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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Soldfragen.

(Vom 5. September 1919.)

In der Junisession der Bundesversammlung gelangten Soldfragen verschiedener Art zur Diskussion. Der Vertreter des Bundesrates hat dabei in beiden Räten einen allgemeinen Bericht über den Gegenstand in Aussicht gestellt, den wir Ihnen hiermit nunmehr zu erstatten uns beehren.

I.

Bevor wir auf die einzelnen Postulate eintreten, empfiehlt es sich, eine Übersicht über die Entwicklung zu geben, welche die Soldfrage im Aktivdienst genommen hat, und die Gesichtspunkte allgemeiner und grundsätzlicher Art zu beleuchten, die der Behandlung der Soldfrage zu Grunde gelegt werden müssen.

A. Die Entwicklung der Soldverhältnisse.

1. Der Art. 11 der Militärorganisation vom 12. April 1907 sieht die Regelung der Soldverhältnisse durch ein besonderes Bundesgesetz vor; da dieses Bundesgesetz bei der Mobilmachung vom August 1914 noch nicht erlassen war, so galten zu Beginn des Aktivdienstes noch die Bestimmungen der Art. 217--226 der Militärorganisation von 1874 und die besondern Vorschriften des Verwaltungsreglements vom 27. März 1885.Danach betrug die Besoldung pro Tag:

Oberbefehlshaber Chef des Generalstabes Armeekriegskommissär Generaladjutant und Oberstdivisionäre .

Oberstbrigadier Oberst Oberauditor

Aktivdienst

Insruktionsdienst:

Fr.

Fr.

50. -- 40. -- Besoldung 25. -- eines . 30. -- Obersten 25. -- 20.-- 17.

20. -- 16.

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Aktivdienst:

'"STM"* dienst:

Fr.

Fr.

·Oberstlieutenant 15. -- 13. -- Oberstlieutenant-Grossrichter 15. -- 12. -- Major 12. -- 11.-- Major-Grossrichter 12. -- 10. -- Hauptmann, beritten 10. -- 9. -- ,, unberitten 10. -- 8. ·-- Oberlieutenant, beritten 8. -- 7. -- ,, unberitten 8. -- 6. -- Lieutenant, beritten 7. -- 6. -- ,, unberitten 7. -- 5. -- Feldprediger 10. -- 8. -- Stabssekretär (Adjutant-Unteroffizier) . . 6. -- .4. -- Adjutant-Unteroffizier 3. -- 3. -- Stabsfourier . . . .'

2.50 2. 50 Feldweibel 2. 50 2.50 Fourier, berittene Wachtmeister 2. -- 2. --' ünberittene Wachtmeister 1. 50 1. 50 Berittene Korporale 1.50 1.50 Übrige Korporale 1. -- 1. -- Berittene Gefreite 1.20 1.20 Unberittene Gefreite --.90 --.90 Guide, Dragoner, Trainsoldat, Krankenwärter 1;-- 1.-- Soldat, Träger . . . . : . . . . -- . 80 --.80 Rekrut --. -- --.50 Hierzu kommt für Offiziere und Mannschaft je eine Mundportion, für einzelne oder in kleine Detachemente vereinigte Guiden bei den Stäben, Brigade- und Regimentstrompeter eine Zulage von Fr. 1. 50, für Adjutanten der Stäbe der zusammengesetzten Truppenkörper eine Zulage von Fr. 2. -- im Felddienst und Fr. 1. -- im Instruktionsdienst.

2. Veranlasst durch die zunehmende Teuerung und durch die lange Dauer des Aktivdienstes ist durch Bundesratsbeschluss vom 22. Oktober 1917 allen Wehrmännern vom Soldaten bis zum Oberlieutenant eine Soldzulage von 50 Rp. bewilligt worden, für den Aktivdienst wie für den Instruktionsdienst; der RekrutenSold, blieb unverändert.

3. Schon im Frühjahr 1918 sah sich der Bundesrat gezwungen, noch weiter zu gehen. Er fasste am 6. April 1918 den ,, B e schluss betreff end Besserstellung des Wehrmannes Bundesblatt. -71. Jahrg. Bd. IV.

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im A k t i v - u n d I n s t r u k t i o n s d i e n s t , s o w i e b e i K r a n k heit und Unfall und seiner Familien-Angehörigen in Bezug auf Notunterstützung."

Neben einer Erhöhung der Mundportion, der Gemüsezulage, der Leistungen der Militärversicherung und der Notunterstützung^ wurde der Sold hinaufgesetzt wie folgt: Fr. 13.-- Major 11.-- Hauptmann 9.20 Oberlieutenant Lieutenant 8.20 Stabssekretär-Adjutant-Unteroffizier .

7.20 Offiziersaspiranten (inkl. Mundportion) 6.50 4.30 Adjutant-Unteroffizier Feldweibel 3.80 3.30 Fourier 2.80 Wachtmeister Korporal 2.30 beritten und unberitten Gefreiter 2.10 2.-- Soldat Rekrut ,, . !·Diese Ansätze erhielten Geltung nicht nur für den Aktivdienst, sondern auch für die Schulen und Kurse des Instruktionsdienstes. Sie bilden, zusammen mit den in der Folge durch Bundesratsbeschluss vom 8. November 1918 für Stabsoffiziere festgesetzten Soldansätzen auch heute noch die Grundlage für alle Besoldungsfragen ; sie stellen unser dermaliges Soldgesetz dar.

Die spätem Soldaufbesserungen erfolgten in Form von Zulagen, die zu diesen Grundtaxen hinzu bewilligt worden sind.

4. Im Spätjahr 1918 und zu Beginn des Jahres 1919 kamen zwei Nova in unser Besoldungswesen hinein: einmal die sogenannte G r i p p e z u l a g e , über die in anderem Zusammenhang näher zu reden sein wird, und sodann der F r e i w i l l i g e n s o l d * ) , Über die Entstehung des Freiwilligen-Bewachungskorps haben wir im XII. Neutralitätsbericht, pag. 20 ff-., eingehend berichtet und gestatten uns, zur Vermeidung von Wiederholungen auf das.

dort Gesagte zu verweisen.

*) Der Freiwilligensold Fr.

Major Hauptmauu . . .

,, Oberlieuteüciüt Lieutenant Feldweibel . . . .

beträgt: 22. 50 Fourier . .

20.-- Wachtmeister 17 50 Korporal . .

Gefreiter . .

10 80 Soldat ' 10. 30

.

.

.

.

. . . Fr. 9. SO . . . ,, 9.30 .

8 80 .

,, 8 . 60 , 8 50

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Nur zur Soldfrage möchten wir ergänzend noch folgendes beifügen : Die befriedigenden Erfahrungen, die mit dem Bewachungskorps gemacht wurden und von denen wir im XII. Neutralitätsbericht bereits gesprochen haben, sind auch seither bestätigt worden. Es ist auch seither gelungen, das Korps nach Zahl und Qualität in einer Weise zu rekrutieren, dass es den Anforderungen genügte. Wir haben darum mit einer einzigen Ausnahme --· Aufgebot vom 23. Juni 1919 von einigen Bataillonen und Schwadronen zum Schütze der Nordfront bei Anlass des Friedensschlusses -- vom Aufgebot von Truppen zum Grenzschutz absehen können.

Das bedeutet eine gewaltige Entlastung der Milizarmee. Hätten wir die Freiwilligen nicht, so hätten wir von Neujahr bis heute mindestens 4--5 Infanterie-Brigaden ablösungsweise für je 2 1 /2 Monate aufbieten müssen, d. h. ca. den 4. Teil unserer Auszugsinfanterie. Und wie lange wir den militärischen Grenzschutz noch nötig haben, kann heute mit Sicherheit niemand überblicken.

Der wirtschaftliche Schaden aber, der durch diese fortdauernden Einberufungen unserer Miliztruppen entstanden wäre, ist zweifellos viel höher .anzuschlagen, als die Kosten, die dem Bunde aus dem hohen Solde der Bewachungstruppe entstanden sind. Wir glauben daher sagen zu dürfen, dass der Bundesrat richtig gehandelt hat, als er in der Besoldungsfrage der Bewachungstruppen einen ganzen Schritt tat.

5. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Regelung der Soldfrage für die Freiwilligen ihre Rückwirkung gehabt hat auf die Besoldung unserer Truppen überhaupt.

Zunächst musste schon aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit der gleiche Sold dem Personal der Armee und des Territorialdienstes gewährt werden, das dauernd bis zur vollständigen Demobilmachung noch im Dienste verbleiben musste.

(Bundesratsbeschluss vom 17. Januar 1919.)

Und im nämlichen Bundesratsbeschluss wurde aus ähnlichen Erwägungen den für den Ordnungs- und Ablösungsdienst aufgebotenen Truppen zu den durch Bundesratsbeschluss vom 6. April 1918 festgesetzten Soldansätzen ab 21. Januar 1919 folgende Soldzulagen bewilligt : Für Soldaten und Gefreite Fr. 2. -- ,, Unteroffiziere ' . . . ., 2.50 ,, Offiziere bis und mit Oberst . . . ., 3. -- 6. Wenn wir nun auch seit Ende Januar keine Truppen mehr für den Grenzdienst zu verwenden nötig hatten, so musste,

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wegen der dortigen unsichern Lage, in Zürich und Umgebung dauernd ein Infanterieregiment bereit gehalten werden. Im Juni glaubten wir auf diese Garnison verzichten zu können ; kaum war aber das Regiment fort, so ereigneten sich die bedauerlichen Unruhen vom 13./14. Juni, die den Regierungsrat des Kantons Zürich veranlasston, den Bundesrat neuerdings um Bereitstellung von Truppen zu bitten. Seither lagen in der Nähe von Zürich bis Ende August ständig ein Infanteriebataillon und eine Schwadron.

Dieser ausserordentliche Dienst wurde von den davon betroffenen Truppenteilen, namentlich in wirtschaftlicher Beziehung, als eine äusserst schwere Last empfunden. Wohl handelte es sich um einen Dienst, der in Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht zu leisten ist, aber er wog nach den langen Grenzdiensten und als ganz exzeptionelle Leistung doppelt schwer. Der Bundesrat konnte sich diesen Erwägungen nicht verschliessen und er hat darum durch Beschluss vom 29. April 19J9 den zum aktiven Dienst aufgebotenen Truppen Zulagen bewilligt, die ihren Sold auf die Höhe des Freiwilligensoldes brachten.

7. Und endlich sah der Bundesrat sich veranlasst, den besondern Verhältnissen, welche durch den langen Aktivdienst und die Teuerung geschaffen waren, auch für den Instruktionsdienst Rechnung zu tragen und zu bewilligen: Den Rekruten eine Zulage von 50 Rp., den Kadern eine solche von Fr. 2 (Bundesratsbeschlus.s vom 23. Juni 1919).

Das ist die Entwicklung der Soldverhältnisse seit der Mobilmachung vom August 1914.

B. Allgemeine Erwägungen.

Der Bundesrat betrachtet alle die Erhöhungen, die über die Ansätze des Beschlusses vom 6. April 1918 hinausgehen, als Zulagen, die bei Wiedereintritt normaler Verhältnisse wieder verschwinden müssen. Namentlich kann keine Rede davon sein, in Zukunft Soldansätze beizubehalten, die einem Durchschnittstaglohn gleichkommen. Ein derartiger Sold war berechtigt für die freiwilligen Bewachungstruppen, weil die Leute, die sich zu diesem Dienste freiwillig meldeten, so gestellt werden mussten, dass sie ihren und ihrer Familie Unterhalt bestreiten konnten. Sie dienen eben nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, sondern um des Soldes willen. Damit aber wird der Sold zum Lohn und darum muss er sich den allgemeinen Lohnverhältnissen anpassen.

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Anders bei Dienstleistungen, die auf Grund der gesetzlichen Dienstpflicht verlangt und erfüllt werden müssen. Denn hier handelt es sich um eine P f l i c h t des Bürgers dem Staate gegenüber, für deren Erfüllung ein voller Lohn im Sinne des bürgerlichen Lebens nicht verlangt, vorn Staate aber auch nicht gewährt werden kann.

Unsere militärische Organisation kennt übrigens nicht nur eine Dienstpflicht, sondern in erster Linie eine Wehrpflicht, die erfüllt wird entweder durch persönliche Leistung des Militärdienstes oder durch Zahlung der Militärsteuer. Würde nun der Dienstpflichtige für die persönliche Dienstleistung voll entschädigt, so müsste notgedrungen auch die Militärsteuerpflicht verschwinden oder zum mindesten auf eine ganz andere Basis gestellt werden.

Das alles ist ausgeschlossen. Solange wir unsere Milizarmee zum Schütze unseres Landes nötig haben, muss der Militärdienst als eine Pflicht aufgefasst werden, die der einzelne Wehrfähige im Interesse des Ganzen zu tragen hat, ohne Anspruch auf volle Entschädigung; der Nicht wehrfähige trägt seinen Teil an dieser Last durch Bezahlung der-Militärsteuer.

Würde von diesen Grundsätzen abgegangen, so würde das -- wir müssen dies ganz besonders betonen -- das Ende unseres Milizheeres bedeuten. Denn wenn jeder Dienstpflichtige eine dem durchschnittlichen Taglohn entsprechende Entschädigung erhalten sollte, so würden die Kosten unseres Wehrwesens so in die Höhe getrieben, dass das Land die daraus entstehende finanzielle Last nicht mehr zu tragen vermöchte.

Das ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus den finanziellen Konsequenzen der für dieses Jahr bewilligten Soldzulagen im Instruktionsdienst: trotzdem diese Zulagen den Sold bei weitem nicht auf die Höhe des durchschnittlichen Taglohnes bringen und trotzdem wir an Rekruten- und Kaderschulen nur einen kleinen Bruchteil des in normalen Jahren.Notwendigen abhalten, trotzdem endlich nicht ein einziger Wiederholungskurs stattfindet, betragen die Kosten dieser Zulagen schon weit über eine Million !

II.

Die Postulate Mosimann. und Graber.

Das Postulat Mosimann ersucht um Prüfung, ob nicht die Möglichkeit besteht, den Unteroffizieren und Soldaten, die mehr als 300 Diensttage während der Kriegsperiode hinter sich haben, eine Entschädigung, welche insbesondere einen Teil ihres Verdienstausfalles in sich schliesst, ausgerichtet werden könnte.

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Und das Postulat Graber verlangt Prüfung, auf welche Art und Weise den schweizerischen Wehrmännern, die in den mit dein 1. August 1914 beginnenden Zeitabschnitten mobilisiert worden sind, Entschädigungen ausgerichtet werden sollen. Dabei wird der Wunsch ausgesprochen, dass 1. der Zahl der Diensttage, 2. der wirtschaftlichen Lage der Beteiligten und 3. ihren Familienverhältm'ssen Rechnung getragen werde.

Und ausserdem wird Prüfung der Frage verlangt, in welcher Weise verhindert werden könnte, dass diese Wehrmänner ihr Wahlrecht infolge Rückstandes in der Zahlung der Steuern einbüsssn.

Schon aus den soeben am Schlüsse des vorangehenden Abschnittes gemachten Darlegungen ergibt sich, dass der Durchführung des den beiden Postulaten zugrunde liegenden Gedankens sehr schwere grundsätzliche Bedenken entgegenstehen. Beide verlangen eine ,,Entschädigung1- auf Grundlage des Verdienstausfalles. Wir halten eine derartige n a c h t r ä g l i c h e Entschädigung für so wenig gerechtfertigt als eine zukünftige.

In ihrer praktischen Durchführung aber müssten die Postulate auf ausserordentliche Schwierigkeiten stossen. Zur Prüfung des Verdienstausfalles und zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beteiligten und ihrer Familienverhältnissc müsste jeder Einzelfall besonders behandelt werden. Der Auszug allein hat aber eine Kontrollstärko von rund 200,000 Mann. Rechnet man noch dio Landwehr und den Landsturm hinzu und alle diejenigen, die erst während der Kriegszeit in die Armee eingetreten sind, so kann man sich ein Bild machen von der Zahl der zu behandelnden Fälle und von der Zeit und dem Personal und den Kosten, die erforderlich wären, um -- doch nicht zu einem befriedigenden Resultat zukommen. Zwar wären die administrativen Schwierigkeiten zu überwinden, gewiss, aber ebenso gewiss wäre, dass mit der Auszahlung der Entschädigungen erst begonnen werden könnte, wenn diese ihren Zweck schon längst verloren hätten.

Und ebenso gewiss wäre ferner, dass auch bei sorgfältigster, gewissenhaftester Arbeit Ungleichheiten nicht könnten vermieden werden. Auf der einen Seite würde wohl eine gewisse Befriedigung geschaffen, auf der ändern aber sicherlich eine Quelle neuer Unzufriedenheit geöffnet. Und würde es nicht manchem braven Wchrmanne direkt peinlich sein, heute nach Jahr und fag über seine ganzen Familien- und Verdienstverhältnisse Red und Antwort stehen zu müssen? Die ^Erfahrungen, insbesondere der

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Truppenkommandanten aus dem Gebiet der Notunterstützung, geben lehrreiche Fingerzeige hierfür; leider aber haben wir Erfahrungen aus dem gleichen Gebiet auch in anderer Richtung, die dartun, dass es eben immer Leute gibt, die sich nicht scheuen, durch unrichtige Angaben sich zum Nachteile des Staates zu bereichern. Sollen wir wirklich jetzt noch hintendrein alle diese Schwierigkeiten auslösen, heute, wo nach Jahren eine Kontrolle in tausenden von Fällen kaum mehr möglich ist?

In der vorgeschlagenen Form ist der Gedanke der beiden Postulate nicht durchführbar. Wollte man überhaupt etwas tun, so bliebe nichts übrig, als eine Vergütung zu gewähren im Verhältnis zu dem von jedem ein/einen geleisteten Dienst. Aber auch hier müssten sehr unangenehme Konsequenzen mit in Kauf genommen werden : viele Dienstpflichtige würden eine Entschädigung erhalten, die für sie weder angezeigt noch nötig wäre. Es ist auch gar nicht gesagt, dass derjenige, der mehr Dienst geleistet hat, eine Entschädigung eher nötig hätte, als ein anderer mit wenig Dienst. Bekanntlich haben eine sehr grosse Zahl von Leuten im Territorial- und im Etappendienst, bei den Fortiükationen, bei Stäben usw. jahrelang freiwilligen Dienst geleistet.

Sie fanden hierbei Verdienst und Auskommen. Sollen sie dafür nachträglich noch eine Extra-Entschädigung erhalten?

Vieles ist übrigens schon getan worden, um die ökonomischen und ändern Nachteile auszugleichen, die der Dienst zahlreichen Wehrmännern gebracht hat. Die Militärversicherung hat die erkrankten Wehrmänner, abgesehen von den Pensionen und der oft monatelangen Versorgung in Erholungsstationen, mit zirka 17 Millionen Franken unterstützt; der Winkelriedfonds hat eine weitere halbe Million beigesteuert. In Form der Notunterstützung hat der Bund annähernd 63 Millionen, die Kantone 21 Millionen an die Angehörigen der Wehrmänner ausgerichtet. Überdies haben während der Mobilmachung und auch nachträglich sehr viele Gemeinden und Arbeitgeber den mobilisierten Dienstpflichtigen für sich oder ihre Angehörigen Extravergütungen geleistet, die zum Teil recht ansehnliche Beträge erreichten. Eidgenössische und kantonale Beamte und Angestellte haben in vielen Fällen den ganzen Lohn, in ändern einen beträchtlichen Prozentsatz erhalten. Durch die Fürsorgeabteilung und die Nationalspende sind gegen 9 Millionen, durch die Frauenspende zirka l Million, durch das Soldatenwohl zirka 1,3 Millionen den Wehrmännern und ihren Familien zugeflossen.

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Wir dürfen also wohl ruhig sagen, dass denn doch zur Linderung des durch den Militärdienst verursachten ökonomischen Schadens sehr vieles getan worden ist, zugleich aber auch die Frage aufwerfen, wie alle die Bezüge aus den soeben erwähnten Organisationen bei der Durchführung eines der beiden Postulate anzurechnen wären.

Was endlich die finanzielle Seite der Sache anbelangt, so ist eine auch nur annähernde Berechnung beinahe unmöglich.

Wir wissen wohl, wie viele Diensttage die Einheiten geleistet haben, die Präsenzzeit des einzelnen Mannes aber müsste aus dem Dieristbüchlein oder vielleicht aus. den Korpskontrollen zusammengestellt werden. Die Einheiten als solche haben im allgemeinen 550--600 Tage Dienst geleistet, also würden für die Entschädigung nach Postulat Mosimann zirka 250--300 Tage pro Einheit in Betracht fallen. Bei 200.000 Mann, d. h. der ungefähren Kontrollstärke nur des Auszuges, würden sich somit 50--60 Millionen Diensttage ergeben, für die eine Entschädigung bezahlt werden müsste, sofern jeder Mann während des ganzen Dienstes bei seiner Einheit gestanden hätte. Schätzungsweise wird die über 300 Tage hinaus geleistete Anzahl von Diensttagen zum mindesten 40 Millionen betragen. Die Gesamtzahl aber der geleisteten Diensttage wird auf über 100 Millionen berechnet.

Daraus ergibt sich, welche Summen der Bund hintendrein auswerfen müsste, selbst wenn die tägliche Entschädigung eine sehr bescheidene wäre. Wird pro Tag nur ein Betrag ausgesetzt von z. B. Fr. 1.--, so kostet das den Bund nach Postulat Mosimann schon 40 Millionen, der einzelne aber erhält im Maximum Fr. 300.--. Wenn er durch den Aktivdienst in Not geraten ist und es ihm nicht möglich war, sich seither herauszuarbeiten, so wird ihm nach Jahr und Tag auch mit Fr. 300.-- nicht viel geholfen sein.

Wir glauben daher, dass die Durchführung der Postulate Mosimann und Graber den Bund finanziell übermässig belasten, dem einzelnen Bezugsberechtigten aber eine wirksame Hülfe doch nicht gewähren würde. Und wir meinen, dass der Bund, statt Millionen auszulegen für etwas, das zum Teil um Jahre zurückliegt, besser tut, seine finanziellen Kräfte zusammenzuhalten für die Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft.

Nach reiflicher erneuter Prüfung der ganzen Sachlage kommen wir daher zum Schlüsse, dass den Postulaten Mosimann und Graber keine weitere Folge zu geben ist.

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III.

Postulat Weber.

Herr Nationalrat Weber hat am 2. Juni folgendes Postulat eingereicht : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob die am 1. Mai 1919 vom Bundesrat in Kraft gesetzte Erhöhung des Soldes der Ordnungs- und Bewachungstruppen nicht auch rückwirkend Anwendung finden sollte auf die vom 8. Februar bis 19. April im Dienste gestandenen Mannschaften des InfanterieRegiments 33".

Es handelt sich um den Bundesratsbeschluss von 29. April 1919, von dem wir im ersten Teil unseres Berichtes unter Ziffer 6 gesprochen haben. Das Begiment 33 ist eines der Regimenter, die bis Anfang Juni in und bei Zürich im Dienste standen.

Als der Bundesratsbeschluss in Kraft trat (1. Mai 1919), war das Regiment 20 im Dienst und zwar bereits seit Slitte April. Der Bundesrat hat ein bestimmtes Datum wählen müssen, von dem ab der erhöhte Sold auszuzahlen war, er hat dazu den Beginn der seiner Beschlussfassung unmittelbar folgenden Soldperiode gewählt.

Das Postulat Weber verlangt nun Rückwirkung bis zum 8. Februar, d. h. bis zum Dienstbeginn des St. Galler Regiments 33 ; es liegen aber auch Gesuche vor um Rückwirkung zugunsten des Regiments, das vom November bis Mitte Januar in Zürich lag, d. h. des Regiments 19. Zwischenhinein befand sich noch das Regiment 34 in Zürich, das vorher --- parallel zur Dienstleistung des Regiments 19 -- an der Grenze gestanden hatte.

Es ergibt sich schon aus dieser Darlegung, wohin es führen muss, wenn derartige Beschlüsse über Soldansätze rückwirkend erklärt werden sollen. Wo ist die Schranke, an der dem Strom ein Halt geboten werden soll? Wer diesseits steht, wird befriedigt sein, wer jenseits bleibt, wird sich beklagen. Das kann aber nicht hindern, dass irgendwo eine Grenze gezogen wird, wenn anders man die Rückwirkung nicht ins Ungemessene ausdehnen will.

Im konkreten Falle hat der Bundesrat die Grenze da gezogen, wo es am natürlichsten war. Wir glauben, dass es hiebei sein Bewenden haben sollte.

712 IV.

Postulat Schöpfer.

Am 17. Juni haben Ständerat Schöpfer und Mitunterzeichner Folgendes Postulat eingereicht : ,,Im Interesse der Gerechtigkeit, der Billigkeit und der Gleichbehandlung wird der h. Bundesrat eingeladen, seinen Beschluss, wonach die unterm 5. November 1918 den Wehrmännern bewilligte Grippezulage den Einheiten, die im Sommer 1918 wegen der Grippe auch länger als normal haben Dienst leisten müssen, nicht zukommen soll, in Wiedererwägung zu ziehen und zu beschliessen : Der Bundesratsbeschluss vom 5. November 1918 wirke auf diejenigen Einheiten zurück, die im vergangenen Sommer während der 1. Grippezeit länger als 70 Tage im Ablösungsdienste zurückbehalten wurden".

Es handelt sich um folgendes : Im Sommer 1918 trat bekanntlich bei den damals im Dienste stehenden Truppen die Grippe in sehr starkem Masse auf. Sie wären nach den damals üblichen Normen über die Dauer der Ablösungsperioden in der ersten Hälfte August zur Entlassung gekommen. Es war aber zu befürchten, dass jede neu einrückende Truppe in gleicher Weise von der Seuche würde ergriffen werden.

In der Hoffnung, dass die Grippe abnehmen und daher durch ein Hinausschieben der Ablösung die neueinrückenden Truppen vor der Krankheit bewahrt werden können, haben Bundesrat und Armeeleitung sich entschlossen, die seit Ende Mai 1918 im Dienste stehenden Truppen bis auf weiteres noch unter den Fahnen zu behalten. Es wurde ihnen dafür zugesichert, die über die normale Dauer eines Ablösungsdienstes hinaus geleistete Dienstzeit auf künftige Ablösungsdienste ihnen doppelt anzurechnen, sie im nächsten Turnus der Ablösungsdienste eventuell ganz zu überspringen, sofern die Dienstverlängcrung einem halben normalen Ablösungsdiensfc gleichkommen sollte.

Es handelte sich im wesentlichen .um die Brigaden 6 und 14, d. h. das Solothurner Regiment 11, das Schützenregiment 12 und die Zürcher Regimenter 27 und 28, nebst verschiedenen Einheiten und Detachementen der Speziaiwaffen.

Ungefähr Mitte September fand alsdann die Ablösung statt.

Was wir gehofft, trat allerdings nicht ein : auch die neuen Truppen wurden von der Grippe sehr heftig angefallen. Als ihre Ablösung heranrückte, wiederholte sich das Nämliche wie im August.

Auch hier hofften wir durch ein Hinausschieben der Ablösung

713 die neu aufzubietenden Truppen vor der Krankheit bewahren zu können. Dagegen war es nun nicht mehr möglich, den Truppen eine doppelte Anrechnung des verlängerten Dienstes in Aussicht zu stellen, da unterdessen die Verhandlungen über den Waffenstillstand eingesetzt hatten und man somit annehmen durfte, dass die in Frage stehenden Truppen nicht noch einmal zum Ablösungsdienst werden einberufen werden müssen.

Es schien aber unerlässlich, ihnen für die Dienstverlängerung doch ein Äquivalent zu bieten; es wurde gefunden in der Ausrichtung einer Extrazulage -von Fr. 5 pro Mann und Tag, der sogenannten Grippezulage. Sie sollte ausbezahlt werden vom Tage an, da die Truppe normalerweise zur Entlassung gekommen wäre.

Der bezügliche Bundesratsbeschluss vom 5. November 1918 trat für einige Landwehrkompagnien, die schon am 17. Oktober hätten entlassen werden sollen, auf diesen Tag in Kraft; für die übrigen Truppen wurde er wirksam ab 30. Oktober in dem Sinne, dass der Armeestab für jeden einzelnen Truppenteil zu bestimmen hatte, von welchem Tage ab er zum Bezug der Zulage berechtigt war.

Der Zweck der Massnahmen wurde erreicht: die Truppe ertrug die Verlängerung ihres Dienstes infolge ihrer ökonomischen Besserstellung leichter, als wenn sie ohne irgendwelche besondere Leistung des Staates wäre zurückbehalten worden.

Bald aber wurden nun von verschiedenen Seiten und insbesondere von den interessierten Kantonsregierungen Schritte unternommen, um nachträglich die gleiche Vergünstigung auch für die Truppenteile zu erwirken, die im Sommer, ebenfalls um der Grippe willen, verlängerten Dienst hatten leisten müssen.

Der Bundesrat hat das stets abgelehnt.

Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass eine gewisse Parallele besteht zwischen der Dienstverlängerung im August und derjenigen im November. Aber wir glauben doch auf einen wesentlichen Unterschied aufmerksam machen zu müssen : Den Brigaden 6 und 14 wurde im Sommer eine finanzielle Besserstellung nicht in Aussicht gestellt. Man musste damals annehmen, dass der Krieg sich noch lange weiter hinziehen würde, wie er sich schon durch vier Jahre hindurch gezogen hatte. Demnach musste auch damit gerechnet werden, dass die in Frage stehenden Truppenteile im Turnus der Ablösungsdienste noch einmal an die Reihe kommen würden. Dann sollte ihnen der verlängerte und wegen der Grippe unter erschwerenden Verhältnissen geleistete Dienst doppelt angerechnet werden.

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Diese Voraussetzung ist nun nicht eingetroffen; die Solothurner, die Schützen und dio Zürcher von der Brigade 14 kamen im Ablösungsdienst nicht mehr an die Reihe. Wären sie noch einmal an dio Reihe gekommen und hätte ihnen dabei aus irgend einem Grunde die verlängerte Dienstzeit nicht doppelt angerechnet werden können, dann hätte sich zweifellos eine Entschädigung in anderer Form gerechtfertigt. So wie die Verhältnisse aber lagen, war es das unerwartet rasche Kriegsende, das die doppelte Anrechnung faktisch verunmüglichte. Weil der Grenzdienst für unsere Miliztruppen überhaupt dahintìel, liei für sie auch die doppelte Anrechnung dahin. Dafür eine besondere Entschädigung auszurichten, scheint uns nicht angängig.

Und auch der Umstand, dass bei völlig veränderter Kriegslage ändern Truppen im Herbst eine Entschädigung für verlängerte Dienstzeit in anderer Form gewährt worden ist, scheint uns kein genügender Grund zu sein, rückwirkend diese andere Form auch auf die Truppen zur Anwendung zu bringen, die im Sommer verlängerten Dienst hatten leisten müssen.

Die Kosten der Rückwirkung würden sich auf annähernd zwei Millionen belaufen.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass, wenn mit der Ruckwirkung einmal begonnen wird, es sehr schwer vorauszusehen ist, ob nicht noch andere Begehren um weitere Ausdehnung der Rückwirkung einlaufen.

Wir halten daher dafür, dass auch dem Postulat Schöpfer keine weitere Folge zu geben sei.

B e r n , den 5. September 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundcsrates, Der Vizepräsident: Motta, Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger,

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Soldfragen. (Vom 5.

September 1919.)

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