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4639 Botschaft

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Zahl der Mitglieder, Ersatzmänner, Gerichtsschreiber und Sekretäre des Bundesgerichts.

(Vom 4. Dezember 1944.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Das auf Neujahr 1945 in Kraft tretende Bundesgesetz vom 16. Dezember 1948 über die Organisation der Bundesrechtspflege bestimmt in Artikel l, Abs. l, dass das Bundesgericht aus 26 bis 28 Mitgliedern und 11 bis 13 Ersatzmännern besteht.

Für die Zahl der Bundesrichter ist also der bisherige gesetzliche Rahmen 26 bis 28 beibehalten worden. Innerhalb dieses Rahmens hat der Bundesbeschluss vom 26. September 1928 über die Zahl der Mitglieder, der Gerichtsschreiber und der Sekretäre des Bundesgerichts (A. S. 44, 716) die Zahl der Mitglieder auf 26 festgesetzt. Bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches waren 10 Mitglieder der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung und je 8 Mitglieder den beiden Ziyilabteilungen zugeteilt. Der für die Jahre 1942 bis 1944 geltende Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege (A. S. 57, 1436) hat das Quorum für die Zivilabteilungen und in der Regel auch für die Staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung auf 5 herabgesetzt. Dies gestattete, die beiden Zivilabteilungen auf je 6 Mitglieder und die Staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung auf 9 Mitglieder zu reduzieren. Daher konnte ohne Erhöhung der Zahl der, Bundesrichter der aus 5 Mitgliedern bestehende Kassationshof gebildet werden, der infolge des Inkrafttretens des Strafgesetzbuches zu einer «ständigen» Hauptabteilung wurde.

Das neue Organisationsgesetz (Art. 15) kehrt nun hinsichtlich der staatsrechtlichen Geschäfte zu der von 1929 bis 1941 geltenden Vorschrift zurück, wonach diese Geschäfte (ausgenommen Beschwerden gegen kantonale Verfügungen wegen Verletzung von Art. 4 B V) unter Mitwirkung von 7 Richtern zu behandeln sind; immerhin führt Art. 92 die Möglichkeit ein, offensichtlich unzulässige oder aussichtslose Beschwerden in Vorprüfungsverfahren durch einen Dreierausschuss zu erledigen, jedoch ist das Bundesgericht infolge der inzwischen eingetretenen Entwicklung der Verhältnisse zur Überzeugung ge-

1449 langt, dass diese Entlastung nicht ausreichen werde. Der Gerichtshof hält eine Vermehrung der Zahl seiner Mitglieder von 26 auf 27 für notwendig.

Insbesondere sind die «Verwaltungsgerichtsgeschäfte» (Geschäfte der verwaltungsrechtlichen Kammer und der bisherigen Kammer für Beamtensachen) infolge der Einführung neuer Bundessteuern in einem nicht vorausgesehenen Ausmass angestiegen. Während im Jahr 1939 70 Verwaltungsgerichtsgeschäfte eingegangen waren, stieg deren Zahl im Jahre 1941 auf 138 und im Jahre 1942 auf 215; im Jahre 1943 sind 199 und im laufenden Jahre bis Ende Oktober 220 Geschäfte anhängig gemacht worden. Für die Zukunft muss infolge der Einführung der Verrechnungssteuer mit, einer weitern beträchtlichen Zunahme der Geschäfte gerechnet werden, und zwar kann die Zunahme nicht als eine nur vorübergehende Erscheinung betrachtet werden. Dazu kommt, dass die neuen Fiskalgesetze zum Teil auf neuen, vom Hergebrachten abweichenden Konzeptionen beruhen und darum in rechtlicher Hinsicht zahlreiche Probleme aufwerfen. Die Erledigung des einzelnen Falles nimmt deshalb wegen der Entscheidung grundsätzlicher Fragen von weittragender Bedeutung erhebliche Zeit in Anspruch. Infolge dieser starken Vermehrung der Geschäftslast können die Mitglieder der verwaltungsrechtlichen Kammer1 nicht mehr im gleichen Masse wie früher zur Mitwirkung in der Staatsrechtspflege herangezogen werden. Sie müssen in dieser Eichtung entlastet werden ; eine ausreichende Entlastung erscheint jedoch dem Bundesgericht bei einer Besetzung der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung mit nur neun Eichtern nicht als möglich, um so weniger, als für die staatsrechtlichen Streitigkeiten mit dem 1. Janaur 1945 die; durch den Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 provisorisch eingeführte Herabsetzung des Quorums dahinfällt.

Die Zahl der staatsrechtlichen Streitigkeiten ist nicht etwa geringer als vor dem Kriege, sondern hat, nach einem Eückgang in den ersten Kriegsjahren, 1942/43 wieder den Stand erreicht, ! den sie in den Jahren 1936--1938 hatte.

Das Bundesgericht hat auf verschiedene Weise versucht, die notwendige Entlastung der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung ohne Erhöhung der Mitgliederzahl des Gerichts zu erreichen. Es erklärt jedoch, dass diese Massnahmen sich als unzulänglich erwiesen haben und die Zuteilung
eines zehnten Eichters an diese Abteilung nicht zu ersetzen vermögen. Auch die Umteilung eines Mitgliedes einer andern Abteilung ist nicht möglich. Der Kassationshof verfügt nur über die vom Gesetz vorgeschriebene Zahl von fünf Mitgliedern und kann somit keines von ihnen abgeben. Die Zivilabteilungen, die zwar je sechs Mitglieder haben, sind hiezu ebenfalls ausserstande, weil sie sonst die eigene Arbeit nicht mehr zu bewältigen vermöchten.

Vorübergehende Aushilfe wird durch Mitglieder anderer Abteilungen geleistet. Eine vermehrte Beteiligung der Mitglieder anderer Abteilungen an den staatsrechtlichen Geschäften wird von der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung als nicht opportun bezeichnet, weil die bloss gelegentliche Betätigung im Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechts keine : zureichende Vertrautheit mit der Materie zu vermitteln vermöge. Zudem könnte eine solche Bundesblatt. 96. Jahrg. Bd. I.

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1450 Aushilfe vermutlich nur während verhältnismässig kurzer Zeit in ausreichendem Masse geleistet werden, da die Geschäfte der andern Abteilungen nach Beendigung des Krieges voraussichtlich wieder ansteigen werden. Auch die vermehrte Zuziehung von Ersatzmännern würde nach Ansicht des Bundesgerichts keine praktisch wirksame Entlastung bewirken, zumal erfahrungsgemäss die Ersatzmänner nicht für längere Zeit abkömmlich sind.

Eine Lösung, wonach zur Behandlung staatsrechtlicher Geschäfte regelmässig Mitglieder anderer Abteilungen oder Ersatzmänner herangezogen werden müssen, geht auf die Dauer nicht an. Denn sobald der starke Geschäftsandrang nicht als eine bloss vorübergehende Erscheinung aufzufassen ist, drängt sich im Interesse der Eechtspflege die Notwendigkeit auf, dass der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung zehn Mitglieder zugeteilt werden und dass zu diesem Zwecke die Gesamtzahl der Eichter um ein Mitglied erhöht werde.

Die vom Bundesgericht gewünschte Vermehrung seiner Mitgliederzahl auf 27 erfordert eine Abänderung des Bundesbeschlusses vom 26. September 1928.

Wir unterbreiten Ihnen den Entwurf eines neuen Bundesbeschlusses, der jenen ersetzt und in Art. l die Zahl der Gerichtsmitglieder auf 27 festsetzt.

Das bisherige Organisationsgesetz hatte die Zahl der Ersatzmänner des Bundesgerichts auf neun festgesetzt. Das neue Gesetz hat sie erhöht, indem es den Eahmen 11--13 aufstellt. Innerhalb dieses Eahmens bleibt somit noch die Zahl der Ersatzmänner zu bestimmen. Art. l des Beschlussesentwurfs setzt sie auf 11 fest, so dass gegenüber dem bisherigen Zustand eine Vermehrung um zwei Ersatzmänner eintritt.

Laut Art. 7, Abs. l, des neuen Organisationsgesetzes bestimmt die Bundesversammlung die Zahl der Gerichtsschreiber und Sekretäre. Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 26. September 1928 hatte die Zahl der Gerichtsschreiher auf sechs und die der Sekretäre auf acht festgesetzt und zugleich bestimmt, dass, wenn die Stelle eines Gerichtsschreibers nicht besetzt wird, das Bundesgericht einen weiteren Sekretär anstellen kann. Durch Art. 17 des Bundesbeschlusses vom 11. Dezember 1941 -- dessen Geltungsdauer auf Ende 1944 abläuft -- ist dann das Bundesgericht ermächtigt worden, je einen weiteren Gerichtsschreiber und Sekretär oder zwei weitere Sekretäre anzustellen.

Von dieser Ermächtigung
hat das Bundesgericht Gebrauch gemacht. Art. 2 des Beschlussesentwurfs bringt materiell keine Änderungen gegenüber dem derzeitigen Zustand ; es bleibt wie bisher bei der Zahl von 16 Protokollführern, wobei das Bundesgericht entweder sieben Gerichtsschreiber und neun Sekretäre oder aber sechs Gerichtsschreiber und zehn Sekretäre wählen kann.

Der vorgeschlagene neue Bundesbeschluss ist -- wie derjenige von 1928, den er ersetzt -- ein einfacher Bundesbeschluss, da die Bundesversammlung innerhalb des gesetzlichen Eahmens für die Festsetzung der Zahl der Mitglieder, Ersatzmänner und Protokollführer des Bundesgerichts abschliessend zuständig ist. Das neue Organisationsgesetz tritt am 1. Januar 1945 in Kraft; es erscheint als erwünscht, dass auch der vorgeschlagene Bundesbeschluss bald in Kraft treten könne.

1451 Wir empfehlen Ihnen, den beiliegenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Dezember 1944.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Stampfli.

Der Bundeskanzler:

Leimgrnber.

(Entwurf.)

Bundesbeschliiss über

die Zahl der Mitglieder, Ersatzmänner, Gerichtsschreiber und Sekretäre des Bundesgerichts.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung von Art. l und 7 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Dezember 1944, beschliesst: :

Art. 1.

Die Zahl der Mitglieder des Bundesgerichts wird auf 27, die Zahl der Ersatzmänner auf 11 festgesetzt.

Art. 2.

: Die Zahl der Gerichtsschreiber des Bundesgerichts wird auf 7, die Zahl seiner Sekretäre auf 9 festgesetzt. An Stelle eines Gerichtsschreibers kann das Bundesgericht einen weiteren Sekretär wählen.

Art. 3.

Dieser Beschluss tritt am 1945 in Kraft.

Auf diesen Zeitpunkt wird der Bundesbeschluss vom 26. September 1928*) über die Zahl der Mitglieder, der Gerichtsschreiber und der Sekretäre des Bundesgerichts aufgehoben.

*) A. S. 44, 716.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Zahl der Mitglieder, Ersatzmänner, Gerichtsschreiber und Sekretäre des Bundesgerichts. (Vom 4. Dezember 1944.)

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1944

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4639

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07.12.1944

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