs Abschnitte mit folgendem Inhalt: I. Allgemeine Bestimmungen Im ersten Abschnitt werden der Name («Linthwerk»), die Rechtsform (öffentlichrechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit) und der Sitz (Uznach SG) festgelegt (Art. 1). Ferner werden die Aufgaben (Art. 2) und der Umfang der Anlagen des Werks (Art. 3) bestimmt. Soweit im Konkordat keine besonderen Vorschriften bestehen, soll wie bei der Linthebene-Melioration das Recht des Kantons St. Gallen zur Anwendung kommen (Art. 4). Das Werk soll zur Erfüllung seiner Aufgaben das Enteignungsrecht besitzen (Art. 5); es ist von allen Steuern und Abgaben befreit (Art. 7) und steht unter der Oberaufsicht der Kantonsregierungen (Art. 6).

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II. Organisation Organe des Linthwerks sind die Linthkommission, die Linthverwaltung und die Kontrollstelle (Art. 8). Die Linthkommission ist das oberste Organ des Werks und besteht aus 5 Mitgliedern, nämlich zwei aus St. Gallen, dem am meisten betroffenen Kanton, und je einem aus den übrigen Kantonen. Wie bei der Juragewässerkorrektion wird dem Bund das Recht eingeräumt, mit einem Vertreter mit beratender Stimme an den Sitzungen der Kommission teilzunehmen. Die Funktion der Linthkommission entspricht derjenigen des Verwaltungsrates einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft; die Aufgaben decken sich weitgehend (vgl. Art. 10 mit Art.

716a OR). Die Linthverwaltung besorgt die Geschäftsführung und nimmt alle Aufgaben wahr, die nicht der Linthkommission vorbehalten sind (Art. 11); ihre Organisation und Aufgaben werden von der Linthkommission näher festgelegt.

III. Ausbau und Unterhalt Bauvorhaben sind nach Raumplanungsgesetz bewilligungspflichtig (vgl. Art. 22 und 24 RPG; SR 700). Sie sind öffentlich bekannt zu machen und aufzulegen, damit die davon betroffenen Personen ihre Rechte wahrnehmen und allenfalls, im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens, dagegen opponieren können. Das gilt auch für wasserbauliche Vorhaben. Der dritte Abschnitt des Konkordats enthält daher die Verfahrensvorschriften, die bei Ausbauten und bei Unterhaltsarbeiten zu beachten sind.

Für grössere Vorhaben ist ein spezielles, konzentriertes Verfahren vorgesehen (Art. 15­20). Kleinere bewilligungspflichtige Vorhaben sind nach dem Recht und dem Verfahren des betroffenen Kantons durchzuführen (Art. 21). Hinsichtlich Ausrichtung von Bundesbeiträgen ist das einschlägige Bundesrecht massgebend (vgl. Art. 8 f. WBG und Art. 8 ff. Wasserbauverordnung; SR 721.100.1). Bei kantonsübergreifenden Wasserbauvorhaben kommt regelmässig ein Mischsatz zur Anwendung.

IV. Schutz der Werkanlagen Der vierte Abschnitt des Konkordats fasst die schon bisher geltenden Vorschriften zum Schutz des Werks zusammen (Art. 23) und unterstellt verschiedene Tätigkeiten, die das Werk beeinflussen oder gefährden könnten, einer Bewilligungs- (Art. 24) oder Konzessionspflicht (Art. 25). Für Bewilligungen und Konzessionen können Gebühren erhoben werden (Art. 26).

V. Finanzhaushalt Wie bisher soll der Finanzbedarf des Linthwerks vorab aus eigenen Mitteln des Werks
gedeckt werden (Vermögensertrag, Bewilligungs- und Konzessionsgebühren ­ Art. 27). Wenn die Mittel nicht ausreichen bzw. grössere Ausbauten anstehen, haben die Kantone nach Abzug allfälliger Bundesbeiträge entsprechend ihrer Betroffenheit Beiträge zu leisten (Art. 28). Der Schlüssel entspricht dem bisher angewendeten (vgl. BBl 1956 I 781). Die Finanzierung eines Kantonsbeitrags richtet sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht.

VI. Schlussbestimmungen Die Schlussbestimmungen enthalten schliesslich die Vorschriften zur Vermögensnachfolge (Art. 29) und zum Inkrafttreten des Konkordats (Art. 30 und 31).

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Wenn die Bundesversammlung diesem Gesetz und damit der Auflösung der Linthunternehmung zustimmt, wird der Bundesrat das von den Kantonen unterbreitete Konkordat zur Kenntnis nehmen (Art. 48 BV) und das vorliegende Gesetz auf einen Zeitpunkt in Kraft setzen, der eine reibungslose Übertragung der eidgenössischen Linthunternehmung auf das kantonale Linthwerk gewährleistet.

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Vermögensnachfolge

Die beteiligten Kantone haben sich bereit erklärt, das Linthwerk weiterzuführen und wollen an der bewährten Struktur und Selbstständigkeit der Unternehmung möglichst festhalten. Sie wollen die Unternehmung deshalb auch als juristische Person ausgestalten, die Vermögenswerte halten kann und aus den Erträgen (wie bisher) die laufenden Kosten decken soll. Nach diesem Konzept sollen Aktiven und Passiven der eidgenössischen Linthunternehmung von Gesetzes wegen auf das «Linthwerk» übergehen. Was die übernommenen Grundstücke und beschränkten dinglichen Rechte betrifft, so ist es am zweckmässigsten, wenn festgehalten wird, dass diese nach dem Übergang auf Anmeldung hin durch das Grundbuchamt auf die neue Eigentümerin bzw. Berechtigte umgeschrieben werden. Da künftig auf die Erhebung von Perimeter-Beiträgen durch die Erwerberin verzichtet werden soll, sind die entsprechenden Anmerkungen im Grundbuch zu löschen.

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Konsultationen

Die betroffenen Kantone Glarus, St. Gallen, Schwyz und Zürich sind mit dem Antrag vorbehaltlos einverstanden. Sie haben mit der Erarbeitung des Konkordats die Voraussetzungen geschaffen, um das im letzten Jahrhundert geschaffene Werk weiterzuführen und zu erneuern und so den Hochwasserschutz in der Linthebene in eigener Verantwortung zu gewährleisten.

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Legislaturplanung und Auswirkungen

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 nicht angekündigt.

Die Auflösung der Linthunternehmung und die Übertragung ihrer Aufgaben auf eine Anstalt nach kantonalem Recht haben weder finanzielle noch personelle Auswirkungen auf den Bund oder die Kantone.

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Rechtsform und Verfassungsmässigkeit

Die aufzuhebenden Erlasse wurden von der Bundesversammlung als Bundesbeschluss bzw. als Gesetze erlassen. Sie sind daher auch von der Bundesversammlung aufzuheben.

Die Bundesverfassung verpflichtet den Bund nicht, öffentliche Werke zu errichten und zu unterhalten. Der Gesetzgeber kann die Linthunternehmung daher ohne weiteres auflösen.

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