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Schweizerisches

Jahrgang II. Band I.

Mro. 11.

Mittwoch, den 20. März 1850.

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Ans den Verhandlungen des Bundesrathes.

Bericht und Antrag des

schweizerischen Bundesrathes an die Bundesver* sammlung iu Sachen der sreiburgischen Kon* tributionen.

Tit.

Bern, den 7. März 1850.

Durch Beschluß vom 19. April und 14. November v. J.

hat der h. Nationalrath uns eingeladen, über verschiedene Beschwerden sreibnrgischer Bürger, betreffend eine ihnen von dortiger Regierung auferlegte Kontribution Bericht und Antrag zu hinterbringen. Wir haben fofort nach der ersten Ueberweisung vom 19. April die Beschwerden der Regierung von greiburg zur BerichtErstattung mitgetheilt. Da jedoch diese letztere erst gegen das Ende der Sommersitzung der h. BundesversammBundesbratt I. Iahrg. II. Bd. L 14

116 lung einging, so tvar es durchaus unmöglich, noch im .Laufe derfelben unfern Bericht vorzulegen und er mußte somit ohne unser Verschulden auf diefe Winterfitzung verfchoben werden. Die bekannten Ereignisse diefes Sommers, welche neben den übrigen Gefchäften unfere Zeit auf außerordentliche Weise in Anspruch nahmen, haben es allein verhindert, diesen Bericht schon im Anfang dieser Winterfitzung vorzulegen.

In nunmehriger Erfüllung unfers Auftrags werden wir nach der Reihenfolge der beiliegenden Akten den gerichtlichen Hergang darstellen, die verschiedenen Petitionen ihrem wesentlichen Inhalt nach anführen und sodann unfern Antrag beifügen.

(Act. 1.) -- Nach Beendigung des Sonderbundskriegs beschloß die provisorische Regierung des Kantons Freiburg am 29. November 1847: Es seien wegen Hochverrclths in Anklagezustand zu versetzen, die Mitglieder des Staatsraths, des diplomatischen Raths und des sonderbündischen Kriegsraths, welche für den Beitritt zum Sonderbund und für die Widerfetzlichkeit gegen die .-Tagsatzung gestimmt haben, ferner die Mitglieder der Mehrheit des Großen Raths, welche diese Beschlüsse bestätigten, und end-

lich die militärischen Chefs, die Geistlichen, die Be-

amteten und andere Personen, welche zur Unterstützung des Bürgerkriegs ihre Pflichten übertreten oder Handlungen begangen haben, die ihre Stellung ihnen nicht auferlegte. Der ...Beschluß zählt 79 solcher Personen mit Namen auf und bestimmt ferner, daß dieselben vor die ordentlichen Gerichte gebracht werden, welche sowohl über die Strafen als über die Entschädigung zu erkennen haben. Die Angeklagten sollen inzwischen im Aktiv-Bürgerrecht und in ihren amtlichen Stellungen

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suspendirt und ihr. Vermögen unter Sequester gelegt werden.

(Aet. 2.) -- Am 20. Ian. 1848 beschloß der Große Rath von Freiburg: Es sei unter den nachfolgendenBedingungen eine allgemeine Amnestie ertheilt, in der Meinung, daß die von der Regierung.zu bezeichnendenPerfoneninnerhalb einer Frist von 14 Tagen sich zu erklären haben, ob sie den Amnestiebeschluß mit seinen Bedingungen annehmen oder sich vor die Gerichte stellen wollen. Das wesentliche dieser Bedingungen besteht darin, daß die von der. Regierung zu bezeichnenden Urheber und Begünstiger des Sonderbunds und des Krieges unter solidarischer Hast die Summe von 1,6O0,0OO Frk. als Entschädigung an den Kanton bezahlen sollen mit Regreß auf allfällige andere Mitschuldige und unter Vorbehalt

der Rechtsmittel, die sie etwa gegenseitig unter sich über das ..Quantitativ der Beiträge anwenden wollen. Die betreffenden Personen verlieren ferner für 10 Iahre ihre politischen Rechte und können durch polizeiliche Maßregel zeitweise aus dem Kanton verbannt werden, wenn sie sich politischer Umtriebe schuldig machen. Mit der Unterwerfung unter diefen Befchluß foll jede weitere Verfolgung der Schuldigen aufhören. Endlich werden durch diesen Beschluß die Kloster und der Seeular-Elerus noch mit einer Kontribution von 810,000 gr. belegt

und die Regierung beauftragt, die beitragspflichtigen

Mitglieder des letztern zu bezeichnen und ihren Antheil ohne Zulassung eines weitern Rechtsmittels zu bestimmen.

(Act. 3.) -- Die proviforifche Regierung erließ am 11. Febr. 1848 hierüber eine Vollziehnngsöerordnung, in der nur 20 Perfonen aufgezählt werden, welche die Kontribution von 1,600,000 gr. zu bezahlen haben, unter Einräumung einer grist bis zum 28. Februar, inner*

118 halb welcher fie ein gerichtliches ttrtheil verlangen können.

Diese Verordnung bezeichnete ferner 83 Seeular-Geistliche, welche ihren 60,000 Fr. betragenden Antheil an die Contribution von 810,000 Fr. bezahlen sollen.

(Aet. 4.) -- Die Betheiligten wandten fich nun an den Großen Ruth mit einer Petition, wovon nur ein gedrucktes Exemplar ohne Datum und Unterschriften bei den Akten liegt. Die Petenten erklären vorerst unter Berufung auf die Verbalprozesse der Sequestration, ,,daß ihr gesammtes Vermögen nur etwa 1,20O,OO0 gr.

betrage, daß es sich also nicht um eine Abgabe oder Contribution, fondern um eine gänzliche Konfiskation handle. Sie fuchen fodann ihre Unfchuld darzuthun, und behaupten zu diesem Behuf: Die Mitglieder des Großen Rathes haben nach ihrer reinsten Ueberzeugung und besten Abficht gestimmt und sie können nach dem Gesetz für ihre Voten nicht verantwortlich gemacht werden. Das Reglement des Großen Rathes sage in Art. 33.

(Aet. 5.) ,,Un membre du Grand-Conseil ne peut ,,pas être traduit devant les tribunaux pour des ,,opinions émises, par lui dans rassemblée."

In allen liberalen Verfassungen werde die Freiheit des Votums und die Unverletzlichkeit der Dcputirten als Grundsatz aufgestellt. Noch weniger könne der Staatsrath. verantwortlich gemacht werden, da er nach der Verfassung verpflichtet fei, der fonverainen Behörde Gehorsam zu leisten und ihre Beschlüsse zu vollziehen.

Aus dem gleichen Grunde sei die Mitwirkung aller

andern Beamten schuldlos, .weil die öffentliche Ordnung und ihre Stellung fie ebenfalls zum Gehorfam verpflichtete. Vor den Gerichten könnten die Petenten noch viele andere Gründe geltend machen; fie könnten nament* lich auch darthuu, daß nach der Masse von Adressen,

119 die im Archive des Großen Rathes liegen, die gefaßten Beschlüsse im Sinne der Ungeheuern Mehrheit des freiburgisch m Volkes lagen. Die gegen die Petenten ergrissenen Maßregeln würden die Grundlagen der foeialen Ordnung, das Eigenthum und den öffentlichen Kredit angreifen und ein für Republiken gefährliches Anteeedens begründen. Denn bei jeder neuen Umwälzung würde die fiegende Parthei die besiegte mit Proseriptionen und Konfiskationen vernichten und dauernde Elemente des Hasses fortpflanzen. -- Auch die materiellen Interessen des Landes seien durch das Dekret vom 20. Januar

sehr gefährdet, indem die Betheiligten alle ihre Debi-

toren belangen müssen, was bei dem Mangel an Baarschaft eine Menge gerichtlicher Betreibungen und Konïurse zur Folge haben werde und zwar um so mehr, als die nicht verfolgten Kapitalisten, aus Beforgniß für die Zukunft, ihr Vermögen ebenfalls theilweife realifiren und aus dem Kanton wegbringen würden. Endlich bedürfe das Sand einer Beruhigung und Verföhnung; die Petenten wollen aufrichtig dazu beitragen und auch nach ihren Mitteln materielle Opfer übernehmen, um den traurigen ginanzzustand zu unterstützen. Allein sie müssen die Rücknahme des Dekrets verlangen. Im Fall der Weigerung müßte die Mehrzahl der Petenten ein.

gerichtliches Urtheil verlangen und das Land hätte dann das Schauspiel eines Prozesses, der Haß und Trennung neu beleben und eine bedrohliche Aufregung unterhalten würde. Wären die Petenten alsdann Sieger im Prozeß, so wäre es geschehen um die Achtung der Regierung; würden fie unterliegen, so wären 20 Bürger, worunter 15 Familienväter mit 81 Kindern, in die äußerste Armuth versetzt. -- (Art. 6.) Diese Petition hatte zur Folge, daß der

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Große Rath durch Befchluß vom 23. Februar 1848 die

den Betheiligten zur Erklärung gegebene Frist bis zum 31. März verlängerte.

Nachdem sodann am 28. März eine Revision des Dekrets vom 20. Ianuar war beschlossen worden, wurde am 31. März folgendes verfügt -- (Aet. 7.) : Die Bestimmnngen jenes Dekrets, welche den Betheiligten eine Kontribution auflegten, .find fufpendirt; dagegen wird ein allgemeiner Aufruf an das freiburgifche Volk gerichtet, um zu freiwilligen Gaben Behufs der Deckung der Kriegskoften einzuladen; je nach dem Erfolge dieser Maßregel behält sich der Große Rath jede anderweitige Verfügung vor. Die Klöster werden aufgehoben und ihr Vermögen mit dem Staatsgut vereinigt, um für gemeinnützige Zwecke verwendet zu werden.

(Aet 8 und 9.) Diesem neuen Dekret wurde durch Vollziehungsverordnung vom 1. und Proklamation vom

3. April 1848 Folge gegeben.

(Aet. 10.) Der erwähnte Aufruf hatte nicht den erwarteten Erfolg und der Große Rath fah fich am 20.

Mai veranlaßt, in dieser Angelegenheit einen neuen Beschluß zu fassen, der im wefentlichen folgendes enthält: Es wird eine allgemeine Amnestie für politifche Vergehen unter folgenden Bedingungen ausgesprochen. Eine Entschädigungssumme von 1,600,000 Fr. wird den Haupturhebern und Begünstigern des Sonderbunds aufgelegt, fowie auch allen Individuen und moralifchen Personen, welche freiwillig direkt oder indirekt zum Wi# derstand gegen die Beschlüsse der Tagsatzung aufgemuntert und denselben unterstützt haben. Der Staatsrath hat die Schuldigen zu bezeichnen und den Antheil des Beitrags eines jeden nach Verhältniß seines 'Vermögens

121 zu bestimmen. Dieselben find nach dem Grad ihrer Theilnahme in fünf Klassen zu theilen und die Bei-

tragspflicht wird nach denselben verhältnißmäßig abge-

stuft. Die Zahlung soll in fünf Iahresterminen stattfinden, wovon der erste auf den 1. September 1848

fällt. Zwischen den Betheiligten der nämlichen Klasse besteht Solidarität. Die moralischen Personen können auf ihre Gefahr den Rückgriff gegen ihre Anstifter versuchen. Von den Betheiligten find Schuldfcheine mit genügender Sicherheit auszustellen, die vom 1. März 1848 an mit 5 Prozent verzinset werden müssen. Die Personen der drei ersten Klassen sind für zehn Iahre der politischen Rechte verlustig; der Große Rath kann jedoch diese Dauer abkürzen für diejenigen, welche es verdienen. Die Personen der ersten Klasse können überdieß durch polizeiliche Verfügung temporär aus dem Kanton verwiesen werden, wenn fie sich politischer Umtriebe schuldig machen. Die sechs Haupturheber, welche der Staatsrath bezeichnet, müssen den Kanton für zehn Iahre verlassen. Im übrigen sollen keine weitern gerichtlichen Verfolgungen für frühere politische Vergehen stattfinden.

(Aet. 11.) Zur Vollziehung dieses -Beschlusses erließ der Staatsrath am 7. September 1848 eine Verordnung, worin 214 Personen oder Familien und 139 Gemeinden als Schuldner bezeichnet und einzeln tarnt werden unter Eintheilung in fünf Klassen. Der Termin der ersten Zahlung wird auf den 31. Oktober 1848 verlegt.

(Aet. 12.) Am 12. Oktober richteten etwa 40 Betheiligte das Gesuch an den Vorort, es möchte derselbe der Regierung von grciburg die Vollziehung jener Beschlösse untersagen, bis die oberste Eidgenössische Behörde

122 die Angelegenheit werde beurtheilt haben. Diefes Gesuch war begleitet von einer einläßlichen, an die h. Bundes-, versammlung adrefsirten Beschwerdeschrift, ebenfalls vom 12. Oktober datirt. (Act. 13.) Nach Darstellung der gefchichtlichen Verhältnisse fuhren die Petenten zur Begründung ihrer Beschwerde im wesentlichen solgendes an: Schon ' das Prinzip; des Dekrets vom 20. Mai sei ungerecht und die Eidgenossenschaft habe eine mehrfache Pflicht sich demselben zu widersetzen. Die erste Pflicht beruhe auf der Kapitulation von Frciburg vom 14. November 1847, wodurch die Sicherheit der Personen und des Eigenthums dem Kanton garantirt worden sei. Diese ©arantie werde aber vernichtet durch Konfiskationen, Entzug der politischen Rechte und Verbannungen. Eine zweite Verpflichtung, gegen jenes Dekret aufzutreten, habe die Eidgenossenschaft durch die Garantie der Verfassung vom Jahr 1831 übernommen. Nach diefer Verfassnng habe der Große Rath die Sonveränitätsrechte ausgeübt unì) der Art. 33. des organifchen ©efetzes vom 20. Inni 1831 (Vid. oben) verbiete ausdrücklich, die Mitglieder dicfer Behörde für ihre Voten den Gerichten zu überweifen, wodurch das Prinzip der individuellen Nichtverantwortlichkeit der Deputirten ausgesprechen sei. Wenn aber diese nicht verfolgt werden dürfen, fo fei dasfelbe natürlich um fo eher der Fall bei den Mitgliedern des Staatsraths und den übrigen Beamteten, welche die Beschlüsse des Großen Rathes vollziehen müssen. Betrachte man aber die Verant'wortlichkeit des ©roßen Rathes als moralische Person, so repräfentire er den Kanton und fei das Organ des Volkes; daher müsse die Verantwortlichkeit feiner Handlnngen auf den ganzen Kanton fallen, was um fo mehr behauptet werden könne, als die fraglichen Beschlüsse

123 des Großen Raths in der Gefinnung und Abficht der Ungeheuern Mehrheit des Volks gelegen haben. Beweis hievon seien die zahlreichen Ergebenheitsadressen aus allen Theilen des Kantons, der Eifer des Volkes im bewaffneten Zuzug, und namentlich auch der Aet der jetzigen Regierung, die neben einer Menge von Privaten 139 ©emeinden, alfo die große Mehrheit des Volkes schuldig erkläre und bestrafen wolle. -- Wolle man aber auch die Schuld so vieler Gemeinden und Perfonen unterstellen, so seien gleichwohl die sraglichen Beschlüsse gegen die Interessen und die Würde des Landes. In einem Zeitpunkt, in welchem die alten Wunden sich allmälig schließen und unter dem Schütze der neuen Bundesvcrfassung die Gemüther fich annähern, dürfe man nicht eine große Anzahl von Familien, an deren ökonomischen Interessen auch das Volk betheiligt sei, zur Verzweiflung treiben und die große Mehrheit des lctztern erbittern. Einen solchen Zustand der Dinge könne die Eidgenossenschaft nach Art. 2. der Bundesverfassung nicht dulden. -- Wenn fchon die Grundlage jener Befchlüsse verwerflich fei, fo feien es noch mehr die -Bestimrnungen derselben. In allen revolutionären Krisen der neuen Zeit habe man wenigstens das Prinzip der

Gerechtigkeit sestgehalten, daß bei politischen Fragen nur durch ein gerichtliches Urtheil Strasen aufgelegt werden können. Dieses Prinzip werde zwar bisweilen durch Ausstellung von exeeptionellen Gerichten gesälfcht, allein es feien doch Gerichte und man fuche damit wenigstens den Schein des Prinzipes zu retten. Hier aber

fei die Regierung Ankläger und Richter; ohne alle gerichtliche Form spreche sie Konfiskationen," Verbannungen und Entzug der politischen Rechte aus. Ein besonders charakterischer Zug des Dekrets sei der,'daß der Große

124 Rath den Staatsrath ermächtige, sechs Personen auszuwählen und auf zehn Iahre zu verbannen, ohne deren Namen und den Grad ihrer Schuld zu kennen!

-- Mit Unrecht berufe man sich auf den Beschluß der Tagsatzung vom 2. Dezember 1847, der den fieben Ständen den Regreß auf die Schuldigen eröffne; denn diefe Bundesbehörde habe gewiß nicht Willkür, sondern ein rechtliches Verfahren beabsichtigt. Zudem garantire die neue Bundesverfassung in Art. 5 die Kantonsverfassungen, die Freiheit und die Rechte des Volkes und die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger, wie diejenigen der Behörden. Das Dekret vom 20. Mai 1848 fei nun unter der Herrfchaft der n e u e n Verfassung von greiburg erlassen worden und diese mit der eidgenösfischen Garantie versehene Verfassung bestimme in Art. 3

daß die persönliche Freiheit garantirt sei; gleichwohl

werden sechs Bürger ohne Urtheil und Recht verbannt; der Art. 6 bestimme, daß niemand seinem natürlichen Richter entzogen werden dürfe und dennoch fei eine Menge von Bürgern ohne irgend einen Richter durch bloßen Befchluß des Staatsraths zu Strafen verurtheilt; der Art. 13 setze die Unverletzbarkeit des Eigenthums fest; aber eine große Anzahl von Personen werde auf die willkürlichste Weise mit Konfiskationen oder großen Kontributionen belastet; der Art. 32 stelle die Trennung der Gewalten auf, allein der Staatsrath maße fich einen Theil der gerichtlichen Gewalt an, indem er über die Existenz angeblicher Verbrechen erkenne und Strafen ausspreche ; endlich bestimme der Art. 58, daß die Rechtspflege nur den verfassungsgemäßen Gerichten zukomme; dennoch übertrage das Dekret vom 20. Mai rein gerichtliche Gegenstände der Vollziehungsgcwalt; endlich bestimme der erste Artikel des Strafprozeßgesetzes, daß

125 nur die kompetente Behörde in Anwendung eines Gesetzes und nach der gesetzlichen Form eine Strafe auflegen könne. Alle diese verfassungsmäßigen Rechte seien also mit Füßen getreten. Die Eidgenossenschaft könne es nicht dulden, daß die durch ihre neue Verfassung geheiligten Garantien so schonungslos vernichtet werden und zwar schon das erste Mal, da sich die Gelegenheit darbiete, dieselben unversehrt zu erhalten und zu schützen.

-- Die Petenten machen schließlich noch auf einige Spezialitäten der Vollziehungsverordnung vom 7. September aufmerkfam. Die Mehrzahl der hierdurch bestraften Individuen und Gemeinden feien früher einfach amneflirt gewesen. Das Dekret vom 20. Ianuar habe alle amnestirt mit Ausnahme der Haupturheber, die der Staatsrath bezeichnen und mit einer Kontribution von 1,600,000 gr. belegen soll. Dieser habe nun in seinem Dekret vom 11. Februar bloß 20 Personen als Schuldige bezeichnet, daher seien alle andern durch förmlichen Beschluß der souveränen Behörde amnestirt. Durchgehe man ferner die jetzige Liste der Beitragspflichtigen, so werde man überzeugt, daß manche Bürger über ihr Vermögen taxirt seien und andere beinahe bis auf den Betrag desselben. So erscheine die Familie Maillardoz, von Rue, inbegrissen die 72jährige Mutter, mit der Summe von 1,200,000 Fr.-Ihre Familie sei aus fünf Kindern, darunter 2 Töchtern bestanden; eine der letztern fei fchon seit vielen Iahren todt und werde nun durch ihre Kinder repräsentirt, die 40,000 Fr. zu bezahlen haben ; ein anderes Mitglied der Familie sei seit mehreren Iahren abwesend und werde gleichwohl mit 4O,OO0 gr. und Entzug der politischen Rechte für 10 Iahre bestrast. Ein Hr. François Weck sei nebst seiner Gattin mit einer Kontribution von 182,000 gr. belegt

126 und überdieß noch verbannt. Ein Herr Roggo befitze noch gar nichts und werde einst etwa 8--9,000 Fr. erben; gleichwohl müsse dieser innerhalb fünfIahren 10,000 gr.

bezahlen. Eine Wittwe Gottran, die etwa 15,000 gr.

befitze, müsse 40,000 Fr. bezahlen und könne nur aus der Nutznießung des Vermögens ihres verstorbenen Mannes leben. Auf der Liste erscheinen ferner mehrere Erbfchaften oder Genossenfchaften, wobei grauen und Greise betheiligt seien; ferner erscheine eine Anzahl Perfonen weiblichen Geschlechts, als Theilnehmer an dem angeblichen Hochverrath, worunter eine Demoiselle Agathe von Praroman, welche seit mehr als sünfIahren im Ausland sich aufhalte. Endlich -- und das übersteige alle Begriffe -- fchc man auf der Liste einen Deputirten von Murten, der im Großen Rath gegen den Sonderbund und gegen den bewaffneten Widerstand gestimmt habe, und zwei Offiziere aus dem Bezirk Murten, welche im November 1847 der Regierung ungehorsam gewesen und nicht marschirt seien, während eine schöne Anzahl von Deputirten des neuen Großen Rathes, die [zum Dekret vom 20. Mai gestimmt habe, in der Armee des Sonderbunds gewesen sei. -- Auf diefe Darstellung gestützt stellen die Petenten das Gesuch, daß der Beschluß vom 20. Mai 1848 mit seinen Folgen aufgehoben und die Kriegskoften in billigem Verhältnisse dem ganzen Land aufgelegt werden, eventuell daß den Petenten der gerichtliche Weg eröffnet werde.

(Aet. 14.) - Eine nachträgliche Petition vom 18. Okt.

unterzeichnet von I. Laurent Kilchör von Praroman, der 800 Fr. bezahlen follte, enthält das nämliche Gesuch

unter Behauptung seiner gänzlichen Unschuld.

(Aet. 15.) Unterm 23. Dezember 1848 erließ der Große Rath ein neues Dekret, das sich auf die verschiedenen

127 Aufstände dieses Iahres bezieht und im Art. 7 bezüglich auf den vorliegenden Gegenstand folgende Beftim-

mung enthält: Die durch Beschluß vom 20. Mai und Vollziehungsverordnung vom 7. September 1848 den Urhebern und Begünstigern des Sonderbunds auferlegte Kontribution von 1,600,000 Fr. ist in ein Zwangsdarlehen umgewandelt, rückzahlbar ohne Zinfe. Die Art der Liquidation und Tilgung, sowie der Zeitpunkt der Rückzahlung werden Gegenstand eines besondern Gesetzes sein. -- Durch Art. 8 wurde der Staatsrath ermächtigt, einigen Verbannten auf ihr Gefuch die Rückkehr zu gestatten.

-- (Act. 16.) Eine Proklamation vom 27. Dezember

1848 theilte dem Volke diesen Beschluß des Großen

Rathes mit und bemerkte in Bezug auf das Zwangsdarlehen, daß es erst den Deseendenten der Betheiligten ohne Zins werde zurückbezahlt werden.

Am 5. Januar 1849 wurde von den bei der Kontribution betheiligten grauen eine neue Beschwerdeschrift abgefaßt und im Februar dem Bundesrath zu Handen der h. Bundesversammlung eingesandt. Es ist zu bemerken, daß diese Beschwerde fich vorzugsweise mit dem Beschluß vom 20. Mai besaßt, und denjenigen vom 23. Dezember nur kurz berührt. Diese Petition fowohl als alle frühern hatten durch Abänderung des Befchlusses vom 20. Mai ihr wefentliches Objekt verloren und deßwegen wurde damals nicht weiter darauf eingetreten. Es mußte vielmehr gewärtigt werden, ob auch gegen den Befchluß vom 23. Dezember Reklamationen eingegeben werden. Von diesem Gesichtspunkte aus ließ die h.

Bundesverfammlung auf den Antrag des Bundesrathes eine dieser frühern Petitionen auf fich beruhen. Diefer Umstand erklärt daher auch, weßhalb die Angelegenheit

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im Allgemeinen so lange liegen blieb. Denn im April 1849 kamen die ersten Beschwerdeschristen ein, welche fich auf den neusten Beschluß des Großen Rathes vom 23. Dezember 1848 bezogen. Wegen des Zusammenhangs des Ganzen erwähnen wir gleichwohl den wesentlichen Inhalt der Reklamation vom 5. Ianuar 1849 (Aet. 17) : Die Beschwerde führenden grauen fprechen ihre Verwunderung aus, daß fie mit Staatsmännern und Militärs, als Haupturhcbern und Begünstigern des Sonderbundes und des bewaffneten Widerstandes, zusammengestellt werden. Es sei unerhört, anzunehmen, daß ihre Sympathien oder Antipathien das große politische Ereigniß haben befördern oder verhindern können; es fei unerhört, Frauen für den Ausgang und Erfolg von Schlachten oder Staatsmaximen verantwortlich zu machen, während die Gefetzgebung fie als minderjährig behandle und einer beständigen Tutel unterwerse, ja sogar hinsichtlich des geringen Gewichts ihres Zeugnisses ihnen gewissermaßen Augen und Ohren abspreche. Im Privat»erkehr seien sie geschützt gegen die Schulden der Männer, nun wolle man ihnen aber die Schulden aufbürden, welche dieselben im öffentlichen Leben kontrahirt haben.

Wenn man nur ihr Vermögen haben und das Recht des Stärkern gegen fie anwenden wolle, so sage man es lieber rund heraus, statt fich auf die unbeugfamen Beschlüsse einer höhern Gerechtigkeit zu berufen. Das Dekret vom 20. Mai habe überdieß noch zwei bemcrkenswerthe Bestimmungen : es entziehe der Mehrzahl der Petentinnen die politischen Rechte, die sie nie mißbraucht, weil fie keine solchen haben; und es ermächtige die Polizei, sie aus dem Kanton zu entfernen, wenn fie fich politischer.

Umtriebe schuldig machen, _was ein offenbarer Eingriff, in die verfassungsmäßigen Garantien sei. Weder der

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Beschluß der provisarischen Regierung vom 29. November 1847, noch derjenige des Großen Rathes vom 20. Ianuar 1848, habe der Frauen erwähnt, der letztere vielmehr alle politisch Verfolgten,'mit Ausnahme von zwanzig, amnestirt. .Wie es nun möglich sei, sie mit enormen Geldbußen zu belegen, während die nämlichen Behörden, welche diese aussprechen, sie amnestirt haben, in Bezug auf Handlungen, deren sie weder verdächtigt noch angeklagt worden feien ? -- Das Dekret vom 20. Mai treffe den Nachlaß einer seit 19 Iahren Verstorbenen, serner das Vermögen einer 87jährigen Frau, einer andern, die seit mehr als sieben Iahren außer der Schweiz lebe u. s. w. (Man vergleiche diese speziellen Beschwerdepunkte oben bei der Petion vom 12. Okt.) Die Petentinnen stellen den Antrag, daß sie gänzlich befreit und ihre Namen auf der Liste der Schuldner gestrichen werden, da ihre .-.Belastung ganz ungerecht sei und die spätere Modifikation des Beschlusses vom 20. Mai die drückende Sage nicht ändere. Sie schließen sodann mit der fernern Bitte, daß die Eidgenossenschast durch einen Akt der Großherzigkeit den fieben Ständen die enormen Kriegskosten nachlasse und dadurch die Ruhe und Einigkeit des Vaterlandes begründe.

(Aet. 18). Im April 1849 wurde endlich noch eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Petition eingereicht, deren Inhalt im Wesentlichen folgender ist: Das Dekret des Großen Rathes vom 23. Dezember 1848 (Vid.

Aet. 15) und namentlich die Artikel 7 und 8 desselben veranlassen die Petente« zu einer neuen Eingabe. Sie anerkennen darin zwar einen Schritt der Annäherung und Rückkehr zur Gerechtigkeit, allein es fei derselbe noch unendlich fern von den ihnen nach der Kantonal- und Bundesverfassung gebührenden Rechten. Ein fpäteres

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Gefetz soll den Zeitpunkt der Rückzahlung bestimmen; aus den Verhandlungen des Großen Rathes aber und aus der Proklamation vom 27. Dezember gehe hervor, daß dieser Zeitpunkt jedensalls ein sehr entfernter fein werde, indem das Anleihen erst den Nachkommen soll zurückerstattet werden. Die Sage der Bittsteller bleibe daher eine eben so schmerzliche als zuvor. Wenn man

berückfichtige, daß Einzelne ihr ganzes Vermögen verlieren, viele einen großen Theil desselben, so könne ein solches Versprechen der Rückzahlung, die sie nicht mehr erleben, gar keinen Werth haben. Nur diejenigen, welche Familienväter seien, haben wenigstens die Hoffnung, daß die Zahlung dereinst an ihre Kinder erfolge, infofern nicht durch politifche Ereignisse auch diese Hoffnung verschwinde. Dem gegenwärtigen Geschlecht bleiben aber die Mittel entzogen, seinen Bedürfnissen zu entfprechen. Sie seien zwar Staatsgläubiger, erhalten aber keine Zinsen und haben keine Rückzahlung mehr zu erwarten. Das Dekret vom 23. Dezember wandle die Kontribution in ein unverzinsliches Zwangsanleihen um, lasse aber alle andern Bestimmungen der frühern Befchlüsse vom 20. Mai und 7. September fortbestehen, woraus fonderbare Widersprüche entstehen. Die Petenten follen Staatsglänbiger sein, müssen aber, statt einen Schuldbrief zu empfangen,

einen folchen für Kapital und Zins seit dem 1. März

1848 ausstellen und ihr Hab und Gut als Pfand einsetzen. Statt Zinsen von ihren Schuldnern zu erhalten, müssen fie demselben jährlich 5 Prozent Zinse entrichten.

Es sei daher offenbar nur der Name, nicht die Sache geändert, daher sei auch diese Maßregel weder in konstitutioneller noch in gesetzlicher Beziehung zu rechtfertigen, und die Motive, welche in den frühern Petitionen enthalten seien, finden auch jetzt noch ihre Anwendung.

131 Ein Zwangsanleihen könne unter Umständen nothwendig werden, müsse sich dann aber ans das dringende Bedürfniß befchränken, und von der Gerechtigkeit so wenig als möglich abweichen. Es fei nach billigen Rückfichten auf alle Bürger zu vertheilen, habe, wo immer möglich, Zins und Sicherheit zu leisten und der Termin der Rückzahlung sei zu beschleunigen. Dieses alles werde aber nicht beachtet. Es sei schon darum die Maßregel nicht

zu entfchuldigen, weil der Staat feine Hülfsmittel durch

Aufhebung der Klöster um zirka vier Millionen vermehrt habe. Die Vertheilung des Zwangsanleihens auf 214 Bürger und 139 Gemeinden fei sodann ganz willkürlich und ungleich, indem einige fast das ganze Vermögen einbüßen, andere drei Viertheile, die Hälfte oder nur einen kleinen Theil. Wenn es sich nur um ein Darlehn handle, fo bleibe es ganz unbegreiflich, warum nur 214 .-.Bürger dasselbe herschaffen sollen, und eine große Menge mehr oder weniger Bemittelter verschont bleiben. Ein solches System widerspreche aller Gerechtigkeit und wenn die Schweiz dicfes dulden würde, fo würde sie in Bezug auf die Garantien des Besitzes hinter den absolutesten Staaten zurückstehen. Wenn man aber die Maßregel nicht nur als ein Zwangsanleihen, fondern zugleich als eine Strafe betrachte, so sprechen dagegen alle Rechtsgründe, welche in den frühern Petitionen seien angeführt worden, und fie bleibe eine schmähliche Verletzung aller verfassungsmäßigen (Sarantien. Die Petenten wiederholen daher fchließlich ihre früher gestellten Begehren.

Diese Petitionen wurden am 19. April h. a. dem Bundesrath zur Begutachtung überwiesen und am 29. April durch das Justiz- und Polizeidepartement dem Staatsrath von Freiburg zur Berichterstattung zugestellt.

Bundesblatt i. Jahrg. II. Bd. I.

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132 (Aet. 19). Der vom 13. Juni 1849 datirte Bericht desfelben enthält im Wesentlichen Folgendes : Die fünf Petitionen haben alle den nämlichen Zweck, nämlich die Urheber des Landesruins von der Verpflichtung zu befreien, theilweife die Folgen ihrer Handlungen gut zu machen und die Uebel zu erleichtern, womit ihr antinationales System den Kanton belastet habe. Um die Reklamanten zu befriedigen, müßte man unschuldige Bürger, die gegen alles dieses protestirten und schon genug Verluste ertragen haben, mit den Urhebern alles Unglücks vermischen und sie deren gehler büßen lassen.

Vor allem protesiire der Staatsrath von grciburg gegen jede Anhandnahmc (prise en considération) der Reflamationen. Als souveräner Staat habe der Kanton greiburg die für seine Rettung erforderlichen Maß* regeln ergreifen müssen. Das erste ©ebot sei das der Selbsterhaltung, dann erst ïornnten die Fragen über den Modus der Existenz. Die -..Besetzung des Kantons habe freilich den feindlichen Handlungen ein Ziel gescipi; allein ein großer Theil der Bevölkerung bleibe von den Ideen der gestürzten Regierung beherrfcht. Die Sage der neuen Regierung sei daher äußerst schwierig gewesen; sie hätte allerdings nach gerichtlichen Formen versahren und einen Kriminalprozeß einleiten können und zwar nicht nur gegen die Mitglieder der Behörden, sondern auch gegen die Unterzeichner zahlreicher Petitionen, Denn die Empörung sei offen vorhanden gewesen, als die Mehrheit des Großen Rathes dem Sonderbund beizutreten beschloß, entgegen den Protestationen der Minderheit, welche den Widerspruch desselben mit dem Bundesvertrag und der Kantonsverfassuag nachgewiesen habe.

Auch die Tagsatzung habe in ihrer Prollamation vom 4. November 1847 den Sonderbund als einen Akt der

133 Empörung bezeichnet; dessenungeachtet habe derselbe zu den Waffen gegriffen und vom Ausland fich mit Waffen und Munition unterstützen lassen, was das Verbrechen des Hochverraths gegen das Vaterland begründe und nach den Gesetzen des Kantons schwerer Strase unterliege. Abgesehen von der Strafe seien die Schuldigen ohne Zweifel verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, und wenn man es auf einen Gerichtsspruch hätte ankommen lassen, so wäre nicht von einem Zwangsanleihen von 1,600,000 gr., sondern von der Bezahlung vor: mehr

als 4 Millionen die Rede gewesen. Die Bezahlung des Ganzen sei eine Notwendigkeit geworden; aber die Rc.« gierung habe nicht vom strengen Recht (gebrauch machen, einen Riesenprozeß beginnen und die Gefängnisse mit Hunderten von Bürgern anfüllen wollen; fie habe daher diejenigen Maßregeln der Staatspolizei ergriffen, die in fo fchwierigen Verhältnissen den obersten Behörden eines .Landes zustehn, nämlich Strafverwandlungen und Amnestien; sie habe in einem allgemeinen humanen und politischen Interesse das Recht der Souveränetät angewendet und die Petenten, weit entfernt, ihre Rechte zu verletzen, gegen die Strenge der Strafgefetze in Schutz genommen. -- Man dürfe im Fernern nicht übersehen, daß die Bnndesbehorde durch ihren Beschluß vom 2. Dezember 1847 den sieben Kantonen das Recht des Rück.grisss auf diejenigen*, welche fie schuldig finden, ertheilt habe. Durch eine administrative Maßregel habe der Bund den Kantonen die Kriegskosten auferlegt und ein gleiches Recht müsse den Kantonen gegen die Schuldigen zustehn. ...Diese befinden fich in der Stellung des Hauptschuldners gegenüber dem Bürgen und können daher auf die nämliche Weise belangt werden, wie der letztere vorn Kreditoren. Die Regierung habe sich somit nur ihres

134 Rechts bedient, umsomehr als am 20. Mai 1848 die neue Bundesverfassung noch nicht in Kraft gewefen sei.

Sie könnte daher, nochmals gegen die Anhandnahme der Beschwerde protestirend, ihre Erwiederung schließen; allein fie wolle noch weitere Erläuterungen ertheilen.

Die Petente« befchweren sich, daß man moralifche Perfonen, Magistrate, die nur ihre Pflicht erfüllt und selbst grauen, die der Politik fremd seien, bestraft habe.

Diefe Klage gebe Veranlassung, auf die entferntern Urfachen des Beitritts zum Sonderbund zurückzugehn.

Nach Einführung einer demokratischen Verfassung im Jahr 1830 feien kaum drei Jahre verflossen, als schon die Freunde der Privilegien mit dem hohen Klerus darauf hingearbeitet haben, das demokratifche Prinzip zu Gunsten der Aristokratie und Theokratie zu untergraben.

Bei jeder, damals mittelst Wahlkollegien stattfindenden, theilweifen Erneuerung des Großen Rathes haben die Anhänger des alten Systems mit den Jesuiten und den Mitgliedern des hohen Klerus tausend Intriguen angewendet, um günstige Wahlen auszuwirken. Erlasse des Bifchofs an die Pfarrer haben immer von Religionsgefahr gesprochen und das Volk ermahnt, nur für Männer zu stimmen, deren religiöse Grundsätze und Ergebenheit gegen die Kirche ganz bekannt seien. Diese Erlasse seien dann kurz vor den Wahlen von der Kanzel verlesen und mit Kommentaren versehen worden, welche der Sache des Fortschritts sehr feindselig gewesen seien. Die Geistlichen haben diese Gelegenheit immer benutzt, um ihre Unterwürfigkeit gegen die mit absoluter Gewalt versehenen und jeder Unabhängigkeit feindlichen Obern zu bezeugen. Sie haben die erleuchteten Bürger, deren Wahl man verhindern wollte, deutlich bezeichnet und ehren·werthe Männer verläumdet und auch den Beichtstuhl auf

135 eine schändliche Weise mißbraucht. Um aus die Familien-5 häupter besser einzuwirken, habe man grauen-Kongregationen gebildet, welche eine außerordentliche Thätigkeit entwickelt haben, nm das Volk von der vorhandenen Religionsgefahr zu überzeugen. Auch haben fich Unterfiützungskomites gebildet für die ärmern Familien, welche, um Unterstützung zu erhalten, dem Banner des Iesuitismus haben solgen müssen. So sei es gekommen, daß Frauenspersonen in den Familien eifrige und hartnäckige Apostel des alten Regiments geworden feien. Auch die Klasse der Bediensteten sei durch die Theokratie ausgebeutet worden. Da dieses Alles nicht hingereicht habe, um den gesunden Sinn des Volkes zu verderben und von der Sache der Freiheit abzuwenden, so habe man zu der frechsten Bestechung die Zuflucht genommen. In den Gemeinden, in welchen die Parteien ungefähr gleich stark gewesen, habe man die erforderliche Anzahl Stimmen gekauft. Zur Zeit der Wahlen habe die Propoganda von Lyon an 30,000 Fr. im Kanton verwendet unter dem Titel, die religiösen Interessen zu begünstigen. Nur durch Lüge, Verläumdung und Bestechung habe man die Repräsentation des freiburgischen Volkes verändern, nur durch Vereine aller Art unter dem Schutze der Iesuiten eine Mehrheit erhalten können, um den Sonderbund zu unterstützen und die Bevölkerung für denselben z« bewassnen. Bei dieser Sachlage werde fich niemand verwundern, wenn man bei der Bestimmung der Schadloshaltung für die durch jene großartige Konspiration verursachten Uebel alle diejenigen, welche dazu mitgewirkt haben, in Mitleidenschaft ziehen wollte. Man müsse das Ganze ins Auge fassen und eine moralifche Solidarität zwischen allen annehmen, die durch vereinte Kräfte das Land ruinirt haben; und man folle fich hierin nicht

136 täufchen lassen, die grauen haben mächtig beigetragen, den Fanatismus zu erregen, extreme Maßregeln zu veranlaßen und die verderblichen Beschlüsse vorzubereiten, an deren Folgen der Kanton zu leiden habe. Die ®erechtigkeit dürfe dicfe Theilnahme nicht überfehen. Ebenfo verlange dieselbe, daß die Hanpturheber des Sonderbunds für einige Jahre aus dem Kanton entfernt werden, damit sie das Land nicht durch neue Intriguen in eine endlose Bewegung versetzen. Man dürse beifügen, daß wegen der Erbitterung der Gemüther und dem frifchen Andenken der vom Sonderbund gegen die politischen @efangenen verübten Gräuel das Exil auch in ihrem persinnlichen Interesse liege.

Der Staatsrath, durch das Dekret vom 20. Mai

beauftragt, die Schuldigen zu bezeichnen, habe die ge-

nausten Erkundigungen eingezogen und sei mit der

größten Vorficht zu Werk gegangen, weßhalb er die Voll-

ziehungsvcrordnung erst am 7. September habe-erlassen können. Von einer mathematischen Genauigkeit könne hier natürlich nicht die Rede sein; aber auch die Gerichte hätten nicht jedermann zufrieden stellen können; im @egentheil hätten die gröfcrn Strafen derfclben größere Erbitterung hervorgerufen. Der Staatsrath, ebensowenig unfehlbar als die Gerichte, habe das Bewußtsein,

mit aller Gewissenhaftigkeit die schwere Ausgabe gelöst zu haben. -- Man müsse ferner nicht vergessen, daß die Summe von 1,600,000 gr. nur ein Zwangsanleihen sei. Diejenigen Beiheiligten, welche momentan in Verlcgenheit kommen, können sich an ihre Mitschuldner wenden, welche zu den reichsten Familien des Sandes gehören.

Die Rückzahlung werde erfolgen, wenn der Kanton sich von den unfeligen Folgen des Sonderbundes werde erholt haben und wenn die Wunden vernarbt sein werden.

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welche die Aristokratie mit dem Jesuitismus ihm geschlagen haben. Der Kanton sei dadurch ruinirt worden und es sei wahrlich sehr mild, etwa ein Viertheil der Kosten in der Form eines Zwaugsanleihens zu verlangen. Von Rechts wegen hätten die Schuldigen Alles tragen sollen; ein XÇeil der Bevölkerung habe das auch erwartet und die bewiesene ©roßmuth übel aufgenommen; denn man habe sich noch der Worte einiger Mitglieder der Majorität des Großen Ratb.es erinnert ! "Wir nehmen die "ganze Verantwortlichkeit der Folgen auf uns l --" Endlich könne man in den Gütern der Klöster und des Klerus nicht die Mittel finden, um die Schuld an die Eidgenossenschaft abzutragen. Denn diefe Güter, soweit sie disponibel seien, können nur sür .Zwecke der Wohlthätigkeit und des öffentlichen Unterrichts bestimmt werden. Uebrigcns seien dieselben einstweilen nicht disponibel, indem die beträchtlichen Pensionen und die übrigen Kosten die (Einkünfte um etwa 8000 Fr. überstiegen haben, es seien also einstweilen nicht nur keine Vortheile, sondcrn Lasten für den Staat entstanden.

Die Regierung habe daher eine große Milde ausgeübt, wovon fich Jedermann überzeuge, der die unglücklichen Folgen des Sonderbundes für den Kanton Freibnrg bcurthcilen könne. Die Nothwendigkeit, das Land zu beruhigen, der Wunsch, eine Prozedur zu vermeiden, welche dm entgegengesetzten Erfolg gehabt hätte, seien die entscheidenden Motive des Verfahrens gewefen. -- Das Prinzip des Alterthums: Salus reipublicoe suprema lex csto, müsse hier Anwendung finden. Wenn die Pctentcn redlich wären, so müßten fie dieses alles eingestehn und würden nicht ein heuchlerisches Geschrei erheben; allein es- sei ihr Zweck, die Bewegung zu erhalten, welche ihren reaktionären Planen diene. Die Regierung

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von greiburg erwarte daher, daß die eidgenöffischen Behörden in Anerkennung dieser Motive und aus Achtung für das Prinzip der Kantonalsonveränetät die Reklamation der Petenten verwerfen werden.

Wir haben die Darstellung der faktischen Verhältnisse und des Hauptinhalts der verschiedenen Petitionen, sowie des Berichtes der Regierung von Freiburg geschlossen und gehen, indem wir die fämmtlichen Akten beilegen, zur Prüfung und Antragstellung über. Wir begegnen hier im Anfang und am Schlüsse des letzterwähnten Berichtes einer Berufung auf die kantonale Souveränetät und einer daherigen Protestation gegen die Anhandnahme dicfer Angelegenheit. Da diese Einwendung zugleich eine Bestreitung der Kompetenz der Bundesbehörden ist, fo muß diefelbe zuerst erledigt werden. Die Befchwerden der Petenten gehen dahin, daß durch die Beschlüsse der sreiburgifchen Behörden vom 20. Mai, 7. September und 23. Dezember 1848 die Bundesverfassung fowohl als die Kantonsverfassung fei verletzt worden. Ob diefe Befchwerden begründet feien oder nicht, ist Sache der Untersuchung und gehört offenbar nicht zur Frage der Kompetenz. Wenn nun gegen einen Kanton Befchwerde geführt wird über solche Verfassungsverletzungen, fo ist nicht einzufchen, wer anders kompetent fein foll, als die Bundesbehörden. Denn fie find es, welche über die Anwendung und .Jesthaltung der Bundesverfassung zu wachen haben. Die Bestimmungen von Art. 74, §. 7, 8 und Art. 90, §. 2, 3 lassen hierüber keinen Zweifel zu, indem,die Garantie der Kantonsverfassungen, die Intervention in Folge dieser Garantie und die hierüber zu ergreifenden Maßregeln ausdrücklich als dem Wirkungskreife der Bundesbehörden angehörig bezeichnet werden.

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Unter diesen Umständen läßt sich auch annehmen, daß die Regierung von Freiburg durch ihre Berufung auf die Kantonsfouveränetät vielleicht nicht die Kompetenz habe bestreiten, fondern den Gedanken ausdrücken wollen, daß die Bundesbehörden, auch wenn sie zur Intervention in dieser Angelegenheit befugt wären, diefelbe von vornherein ablehnen und nicht in eine nähere Unterfuchung und Entscheidung eintreten sollen. Allein bei einer solchen Auffassung muß unterschieden werden, ob es fich um eine Intervention von Amtswegen handle, oder um eine Intervention auf Begehren irgend einer betheiligten Partei.

Im erstern Fall ist keine Verpflichtung vorhanden über die Angelegenheiten eines Kantons irgend eine Entscheidung zu sassen, sondern es ist der freien Würdigung der Zustände anheimgestellt, über die Zweckmäßigkeit einer Einmischung zu entscheiden. Anders aber verhält es sich, wenn in einem Kanton über die Verletzung der Verfassung.

Beschwerde geführt und diese vor die Bundesbehörden gebracht wird. Hier entsteht für die letztern die Verpflichtung, die Befchwerde zu untersuchen und über den Grnnd und Ungrund derselben und die allfälligen weitern Maßregeln eine Entscheidung zu fassen. Denn der Bund gewährleistet die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger gleich den Rechten der Behörden. Auch der frühere Bundesvertrag garantirle die Verfassungen, allein diese Garantie wurde anders ausgelegt und mancher Nothschrei über verfassungswidrige Handlungen und Zustände verhallte unbeachtet. Man wollte dieses nicht mehr dulden und verlangte eine wirksame Garantirgegen Versassungsverletzungen. So entstand der Art. 5 der Bundesverfassung, der mit einer fast pedantifchen Aengst-

lichkeit die Rechte des Volkes und die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger gewährleistet. Es wäre nun in der

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That ein merkwürdiger Rückfall in die alte Anschauungsweise und Ordnung der Dinge, es wäre eine auffallende Verläugnung des in Art. 5 der Bundesverfassung enthaltenen Prinzips, wenn man annehmen wollte, auch bei einer förmlich angebrachten Beschwerde stehe es den Bundesbehörden frei, darauf einzutreten oder nicht. Wir glauben vielmehr, in folchen Fällen seien die Bundesbehorden verpflichtet, die Beschwerde an Hand zu nehmen und zu entscheiden.

Die Petenten stellen in erster Linie das Begehren, daß die Beschlüsse vom 26. Mai, 7. September und 23. Dezember, so weit dieselben fie betreffen, gänzlich aufgehoben und der Grundsatz ausgesprochen werde, die Kriegskosten seien auf den ganzen Kanton zu verlegen. Wir halten nun dieses Begehren in dem gejlettten Umfang nicht für begründet; denn es ist identisch damit, die Regierung von Freiburg zu einer vollständigen Amnestie zu zwingen und die am Sonderbund betheiligten Personen von aller Verantwortlichkeit und »on jeder Verpflichtung zum Schadenersatz frei zu erklären. So wünschbar es ist, daß politische Verfolgungen und harteJBestrasungen unterbleiben, so find die Bundesbehorden im vorliegenden gall nicht in der rechtlichen Stellung, dieses vorzuschreiben und sogar aus die Frage des Schadenerfatzes auszudehnen. Es ist fchon ein in der Natur der Sache begründetes Recht, daß derjenige Kanton, welcher dem Bunde Kriegskosten erfctzen muß, auf die Schuldigen zurückgreifen darf; es ist aber überdieß durch Befchluß der Tagsatzung vom 2. Dezember 1847 dieser Rückgriff den fieben Kantonen ausdrücklich zngesichert oder offen gelassen worden. Es würde daher der

·Eidgenossinschaft übel anstehn, diesen Rückgriff durch

einen Machtspruch verschließen zu wollen, nachdem fie

141 ganz oder theilweise von den Kantonen bezahlt ist. Wenn der Bund sich nicht im gall befindet, denselben die Kriegskosten nachzulassen und dadurch alle diese Schwierigkeiten an der Wurzel zu vertilgen, so erlauben es weder die Gerechtigkeit, noch richtige politische Rückfichten, die Kantone zu zwingen, jene Kosten den Schuldigen und Unschuldigen in gleichem Maaße aufzulegen, und wenn es in hohem Grade wünfchbar ist, daß harte Befirafungen oder gar grausame Verfolgungen gegen politifche Angeklagte unterbleiben, so dürfte es auf der andern Seite weit weniger wünschbar sein, daß die Schuldigen, als solche, gar nichts an den durch ihre Handlungsweise verursachten Ungeheuern Schaden beizutragen haben.

Wir glauben daher, die Regierung von greiburg sei in ihrem Rechte, wenn fie für den erlittenen Schaden den Regreß gegen die Schuldigen sucht, und fie sei sogar in ihrem Rechte, wenn sie auf Bestrafung derselben oder eines Theiles davon dringen will. Weder das eine noch das andere verstoßt gegen die Bundes- oder gegen die Kantonsverfassung, und es kann daher in dieser Bcziehung der Beschwerde und dem ersten Rechtsbegehren der Petenten keine Folge gegeben werden, ohne eine Intervention auszuüben, welche mit der Bundesverfassung nicht vereinbar wäre.

Anders verhält es fich mit der Art und Weise, wie die Regierung von Freiburg diese Rechte geltend machte und dieses führt zu dem zweiten Rechtsbegehren der Petenten, daß ihnen die Entscheidung der Gerichte vorbehalten werde. Die fraglichen Dekrete enthalten zweierlei Bestimmungen :

1) Das Dekret vom 20. Mai 1848 enthält Strafbeftimmungen. Sechs ..paupturheber, die der Staatsratl} zu bezeichnen habe, sollen für 6 Iahre verbannt sein; eine

142 gewisse Anzahl Anderer, nämlich Alle, welche der Staatsrath in die drei ersten Klassen verlegen werde, sollen für 10 Jahre die politischen Rechte verlieren; die Personen der ersten Klasse dürfen überdieß ohne gerichtliches Urtheil nur durch eine Polizeimaßregel temporär verbannt werden, wenn sie sich Umtriebe erlauben. Alle diefe Bestimmungen wurden durch das Dekret vom 23.

.Dezember nicht aufgehoben.

2) Der nämliche Beschluß vom 20. Mai bestimmt den Schadenersatz auf 1,600,000 Fr. und setzt fest, daß der Staatsrath alle Schuldigen bezeichnen, diefelben nach fünf Klassen ordnen und jeden einzelnen tariren soll. Die Verordnung vom 7. September bezeichnete in diefer Weife 214 Individuen oder Familien und 139 Gemeinden. Das Dekret vom 23. Dezember verwandelte diese Kontribution in ein Zwangsanleihen, ohne im übrigen etwas zu ändern an der Taxation der einzelnen Klassifikation u. s. w.

Was nun den ersten Punkt, die Strafbestimmungen, betrifft, fo ist es einleuchtend, daß diefelben ganz verfassungswidrig find. Die neue Verfassung von greiburg, welche nach der nicht bestrittenen Angabe der Petenten schon vor dem 20. Mai ins Ltben trat, bestimmt die Trennung der Gewalten, die verfassungsmäßigen Gerichte und deren Kompetenz, fo wie den Grundsatz, daß niemand denselben entzogen werden dürfe. Das Letzte ist auch in Art. 53 der ...Bundesverfassung enthalten. Wenn es nun keinem Zweifel unterliegt, daß das Schuldigerklären, die Ausmittlung des Grades der Schuld, und die Bestimmung der Strafe richterliche Funktionen find, so folgt daraus, daß die Beschlüsse vom 20. Mai und 7. September ganz entfchieden der Bundes-und Kantonsverfassung entgegen stehen. Es läßt sich dieses um so

143 weniger rechtfertigen, als diese Bestrafung gar keinen Einfluß hat auf die finanziellen Verhältnisse ; denn ob die Petenten verbannt und der politischen Rechte beraubt werden oder nicht, so wird die Schwierigkeit und Verlegenheit der Finanzlage in keiner Weise berührt oder verändert, und die Vollziehung dieser Strafen hat nicht die Folge, daß dafür Unfchuldige von Saften befreit bleiben, die fie sonst mittragen müßten, wie dieß unter Umständen bei der Schadenerfatzfrage eintreten könnte, lieber den Entzug des Aktivbürgerrechtes und dessen Rechtsertigung spricht fich die Regierung von greiburg in ihrem Berichte gar nicht aus, hingegen bemerkt sie in Bezug auf die Verbannung Einzelner, daß diefe Maßregel im Interesse des Staates fowohl als der Betheiligten liege. Wir haben bereits erklärt, daß wir der Regierung das Recht nicht bestreiten, auf Bestrafung der Schuldigen zu dringen, aber wir glauben, daß diefes durch die Gerichte gefchehen müsse und das eigene Interesse der Betheiligten bleibt wohl am besten ihnen felbst überlassen. Auch zweifeln wir nicht daran, daß die Regierung die gesetzliche Ordnung werde handhaben können, um so mehr, da nun ein bedeutender Zeitraum die Eindrücke jener Periode gemildert hat.

Was den zweiten Punkt, den Schadenersatz, betrifft, so glauben wir nicht, daß die gewählte Form, des Zwangsanleihens, verfassungsgemäß sei und wesentlich von der Kontribution abweiche. Denn es findet ein sehr starker Eingriff in die Vermögensrechte statt durch die Unver-

zinslichkeit des Darlehens und durch die Hinausschiebung

der Rückzahlung in eine serne Zukunst, wodurch der

Verlust vielleicht dem Kapital gleichkommen kann. Die Hauptsache ist aber die, daß ein Zwangsanleihen, welches bloß eine administrative Maßregel sein soll gegen

144 eine momentane ginanznoth, alle Einwohner in einem angemessenen Verhältniß berühren soll oder wenigstens alle, welche ein gewisses Vermögen befitzen. .Dieses ist aber hier nicht der Fall, sondern es werden nur die als schuldig bezeichneten und zwar nach den angenommenen Gradationen ihrer Schuld von jener Maßregel betroffen.

Der Rechtsgrund ihrer Anwendung beruht also nicht auf der finanziellen Nothwendigkeit, fondern auf dem Verschulden und der daherigen Verpflichtung den Schaden zu decken. Dieses ist aber offenbar eine Rechtssache, da sowohl die Existenz eines Verschuldens int rechtlichen Sinn des Worts, als auch der Grad desselben und der Modus der Vertheilung bestritten ist. Nach den Grundsätzen der Freiburgischen Verfassung konnte aber die Regierung die zivilrechtlichen Folgen von strafbaren Handlungen den Betheiligten ebenfo wenig auflegen, als die Strafen selbst. Aus dem Berichte der Regierung ergibt fich, daß fie als Prinzip eine moralische Solidarität aller derjenigen Personen annahm, welche sich im Saufe vieler Jahre bemüht hatten, durch Einwirkung auf die Wahlen eine Majorität im Großen Rath zu Stande bringen, wie diejenige war, die dann im Jahr 1846 dem Sonderbund beitrat. Auf diese Weise erklärt sich dann freilich die Liste der Schuldigen, welche viele Frauen enthält und Personen, die seit mehrern Iahren abwesend waten. Wir wollen keine Anficht aussprechen über

die Richtigkeit dieses Prinzips, weil es nach unserer

Auffassung ebe» nur die Gerichte find, welche über das Vorhandensein der Schuld aller einzelnen Personen zu entscheiden .haben.

Wenn im Allgemeinen von der Regierung von Freiburg die Anficht ausgesprochen wird, daß die fraglichen Maßregeln als eine aus der Souveränetät beruhende

145 Amnestie und Strafumwandlung zu betrachten feien, in der Absicht das Land zu beruhigen, so muß hierauf bemerkt werden, daß die Verfassung eines Landes, welche über den Behörden steht, die gormen bezeichnet, in denen das ganze Staatsleben sich bewegen soll, daß es dem Begriff einer Amnestie widerstreitet, Strafbestimmungen darin aufzunehmen und fie unter dem Namen einer Amnestie mit Umgehung der Gerichte den Betheiligten aufzuzwingen, und daß endlich von einer Strasumwandlung nicht gesprochen werden kann, so lange keine Strafe von den kompetenten Behörden verhängt ist. Wir mvtssen überdies! bezweifeln, ob die angewendeten Maßregeln den beabsichtigten Zweck der Pacification erreichen, indem nichts so sehr geeignet ist, den ©roll fortzupflanzen, als das Verweigern des Rechts, d. h. der Entzug der verfassungsmäßigen Rechtsmittel. -- Wir können ferner keineswegs die.Anficht theilen, daß, weil die Eidgenossenfchaft nicht einen Prozeß führte über die Kriegskosten, die betheiligten Kantone ganz willkürlich und mit Umgehung ihrer Verfassungen und Gesetze eine Anzahl von Personen herausgreifen, bestrafen und zum Schadenersatz anhalten können. Die Eidgenossenfchaft war im FaE das Kriegsrccht anzuwenden, da die Kantone fie bekriegt haben, und über den Modus der Vertheilung der Kriegskosten wurde von keiner Seite Einsprache erhoben. Ieijt handelt es sich darum, die einzelnen Schuldigen auszumitteln und gerichtlich zu beurtheilen. Während niemand bestreiten wird, daß der Kanton Freiburg die Eidgenossenschaft bekriegt habe, ist es mehr als zweifelhaft, ob wenigstens ein Theil der auf der Liste befindlichen Personen schuldig sei oder nicht. -- Wenn wir uns für eine gerichtliche Beurtheilnng ausfprechen müssen, so heben wir noch folgende Momente heraus:

146 1) Die Petenten wollen sich in zweiter Linie einem gerichtlichen Spruch unterwerfen und daß sie berechtigt seien, einen solchen zu verlangen, ist bereits nachgewiesen.

2) Die Regierung stellt die Schuld derselben, wenigstens im Allgemeinen, als unzweifelhaft dar und erklärt ihre Maßregel als einen Akt der Milde, der die Betheiligten vor einer firengern Strafe und einer weitern, größern Entfchädigung bewahre und schütze. Sie wird es daher wohl auf einen gerichtlichen Spruch dürfen ankommen lassen, wenn das Interesse des Landes und die Gerechtigkeit es gebieten, daß die Schuldigen wenigfiens für den Schadenerfatz verfolgt werden.

3) Es ist keine starke Zumnthung, nur dasjenige zu verlangen, was die obersten Behörden des Kantons greiburg zweimal selbst dekretirt hatten.. Am 29. November 1847 hat die provisorische Regierung und am 20. Ianuar 1848 der neue Große Rath den Betheiligten überlassen, fich den Beschlüssen dieser Behörden zu unterziehen oder aber ein gerichtliches Urtheil anzurusen.

Die Verweisung auf den Rechtsweg hat keineswegs die notwendige Folge, daß gegen Hunderte von Bürgern Strafprozesse eingeleitet werden; die Regierung kann sich darauf befchränken, gegen diejenigen, welche sie für schuldig hält, eine Klage auf Schadenerfatz zu führen, oder es kann der status qno beibehalten und den Betheiligten eine grist angefetzt werden, um den Rekurs an die Gerichte zu ergreifen. Das Nähere hierüber zu bestimmen, bleibe dem Großen Rathe überlassen. Sollten aber auch einzelne strafrechtlich verfolgt werden, fo bleibt es dem Großen Rathe unbenommen, im Interesse der

147 Humanität und der Beruhigung eine Strafmilderung oder Begnadigung eintreten zu lassen.

Aus allen diesen Gründen stellen wir den Antrag : "Es sei die Regierung von Freiburg einzuladen, die Be# schlösse vom 20. Mai,- 7. und 23. Dezember 1848 in dem Sinne zu modifiziren, daß den betheiligten Personen während einer zu bestimmenden Frist der Rechtsweg er# öffnet werde."

Noch bleibt uns übrig, einige Bemerkungen (zu machen über die uns mit Beschluß des h. Nationalraths vom 15. Dezember h. a. überwiesene Petition von vier Bürgern des Kantons greibnrg, an welche fich seither noch viele andere angeschlossen haben, betreffend Sistirnng der Exekution der bekannten Beschlüsse. Diese Petition wurde uns im Sinne des Kommissionalberichts überwiesen, der dahin geht, der Bundesrath möge bei Be# handlung der Sache nach Gutfinden fich bei den Freiburgerbehörden für einstweilige Nichtvollziehung der angefochtenen Dekrete von sich aus und unvorgreiflich verwenden; jetzt schon zu verfügen, ehe über die Kompetenz entfchieden fei, könne die Kommiffion nicht beantragen, weil es als ein Präjudiz für die Kompetenz des Bundes erscheinen würde; übrigens sei es wünschbar, daß die Hauptsache beforderlich erledigt werde. Indem wir durch Vorlegung dieses Berichtes unsrerseits die Sache erledigen, müssen wir Ihnen überlassen, ob Sie nach Einsicht desselben oder wenigstens des Schlußantrags fich bewogen finden, vorläufig über die Sistirung der Erekution einen Beschluß zu besassen. Wir haben Ihnen noch zu eröffnen, daß wir schon früher ein ähnliches Gesuch um Sistirung abgewiesen haben, und daß wir jetzt umsoweniger im entgegengesetzten Sinne uns verwenden konnten, als nach

148 der Anficht Ihrer Kommiffion die Verfügung einer Bundesbehörde als Präjudiz in der Kompetenzfrage ausgelegt werden konnte.

Genehmigen Sie n. s. w.

Jrn Namen des schweizerifchen Bundesrathes, ...Der Bundesprasident:

$. Drue9.

25« Kanzler der Eidgenosse.i.sch«ft:

Schieß.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrathes.

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20.03.1850

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