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Aus den Verhandlungen des Bundesrathes.

Beschluß des

schweizerischen Bundesrathes in der Rekurssache verschiedener Angehöriger des Kt. Schwtyz, das Verbot gemischter Ehen betreffend.

(Vom 4. März 1850).

Tit.!

Es liegen verschiedene Rekursfchriften gegen die Regierung von Schwyz vor, welche sich auf denselben Gegenstand, nämlich das Verbot gemischter Ehen, beziehen und daher gemeinsam zu behandeln sind, zumal dieselben

im Wesentlichen dieselbe Begründung haben. Es sind folgende drei: 1) Ein Rekurs von Joseph Fries, von Steinen, Kt.

Schwyz, seßhaft in Bern, d. d. 2. August 1849.

2) Ein Rekurs von B. Fridolin Benz, Arzt, in Sieb-

nen, Kt. Schwyz, d. d. 22. August 1849.

3) Eine Petition des Stephan Fleischmann, von Altendorf, und der Elif. Kriner, von Zezwyl, Kt. Aargau, d. d. 27. ..Januar 1850, adrefsirt an die Regierung von Aargau und durch diefe unter Berufung auf Art. 48 der Bundesverfassung beim Bundesrathe unterstützt.

Die fämmtlichen Befchwerden beruhen darauf, daß die Regierung von Schwyz, gestützt auf ein Gesetz vom 3. Mai Bundesblatt I. 34*8. H. Bd. I.

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262 1840 ihre Einwilligung zur Verehelichung der Rekurrenten mit protestantischen Schweizerbürgerinnen verweigere.

Dieses Gesetz lautet so.

,,§.

1.

"Die Verehelichung mit Personen nicht-.katholischer ,,Konsession ist den Angehörigen des hiesigen Kantons für ,,die Zukunft gänzlich ohne alle Ausnahmen untersagt."

,,§. 2.

,,Es dürfen demnach von Behörden oder einzelnen ,,Beamteten des hiesigen Kantons für gemischte Ehen ,,künstighin unter keinen Umständen, mögen diese sein, "welche sie immer wollen, Bewilligungen ertheilt werden."

Der oberwähnte Rekurs des Herrn Benz, von Siebnen, welcher am einläßlichsten motivirt ist, enthält im Wesentlichen Folgendes: Das zitirte Gesetz konsessioneller Undulds

samkeit, würdig der Jefnitenherrfchaft, enthält folgende Beschränkungen der bürgerlichen Freiheit:

1) Es entzieht den reformirten Angehörigen der Schweiz die Befngniß, mit einem Bürger oder einer Büxgerin des Kantons Schwyz einen Ehevertrag einzngehen.

2) Es macht die Ausübung eines natürlichen Rechtes

von kirchlichen Ansichten abhängig.

3) Es räumt Ausländern und Ausländerinnen gegen-

über schweizerischen Angehörigen in Bezug auf Erbschasten und Einbürgerung wichtige Vorrechte im Kanton Schwyz ein.

4) Wer im Kanton Schwyz evangelisch wird, muß auf sein Menschenrecht, aus sein Bürgerrecht, oder ans Ehre und Eigenthnm verzichten, da er nach dem Wortlaut des Gefeizes weder eine nicht-katholische noch eine katholische Person heirathen, d. h. weder eine ungemischte noch eine gemischte Ehe eingehen darf.

263 Dieses Gesetz, sagt der Rekurrent weiter, beruht auf Vorrechten der katholischen Kirche, aus Verpönung christlicher Duldsamkeit und ans einer fonderbündischen Scheidung der Eidgenossenschast; es steht im Widerspruch mit Art. 2 der Bundesverfassung, welcher den Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinfamen Wohlfahrt will, mit Art. 4, welcher alle Schweizer vor

dem Gesetze gleich erklärt, mit Art. 48, welcher die Kantone verpflichtet, alle Schweizerbürger christlicher Konfession in der Gesetzgebung fowohl als im gerichtlichen Verfahren den Bürgern des eigenen Kantons gleich zn halten. Das

Gefetz steht zudem mit den Art. 41 -44 im Widerspruch, weil der Fortbestand desselben ein eigentlicher Hohn gegen die vom Bunde zugesicherte sreie Niederlassung, politische Rechtsgleichheit, Glaubensfreiheit und Heimathrecht wäre.

Die Religionsfreiheit hat keinen Werth, wenn fchw«zcrische Angehörige, indem sie davon Gebrauch machen, sich eines Menschenrechtes beraubt sehen. Wenn die Schweizer vor dem Gesetze gleich sind, so hat die Regierung von Schwyz kein Recht, katholischen Jn- und Ausländern ein Heirathsmonopol für einen Theil der Eidgenossenschaft zu geben, znmal die christlichen Konfessionen gleichgehalten werden sollen ; sie hat kein Recht, Ehen als Konkubinat zu brandmarken-, weil die eine Ehehälfte sich zu derjenigen Kirche bekennt, welcher die Mehrheit des Schweizervolkes zugcthan ist. Niemand wird es unbillig finden, daß endlich Schweizerinnen evangelischer Konfession ben katholischen Oesterreicherinnen, Schwäbinnen u. s. w. gleichgestellt werden. Jn kirchlicher Beziehung kann die Aufhc!.a.ng des Verbotes umsowenigcr Schwierigkeiten darbieten, als die kaiholischen Kantone sich in Disziplinarsachen nie dem Entscheide der Kirchenvcrsammlungen und Päpste unterwarsen, sondern nur in dogmatischen Dingen.- -- De.1

264 ÜRekurrent erwähnt noch der Konkordate vom Jahr 1812 und 1819, welchen auch ganz katholische Kantone beige-

treten seien, während Schwyz und Appenzell allein das Eingehen gemischter Ehen mit dem Verluste des Bürgerrechts bedroht haben und hebt endlich noch hervor, daß die die Bundesverfassung vorberathende Kommission den Grundsag aufgenommen habe, der Erwerb der bürgerlichen und politischen Rechte dürfe nicht von einer der christlichen Konsessionen abhängig gemacht werden. Der Rekurs schließt mit dem Gesuche, daß das Gesetz vom 3. Mai 1840 unanwendbar erklärt und die Regierung von Schwyz angewiesen werde, die bloß aus konfessionellem Grunde vorenthaltene Bewilligung zur Verehelichung zu ertheilen.

Es ist nicht nöthig, auch den Inhalt der beiden andern Rekurse zu erwähnen, da dieselben, wenn auch in kürzerer Fassung, doch dem Wesen nach auf dem nämlichen Raisonnement beruhen. Nur ist zu bemerken, daß der Rekurs des Joseph Fries, von Steinen, sich auch noch darüber beschwert, daß seine Braut 300 Fr. eigenes Vermögen

als Einzugsgut hinterlegen sollte.

Die Regierung von Schwyz berichtet über diese Rekurse, sie könne sich nicht veranlaßt finden, dieselben vom Stand»unkte des Rekurrenten zu beantworten, sie habe bloß zu bemerken, daß durch das Gesetz vom 3. Mai 1840 die gemischten Ehen verboten feien, daß dieses Gesetz weder durch die Bundesverfassung noch durch die Bundesgesetzgebung aufgehoben sei, daß bei Berathung der Bundesverfassung ein Antrag des Standes Glarus aus formelle Garantie der gemifchten Ehen sogar in Minderheit geblieben sei, und daß der Regierung von Schwöz die Handhabung 'oes Gesetzes so lange obliege, bis dasselbe aus gesetzliche Weise abrogirt sein werde.

·2h.: wir nun auf die Prüsung der Rekurse eingehen.

265 werfen wir einen Blick aus die Konkordate, welche sich auf diesen Gegenstand beziehen.

Das Konkordat vom 8. Juli 1808 und 9. Juli 1819 bestimmt: "Eine nach den Landesgesetzen geschlossene und ,,eingesegnete Ehe macht die Frau zur Angehörigen des,,jenigen Kantons, in welchem der Mann d.1-* -oeimath,,recht besitzt." -- Diesem Konkordate f alle Kantone beigetreten, und es ist darin der Grundsatz ausgesprochen, daß eine Ehe, um der Frau das Bürgerrecht in der Heimath des Mannes zu verschaffen, nach den Landesgesetzen geschlossen sein müsse, d. h. unzweifelhaft nach den Gesetzen des Kantons, welchem der Mann bürgerrechtlich angehört.

Das Konkordat vom 11. Juni 1812 und 7. Juli 1819 bestimmt : ,,1) Die Ehen zwischen schweizerischen Angehörigen katholischer und resormirter Kirche sollen von den Kantonen weder verboten, noch mit dem Verlust des Bürger- und Heimathrechtes bestraft werden."

,,2) Die konkordirenden Stände erneuern die früher gegen alle Folgen folcher Verbote oder Heimathslosigkeitserklärnngen eingegebene Verwahrung aus das Kräftigste und erklären, daß sie diejenigen Jndividuen, welche um solcher vermischter Ehen willen ihr Heimathrecht verloren hätten, niemals aufnehmen, sondern beharrlich an die betreffenden Kantone zurückweisen werden."

Diesem Konkordate blieben einzig fremd die Kantone Uri, Schwyz, Unterwalden, Appenzell und Wallis. Der letzte Stand erklärte damals, er wolle in keine Verbindlichkeit eintreten, ungeachtet nach den dortigen Gesetzen die gemischten Ehen weder eigentlich verboten noch mit dem Verlust des Landrechts bestraft werden. Seither hat freilich die Gesetzgebung von Wallis anders verfügt.

266 Denn das Gesetz vom 23. Dezember 1837 bestimmt in ABT. 4. ,,Le?, mariages de Valaisans ou de Valaisannes avec des personnes qui ne professent pas la religion catholique sont et demeurent prohibés dans et hors du canton."

Uri und Unterwaldeu erklärten, daß ihre Gesetze keine paritätischen Ehen gestatten, daß aber, wenn solche dennoch geschlossen worden wären, die Eheleute und ihre Nachkommen deßwegen ihr Heimathrecht nicht verlieren sollen. Durch diese Erklärungen sand sich die Tagsatznng beruhigt, so daß der Vorbehalt in §. 2 des Konkordats nur noch gegen Schwyz und Appenzell gerichtet war, Nun ist aber bekannt, daß Appenzell A.-R!... seither die gemischten Ehen gestattet hat. Gegenwärtig existirt also ein Verbot gemischter Ehen in den Kantonen Uri, Schwyz, Unterwalden, Appenzell J.-Rh. und Wallis. Von einem .Verluste des Landrechts ab Seite der diesen Kantonen angehörenden Ehemänner kann nach der neuen BundesVerfassung natürlich keine Rede mehr sein, auch wenn diese Androhung noch existiren sollte, was übrigens ans dem Gefetze des Kantons ©chwyz vom 3. Mai 1840 îeineswegs h.ervorgeht. Da auch in den Rekurfen von dem Verluste des Bürgerrechts gefprochen wird, fo ist es angemessen, hier bestimmt hervorzuheben, daß nach Art. 43 der Bundesverfassung weder durch Uebertritt zu einer andern Religion, noch durch Eingehung einer gemischten Ehe ein schon vorhandenes Bürgerrecht verloren werden kann, womit freilich njcht gesagt ist, daß in den erwähnten Kantonen die Frauen und Kinder das Bürgerrecht des Mannes und Vaters erwerben.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über den Standpunît der Angelegenheit gehen wir zur Prüfung der vorliegenden Spezialfälle und der ©runde der ..Äekurrcnte«.

267 Würde es sich um eine Kritik des Schwyzerifchen Gesetzes vom 3. Mai 1840 handeln, die von eintm freien und allgemeinen Gesichtspunkte ans den Werth oder Unwerth des Gefetzes zu prüfen hätte, oder befänden wir uns in einer rechtlichen Stellung, vermöge deren wir gegen schlechte und verwerfliche Gesetze der einzelnen Kantone ein unbedingtes Veto einlegen könnten, so müßten wir das fragliche Gesetz mit lanter Stimme vernrtheilen, weil es auf unchristlicher Intoleranz beruht und Unduldsamkeit

fortpflanzt, weil es das Nationalgefühl beleidigt und einer gedeihlichen Entwicklung des eidgenöfsischen Sinnes und Lebens feindfelig entgegentritt. Allein wir befinden uns auf einem beschränkteren Standpunkt. Nach Art. 3 der Bundesverfassung können wir nur diejenigen Gegenstände in den Kreis unferer Entscheidungen ziehen, welche durch die Bundesverfassung oder Bundesgefetzgebung als Bundesfache bezeichnet sind. Wenn alfo über die Gefetze eines Kantons Beschwerde erhoben wird, so haben wir zunächst zu untersuchen, ob dieselben durch die Verfassung des Bundes in den Bereich der Bnndesgewalt gezogen oder gänzlich der Kantonalsouveränetät überlassen seien, und im erstern Fall, ob sie mit den ..Bestimmungen der Bundesversassung im Einklang stehen oder nicht. Nur von diesem Standpunkte aus, der als ein Hauptprinzip in den Artilel 3 der Bundesverfassung niedergelegt ist, können die Bundesbehörden über die Gesetzgebung der Kantone eintreten und sie sind keineswegs berufen, die Zweckmäßigkeit oder Verwerflichkeit derselben im Allgemeinen ihrem Entscheide zu unterwerfen. So wünfchbar es bisweilen wäre, die Grenzen der Bundesbefugnisse ztt überfchreiten, um grelle Uebelstände zu beseitigen, welche mit dem liberalen und humanen Geiste der Bundesverfassung im Widerspruche stehen, so rechtswidrig und ge-

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sährlich wäre es ans der andern Seite, dieser Versuchung

Folge zu geben, rechtswidrig, weil das Grundgesetz der Eidgenossenschaft wenn auch in edler Absicht gebrochen wird, gefährlich, weil das Vertrauen und die Achtung die ihm gebühren erschüttert werden, und weil die jeweilige Bundesgewalt, welcher politischen Richtung sie immer angehören mag, bei weitern Uebergriffen in Antezedentien ihre Rechtfertigung fuchen wird.

Von dem gegebenen Standpunkte aus haben wir also die vorliegenden Beschwerden zu untersuchen und ihre Gründe zu würdigen. Die Rekurrenten scheinen dieses einzusehen und berusen sich wirklich auf vermiedene Artikel der Bundesverfassung, mit welchen nach ihrer Ansicht das Verbot gemifchter Ehen im Widerspruch stehe. Es sind folgende : Art. 2. ,,Der Bund hat zum Zweck: Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen, und Besörderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt."

Wir geben zu, daß die Aufhebung des Verbots der gemischten Ehen die Summe der Freiheit vermehren und zur Beförderung der gemeinsamen Wohlsahrt beitragen würde, und insofern steht jenes Verbot einer vollständigen Erreichung des allgemeinen Zweckes entgegen, allein dasselbe ist der Fall bei hundert andern Uebelständen, von denen gewiß niemand behaupten wird, daß sie in den Bereich der Bundesgewalt gehören. Wenn der Art. 2 den allgemeinen und absoluten Sinn hätte, die Bundesbehörden dürfen sich in alles mischen, was jenem Zweck entgegenstehe, so hätte man füglich den allgemeinen Theil der Bun...t.i3verfassung schließen können mit dem Art. 2, statt mit unendlicher Schwierigkeit alle Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen zu bestimmen und alle Gegenstände speziell zu bezeichnen, welche in den -.Bereich der Bundes-

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gesetzgebung gezogen werden dürfen. Es muß also jeder* mann klar sein, daß die in Art. 2 ausgesprochene Zweckbestimmung die notwendige Beschränkung in sich trägt: soweit dieser Zweck durch die speziell bezeichneten Befugnisse des Bundes erreicht werden könne. Schon der Art. 3 muß jeden Zweifel hierüber beseitigen, denn er stünde in unauflösbarem Widerspruch mit dem Art. 2, fofern man diefen im Sinne der Rekurrenten auffassen wollte.

Es wird ferner angeführt:

Art. 4. ,,Alle Schweizer sind vor dem ©efetze gleich.

Es gibt in der Schweiz keine Unterthanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen."

Wie bei jedem allgemeinen Grundsatz muß man sich auch hier hüten, denselben wörtlich aufzufassen. So ist es wörtlich genommen gar nicht wahr, daß alle Schweizer vor dem Gesetze gleich seien. Männer stehen zum Theil unter andern Gesetzen als Frauen, Volljährige unter andern Gesetzen als Minderjährige, Fallite« unter andern als Personen mit vollen bürgerlichen Rechten und Ehren, u. s. w. Die Gleichheit vor dem Gesetze kann sich einerseits auf die Bundesgefetze, anderseits auf die Kantonsgefetze beziehen. Jn bundesrechtlichen Verhältnissen sollen alle Schweizer gleich gehalten werden, man darf nicht exzeptionell gegen einzelne Perfonen verfahren, sondern die Bundesgesetze sind gleichmäßig anzuwenden aus alle, welche je nach dem Jnhalt derselben darnach zu beurtheilen sind. Ebenso verhält es sich,:mit den Kantonalgesetzen.

Alle Schweizerbürger, welche unter den Gesetzen eines gewissen Kantons stehen, sind nach denselben gleichmäßig zu behandeln, nicht der eine so, der andere anders. Allein diese Gleichheit ist keine absolute, sondern eine relative, d. h. sie setzt die Gleichheit faktischer Verhältnisse voraus.

270 vermöge deren eine ganze Klasse von Personen unter ein gewisses Gesetz fällt. Wir haben fchon oben auf die verschiedenen Verhältnisse der Frauen, Minderjährigen u. s. w. ' aufmerkfam gemacht, um zu zeigen, daß es keine abfolute Gleichheit vor dem Gefetze gebe, sondern nur eine relarive. Wir führen noch ein Beifpiel an. In den meisten Kantonen müssen die Niedergelassenen eine jährliche Gebühr an die Gemeinde entrichten, während die Bürger

nichts bezahlen, weil das ihnen gehörige Gemeindegut die öffentlichen Auslagen bestreitet. Auch hier ist die relative Gleichheit vorhanden, fo bald auch die Kantonsbürger diefe Gebühr bezahlen müssen, infofern sie von ihrer Heimathsgemeinde in eine andere Gemeinde desselben Kantons ziehen und dadurch Niedergelassene werden. Wenden wir das Gefagte an auf das Verbot gemischter Ehen im Kanton Schwyz, so sehen wir durchaus keine Ungleichheit vor dem Gesetze; denn es findet Anwendung auf alle Angehörige diefes Kantons ohne Ausnahme. Wäre alfo diefes Verbot in andern Beziehungen mit der Bundesverfassung im Widerspruch, so läßt es sich jedenfalls vom Standpunkt der Gleichheit vor dem Gesetze nicht anfechten.

Ebensowenig kann man wohl behaupten, daß jenes SSerbot ein Vorrecht des Ortes oder der Personen enthalte.

Die Reknrrenten scheinen zwar in doppelter Beziehung auf diefen Gesichtspunkt hinzuweisen, indem sie bemerken, daß einerseits der Kanton Schwyz ein Heirathsprivilegium für die Katholiken in seinem Gebiet ausstelle, und daß anderseits katholische Ausländerinnen dadurch ein Vorrecht vor protestantischen Schweizerinnen erhalten. Jn der erstern Beziehung ist zu erwiedern, daß von einem Pri»ilegium nicht die Rede sein kann, wenn ein Gesetz alle Angehörigen eines Landes umfaßt, und daß jeder Kanton

271 berechtigt ist, seine Gesetze auf alle Schweizer anzuwenden, insoweit die letztern unter seine Landeshoheit kommen.

Mancher Kanton hat noch Gesetze, welche den Einwohnern anderer Kantone sehr hemmend erscheinen, z. B. über Erwerbung des Bürgerrechts, überEinheirathnngsgebühren der Frauen u. dgl. Allein man muß sich denselben unterziehen, sobald sie für die Einwohner des betreffenden Kantons ebenfo gelten, wie für die Angehörigen anderer Kantone. Eine befondere Beachtung verdient das erstere Beispiel, die Erwerbung des Bürgerrechtes, darum, weil in mehreren Kantonen nach ihrer Verfassung nur Katholiken das Bürgerrecht erhalten können. Diefe Bestimmung .hat im Verhältniß zur Bundesverfassung eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Verbote gemischter Ehen, denn auch hier tritt die Konfefsion auf und begründet eine Ungleich-

heit der politischen und bürgerlichen Rechte; auch hier läßt sich mit Grund sagen, diese Bestimmung sei intolerant, sei ein Hinderniß eidgenössischer Entwickelung und Einigung, und stehe im Widerspruch mit dem ganzen Geiste der Bundesverfassung ; auch gegen diefe Bestimmung laffen sich mit gleich viel Grund die nämlichen Artikel derfelben zitiren. Dennoch weiß jedermann, daß dieselbe zugelaffen wurde, und daß die Verfassungen, welche dieselbe enthalten, garantirt sind; auch ist es bis jetzt niemanden eingefallen zu behaupten, daß diefe Beschränkung des Bürgerrechtserwerbs verfassungswidrig sei.

Jn Bezug auf den zweiten Punkt, nämlich das behauptete Vorrecht katholifcher Ausländerinnen, kann man vielleicht von einem Vorrecht sprechen, aber nicht von einem Vortheil im rechtlichen Sinn des Wortes, indem das gleiche Gefetz gegen alle Personen, seien sie Kantonsbürger, Schweizer oder Landeefremde, angewendet wird.

Wenn die Gefetze eines Staates die Bedingungen fest-

272 setzen, unter welchen Jedermann an einer Institution desselben Theil nehmen kann, so kann es allerdings leicht geschehen, daß viele Landesbürger auegeschlossen werden, während Fremde, weil sie jene Bedingungen erfüllen können, Zutritt finden. Wir wollen, um gerade bei der Institution der Ehe stehen zu bleiben, ein Beispiel au
Die Rekurrenten berufen sich sodann besonders aus Art. 48 der Bundesverfassung :\Sämmtliche Kantone sind verpflichtet, alle Schweizerbürger christlicher Konfession in der Gesetzgebung sowohl als im gerichtlichen Verfahren den Bürgern des eigenen Kantons gleich z« halten."

Man hat unbegreiflicher Weise hierin eine Gleichste!lnng der beiden Konsessionen in allen politischen und bürgerlichen Rechten finden wollen; wir sagen, unbegreiflicher

Weife, weil fowohl der Wortlaut des Artikels, als der Gang der hierüber gepflogenen Berathungen mit aller Entschiedenheit gegen eine solche Auffassung sprechen. Wir heben zur Widerlegung derselben folgende Punkte hervor: 1) Die Worte: ,,Den Bürgern d e s eigenen K a n t o n s -- " beweisen ganz klar, daß es sich hierüber

273 überall nicht um einen Grundsatz, der die Konfessionen betrifft, handelte, sondern um den Gegensatz von Kantons...

bürgern und Schweizerbürgern, welche hie und da in

manchen zivilrechtlichen Verhältnissen, z. B. im Konkursrecht, Erbrecht u. s. w., verschieden gehalten wurden.

Diesem Uebelstand sollte nun durch den Grundsatz abgeholsen werden, daß kein Kanton Ausnahmen zum Nachtheil von kantonsfremden Schweizerbürgern machen dürfe, sondern daß diese unter den nämlichen Gesetzen stehen sollen, wie die Kantonsbürger. Die Verhandlungen der Versassungsrevisionskommission beweisen diese Auffassung unwiderlegbar.

2) Sowohl der Entwurf der Revisionskommifsion, als der erste Entwurf der Tagfatzung enthielt die Worte: ,,christlicher K o n f e f f i o n " nicht, was ja ganz unerklärbar wäre, wenn man einen aus die Konfessionen bezüglichen Grundsatz hätte aufstellen wollen. Erst bei der letzten Berathung der Verfaffung wurden auf den Antrag der Redaktoren diese beiden Worte aufgenommen, aber einzig mit Rücksicht ans gewisse Ausnahmegesetze, welche hie und da hinsichtlich der Jsraeliten vorhanden sind, und die man nicht ausheben wollte. (Vide Verhandlungen der Tagsatzung über die Verfassung, pag. 270).

3) Es ist aber auch ein schlagender positiver Beweis dafür vorhanden, daß man nicht fo weit gehen wollte, eine völlige Gleichheit der beiden Konfessionen in politifchen und bürgerlichen Rechten anszufprechen. Bei Be-

handlung des Art. 44 (im damaligen Entwurf Art. 42) wurden folgende Anträge gestellt: a. Von Glarus: Der Bund sichert das Recht, gemischte Ehen einzugehen. Weder die Eingehung, noch der Uebertritt »on einer Konfession zur andern können Nach*

274 theile mit Bezug auf politifche Rechte zur Folge haben.

b. Von Genf:

Nul citoyen suisse ne peut elre privé de ses droits civils et politiques en raison de ses opinions religieuses ou du culte qu'il exerce.

c. Von Zürich: Kein Kanton darf durch Verfassung oder Gefetz Schweizer irgend einer christlichen Konfession fur unfähig erklären, das Bürgerrecht zu erwerben.

Nach einläßlicher Diskussion, worin sich zum Theil die Gesandtschaften der liberalsten Kantone gegen diese Anträge auösprachen, wurden dieselben entweder zurücfgezogen oder blieben in der Minderheit. (Vide Tagsatzungsverhandlnngen, pag. 86 bis 91).

4) Wenn der Art. 48 eine Gleichstellung der Konsessionen in Bezug aus bürgerliche oder politische Rechte enthalten würde, so müßte er sich nothwendig auch aus den Erwerb des Bürgerrechts beziehen, was, wie bereits gezeigt wurde, anerkanntermaßen nicht der Fall ist.

Die Rekurrenten erwähnen sodann noch beiläufig die Artikel 41 bis 44 der Bundesverfassung, indem sie bemerken, daß das Verbot gemischter Ehen, wenigstens in* direkt damit in Widerspruch stehe, und einen Hohn gegen die dort zugesicherten Rechte enthalte. Obwohl wir bereits zugaben, daß jenes Gebot als eine fehr verwerfliche Beschränkung zu bezeichnen sei, so vermögen wir keineswegs einzusehen, daß diese Artikel der Bnndesversassung in einem wirklichen Widerspruche mit jenem Verbote stehen, so daß dadurch die Kompetenz der ..Sundesbehörden begründet würde. Denn alle diese Artikel haben gleichwohl ihre große, reelle Bedeutung, sie enthalten ganz andere Rechte, als dasjenige, eine gemischte Ehe einzugehen. Trotz jenem

275 Verbot muß der Kanton Schwyz jedem Schweizer, der die verfassungsmäßigen Bedingungen erfüllt, die Nieder-

lassung, die Ausübung der politifchen Rechte und des Kultus gestatten, und darf keinen Bürger des Bürgerrechts verlustig erklären, auch wenn derselbe eine gemischte Ehe einginge oder zum protestantischen Kultus überträte.

Aus allem diesem geht also hervor, daß die Bundesverfassung den Unterfchied in bürgerlichen und politifchen Rechten, welcher hie und da auf Grundlage der beiden christlichen Konfessionen besteht, nicht (n ihren Bereich ziehen wollte, fondern diefen Gegenstand der Gefetzgebung der Kantonalfouveränetät überließ. Das Verbot gernifchtcr Ehen gehört, wie die andern Ehehindernisse, in das Gebiet der Zivilgefelzgebnng, die ohnehin, soweit nicht die -.Bundesverfassung oder Konkordate beschränkend einwirken, ausschließlich Sache der Kantone ist. Da nun die Bundesverfassung nichts Entgegenstehendes verfügt, und Schwyz dem Konkordate vom 11. Juni 1812 und 1819 fremd blieb, so muß nach Art. 6 der Ueberganrtsbestimmungen der Bundesverfassung das Konkordat vom 8. Juli 1808 und 9. Juli 1813, in welchem alle Kantone stehen, fortdauern, und dieses Konkordat überläßt ansdrücklich die Gesetzgebung über die Ehen den Kantonen.

Die Refnrrenten machen noch aufmerkfam, daß die große Mehrzahl der Kantone, worunter auch ganz katho-

lifche, dem Konkordate vom Jahr 1812 und 1819 beigetreten feien. Es ist begreiflich, daß dieses an der recht-

lichen Stellung der Angelegenheit nichts ändern kann, weil der Zutritt zu einem Konkordat vom sreien Willen der Kantone abhängt. Allein die erwähnte Thatfache ist eine erfreuliche Erscheinung, sie zeigt, daß nur noch wenige Kantone sind, in denen das Verbot gemischter Ehen besteht, und daß somit die daraus hervorgehenden Nach-

276 theile bereits bedeutend beschränkt sind. Diese Erscheinung berechtigt auch zu der Erwartung, daß der eidgenössische Sinn dieser wenigen Kantone sich beförderlich eine Bahn brechen und dieses Denkmal religiöser Intoleranz aus der Gesetzgebung streichen werde.

Wenn endlich die Rekurrenten sich noch darauf berufen, daß die die Bundesverfassung vorberathende Kommission den Grundsatz aufgenommen habe, der Erwerb der bürgerlichen und politifchen Rechte dürfe nicht von einer der christlichen Konfessionen abhängig gemacht werden, so ist hieraus nur zu erwiedern, daß die Tagsatznng diesen Grundsatz wieder fallen ließ, wie es schon oben nachgewiesen wurde. Aus allen diesen Gründen wnrde beschlössen: Den Rekurrenten unter Anführung des wefentlichen Inhalts obiger Motive zu erwidern, der] Bundesrath finde sich verfassungsgemäß nicht in der Stellung, dem Kanton

Schwyz die Bewilligung der in Frage stehenden Vereh-

lichungen vorzuschreiben.

3$ a h l e n.

(Vom 4. April 1850).

Zum Kreispoftdirektor in Neuenburg wurde gewählt: Herr Paul Ieanrenaud, von Neuenburg. .-Besoldung:

gr. 1800.

Am 6. April l. J. ernannte der Bundesrath zum Vizekonsul in .Livorno : Herrn Gottlieb Friedrich Wälti, von Zurzach, Kt. Aargau.

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