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mit schweizerischer Gesetzsammlung, 7l. Jahrgang.

Bern, den 7. Mai 1919.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 13 FRanken im. Jahr, 6 Franken int Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellnngsgebühr.

Einrückungsgebühr :. 15 Rappen die Zelle oder deren Raum. -- Anzeigen franko .

an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates au die Bundesversammlung betreffend Arbeitszeit in den Fabriken.

die

(Vom 29. April 1919.)

I.

Anlässlich der Beratung des neuen Fabrikgesetzes, das im Juni 1914 nach langen Verhandlungen zwischen den Parteien und Interessentengruppen auf Grund einer Verständigung zur Annahme gelangte, wurde die Arbeitszeit in den Fabriken auf 10 Stunden im Tag und an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen auf 9 Stunden festgesetzt. Die Vorarbeiten für den Vollzug des Gesetzes erlitten zunächst naturgemäss infolge der durch den Krieg verursachten Ereignisse und Verhältnisse einen Aufschub, wurden dann aber energisch an die Hand genommen und so.

gefördert, dass nunmehr eine vollständige und ausführliche Vollziehungsverordnung vorliegt, die alle Bestimmungen enthält, die-, zur Inkraftsetzung des Gesetzes notwendig sind.

Die wichtigsten Arbeitszeitbestimmungen des neuen Gesetzes wurden indessen materiell bereits durch einen Bundesratsbeschluss vom 30. Oktober 1917 in Kraft gesetzt und gelangen seither zur Anwendung.

Seit ungefähr einem Jahre, insbesondere aber seit sechs Monaten macht sich- in der Arbeiterschaft der Schweiz, wie auch in allen ändern Industrieländern, ein mächtiger Zug geltend, der auf eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit hinzielt. Bereits am 20. November 1918 legte das Volkswirtschaftsdepartement die Frage .der Arbeitszeitverkürzung der Fabrikkommission vor, indem es sich , dahin aussprach, dass dieses soziale Postulat auf dem Wege freier Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern gelöst werden , solle. Die Fabrikkommission stimmte dieser Auffassung. einmütig bei.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. II.

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Am 3. Januar 1919 fand in Bern eine vom Volkswirtschaftsdepartement einberufene Versammlung von Arbeitgebern statt, in lier diese Frage diskutiert und der Wille zur Verständigung und zur Verhandlung mit der Arbeiterschaft ausgesprochen wurde.

Immerhin wurden auch damals noch ernste Bedenken geltend gemacht, die sich insbesondere darauf stützten, dass die industriellen Konkurrenzländer der Schweiz noch keine erheblichen Massnahmen für die Verkürzung der Arbeitszeit getroffen hätten.

Nachdem die Arbeitgeberorganisationen ihre Sektionen über die Frage konsultiert hatten, veranstaltete das Departement eine Konferenz von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeiterschaft, in der die Grundlagen einer Verständigung diskutiert wurden.

In der Folge kamen zwischen einzelnen Industriegruppen und den darin beschäftigten Arbeitern Übereinkünfte zustande, die auf einen sukzessiven Abbau der Arbeitszeit hinzielen. Die wichtigste dieser Abmachungen ist die von der Maschinenindustrio getroffene, wonach die Arbeitszeit vom 1. Mai an auf 50 Stunden und vom 1. Oktober an auf 48 Stunden in der Woche reduziert wurde. Auch in wichtigen Branchen der Textilindustrie, die vor kurzem noch eine Arbeitszeit von 64 Stunden in der Woche hatte und dann auf 59 Stunden zurückging, steht eine Übereinkunft in Diskussion, wonach die Arbeitszeit auf 52 Stunden, nach einer gewissen Zeit auf 50 Stunden und noch später auf 48 Stunden reduziert werden soll. In ändern Zweigen der Industrie schweben Verhandlungen,-mancherorts wurde direkt die 48-Stundenwoche eingeführt, so z. B. in der Schokoladen- und Tabakindustrie.

Noch anlässlich der Sitzung der Fabrikkommission in Zürich und ebenso anlässlich der Beantwortung der Interpellationen Studer und Mosimann im Nationalrate am 13. Februar 1919 sprach sich das Volkswirtschaftsdepartement in unserm Einverständnis dafür aus, dass die Frage der Arbeitszeitverkürzung einfach auf dem Wege der Verständigung zu lösen sei, einmal deshalb, weil noch keine genügende Garantie bestehe, dass in ändern Industrieländern auch eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit eintrete, und sodann aus dem weitern Grunde, weil der Weg der Gesetzgebung zu langsam sei und vorher schon' gewisse Konzessionen gemacht werden müssen.

Wir sind auch heute noch der Ansicht, dass die Arbeitszeitverkürzung nicht sprunghaft
stattfinden und nicht von heute auf morgen in allen Industrien gleichmässig und unbekümmert um dio bisherigen Verhältnisse auf 48 Stunden in der Woche herabgesetzt werden dürfe, und wir betrachten es weiter als die richtige Losung, dass die Parteien sich über dieses wichtige soziale Postulat zu verständigen suchen. Deshalb haben wir auch bis

115 zur Stunde die Bestrebungen fortgesetzt, Arbeitgeber und Arbeiterschaft zu einer Einigung zusammenzuführen, und es darf, wie bereits erwähnt, heute festgestellt werden, dass auf dem Gebiete der Industrie die Lösung sich auf gutem Wege befindet. Weniger weit ist dio Entwicklung in den Gewerben gediehen, wo besondere Verhältnisse die Regelung schwieriger erscheinen lassen, als in den Fabrikbetrieben. Das Volkswirtschaftsdepartement setzt dort, im Einverständnis mit den Parteien, die Ausgleichsbestrebungen fort und hat zu diesem Zwecke eine gemischte Kommission eingesetzt, die den Boden einer grundsätzlichen Verständigung zu suchen hat, und -- hoffen wir -- auch linden wird. So ist die Erwartung berechtigt, dass der Schweiz soziale Erschütterungen und Konflikte erspart bleiben, die sich aus einem Kampfe um Verkürzung der Arbeitszeit ergeben könnten.

Indessen legt uns gerade die Tatsache, dass die öffentliche Meinung der Schweiz, und namentlich auch die Arbeitgeberschaft sich der Einsicht nicht verschliessen, eine Verkürzung der Arbeitszeit sei ein unausweichliches soziales Postulat, den Gedanken einer staatlichen Intervention nahe. Was sich zwischen den Interessentengruppen vorbereitet, soll durch einen gesetzgeberischen Akt des Bundes sanktioniert werden. Hierdurch wird vorab der Wille des Staates, regulierend in einen allfälligen" Konflikt einzugreifen, bekundet, und es werden, wie billig, alle Arbeitgeber, nicht nur die Mitglieder der Organisationen, die in der Regel die fortschrittlichsten sind, gezwungen, der neuen Zeit Rechnung zu tragen.

Dazu traten zwei weitere Erwägungen. Es schien uns nicht angemessen, das noue Fabrikgesetz von 1914 mit einer gesetzlichen Maximalarbeitszeit in Kraft zu setzen, die tatsächlich bereits überholt ist, um dann in Kürze in Gesetz und Vollzug neue, tief greifende Änderungen einführen zu müssen, und ferner schien uns der Gang der Ereignisse in den ändern Industriestaaten nunmehr die These zu rechtfertigen, dass der Zeitpunkt gekommen sei, in dem auch die Schweiz die Verkürzung der Arbeitszeit gesetzlich festlegen dürfe. Die Berechtigung der ersten Erwägung springt in die Augen. Für die Beurteilung der zweiten sind die nachfolgend erwähnten Vorgänge von Erheblichkeit.

In D e u t s c h l a n d kam am 15. November 1918 zwischen den grossen, über das ganze Land
sich ausdehnenden Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften eine Übereinkunft zustande, in der das Höchstmass der täglichen regelmässigen Arbeitszeit für alle Betriebe auf 8 Stunden festgesetzt und die Vornahme

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von Lohnabzügen infolge dieser Verkürzung ausdrücklich verboten wurde. Das Abkommen wurde von der Regierung veröffentlicht, zugleich mit dem Ersuchen an die Leiter der Reichs-, sowie der Landes- und kommunalen Betriebe, iu den von ihnen geleiteten Unternehmungen die Bestimmungen des Vertrages ebenfalls zur Anwendung zu bringen. Eiue gesetzliche Ordnung erfuhr die Arbeitsdauer durch die ,,Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter" vom 23. November 1918, sowie durch die ,,Verordnung über die Regelung der Arbeitszeit der Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung" vom 18. März 1919. Beide Erlasse, die gleichsam eine gesetzliche Sanktion des erwähnton Abkommens vom 15. November 1918 bedeuten, beschränken die tägliche Arbeitsdauer auf acht Stunden; während aber die Verordnung vom 18. März 1918 vorläufig mehr nur vorübergehenden Charakter hat, ist der erstgenannte Erlass für die Dauer berechnet. Es fallen darunter die Arbeiter in allen industriellen und gewerblichen Betrieben (oinschliesslich des Bergbaus), in den Betrieben des Reiches, des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände, sowie in landwirtschaftlichen Nebenbetrieben gewerblicher Art.

D e u t s c h - Ö s t e r r e i c h erliess am 19. Dezember 1918 ein ,,Gesetz über die Einführung des 8-stündigon Arbeitstages in labrikmässig betriebenen Gewerbeunternehmungeu", veranlasst allerdings durch grosso Arbeitslosigkeit und deshalb vorgesehen nur bis zum Zeitpunkt des Friedensschlusses. Es ist jedoch anzunehmen, dass es definitive Geltung erlangen wird. Abgesehen von gewi.saon Ausnahmebestimmungen anderer Art, fällt die Vorschrift des Achtstundentages dahin, wenn durch einen Kollektivvertrag mit der Arbeiterorganisation die 48-stünclige Arbeitswoche eingeführt wurde.

Auch können für bestimmte Gruppen vom Staatsamt für soziale Fürsorge nach Anhörung eines gleichtnässig aus Vertretern der Arbeiter und der Arbeitgeber zusammengesetzten Beirates noch Ausnahmen festgesetzt werden. ' In U n g a r n lag bereits zu Beginn des laufenden Jahres ein Gesetzesentwurf über die Arbeitszeit vor. Er bestimmt, dass für alle Beamten, Gehülfen und Arbeiter in Handels- oder Industrieunternehmungen, sowie in den mit staatlichen Monopolen verbundenen Unternehmungen (wie Eisenbahnen, Spitäler, Bergbaubetriebe) die tägliche
Arbeitszeit innerhalb 24 Stunden, unter Hinzurechnung der Pausen, nicht mehr als 8 Stunden betrügen dürfe.

Vorwiegend noch auf dem Weg freier Vereinbarung wurde die Arbeitszeit in verschiedenen Industrien I t a l i e n s verkürzt.

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So gelangte am 3. Februar 1919 in einer Konferenz oberitalienischer Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter der Metallund Maschinenindustrio nach mehrtägigen Verhandlungen die 48-Stundenwoche ohne Herabsetzung der Entlohnung grundsätzlich zur Annahme. Vom 1. Mai 1919 au wird sie in den mechanischen Industrien und vom 1. Juni 1919 an in den Industrien mit fortwährendem Dampfbetrieb zur Anwendung kommen. Wo in der Textilindustrie die 48-stündige Arbeitswoche vor dem 1. April 1919 noch nicht eingeführt war, ist sie mit diesem Datum in Kraft getreten. Auch in der chemischen Industrie soll vom 1. April dieses Jahres an die gleiche Arbeitszeit gelten. Die Frage betreffend Einführung des gesetzlichen Achtstundentages wurde am, 19. Februar 1919 in einer Sitzung des ständigen Arbeitsrates (Consiglio permanente del Lavoro), zusammen mit einer grossen Anzahl von Vertretern der Industriellen und Arbeiter, beraten,.

Das zuständige Amt hatte eine bezügliche Studie verfasst, ent-, haltend einen Auszug aus den hauptsächlichsten italienischen und ausländischen Arbeiterschutzgesetzen.

Ebenfalls F r a n k r e i c h ist, nachdem sich die Regierung bis in die letzte Zeit gegenüber dem Begehren auf Verkürzung der Arbeitszeit eher zurückhaltend verhielt, an die gesetzliche Verwirklichung des Postulates gegangen. Am 8. April des laufenden Jahres wurde vom Arbeitsminister der Deputiertenkammer ein Gesetzesentwurf eingereicht, der eine Abänderung des Kapitels II (Arbeitszeit) des I. Titels von Buch II des ,,Code du Travail et de la Prévoyance Sociale1' vorsieht. Darnach soll die wirkliche Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten aller industriellen und kommerziellen Betriebe 8 Stunden im Tag oder 48 Stunden in der Woche nicht übersteigen. Die nähern Bedingungen der Arbeitszeitverkürzung, die notwendigen Ausnahmebestimmungen, sowie der Zeitpunkt des Inkrafttretens werden für die einzelnen Industrien oder deren Gruppen durch Verordnung der Regierung festgesetzt, entweder von Amtes wegen oder auf Begehren dei' beteiligten Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbände (Art. 7 des Entwurfs); die Verordnungen können für das ganze französische Gebiet als anwendbar erklärt werden oder nur für bestimmte Landesgegenden. In Art. 8 wird bestimmt, dass diese in Art. 7 erwähnten Verordnungen sich gegebenenfalls auf die zwischen den beteiligten
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen abgeschlossenen Vereinbarungen beziehen sollen. Dieser Entwurf wurde, ergänzt durch eine weitere Bestimmung, wonach die Verkürzung der Arbeitszeit keine Herabsetzung des Lohnes zur Folge

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haben darf, von der Kammer am 16. April und vom Senat am 23. April angenommen.

Auch freiwillige Vereinbarungen kamen in letzter Zeit verschiedentlich zustande. So wurde am 17. April 1919 von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Metall- und Maschinenindustrie ein Protokoll unterzeichnet, das unter anderem bestimmt : .,,Die Vertreter der Union haben sich mit der Einführung ,,des Achtstundentages effektiver Arbeit für den Bergbau und das ,,Hüttenwesen, die Metall- und Maschinenindustrien, den Schiffbau ,,sowie die elektrischen Industrien einverstanden erklärt.

,,Die Vertreter des Metallverbandcs (Fédération des métaux) ,,haben ihrerseits erklärt, ,,dass es im Sinne der Arbeiterorgani^sationen liege, wenn die Arbeiter sich der Entwicklung der Ver,,wendung von Maschinen und den rationellen Arbeitsmethoden ,,willig anpassen, sodass die Produktion rasch auf die dem allge,,meinen Wohle notwendige Höhe gebracht werden könne.a ,,Mit Rücksicht auf die durch die gegenwärtigen Verhältnisse ,,verursachten Schwierigkeiten wird der Achtstundentag für den ,,Bergbau und das Hüttenwesen, die Metall- und Masehinenindu,,strien, den Schiffbau und die elektrischen Industrien prinzipiell ,,auf den 1. Juni 1919 eingeführt. In Betrieben mit fortwährender ,,Feuerung wird wegen der besondern Schwierigkeiten, welche ,,die notwendige Vermehrung des Personals sowie der maschinellen ,,Einrichtungen nach sich ziehen, die Neuerung erst sechs Monate ,,nach der Unterzeichnung dosPräliminarfriedens stattfinden können.

,,Die Vertreter des Bergbaus und des Hüttenwesens, der ,,Metall- und Maschinenindustrien, der elektrischen Industrien, sowie ,,aller ändern Industrien, die damit zusammenhängen, und die ,,jenigen des Metallarbeiterverbandes Frankreichs werden ebenfalls ,,die Bedingungen, unter denen die oben bestimmte effektive Arbeits,,dauer ausgedehnt werden kann, gemeinsam prüfen."

In E n g l a n d gehen die Bestrebungen der Behörden auf Einführung des Achtstundentages bis in das Jahr 1912 zurück, indem schon damals dem House of Gommons verschiedene Gesetzesentwürfe betreffend die Beschränkung der Arbeitszeit vorlagen und auch einer ersten Lesung unterworfen wurden (so die Entwürfe William Thorne, Hudson, Barnes, George Robert").

Infolge des Krieges erlitten jedoch die Weiterarbeiten eine Stockung und erst in neuerer Zeit
wurden sie wieder aufgenommen, teilweise durch gesetzgeberische Massnahmen, teilweise durch Anbahnung freiwilliger Vereinbarungen zwischen den direkt Beteiligten, die denn auch in einer Reihe von Industrien zustande kamen. Das gilt z. B. für die Maschinen- und Schiffbauindustrie,

119 wo bereits seit einigen Monaten die 47-Stundenwoche besteht.

·Schon seit einigen'Jahren geniessen den Achtstundentag die Arbeiter in den Bergwerken, sowie in gewissen öffentlichen Betrieben.

Den Eisenbahnern ist er mit Wirkung ab 1. Februar 1919 bewilligt worden. Aus den neuesten Meldungen geht hervor, dass zur Besprechung der Frage einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der englische Ministerpräsident eine paritätisch zusammengesetzt« Industriekonferenz einberufen hatte, die zur nähern Prüfung des Problems eine ebenfalls zu gleichen Teilen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammengesetzte Spezialkommission ernannte. Diese Kommission fasste kürzlich einstimmig den Beschluss, der Regierung die gesetzliche 48-Stundenwoche vorzuschlagen ·und schützende Bestimmungen für nötige Ausnahmen vorzusehen.

Auch in den ü b r i g e n L ä n d e r n E u r o p a s hat die Bewegung auf Einführung des Achtstundentages je länger je mehr an Boden gewonnen. So erliess z. B. Spanien am 15. März 1919 ein Gesetz, das für das Baugewerbe des ganzen Landes den Achtstundentag festsetzt. Durch ein ,., Gesetz über die tägliche Arbeitsdauer in industriellen Betrieben" vom 22. Januar 1915 wurde in Portugal für die Betriebe des Staates und der Verwaltungen, sowie für gewisse Privatbetriebe die 8-stündige Arbeitszeit eingeführt. In Schweden liegt dem Reichstag ein ausgearbeiteter Regierungsvorschlag betreffend Verkürzung der täglichen Arbeitsdauer auf 8 Standen vor. Ein gleicher Gesetzesentwurf wird gegenwärtig auch in Dänemark geprüft. In Holland hat fast die ganze Industrie freiwillig den Achtstundentag zugestanden. Russland führte den Achtstundentag im Herbst 1917 ein, Finnland durch Gesetz vom 27. November 1917, das sich mit Ausnahme der Haus- und Landwirtschaft auf alle Arten von Betrieben erstreckt und diese trifft, sobald eine fremde Arbeitskraft ausser den Familienmitgliedern darin beschäftigt wird. Innerhalb einer bestimmten Grenze sind verschiedene Ausnahmebestimmungen vorgesehen. Überzeit muss in den ersten zwei Stunden mit mindestens 50 °/o, weiterhin mit mindestens 100 °/o Lohnzuschlag berechnet werden. Dem Arbeitgeber ist verboten, Arbeit mit nach Hause zu geben, damit nicht dadurch eine Überschreitung des Achtstundentages eintrete.

Verkürzungen der Arbeitsdauer auf dem Weg freier Vereinbarungen
oder auf dem einer gesetzlichen Regelung wurden aber nicht nur in den Ländern Europas vorgenommen, sondern haben auch a u s s e r h a l b d e s K o n t i n e n t, s Eingang gefunden.

-- meist schon früher, als in Europa. Die Vereinigten Staaten Amerikas z. B. erliessen bereits im Jahr 1.912 ein Gesetz, worin

120 bestimmt wird, dass in jedem die Beschäftigung von Arbeitern und Handwerkern involvierenden Vertrag, bei dem dio Vereinigten Staaten, ein Territorium oder der Bezirk Columbia Partei sind oder der für die genannten Staatsgebilde oder in deren Namen abgeschlossen worden ist, die Achtstundeuvorschrift aufgenommen werden soll. Durch ein weiteres Gesetz vom 3./5. September 1916 wurde der Achtstundentag für das Eisenbahnpersonal eingeführt, in der Weise, dass vom 1. Januar 1917 hinweg allen Dienstverträgen von Eisenbahnen eine 8 stündige tägliche Arbeitszeit zugrunde zu legen ist. Vereinbarungen direkt zwischen den Beteiligten bestehen in einer ganzen Reihe von Industrien und Einzelbetrieben, namentlich in der Metall- und elektrotechnischen, sowie in der chemischen Industrie. Von gesetzlichen Erlassen seien noch erwähnt: Staatsverfassung der Vereinigten Mexikanischen Staaten vom 31. Januar 1917, die dem Kongress der Union und den gesetzgebenden Behörden der Einzelstaaten den Erlass von Arbeitsgesetzen vorschreibt, die unter anderem auch die Dauer der täglichen Arbeitszeit auf 8 Stunden festlegen; Gesetz vom 4. September 191U.

das für das ganze Gebiet Ecuadors den Achtstundentag einführt; Uruguaysches Gesetz vom 17. November 1917, das ebenfalls für Industrie, Baugewerbe, Handel, Verkehr und Staatsbetriebe die tägliche Arbeitszeit auf höchstens 8 Stunden festlegt; ähnliches Gesetz für Panama vom 29. Oktober 1914.

Bezüglich der Verhältnisse in der S c h w e i z selbst endlich verweisen wir aufdas bereits oben Gesagte und auf die Erläuterungen /u Art. 41 unserer Gesetzesvorlage. Wir erinnern ferner an den Entwurf des Post- und Eisenbahndepartements vom 23. Dezember 1918 zu einem Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten. Von den Kantonen sind bis jetzt gesetzgeberisch vorgegangen der Kanton Zürich, dessen Regierung am 7. Januar 1919 dem Kantonsrat den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Arbeitszeit vorlegte.

Unter das Gesetz fallen alle Gewerbe und Betriebe mit Ausnahme derjenigen, deren Arbeitszeit durch das Bundesrccht geregelt ist, mit Ausnahme ferner der land- und forstwirtschaftlichen, sowie der hausindustriellen Betriebe und des Wirtschaftsgewerbes. In den dem Gesetz unterstellten Betrieben soll die wöchentliche Arbeitszeit für
Angestellte, Arbeiter und Lehrlinge beider Geschlechter in der Regel 48 Stunden nicht überschreiten. Andere Kantone haben für die staatlichen Betriebe, eine Anzahl von Gemeinden für ihre kommunalen Betriebe die 48-Stundenwoche oder den Achtstundentag eingeführt. Dass auch in einer grossen Zahl von privaten industriellen Unternehmungen nur 48 Stunden

121 in der Woche gearbeitet wird, braucht wohl nicht weiter ausgeführt zu werden.

Was schliesslich die i u t e r n a t i o n a l e R e g e l u n g der ganzen Frage betrifft, so ist auch in dieser Beziehung der allseitig feste Wille zu einer baldigen Verständigung zu erkennen. In den Kreisen der an der Friedenskonferenz Beteiligten bildet das Problem Gegenstand eingehender Beratungen und unter den Postulaten, welche die ^Commission de Législation internationale du Travail" der Präliminarfriedenskonferenz zur Aufnahme in den Friedensvertrag empfiehlt, ist auch die Forderung auf Verkürzung der Arbeitszeit im Sinn der Einführung des Achtstundentages beziehungsweise der 48-Stundenwoche enthalten. Besteht auch keine Gewissbeit darüber, ob dieser Vorschlag allseitige Zustimmung erfährt: nach Lage der Dinge darf bestimmt angenommen werden, dass die gemeinsamen Anstrengungen in absehbarer Zeit zu einem Ziele führen. Hierfür spricht auch der Umstand, dass auf der Tagesordnung der internationalen Konferenz betreffend Arbeitergesetzgebung, die im Oktober dieses Jahres stattfinden soll, an erster Stelle die Beratung über die Durchführung des Grundsatzes der 48-Stundenwoche beziehungsweise des Achtstundentages steht.

Diese Betrachtung der Vorgänge im Ausland dürfte genügen, um zn zeigen, dass -- vom internationalen Standpunkt beurteilt -- die Schweiz mit der Einführung der 48-Stundenwoche keinen übereilten Schritt tut, im Gegenteil : dass sie sich damit nur in Bahnen bewegt, die andere Länder entweder schon eingeschlagen haben oder die zu betreten sie eben im Begriffe sind. Dies festgestellt, fällt einer der Haupteinwände gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit, die Erschwerung des Wettbewerbes unserer Exportindustiie auf dem Weltmarkt, dahin.

* Eine eingehende materielle Begründung für die Verkürzung der Arbeitszeit erübrigt sich. Jedermann ist wohl damit einverstanden, dass eine Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die es dem Arbeiter erlaubt, neben dem Aufenthalt in den Arbeitsräumen auch noch etwas vom Leben zu sehen und zu gemessen, sich mit noch etwas anderem als nur Fabrikarbeit zu beschäftigen, schon an sich wünschenswert ist. Zu den ideellen Erwägungen treten die praktischen, wie namentlich die Rücksicht auf die Gesundheit, die Sorge um die Familie, die Möglichkeit, weiter weg von der Arbeitsstätte zu wohnen. Anderseits darf natürlich die Einschränkung der Arbeitsdauer nicht über ein gewisses Mass hinausgehen, und es kann nicht genug betont werden, dass nur

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die regelmässigo, gewissenhafte und fleissige Arbeit die Grundlage der nationalen Produktion, des Wohlergehens der Industrie und damit der Arbeiterschaft selbst bilden kann. Tüchtigkeit und Fleiss der Arbeiterschaft sind mit Unternehmungslust und Mut der Industriellen die Voraussetzungen einer befriedigenden volkswirtschaftlichen Weiterentwicklung des Landes und damit auch wirtschaftlicher und nationaler Unabhängigkeit.

Trotzdem bestehen auch heute noch gewisse Bedenken.

Es ist zweifellos, dass die Reduktion der Arbeitszeit nicht voll durch die Steigerung der Arbeitskraft aufgewogen werden kann. Namentlich dort, wo Maschinen in bestimmender Weise auf don Umfang der Produktion Binfluss haben, muss notwendigerweise eine Verkürzung der Arbeitszeit einen Rückgang der Produktion zur Folge haben. Sind nun auch die wirtschaftlichen Inkonvenienzen einer vermindernten Produktion wenigstens für die Exportindustrie durch die im Ausland eingetretenen Arbeitsverkürzungen wesentlich gemildert, so tritt doch eine Verteuerung der Fabrikationsprodukte, die für das Inland bestimmt sind, ein.

Unleugbar ist auch, dass die Verkürzung der industriellen Arbeitszeit ihre Rückwirkungen hat auf die Urproduktion; sie erschwert die Beschaffung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, fördert den heute schon bestehenden Zug in die Stadt und nach der Industrie und bildet auch damit ein Element, das die Teuerung steigert.

Allein diese Erwägungen können, nicht ausschlaggebend sein.

Ihnen stehen vorab die Rücksichten auf die Gesundheit des Arbeiters und namentlich auch der in der Industrie beschäftigten Frauen gegenüber. Der Arbeiter, der die gleiche Rücksicht verdient wie jeder andere Bürger, soll neben der Arbeit auch persönliche Freiheit, geniessen. Erst dadurch wird er zu einem vollwertigen Mitgliede der staatlichen Gemeinschaft und erst dadurch bekommt er das Gefühl, dass die Gesamtheit sich um ihn bekümmert.

Man muss sich jedoch auch ganz offen Rechenschaft geben, ·dass es sich heute nicht mehr ausschliesslich um ein Abwägen rein sachlicher Gründe für und gegen die Neuerung handelt.

Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 48 Stunden in der Woche ist ein altes Postulat der Industriearbeiterschaft, die heute ungestümer als je dessen Erfüllung fordert. Zu den sachlichen Gründen treten psychologische Gründe und Stimmungen und es
wäre eine Unklugheit und gereichte dem Staat nur zum Schaden, wollten die politischen Behörden und die Arbeitgeberschaft sich ihnen rein ablehnend gogenüberstollon. Dio Verkürzung der Arbeitszeit

123 allein führt allerdings noch nicht den Zustand herbei, den man für die Arbeiterschaft wünschen würde. Neue Probleme, wie diejenigen der Wohnungsfürsorge und der Siedelungspolitik schliessen sich an, denn nur der Arbeiter geniesst den wirklichen Segen der verkürzten Arbeitszeit, der ein eigenes Heim hat, und der seine freie Zeit unter erträglichen Verhältnissen verbringen kann, und am glücklichsten dürften wohl die sein, die neben der F'abrikarbeit sich noch .etwas landwirtschaftlichen oder Gartenarbeiten widmen und dabei das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden können.

Eröffnet somit die Einführung der 48-Stundenwoche wieder neue Probleme der Arbeiterpolitik, begegnet sie sowohl im Hinblick auf die Produktion im Lande selbst wie mit Rücksicht auf die internationale Konkurrenz gewissen nicht leicht zu nehmenden Bedenken, so wäre doch ein Pessimismus nicht berechtigt. Die Welt der Industrie und der Arbeit stellt sich auf die Forderungen einer veränderten Zeit ein. Sie ordnet rein geschäftliche Erwägungen den Rechten des Individuums unter und sie wird gewiss auch unter diesen veränderten Verhältnissen ihren Weg zur weitern Entwicklung finden.

IIDie Frage der Verkürzung der Arbeitszeit stellt sich nua aber selbstverständlich nicht nur für die dem Fabrikgesetz unterstellten Betriebe, sondern auch für die übrigen industriellen, gewerblichen und kommerziellen Unternehmungen. lu Beziehung auf diese bestehen bis zur Stunde keine Bundesvorschriften ; es ist jedoch der Bund befugt, nach Art. 34ter der Bundesverfassung auch auf dem Gebiete des Gewcrbewesens Vorschriften aufzustellen und damit auch das Arbeitsverhältnis in den nicht dem Fabrikgesetz unterstellten Betrieben zu ordnen.

Es haben sich denn auch die Unterhandlungen zwischen den Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeiter, die vom Volkswirtschaftsdepartement geleitet wurden, nicht nur auf die Fabrikbetriebe, sonderu insbesondere auch auf die gewerblichen Betriebe bezogen, und es wurden die einschlägigen Verhältnisse speziell noch in einer besondern Konferenz besprochen, die ausschliesslich von Vertretern des Schweizerischen Gewerbeverbandes einerseits und von den Vertretern der bezüglichen Arbeiterorganisationen anderseits beschickt wurde. Ähnlich wie für die Industrie wurde auch hier vorgesehen, dass gruppenweise verhandelt werde und auf Anregung aus der Mitte jener Konferenz «oll eine behördliche Vermittlungskommission bezeichnet werden,

1.24 die in den Zweigen positive Vorschläge macht, in denen oine Einigung unter den Interessenten ausgeschlossen erscheint. So besteht denn unseres Erachtens die Aussicht, dass auch auf dem Gebiete des Gewerbewesens die Verhandlungen über die Verkürzung der Arbeitszeit von Verband zu Verband zu einer Einigung und zu befriedigenden Resultaten führen. Indessen kann nicht geleugnet werden, dass auf dem Gebiete des Gewerbes die Organisationen der Arbeitgeber weniger geschlossen sind als diejenigen der Industrie. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass viele Arbeitgeber, die auf der Seite stehen, sich um elio Abmachungen nicht bekümmern und nach wie vor die Arbeitszeit ohne Rücksicht auf diese bemessen. In der bereits erwähnten Konferenz haben sich die Vertreter des Gewerbes auf den Boden gestellt, dass die Festlegung der Arbeitszeit in den verschiedenen Berufen durch Abschluss von Gesamtarbeitsverträgon erfolgen solle, die durch Bundesratsbcschluss allgemein, d. h. für sämtliche, demselben Berufe angehörenden Betriebe verbindlich erklärt werden sollen. Sie haben weiter erklärt, wo solche Verträge innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zustande kommen, soll eine Regelung der Arbeitszeit ohne weiteres durch Bundesratsbeschluss vStattfinden.

Wir haben die hier berührte Frage zum Teil wenigstens schon in der Botschaft betreffend die Ordnung des Arbeitsvcrhältnisses vom 11. April und in der dazu gehörenden Vorlage, Art. 3, behandelt. Dort ist vorgesehen, dass der Bundesrat Gesaintarbeitsverträge auch für die ihnen nicht beigetretenen Angehörigen der betreffenden Erwerbsgruppcn verbindlich erklären kann; dagegen ist noch nirgens die Kompetenz des Bundesrates begründet, auf dem Gebiete des Gewerbes verbindliche Vorschriften über die Arbeitszeit aufzustellen.

So wünschenswert eine einheitliche Regelung dieser Frage auf dem Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft wäre, so kann doch wohl nicht die Rede davon sein, dass nunmehr in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit ein vollständiges Arbeitszeitgesetz für die Gewerbe geschaffen, dem Parlament unterbreitet, von diesem angenommen und in kürzester Frist in Vollzug gesetzt werde. Eingehende Untersuchungen sind hier notwendig, zumal als die Verhältnisse im Gewerbe viel weniger einheitlich sind, als auf dem Gebiete der Fabrikbetriebe. Es muss somit der Gedanke,
gleichzeitig mit der Novelle zum Fabrikgesetz auch ein vollständiges Arbeitszeitgesetz für die Gewerbe zu schaffen, als undurchführbar bezeichnet werden. Anderseits ist nicht zu

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'leugnen, dass ein soziales, zugleich aber aus allen den Gründe^ 'die wir oben für unsere Vorlage betreffend die Fabrikbetriebe angeführt haben, auch ein politisches Bedürfnis besteht, dem Bund die Möglichkeit einer Intervention auf dein Gebiete der Arbeitszeitfestsetzung in den Gewerben zu verleihen.

Unterlässt es der Bund, selber Arbeitszeitbestimmungen auch für das Gewerbe aufzustellen, 'dann werden eben die Kantone von sich aus bezügliche Vorschriften erlassen. Das beweist z. B.

das Vorgehen des Kantons Zürich. Damit droht nicht nur eino Vielgestaltigkeit zu entstehen, die dem Interesse einer einheitlichen und wirksamen Handhabung des Arbeiterschutzes zuwiderläuft, sondern es greifen neue Rechtsverschiedenheiten und Rechtsungleiehheiten Platz, unter denen nicht bloss die Arbeitnehmer, sondern ebensosehr die Arbeitgeber zu leiden hätten, nicht zuletzt infolge der Konkurrenz zwischen den einzelnen Berufszweigen in den verschiedenen Kantouen und der Gefahr einer Abwanderung vieler tüchtiger Arbeitskräfte. Dass diese bedenklichen Übelstäride auch dem sürcherischen Regierungsrat nicht verborgen blieben, beweist seine Weisung vom 7. Januar 1919 zum ,,Gesetz über dio Regelung der Arbeitszeit", wo ausgeführt wird, dass durch eine Legiferierung einzelner Kantone leicht eine Schlechterstellung gewisser Zweige des Kleingewerbes gegenüber der ausserkantonalen Konkurrenz eintreten könnte und ausserdem- die Lust zur Abwanderung stark befördert werde, und dass dies mit ein Grund sei, warum die Betätigung der kantonalen Gesetzgebung auf dem Gebiet der Regelung der Arbeitszeit nur vorübergehenden Charakter haben könne.

....

....

Welches Verfahren ist nun unter solchen Verhältnissen einzuschlagen? Bevor wir uns definitiv entscheiden, wünschen wir die Antworten der Kantonsregierungea auf eine an sie gerichtete.

Umfrage zu erhalten und auch die ganze Bewegung noch weiter zu verfolgen, wie sie sich bezüglich der Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern im Gebiete der Gewerbe gestaltet.

Wir glauben indessen heute schon sagen zu dürfen, dass eine positive Lösung nur in der Weise möglich erscheint, dass dem Bundesrat durch einen dem vorliegenden Gesetze anzugliedernden Artikel das Recht verliehen würde, Gesamtarbeitsverträge allgemein verbindlich zu erklären, und für die Gewerbe, in denen besondere
Verhältnisse es rechtfertigen, Vorschriften über die Arbeitszeit aufzustellen. Dabei müsste zur Ausführung dieses.

Grundsatzes tunlichste Freiheit gelassen werden. Es wäre nicht klug und nicht angemessen, den Bundesrat zu beauftragen,

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schlechthin die Vorschriften über die Arbeitszeit in den geschlossenen Fabrikbetrieben so wie sie sind, auf die Gewerbe zu übertragen. Anderseits wäre es wohl als selbstverständlich zu betrachten, dass der Bundesrat iu der Festsetzung der Arbeitszeit sieht unter 48 Stunden pro Woche herabgehen konnte, vielleicht aber ein gewisses Maximum, z. B. den Neunstundentag, auch nicht überschreiten durfte. Mögen gegenüber einem solchen Vorgehen gewisse Bedenken bestehen, so hätte dies doch den Vorteil, abklärend zu wirken und Erfahrungen zu sammeln, die für die Ausarbeitung eines Gewerbegesetzes von grösstem Nutzen sein können.

Wollte man diese Anregung befolgen, so müsste 111 das vorliegende Gesetz als Artikel II. folgende Bestimmung aufgenommen^ werden : ,,Bis zum Inkrafttreten eines Bundesgesetzes über die Arbeit ,,in den Gewerben ist der Bundesrat ermächtigt, nach Anhörung ,,der beteiligten Berufsverbände, die Arbeitszeit auch für solche ,,industrielle, gewerbliche und kaufmännische Betriebe festzusetzen, ,,die nicht unter dem Fabrikgesetze stehen, wenn die Natur dieser ,,Betriebe eine solche Massregel rechtfertigt. Die durchschnitt,,liehe wöchentliche Arbeitszeit darf dabei auf nicht weniger als ,,48 Stunden und auf nicht mehr 54 Stunden festgesetzt werden.

,,Die Bewilligung von Überzeit und Hülfsarbeit ist besonders zu ,,ordnen.

,,Der Bundesrat ist ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten ,,Berufsverbände Gesamtarbeitsverträge für alle Angehörigen der ,,betreffenden Erwerbsgruppe verbindlich zu erklären, wenn eine ,,Vertragspartei es verlangt."· Eine solche Bestimmung würde es gestatten, die Arbeitszeit sieht nur für Arbeiter, sondern auch für Angestellte in Betrieben., die nicht unter das Fabrikgesetz fallen, aber eine grosse Zahl von Personen beschäftigen, wie dies z. B. bei Warenhäusern der Fall ist, zu regeln und überhaupt auf dem ganzen Gebiete dea Gewerbewesens einzugreifen, wo die Verhältnisse es wünschenswert machen und wo entweder die Parteien nicht zu einer friedlichen Einigung gelangen, oder wo diese mit Recht wünschen, dass ein Parteiiibereinkommen allgemein verbindlich erklärt werden solle.

Wir behalten uns vor, diese Frage noch weiter zu prüfen und nach Eingang der Antworten der Kantone in den Sitzungen der Kommissionen und der Räte definitiv diesen Antrag zu stellen.

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III.

Der Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Arbeitszeit in den Fabriken, den wir Ihnen in der Beilage unterbreiten, ist das Ergebnis der vorstehenden Erwägungen. Der Vorentwurf wurde von der gemäss Art. 85 des Fabrikgesetzes von 1914 bestellten Fabrikkommission vom 15. bis 17. April durchberaten..

Die Grundlage des Gesetzesentwurfs, die 48-Stundenwoche, fand, die einstimmige Unterstützung der Kommission. Differenzen ergaben sich nur hinsichtlich des Masses der Ausnahmen und der Dauer der Übergangszeit, -- Punkte, auf die wir noch zurückkommen.

Zu den einzelnen Artikeln bringen wir folgende Bemerkungen an.

Zu Art. I. Wir schlagen vor, im Gesetz von 1914 den.

Titel WII. Arbeitszeit" in seiner Gesamtheit zu ersetzen, obschoa nicht alle seine Bestimmungen einer Revision bedürfen. Wirbezwecken hierbei, für den praktischen Gebrauch eine Ausgabe der Fabrikgesetzgebung zu ermöglichen, die übersichtlich ist und.

daher die Orientierung erleichtert.

Zu Art. 40. Schon bei den Verhandlungen betreffend die Vorbereitung des Fabrikgesetzes von 1914 wurde, an Stelle des Normalarbeitstages, aus Kreisen der Industrie die Normalarbeitswoche, von Vertretern des Gewerbestandes ein für einen längern Zeitraum geltendes durchschnittliches Mass der Arbeitsdauer verlangt. Von beiden Systemen wollte damals die Arbeiterschaft nichts wissen. In unserer Botschaft vom 6. Mai 1910 zum Fabrikgesetze legten wir dar, dass die beiden Momente des Gesundheitsschutzes und der Kontrolle für unsere Stellungnahme zugunsten, des Normalarbeitstages massgebend seien. Heute liegt die Sache.

anders. Bei einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitsdauerauf 48 Stunden wird'es praktisch nicht vorkommen, dass einzelne Tage mit einer die Gesundheit schädigenden Zahl von Arbeitsstunden belastet werden. Und die Erwägung betreffend die Konfcrollieriing der Arbeitsdauer hat nicht mehr die Bedeutung, wie früher, weil nun die Arbeiterschaft selbst diesem Punkte erhöhte Aufmerksamkeit widmet. Für die Kontrolle durch die amtlichen Organe bietet Art. 44 die nötige Handhabe. Wir sehen daher davon ab, mit der Festsetzung der Wochenstundenzahl eine Festsetzung der täglichen Höchststundenzahl zu kombinieren. Die dadurch gewonnene Bewegungsfreiheit gestattet einerseits dem Fabrikinhaber, sich den jeweiligen Verhältnissen besser anzupassen, anderseits wird sie auch dem Arbeiter, z. B. durch Ermöglichung ganzer oder halber freier Werktage, Vorteile bieten.

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Die Bestimmung von Art. 40, Absatz l, soll zunächst für den einschichtigen Betrieb gelten, also für Fabriken, die nur am Tage, und zwar nur in einer Schicht, arbeiten. Die Verhältnisse beim zweischichtigen Tagesbetriebe, bei vorübergehender oder dauernder Nacht- oder Sonntagsarbeit und beim durchgehenden Betriebe (Nacht- und Sonntagsarbeit) erfordern besondere Vorschriften, die in spätem Artikeln enthalten sind.

Die Vorschrift von Absatz 2 ist im Grunde überflüssig; ihre Aufnahme ist von der Fabrikkommission gewünscht worden, um Zweifel betreffend die Zulässigkeit der Verlegung von Samstagstunden auf andere Tage auszuschliessen.

ZM Art. 4.1. Die aus dem Gesetze von 1914 sich ergebende wöchentliche Höchststundenzahl beträgt 59 ; sie ist tatsächlich durch den Bundesratsbschluss vom 30. Oktober 1917 auf den 15. November 1917 eingeführt worden. lu zahlreichen Fabriken wird weniger lang gearbeitet, wie folgende Zahlen aus dem III. Fabrikinspektionskreise (erhoben 1918) zeigen: Von 1.773 beobachteten Fabriken arbeiten nur 45,i °/o am Samstagnachmittag, während 54,9 % ihn freigeben. Von diesen arbeiten 4/5 trotzdem an den übrigen Tagen nicht mehr als 10, sondern in grosser Zahl weniger als 10 Stunden. Die Betriebe, die am Samstagnachmittag feiern, die Kompensation dagegen gemäss Art. 4 des oben erwähnten Bundesratsbeschlusses an den übrigen Wochentagen ganz oder teilweise eintreten lassen, machen nur ll,2°/o der Gesamtzahl aus. Die Zahl der Fabriken, die am Samstagnachmittag arbeiten und an den übrigen Tagen die zulässige Höchstzahl ausnützen, wird auf zwei Drittel der 45,i % bewertet.

Die Verkürzung der Arbeitsdauer ist auch in den übrigen Inspektionsreisen vor sich gegangen. Aber es gibt Industrien und einzelne Betriebe, die dieser Bewegung bisher nicht folgten und durch- eine unvermittelte) Herabsetzung der Arbeitsdauer um wöchentlich 11 Stunden schwerer Schädigung ausgesetzt wären.

Ein solches Ergebnis liefe den allgemeinen wirtschaftlichen Interessen des Landes zuwider, aber auch den speziellen Interessen der Arbeiterschaft, der daran gelegen sein muss, dass die Erwerbsmöglichkeit nicht geschmälert werde.

In Art. 41, lit. a, wird daher vorgesehen, dass der Bundesrat Ausnahmen von der in Art. 40 aufgestellten Regel zulassen könne, immerhin nur unter Wahrung einer wöchentlichen Höchststundenzahl von-52, was für viele Fabriken eine beträchtliche Verkürzung der bisherigen Arbeitsdauer bedeutet. Die Vertretung der Arbeit-

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geber in der Fabrikkommission hat zwar die Gewährung von 53 Stunden als Ausnahme verlangt, während die Vertretung der Arbeiterschaft nur 50 Stunden zugestehen wollte. Für unseru Vorschlag ist die Erwägung massgebend, dass zwar die Bestimmung von lit. a vielleicht gar nicht zur Anwendung gelangt, dass ·aber, wenn die Verhältnisse, namentlich mit Bezug auf die ausländische Konkurrenz, die Anwendung doch erfordern sollten, -das Mittel nicht durch ein Plus von nur zwei Stunden wöchentlich sozusagen unwirksam gemacht werden darf. Im übrigen können die Ausnahmen nicht einzeln im Gesetze festgelegt werden, ·ebenso nicht deren Dauer. Die herrschende Unbeständigkeit und Unsicherheit der Produktionsverhältnisse bringt es mit sich, dass ·die Möglichkeit bestehen muss, ihnen solche Festsetzungen leicht -anzupassen.

Die in Art. 41, lit. ö, vorgesehene Erleichterung in Form ·der Gewährung einer Übergangszeit wurde im Grundsatz von der Fabrikkommission einstimmig gutgeheissen. Die Arbeitervertreter verlangten, dass sie befristet werde, und zwar auf ein halbes ·Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, während auf der ändern Seite ein Jahr vorgeschlagen war. Wir beantragen Einsetzung -der kürzern Frist, weil sie uns den Verhältnissen zu entsprechen .scheint. Ausserdem kann nach deren Ablauf lit. a für zwingende Bedürfnisse zur Anwendung kommen.

Bei den in lit. a und b vorgesehenen Bewilligungen handelt ·es sich um grundsätzliche Feststellungen für einzelne Industrien.

Wir betrachten es als selbstverständlich, dass vor unserer jeweiligen Entscheidung die beruflichen Verbände der Arbeitgeber und der Arbeiter, sowie die Fabrikkommission anzuhören seien.

Die Bewilligung für einen einzelnen, ein zwingendes Bedürfnis nachweisenden Betrieb soll nicht deshalb ausgeschlossen sein, weil er keiner Organisation angehört oder weil in der betreffenden Industrie ein Gesuch urn allgemeine Bewilligung der Ausnahme ·nicht gestellt wird. Das weitere ist in der Vollzugsverordnung ·zu regeln.

, Der am Schlüsse des Art. 41 vorgesehene Vorbehalt zugunsten der vor dem 1. Juni 1919 abgeschlossenen Vereinbarungen ist in seinem ersten Teil ein einstimmiges Postulat der Fabrikkommission, und erscheint auch uns als begründet. Hinsichtlich «iner Befristung gingen die Ansichten auseinander. Wir empfehlen ·die von uns aufgenommene Lösung.

Za. Ari. 42. Trotz des Preisgebens des Nprmalarbeitetages kann die Aufstellung von Bestimmungen über die ' Pausen bei Buudeablatt. 71. Jahrg. ßd. II.

10

130 der gewohnlichen Tagesarbeit nicht umgangen werden. Dieso sind von besonderer Bedeutung nicht nur hinsichtlich des Einnehfliens der Mahlzeiten, sondern namentlich auch in ihrer Eigenschaft als Ruhezeit, wobei nicht nur au das Erholungsbedürfnis der erwachsenen Männer, sondern auch an dasjenige der w.eiblichen und jugendlichen Personen zu denken ist.

Bei ganztägiger Arbeit, die länger als 8 Stunden dauert, muss ans den vorstehend erwähnten Gründen an der mindestens einstündigen Mittagspause festgehalten werden. Beträgt die Stundenzahl 8 und weniger, so empfiehlt es sich im Interesse eines frühern Feierabends, die Mindestdauer der Pause auf eine kalbe Stunde herabzusetzen (Art. 42, lit. a).

Durch die neue Regelung der Arbeitsdau«r wird die Freigabe des Nachmittags von Samstagen -- auch andere Tage werden in Frage kommen -- grosse Verbreitung erfahren. Je früher an solchen Tagen die Vormittagsarbeit aufhört, desto mehr kommt die übliche Essenszeit zur Geltung. Dieses Vorteils willen sehen wir von der Festsetzung einer Vormittagspause ab (Art. 42, lit. &) ; sie wird, wo das Bedürfnis sich geltend macht, von selbst zur Einführung gelangen.

Die Beibehaltung der Vorschrift von Absatz 2 ist durchaus notwendig, damit ein sicherer Massstab für die Kontroliierung der effektiven Arbeitsdauer geboten sei. Wo die Bedürfnisse eine andere Regelung erfordern, wllrde sie nach Art. 47 und 57 erfolgen.

Zu Art. 43--46. Diese dem Gesetze von 1914 entsprechenden Bestimmungen können und sollen beibehalten werden.

Eine Erweiterung nehmen wir in Art. 44 vor. Da das.

System des einheitlichen Normalarbeitstages aufgegeben wird, ist es nötig, der Einhaltung der zulässigen Wochenstundenzahl besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir sehen daher eine Verpflichtung der Ortsbehörden vor, wonach sie dafür zu sorgen haben, dass die ihnen von den Fabrikinhabern vorzulegenden Stundenpläne den Vorschriften entsprechen.

In Art. 46 trifft die Verweisung auf den neuen Artikel 41 zu, obschon der alte hinfallig geworden ist.

Zu Art. 47. Die den industriellen Betrieben'gewährten Erleichterungen, deren'Begründung'in unserer Botschaft vom 6. Mai 1910 enthalten ist, gewinnen nun erhöhte Bedeutung. 'Wird auf der einen Seite die Arbeitsdauer verkürzt, so ist auf der ändern dein Fabrikinhaber im Interesse der Lebensfähigkeit der Industrie-

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und damit auch im Intéresse der Arbeitsbeschaffung für die Arbeiter eine zweckentsprechende Anwendung der im neuen RAhmen verbleibenden Arbeitsweisen zu erleichtern. Wir sprechen daher in Art. 47 nicht mehr von Ausnahmen und sehen vor, dass ,die Behörde .die in lit. a, 6 und c genannten Abweichungen bei nachgewiesenem Bedürfnis nicht bewilligen könne, sondern, bewilligen w.erde. Ferner nehmen wir davon Umgang, die Pausen beim zweischichtigen Tagesbetrieb gesetzlich festzulegen, indem deren Regelung gestützt auf den Schlusssatz des Artikels auf dem Wege des Vollzugs erfolgen kann .und hiermit der nötige Spielraum geboten wird. Dem gleichen Zweck dient die neue -Bestimmung, dass die .Schichten übereinandergreifen können.

Dagegen können wir uns nicht entschliessen, .die Einführung der .ernannten Abweichungen dem Gutfinden der Fabrikinhaber zu überlassen, d. h. das Erfordernis der Bewilligung auszuschalten.

Es.handelt sich doch umwichtige und eingreifende Änderungen, der normalen Arbeitsweise, um Änderungen, deren Berechtigung von den Behörden geprüft werden muss, -soll nicht Missbrauch eintreten. Hierbei ist namentlich zu beachten, dass .an der in,.die Früh-, und Spätstunden .übergreifenden Arbeit weibliche ,und jugendliche Personen beteiligt sein können. Auch .erheischt eine wirksame Kontrolle der Gesetzbefolgung den in der vorgesehenen Weise .geordneten Zustand.

' · Zu Art. 48--50. Hat .sich die Ermöglichung von Überzeitarbeit schon beim elfstündigen und nachher beim zehnstündigen Arbeitstag als ein unabweisliches Bedürfnis in den Industrien und Gewerben erwiesen, so wird esbei der neuen Verkürzung der Arbeitsdauer jedenfalls nicht geringer -sein. Wir -schlagen daher vor, die im Gesetze von 1914 enthaltene, gegenüber demjenigen von1877 erhebliche Einschränkungen anweisende Regelung -beizubehalten. -Der Lohnzuschlag für Überzeitarbeit ist in Art. 2-7 festgesetzt.

Es ist noch darauf hinzuweisen, dass nicht etwa wegen der Zulässigkeit des zweischichtigen Tagesbetriebes auf die Überzeitarbeit verzichtet werden kann. Die Gründe sind in unserer Botschaft vom 6. Mai 1910 angegeben und gelten auch heute .noch.

Zu Art. 51. Dass Nacht- und Sonntagsarbeit als Ausnahme unentbehrlich bleibt, ist unbestritten. Die im -Gesetze von 1914 bezeichneten Voraussetzungen für die Bewilligung müssen beibe-' halten werden. Inwieweit die gegenwärtigeSachlage die Umschreibung der-Ausnahmen beeinflusst, ist ! aus denAusführungen ' zu-Art. 152--54 ersichtlich.

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Auf diesem Gebiet kann die Normalarbeitswoche insofern nicht' die Grundlage bilden, als das System des schichtweiseu Arbeitens die Festsetzung der Schichtdauer als einer Einheit verlangt.

'/M Art. 52. Das Gesetz von 1914 gestattet bei vorübergehender Nacht- und Sonntagsarbeit für den einzelnen Arbeiter eine Arbeitsdauer von 10 Stunden, Übereinstimmend mit dem Ncrmalarbeitstag von gleicher Dauer. Würde die Bestimmung beibehalten, so stände der 48-Stundenwoche bei Tagesarbeit eine 60-Stundenwoche bei Nachtarbeit gegenüber, der nach unserer Vorlage durchschnittlich unter 10 Stunden bleibenden Werktagsarbeit eine Sonntagsarbeit von 10 Stunden. Ein solches Missverhältnis könnte nicht gerechtfertigt werden. Wird die Notwendigkeit der Verkürzung der gewöhnlichen Tagesarbeit anerkannt, so muss sie für Nacht- und Sonntagsarbeit aus gesundheitlichen und ethischen Gründen erst recht bejaht werden. Wir schlagen daher vor, dass bei vorübergehender Nacht- und Sonntagsarbeit die 10 Stunden auf 8 herabgesetzt werden. Ferner empfiehlt es sich, auch die Dauer der Schicht zu beschränken, damit lange Präsenzzeiten vermieden werden. Diese Dauer dürfte 9 Stunden betragen, damit die vorgesehene Mindestruhezeit auf eine Stunde erhöht werden kann.

Unser Vorschlag erscheint um so eher als durchführbar, als es sich in den Fällen von Art. 52 nicht etwa um Betriebe handelt, die ununterbrochen sein müssen und daher auf dauernde Bewilligungen (Art. 53 und 54) angewiesen sind. Häufig kommt die Beanspruchung nur einzelner Nacht- oder Sonntagsstundeu in Frage. Aus diesem Grunde sehen wir, in Abweichung vom alten Art. 52, vor, dass eine Pause nur bei längerer als fünfstündiger Arbeitsdauer einzutreten habe. Allerdings gibt es auch Fälle, wo vorübergehend die ganze Nacht gearbeitet werden muss. Es ist dann mit einer einzigen Nachtschicht nicht auszukommen und daher eine weitere, kombiniert mit Tagesarbeit, einzuschalten; dies wird nur geschehen, wenn zwingende Gründe vorliegen.

Zu Art. 53. Im Gesetze von 1914 wird zwar für dauernde Nacht- und Sonntagsarbeit die achtstündige Arbeitsdauer und das Dreischichtensystem als Regel aufgestellt, der Buudesrat aber ermächtigt, unter gewissen Voraussetzungen eine längere Arbeitsdauer (bis 10 Stunden) und die Verteilung der 24 Stunde» auf zwei Schichten zu bewilligen. Auf diese Konzession haben bei der Vorbereitung jenes Gesetzes die beteiligten Fabrikanten-

133 gruppen sehr grossen Wert gelegt. Es darf angenommen werden, àusa unter den heutigen Verhältnissen dem Punkt nicht mehr so grosse Bedeutung beigemessen werde. Ferner ist auf die zu Art. .52 vorgebrachten Erwägungen hinsichtlich des Missverhältnisses zwischen der Dauer der gewöhnlichen Tagesarbeit und der Nachtarbeit zu verweisen. Die dauernde Aufrechterhaltung der Konzession lässt sich also nicht rechtfertigen, aber es muss in Betracht gezogen werden, dass ihr sofortiger Entzug die Konkurrenzfähigkeit gewisser Betriebe wegen der bedeutenden Erhöhung der Produktionskosten in Frage stellen würde. Eine diesen Verhältnissen angemessene Lösung erblicken wir darin, dass im neuen Gesetze uns die Ermächtigung gegeben werde, Fabriken, die noch im zweischichtigen Betrieb arbeiten, für den Übergang zum dreischichtigen eine Frist zu gewähren. Neue Bewilligungen für eine Arbeitsdauer von mehr als 8 Stunden wären nach der in Art. 53 vorgeschlagenen Fassung nicht mehr zulässig.

Bei Art. 53 ist im Auge zu behalten, dass er sich auch auf .die Fälle bezieht, wo die Nacht oder der Sonntag nicht gänzlich, sondern nur zum Teil beansprucht wird. Es ist daher auch von einer höchstens neunstündigen Schichtdauer die Rede, in der Absicht, die Einführung einer längern Ruhezeit zu ermöglichen.

Eine Festlegung der Pausen sehen wir nicht mehr vor, weil die Arbeitsdauer in jeder Schicht nur 8 Stunden beträgt, und weil bei manchen Fabrikationsprozessen die Einhaltung fester Pausen unmöglich ist. Im übrigen ist auf Art. 57 zu verweisen.

Zu Art. 54. Wir nehmen in Absatz l und 2 die Vorschrift, dass die freie Zeit die Stunden von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends in sich schliessen solle, nicht mehr auf. Für die vorübergehende Nacht- und Sonntagsarbeit hat diese Bestimmung sowieso geringe Bedeutung, indem die Befugnis zur Bewilligung solcher Ausnahmen stark beschränkt ist und die Bedingungen in jedem einzelnen Fall festgesetzt werden. Der Übelstand, den man mit der Vorschrift treffen wollte, kam eigentlich nur beim durchgehenden Betrieb mit zwei Schichten vor, wenn diese sich mittags und um Mitternacht ablösten. Da diese Betriebsweise, unter Vorbehalt der Schlussbestimmung von Art. 53, überhaupt wegfällt, kann auch die Einschränkung fallen gelassen werden. Damit gewinnt der dreischichtige Betrieb mit den A.blösungszeiten 4, 12 und 8 Uhr eine gewisse Erleichterung.

Die schon im Gesetze von. 1914 enthaltensn^Bestimmungen der beiden letzten Absätze von Art. 54 nehmen'fwir auf, weil

134

*

sie die Einführung des dreischichtigen Betriebes, namentlich auch das Weglassen von Hülfsschichten, erleichtern.

'/M Ari. 57. Starre Vorschriften über Pausen bei Nachtund Sonntagsarbeit sind oft entweder undurchführbar oder sehr erschwerend für die Organisation des Betriebs. Es erscheint un« daher als geboten, durch die vorliegende Fassung grössere Elastizität zu gewähren.

Die übrigen Artikel geben zu keinen Änderungen Anlass.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des beigefügten Gesetzesentwurfs und bitten Sie dringend, das Geschäft in Ihrer nächsten Session zu behandeln. Die möglichst rasche Erledigung der Vorlage ist notwendig. Es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass nicht für jeden Industriezweig freiwillige Abmachungen in der nächsten Zeit zu Stande kommen, womit sich eine unhaltbare Sachlage ergäbe, wenn nicht die Verkürzung der Arbeitsdauer von Gesetzes wegen einträte. Wo Vereinbarungen bestehen, wird es erforderlich sein, duss für die ausserhalb der betreffenden beruflichen Organisationen sich befindenden Betriebe durch verbindliche Vorschrift das Nötige angeordnet sei. Vor allem aber ist zu bedenken, dass es durchaus unzweckmässig wäre, das Fabrikgesetz von 1914 ohne den Abschnitt betreffend die Arbeitszeit vor der Novelle in Kraft treten zu lassen, oder gar das ganze Gesetz jetzt schon zur Anwendung zu bringen, um nach kurzer Frist seine Bestimmungen über die Arbeitszeit durch neue zu ersetzen. Das Gesetz von 1914 muss -- nach der durch die Einwirkungen des Krieges verursachten langen Verzögerung -- in seiner Gesamtheit und zwar spätestens auf den 1. Januar 1920 in Kraft gesetzt werden. Das ist aber nur möglich, wenn das Geschäft in der Junisession behandelt wird, da noch der Ablauf der ReferendumsiTist abgewartet und die Vollzugsverordnung den neuen Bestimmungen über die Arbeitszeit angepasst werden mus«.

B e r n , den 29. April 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der, V i z e p r ä s i d e n t : Motta.

Der Vizekanzler: Contât.

S1H|

'135 «(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Arbeitszeit in den Fabriken.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 29. April

1919, beschliesst:

Art. I.

Die Bestimmungen unter Titel ,,II. Arbeitszeit" des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken, vom 18, Juni 1944, erhalten folgende Fassung : Art. 40. Die Arbeit im einschichtigen Betriebe darf Normalarbeitswoche.

wöchentlich nicht mehr als achtundvierzig Stunden, dauern.

Wird am Samstag weniger als acht Stunden gearbeitet, und ergäbe sich hieraus eine kürzere, als die im vorhergehenden Absatz, vorgesehene Arbeitsdauer, so darf der Rest der achtundvierzig Stunden auf die übrigen Werktage verteilt werden. · Abgeänderte Art. 4l. Der Bundesrat ist ermächtigt: Normala. für einzelne Industrien, wenn und solange zwingende Gründe arbeitswoche.

es rechtfertigen, insbesondere wenn durch die Anwendung des vorangehenden. Artikels die Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf die in andern Ländern bestehende Arbeitsdauer in Frage gestellt wäre, eine wöchentliche Arbeitsdauer von höchstens zweiundfünfzig Stunden zuzulassen; b. für die Anwendung von Art. 40 eine Übergangszeit von längstens einem halben Jahre, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, für einzelne Industrien festzusetzen, insbesondere für diejenigen, die bei diesem Inkrafttreten noch eine wesentlich längere Arbeitsdauer haben, als sie in Art. 40 bestimmt ist ; dabei muss indessen die wöchentliche Arbeitsdauer für die Übergangszeit auf höchstens fünfzig Stunden beschränkt werden.

136 Vorbehalten bleiben in lit. b die vor dem 1. Juni 1919 zwischen Berufsverbänden der Betriebsinhaber und der Arbeiter abgeschlossenen Vereinbarungen, die sich über einen grosse« Teil des Landes erstrecken oder einen erheblichen Teil der betreffenden Berufsangehörigen umfassen. Soweit solche Vereinbarungen eine längere, als die in Art. 40 festgesetzte Arbeitsdauer vorsehen, tritt am 1. Januar 1921 an Stelle der vertraglichen Arbeitsdauer die in Art. 40 festgesetzte.

Pausen.

Art. 42. Um die Mitte des Tages ist eine nach dem Ortsgebrauch sich richtende Mittagspause von wenigstens einer Stunde festzusetzen, es sei denn, dass a. die Arbeit nicht länger als acht Stunden dauert und durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen wird, oder b. die Arbeit spätestens um ein Uhr aufhört.

Pausen im einschichtigen Betrieb dürfen nur dann von der Arbeitsdauer abgerechnet werden, wenn sie gleichzeitig und regelmässig von allen Arbeitern einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung eingehalten werden und wenn das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist.

*

Art. 43. Die Arbeit muss vom 1. Mai bis 15. September Grenzen der Tagesarbeit. in die Zeit zwischen fünf Uhr morgens und acht Uhr abends.'

im übrigen Teil des Jahres zwischen sechs Uhr morgens und acht Uhr abends gelegt werden ; an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen muss sie spätestens um fünf Uhr aufhören.

Zeitkontrolle.

Art. 44. Die Arbeitsstunden und die Pausen sind jewcilen nach der öffentlichen Uhr zu richten, in der Fabrik durch Anschlag bekanntzugeben und der Ortsbehörde für sich und zuhanden ihrer Oberbehörde schriftlich anzuzeigen.

Die Ortsbehörde hat dafür zu sorgen, dass der Stundenplan den Vorschriften über die wöchentliche Stundenzahl und über die Pausen entspricht.

"mgohungilcr Art. 45. Es ist untersagt, die Bestimmungen über die .Hescliränkung Arbeitszeit dadurch zu umgehen, dass den Arbeitern Arbeit nach der Arbeits- Hause mitgegeben wird.

dauer.

Ausserhalb der gesetzlich zulässigen Arbeitsdauer dürfen die Arbeiter in der Fabrik auch freiwillig nicht arbeiten.

Verkürzuiisi Art. 46. Gefährden in bestimmten Industrien oder in be·li-r Arbeits- stimmten Fabriken die Einrichtungen oder das Verfahren des daiier.

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Betriebes bei der gemäss Art. 40 und 41 zulässigen Arbeitsdauer Gesundheit und Leben der Arbeiter, so verkürzt der Bundesrat die Arbeitsdauer nach Bedürfnis, bis die Gefahr beseitigt ist.

Art. 47. Als Abweichungen von der normalen Anordnung Veränderte Anordnung der Arbeit wird der Bundesrat, bei nachgewiesenem Bedürfnis, der Tagesbewilligen : arbeit.

«. die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit ; b. die staffelweise Abhaltung der Pausen der Tagesarbeit; c. den zweischichtigen Tagesbetrieb.

In den Fällen von lit. a« und b darf die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeiter das aus der Anwendung der Art. 40 und 41 sich ergebende Mass nicht übersteigen.

Beim zweischichtigen Tagesbetrieb (lit. c) darf die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht Stunden betragen. Sie muss innert eines Zeitraumes von neun aufeinanderfolgenden Stunden liegen. Die Schichten können übereinandergreifen.

Der Bundesrat erlässt die zum Schütze der Arbeiter in diesen Fällen nötigen Bestimmungen.

Art. 48. Die aus der Anwendung der Art. 40 und 41 sich ergebende Dauer der Arbeit eines Ta,ges kann, bei nachgewiesenem Bedürfnis und mit Bewilligung der zuständigen Behörde, ausnahmsweise und vorübergehend um bestimmte Stunden und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern verlängert werden.

Die Verlängerung darf nur in Notfällen mehr als zwei Stunden im Tage betragen.

Überzeitarbeit.

Art. 49. Die im vorangehenden Artikel bezeichnete Be- Bewilligung u. Bemessung willigung steht zu : der Uberxeita. für höchstens zehn Arbeitstage der Bezirksbehörde oder, arbeit.

wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde; b. für mehr als zehn Arbeitstage der Kantonsregierung; die Bewilligung darf auf einmal höchstens für zwanzig Arbeitstage erteilt werden.

Die Zahl der Arbeitstage, für die einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung Bewilligungen erteilt werden, darf in der Regel zusammen achtzig in einem Jahre nicht überschreiten. Weitergehenden Begehren kann ausnahmsweise und namentlich dann entsprochen werden, wenn die frühern Bewilligungen nur für einen kleinern Teil der in der Fabrik oder Fabrikabteilung beschäftigten Arbeiter erteilt worden sind.

138 Überzeitarbeit Art. 50. An den Tagen vor Sonn- und Feiertagen ist die an Tagen vor Verlängerung der Arbeitsdauer nur zulässig : Sonn- und «. mit Bewilligung der Bezirksbehörde oder, wo eine solche Feiertagen.

nicht besteht, der Ortsbehörde für höchstens zwei Tage, wenn eine zwingende äussere Veranlassung nachgewiesen wird ; b. mit Bewilligung der Kantonsregierung für Fabriken derjenigen vom Bundesratc zu bezeichnenden Industrien, die wegen ihrer besondern Betriebsverhältnisse der Verlängerung auf eine grössere Dauer bedürfen.

Nacht- und Art. 51. Nacht- und Sonntagsarbeit sind nur ausnahmsweise Sonntags- und nur mit Bewilligung der zuständigen Behörde zulässig.

arbeit.

Die Arbeiter dürfen dazu nur mit ihrer Zustimmung verwendet werden.

VorüberArt. 52. Die Bewilligung vorübergehender Nacht- und gehende Sonntagsarbeit ist nur in Notfällen oder aus sonstigen zwingenden Nacht- und Sonntags- Gründen zulässig.

arbeit.

Sie steht zu : a. für höchstens sechs aufeinanderfolgende Nächte oder einen Sonntag der Bezirksbeliörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde; o. für sieben bis dreissig aufeinanderfolgende Nächte oder zwei bis vier Sonntage der Kantonsregierung ; c. für eine längere Dauer dem Bundesrate.

Die Bewilligung darf nur für bestimmte Stunden und Tage und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern erteilt werden.

Innert vierundzwanzig Stunden darf die Arbeitsdauer in der Nacht oder am Tage für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht, die Schichtdauer nicht mehr als neun Stunden betrugen.

Dauert die Arbeit länger als fünf Stunden, so soll sie durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen werden.

Dauernde Art. 53. Fabrikinhaberu, für deren Industrie Nacht- uud Nacht- und Sountagsarbeit in dauernder oder in regelmässig wiederkehrender Sonntags- Weise unentbehrlich ist, erteilt der Bundcsrat die Bewilligung arbeit.

dazu, wenn der Gesuchsteller die Unentbehrlichkeit für seineu Betrieb nachweist und einen Standeu- oder einen Schichteuplan einreicht, aus dem die Arbeitsdauer für jedem einzelnen Arbeiter ersichtlich ist.

Der Buudesrat kann grundsätzlich feststellen, ob uud inwieweit die Unentbehrlichkeit von Nacht- oder Sountagsarbeit für bestimmte Industrien nachgewiesen sei.

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Innert vierundzwanzig Stunden darf die Arbeitsdauer in der Nacht oder am Tage für den einzelnen .Arbeiter nickt mehr als acht, die Schichtdauer nicht mehr als neun Stunden betragen.

Der Bundesrat ist ermächtigt, unter den von ihm festzusetzenden Bedingungen einzelnen Fabriken für den Übergang vom zwei- zum dreischichtigen Betriebe eine angemessene Frist zu gewähren, wenn dies in den Betriebsverhältnissen begründet ist.

Art. 54. Ist Nachtarbe.it bewilligt, so muss den. Arbeitern Ruhetage bei und jeden Sonntag eine Ruhezeit von wenigstens vierundzwanzig NachtSonntagsStunden freigegeben werden.

arbeit.

Ist Sonntagsarbeit oder Nacht- und Sonntagsarbeit bewilligt, so. muss jedem Arbeiter jeder zweite Sonntag und für jeden Arbeitssonntag in der Woche vorher oder nachher ein WErktag freigegeben werden. Diese freien, Tage sollen wenigstens je vierundzwanzig Stunden umfassen; Vorstehende Bestimmungen beziehen sich sowohl auf die vorübergehende Bewilligung, als auf die dauernde Bewilligung.

Hinsichtlich der nach Absatz 2 freizugebenden Tage werden bei ununterbrochenem Betrieb die Feiertage (Art. 58) nicht als Sonntage angesehen.

Bei ununterbrochenem Betrieb darf eine andere als die in Absatz 2 vorgesehene Verteilung der zweiundfünfzig freien Tage, sowie eine Verkürzung eines Teils dieser Tage bis auf zwanzig Stünden stattfinden. Unter den zweiundfünfzig freien Tagen müssen mindestens sechsundzwanzig Sonntage sein.

Als dreischichtig wird ein Betrieb auch dann betrachtet wenn in ihm über den Sonntag zweischichtig gearbeitet wird, "vorausgesetzt, dass die gesamte. Stundenzahl einer Schicht im "Wochendurchschnitt nicht mehr als sechsundfünzig beträgt.

Art. 55. In der Nachtarbeit sollen die Schichten in Zeit- Wechsel in der räumen von längstens vierzehn Tagen derart wechseln, dass jeder Tages- und Nachtarbeit.

Arbeiter an der Tages- und Nachtarbeit gleichmässig Anteil hat.

Ausnahmen kann der Bundesrat für einzelne Fabriken bewilligen.

Art. 56. Die bei Nacht- und Sonntagsarbeit vorgeschriebene Ruhezeit soll ohne Unterbrechung gewährt werden.

Ununterbrochene Ruhezeit.

Art. 57. Pausen dürfen für den einzelnen Arbeiter in Be- Anrechnung trieben mit Nacht- und Sonntagsarbeit nur dann von der Arbeits- der Pausen.

140

dauer abgerechnet werden, wenn ihm das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist.

Es ist zulässig, sie nicht gleichzeitig für alle Arbeiter einer Schicht eintreten zu lassen.

Feiertage.

Art. 58. Die Kantone können acht Feiertage im Jahre bestimmen, die im Sinne dieses Gesetzes als Sonntage zu gelten haben.

Vorbehalten bleibt die Bestimmung von Art. 54, Absatz 4.

Die konfessionellen Feiertage dürfen nur für die Angehörigen der betreffenden Konfession als verbindlich erklärt werden. Die Kantone können für einzelne Landesteile besondere Feiertage bezeichnen.

Der Arbeiter ist berechtigt, an ändern als den vom Kauton bestimmten konfessionellen Feiertagen die Arbeit in der Fabrik, auszusetzen, hat jedoch sein Vorhaben dem Fabrikinhaber oder seinem Stellvertreter spätestens bei Beginn der Arbeit am Vortage anzuzeigen.

Art. 59. Die Bewilligungen sind schriftlich nachzusuchen und Verfahren bei Bewillischriftlich zu erteilen.

gungen.

Für die Bewilligungen darf einzig eine massige Kanzleigebühr erhoben werden.

Die Bewilligungen sollen in ihrem ganzen Wortlaut und.mit den genehmigten Stunden- oder Schichtenplänen während ihrer Gültigkeitsdauer in der Fabrik angeschlagen sein.

Art. 60. Soll eine Bewilligung, für welche die Bezirks- oder Vorfahren bei Erneue-
:in kurzen Zwischenräumen mehrmals nachgesucht, so ist das Gesuch von der untern Behörde an die Kantonsregierung zu weisen.

Art. 61. Die Bezirks- und Ortsbehörden haben die von ihnen Kontrolle der Bewillierteilten Bewilligungen sofort der Kantonsregierung mitzuteilen.

gungen.

Die von den Kantons-, Bezirks- und Ortsbehörden erteilten Bewilligungen sind sofort dem eidgenössischen Fabrikinspektor mitzuteilen.

Art. 62. Jede Bewilligung kann bei missbräuchlichcr AnWicdererwiigung der wendung oder bei veränderten Betriebsverhältnissen zurückgezogen Bewillioder abgeändert werden.

gungen.

Art. 63. Veranlagst ein Notfall eine Abweichung von den Vorfahren bei Notfällen. gesetzlichen Vorschriften, ohne dass die Bewilligung dazu rechtzeitig hätte nachgesucht werden können, so hat der Fabrikinhabcr

141

unter Angabe der Gründe spätestens am folgenden Tage der für ·die Bewilligung zuständigen Behörde Anzeige zu erstatten.

Art. 64. Die Bestimmungen über die Arbeitszeit finden keine Hülfsarbeit.

Anwendung auf Hülfsarbeiten, die der eigentlichen Fabrikation vor- oder nachgehen müssen.

Der Bundesrat bezeichnet diejenigen Verrichtungen, auf die dieser Artikel anwendbar ist, und erlässt die zum Schütze der ·damit betrauten Arbeiter nötigen Bestimmungen, insbesondere über die Zahl der Ruhestunden.

Art. II.

Der Bundesrat ist beauftragt, den Beginn der Wirksamkeit ·dieses Gesetzes zu /bestimmen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Arbeitszeit in den Fabriken. (Vom 29. April 1919.)

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07.05.1919

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