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Bericht des

Bundesrates an die Neutralitätskommissionen der gesetzgebenden Räte betreffend die Arbeitslosenfürsorge.

(Vom 8. Februar 1919.)

In unserm Ihnen am 23. Juli 1918 erstatteten Bericht (Bundesbl. III, 715) über den Entwurf eines Bundesratsbeschlusses betreffend die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit in industriellen und gewerblichen Betrieben haben wir ausgeführt, das im Handel, Verkehr, in kaufmännischen Betriebsteilen beschäftigte Personal stehe mit den Arbeitgebern gewöhnlich in einem derartigen Verhältnis, dass die Gefahr des Verdienstloswerdens nicht eine unmittelbare sei; ausserdem lasse sich auf diese Angestellten eine Unterstützungsorganisation, die für industrielle Verhältnisse passe, nicht unverändert anwenden. Die Frage präsentiere sich hinsichtlich der Angestellten also unter besondern Gesichtspunkten, sie müsse und werde für "sich geprüft und einer Lösung entgegengeführt werden. Der von uns mit Ihrer Zustimmung am 5. August erlassene Beschluss hat demnach die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit von Arbeitern zum Gegenstand, und er bestimmt in Art. l, Absatz 4 : ,,Die Regelung der Arbeitslosenfürsorge für Angestellte wird Gegenstand besonderer Beschlussfassung sein".

In seitherigen Eingaben haben verschiedene Organisationen von Angestellten, so der schweizerische kaufmännische Verein, die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände, der Zeichnerverband der Ostschweiz, der Verband reisender Kaufleute der Schweiz, ihre Wünsche betreffend die Arbeitslosenfürsorge für Angestellte geltend gemacht. Die Untersuchung der einschlägigen Fragen und die Aufstellung von Vorschlägen für deren Lösung übertrug unser Volkswirtschaftsdepartement (im September), wie es bei der Vorbereitung des frühern Beschlusses mit Erfolg ge schehen war, einer Kommission, die aus einem neutralen Präsidium und aus Vertretern der beruflichen Zentralverbände der Arbeitgeber und der Angestellten in je gleicher Zahl zusammengesetzt war. Diese Kommission gelangte zur Aufstellung des

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Entwurfs zu einem Bundesratsbeschluss betreffend die F ü r s o r g e b e i A r b e i t s l o s i g k e i t v o n A n g e s t e l l t e n . Hinsichtlich der Begründung entnehmen wir dem vom Präsidenten der Kommission, Herrn Nationalrat Dr. A. Maechler, am 30. Dezember erstatteten Berichte folgende Ausführungen: Zum voraus war, wie bei Schaffung der Vorlage für die Arbeiter, das Bestreben massgebend, wenn immer möglich zwischen den in der Kommission vertretenen Gruppen der Unternehmer und der Angestellten eine Verständigung zu erreichen, um wiederum der Behörde die Einführung der Vorlage zu erleichtern, und auch um für den Vollzug den nötigen guten Willen vorzubereiten. Dieses Bestreben wurde völlig erreicht, denn abgesehen von einer einzigen Bestimmung betreffend die Frage, ob die Organisationen der Betriebsinhaber obligatorisch sein sollen, oder ob die Aktion, wie die für die Arbeiter, auf die nichtorganisierten Arbeitgeber Rücksicht nehmen soll, wurden sämtliche Artikel einstimmig oder wenigstens von einer grossen Mehrheit aus Vertretern beider Gruppen angenommen. Es liegt also wiederum ein V e r s t ä n d i g u n g s p r o j e k t vor, und daraus mögen auch einzelne Lösungen entschuldigt werden, die nicht ideal sind.

Sodann hielten wir darauf, wo immer möglich, die B e s t i m m u n g e n des B u n d e s r a t s b e s c h l u s s e s vom 5. August 1918 a u c h h i e r a n z u w e n d e n . - Das hat den Vorteil der Einfachheit und der Vermeidung von Verwirrung. Es ist nun leicht möglich, in den interessierten Verbänden durch die gleichen Personen, in den Kantonen und Gemeinden durch die gleichen Amtsatellen die beiden Arbeitslosenfürsorge-Beschlüsse durchführen zu lassen. Die Kommission konzentrierte also ihre Arbeit im wesentlichen darauf, jene Abweichungen vom Beschluss vom 5. August · festzustellen, welche die Stellung des Angestellten, soweit sie von derjenigen des Arbeiters verschieden ist, erfordert.

Insbesondere ist infolgedessen die Anlage des Entwurfes, die Organisation der Durchführung und die Regelung der amtlichen Überwachung gleich geblieben. Eine Übersicht ergibt demgemäss : Umschreibung des Wirkungsgebietes: Art. l, 2, 23 und 26; Vermeidung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsorganisation : Art. 3 ; finanzielle Hülfe bei Arbeitseinschränkung und Arbeitslosigkeit und deren Organisation:
Art. 4--22; Vermittlung anderer Arbeit: Art. 24.

In Art. l wird wiederum die Aktion auf die Folgen der Kriegsverhältnisse beschränkt, über die eigentliche Kriegszeit selbst

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ausgedehnt, aber nicht unter Anwendung auf normale Arbeitslosigkeit.

Aus gleichen Gründen, wie beim frühern Beschluss, sind die ö f f e n t l i c h e n B e t r i e b e ausgeschaltet, Art. 23. Sodann wurde ·das H o t e l - und W i r t s c h a f t s g e w e r b e einer besondern Bearbeitung überlassen, Art. 26, weil es sich in der ersten Sitzung zeigte, dass es sich da um ein ganz besonderes Gebiet handelt, und zugleich Begehren zu regeln wären, die weit über den Rahmen blosser Arbeitslosenfürsorge hinausgehen würden. Die beidseitigen Vertreter dieser Branche waren auch selbst mit dieser Ausscheidung vollständig einverstanden. Offenbar wären wir auch noch nicht mit der Vorlage fertig, wenn die Ausscheidung nicht erfolgt wäre, und doch ist jedermann damit einverstanden, dass diese Vorlage bald gesetzliche Kraft erreichen sollte, da sich besonders in letzter Zeit Schwierigkeiten in der Beschäftigung dor Angestellten, z. B. in der Stickerei, gezeigt haben.

Gemäss dem frühern Bundesratsbeschluss kommen hier nicht mehr die Arbeiter in Frage, und durch Art. 2, lit. b, wurden nun noch die D i e n s t b o t e n ausgeschlossen, weil für sie ein Bedürfnis nach gesetzlicher Arbeitslosenfürsorge nirgends behauptet wurde und auch offenbar nicht besteht.

Nach diesen negativen Umgrenzungen ergab sich die Beschränkung positiv für' die auch im Obligationenrecht so bezeichneten Angestellten in den kaufmännischen, industriellen, gewerblichen und technischen Betrieben, Art. 2, lit a. Diese Umschreibung wird aber in lit. b noch ergänzt, einmal durch den Hinweis auf das Dienstvertragsverhältnis, und dann durch die beispielsweise Aufführung jener Angestelltengruppen, die hauptsächlich in Betracht kommen oder deren rechtliche Stellung als Angestellte etwa schon bestritten worden ist. Es wurde aber mit Absicht von einer Definition dieser Gruppen abgesehen, um den Einigungsämtern im Streitfall die Möglichkeit zu belassen, alle diejenigen hier einzurechnen, die nach dem Sinn und Geist der Vorlage und nach ihrer Beziehung zum frühern Bundesratsbeschluss betreffend Arbeitslosenfürsorge hierher gehören. Die Einigungsämter sollten also nicht durch eine Definition gehindert werden, die im Einzelfall wegen abnormaler Ausgestaltung der betreffenden Stellung nicht zutreffen würde. Diese Rücksicht galt unter anderem den W e r k m
e i s t e r n ; das Wesen ihrer Stellung liegt in einer gewissen Aufsicht über eine gewisse Anzahl Arbeiter, wobei aber je nach der Industrie oder dem Gewerbe die Aufsicht sich auf einen grössern oder kleinern Kreis bezieht, und auch die Löhnung

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bald analog derjenigen der Arbeiter, bald im Monatslohn u. dgl.

entrichtet wird. Hierher mussten auch die Z e i c h n e r u n d V e r g r ö s s e r e r , z. B. der Stickereiindustrie, genommen werden, weil sie nach ihrer Arbeitsart nicht zu den Arbeitern zählen ; wenn sich auch die Arbeit des Vergrösserers derjenigen des Arbeiters eher nähert, so liegt sie doch noch näher dem zweifellos als Angestellten zu behandelnden Kopisten, Maschinenschreiber usw.

Der Praktiker wird auch ohne Definition herausfinden, wer ein H a n d e l s r e i s e n d e r ist, während allerdings die Stellung dieser Gruppe nach der Richtung der üblichen Bezahlung Schwierigkeiten bot.

Auch im neuen Beschluss sollen Verhältnisse, die wirtschaftlich dem Dienstvertrag gleichkommen, einbezogen werden.

Eine Umschreibung des Geltungsgebietes materieller Art war indes noch nötig, weil die G e h a l t e der Angestellten sehr auseinandergellen, man denke an die Distanz vom Kopisten bis zum Bankdirektor. Um nun diejenigen auszuschalten, die nach ihren Gehaltsyerhältnissen und übrigens auch nach ihren persönlichen Beziehungen zum Dienstherrn eine gewisse Arbeitslosigkeit ertragen oder auf dem Wege der Verständigung lindern können, wurden Personen mit Fr. 9000 und mehr Besoldung ausgeschaltet.

Bei den bescheidener Dotierten wurde hingegen zum Schütze der Arbeitgeber, die allzugrosse Lasten nicht tragen könnten, sowie weil eine gewisse Ersparnisrnöglichkeit bestand, nur ein Gehalt von Fr. 550 im Monat als anrechenbar bezeichnet. Angestellte mit weniger als Fr. 6600 Gehalt im Jahr können also ihren ganzen Gehalt, solche mit mehr als Fr. 6600, aber weniger als Fr. 9000 den Betrag von Fr. 6600 und endlich solche mit einem Jahresgehalt von Fr. 9000 und mehr gar nichts in Anrechnung bringen.

Einer besondern Regelung in Art. 2 rief die Behandlung der H a n d e l s - und speziell der sogenannten P r o v i s i o n s r e i s e n d e n , weil deren Einkommen sich zusammensetzt aus dem Gehalt, einer Umsateprovision und aus Reisespesen, die nicht nur den Ersatz der Reiseauslagen, sondern darüber hinaus einen gewissen Gewinn bedeuten. Es kommt bei den Handelsreisenden aber auch vor, dass ihnen nur die eine oder andere dieser Zahlungsweisen zugesichert ist. Gemäss Antrag der organisierten Handelsreisenden ist die Lösung in Art. 2, lit. c,
getroffen. Sie bietet noch den Vorteil einfacher praktischer Handhabung darin, dass als Betrag derjenigen Spesen, die ein Nettoeinkommen bedeuten, per Tag Fr. 5 angenommen werden, was auch der geschäftlichen Kalkulation zu entsprechen scheint. Natürlich muss dem Arbeit-

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Art. 3 enthält die gleiche Arbeitsorganisationsvors c h r i f t , wie der erste ßeschluss. Das Kündigungsreeht bleibt, sofern es sich nicht um eine Kündigung wegen dieses Beschlusses, bzw. wegen der aus der Kriegszeit hervorgegangenen schlechten Geschäftslage, handelt, offen (vgl. Art. 14). Durch die Kündigung kann natürlich nicht die Verpflichtung zur Arbeitslosenfürsorge beseitigt werden. Wenn es sich also um eine Kriegsfolge handelt, gilt der Beschluss jedenfalls.

Art. 4, 5 und 6 enthalten die grundlegenden Bestimmungen über die E n t s c h ä d i g u n g des Arbeitslosen und deren Übernahme durch Arbeitgeber und Staat. Die Belastung ist analog derjenigen im frühern Beschluss, aber insofern abweichend, als nun angesichts des engern Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Angestellten und auch der ändern Art der Löhnung nicht, wie beim Arbeiter, eine kleine Arbeitszeitreduktion mit entsprechender Lohnreduktion vom Angestellten getragen werden muss, sondern sogar eine Lohnverminderung bei Arbeitsreduktion bis auf 20 % gar nicht eintreten soll. Es dürfte das übrigens auch üblich sein. Sodann werden dem Angestellten für weitere nicht benützte Zeit nicht nur 50 %, wie beim Arbeiter, sondern 60 % des normalen Lohnes bezahlt. Das Minimum bei ganz grossem Ausfall ist gleich angesetzt (60--70 °/0), wie beim alten Beschluss.

Die Belastung von K a n t o n und B u n d mit je einem Drittel dürfte sich hier aus gleichen Gesichtspunkten rechtfertigen, wie früher: Interesse des Staates an der Arbeitsloseni'ürsorge aus staatspolitischen Gründen, Entlastung des Armenwesens, Verhütung der Verarmung der Angestellten und Unmöglichkeit vieler Geschäfte, alles zu tragen.

Art. 7 ist inhaltlich gleich, wie Art. 7 des alten Beschlusses, redaktionell etwas deutlicher, und will einesteils eine Art Ü b e r v e r s o r g u n g , die den Arbeitslosen besser stellen könnte, als den voll Arbeitenden, verhüten, anderseits aber denjenigen mit Nebenverdienst oder mit einer Versicherung etwas besser stellen, als denjenigen, der sich in keiner dieser Richtungen versorgte, indem jener auf 100 °/o seines Normalgehaltes kommen kann.

Auch hier gilt das Bestreben,
die Arbeitslosenversicherung der Arbeitnehmer zu fördern.

Art. 8 und folgende organisieren die finanzielle Arbeitslosenhilfe, gleich wie der die Arbeiter betreffende Beschluss, durch

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Beizug der Unternehmerorganisationen. Ein Antrag, bei dieser Gelegenheit, wie eingangs erwähnt, ein Obligatoriuin zum Beitritt in eine Unternehmerorganisation herbeizuführen, unterlag: gegen eine grosse Mehrheit. Der Gedanke hat ja viel Gutes und könnte zum schönen Teil die Mitwirkung der G e m e i n d e b e h ö r d e n , die ohnehin nicht musterhaft sein wird, überflüssig machen. Anderseits sind aber gerade viele Geschäfte und Geschäftchen mit wenig Angestellten nicht organisiert, es fehlt auch wohl bei vielen die Neigung dazu. Das Obligatorium würde alsoauf unendliche Schwierigkeiten stossen und auf lange Zeit die Durchführung des Beschlusses aufschieben. Schliesslich könnte es auch bei der sehr wahrscheinlichen Renitenz vieler kleiner Geschäftsleute nicht ohne Hülfe der Gemeinde erzwungen werden, und so müssten dann doch Verbände und Gemeinden wirken.

Ks wird aber nach den Erfahrungen beim Bundesratsbeschluss vom 5. August nötig sein, darauf zu drücken, dass die Gemeindebehörden die Durchführung in dieser Richtung energisch an die Hand nehmen, und zwar derart, dass tatsächlich die nichtorganisierten Geschäftsleute nicht billiger davon kommen, als die organisierten.

Die B e l a s t u n g d e r A r b e i t g e b e r ist im Rahmen von l bis 3 Monatslöhnen bestimmt, im übrigen für einen Monatsgehalt auch auf dur Basis der Solidarität der Verbandsmitglieder untereinander aufgestellt. Die nicht unbeträchtliche Erhöhung gegenüber der Arbeiterfürsorge entspricht dem engern Verhältnis des Arbeitgebers zum Angestellten und der im Vergleich zu den Arbeitern kleinern Zahl von Angestellten, für die gesorgt werden muss. Die Belastung wird schliesslich im ganzen doch bescheidener sein.

Art. 13. Die Auszahlung ist auf Grund der Erfahrungen mit dem frühern Beschlüsse etwas praktischer gestaltet.

In Art. 14, Absatz 2, ist die A n z e i g e p f l i c h t für die Veränderungen im Gehaltsverhältnis etwas freier ausgedrückt. Die Anzeige soll so frühzeitig als möglich, in der Regel aber einen Monat zum voraus gemacht werden.

Art. 16 bestimmt in Absatz 2, dass bei D i s p e n s i e r u n g eines U n t e r n e h m e r s der Verband nicht die ganze Folge auf sich nimmt, sondern nur für einen Monatsgehalt aufkommt -- eben für den Betrag, für den die Solidarität der Verbandsmitglieder besteht. Diese Bestimmung ist gegenüber dem Wortlaut des frühern Beschlusses eine Einschränkung, die der Staat schliesslich wird konzedieren müssen. Dafür muss ihm aber im

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Absatz l in allen Fällen das Entscheidungsrecht zufallen, da er ja in der Hauptsache die Konsequenz trägt.

Abgesehen vom Wegfall des alten Art. 25, der die Kantone zum Ausbau der Arbeitsvermittlung verhielt und eben durch seinen Inhalt eine Wiederholung überflüssig macht, enthalten die letzten Artikel die Bestimmungen des frühern Beschlusses über die Hülfe der Arbeitsvermittlungsstellen und über die kantonale Organisation usw. Hier wollte man eben eine Änderung vermeiden, um den Kantonen und Gemeinden die Durchführung beider Parallelbeschlüsse zu erleichtern.

Aus einem ähnlichen Grunde wurde eine Anregung, die Bestimmungen über die Kompetenzen der Arbeitsvermittlungsstellen zu verschärfen, abgelehnt; ihre Rechte und Pflichten gegenüber Unternehmern, die oft dieselben Personen mit Bezug auf Arbeiter und Angestellte sind, und gegenüber Arbeitnehmern, sowie den Organisationen sollen dieselben in beiden Fürsorgeaktionen sein.

Zum Schlüsse wird im Bericht betont, dass die K o m m i s s i o n einmütig der Auffassung sei, diese Vorlage solle b a l d zur Anwendung kommen. Sie sei auch darin einig, dass dies am besten durch Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates erreicht werde.

Das Volkswirtschaftsdeparteinent unterbreitete den von ihm auf Grund der Kommissionsberatungen vorläufig festgesetzten Entwurf einerseits sämtlichen Kantonsregierungen, andrerseits den beruflichen Zentralverbänden (^schweizerischer Handels- und tndustrieverein, Zentralverband schweizerischer ArbeitgeberOrganisationen, schweizerischer Gewerbeverband, Vereinigung schweizerischer Angestellten-Verbände) und den Mitgliedern der Kommission, mit der Einladung, vom Entwurf Kenntnis zu nehmen und die Bemerkungen, zu denen sein Inhalt Anlass gebe, mitzuteilen; die Mitglieder der Kommission wurden ersucht, sich vor ihrer Rückäusserung mit den Leitungen der ihnen nahestehenden Berufsverbände in Verbindung zu setzen.

Von den Kantonsregierungen antworteten 15, wovon die grosse Mehrzahl in zustimmendem Sinne; die Zustimmung darf nach der Form der Befragung auch bei denjenigen Amtsstellen angenommen werden, die sich nicht äusserten. Einzelne kantonale Behörden verhielten sich insofern mehr oder weniger ablehnend, als sie einem ändern Vorgehen den Vorzug geben.

Die bezeichneten beruflichen Zentralverbände sahen sich nur zur Anbringung weniger Vorschläge formeller und materieller Art veranlasst.

392 Das Departement unterbreitete dem Ausschuss der Kommission sämtliche eingegangene Vernehmlassungen zur Prüfung und Antragstellung. Die Subkommission gelangte nach einlässlicher Beratung zum Schlüsse, es sei an den Grundlagen des Entwurfs und an der früher vorgeschlagenen Art des Vorgehens (Bundesratsbeschluss) festzuhalten. Die von einzelnen kantonalen Behörden, von den Zentral verbänden · und von Kommissionsmitgliedern eingereichten Abänderungsvorschläge zum Entwurf wurden sorgfältig geprüft und in einer revidierten Fassung tunlichst berücksichtigt.

Die wichtigsten Änderungen gegenüber den frühern Vorschlägen der Gesamtkommission sind folgende : Der anrechenbare monatliche Gesamtverdienst wird in Art. 2, lit. c, von Fr. 600 auf Fr. 550 herabgesetzt, um den Anschauungen verschiedener Kreise über das Maas der Unterstützung entgegenzukommen.

In Art. 1.0 wird vorgesehen, dass die nicht organisierten Betriebsinhaber von den Gemeindebehörden zum voraus zur Sicherstellung oder Einzahlung der den vorgeschriebenen Leistungen entsprechenden Beträge verhalten werden können. Dieser Zusatz bezweckt die Präzisierung eines Punktes, der im frühern Beschlüsse nicht deutlich genug geregelt war. Eine neue Bestimmung wurde in den gleichen Artikel aufgenommen, dahingehend, dass nicht nur innerhalb der beruflichen Verbände (Art. 8, Absatz 4), sondern auch auf dem Boden der Gemeinde eine gewisse Solidarität der Betriebsiuhaber innerhalb einer und derselben Betriebsgruppe bestehen soll (Art. 10, ·- Absatz 3). Diese Vorschrift empfiehlt sich besonders aus dem Grunde, dass die Betriebsinhaber sieb bei den Gemeinden finanziell nicht besser stellen sollen, als bei den Verbänden.

Die in Art. 13 neu aufgenommene Bestimmung betreffend die Vorschussleistung des Betriebsinhabers, bzw. der Gemeinde, ist deshalb nötig, weil der Arbeitslose der von den öffentlichen Verwaltungen geleisteten Unterstützung schon an den üblichen Zahltagen bedarf, also nicht warten kann, bis die betreffenden Abrechnungen den Amtsstellen vorgelegt und die Beträge zur Zahlung angewiesen worden sind.

Aus den Kreisen der Angestellten, so durch Schreiben der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände vom 25. Januar und des Kartells der Basler Arbeitnehmerverbände vom 23. Januar 1919, wird darauf hingewiesen, dass in verschiedenen Branchen wirtschaftliche Krisen um sich greifen, und die Entlassungen von Angestellten schon einen bedrohlichen Umfang angenommen haben,

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es also eine dringende Notwendigkeit sei, den Beschluss unverzüglich zu erlassen und ihm rückwirkende Kraft zu verleihen ; wir verweisen in letzterer Hinsicht auf den Art. 28, Absatz 2, der Vorlage.

Die Verhältnisse haben sich in der Tat so gestaltet, dass die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit auch für die Angestellten und damit die Ergänzung der für die Arbeiter durch unsern Beschluss vom 5. August 1918 unternommenen Hülfe ein unabweieliches Bedürfnis geworden ist. Indem wir Ihnen den neuen Beschlussesentwurf unterbreiten, beantragen wir, Sie möchten von ihm in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochächtung.

B e r n , den 8. Februar

1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Àdor.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. I.

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1919

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19.03.1919

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385-393

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