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Schweizerisches b £ $ fr l tt' 11*

Jahrgang II. Band III.

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Samstag, den 9. Sintermonat 1850.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Jahr 1850 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i grkn. 3.

Inserate sind fxanlirt an die Expedition einzufenden. Gebühr l Batzen per Zeile oder deren Raum.

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Verhandlungen der Bundesversammlung, des National- und Ständerathes.

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des

Herrn Dr. K e r n , Präsident des Nationalrathes, gehalten bei der Eröffnung der ordentlichen Sizun des Nationalrathes am 4. Winter monat 1850.

Tit.

In Folge des in Ihrer letzten Versammlung gefaßten Beschlusses sind Sie heute wieder zusammengetreten, um diejenigen Geschäfte zu behandeln, welche feit der Vertagung unfrer ordentlichen Sitzung vom Bundesrathe vor* bereitet worden sind. Als ich das erste Mal die Ehre hatte, die Leitung Ihrer Verhandlungen zu übernehmen, konnte ich mit aller Zuversicht voraus sagen, die erste S3m.desb.att. Jahrg. II. Bd. III.

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396 Abtheilung ber ordentlichen Sitzung werde von kurzer Dauer sein. Ganz anders jetzt. Seit unserer letzten ...Bersammlunc-. siiti? mehrere Gefetzedentwürfe auf unser ©eschäftsverzeichmj} neu hinzugekommen, welche ihrem Umfange, ihrer Wichtigkeit und theilweise auch ihrer Schwierigkeit nach zu längern Berathungen reichen Stoff bieten.

Eine kurze Hinweisung auf einige derselben wird genügen, uns nachdruckfam zu mahnen, die Zeit wohl zu benutzen, um auch nur die dringendsten und wichtigsten Traktanden während unserer dießmaligen Versammlung erledigen zu können.

Die vorliegenden Gesetzesprojekte sind, wie die meisten derjenigen, die wir bisher behandelt haben, schon durch die Bundesverfassung selbst gefordert und gehören noch zur Ausführung derselben; so die Entwürfe über die Wahlen der Mitglieder des? Nationalrathes; über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden niid Beamten; über Einbürgerung der Heimathlosen. Durch dieses letztere Gesetz soll endlich einmal erreicht werden, was Jahrzehente hindurch oft und viel, aber immer wieder umsonst angestrebt worden ist. Fürwahr, wenn man auf die vielfachen Verhandlungen, welche an gemeinnützigen Vereinen und on eidgenössischen Tagen über diefe Angelegenheit stattgefunden haben, zurückblickt; wenn man sich daran erinnert, wie noch an der letzten Tagsatznng nach mehrjährigen S3erathnngen nur mit Mühe eine fchwache Mehrheit von Ständen für den Beitritt zu einem Konkordate gewonnen werden konnte, das zwar nicht durchgreifend geholfen, aber doch einen bedeutenden Schritt der Löfung dieser Frage näher geführt hätte, fo muß man sich aufrichtig freuen darüber, daß in Folge des neuen Bundes dem nnseligen Znstande der Heimathlosigkeit in der ganzen Eidgenosscnfchaft einmal ein Ende gemacht wird, indem diese

397 Frage nicht bloß zur Bundesfache ctUärt, sondern- die Einbürgerung dieser bedauernswerthen Menschenflasse der Bundesgefetzgebung ausdrücklich als P f l i c h t auferlegt worden ist. Den Anforderungen der Menschlichkeit wird

damit endlich Genüge geleistet, und ein Makel vom Schweizernamen getilgt, der nur allzulange an demselben ge-

haftet hat.

In Ausführung der von der ..Bundesversammlung bereits angenommenen Militärorganisation werden Ihnen Entwürfe vorgelegt werden, die sowohl mit Rücksicht ans die Ausbildung des eidgenössischen Wehrwefens als dann aber auch im Hinblick auf die dabei so sehr betheiligten finanziellen Jnteressen der Kantone ernste und umsichtige Würdigung der dabei zu berücksichtigenden Verhältnisse gebieterisch fordern; wie namentlich die ©efetzesvorschläge über Revision der Mannschafts- und Geldskala und über Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung der cidgenössifchen Armeen. -- Durch ein anderes sehr l umfassendes Gesetz werden Sie das vor dem Bnndcsgerichtc in Zivilrechtssällen zu beobachtende Verfahren festzustellen haben. Eine Frage, welche in Jhrer vorletzten Versammlung mit einer gewissen Begeisterung aufgefaßt und zu beförderlicher Untersuchung an die Vollziehnngsbehörde überwiesen worden ist, die E i s e n b a h n s r a g e , - kann dirßmal noch nicht Gegenstand Jhrer Berathungen werten; indem die Vorarbeiten noch nicht so weit gediehen sind, daß jetzt schon, bestimmte Anträge vorgelegt werden könnten. Die ..thätigfeit, welche inzwischen einer gründlichen Untersuchung und' -.Beleuchtung dieser Frage nach ihren verschiedenen Seiten hin zugewandt worden ist, bürgt dafür, daß dieselbe auch bei den vorberathenden Behörden mit demjenigen regen Interesse aufgefaßt und behandelt wird, welches Sie ihr von Anfang an gewidmet haben, und welches dieselbe im

398 Hinblick auf die Zukunft der Eidgenossenschaft in so hohem Maße verdient. So lebhaft man indessen eine möglichst

beförderliche und gedeihliche Erledigung diefer Frage wünfchen muß, so sehr macht dieselbe ihrer ganzen Natur und ihrer ökonomischen Folgen wegen den eidgenössischen Behörden eine sorgfältige und allseitige Vorberathung zur unabweisbaren Pflicht.

Zum ersten Male werden Jhnen der durch die Verfassung vorgefchriebene Rechenschaftsbericht des Bundesrathes und die Jahresrechnungen mit den darauf bezüglichen Kommissionalberichten vorgelegt werden und Jhnen eine umfassende Einsicht gewähren in den Gang der eidgenössischen Staatsadministration mit ihren verschiedenen Geschästszweigen. Sie werden dabei Veranlassung finden,

der bewährten Geschäftsthätigkeit, welche besonders das erste Jahr nach Einführung der Bundesverfassung gefordert und auch wirklich gefunden hat, die gebührende Anerkennung zu Theil werden zu lassen, dabei aber gleichzeitig über diejenigen Punkte, welche Stoff zu Bemerkungen und Desiderien für die Zukunft bieten, ruhig und unbesangen mit derjenigen Offenheit und Freimüthigkeit sich ansznfprechen, welche vor Allein im Geschäftsverkehr zwischen republikanischen Behörden am Platze ist, und welche eine ihrer Pflichttreue bewußte Verwaltung jederzeit selbst wünschen muß. Eine Mahnung wird schon bei der kurzen Dauer der eidgenössischen Staatsverwaltung gewiß unbestritten den eidgenössischen Behörden sich von selbst aufdrängen, die nämlich: in Allem, was mit dem Finanzzustande des Bundes und damit zugleich auch mit demjenigen der Kantone zufammenhängt, mit großer Vorsicht zu Werke zu gehen, die Gebote weifer Oekonomie nie aus dem Auge zu verlieren und nie zu vergessen, daß neben den Kosten der eidgenössischen Administration

399 auch noch diejenigen von 25 Kantonalverwaltungen dem schweizerifchen Volke lasten.

auf

Unsere Thätigfeit wird demnach, wie Sie sehen, auch dießmal vorzugsweise der weitern Entwicklung der Bundesverfassung und unserm eidgenössischen Staatshaushalte

gewidmet bleiben. Wir dürfen nnfer Vaterland glücklich schätzen, daß es uns vergönnt ist, ohne durch Verwicklungen mit dem Auslande oder durch Wirren im Innern gestört zu werden, die ersten Jahre nach Annahme des neuen ...Sundes unfere Kräste und das gemeinsame Jnteresse ungetheilt der weitern Ausführung desselben widmen zu können.

Nur unter solchen Verhältnissen ist es möglich geworden, neben der Organisation der eidgenöfsifchen Behörden, die durch den Bund geforderte Einheit in den wichtigsten materiellen Fragen, im Zoll-, Münz- und Post-, wesen theils wirklich in's Leben zu führen, theils wie beim Münzwesen wenigstens von Seite der Gesetzgebung zum Abschluß zu bringen und sür die Vollziehung vorzubereiten; dieß Alles in einem so k u r z e n Zeitraum, wie man es zur Zeit der Schöpfung des nenen Bundes kaum zu hoffen wagte und wie man es mit Rücksicht auf die mit der Behandlung solcher Fragen verbundenen Schwierigkeiten auch kaum erwarten durfte. Es bildet dieß aber zugleich auch ein ermunterndes Zeugniß für die Lebenskraft und ·praktische Ausführbarkeit der neu gestalteten politifchen Organisation unsers Bundes, die allmälig auch bei früpern Gegnern derselben ihre Anerkennung findet und bei ruhiger besonnener die Eigenthümlichkeit unfers Landes weise berücksichtigender Entwicklung sich solche immer mehr wird zu verschaffen wissen.

Lassen Sie uns mit unverdrossener Thätigkeit auf der betretenen Bahn fortschreiten und n i e entmuthigt werden.

400 tvenn hie und da die neuen Schöpfungen noch mit .2chu...ri
feiten zu kämpfen haben. Neuerungen, welche alt|per3('br<.tff)te ©ewohnheiten fo vielfach verletzen und btòljeriiic -reibst-.

.Herrlichkeit theilweise vernichten müssen, sinben nicf.i seKi-r« erst dann die ihnen gebührende Anerkennung, wenn die Schwierigkeiten der ersten Einsührung ftberanuidcn Mnt.

Aber bei allem Interesse, das wir auch fernerhin bcsriedigender Lösung der sogenannten materiell.?!! Sragm jit.-wenden sollen und wollen, lassen Sie une über de« selben auch die politischen P r i n z i p i r n, die durch den neuen Bund zum Gemeingut aller Eidgci.csffu j-jrworden sind, mit nie erkaltender Begeisterung und iuivfrbrüchlicher Treue nach allen Seiten hin wabren, .oflfßeii und schützen, wo sie immer Anfechtung finden tXïtn...

Lassen Sie uns nie dem Wahne uns hingeben, aie ob mit dem neuen Bund der Kampf für die in ihm »oal'ienden Grnndfätze durchgekämpft fei, als ob .'cncr einer freien fortschreitenden Entwicklung feindselige ©ein, m besiegt werden mußte, ehe ein neuer Bund die 0'ini.eif und Kraft der Eidgenossenfchaft fest begründen remile, für immer überwunden fei! Seit unferer letzten -.Berfammlung hat sich mehr als eine Erscheinung in .inferiti Vaterlande kund gegeben, die beweist, dajj ria ...cwiiìcr Geist der Unduldsamkeit, daß jene verderbliche Richtung, welche die wichtigsten Rechte des Sîaatcê in À-rage stellen, und unter Eidgenossen verfchiedencn («ta u ben?bekenntmsses wieder Mißtrauen - heraufbefchwörcu möchte, nicht aufgegeben worden ist, sondern gewisserma§cn mir zu schlummern schien, um' -- wo man Zeit tint uPerbalniiffe für günstig hält -- desto kühner wieder 9eri*c-rz.itrettn. ; Jch brauche Jhnen diese Erscheinungen, dicasi i.- c r.' rf'i t * d e n e n Orten aber in g l e i c h e m Sinn sich fünf ncbni, nicht näher zu zeichnen. Sie kennen diefd&n..

4ol .Ödöjieii AU$ solche Bestrebungen manchem Vaterïand.îfr?u..ï>e gewisse Besorgnisse einflößen, so sollen sie boct.. uiifcr .-Berirauen in die Zukunft der Eidgenossenschaft «je erschüttern, hat schon unter dem Bundesvertrage vorn Iahrf 181;"), eine folche Richtung am gesunden Sinn, an ber fl-r-nt '!>·($ Schweizervolkes und an der Einsicht und Fesiiflffi. ...er "Behörden scheitern müssen, so liegen in dem gerade a«, solchen Kämpfen hervorgegangenen neuen ...Bmii.« oer 'Befugnisse und Mittel noch mehr, jeder Gefa|r. ·.->..·» welcher Seite sie auch kommen möchte, zur vt&tea 3-»1 mi* aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

I6 ·)>(& da-j feste Vertrauen, daß unsere jetzigen Bundes«iimétii ..£.,n. und die aus denselben hervorgehenden Beftövöen, wenn |e von Außen oder von Jnnen der durch ben neuen ..Sund gewährleistete Rechtszustand wirklich gefäS>mi toevoeit wollte, solche ernste Prüfungen mit Ehren -.ju feq'iciieii wüßten. Lassen Sie uns daher jederzeit sorgfarne und iveiie Wächter sein über den Rechten und den Frieden der neiigestalteten Eidgenossenschaft, deren heiligste Injer-.-Hsn ..ms anvertraut sind ! Aber lassen Sie uns auch ·3etr.ojif.ri .JOhuftes in die Zukunft fchauen ! Wer redlichen Strebend nichts anderes will, a*... was recht ist, was des .-.ÖrttertnubeiS Ehre und Freiheit, des Volkes Wohlfahrt fpvbm, î>at ws der Zukunft nichts zu fürchten.

;»* fxfläre die auf den 4. November vertagte Sitzung ipi-e -turItonalvatheö wieder als eröffnet.

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Rede des Herrn Dr. Kern, Präsident des Nationalrathes, gehalten bei der Eröffnung der ordentlichen Sizung des Nationalrathes am 4. Wintermonat 1850.

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09.12.1850

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