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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision des Artikels 32bis (Alkoholwesen) und, damit in Verbindung stehend, des Artikels 31 der Bundesverfassung.

(Vom 27. Mai 1919.)

I. Die auf die Umgestaltung des Alkoholwesens gerichtete Partialrevision der Bundesverfassung im Jahre 1885 ging ihrer Grundtendenz nach darauf aus, mittelst Abschaffung irrationell gewordener und Einführung als rationell geltender Fiskal- und Polizeivorschriften im Wege der Gesetzgebung den als besonders gefährlich erachteten Missbrauch gebrannter Wasser durch die Förderung massigen Verbrauchs der gegorenen Getränke, Traubenwein, Obstwein und Bier, einzudämmen.

Zur Erreichung des Zweckes wurden in der Hauptsache : 1. die zum Genuss im Inland bestimmten Branntweine durch neue eidgenössische Fiskalauflagen · fühlbar verteuert, die mit dem Betrieb der Kleinbrennerei und dem Branntweinkleinhandel verbundenen Übelstände gesundheitlicher und sittlicher Art beseitigt; 2. die gegorenen Getränke durch Schaffung eines vom Wirtshause unabhängigen, jeder kantonalen Besteuerung entzogenen Kleinhandels mit diesen Getränken, durch die sogenannte Doppelliterbestimmung, sowie durch endgültige Aufhebung der kantonalen Eingangsgebühren auf geistigen Getränken verbilligt und zugänglicher gemacht; Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Fiskalverhältnisse wurden : 3. Vorschriften erlassen, a. welche den Kantonen weitgehende Zuständigkeiten mit Bezug auf die Eröffnung und den Betrieb von Wirtshäusern einräumten,

397 b. sie verpflichteten, eine Quote des ihnen zugesehiedenen Bundessteuerertrags zur Bekämpfung des Alkoholisnius zu verwenden.

4. die aus den eidgenössischen Fiskalauf lagen auf Branntwein erfliessenden Einnahmen den Kantonen überwiesen, einerseits um diejenigen Kantone, die Eingangsgebühren oder interne Verbrauchs- und Fabrikatsteuern auf geistigen Getränken bezogen hatten, für den rechtlichen oder faktischen Wegfall in gewissem Umfang schadlos zu halten, anderseits um der Gesamtheit dei1 Kantone für die Einschränkung ihrer Besteuerungskompetenzen im Gebiet des Kleinhandels mit gegorenen Getränken und für die Überbindung einer Reihe von Aufsichtspflichten, neben den aus der Erweiterug der Kompetenzen im Wirtshauswesen für sie zu gewärtigenden Mehreinnahmen, einen ausgleichenden Entgelt zu bieten.

Das-sind, auf den kürzesten Ausdruck gebracht, die Leitgedanken der grossen Getränkereform, die vor einem DrittelJahrhundert eingeleitet wurde ; sie haben seitdem eine grundsätzliche Änderung nicht erfahren. Das inzwischen verwirklichte Absinthverbot liegt durchaus in der Linie der damals inaugurierten Politik ; das gleiche gilt von der Einführung der eidgenössischen Lebensmittelpolizei und der in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1903 erfolgten Rückweisung des Versuchs, durch Änderung der Doppelliterbestimmung dea steuerfreien Verkauf gegorener Getränke über die Gasse einzuschränken.

Heute schicken wir uns an, Ihnen Vorschläge zu machen, die in Umfang und Art über das Bestehende hinausreichen.

Unsere obige Wiedergabe des Hauptinhalts der Parti aire vision von 1885 ist lückenhaft: sie traf nicht sämtliche gebraunten Wasser; das Brennen von Obst, Obstabfüllen, wildwachsenden Beeren und Wurzeln etc. ist den eidgenössischen Polizei- und Steuervorschriften nicht unterstellt.

Als die Finanzbediirfnisse des Bundes und der Kantone im Gefolge der Weltwirren gewaltig anwuchsen, ergab sich fast von selbst, dass wir unter den Mitteln zur Mehrung der Staatseinnahmen schon früh auch die fiskalische Ausnützung dieser bislang den Bundesvorschriften nicht unterstehenden Kategorie von Branntweinen ins Auge fassten.

Am 11. September 1916 ermächtigten wir unser Finanzdepartement, zur Begutachtung der eidgenössischen Finanzreform eine Kommission von Vertrauensmännern eimuberufen. Unter lit. d des Traktandenverzeichnisses war vorgesehen :

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,,Besteuerung von alkoholischen Getränken, die noch nicht dem Alkoholmonopol unterworfen sind.a Die Kommission tagte vom 10. bis 14. Oktober 1916 in Luzern ; sie befürwortete einstimmig die Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf alle gebrannten Wasser. In Bestätigung einer vorläufigen Mitteilung in unserer Botschaft vom 11. Dezember 1916 betreffend Erhebung von Stempelabgaben gaben wir Ihnen darauf in unserer Botschaft vom 2. März 1917 betreffend die Tabakbesteuerung die Erklärung ab, dass unser Finanzprogramm u. a. umfasse : ,,Die Ausdehnung der gesetzgeberischen Befugnis, dio der Bund in Sachen der Fabrikation und des Verkaufs der gebrannten Wasser schon besitzt, auf die Sorten dieser Wasser, die heute von jener Befugnis ausgenommen sind.11 Wir waren uns von Anfang an bewusst, dass die geplante Finanzmassnahme zugleich auch Forderungen der Gesundheitspolizei erfülle, und wollten es zunächst bei der blossen Herbeiführung einer derartigen Nebenwirkung bewenden lassen.

Die Bemerkung, mit der wir unsere Erklärung vom 2. März 1917 begleiteten, lässt denn auch' erkennen, dass wir damals noch ausschliesslicli an den Branntwein und nicht minder ausschliesslich an bloss fiskalische Waffen zu dessen Bekämpfung dachten. Die Bemerkung lautete: ,,Die Besteuerung der gebrannten Wasser empfiehlt sich als Massnahme ebensosehr vom Standpunkt der persönlichen und sozialen Hygiene als vom Standpunkt des Fiskus aus. Es handelt sich um ein Genussmitte], das vielmehr unter die schädlichen Genüsse als unter den blossen Luxusgenuss einzureihen ist. Die kräftige Besteuerung der alkoholischen Getränke bedeutet für die breiten Volksschichten nicht eine Belastung, sondern eine wahre Wohltat.a Im weitern Verlauf der Dinge sahen wir uns dann aber gedrängt, zu den bloss mittelbaren auch unmittelbare Postulate der Hygiene in unsere Aktion einzubeziehen und diese nicht mehr einzig auf das Branntweinübel einzuengen.

Dieses Aufgeben des frühern Programmes ist der Hauptgrund dafür, dass wir mit einer Vorlage erst jetzt an Sie herantreten. Wohl hängt die eingetretene Verzögerung auch mit dem Zeitverluste zusammen, der durch die Erhebunge'n über die Herstellung monopolfreier Branntweine und den Verbrauch geistiger Getränke überhaupt bedingt war. Ausschlaggebender aber für die Verschiebung unserer Antragstellung war die unabweisliche Nötigung zu den veränderten Anschauungen Stellung

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zu nehmen, die sich im Verlaufe der Zwischenzeit im Volke, in den eidgenössischen Räten und im Schosse unserer eigenen Behörde hinsichtlich der Ausdehnung des Kampfes gegen den Alkoholismus einerseits, hinsichtlich der Art der Verwendung der Einnahmen aus der fiskalischen Belastung von Genussmitteln anderseits geltend machten.

Nach erneuter Prüfung der ganzen Sachlage beschränken wir unsere Vorschläge nicht mehr auf die dem Monopol noch nicht unterworfenen gebrannten Wasser; wir dehnen sie, soweit es uns sachlich geboten erscheint, auf andere alkoholische Getränke aus. Auch lassen wir es uns für die Bekämpfung des Alkoholübels nicht mehr von vorneherein an dem verbrauchsvermindernden Effekt genügen, welcher mit der fiskalischen Belastung des Alkohols mittelbar verbunden ist ; wir würdigen zum Teil auch die anders gerichteten Wünsche, die im Wege von Vereinspetitionen zu unserer Kenntnis gekommen oder in Ratspostulaten bei uns anhängig sind. Sodann ergreifen wir die Gelegenheit, durch bessere Fassung des geltenden Verfassungstextes auch im Gebiet des alten Rechts grössere Klarheit zu schaffen.

Bndlich wollen wir die aus der geplanten Neuerung für Bund und Kantone zu gewärtigenden Einnahmen nicht mehr wie früher ungebunden an die Staatskassen leiten, sie vielmehr, der neuen Richtung der Politik folgend, in weitgehendem Umfange der Erfüllung bestimmter Sozialzwecke zuwenden.

Um Missverständnissen und zu weitgehenden Erwartungen vorzubeugen, halten wir es immerhin für angezeigt, ausdrücklich au betonen, dass die in der angeführten Stelle unserer Botschaft vom 2. März 1917 postulierte Ausdehnung der gesetzgeberischen Befugnisse des Bundes auf alle Branntweine immer noch den wichtigsten Teil der heutigen Vorlage bildet und daher auch in ihren Erörterungen den breitesten Raum einnimmt. Pläne, wie Prohibition des Branntweins, Einführung des Gothenburger Systems (gemeinnütziger Betrieb der Wirtshäuser) oder der Local Option (des kommunalen Verbotsrechts), kurz alle Pläne, die umfassende Erhebungen und weitläufige Erörterungen erheischen, Pläne, auf deren Verwirklichung, wenn überhaupt, erst nach langwierigen politischen Kämpfen zu rechnen wäre, können wir in der dermaligen Zeitlage schon aus dem Grunde nicht in unser Programm einbeziehen, weil wir für den fiskalischen Teil unserer Vorschläge eine rasche
Lösung unbedingt wünschen müssen und im übrigen auch für den volksgesundheitlichen Teil die Aufnahme bescheidener, aber in absehbarer Zeit realisierbar erscheinender Entwürfe der Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

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Verfolgung weitausschauender, aber stark umstrittener Gedanke« glauben vorziehen zu sollen.

II. Wir beginnen mit einer knapp gehaltenen Darstellung der Verhältnisse, welche seinerzeit dazu Anlasa gaben, einen Teil des Branntweins der Ingerenz des eidgenössischen Gesetzgebers zu entziehen.

Mit seiner Botschaft vom 20. November 1884 betreffend die auf die Alkoholf'rage bezüglichen Postulate und Petitionen schlug der Bundesrat als Art. 32bis einen Zusatz zur Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 vor. Der uns hier einzig interessierende erste Satz des neuen Verfassungsartikels sollte lauten: y,Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften über das Brennen von mehlhaltigen und von Hackfrüchten, sowie über den Verkauf gebrannter Wasser überhaupt zu erlassen.'"

Die Beschränkung der Zuständigkeit im Gebiet des Brennens auf mehlhaltige und Hackfrüchte begründete der Bundesrat wie folgt: die aus Stein- und anderin Obst oder aus Obstabfällen, aus Weintrestern, Enzianen und ändern wildwachsenden Pflanzen, kurz alle nicht aus Getreide, Mais oder Hackfrüchten gewonnenen Branntweine haben schon ohnehin den höhern Preis, der bei den ändern erst durch Besteuerung geschaffen werden muss ; sie werden zum grossen Teil exportiert, auch sind sie nicht so fuselhaltig wie die ändern und aus allen diesen Gründen nicht so besorgniserregend. Ausserdom wird die Handhabung des Gesetzes wesentlich vereinfacht, wenn es sich auf die gewerbsmässige Fabrikation des als Volksgetränk nachteiligen Schnapses beschränkt.

Die nationalrätliche Kommission stimmte in ihrem Beschlüsse vom 31. Januar 1885 für die an dieser Stelle behandelte Frage sachlich dem Bundesrate zu, wählte aber folgende Redaktion: ,,Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser zu erlassen. Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfallen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen ist von den Bundesvorschriften betreffend die F a b r i k a t i o n ausgenommen *)."·'· Die Kommission kam aus zwei Motiven zu ihrer Fassung.

Einmal hielt sie es aus referendumspolitischeu Rücksichten für *) Wenn im nachfolgenden der Einfachheit wegen bloss vonObstbrennen, Obstbrennerei oder Obstbranntwein gesprochen wird, so soll sich der Ausdruck ,,Obst" stets auf die ganze Reihe der hier genannten Rohstoft'e beziehen.

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nötig, gegenüber den nicht allgemein bekannten Ausdrücken ,,mehlhaltige und Hackfrüchte'' durch Aufzählung der der Ingerenz des Bundes entzogenen Arten der Brennerei Befürchtungen über die Tragweite der neuen Bestimmungen zu zerstreuen, und sodann erschien es ihr zweckmässig, durch eine allgemein gehaltene Redaktion die Verfassung auch für neue, andere Rohstoffe als mehlhaltige und Hackfrüchte verwendende Fabrikationsverfahren wirksam zu machen.

Für den Ausschluss des Obstbrennens aus der Zuständigkeit des Bundes mit Bezug auf Vorschriften über die Fabrikation führt die Kommission sachlich als weitere Gründe an: die Unmöglichkeit der Beaufsichtigung solcher Brennbetriebe und die Erwägung, dass ein Verbot -- gemeint ist wohl eine polizeiliche Regelung -- dieses Brennens, welches in Obst- und Weingegenden eine erwünschte Beschäftigung für die Winterszeit bildet und eine gewinnbringende Verwertung der Abfälle aus der Most- und Weinbereitung ermöglicht, auf unübersteigliche Hindernisse stossen würde. Die Kommission berührt mit dieser Erwägung das Verhältnis, das bei der Verfassungsrevision von 1885 sicher am ausschlaggebendsten dazu beitrug, diesen Zweig der Brennerei von den eidgenössischen Polizei- und Steuervorschriften auszunehmen : die politische Opportunität.

Offenbar berücksichtigte man damals bei Behandlung der Frage sozusagen ausschliesslich das Bestehende. Man sah die kommenden Dinge entweder überhaupt nicht oder nicht in ihrer vollen Tragweite. Im besondern war man zweifellos nicht über alle Folgen im klaren, welche dio Privilegierung eines Teils der Brennerei später notwendig zeitigen musste. In diesem Lichte betrachtet, wird das Verhalten des eidgenössischen Gesetzgebers bis zu einem gewissen Grade wohl verständlich. Die Gewinnung von Obstbranntwein war die weitaus verbreitetste Form der Brennerei. Sie wurde in vielen Tausenden von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben als Nebenbeschäftigung und überwiegend zur rentabelsten Ausnützung von Abfallstoffen ausgeübt.

Gewerbsmässige Grossbetriebe waren selten, die fahrbaren Brennapparate von heute noch unbekannt. Das Brennen derartiger Stoffe brachte in der damaligen Art und Ausdehnung dem Volksganzen nicht nur tatsächlich weniger Schaden als das Brennen von Kartoffeln und Getreide, sondern es bestand auch eine allgemeine Überzeugung von der Schädlichkeit des Obstbranntweins bei weitem nicht in dem Masse, in dem es hinsichtlich des Kartoffelbranntweins der Fall war. Ein Hineinregieren in ein so

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ausgedehntes Gebiet agrikoler Tätigkeit hätte unter solchen Umständen der ganzen Reform verhängnisvoll werden können.

Der Nationalrat stimmte dem Antrage seiner Kommission zu.

Die ständerätliche Kommission dagegen wollte (in unwesentlich anderer Redaktion) nicht die Fabrikation, sondern die Bes t e u e r u n g des Obstbrennens der Bundesingerenz entziehen.

(Ein Antrag, die Sonderstellung des Obstbranntweins auch auf den Verkauf auszudehnen, wurde zurückgezogen.) Für die Abänderung gegenüber dem Beschlüsse des Nationalrates wurde geltend gemacht, es müsse dem Bunde die Befugnis gewahrt werden, auch für die Obstbrennerei einheitliche sanitätspolizeiliehe Bestimmungen aufzustellen.

Die eidgenössischen Räte gingen in der Beschränkung der Bundeszuständigkeit noch einen Schritt weiter als ihre Kommissionen. Sie erstreckten die Ausnahme für den Obstbranntwein sowohi auf die Fabrikation als auf die Besteuerung der Fabrikation. Ihr, vom 26. Juni 1885 datierter, in der Volksabstimmung vom 25. Oktober 1885 gutgeheissener ßeschluss lautete : ,,Das Brennen von Weiii, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen fällt betreffend die Fabrikation und die Besteuerung nicht unter die Bimdesgesetzgebung.a * In der Botschaft vom 20. November 1884 hatte der Bundesrat die Art der Ausführung der Verfassung offen gelassen. Aus der Vorlage erhellt, dass die angestrebte Bundeskompetenz für das Brennen und für den Verkauf sich auf Vorschriften sowohl gewerbebzw. gesundheitspolizeilicher als fiskalischer Natur erstrecken solle.

Dass eine Besteuerung eingeführt werden wolle, geht freilich aus dem grundlegenden Eingangssatze des Art. 32bi8 nicht unmittelbar hervor, ergibt sich aber mittelbar aus den vorgesehenen Steuerbefreiungen und aus den Bestimmungen über die Steuerverteilung.

Von den dem Gesetzgeber gegebenen Möglichkeiten erwähnt der Bundesrat : freie Konkurrenz aller den Anforderungen entsprechenden Spiritusfabriken und Besteuerung nach Massgabe der erzeugten Quantität oder Konzessionierung einer bestimmten Anzahl von Fabriken oder endlich Monopol des Bundes unter Ausschluss aller Konkurrenz.

Trotz des erwähnten Hinweises auf das Monopol ist aber der ganze bundesrätliche Art. 32bis offensichtlich auf den Erlass eines Gesetzes ohne Monopol Charakter zugeschnitten. Das gleiche

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gilt zum Teil auch noch für die endgültig Recht gewordene Fassung des Artikels.

Am 8. Oktober 1886 legte der Bundesrat der Bundesversammlung unter dem Titel eines Bundesgesetzes über die Herstellung und Besteuerung von Branntwein den Entwurf eines gewöhnlichen Steuergesetzes vor.

Nach diesem Entwurf sollte auf eingeführten Obstbranntweinen trotz der Steuerfreiheit, die der Erzeugung derartiger Branntweine im Inland gewährt ist, ausser den Zöllen eine Zuschlagssteuer entrichtet werden, welche der inländischen Bundessteuer auf der Herstellung gebrannter Wasser (aus ändern Rohstoffen als Obst) entspricht. Es ist hieraus ersichtlich, dass der Bundesrat bei Vorlage seiner Botschaft vom 8. Oktober 1886 erstens der Ansicht war, die in der Verfassung für Obstbranntwein gemachte Ausnahme betreife ausschliesslich die Reglierung und Besteuerung des inländischen Brennens von inländischem Obste, nicht aber die Einfuhr von Brennobst und Obstbranntwein, und dass er zweitens annahm, ungeachtet der grundsätzlich auf Lastenparität gerichteten Handelsvertragsbestimmungen dürfe der Import von Obstbranntwein dem gleichen Zollzuschlage unterworfen werden, wie er die für die Inlandfabrikation steuerpflichtigen Arten gebrannter Wasser treffe.

Die nationalrätliche Kommission, welche die Angelegenheit zunächst zu prüfen hatte, konnte sich mit dem System des Bundesrates nicht befreunden; sie ersetzte es am 16. Oktober 1886 durch ein Monopolprojekt.

Mit besonderem Nachdruck gab sie dabei der Auffassung Ausdruck, dass einzig und allein das B r e n n e n inländischen Obstes der Bundesgesetzgebung nicht unterliege. Sie formulierte deshalb Art. l ihres Monopolentwurfs wie folgt : ,,Die Fabrikation und Reinigung der gebrannten Wasser, welche gemäss Art. 32b" der Verfassung unter die Bundesgesetzgebung fallen, sowie die Einfuhr gebrannter Wasser jeder Art stehen ausschliesslich dem Bunde zu.a Auf die Frage, ob bei Erlass eines Steuergesetzes ohne Monopolcharakter nach den internationalen Handelsabkommen (ausser der Zollauflage) bloss solche Arten gebrannter Wasser beim Eingang in die Schweiz besteuert werden dürfen, welche bei Erzeugung im Lande selbst besteuert werden müssen, hatte die Kommission, angesichts ihrer Stellungnahme gegen ein solches Steuergesetz, keine Veranlassung, einzutreten. Sie beschränkte sich denn auch darauf, es als einen grossen Vorzug des Monopols zu bezeichnen, dass es nach dem kraft MeistbegUnstigungs-

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klausei auch für das Verhältnis zu anderen Staaten massgebenden Handelsvertrage mit Frankreich von 1882*) die Handelsverträge breche, damit eine wirksame Fiskalbelastung auch der importierten Obstbranntweine und des zu Destillationszwecken eingeführten Obstes zulasse und so der Inlandserzeugung solcher Branntweine einen angemessenen Schutz biete.

Nach Veröffentlichung des Monopolvorschlagos der Nationalratskommission zog der Bundesrat, unter einer Reihe von Vorbehalten für die Ausgestaltung des Monopols im einzelnen, seinen Gesetzesentwurf zugunsten der monopolistischen Lösung zurück.

Auf Grund einer am 2. Dezember 1886 hinsichtlich dieser Vorbehalte getroffenen Vereinbarung konnte dann ein gemeinsamer Vorschlag von Kommission und Bundesrat den eidgenössischen Hüten vorgelegt werden ; letztere erhoben ihn am 22./2S. Dezember 1886 mit wenigen, hier nicht zu erörternden Abänderungen zum Gesetz. Dieses wurde in der auf ein Referendumsbegehren hin auf den 15. Mai 1887 angeordneten Volksabstimmung sanktioniert.

Unter den schliesslich Gesetz gewordenen Abänderungsvorschlägen des Bundesrats zum Monopolentwurf der Nationalratskommission findet sich auch die Forderung, dass das Einfuhrmonopol nur für diejenigen Arten gebrannter Wasser gelten solle, deren Brennen der Bundesgesetzgebung unterliegt, also nicht für die Obstbranntweine. Diese Forderung steht zu dem Standpunkt, den der .Bundesrat kurz vorher eingenommen hatte, in einem um so schrofferen Gegensatze, als sie einem einfachen Steuergesetze gegenüber weit eher zu rechtfertigen war, als gegenüber einem Monopol. Die nationalrätliche Kommission unterzog sich aber, um Differenzen zu vermeiden, ohne Preisgabe ihrer Auffassung derjenigen des Bundesrates; ihre ursprüngliche Ansicht sollte indessen bald wieder zu Ehren gelangen.

Angesichts der fiskalisch unhaltbaren Verhältnisse, welche die Steuerbefreiung der eingeführten Obstbranntweine bald nach Einführung des Alkoholmonopols zeitigte und in wachsendem Masse zu zeitigen drohte, stellte nämlich der Bundesrat selbst schon am 11. November 1887 in Form eines einfachen Beschlusses fest, dass die Verfassungsvorschrift, welche das Obstbrennen mit Bezug auf Fabrikation und Besteuerung der Bundesgesetzgebung *) Art. 26. Die hohen vertragschliesseiiden Teile kommen darin fibereiu, dass die Bestimmungen des
gegenwärtigen Vertrages auf die Waren, welclio in dem einen oder dem anderen der beiden Länder den Gegenstand von Staatstnonopoleu bilden oder bilden würden, keine Anwendung zu finden haben.

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entzieht, nur für Obst und Obstbranntwein inländischer Herkunft Geltung habe; er verlieh damit dem Einfuhrmonopol ohne Verfassungsrovision, ja ohne Erlass des dazu zum mindesten erforderlichen Gesetzes wieder den lückenlosen Bestand, den ihm die natiomilrätliche Kommission hatte geben wollen. Zur Deckung des Vorgehens empfahl er bald darauf den Erlass eines die Verfassung in diesem Sinne a u s l e g e n d e n Bundesbeschlusses. Die Art des Vorgehens wurde stark angefochten, indessen am 20. Dezember 1887 in einer rechtlich freilich ebenfalls nicht gegen jede Kritik gefeiten Form von den eidgenössischen Raten im Weg eines Bundesbeschlusses gutgeheissen, immerhin unter Ablehnung des vom Bundesrate vorgeschlagenen interpretativen Charakters.

III. Die Ordnung, welche 1885 hinsichtlich des Obstbrennens Platz gegriffen hatte, zeitigte nicht bloss die dargestellten Unzuträglichkeiten im internationalen Verkehr, sie kam nicht minder für die internen Verhältnisse störend zur Geltung.

Wie in manchem ändern, so gehen die Grundgedanken der eidgenössischen Getränkereform von 1885 auch mit Bezug auf die Einräumung einer Sonderstellung für den Obstbranntwein auf Erfahrungen der Kantone, speziell des Kantons Bern, zurück.

Die bernische Novelle von 1884 zum Gesetz betreffend die Branntwein- und Spiritusfabrikation von 1869 schied, in Anlehnung an die Anregung einer Grossratskommission aus dem Jahre 1868, die Brennereien in gewerbsmässige und nichtgewerbsmässige ; erstere waren steuerpflichtig, letztere steuerfrei. Über die steuerfreie Brennerei bestimmt das Gesetz: .,Als nichtgewerbsmässiger Betrieb wird betrachtet und ist, unter Vorbehalt der Einholung einer jährlichen Bewilligung beim Regierungsstatthalter, von der Entrichtung jeglicher Gebühr (recte Steuer) enthoben : Das Brennen von den unter Ziffer 2 genannten Stoffen, sofern dieselben ausschliesslich eigenes Gewächs oder Produkt sind oder wenn das jährliche Gesamtprodukt das Quantum von 150 Liter nicht überschreitet."

In Ziffer 2 aber werden genannt : Kern- und Steinobst, Weinbeeren, Treber, Drusen, Bierabfälle, Enzianwurzeln, Wachholderund andere Beeren, d. h. mit praktisch belanglosen Abweichungen (Wein und Bierabfälle) die Stoffe, die jetzt in der Bundesverfassung erscheinen und durch uns unter dem Ausdruck Obst zusammengefasst worden sind.

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Das bernische Nachtragsgesetz von 1884 band danach die Steuerfreiheit des Obstbrennens an die Erfüllung zweier parallellaufender Bedingungen : entweder ausschliessliche Verarbeitung von Eigengewächs oder Einschränkung der Erzeugung aus selbstgewonnenem oder zugekauftem Obst auf eine Höchstmenge von jährlich 150 Liter. Dabei ist im Auge zu behalten, dass die Inhaber gewerbsmässiger Obstbrennereien nicht nur die 1884 festgesetzten Steuern zu entrichten hatten, sondern auch die technischen und hygienischen Anforderungen des Hauptgeset/es von 1869 zu erfüllen verpflichtet, also sowohl mit Bezug auf die Fabrikation, als mit Bezug auf die Besteuerung der Fabrikation, der Gesetzgebung unterstellt waren.

Wir dürfen es heute als einen Fehler betrachten, dass die Redaktoren der eidgenössischen Verfassungsnovelle von 1885 sich nicht enger an das bernische Vorbild angelehnt haben. Indem sie das Obstbrennen nicht nur jeder eidgenössischen Steuerpflicht, sondern auch jedes eidgenössischen Eingriffs gewerbe- und gesundheitspolizeilicher Natur enthoben, schössen sie über das Ziel hinaus. Der praktisch wichtigste Beweggrund der Liberalität von 1885, die referendumspolitische Opportunität, wäre in der damaligen Lage auch in der Einschränkung auf die nichtgewerbsmässigen Betriebe, die bäuerliche Kleinbrennerei, in ausreichendem Masse wirksam geworden. Durch die Einräumung absoluter, auch für die industrielle, grossbetriebliche Obstbrenneroi geltender Ungebundenheit aber wurden die damals ins Feld geführten sachlichen Beweggründe zu einem grossen Teile bald illusorisch.

Die Einschränkung des Brennens aller ändern Rohstoffe als Obst und die fiskalische Verteuerung aller nicht aus Obst gewonnenen Branntweine, kurz die weitgehende Privilegierung der Obstbrennerei führte für diese notwendig zur Schaffung neuer und zur Entwicklung bestehender Grossbetriebe, zu technischen und organisatorischen Verbesserungen, zum Aufkommen der fahrbaren Brennereien etc. und damit zu einer gewaltig anschwellenden Produktion an Obstbranntwein mit allen ihren misslichen Wirkungen in gesundheitlicher Beziehung.

Vor 35 Jahren mochte es noch ein Trost sein, dass der Obstbranntwein zu teuer war, als dass er im Übermass genossen wurde, dass ein grosser Teil zum Export gelangte und dass der im Inland genossene weniger fuselhaltig war als der Kartoffelschnaps. Dieser Trost ist heute hinfällig. Die vermehrte Obstbranntweinfabr kation fällt nicht auf die hochpreisige Qualitätsware (Kirschwasser,

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Enzian u. dgl.), aus der in normalen Zeiten die übrigens recht bescheidene Ausfuhr bestritten wird, sondern ganz überwiegend auf den gewöhnlichen, von Verunreinigungen nicht freien Tresterbranntwein, namentlich auf den Obsttresterschnaps.

Die alle Voraussicht übertreffende Vergrösserung und Ausbreitung des Verbrauchs dieser billigen Sorten beginnt heute nach der quantitativen wie nach der qualitativen Seite hin immer mehr die Missbräuche zu zeitigen, die man aus der früheren Kartoffelbrennerei zu beklagen hatte. Nachdem man durch die aus der Erkenntnis eines Volksschadens herausgewachsene Reform von 1885 die alten Übel der Kartoffelbrennerei in erfreulich weitgehendem Masse ausgetilgt hat, ist es eine Forderung des Volkswohls, dem neuen Übel der Obstbrennerei, unter selbstverständlicher Schonung berechtigter beruflicher Interessen, mit zweckmässigen Mitteln ebenfalls auf den Leib zu rücken.

Ein neuer Anlauf des Gesetzgebers in unserm Gebiet rechtfertigt sich aber nicht einzig aus Erwägungen der Volksgesundheit, sondern auch in fiskalischem Betracht. Die Weltwirren haben sowohl die eidgenössischen als die kantonalen Finanzen erschüttert, gleichzeitig aber Bund, Kantone und Gemeinden vor neue grosse Aufgaben gestellt. Es wäre widersinnig, wollte man bei der Beschaffung der durch diese Lage geforderten Mittel auf weitgehende Ausnützung eines so tragfähigen Steuerobjekts, wie es die gebrannten Wasser sind, verzichten. Die Konkurrenz des bundessteuerfreien Obstbranntweins verunmöglicht aber nicht bloss eine sachgemässe finanzielle Ausbeutung des bestehenden Branntweinmonopols, beeinträchtigt also nicht allein die Fiskalinteressen der zum Bezug des Monopolertrages bis jetzt berechtigten Kantone, sondern sie verhindert auch noch darüber hinaus den Mitgenuss des Bundes an einer der entwicklungsfähigsten Finanzquellen. Jede Steigerung der Monopolverkaufspreise und Monopolgebühren, jede Neuauflage von Steuern auf die nach geltendem Recht steuerpflichtigen Branntweine verstärkt das Privileg des von keiner eidgenössischen und nur vereinzelt von bescheidenen kantonalen Steuern betroffenen Obstbrennens.

Erst die Ausdehnung der Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes auf gebrannte Wasser jeder Art wird gestatten, aus deren Besteuerung in einwandfreier Weise so grosse Erträgnisse zu erzielen, dass Bund und Kantone zugleich in billiger Abwägung ihrer Bedürfnisse ausreichend daran partizipieren können.

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IV. Unter dem Einfluss beider Faktoren, des fiskalischen wie des hygienischen, hat in den eidgenössischen Räten wie im Volke der Gedanke der Ausdehnung der Bundeskompetenz im Gebiet des Brennereiwesens bereits wiederholt Ausdruck gefunden. Wir erinnern an die zwei Ratspostulate 785*) und 786**), das allgemeiner gehaltene Postulat 764***) und an die Petition, welche 389 Vereine und Verbände mit sozialer oder hygienischer Tendenz dem Bundesrat im Sommer und Herbst 1916 unterbreitet haben.

Sie war unterstützt von: 12 ärztlichen Gesellschaften, 33 Vereinen zur Bekämpfung der Tuberkulose, 15 gemeinnützigen Gesellschaften, 28 Armenpflege- und Versorgungsvereinen, 7 Krankenkassen, 31 Behörden und Vereinen für Kinder- und Frauenschute, 63 kirchlichen und religiösen Vereinen und Ämtern, 26 politischen und Arbeitervereinigungen, 53 Frauenvereinen, 10 Vereinen, junger Männer, 94 alkoholgegnerischen Organisationen und 17 verschiedenen Vereinen und Grossindustriellen.

Im April des laufenden Jahres ist uns sodann eine Eingabe der schweizerischen Ärztekommission mit einem einlässlicheu Bericht von Dr. H. Maillard in Genf zugegangen. Von der Überzeugung ausgehend, dass insbesondere der Genuss gebrannter Wasser die Volksgesundheit schädigt, stellt sie das Gesuch, entweder die Herstellung, die Einfuhr, den Versand und den Verkauf von Branntwein jeder Art zu verbieten oder doch wenigstens auch die noch *) 26. September 1917. Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob nicht Art. 32bis der Bundesverfassung zu dem Zwecke abzuändern sei, das Recht des Bundes aufErlass von Vorschriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser ausnahmslos auf alle destillierten tìetränke auszudehnen.

**) 26. September 1917. Der Bundesrat wird eingeladen, den Entwurf zu einer Abänderung der Art. 32 und 32bis der Bundesverfassung zu prüfen, um 1. das Recht des Bundes auf Erlass gesetzlicher Vorschriften über die Fabrikation und den Verbrauch gebrannter Wasser auf das gegenwärtig monopolfreie Brennen auszudehnen; 2. die sich ans dieser Ausdehnung ergebenden Mehreinnahmen unter Vorbehalt der gegenwärtigen kantonalen Rechte dem Bunde zu überweisen; 3. die Interessen der Landwirte zu berücksichtigen, denen bisher das rnonopolfreie Brenucu zustand.

***) 10. Juni 1915. Der Bundesrat wird eingeladen, zu untersuchen, welche Massnahmen zur wirksamen Bekämpfung des Alkoholismus in der Schweiz ergriffen werden könntet.

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freien Obstbrennereien dem Alkoholmonopol zu unterstellen, um so den Verkaufspreis der Trinkbranntweine gebührend erhöhen und damit deren Genuss wirksam einschränken zu können. Sie empfiehlt die baldige Anhandnahme der vorgeschlagenen Massnahmen, nicht nur zum Schutz der Trinker selbst, sondern ganz besonders im Interesse der unschuldigen Opfer der Trunksucht, der Frauen und Nachkommen der Trinker, welche durch den Alkoholismus ihrer Ernährer und Erzeuger der Krankheit, der Verkümmerung, der Not und dem Elend preisgegeben werden.

Es ist kein Zweifel, dass über die Kreise der Potenten weit hinausreichende Volksteile an der Lösung des Problems ebenfalls Anteil nehmen und dass auch die unmittelbar interessierten landwirtschaftlichen Kreise der Anhandnahme der Aufgabe ihre Sympathie nicht versagen. Der wohl einflussreichste Führer der Landwirte hat als Ziel der Reform die Entfernung der Brennerei aus den Bauernhäusern bezeichnet ; er hat damit den Kernpunkt der Frage freigelegt.

V. Die stets wachsende Erkenntnis der grossen Gefahren, die der Verbrauch von Alkohol, besonders in der Form von Branntwein, mit sich bringt, enthebt uns der Aufgabe, an dieser Stelle die mannigfachen Folgen des Alkoholismus auch für unser Land eingehend und mit ziffermässigen Nachweisen darzustellen.

Wir begnügen uns mit einigen Angaben über die Entwicklung des Verbrauchs aller geistigen Getränke überhaupt und daran anschliessend über die Verhältnisse der der Bundesgesetzgebung nicht unterstehenden Obstbrennerei im besondern.

Für die Zeit vor der Reform von 1885 existieren einigermassen verlässliche Angaben über den Alkoholgenuss einzig für das Jahrfünft 1880/1884. Ihnen seien nun für die Zeit seit der Reform die Zahlen über die 20jährige Periode 1893/1912 gegenübergestellt. Sie können im grossen ganzen als Ausdruck normaler Verhältnisse angesehen werden; sie beginnen mit dem Jahre, in welchem.die Übergänge zum neuen -Regime überwunden waren und enden mit einem Jahre, das kurz vor Ausbruch der Weltwirren mit ihrem durchaus anormalen Charakter., liegt.

Jahresdurch schnittliche Verbrauchsmenge geistiger Getränke jeder Art (auf absoluten Alkohol reduziert).

>c £ ^S "2, Verbrauch

Traubenwein, inklusive Nach- u. Kunstwein 109,280 32,000 Bier . . . .

48,000 Gegorene Getränke Überhaupt 189,280 Branntwein, exklusive Alkohol zu technischen und Haushaltungszwecken .

Geistige Getränke Überhaupt

der Gesamtbevölkerung (3,415,000) ° der erwachsenen Bevölkerung (2,347,000)

Ausfuhr

'

Einfuhr

!

Hektoliter Produktion

Ü §
der

Einfuhr

Produktion

·

des tletriiiikcs

Gesamftevölkerung (2,860,000) o der erwachsenen Bevölkerung (1,934,000)

Hektoliter

Art

>3 g ^0 'S,

Periode 1893/1912

Periode 1880/1884

Verbrauch

83,803 3,083 pro memoria 27 2,027

190,000 32,000 50,000

6,64 1,12 1,75

9,82 1,65 2,59

131.775 137,938 455 50,000 pro me moria 5,213 1,153 101,000

269,258 50,000 105,060

7,88 1,46 3,08

11,47 2,13 4,48

85,830 3,110

272,000

9,51

14,06

282,775 143,151 1,608

424,318 12,42

18,08

j 135,000

_^a.

2,71

3,94

-

i 407,000 14.23

92,500

ü,98 21,04

:

öl 6,8 IS 15,13

2^,02

*-

H* O

411

Aus diesen Ziffern ergibt sich (bei Beschränkung der Betrachtung auf den pro Kopf der erwachsenen Bevölkerung entfallenden Verbrauch) folgendes. Der Verbrauch an Alkohol jeder Art ist in der Reformperiode von 21,oi auf 22,02, also um 0,98 Liter = zirka 41/» °/o, gestiegen. Diese Zunahme fällt aber ausschliesslich auf die gegorenen Getränke.

Der Traubenwein weist eine Zunahme auf von zirka 17 % ,, Obstwein ,, ,, ,, ·,, ,, ,, 290/0 das Bier ,, ., ., ,, ,, _ ,, 73% das gegorene Getränk überhaupt eine solche von zirka 28]/ä °/o Der Branntweinkonsum ist von 6,os auf 3,»4, also um 3,ot Liter = zirka 43 Vs °/o, herabgesunken.

Das Ziel der Vërfassungsrevision von 1885 war, wie eingangs angegeben, im wesentlichen die Verminderung des als besonders verhängnisvoll angesehenen Branntweinverbrauchs durch Bevorzugung des Verbrauchs der als weit weniger schädlich betrachteten gegorenen Getränke. Unter diesen haben nun die alkoholschwächeren, vor allem das Bier, die stärkste Zunahme erfahren. Gewiss ist bei keinem derselben das Anwachsen des Konsums ausschliesslich auf die Wirkung der Gesetzgebung zurückzuführen, immerhin ist es durch diese doch unverkennbar beeinflusst worden. Der Aufschwung des weitaus am meisten geförderten Bierverbrauchs steht indessen auch damit im Zusammenhang, dass die technische und kommerzielle Entwicklung der schweizerischen Brauerei sozusagen ganz der zweiten der betrachteten Perioden angehört.

Das vorliegende Ergebnis erscheint auf den ersten Blick als durchaus befriedigoud, besonders wenn man sich in Erinnerung ruft, dass man ursprünglich schon viel erreicht glaubte, sofern nur der Zunahme des Branntweinkonsums Einhalt getan werde (Bericht und Antrag der nationalrätlichen Kominission vom 31. Januar 1885). Geht man aber nähe'r darauf ein, so findet man genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse noch recht manches zu wünschen übrig lassen.

Wohl kann die Verlegung des Schwergewichts unseres nationalen Getränkebedarfs von den gebrannten auf die gegorenen Getränke, insonderheit vom hygienischen Standpunkte aus, als ein Fortschritt gelten. Allein ein Verbrauch von 15 Liter Alkohol auf den Kopf der Gesamtbevölkerung oder von 22 Liter auf den Kopf der Erwachsenen .ist an sich und im Vergleich zu den weitaus meisten ändern Staaten noch immer beunruhigend hoch. Wohl mag manche Gesundheitsschädigung, die speziell mit dem Trinken

412

von anderem als Obstselmaps verbunden war, in den früher hauptsächlich davon betroffenen Gegenden durch die Minderung des Übermasses zurückgedämmt worden sein ; aber es wäre töricht, zu übersehen, dass jetzt andere Gegenden vom Obstbranntwein überschwemmt sind und dass ein befriedigender Zustand der Volksgesundheit auch mit dem so beträchtlichen Ausmass unseres Verbrauchs an Wein und Bier sicher nicht zu vereinbaren ist.

Das Übermass im Genuss geistiger Getränke bedroht zudem nicht allein das körperliche Wohlbefinden, es bringt nicht nur Siechtum.

Tod, Rassenverkümmerung; durch Verrohung der Sitten und durch Zerrüttung der Familie wirkt es zerstörend auf die soziale Gemeinschaft, durch Vergeudung von Zeit und Geld untergräbt es die wirtschaftliche Existenz der Trinker und ihrer Angehörigen.

Vergleichen wir die Verhältnisse der Periode 1880/84 nicht mit denen der Periode 1893/1912 als ganze, sondern getrennt nach den zwei Jahrzehnten, aus denen sie besteht, so zeigt sich, dass die Zunahme des Weinverbrauchs mit 28,oi % hauptsächlich auf die Periode von 1880/84 auf 1893/1902 entfällt; von der letztem auf 1903/12 hat eine Abnahme von 14,87 °/o Platz gegriffen. Auch beim Bier ist die Steigerung (60%) ,,in überwiegendem Masse von 1880/84 auf 1893/1902 eingetreten, von 1893/1902 auf 1903/12 beläuft sie sich bloss noch auf 18,ai %· Das gleiche gilt vom Most: Zunahme von 1880/84 auf 1893/1902 25 %, von 1893/1902 auf 1903/12 8.57 %. Die Abnahme des Branntweins fällt ebenfalls zum grösseren Teil auf die Zeit von 1880/84 auf 1893/1902 t39,4i %)i von 1893/1902 auf 1903/12 fand nur noch ein bescheidener Rückgang von 10,ii % statt.

Die Reform von 1885 ist demnach dadurch charakterisiert, dass ihre Wirkungen s o f o r t sehr intensiv einsetzten, dann aber vor völliger Erreichung des wünschbaren Erfolgs merklich nachliessen. Auf einem Gebiet wie dem vorliegenden bedeutet abei' auf halbem Wege stehen bleiben einen Rückschritt,- dem es geboten ist, entgegenzuwirken. Eine solche Forderung ist um so dringender zu erheben, als Symptome vorliegen, die schon für die nächste Zukunft eine Verschlechterung der Verhältnisse erwarten lassen. Das fortgesetzte Aufkommen industrieller Grossmostereien und die Rationalisierung der bäuerlichen Mosterei in den letzten Jahren, namentlich seit 1913, haben einer Ausdehnung des
Mostverbrauchs gerufen, die vom wirtschaftlichen wie hygienischen Standpunkte aus zwar zu begrüssen ist, indessen je länger je mehr von einer weniger erfreulichen Erscheinung begleitet wird: von der stetigen Zunahme der Her-

413

Stellung und des Verbrauchs von Obstbranntwein. Aus vielen Tausenden von Obstbrennereien erwachsen damit die gleichen Schädigungen des Volkswohls, die vor einem Dritteljahrhundert durch den Bestand der ländlichen Kartoffelbrennereien hervorgerufen wurden und den Hauptanstoss zu eidgenössischem Eingreifen gaben.

" Die Menge erzeugten Obstbranntweins wurde, in Hektolitern absoluten Alkohols ausgedrückt, geschätzt: im Jahresdurchschnitt der Periode 1880/84 auf 10,000 hl ,, -, 1893/1902 ,, 15,000 ,, ,, ,, 1903/1912 ,, 19,000 ,, Der eidgenössischen Enquete für die 3 Kampagnen 1914/15 bis 1916/17 aber sind folgende Daten zu entnehmen (die von vorneherein anzweifelbaren Angaben der Erzeugung aus nicht benannten Rohstoffen werden hier ausser acht gelassen): für das Brenn jähr 1914/15 . . . . 24,558 hl ,, ., ,; 1915/16 . . . . 31,750 ,, ,, ,, ,, 1916/17 . . . . 26,360 ,, im Jahresdurchschnitt 1914/17 also . . 27,556 ,,

Dieser Enquete entnehmen wir nachfolgende weitere Angaben über die monopolfreie Brennerei.

Auf eine Kritik an den erhobenen Resultaten treten wir nicht ein. Wir nehmen sie hin, wie sie sind, im Bewusstsein, dass es sich bei allen derartigen Erhebungen nur um Annäherungswerte handeln kann.

Wo nichts Abweichendes bemerkt ist, beziehen sich die Angaben auf die drei Kampagnen 1914/1916.

Von den 3012 Gemeinden des Landes haben nur 730 keine Obstbrennerei. In den übrigen 2282 finden sich: Feststehende Brennereien Fahrbare Brennereien .

.

.

Zusammen

Brennereiinhaber mit Brennapparaten 28,191 30,351 352 455 28,543

30,806

Die fahrbaren Betriebe haben im Durchschnitt der drei Kampagnen für 35,146 Parteien gebrannt.

Über die in der Beobachtungsperiode verwendeten Anlagen und deren jahresdurchschnittliche Erzeugung orientiert die Übersicht auf Seite 414.

4*.

Feststehende Betriebe JahresdurchZahl der schnittlich Verwendete Robstoffe jahresdurch- erzeugte Durchschnittlich Menge, aus- schnittserverwendeten gedruckt in jzeugung eines Brennerel- Hektolitern Betriebes absoluten anlagen Alkohols Liter Äpfel und Birnen .

Abfälle von solchen

5,625 12,248

1,926 7,257

Zusammen

17,873

Kirschen . . . .

Zwetschgen .

Anderes Obst (ausser Trauben, Äpfel und Birnen)

Wein und Weintrauben .

Weintrester .

Weindrusen .

Enzian wurzeln .

Wachholderbeeren .

Feststehende und fahrbare Betriebe

Fahrbare Betriebe

JahresdurchZahl der schnittlich Gesamtzahl jahresdurch- erzeugte DurchGesamtder verschnittlich Menge, aus- schnittsererzeugung verwendeten gedrückt in zeugung eines wendeten Anlagen Brennerei- Hektolitern Betriebes anlagen absoluten Alkohols Hektoliter Liter 2,226 3,171

5,698 12,505

3,551 15,406

330

8,149 9,774

'2,962

18,203

18,957

52 43

100 32

761 87

761 272

3,635 424

2,616 255

12 95 41 62 54 100 51

5 22 64 109 10 2 674

22 43 2,116 548 4 1 13,356

440 195 3,306 503 40 50 1,982

242 309 3,103 1,899 536 61 28,412

51 315 3,358 1,655 289 60 27,556

9,183

34 59 51

3,535 392

1,855 168

237 287 3,039 1,790 526 59 27,738

29 272 1,242 1,107 285" 59 14,200

73 257

1,625

»·h

*>·

415

Wir können die Gesamterzeugung in vier Hauptgruppen scheiden : 1. Branntwein aus Äpfeln, Birnen und Abfällen von solchen hl 18,957 2. Branntwein aus Wein, Weintrauben, -trestern und -drusen ,, 5,328 3. Branntwein aus Kirschen, Zwetschgen u. dgl. ,, 2,922 4. Branntwein aus Enzianwurzeln und Wachholderbeeren ,, 349 Nach Kantonen scheiden sich die drei ersten Hauptgruppen -- die vierte lassen wir der minimen Erzeugungsmenge wegen hier ausser acht -- wie folgt: Hauptgruppe 1 Hauptgruppe 2 Hauptgruppe 3 -Zürich Luzern Aargau Bern Zug Thurgau St. Gallen Waadt Wallis Tessin Basel-Land Genf Neuenburg Schwyz Basel-Stadt Freiburg Alle ändern Kantone jeder Gruppe . . . ' . .

hl

hl

4,928 3,089 2,171 1,445 1,316 1,241 1,105 -- -- -- -- -- -- -- -- --

1,006 -- -- 221 -- -- 200 1,562 834 273 234 176 147 -- -- --

140 122 118 206 142 -- -- 742 -- -- 212 -- 84 818 96 82

hl

3,662 18,957

675 5,328

160 2,922

Mit Bezug auf die feststehenden Betriebe wurden durch das eidgenössische statistische Bureau für 25,264 Brennereiinhaber die folgenden Besitzverhältnisse ermittelt: Einzelpersonen 23,117 Einfache Personenverbände 2,037 Genossenschaften und landwirtschaftliche Vereine .

34 Gemeinden 8 Andere Verbindungen 86 .BuuUesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

27

416 Beruflicji sind die meisten Inhaber von Brennereien Landwirte. Es waren (die Verbindungen als Einzelpersonen gezählt) :.

Ausschliesslieh L a n d w i r t e 18,901 Im Hauptberufe Landwirte und im Nebenberufe Brenner . . 430 Weinhändler .

23 Wirte . . . 5 8 7 Küfer . . .

61 andern Berufs. 1,832 2,933 Im Nebenberufe Landwirte und im Hauptberufe Brenner . .

11 Weinhändler .

32 Wirte . . . 4 1 0 Küfer . . .

53 andern Berufs. 1,100

1,606 23,440 Ausschliesslieh B r e n n e r : . .

Im Hauptberufe Brenner und im Nebenberufe Weinhändler Wirte . . , Küfer . . , andern Berufs

65 12 7 3 27 49

Im Nebenberufe Brenner und im Hauptberufe Weinhändler Wirte . .

Küfer . . .

andern Berufs

31 42 60 117 250 364

Ausschliesslieh W e i n h i i n d l e r Im Hauptberufe Weinhändler und im Nebenberufe Wirte . .

Küfer . . , andern Berufs

51 5 5 10 Übertrag

20_ 71

Übertrag

23,804

417 Übertrag Übertrag 71 Im Nebenberufe Weinhändler und im Hauptberufe Wirte . . .

Knfer . . .

andern Berufs.

23,804.

§ 7 3

18 89 Ausschliesslich Wirte ".

. . '? . .

Im Hauptberufe Wirte und im Nebenberufe Küfer . . . .

9 andern Berufs.

83

225

92 Im Nebenberufe Wirte und im Hauptberufe Küfer . . .

andern Berufs.

15 95

110 427 Ausscbliesslich K ü f e r Im Hauptberufe Küfer und im Nebenberufe Andern Berufs Im Nebenberufe Küfer und im Hauptberufe andern Berufs .

72 16 17

33 Ausschliesslich a n d e r n H a u p t b e r u f s

.

. . .

105 839 25,264

Als ,,gewerbliche" Betriebe bezeichnet der Fragebogen Brennereien, in denen mehr Personen als der Inhaber und seine Familienglieder beschäftigt sind. Es werden solcher gewerblicher Betriebe (feststehende und fahrbare Brennereien zusammen) 269 angegeben.

An anderer Stelle haben wir bereits mitgeteilt, dass das bernische Gesetz von 1884 als gewerbsmässiges Obstbrennen dasjenige betrachtete, bei dem nicht ausschliesslich Eigengewächs verwertet oder bei dem jährlich mehr als . 150 Liter erzeugt wurden. Aus der eidgenössischen Enquete lässt sich keines dieser beiden Merkmale so herausschälen, dass die Zahl der gewerbsmässigen Betriebe der Schweiz im Sinn der bernischen Begriffsbestimmung für die Periode 1914/16 irgendwie zuverlässig festzustellen wäre. Als sicher dürfen wir nur annehmen, dass

4ib die oben vermerkten 269 gewerblichen Betriebe und diejenigen fahrbaren Betriebe dazu gehören, die in diesen 269 nicht schon enthalten sind. Daraus geht indessen immerhin zur Genüge hervor, und der aus der Berufsangabe ersichtliche, stark agrikole Charakter der Obstbrennere.i bestätigt es, dass wir es bei dieser, nach der Zahl der Betriebe betrachtet, weit überwiegend mit Unternehmungen zu tun haben, die in dieser oder jener Definition zu der nicht gewerbsmässigen Kleinbrennerei gehören.

* .·

'*

*··.

*

VI. Besteht Einverständnis über das Ziel, die Ausdehnung der Bundeszuständigkeit auf gebrannte Wasser jeder Art, so müssen die Rechtswege gesucht werden, die dem Ziele zuführen. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob die b e s t e h e n d e Bundesverfassung nicht bereits gangbare Wege aufweist. Ein solcher liegt in der Möglichkeit der Besteuerung oder Monopolisierung des V e r k a u f s von Obstbranntwein, jedoch so, dass der Steuerertrag ausschliesslich den Kantonen zufiele.

Da aber das Beschreiten dieses Weges nach einer so lange Jahre hindurch anders orientierten Praxis leicht den Eindruck des Gekünstelten erwecken könnte und wir nicht nur die Einnahmen der Kantone steigern, sondern gleichzeitig auch auf eine Mehrung der Bundeseinnahmen Bedacht nehmen wollen, so ist eine Verfassungs r e v i s i o n nicht zu umgehen. Sie ist es auch deshalb nicht, weil nur sie gestattet, andere hängige Revisionspunkte als die fiskalischen mit der nötigen Freiheit zum Austrage zu bringen.

Das einfachste Mittel, dem Bund auch für das Brennen von Obstbranntvvein die. Kompetenz zu polizeilicher und steuerlicher Regelung zu verschaffen, bestünde dem ersten Anschein nach in der Streichung des letzten Satzes von Alinea l des Art. 32bis, lautend: ,,Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeereu und ähnlichen Stoffen fällt betreffend die Fabrikation und Besteuerung nicht unter die Bundesgesetzgebung.tt Allein auch diese Lösung würde, ohne gleichzeitige Neuregelung der geltenden Verfassungsvorschriften über die Verwendung des Fiskalertrags, den Bund finanziell leer ausgehen lassen.

Zum Erlass von Vorschriften über die Herstellung von Obstbrannfcwein könnte von den geltenden Artikeln der Verfassung allenfalls der Gewerbeartikel, Art. 34ter, herangezogen werden; er hätte indessen bloss für die gewerbsmässig betriebenen Obstbrennereien Geltung. Weiter verliehe Art. 69bis dem Bund auch

419

für das vorliegende Gebiet wenigstens gesundheitspolizeiliche Kompetenzen. Es ist aber ohne anderes klar, dass alle die erwähnten Zuständigkeiten für die Reform, die heute in Frage steht, nicht ausreichen, dass daher vor allem Art. 32bis in allen seinen Teilen zu revidieren ist.

VII. Wir schlagen vor, den bestehenden Text durch folgenden neuen zu ersetzen : Art. 32bia. ,,Die Gesetzgebung über die Fabrikation, die Ein fuhr, den Verkauf und die Besteuerung gebrannter Wasser ist Sache des Bundes.

Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen Erzeugnisse, die ausgeführt, durchgeführt oder in einer den Trinkverbrauch aus schliessenden Zubereitung zu gewerblichen oder Haushaltungszwecken verwendet werden, jeder fiskalischen Belastung enthoben werden.

Die Reineinnahmen aus der fiskalischen Belastung des Ausschanks und des Kleinverkaufs fallen den Kantonen, diejenigen aus der fiskalischen Belastung der Fabrikation, der Einfuhr und des Grossverkaufs gebrannter Wasser zu 3/5 den Kantonen, zu 3 /B dem Bunde zu.

Die Beträge, welche den Kantonen zufallen, werden unter diese am Ende jedes Rechnungsjahres nach Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten und erwahrten Wohnbevölkerung verteilt. Die Kantone haben wenigstens 20 °/o ihres Anteils zur Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden, und zwar so, dass der überwiegende Teil auf die Bekämpfung der Ursachen des Alkoholismus entfällt.

Der Anteil des Bundes ist ausschliesslich zur Förderung der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung zu ver-wenden."

Wir erläutern den Vorschlag durch nachstehende Ausführungen.

VHI. a. Das grundlegende Alinea l will, wie seinerzeit der entsprechende Teil des bundesrätlichen Vorschlags vom 20. November 1884, der Gesetzgebung in keiner Weise präjudizieren ; auch es lässt in seiner weiten Fassung alle Möglichkeiten offen : freien Wettbewerb der Brenner oder Branntweinhändler, Konzessioniemng einer bestimmten Zahl derselben, Staatsmonopol unter Ausschluss der Konkurrenz. In dieser Hinsicht besteht der Unter-

420

schied zwischen der alten und der vorgeschlagenen Fassung bloss darin, dass diese mehr, als es jene getan, Ausdrücke vermeidet, die einseitig auf ein Gesetz ohne Monopolcharakter zugeschnitten sind.

Als Änderungen untergeordneter Art erwähnen wir, dass die im Jahr 1885 aus nicht mehr ersichtlichen Gründen weggelassene Einfuhr nunmehr aufgenommen und die Besteuerung ausdrücklich genannt ist.

Da keinerlei Absicht vorliegt, das bestehende Alkoholmonopol abzuschaffen, vielmehr geplant ist, die Obstbranntweine diesem ebenfalls zu unterstellen, so hätte nahe gelegen, einen Text zu wählen, durch den das Ausführungsgesetz von vorneherein nur auf den Weg des Monopols gewiesen wird. Wir haben hiervon abgesehen, weil die vollständige Monopolisierung der Obstbrennerei unter Umständen auf Hemmnisse, besonders technischer Art, stossen kann, deren vollständige Beseitigung nicht zu ermöglichen ist.

Wir denken z. B. an die Schwierigkeiten, welche aus der Kleinheit der meisten Brennbetriebe, aus ihrem überwiegend agrikolen Charakter und endlich aus der grossen Verschiedenheit der Qualitäten innerhalb einer allerdings unbedeutenden Kategorie von Erzeugnissen erwachsen können.

Das grösste Hindernis sowohl für eine richtige gewerbepolizeiliche Ordnung als für eine rationelle Besteuerung bilden in der Tat die aus den bereits mitgeteilten Daten ersichtliche grosse Zahl der bestehenden Obstbrennereien und die Kleinheit der meisten davon.

Hier ist daher vor allem auf Remedur Bedacht zu nehmen. Sie drängt sich nicht allein aus fiskalischen Rücksichten auf; sie ist nicht minder durch volkswirtschaftliche und sozial-hygienische Interessen gerechtfertigt. Wie seinerzeit gegenüber der KartofFelbrennerei, so wird es sich auch gegenüber der Obstbrennerei darum handeln, die Haus- und Küchenbetriebe aufzuheben und, soweit möglich, an deren Stelle genossenschaftliche oder kommunale Mittelbetriebe zu setzen. Gewiss wird eine solche Umwälzung des Bestehenden in einzelnen landwirtschaftlichen Gegenden auf Widerstand stossen. Es wird da und dort recht schwer werden, den alten Zustand ohne empfindliche Reibungen in den neuen überzuführen. Erleichtert werden kann die Neuerung durch die Zulassung fahrbarer Brennereien. Alle Schwierigkeiten werden freilich auch dadurch nicht zu beheben sein.

Wie weit der Gesetzgeber diese Verhältnisse
wird meistern können, entzieht sich aller Voraussicht. Jedenfalls wird es sich schwerlich je als möglich erweisen, viele Tausende von Zwergbetrieben für ihre Produktion oder ihren Verkauf in genauem Ausinass

4äi rationell zur Steuer heranzuziehen oder einem Monopol zu unterwerfen. Hier versagt sowohl die persönliche Kontrolle als die mechanische, wie sie Kontrollmessapparate für grössere Betriebe zulassen. Auf alle Fälle wäre weder administrativ, noch politisch, noch finanziell daran zu denken, 30,000 Brehnapparate der Kontrolle eidgenössischer Beamter zu unterstellen.

Es gibt im wesentlichen drei Auswege aus dieser Schwierigkeit. Entweder die eine gewisse Produktionsgrösse nicht über.schreitenden Brennereien werden von jedem fiskalischen Zugriff befreit, oder sie werden auf Grund von Produktionsannahmen im Wege der Abfindung mit Pauschalabgaben belegt, oder endlich ·sie werden im Wege gesetzlichen Verbots aus der Welt geschafft.

Das erste dieser Mittel empfiehlt sich von keinem Gesichtspunkte aus. Fiskalisch nicht, weil es namentlich in unsern Verhältnissen den Steuerertrag wesentlich herabmindern würde, mehr noch, weil es zu Missbräuchen Anlass gibt und damit die Durchführung der Fiskalmassnahmen auch für die nicht privilegierten Betriebe kompromittiert ; volksgesundheitlich nicht, weil dabei die Forderung, ·dass der Branntwein mit allen seinen Begleitübeln aus den Bauernhäusern verschwinde, in besonders gefährdeten Verhältnissen nicht zu ihrem Rechte kommt. Die wenig befriedigenden Erfahrungen des In- und Auslandes sprechen laut genug gegen die Einräumung eines derartigen Privilegs.

Bezeichnend ist in diesem Betracht, was eine Botschaft des Präsidenten der französischen Republik vom August 1915 über ein Projet de loi sur le régime de l'alcool ausführt: L'alcool gratuit ne saurait avoir sa place dans un système qui a essentiellement pour objectif de réduire par l'impôt la consommation de l'alcool dans de justes limites. Ce serait tomber dans une étrange contradiction que de prétendre lutter contre l'alcoolisme et de maintenir une franchise pour la consommation qui se fait en famille, car, nous ne saurions trop y insister, c'est cette consommation qui, au point de vue hygiénique et social, constitue le danger le plus redoutable. Si, par la cherté du produit, on entend réduire la consommation à des limites déterminées, il serait tout à fait étrange que toute une partie de la population fût exclue de la règle et invitée en quelque sorte à consommer en plus quelques litres par tête.

Das zweite Mittel ist, wenn auch natürlich in geringerem Masse, mit den gleichen Fehlern behaftet: es sollte daher höchstens als Notbehelf in Betracht gezogen werden.

422 Als beste Lösung muss die dritte gelten. Sie räumt nicht nur mit einer wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Zersplitterung der Kräfte auf; sie entspricht auch in jeder Weise den fiskalischen und hygienischen Postulaten. Sie ist aber zu ihrer Verwirklichung an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Zunächst erscheint es als ein Gebot der Billigkeit, die Nachteile, die durch das Verbot erwachsen, für die davon betroffenen Interessenten durch Zuwendung angemessener staatlicher Geldentschädigungen zu mildern. Sodann aber sollte Sorge getragen werden, dass die Landwirte der Gegenden, in welchen die bisherige Kleinbrennerer unterdrückt würde, in der gewohnten Verwertung ihrer Bodenerzeugnisse und Abfallstoffe nicht empfindlich benachteiligt werden.

Das kann, wie schon an anderer Stelle angedeutet, unter anderai geschehen durch die Schaffung richtig verteilter, mittelgrosser Brennereien auf genossenschaftlicher oder kommunaler Grundlage oder, wo derartige Neubildungen zum Aufwand ausser Verhältnis stünden, durch ein zweckdienlich organisiertes Absuchen der betreffenden Landesteile mit fahrbaren Brennereien.

So wird vor allem Konzentration, mit Schonung bestehender Interessen, das Losungswort. Die Möglichkeit weitgehender Beachtung dieses Losungsworts kann bei gutem Willen nicht zweifelhaft sein. Nach den mitgeteilten Ziffern entfallen volle 80 % der Gesamtproduktion auf die in diesem Betracht weitaus wichtigsten Zweige des Obstbrennens, auf die Verarbeitung von Äpfeln, Birnen, Obstträsch und Traubentrestern.

Feststehende Fahrbare Zusammen Betriebe Jahresdurchschnittsproduktion hl hl hl

Äpfel und Birnen Abfälle von solchen

1,926 7,257

1,625 3,551 8,149 15,406

Zusammen

9,183 1,242

9,774 2,116

18,957 3,358

Zusammen

10,425

11,890

22,315

. . . .

Traubentrester

Die 11,890 Hektoliter, die heute bereits in ambulanten Apparaten gewonnen werden, fallen für die Konzentrationsaktion von vorneherein ausser Betracht. Diese hätte sich bloss auf die 10,425 Hektoliter der feststehenden Betriebe einzurichten.

Letztere verteilen sich nun aber wie folgt:

423 Abfälle TraubenApfel irester und Birnen von solchen hl hl hl Zurief 34 1596 520 562 31 Bern 322 1 Luzern pro memoria 1077 2 Uri 246 18 Schwyz 13 182 455 1 Obwalden 4 135 Nidwaiden . . . .

185 pro memoria 100 1 141 Glarus 18 Zug 268 340 pro memoria Freiburg 174 4 138 Solothurn 154 14 4 Baselstadt 3 97 17 12 Baselland 237 103 Schaffhausen . . . .

45 9 49 1 Appenzell A.-Rh.

4 18 1 Appenzell I.-Rh. . . .

pro memoria 21 St. Gallen 96 706 63 Graubünden . . . .

161 33 80 462 Aargau . . . . . . .

164 18 752 16 Thurgau 28 Tessin pro memoria pro memoria 217 Waadt 22 24 7 Wallis 8 15 9e 2 88 Neuenburg . . . .

5 -- 4 1 Genf Aus diesen Zahlen erhellt, dass vermutlich in dem betrachteten Tätigkeitsgebiet einzig für die acht Kantone Zürich (2150 hl), Luzern (1078 hl), Bern (915 hl), Thurgau (796 hl), St. Gallen (769 hl), Schwyz (650 hl), Aargau (644 hl) und Zug (608 hl) in irgendwie erheblichem Umfange auf eine Neuorientierung würde Bedacht zu nehmen sein.

Was von dem Gesagten für ein Steuergesetz gilt, gilt auch für die Monopolisierung. Auch für sie kann rationellerweise bloss entweder die Auflage pauschaliter festgesetzter Monopolgebühren für die Kleinbetriebe oder Durchführung einer Konzentration in Frage kommen.

Was die eventuell ' nötig werdende abweichende Fiskalbehandlung der hoch qualifizierten Branntweine angeht, so sei darüber kurz folgendes bemerkt.

424

Gewiss liesse sich an und für sich auch der Branntwein aus Kirschen, Zwetschgen, Weintrauben und anderm Obst (ausser Äpfeln und Birnen), aus Wein, Weindrusen, Enzianwurzeln und Wachholderbeeren direkt dem Monopol unterstellen ; will man aber nicht durch Mischung alles Gleichnamigen die Qualität herunterdrücken, so werden die aus dem Einbezug dieser hochwertigen Edelbranntweine mit ihren vielen Spezialitäten erwachsenden Verwaltungsschwierigkeiten angesichts der bescheidenen Gesamtmenge (von 5241 hl) in keinem richtigen Verhältnis zu Mühwalt und Kosten stehen. Auf alle Fälle wird die Monopolisierung für die nach Qualität und Preis weniger differierenden Abfalldestillate (22,315 hl) wesentlich leichter durchzuführen undfür den Charakter des ganzen immer noch ausreichend durchschlagend sein. Die blosse Erhebung von Abgaben (sei es in der Form von Steuer oder Monopolgebühr) durchbräche freilich das Monopol der Alkoholverwaltung, aber nicht in wesentlich grösserm Umfange, als es jetzt bereits für die nicht von der Verwaltung gekauften und verkauften gebrannten Wasser der Fall ist. Hier gilt der Satz, wer den weitaus grössten Teil beherrscht, beherrscht das Ganze.

Es ist an dieser Stelle, an der über die Umgestaltung des jetzigen Branntweinwesens gehandelt wird, noch eines ändern wichtigen Verhältnisses Erwähnung zu tun. Es darf sicher vorausgesehen werden, dass die Obstbrenner und die an ihrem Schicksal interessierten Landwirte unserm Projekt gegenüber das Verlangen stellen werden, es seien die Obstbranntweine im Falle der Monopolisierung vom Bunde zu angemessenen Preisen zu übernehmen, im Falle der /Besteuerung nicht so stark zu belasten, dass die angemessene Verwertung der Rohstoffe beeinträchtigt werde. Wir halten diese Forderungen prinzipiell für durchaus berechtigt, ja für selbstverständlich. In den Verfassungstext haben wir sie nicht aufgenommen, weil sie für die bereits monopolisierte Brennerei ebenfalls nicht in der Verfassung, sondern im Gesetz stehen, wohin sie uns auch zu gehören scheinen.

Soviel über Alinea l des neu vorgeschlagenen Art. 32bu.

*

*

*

VIII b. Das zweite Alinea bringt ausser der Erwähnung der Durchfuhr nur redaktionelle Änderungen. Diese tragen dem Falle Rechnung, dass der Bund aus Verwaltungsgründen Fiskalauflagen erheben muss^ die Entlastung also erst im Weg der Rückerstattung erfolgt. Der Ausdruck ,,fiskalische Belastung" statt Steuer (vgl. auch Alinea 3) will Streitigkeiten über die Eulassigkeit der Monopolisierung

425

vorbeugen ; er passt sowohl auf eine Steuer als auf die in einem staatlichen Unternehmergewinn eingeschlossene Auflage. Dass das Wort ,,Genussa im geltenden deutschen Verfassungstext in Anlehnung an den französischen Ausdruck boisson durch ,,Trinkverbrauchtt ersetzt wird, geschieht zur Erledigung eines Streitpunktes.

In einer Tagung der ständerätlichen Kommission von 1885 erklärte der Vertreter der Bundesverwaltung auf Befragen, dass die Verwendung von Sprit zur Essigfabrikation als nicht unter die Steuerbefreiung fallend und der Essig als Genusszwecken dienend zu betrachten sei. Da zur Herstellung von Essig indessen schon unter dem Ohmgeldregime denaturierter, steuerfreier Alkohol verwendet werden durfte, hat die Monopolverwaltung von Anfang, an für dieses Erzeugnis, trotz der obigen Erklärung, auf die Fiskalauflage, die den Trinksprit trifft, verzichtet.

VIII c. Gestattet das erste Alinea, die Ausführung der Bundesvorschriften über den Ausschank und den Kleinverkauf wie bisher den Kantonen zu überbinden, so will das dritte Alinea zugleich unser Alinea 3 nun zur *) 19. Juni 1912. Der Bundesrat wird eingeladen, über die bundesgesetzliche Regelung des Kleinhandels mit gebrannten 'Wassern, speziell auch des interkantonalen Distanzhandels, Bericht und Antrag einzubringen.

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Beseitigung der bisherigen Schwierigkeiten hinsichtlich der Ver teilung der Fiskaleinnahmen aus Ausschank und Kleinverkau allgemein vorschreibt, ist speziell für die aus dem Ausland ein geführten gebrannten Wasser, obgleich mit der Verfassung strenggenommen nicht vereinbar, bereits geltendes Recht.

Alinea 3 behandelt sodann auch die Teilung des Ertrages au der Fiskalbelastung von Fabrikation, Einfuhr und Grossverkau zwischen dem Bund und den Kantonen. Es sind selbstverständlich dafür zahllose Kombinationen denkbar.

Wir haben uns für die entschieden, die uns als die einfachste und zugleich billigste erschien. Bei einem Meinungsaustausch zwischen unserm Finanzdepartement' und den kantonalen Finanzdirektoren haben es diese als selbstverständlich bezeichnet, dass die bisher der Gesamtheit der Kantone zugeflossenen Einnahmen eine Verkürzung nicht erfahren sollten; eine bestimmte Garantie des Bundes, dass er für einen etwaigen Ausfall aufkomme, verlangten sie indessen nicht. Wir können diesen Auffassungen der Vertreter der Kantonsfiskus durchaus beistimmen.

Falls es für nötig erachtet wird, den Gedanken in der Verfassung selbst niederzulegen, so empfehlen wir folgende Fassung des Alinea 3 : ,,Die Reineinnahmen aus der fiskalischen Belastung der gebrannten Wasser fallen den Kantonen zu. Übersteigt jedoch in einem gegebenen Jahre die Reineinnahme aus der fiskalischen Belastung der Fabrikation, der Einfuhr und des Grossverkaufs gebrannter Wasser für sich allein sieben Millionen, so sind */6 des überschiessenden Betrages dem Bund zu überweisen."

Für das Ziffermässigc sei auf den Schlussteil der vorliegenden Botschaft verwiesen.

VIII d. Die in Alinea 4 niedergelegte Formel für die Verteilungdes nach der Volkszahl zu repartierenden Ertrags schliesst sich7 abgesehen von der Ersetzung der faktischen Bevölkerung durch die für die Verfassung sonst durchgehend gewählte Wohnbevölkerung, der Fassung des Art. 22 des Alkoholgesetzes an. Der Ausdruck ,,ernährten" Bevölkerung bezweckt, die Wiederholung von Meinungsverschiedenheiten über die Art der Verteilung im Volkszählungsjahre selbst zu vermeiden. Da die Erwahrung des Zählungsergebnisses durch die Bundesversammlung bei dem üblichen Zensus im Dezember erst in dem auf das Zählungsjahr folgenden Jahre geschehen kann, ist der Ertrag des Zensusjahres noch nach der alten Volkszahl aufzuteilen.

Die Erhöhung der für die Bekämpfung des Alkoholismus bestimmte Quote ist schon oft gefordert worden. Wir verdoppeln

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die bisherige. Auch die stärkere Betonung des Kampfes gegen die Ursachen, die unsere Fassung in Aussicht nimmt, ist ein altes Postulat. Von dem ebenfalls wiederholt geforderten Erlass von Bestimmungen, nach welchen dem Bund gegenüber Kantonen, ·die der Vorschrift nicht nachkommen, besondere Machtmittel in die Hand gegeben werden, sieht unser Vorschlag dagegen ab.

Der bundesrätliche Entwurf von 1886 bestimmte in Art. 19: ,,Sollte ein Kanton der im letzten Satz von Art. 32bi8 der Bundesverfassung enthaltenen Bestimmung nicht nachkommen, so hat der Bundesrat das Recht, den nicht verwendeten Betrag bei der nächsten Zahlung zurückzubehaltenct. Eine derartige Sanktion zum voraus anzudrohen, halten wir nicht für erforderlich. Was not tut, ist durch Art. 85 der Bundesverfassung geordnet.

Vili e. Das letzte Alinea reserviert den Anteil des Bundes aus Alinea 3, der heutigen Richtung der Sozialpolitik entsprechend, für die Förderung bestimmter Volksversicherungszweige.

Für das nähere verweisen wir auf unsere demnächst erscheinende besondere Botschaft über die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenfürsorge.

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IX. Zu Art. 32bi" schlagen wir eine als Ü b e r g a n g s b e s t i m m u n g 7 in die Verfassung aufzunehmende Ordnung vor : Ü b e r g a n g s b e s t i m m u n g 7. ,,Soweit die Gesetzgebung die Einfuhr gebrannter Wasser als ausschliessliches Recht des Bundes erklärt, verzichtet dieser für seine Einfuhren auf die Erhebung ·von Eingangszöllen. Als Entgelt für den Wegfall der letztern wird ihm in diesem Falle vorgängig der Verteilung nach Art. 32bls, Alinea 3, ein Betrag überwiesen, welcher der jahresdurchschnittliehen Einnahme aus Zöllen auf den vom Bund eingeführten gebrannten Wassern in den dem Erlass des bezüglichen Gesetzes vorangegangenen drei Jahren entspricht.tt Zu diesem Vorschlage sei bemerkt : Angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die sich hin·sichtlich der Einfuhren des Bundes bislang für die wegen der verschieden hohen Zollsätze notwendigen Ausscheidung von Ware zum Trinkverbrauch und Denaturierungsware immer wieder ergeben haben, erscheint es wünschbar, dass der Bund auf die Erhebung von Zoll auf den Einfuhren seiner Monopolverwaltung grundsätzlich Verzicht leistet. Für diesen Verzicht ist ihm eine Kompensation geschuldet. Unsere, in Anlehnung an Art. 13 des Entwurfes der nationalrätlichen Kommission von 1886 vorge-

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sehlageoe Formel wird den Bund nicht zu Schaden bringen. Bei ihrer Beurteilung ist nämlich zu beachten, dass, im Falle der Unterstellung gebrannter Wasser jeder Art unter die Bundeskompetene, der vorauszusehende Rückgang des Trinkverbrauchs und die Zunahme des Verbrauchs von Denaturierungsware, auch die wachsende Herstellung von synthetischen Alkohelen und von Obstbranntwein in der Schweiz (selbst wenn die jetzige inländische Kartoffelbrennerei beschränkt würde), aller Voraussicht nach eine Veränderung in der Zusammensetzung des Landesverbrauchs zu ungunsten der Einfuhr herbeiführen werden.

X. In seiner Vorlage von 1884 vertrat der Bundesrat die Meinung, sein Art. 32bis gehe dem Art. 31 vor, es sei daher nicht nötig, zur Ermöglichung des eventuellen Erlasses eines Monopolgesetzes in Art. 31 den Art. 32bis von der Handels- und Gewerbefreiheit auszunehmen.

Erhobenen Zweifeln gegenüber, ob der neue Art. 32bi" dem bestehenden Art. 31 wirklich bis zu dem Grade derogiere, dass er die Ausführung der Verfassungsnovelle auch im Monopolweg gestatte, wurden dann aber im Jahre 1885 Fabrikation und Verkauf gebrannter Wasser in Art. 31 unter lit. b ausdrücklich unter die Ausnahmen von der Handels- und Gewerbefreiheit aufgenommen.

Wir halten den damaligen Standpunkt des Bundesrates für durchaus richtig und da heute solche Zweifel schwerlich mehr werden laut werden, so könnte der Hinweis auf Art. 32bis in Art. 31, lit. 6, ohne Schaden gestrichen werden. In stärkerem Masse noch gilt dies für die seither hinzugekommene Erwähnung des Art. 32ler (Absinthverbot) in derselben Ht. ö des Art. 31. Um indessen die Ökonomie des Art. 31 nicht durch Streichung der lit. b zu stören, begnügen wir uns damit, die Ersetzung der jetzigen durch folgende Redaktion zu beantragen: ,,Die Fabrikation, die Einfuhr und der Verkauf gebrannter Wasser nach Massgabe des Art. 32bi9.a XI. Die Bestimmungen über den Handel mit gegorenen geistigen Getränken stehen zurzeit in Art. 32bi8. Mag man sie materiell gestalten wie immer, so erscheint uns richtiger, sie in Art. 31 hinüberzunehmen und damit Art. 32bis ausschliesslich den gebrannten Wassern zu reservieren.

Das den Gross- und Kleinhandel mit gegorenem Getränke scheidende Umsatzminimum von 2 Liter ist schon bald nach

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Erjass des eidgenössischen Alkoholgesetzes als zu niedrig angefochten worden. Ein, gemäss unterem Antrag vom 15. März 1901, das Minimum auf 10 Liter erhöhender Bundesbeschluss wurde aber am 25. Oktober 1903 bei geringer Beteiligung der Stimmberechtigten mit 228,09,4 gegen 156,777 V«lkss,timmen und mit 21 ablehnenden gegen 4 annehmende Stündestimmen abgelehnt, î^ur die vier Kantone Lusserà, Frejbur.g, Graubünden und Wallis hatten anqelmien4e Mehrheiten. Der Inhalt des verwprfenen Beschlusses isj; nun im Schosse dßr Bundesversammlung \n erweitertem Umfange wieder aufgenommen (Postulat 787)*) und im August 1918 durch die Eingabe eines Revisionskomitees an den Bundesrat., freilich in der bisherigen Beschränkung auf die gegorenen Getränke, unterstutzt und amendiert worden.

Das nächstliegende wäre für uns das Zurückkommen auf unsern Antrag vom 15. März 1901 ; wir könnten dann zu dessen Begründung uns einfach auf unsere damalige Botschaft beziehen.

Wir haben aber inzwischen die Überzeugung gewonnen, dass die Übelstände, die am heutigen Stand der Dinge hauptsächlich beklagt werden, -- das Fehlen jeder Anzeigepflicht seitens der Kleinverkäufer und damit die Unmöglichkeit jeder ernsthaften Kontrolle über sie -- durch die Erhöhung der Verkaufsgrenze von 2 auf 10 Liter schwerlich zum Verschwinden gebracht werden.

Wirkliche Abhülfe kann nur das Ausmerzen des ganzen Instituts bringen. Wir nehmen keinen Anstand, diese Ausmerzung im Zusammenhang mit unserer heutigen Vorlage zu empfehlen ; gibt doch diese durch die Ausdehnung der Bundeskompetenzen auf alle gebrannten Wasser dem Staate weit wirksamere Waften gegen den Alkoholismus in die Hand als sie die Beibehaltung des Doppelliterartikels oder dessen Umgestaltung in einen Zehnliterartikel bieten könnte. Sollte Ihnen indessen die Erhöhung der bisherigen Grenze von 2 auf 10 Liter belieben, so schlagen wir zu Art. 31, lit. c, der Verfassung folgenden Beisatz vor: ,,Immerhin soll der Verkauf gegorener geistiger Getränke in Mengen von 10 oder mehr Liter ein freies, besondern Steuern nicht unterworfenes Gewerbe bleiben."

XII. Wir haben mit dem Gesagten den Kreis Umschriften, in dem sich die von uns befürworteten Neuerungen bewegen.

*) 26. September 1917., Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht Art. 32bia der Bundesverfassung abgeändert werden sollte, um den Kleinverkauf der geistigen Getränke in Quantitäten unter 10 Liter zu verbieten.

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Es bleibt uns noch übrig, wenigstens in angenäherten Werten erkennen zu lassen, wie sich die beantragte Teilung des eidgenössisch erhobenen Fiskalertrags zwischen Bund und Kantonen gestaltet.

Wir schicken voraus, dass unseres Erachtens eine getrennte Verwaltung des heute noch bundessteuerfreien und des heute bereits bundessteuerpflichtigen Branntweinwesens verwaltungstechnisch nicht zweckmässig wäre, dass vielmehr, da die Regelung der beiden Gattungen gegenseitig bedingt ist, für das Ganze die Einheitlichkeit ·der Verwaltung sich förmlich aufdrängt. Ebensowenig empfiehlt sich eine gesonderte Abrechnung über die bereits monopolisierten und die neu hinzutretenden gebrannten Wasser. Sie wäre einzig mit willkürlichen Annahmen durchführbar und in mehrfacher Hinsicht nicht ohne Grund dem Vorwurf der Künstelei ausgesetzt. Rationell ist nur die Zusammenfassung des Ertrags mit so oder anders bestimmten Maximen zur Verteilung zwischen Bund und Kantonen.

Die Aufstellung eines zuverlässigen Überschlags über den Ertrag eines alle gebrannten Wasser umfassenden eidgenössischen Fiskalgesetzes ist, namentlich nach der Seite der Ausgaben hin, ·zurzeit ein Ding der Unmöglichkeit. Einmal ist noch nicht zu übersehen, welche Bestimmungen das Ausführungsgesetz über die bis anhin monopolfreien Obstbranntweine enthalten wird und auf welche Mengen sie anzuwenden sein werden. Sodann aber sind durch die Weltwirren auch die Grundlagen des bestehenden Monopols in allerlei Betracht erschüttert worden, und ist beuta noch nicht abzusehen, was die unabweisbar gewordene Neureglierung bringen kann. So ist vor altem nicht abgeklärt, welcher Teil des Bedarfs inskünftig durch die inländische Kartoffelbrennerei gedockt werden soll. Die Meinungen schwanken zwischen der Abschaffung dieses Brennens und seiner Ausdehnung unter ändern, der veränderten Lage anzupassenden Bedingungen. Weiter ist nicht genügend überblickbar, welche Bedeutung die inländische Erzeugung von sogenanntem synthetischem Alkohol aus Kalziumkarbid, Sulfitlauge, Holzabfällen etc. inskünftig gewinnen kann. Alsdann hat sich durch die Kriegszeit der Gedanke befestigt, dass das .zu Recht bestehende relativ niedrige Maximum der Monopolverkaufspreise für Trinksprit von Fr. 210 pro Hektoliter nicht mehr haltbar ist, es vielmehr ratsam erscheint, jedes gesetzliche Maximum
überhaupt fallen zu lassen und die Festsetzung der Trinkspritpreise dem freien Ermessen des Bundesrates anheimzustellen.

Der durch den Bundesratsbeschluss vom 10. Februar 1919 unter Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten festgestellte Abgabepreis für die kurrente Sorte (Feinsprit) beläuft sich pro

431 Hektoliter auf zirka Fr. 645, ist also mehr als dreimal höher als der ordentliche legale Höchstpreis. Welcher Ansatz später Geltung erlangen wird, ist ebensowenig voraussehbar, als zurzeit bestimmt werden kann, welchen Preis die Alkoholverwaltung bei Ausdehnung des Monopols für inländischen Kartoffelspiritus und synthetischen Alkohol und für dem Monopol unterstellte Obstbranntweine zu bezahlen haben wird, bzw. welche Steuer für die nicht monopolisierten gefordert werden soll. Noch viel weniger weiss man, welche Preislage der Weltmarkt für ausländische gebrannte Wasser bringen wird. So vereinigt sich alles zu der Erkenntnis, dass ein ausgearbeitetes Zukunftsbudget nicht aufgestellt werden kann, vielmehr aus ganz allgemeinen Erwägungen heraus Anhaltspunkte über die Höhe des kommenden Gesamtertrags gefunden werden müssen.

Dabei ist selbstverständlich ein Mass von Zurückhaltung geboten, das vor Enttäuschungen bewahrt.

Bei den nachfolgenden Schätzungen lassen wir den Alkohol zu technischen und Haushaltuagszwecken beiseite. Da er verfassungsgemäss von der Monopolverwaltung zu den Selbstkosten abgegeben werden muss, kommt er fiskalisch nur insoweit in Betracht, als er einen Teil der Generalunkosten trägt.

Das bestehende Monopol hat im Jahrzehnt 1903/1912 im Jahresmittel einen Betriebsüberschuss von Fr. 6,704,296 erbracht.

Für das gleiche Jahrzehnt beläuft sich der jahresdurchschnittliche Verbrauch an monopolpflichtigen gebrannten Wassern zum Trinkverbrauch auf 74,800 Hektoliter; es entfiel darnach auf jeden Hektoliter monopolisierten Alkohols ein Überschuss von Fr. 89. 63 oder rund Fr. 90.

Steht einmal dem Bund die Verfügung über alle gebrannten Wasser zu, so hat er es sozusagen in der Hand, das Erträgnis auf jeden Hektoliter beliebig zu steigern, sofern er gewillt und in der Lage ist, die damit verbundene Verbrauchsverminderung in den Kauf zu nehmen. Was der Ertragssteigerung durch Erhöhung des Fiskalsatzes Grenzen setzt, sind volkswirtschaftliche Rücksichten einerseits, die wachsenden Gefahren der Gesetzesübertretungen anderseits. Wir glauben das richtige Mass nicht zu überschreiten, d. h.

der Buudesverwaltung keine in administrativem, fiskalischem, volkswirtschaftlichem und hygienischem Sinne unlösbare Aufgabe zu überbinden, wenn wir für die schon monopolisierten gebrannten Wasser und die
neu hinzutretenden Obstbranntweine, über die Zollentschädigung an den Bund hinaus, einen künftigen Fiskalüberschuss von Fr. 225 pro Hektoliter bei einem KonsumrückBundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IIL

28

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gang um YS des jetzigen zugrunde legen. Der Verbrauch im Jahrzehnt 1903/1912 belief sieh: für" die schon bundessteuerpfliehtigen gebrannten Wasser wie oben angegeben auf hl 74,800 für die Obstbranntweine auf ,, 18,200 Total

hl 93,000

Die Reduktion um ein Drittel würde den Verbrauch aut 62,000 hl herabsetzen. Wir stellen vorsichtigerweise bloss 60,000 hl in Rechnung und gelangen so zu einem zukünftigen Ertrag von Fr. 60,000 X 225 = Fr. 13,500,000, wovon nach unserm Vorschlag dem Bund (ausser der vorweggenommenen Zollentschädigung) Fr. 5,400,000 den Kantonen ,, 8,100,000 zufielen. (Rücklagen in Reservefonds und Aufwendungen für die Brennereientschädigungen u. dgl. sind angesichts der überaus vorsichtigen Budgetierung der übrigen Posten nicht berücksichtigt worden.)

Kann diese Aufstellung auch keinen höhern Wert als den tastender Abwägung unsicherer Zukunftsfaktoren in Anspruch nehmen, so darf doch ihr Schlussresultat als ein für die nächsten Zwecke genügend sicheres gelten. Wir glauben bei unserer Schätzung auch die Erwägung ausreichend berücksichtigt zu haben, dass nach Unterwerfung aller gebrannter Wasser unter die Bundesgesetzgebung das richtige Belastungsverhältnis der verschiedenen Sorten nur in schrittweise vorgehendem Tasten gefunden werden kann. Jedenfalls ist dafür in den von uns gewählten Annahmen der nötige Spielraum vollauf gewahrt. Es müssten schon ganz ausserordentliche Verhältnisse eintreten, wenn aus dein Gesamtvorbrauch an gebrannten Wassern nicht 13Y« Millionen herauszuschlagen wären.

Noch sei bemerkt, dass der Zukunftskonsum sich voraussichtlich anders verteilen würde, als der bisherige. Nach obiger Angabe belief sich der Anteil des Obstbranntweius im Jahrzehnt 1903/12 auf rund 20% des Gesamtverbrauchs. Da volkswirtschaftliche Gründe dafür sprechen, die Obstbranntweinproduktion, wo immer es ohne Schädigung der Volksgesundheit möglieh ist -- und das wird bei Unterwerfung aller gebrannten Wasser unter die Staatsgewalt der Fall sein --, auf der Höhe der derzeit mit 27,500 hl einzuschätzenden Jahresmenge zu erhalten, wenn nicht noch zu steigern, so würde der kommende Verbrauch von 60,000 hl zu Trinkzweckcu sich zu zirka 55 % aus jetzt schon

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monopolisierten gebrannten Wassern und zu 45 % aus Obstbranntwein zusammensetzen; der Anteil des letztern würde also mehr als verdoppelt.

Wir schliessen unsere Erörterungen mit dem A n t r a g e , Sie möchten dem beigefügten Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Revision des Art. 32bis (Alkoholwesen) und, damit in Verbindung stehend, des Art. 31 der Bundesverfassung Ihre Genehmigung erteilen.

Bern, den 27. Mai 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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(Entwurf.)

Bimdesbeschluss betreffend l)is

die Revision des Art. 32 (Alkoholwesen) und, damit in Verbindung stehend, des Art. 31 der Bundesverfassung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai

1919, beschliesst: I. Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 wird abgeändert wie folgt : 1. Art. 31b. Die jetzige Fassung wird durch folgende ersetzt: Die Fabrikation, die Einfuhr und der Verkauf gebrannter Wasser nach Massgabe des Art. 32bi8; 2. Art. 32bis. Die jetzige Fassung wird durch folgende ersetzt: Die Gesetzgebung über die Fabrikation, die Einfuhr, den Verkauf und die Besteuerung gebrannter Wasser ist Sache des Bundes.

Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen Erzeugnisse, die ausgeführt, durchgeführt oder in einer den Trinkverbrauch ausschliessendon Zubereitung zu gewerblichen oder Haushaltungszwecken verwendet werden, jeder fiskalischen Belastung enthoben werden.

Die Reineinnahmen aus der fiskalischen Belastung des Ausschanks und des Kleinverkaufs fallen den Kantonen, diejenigen aus der fiskalischen Belastung der Fabrikation, der Einfuhr und des Grossverkaul's gebrannter Wasser zu 3 /s den Kantonen, zu 2/ö dem Bunde zu.

Die Beträge, welche den Kantonen zufallen, werden unter diese am Ende jedes Rechnungsjahres nach Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten und erwahrten Wohnbevölkerung verteilt. Die

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Kantone haben wenigstens 20 °/o ihres Anteils'zur Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden, und zwar so, dass der überwiegende Teil auf die Bekämpfung der Ursachen des Alkoholismus entfällt.

Der Anteil des Bundes ist aussehliesslich zur Förderung der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenen Versicherung zu verw enden ; .3. Es wird folgende Übergangsbestimmung aufgenommen : Ü b e r g a n g s b e s t i m m u n g » ? . Soweit die Gesetzgebung die Einfuhr gebrannter Wasser als ausschliessliches Recht des Bundes erklärt, verzichtet dieser für seine Einfuhren auf die Erhebung von Eingangszöllen. Als Entgeld für den Wegfall der letztern wird ihm in diesem Falle vorgängig der Verteilung nach Art. 32bis, Alinea 3, ein Betragüberwiesen, welcher der jahresdurchschnittlichen Einnahme aus Zöllen auf den vom Bund eingeführten gebrannten Wassern in den dem Erlass des bezüglichen Gesetzes vorangegangenen drei Jahren entspricht.

II. Diese Änderung wird dem Volke und den Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

III. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung des Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision des Artikels 32bis (Alkoholwesen) und, damit in Verbindung stehend, des Artikels 31 der Bundesverfassung. (Vom 27. Mai 1919.)

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