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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungs-gesuche (Herbstsession 1919).

(Vom 14. August 1919.)

31. Louis Mayor, geb. 1880, Handelsmann, Genf.

(Lebensmittelpolizei.)

Louis Mayor ist am 31. Juli 1918 von der I. Strafkammer des bernischen Obergerichtes, gestützt auf Artikel 3 der Verordnung vom 8. Mai 1914 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln «ad Gebrachsgegenständen in Verbindung mit den Artikeln 41 und 42 des gleichlautenden Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905, verurteilt worden zu Fr. 600 Busse.

Louis Mayor wurde im Jahre 1917 in verschiedenen Kantonen in Untersuchung gezogen wegen Verkäufen von Saccharintabletten mit nur 0,9 °/o reinem Süsstoff In der hier zu behandelnden Strafsache kommt ein Verkauf Mayors in Betracht vom 20. Juni 1917 an einen Drogisten im Berner Jura.

Mayor vertrieb offenbare Schwindelware, die im Sinne des Artikels 3 der Lebensmittelverordnung als Lebensmittel unter einer .zur Täuschung geeigneten Bezeichnung in den Verkehr gebracht wurde. Derartige Verkäufe unterstehen überdies, soweit sie nach dem 6. Juli 1917 erfolgten, dem Bundesratsbeschluss betreffend .künstliche Süsstoffe (A. S. n. P. XXXIII, 501), der als Mindestgehalt 20 °.'o des reinen Süsstoffes verlangt.

Aus den Akten ergibt sich bezüglich der verschiedenen Strafverfahren gegen Mayor, dass er .von der Cour de Justice civile des Kantons Genf am 9. Februar 1918 wegen wucherischen Aufkaufs und ungesetzlichen Verkaufs von Saccharintabletten verurteilt wurde zu Fr. 400 Busse. Eine fernere gleichzeitig eingeleitete Untersuchung im Kanton Wal lis wurde damals zugunsten des in Genf hängigen Verfahrens dahingestellt.

426 Gegen die hier iu Betracht kommende, Verurteilung durcit die I. Strafkammer des bernischen Obergerichtes, ergangen auf Appellation der Staatsanwaltschaft gegenüber einem erstinstanzlichen Freispruch, erhob Major Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht.

Die von Mayor angefochtene Auffassung des bernischen Obergerichtes ging, gestützt auf die Gerichtsatandsbestimmungen des Lebensmittelpolizeigesetzes, vou der Tatsache aus, dass die Genfer Behörden bei der Beurteilung am 9. Februar 1918 den im Berner Jura erfolgten ungesetzlichen Verkauf vom 20. Juni 1917 mangels Kenntnis nicht berücksichtigt hatten. Dies könne aber nicht dazu führen, diese Verfehlung straflos ausgehen zu lassen. Zweifellos, folgerte der bernische Gerichtshof, hätte sich bei Kenntnis dieser weitern Verfehlung der Geufer Richter veranlasst gesehen, im Strafmass höher zu gehen. Die Gesetzesübertretung im Kanton Bern habe noch nicht Gegenstand eines Strafverfahrens gebildet und könne deshalb vom Richter des Begehungsortes besonders beurteilt werden.

Der Kassationshof des schweizerischen Bundesgerichtes wies am 5. September 1918 die Beschwerde Mayors ab, hauptsächlich deshalb, weil keine res judicata vorliege. Dabei stellte der Kassutionshof fest, dass der bernische Gerichtshof wegen eines einzigen ungesetzlichen Verkaufes Fr. 600 Busse, während die Cour de Justice civile des Kantons Genf für gleichartige Vergehen, begangen in Genf und Wallis, und überdies wegen wucherischen Aufkaufs lediglieli eine Busse von Fr. 400 gesprochen hatte. Man könne sich deshalb fragen, ob der bernische Gerichtshof im Strafmass auf die Genfer Verurteilung Rücksicht genommen habe.

In seinem Begnadigungsgesuch um Herabsetzung bis zum Miudestmass nimmt Mayor Bezug auf die hiervor wiedergegebeue Vorgeschichte. Erneut bringt er an, er sei das Opfer gewissenloser Lieferanten, habe schlimmsten Falls fahrlässig gehandelt und lediglich unterlassen, die Ware vor dem Weiterverkauf auf den wirklichen Gehalt an reinem Süsstoff untersuchen zu lassen. Die weit strafbareren Lieferanten, ein gewisser Armbruster in Zürich und Suter in Ehrendingen, seien dagegen gerichtlich nicht behelligt worden.

Das Polizoigericlvt Neuenburg habe seinen guten Glauben in einem freisprechenden Entscheide durchaus anerkannt und das Bundesgericht lasse im vorliegenden Fall die Frage zum
mindesten offen..

Mayor sei sonst gut beleumdet, Familienvater, ohne Vermögen und beinahe erblindet. Seine durch die Zeitverhältnisse erschütterte Stellung sei aussichtslos. Man möge ihm deshalb entgegenkommen.

In den Akten befindet sich eine Vernehmlassung des eidgenössischen Gesundheitsamtes, das hervorhebt, die Kriegs verhält-

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nTsse hätten im Sacoharinhandel vielfach zu einer schamlosen Ausbeutung der Verbraucher geführt. Tabletten, wie sie von Mayor in den Verkehr gebracht wurden, sollen zum geringwertigsten dieser Erzeugnisse gehören. Es wird ferner ein Urteil aus dem Kanton Luzern erwähnt, wonach ein Kaufmann wegen Verkauf von minderwertigen-Saccharintabletten mit Fr. 1500 gebüsst wurde, und beantragt, Mayor abzuweisen.

Zwecks Beschaffung eines Polizeiberichtes über die persönlichen Verhältnisse May ors wurden Akten und Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf übermittelt. Diese stimmt dem Bericht und Antrag des Gesundheitsamtes im ganzen Umfange zu.

Anderseits sind nach dem Polizeiberieht die Angaben Mayors über sein Augenleiden richtig. Er soll in seiner Arbeitsfähigkeit stark behindert sein.

Mayor, der aus verschiedenen Untersuchungen bekannt ist, inuss, wie auch seine Beurteilung in Genf zeigt, als Accapareur betrachtet verden, der sich im Handel mit Saccharin schwere Verfehlungen zuschulden kommen liess. Die gegen ihn von der I, Strafkammer des bernischen Obergerichtes gesprochene Busse scheint uns auch unter Berücksichtigung seiner anderweiten Bestrafung nicht übersetzt.

Die Behauptung, seine Lieferanten habe man nicht behelligt, ist unrichtig., wie die Auszüge aus dem Strafenregister des eidgenössischen Zentralpolizeibureaus in Sachen Armbruster und Suter ergeben und überdies aus der im Antrag 32 hiernach behandelten Begnadigungssache desselben Suter hervorgeht.

Trotz den vorhandenen persönlichen Verhältnissen können wir uns deshalb nicht entschliessen, Mayor zur Begnadigung zu empfehlen.

A n t r a g : Abweisung.

32. Emil Suter, geb. 1875, Handelsmann, Unter -Ehrendingen C Aargau).

(Wucherische Machenschaften mit Saccharin.)

Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 2. Mai 1919 ein vom Bezirksgericht Baden gegen Emil Suter ergangenes Urteil, wonach Suter in Anwendung des Art. l, lit. d, des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916 betreffend die Verteuerung von Nahrungsmitteln und ändern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen (A. S. n. F. XXXII, 165) und des Bundesratsbeschlusses vom 6. Juli 1917 betrefl'end künstliche Süsstoffe (A. S. n. F. XXXIII, 501) zu vier Wochen Gefängnis und Fr. 500 Busse verurteilt wurde.

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Emil Suter hat im Laufe des Jahres 1917 in fortgesetzter Weise Saccharin zu Preisen, die den inländischen Marktpreis wesentlich überstiegen, aufgekauft. Zum grössten Teil arbeiteteer die Ware in Tabletten von geringerem Gehalt um, die er dann weiterverkaufte.

Die Geschäfte Suters mit Saccharin stehen im Zusammenhang mit einer Reihe Strafuntersuchungen wegen Saccharinwuchers, die im Jahre 1917 eingeleitet werden mussten. Die Ware wurde in der Regel in Detailgeschäften eingekauft, gesammelt und in grössern Posten in den Kettenhandel gebracht, bis sie schliesslich zu unerhörten Preisen wiederum bei einem Detaillisten oder bei einem Schmuggler landeten. Saccharin war damals sehr gesucht und knapp, da die ordentlichen Hersteller mangels Rohstoffen nicht immer genügend Tabletten beschaffen konnten. Vielfach wurde die Ware von Spekulanten verschlechtert zu übersetzten Preisen weitergegeben.

Für Suter wird um Brlass oder erhebliche Herabsetzung der Gefängnisstrafe und Busse ersucht.

Hierzu werden die von den aargauischen Strafgerichten stattgefundenen Verfahren bemängelt, in längeren Ausführungen die seinerzeitigen Anbringen der Beschwerde an das aargauische Obergericht wiederholt und als Kommiserationsgründe Krankheit und geringer Verdienst geltend gemacht. Für Einzelheiten verweisen wir auf das längere Gesuch und die Beilagen.

Das Bezirksgericht Baden beantragt in scharfen Worten, eine Begnadigung abzulehnen.

Vorab sei festgestellt, dass das Strafverfahren ordnungsgemäss durchgeführt wurde. Soweit für den Gesuchsteller die seinerzeitigen Beschwerdeanbringen wiederholt werden, genügt es in der Hauptsache, auf die Erwägungen des aargaischen Obergerichtes Bezug zu nehmen. Die allgemeine Kritik über die Verhältnisse im Saccharinhandel wird ohne Beweise vorgebracht und kann an sich nicht geeignet sein, die Machenschaften Suters zu entschuldigen.

Verwerflich bleibt namentlich auch die Verarbeitung des Saccharins zu minderwertigen Tabletten. Dass Suter zu Unrecht bestreitet, als Accapareur gehandelt zu haben, zeigt beispielsweise die Begriffsbestimmung des ,,Aufkaufens a im Urteil des Bundesgerichtes (Kassationshof) i. S. Franz Müller vom 3. Dezember 1918, wo als massgebend erachtet wird ,,der illegitime oder irreguläre Charakter des Geschäfts, der darin liegt, dass die Ware aus der normalen
Verteilungsorganisation herausgezogen wird". Das ist bei den hier vorliegenden Saccharinschiebereien und minderwertigen Umarbeitungen der Fall.

In der rechtlichen Würdigung befinden sich die Aargauergerichte im Einklang mit Urteilen aus ändern Kantonen, so mit

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Erlass dés eidgenössischen Alkoholgesetzes als zu niedrig angefochten worden. Ein, gemäss unserem Antrag vom 15. März 1901, das Minimum auf 10 Liter erhöhender Bundesbeschluss wurde aber am 25. Oktober 1903 bei geringer Beteiligung der Stimmberechtigten mit 228,094 gegen 156,777 Volksstimmen und mit 21 ablehneaden gegen 4 annehmende Ständestimmen abgelehnt.

Nur die vier Kantone Luzern, Freiburg, Graubünden und Wallis hatten annehmende Mehrheiten. Der Inhalt des verworfenen Beschlusses ist nun im Schosse der Bundesversammlung in erweitertem Umfange wieder aufgenommen (Postulat 787)*) und im August 1918 durch die Eingabe eines Revisionskomitees an den Bundesrat, freilich in der bisherigen Beschränkung auf die gegorenen Getränke, unterstützt und amendiert worden.

Das nächstliegend e wäre für uns das Zurückkommen auf unserri Antrag vom 15. März 1901 ; wir könnten dann zu dessen Begründung- uns einfach auf unsere damalige Botschaft beziehen.

Wir haben aber inzwischen die Überzeugung gewonnen, dass die Übelstäade, die am heutigen Stand der Dinge hauptsächlich beklagt werden, -- das Fehlen jeder Anzeigepflicht seitens der Klei n Verkäufer und damit die Unmöglichkeit jeder ernsthaften Kontrolle über sie -- durch die Erhöhung der Verkaufsgrenze von 2 auf 10 Liter schwerlich zum Verschwinden gebracht werden.

Wirkliche Abhülfe kann nur das Ausmerzen des ganzen Instituts bringen. Wir nehmen keinen Anstand, diese Ausmerzung1 im Zusammenhang mit unserer heutigen Vorlage zu empfehlen ; gibt doch diese durch die Ausdehnung der Bundeskompetenzen auf alle gebrannten Wasser dem Staate weit wirksamere Waffen gegen den Alkoholismus in die Hand als sie die Beibehaltung des Doppelliterartikels oder dessen Umgestaltung in einen Zehnliterartikel bieten könnte. Sollte Ihnen indessen die Erhöhung der bisherigen Grenze von 2 auf 10 Liter belieben, so schlagen wir zu Art. 31, lit. e, der Verfassung folgenden Beisatz vor : ,,Immerhin soll der Verkauf gegorener geistiger Getränke in Mengen von 10 oder mehr Liter ein freies, besondern Steuern nicht unterworfenes Gewerbe bleiben. a XII. Wir haben mit dem Gesagten den Kreis umschritten, in dem sicii die von uns befürworteten Neuerungen bewegen.

*) 26. September 1917. Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht Art. 32bi! der Bundesverfassung abgeändert werden sollte, um den freien Verkauf geistiger Getränke in Mengen unter 10 Litern zu verbieten.

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Es bleibt uns noch übrig, wenigstens in angenäherton Werten erkennen zu lassen, wie sich die beantragte Teilung des eidgenössisch erhobenen Fiskalertrags zwischen Bund und Kantonen gestaltet.

Wir schicken voraus, dass unseres Erachtens eine getrennte Verwaltung des heute noch bundessteuerfreien und des heute bereits bundessteuerpflichtigen Branntwein wesens verwaltungstechniscii nicht zweckmässig wäre, dass vielmehr, da die Regelung der beiden Gattungen gegenseitig bedingt ist, für das Gfanze die Einheitlichkeit der Verwaltung sich förmlich aufdrängt. Ebensowenig empfiehlt sich eine gesonderte Abrechnung über die bereits monopolisierten und die neu hinzutretenden gebrannten Wasser. Sie wäre einzig mit willkürlichen Annahmen durchführbar und in mehrfacher Hinsicht nicht ohne Grund dem Vorwurf der Künstelei ausgesetzt. Rationell ist nur die Zusammenfassung des Ertrags mit so oder anders bestimmten Maximen zur Verteilung zwischen Bund und Kantonen.

Die Aufstellung eines zuverlässigen Überschlags über den Ertrag eines alle gebrannten Wasser umfassenden eidgenössischen Fiskalgesetzes ist, namentlich nach der Seite der Ausgaben hin, zurzeit ein Ding der Unmöglichkeit. Einmal ist noch nicht zu übersehen, welche Bestimmungen das Ausführungsgesetz über die bis anhin monopolfreien Obstbranntweine enthalten wird und auf welche Mengen sie anzuwenden sein werden. Sodann aber sind durch die Weltwirren auch die Grundlagen des bestehenden Monopols in allerlei Betracht erschüttert worden, und ist heute noch nicht abzusehen, was die unabweisbar gewordene Neureglierung bringen kann. So ist vor allem nicht abgeklärt, welcher Teil des Bedarfs inskünftig durch die inländische Kartoffelbrennerei gedeckt werden soll. Die Meinungen schwanken zwischen der Abschaffung dieses Brennens und seiner Ausdehnung unter ändern, der reränderten Lage anzupassenden Bedingungen. Weiter ist nicht genügend überblickbar, welche Bedeutung die inländische Erzeugung von sogenanntem synthetischem Alkohol aus Kalziumkarbid, Sulfitlauge, Holzabfällen etc. inskünftig gewinnen kann. Alsdann hat sich durch die Kriegszeit der Gedanke befestigt, dass das zu Recht bestehende relativ niedrige Maximum der Monopolverkaufspreise für Trinksprit von Fr. 210 pro Hektoliter nicht mehr haltbar ist, es vielmehr ratsam erscheint, jedes gesetzliche Maximum
überhaupt fallen zu lassen und die Festsetzung der Trinkspritpreise dem freien Ermessen des Bundesrates anheimzustellen.

Der durch den Bundesratsbeschluss vom 10. Februar 1919 unter Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten festgestellte Abgabepreis für die kurrente Sorte (Feinsprit) beläuft sich pro

431 Mosch wurde in der Folge am 26. Dezember vom Amtsgericht Olten-Gösgen in Unkenntnis der Bezahlung von Fr. 60.30 verurteilt.

Mit dem Gesuchsteller und dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn halten wir dieses Ergebnis für ungewollt und beantragen ohne weiteres Erlass der Gefängnisstrafe.

Zu d. Für Gottfried Dolder schreibt die Ehefrau, sie seien durch Krankheit in eine bedrängte Lage gekommen und hätten' den geschuldeten Betrag unmöglich früher aufbringen können.

Mit Rücksicht auf die fünf noch nicht schulpflichtigen Kinder und da Dolder keine Vorstrafen aufweise, möge man entgegenkommen.

Fortan würden sie bestrebt sein, pünktlicher zu zahlen.

Nach dem Berieht des Polizeidepartements des Kantons Solothurn steht fest, dass Dolder unordentlich lebt und nur mangelhaft für seine Familie sorgt, weshalb wir wie das Polizeidepartement Solothurn die Begnadigung nicht befürworten können.

A n t r ä g e : Erlass der Strafen bei Strähl, Stalder. Mosch, Abweisung Dolders.

39. Anton Othmar Germ, geb. 1878, Kaufmann, zurzeit im Bezirksgefängnis Borgen (Zürich).

40. Hermann Guhl, geb. \ 890, Fabrikarbeiter zurzeit in Frankreich.

(Verbotener Nachrichtendienst) Das schweizerische Bundesgericht (Bundesstrafgericht) hat in Anwendung des Art. 5 der bundesrätlichen Verordnung betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 (A. S. n. F. XXX, 370), verurteilt : a. Anton Othmar Germ am 25. März 1919 zu sieben Monaten Gefängnis, abzüglich 135 Tage Untersuchungshaft, Fr. 1500 Busse und zwei Jahren Landesverweisung; b. Hermann Guhl am 19./20. November 1917 zu zwei Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft vom 6.--23. Juli 1917, Fr. 50 Busse und zwei Jahren Laudesverweisung.

Zu a. Der Ausländer Germ, in Laibach geboren und in Ägypten aufgewachsen, wurde kurz nach Kriegsausbruch in den österreichischen Kriegsdienst eingezogen und liess sich dann Bude 1916 für den österreichischen Nachrichtendienst anwerben, ohne aber in der Folge tätig zu sein. Dagegen bot er im Januar 1917 in der Schweiz seine Dienste dem französischen Nachrichtendienst Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IV.

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432 an, dem er als Agent bis zum Juui 1917 Dienste leistete. Vom März 1917 bis Ende Juni 1918 stand er überdies im Dienste der Gegenspionage für Frankreich, England und Italien und wirkte iu intensivster und erfolgreichster Weise. Er hat speziell über die deutsche Spionage-Organisation in Bern für die Entente wertvolle Erhebungen gemacht. Nach seinen Angaben betätigte er sich mindestens in 50 bis 60 Fällen und bezog monatlich bei Fr. 1600.

Germ, der zurzeit seine Gefängnisslrafe ersteht, ersucht im ganzen Umfang um Begnadigung. Er beteuert, dass die ausgesprochenen Strafen ihn zugrunde richten, namentlich soll die bevorstehende Landesverweisung ihn der Hinrichtung aussetzen, da er als Österreicher gegen die Zentralmächte tätig war. Er sei nicht vorbestraft und habe mit seinen Diensten lediglich Frankreich nützen wollen, das er als Vaterland betrachte.

Überdies beruft sich Germ auf seine Hochachtung für unser Land, seine freiwilligen Enthüllungen über die deutsche Spionngeorganisation und weitere Mitteilungen zuhanden der Behörden, die er gemacht haben will. Schliesslich schreibt er, seine Gesundheit sei angegriffen.

Wie sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen ergibt, hat der Gerichtshof, soweit MUderungsgründe in Betracht kommen, diese ausdrücklich gewürdigt. Wir beantragen deshalb, von dem bundesgerichtlichen Entscheid nicht abzugehen. Sollten die Befürchtungen Germs hinsichtlich seiner Ausschaffuna;O sich als beO gründet erweisen, wird es Sache der Vollzugsbehörden sein, entsprechend dem Wunsche Germs die Landesverweisung derart zu vollziehen, dass sein Leben nicht gefährdet wird.

Zu b. Hermann Guhl ist einer der deutschen Deserteure, die von dem Agenten Pricker im Laufe des Sommers 1917 nach Evian verbracht und dort der französischen Nachrichtenstelle zugeführt wurden. Guhl hat Fricker überdies einen weitem Deserteur vermittelt. Fricker ist bekannt aus dem zum Beschluss erhobenen Abweisungsantrag 55 des II. Berichtes für die Sommersession 1918 (Bundesbl. 1918, III, 19/20).

In einer Eingabe vom 20. April 1919, den Bundesbehörden Mitte Mai zur Kenntnis gelangt, ersucht Guhl, in jenem Zeilpunkt Zivilinternierter in einem französischen Sammellager, ihm und seiner Frau die Rückkehr nach Basel zu gewähren.

Guhl schreibt, im April 1917 sei er aus Besorgais für seine in Basel wohnhafte Familie,
dorthin desertiert, jedoch einige Wochen später dem Fricker ins Gorn gelaufen, ohne zu denken, dass er sich mit der Bekanntgabe seiner Kriegserlebnisse verfehle.

Nach erfolgter Verurteilung habe er sich dann vorgängig des Antrittes der Gefängnisstrafe nach Frankreich begeben, in

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der Meinung, aus der Schweiz ausgewiesen werde er später doch, und aus Furcht, dann an die deutsche Grenze gestellt zu werden.

Ein Mädchen hätten sie in Basel bei Verwandten zurückgelassen.

Dagegen sei die Frau ihm gefolgt, habe dann im Interniertenlager ein Kind geboren und, wie Guhl selbst, in der Internierung viel Schweres erleben müssen. Sie begehren nichts, als ihre Familie in Basel wieder vereinigt zu sehen und ihr leben zu können.

Demgegenüber ergibt sich im Hinblick auf die derzeitigen Verhältnisse in der Fremdenpolizei, dass 'Guhl, auch wenn ihm der Rest der im November zu Ende gehenden gerichtlichen Landesverweisung im Begnadigungswege erlassen würde, damit noch nicht die Zusicherung hätte, nach Basel zurückkehren zu können.

Der Entscheid hierüber ist vielmehr Sache der zur Erteilung der Einreisebewilligung zuständigen Behörden. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die Vernehmlassung des Polizeidepartementes des Kantons Basel Stadt. Das Polizeidepartement erklärt, sowohl der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit wegen, wie gemäss derzeitiger Praxis, vorbestrafte Refraktäre und Deserteure möglichst abzuschieben, dass es nicht genügend Veranlassung habe, Guhl nach Basel zurückkehren zu lassen.

Weitergehend halten wir überdies dafür, diese Verhältnisse in der Fremdenpolizei seien in Verbindung mit der erfolgten Verurteilung Grund genug, das Begnadigungsgesuch Guhls abzuweisen.

Wie in der früheren Begaadigungssaohe Malan (zu vergleichen Antrag 133 im IV. Bericht für die Sommersession 1919, Bundesbl. 1919, III, 457) sind auch hier die Interessen des Gesuchstellers gegenüber den allgemeinen Gesichtspunkten der Fremdenpolizoi abzuwägen.

Trotz der Schilderung der gewiss schweren Erlebnisse, die Guhl hinter sich hat, beantragen wir, das Gesuch um Erlass des Restes der Landesverweisung abzuweisen und den Fall den Behörden für Fremdenpolizei und Strafvollzug zu überlassen.

A n t r a g : Abweisung in beiden Fällen.

41. Walter Birchler, geb. 1893, Kaufmann, Bern, früher in Koblenz (Aargau).

(Ausfuhrschmuggel.)

Walter Birchler wurde am 2. April 1919 vom Bezirksgericht Zurzach (Aargau) gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot (A. S. n. F. XXXIV, 467) verurteilt zu vier Tagen Gefängnis und Fr. 500 Busse.

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Birchler war mit 19 ändern zu beurteilen wegen komplottmässigen Ausschmuggeins von Seife, Saccharin, Seidenstoff, Nähfaden, Gummiwaren, Uhren, wobei von den Hauptbeteiligten Fierz und Berner Waren im Werte von mindestens Fr. 8000 ausgeschwärzt und Fr. 5000 Reingewinn gemacht wurden.

In derselben Weise machten sich ein Eichenberger, Gersbach und der heutige Gesuchsteller Birchler schuldig, indem sie Waren im Betrage von Fr. 1755, Birchler ausserdem 200 Meter Gummiband im Werte von Fr. 210 ausschmuggelten. Ferner fällt diesen drei Beteiligten ein Schmuggelversuch von Waren im Betrage von Fr. 1302. 50 zur Last.

In dem für Birchler eingereichten Gesuch um gänzliche Begnadigung wird wie im gerichtlichen 'Verfahren die Meinung vertreten, die Versorgung des Landes mit den in Betracht kommenden Bedarfsgegenständen sei gesichert gewesen. Die Ausfuhrverbote werden mit den internationalen Verhältnissen in Zusammenhang gebracht, was auch ihre Übertretung erklärlicher mache. Den Schmuggel habe begünstigt, dass Birchler und die ändern, um zu ihren Arbeitsstätten zu 'gelangen, täglich die Grenze hätten überschreiten müssen. Birchler sei lediglich vorzuwerfen, dass er die von den Hauptbeteiligten Fierz und Berner eingeleiteten Geschäfte zu Ende geführt uud die vorhandenen Waren übernommen habe, als jene mit dem Schmuggel aufhören mussten.

Vom urteilenden Gericht seien diese Verumständungen allerdings allseitig gewürdigt worden, und Birchler würde seine Strafen im Bewusstsein der Schuld auch auf sich nehmen. Mit Rücksicht auf die Familienverhältnisse ersuche er jedoch um Begnadigung.

Seine Mutter habe vor einigen Wochen ihren zweiten Mann verloren und sei auf die Unterstützung des Sohnes angewiesen. Auch möge man der schwer geprüften Frau ersparen, ihreu Sohn itn Gefängnis zu wissen.

Im Hinblick auf die bestehenden Verhältnisse wird ferner erklärt, die Entrichtung der Busse sei unmöglich.

Demgegenüber ist in erster Linie festzustellen, dass es sich im Verhältnis zu ändern Fällen um milde Strafen handelt, was auch der Verfasser des Gesuches zugeben muss.

Birchler ist vorbestraft. Laut Auszug aus dem Zentral-Strafenregister wurde er am 21. November 1916 vom Divisionsgericht 5 a wegen Diebstahls zu sechs Monaten Gefängnis und l Jahr Ehrverlust verurteilt.

Er war vor nicht langer Zeit Angestellter der eidgenössischen Zentralstelle für Fremdenpolizei, gab aber Anlass zu seiner Entlassung. Wir halten dafür, er sei einer Begnadigung nicht würdig.

Antrag : Abweisung.

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42. Friedrich Schrecker, Käsehändler, Avenches (Waadt).

(Vorschriften über den Handel mit Käse.)

*

Friedrieh Schrecker wurde am 3. Januar 1919 von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle in Anwendung der Art. l und 6 des Bundesratsbeschlusses vom 25. August 1916 betreffend die Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten (A. S. n. F. XXXII, 316), der Art. 5 und 8 der Verfügung vom 31. Mai 1917 betreffend den Verkauf von Butter und Käse (A. S. n. F.

XXXIII, 329), der Art. 4 und 8 der Verfügung vom 28. Januar 1918 betreffend den Verkauf von Käse im Halbgross- und Kleinhandel (A. S. n. F. XXXIV, 163), der Art. 6 und 18 der Verfügung vom 14. Mai 1918 über die Käsekarte (A. S. n. F. XXXIV, 523) zu Fr. 5000 Busse verurteilt.

Friedrich Schrecker hat in grösserem Umfang einen unbefugten Handel mit Käse getrieben. Er kaufte bei ändern als der Genossenschaft schweizerischer Käseexportfirmen, überschritt bei seinen Verkäufen die Höchstpreise, verkaufte, ohne entsprechende Abschnitte der Käsekarte zu verlangen, und erzielte derart einen unrechtmässigen Gewinn von etwas über Fr. 2000.

Gegen den Entscheid der Strafkommission vom 3. Januar 1919 reichte Schrecker ein Wiedererwägungsgesuch ein, worauf ihm die Busse bis Fr. 3000 ermässigt wurde.

Aus dem nunmehr zwecks Herabsetzung der Busse bis zum Betrage von Fr. 500 eingereichten Begnadigungsgesuch ergibt sich, dass für Schrecker die Ausführungen des frühem Wiedererwägungsgesuches in ganzem Umfang wiederholt werden.

Die Anbringen Schreckers, die gekauften Käse seien miss-' ratene, von der Exportgenossenschaft zurückgewiesene Ware, und er habe vorgängig den Bestimmungen über die Käsekarte verkauft, sind gewürdigt worden.

Ferner wurde im Wiedererwägungsverfahven ausdrücklich in Betracht gezogen, dass Schrecker sich abgemüht habe, die Gläubiger aus seinem 1905 erfolgten Konkurs seither schadlos zu halten und dass der Gewinn aus dem Käsehandel seine Stellung noch nicht hergestellt habe. Dasselbe gilt hinsichtlich der Erklärung des Betreibungsamtes Avenches, laut welcher die Entrichtung einer derartigen Busse Schrecker erneut gefährde.

Wir nehmen deshalb in erster Linie Bezug auf den Wiedererwägungsentscheid vom 28. Februar 1919 und verweisen für Einzelheiten auf das Gesuch selbst.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Ernährungsamtes hält in seinem Mitbericht namentlich dafür, mit Rücksicht auf den

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unerlaubten Gewinn sollte auch bei weitgehendem Entgegenkommen nicht unter den Betrag von Fr. 2500 gegangen werden.

Wir übernehmen diesen Antrag, in Erwägung, dass nach der Aktenlage Schleichhandel und wucherische Machenschaften vorliegen und einer weitern Ermässigung auch der unerlaubte Gewinn von Fr. 2000 entgegensteht.

Immerhin sei erwähnt, dass das eidgenössische Milchamt sich seinerseits im Hinblick auf die Verhältnisse Schreckers für die Herabsetzung bis zu dem unerlaubten Gewinn von Fr. 2000 ausspricht.

Antrag: Herabsetzung bis Fr. 2500.

43. Mathäus Schneider, geb. 1863, Viehinspektor, Würenlingen (Aargau), 44. Josef Burger, geb. 1869, Metzger, Baden (Aargau).

(Bestimmungen über den Viehverkehr.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 13. April 1917 betreffend den Verkehr mit Vieh (A. S. n. F. XXXIII, 181), Bürger überdies gestützt auf die Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes betreffend Höchstpreise für Schlachtvieh usw. vom 29. Mai 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 585), sind verurteilt worden : a. Mathäus Schneider am 15. Februar 1919 vom Gerichtspräsidenten von Baden zu Fr. 20 Busse; .6. Josef Burger am 4. Dezember 1918 vom Bezirksgericht Zurzach zu Fr. 250 Busse.

Zu a. Der Viehinspektor Mathäus Sehneider hat einen Gesundheitsschein ausgestellt, ohne die Haltefrist zu bescheinigen (Art. 2 des Bundesratsbeschlusses).

Schneider ersucht um Erlass der Busse, da es sich lediglich um ein Versehen handle.

Aus demselben Grunde wird das Gesuch befürwortet vom Gerichtspräsidenten von Baden und anschliessend von der Abteilung Viehverkehr des eidgenössischen Ernährungsamtes. Dagegen beantragt grundsätzlich Abweisung das Generalsckretariat des Ernährungsamtes.

Frühere ähnliche Gesuche wurden abschlägig beschieden, da Kenntnis und Befolgung der betreffenden Vorschriften von den Yiehinspektoren verlangt werden müsse (zu vergleichen Antrag 38

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im I. Bericht für die Wintersession 1918, Bundesbl. 1918, IV, 677, und dortige Verweisungen). Besondere Begnadigungsgründe werden nicht geltend gemacht. Wir beantragen Abweisung.

Zu b. Josef Burger kaufte im Herbst 1918 zwei Ochsen ,,überhaupt11 statt auf Lebendgewicht und überschritt bei seinen Einkäufen die damaligen Höchstpreise.

In dem für Burger eingereichten Gesuch um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse werden die Höchstpreisüberschreitungen nicht bestritten. Jedoch wird gesagt, Vieh sei zu Höchstpreisen gar nicht erhältlich gewesen. Auch die eidgenössische Verkaufsstelle habe sich nicht daran gehalten. Unrichtigerweise sei Burger zudem schärfer bestraft worden als die Verkäufer, denen die Widerhandlungen in erster Linie zur Last gelegt werden müssten.

Das eidgenössische Ernährungsamt betont, dass Burger rückfällig ist, und hält dafür, dass im Gesuch lediglich die Einreden wiederholt werden, die in der Hauptsache schon das urteilende Gericht zurückgewiesen hat.

Wir verweisen überdies auf die Vernehmlassungen vom 24. März «nd 11. Juli 1919 und die Zuschriften des Ernährungsamtes an die Regierungen des Kantons Zürich vom 19. Juni und Bern vom 22. Juli 1919, ähnliche Fragen aus dem Frühjahr 1919 betreffend.

Eigentliche Begnadigungsgründe werden nicht angebracht. In Betracht kommen zwei Käufe aus dem Oktober letzten Jahres.

Burger ist vorbestraft. Von einer eigentlichen Notlage der Metzgersehaft, wie für Burger angebracht wird, kann nicht gesprochen werden. Das Ernährungsamt betont im Gegenteil, die Metzgerschaft hätte es in der Hand gehabt, durch gewissenhafte Einhaltung der Vorschriften von Anfang an die Viehpreise tiefer zu halten. Dies entspricht offenbar auch der damaligen Meinung der aargauischen Metzgerschaft, denn es ergibt sich bezeichnenderweise aus den Akten, dass Burger in der hier zur Behandlung stehenden Sache dem Richter von dem aargauischen Metzgermeisterverband verzeigt wurde. Aus all diesen Gründen beantragen wir Abweisung.

Anträge: Abweisung in beiden Fällen.

45. Walter Bögli, geb. 1886, Elektriker, Ölten (Solothurn) (Bestimmungen über den Fleischgenuss.)

Walter Bögli ist am 14. Mai 1919 vom Amtsgericht OltenGösgen gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 29. März 1919 betreffend weitere Einschränkungen des Fleischgenusses und der Schlachtungen (A. S. n. F. XXXV, 241) zu Fr. 20 Busse und

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Eine am 12. April vorgenommene polizeiliche Nachschau ergab, dass im Haushalte Bögli entgegen dem Verbot Fleisch gekocht wurde.

In dem von Frau Bögli eingereichten Begnadigungsgesuch wird die Busse als zu hoch bezeichnet. Es sei lediglich ein kleines Stück Speck gekocht worden. Ferner erscheine die erfolgte Nachschau gegenüber ändern als Sondermassnahme.

Die Behörden des Kantons Solothurn, bei denen das Gesuch eingereicht wurde, haben den letzteren Vorwurf bereits zurückgewiesen.

Das eidgenössische Ernährungsamt kann eine Begnadigung: nicht empfehlen, da mit der Busse von Fr. 20 offenbar den vorhandenen Verhältnissen Rechnung getragen worden sei.

Da erschwerende Verumständungen nicht in Betracht kommen und es sich um einen geringfügigen Fall handelt, beantragen wir Herabsetzung bis Fr. 10.

A n t r a g : Herabsetzung bis Fr. 10.

46. J. C. Klaus & Cie., Zürich.

(Vorschriften betreffend technische Fette.)

Die Firma J. C. Klaus und & Cie., Filiale Zürich, wurde am 13. März 1919 von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle, gestützt auf die Artikel 4 und 6 des Bundesratsbeschlusses vom 28. März 1918 betreffend die Versorgung des Landes mit technischen Fetten usw. (A; S. n. F. XXXIV, 387), verurteilt zu Fr. 300 Busse.

J. C. Klaus & Cie. machten am 10. August 1918 Angebote in Industrietalg, ohne Mitglieder des flLipostt gewesen zu sein.

(Zu vergleichen Artikel 3 der Verfügung vom 30. April 1918, A. S. n. F. XXXIV, 501.)

In dem Gesuche um Erlass der Busse wird wiederholt, die Firma sei durch die Kriegswirtschaft schwer geschädigt worden und habe die beanstandeten Offerten durchaus gutgläubig gestellt.

Ein Geschäft sei nicht zustande gekommen.

Beigefügt wird, der Gesellschafter J. C. Klaus sei seit mehr als einem Jahr schwer erkrankt und nur noch vermindert arbeitsfähig.

In den Akten befindet sich eine Vernehmlassung des Generalsekretariates des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in der hervorgehoben wird, daes im Begnadigungsgesuch neue An-

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bringen fehlen und den vorhandenen Verhältnissen im Strafentscheid Rechnung getragen wurde.

Wir übernehmen diese Meinung und beantragen Abweisung.

A n t r a g : Abweisung.

47. Jean Burri, Fabrikant, Münster (Bern).

(Vorschriften betr. Bestandesaufnahme von Benzin.)

Jean Burri wurde am 22. Mai 1919 von der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle in Anwendung der Verfügungen des Volkswirtschaftsdepartementes von 'o. und 5. September 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 714/715) betreffend Bestandesaufnahme und Höchstpreise von Benzin und Benzol usw. verurteilt zu einer Busse von Fr. 1000.

Burri hat am 12./14. Februar 1918 in sechs Fässern 1200 Liter Benzin über dem Höchstpreis gekauft. Eine Kontrolle vom 20. August 1918 ergab ferner, dass er anlässlich der Bestandesaufnahrae vom 3. September 1917 mehrere 100 Liter Benzin verheimlicht hatte.

In · dem für Burri eingereichten Begnadigungsgesuch vom 17. Juni 1919 werden in der Hauptsache bereits früher geltend gemachte Anbringen wiederholt. Widerspruchsvoll wird einmal behauptet, Burri habe seine Vorräte selbst nicht genau gekannt, an anderer Stelle dagegen zugegeben, er.habe zu der unrichtigen Angabe gegriffen aus Furcht vor sonstiger Beschlagnahme. Ferner wird Bezug genommen auf die nunmehrigen Verhältnisse in den Fabrikanlagen Burris. Die Akten ergeben, dass Burri sich mit der Herstellung von Munition befasste. Seine Anlagen sollen an Wert derart eingebüßt haben, dass er nunmehr in bedrängter Lage sei. Man möge ihm deshalb die Busse, namentlich da die betreffenden Vorschriften nun aufgehoben seien, erlassen oder weitgehend ermässigen. Für Einzelheiten wird überdies auf das Gesuch .selbst verwiesen.

Wir halten dafür, dass eigentliche Begnadigungsgründe nicht vorliegen und beantragen Abweisung.

A n t r a g : Abweisung.

48. Fritz Anderegg, geb. 1893, Postcommis, Frutigen (Bern), 49. Rudolf Egger, geb. 1891, Buchdrucker, Frutigen, 50. Ernst Millier, geb. 1896, Mechaniker, Frutigen,

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Hans Thomi, geb. 1895, Pierrist, Frutigen, Hans Thönen, geb. 1894, Koch, Frutigen, Ernst Thönen, geb. 1897, Koch, Frutigen, Hans Moser, geb. 1898, Mechaniker, Frutigen, Fritz Scheidegger, geb. 1901, Pierrist, Frutigen, Gotilieb Schärz, geb. 1895, Mechaniker, Frutigen, Hermann Bohny, geb. 1892, Hotelier, Kandersteg (Bern), Hans Marmet, geb. 1893, Lehrer, Frutigen, Friedrich Schiatti, geb. 1&79, Sekundarlehrer, Frutigen, Samuel Lienhardt, geb. 1894, Mechaniker, Frutigen, Fritz Brligger, geb. 1898, Mechaniker, Frutigen, Fritz Schärz, geb. 1892, Kaufmann, Spiez (Bern), Peter Marmet, geb. 1894, Lehrer, Frutigen, alles Mitglieder des Skiklubs Frutigen, 64. Hans Lienhardt, geb. 1890, Wirt, Frutigen, 65. Peter Schwerzmann, geb. 1865, Wirt, Niederlenz (Aargau), 66. Marie Hechler-Sandmeier, geb. 1863, Wirtin, Seengen (Aargau), 67. Bertha Kyburz, geb. 1868, Wirtin, Erlinsbach (Aargau), 68. Albert Bulliger, geb. 1874, Wirt, Buchs (Aargau), 69. Louise Larghi-Studer, geb. 1881, Wirtin, Wohlen (Aargau), 70. Andreas Burkhalter, geb. 1885, Wirt, Bassecourt (Bern), , 71. Gottfried Kohli, geb. 1861, gew. Wirt, Gstaad (Bern), jetzt Genf, 72. Marie Farine, geb. 1865, Wirtin, Courroux (Bern), 73. Adrien Berdat, geb. 1891, Wirt, Courroux (Bern).

(Massnahmen gegen die Grippe, Wirtschaftsschluss.)

Gestutzt auf die damaligen Bundesratsbeschlüsse betreffend Bekämpfung der Influenza vom 18. Juli 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 776), betreffend Laden- und Wirtschaftsschiusa vom 12. April 1918 ("A. S. n. F. XXXIV, 431), betreffend Massnahmen zur Einschränkung des Verbrauches an Brennmaterial und elektrischer Energie vom 12. Oktober 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 1028), kantonale Ausführungserlasse und besondere Wirtschaftspolizeibestimmuugen wurden verurteilt: a. Fritz Anderegg und weitere 15 hiervor unter Nr. 49--63 genannte Mitglieder des Skiklubs Frutigen am 3. März 1919 vom Polizeirichter von Frutigen je zu Fr. 30, Wirt Lienhardt zu Fr. 80 Busse (Bundesratsbeschluss vom 18. Juli und 12. Oktober 1918); l. Peter Schwerzmann am 12. und 28. März 1919 vom Gerichtspräsidenten von Lenzburg je zu Fr. 100 Busse (Bundesratsbeschluss vom 18. Juli und 12. Oktober 1918);

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e. Marie Hechlet-Sandmeier am 28. März 1919 vom Gerichtspräsidenten von Lenzburg zu Fr. 75 Busse (Bundesratsbeschluss vom 18. Juli 1918); d. Bertha Kyburz am 1. April 1919 vom Gerichtspräsidenten von Aarau zu Fr. 50 Busse (Bundesratsbeschluss vom 18. Juli 1918); e. Albert Bolliger am 1. April 1919 vom Gerichtspräsidenten von Aarau zu Fr. 60 Busse (Bundesratsbeschluss vom 12. Oktober 1918); /. Louise Larghi-Studer am 25. Februar 1919 vom Gerichtspräsidenten von Bremgartea zu Fr. 50 Busse (Bundesratsbeschluss vom 12. Oktober 1918) ; g. Andreas Burkhalter am 23. April 1919 vom Polizeirichter von Delsberg zu zwei Bussen von je Fr. 50 und Fr. 10 (Bundesratsbeschluss vom 12. Oktober 1918); h, Gottfried Kohli am 8. Mai 1919 vom Polizeirichter von Saaneu zu Fr. 50 Busse (Bundesratsbeschluss vom 12. Oktober 1918); i. Marie Farine am 15. Oktober 1918 zu Fr. 50 und 10 Busse (Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918); lt. Adrien Berdat am 15. Oktober 1918 zu Fr. 50 und 10 Busse (Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918), die letzten zwei vom Polizeirichter von Delsberg.

Zu a. Die hiervor (Nr. 48--63) genannten Mitglieder des Skiklubs Frutigen fassten an ihrem Klubabend vom 26. Januar 1919 in einer ausserordentlichen Sitzung den ßeschluss, den vorgesehenen Tanzanlass durchzuführen, trotzdem sie eine Tanzbewilligung nicht hatten erlangen können.

Wirt Lienhardt, der dieser Sitzung beiwohnte, lehnte jede Verantwortlichkeit aus dem Beschlüsse ab und liess dann tanzen bis gegen drei Uhr morgens.

In gemeinsamer Eingabe wird für die Mitglieder des Vereins um Erlass der Bussen oder Herabsetzung bis je Fr. 5, für den Wirt Lienhardt um Herabsetzung bis Fr. 20 ersucht. Hierfür werden die Verumständungen vorgängig der Übertretung geschildert, die Verurteilung zu Bussen ausdrücklich als gerechtfertigt anerkannt, dagegen das Gesamtergebnis des Urteils -- an Bussen insgesamt Fr. 560 und Fr. 102 Kosten -- als mit der Bedeutung der Verfehlung iu keinem Verhältnis stehend bezeichnet. Namentlich wird als hart empfunden, dass jeder einzelne als Angeschuldigter behandelt worden sei. Mit Rücksicht auf den guten Leumund, das Fehlen von Vorstrafen, dem teilweise geringen Verdienst möge man den meist jungen Leuten entgegenkommen.

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Aus den Akten, in denen die vorausgegangenen Ereignisse ausführlich dargestellt werden, ergibt sich zugunsten des Skikluba, dass der Gemeinderat Frutigen auf ein Gesuch um Tanzbewilligung am 20. Januar geantwortet hatte, er habe dagegen nichts einzuwenden, immerhin müsse, ,,sofern das Tanzverbot noch bestehe, die Erlaubais der Sanitätsdirektion vorbehalten werden". Beigefügt wurde, diese Bewilligung habe der Skiklub einzuholen.

Richtigerweise hätte der Gemeinderat schon damals wissen sollen, dass die Sanitätsdirektion des Kantons Bern lediglich ermächtigt war, auf amtliche Gesuche hin die Gemeinden, in denen die Epidemie erloschen oder doch ganz erheblich zurückgegangen war, von den Einschränkungen zu befreien.

Immerhin wusste der Präsident des Skiklubs bereits am 23. Januar, dass der Ausschuss des Gemeinderates mit Rücksicht auf die vorhandenen Krankheitsfälle ablehne, zurzeit die Aufhebung des Tanzverbotes von der Sanitätsdirektion zu erlangen.

Dass der urteilende Richter die Anstrengungen des Skiklubs, trotzdem eine Tanzbewilligung zu erlangen, die Einsendung eines Gesuches an die Sanitätsdirektion, die Abhaltung des Tanzes trotz des Bescheides der Kantonsbehörde als Starrköpfigkeit sondergleichen bezeichnet, erscheint begreiflich.

Entgegen dem Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes, der das Gesuch befürwortet, stellen die Sanitäts- und die Polizeidirektiou des Kantons Bern Abweisungsanträge. Die Sanitätsdirektion betont, einem Gesuch des Gemeinderates Frutigen um generelle Aufhebung des Tanzverbotes hätte in Anbetracht der damaligen Grippefälle in der Gemeinde unter keinen Umständen entsprochen werden können.

In den Akten befindet sich ferner eine Zuschrift von dritter Seite zugunsten der Gebüssten.

Die Akten verschaffen den Eindruck, die Gemeindebehörde hätte in dieser Angelegenheit eine klarere Stellung einnehmen können. Es darf den meist jungen Leuten zugute gehalten werden, dass nicht von Anfang an klipp und klar gesagt wurde, eine Tanzbewilligung falle nach den bestehenden Verhältnissen ausser Betracht..

Anderseits ist der Präsident des Vereins, der die Verhandlungen geführt hat und für den Entschluss des Vereins in erster Linie verantwortlich ist, strafbarer als die ändern.

Wirt Lienbardt schliesslich kannte das bestehende Tanzverbot. Er hat ferner üherwirtet und ist hierin vorbestraft.
Wir beantragen daher Abweisung des Gesuches soweit den Wirt Lienhardt und den Präsidenten des Vereins, Fritz Anderegg, betreffend, dagegen Herabsetzung der Bussen von Fr. 30 bis Fr. lt> bei den übrigen Mitgliedern des Skiklubs.

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Zu 6, c und d. Entgegen dem mit Rücksicht auf die Grippeepidemie bestehenden Tanzverbot haben Peter Schwerzmann in der Nacht vom 1./2. und 9./10. März 1919, Marie Hechler am 9. März und Bertha Kyburz am 2. Februar 1919 in ihren Wirtschaftsräumen tanzen lassen. Schwerzmann hat überdies an den beiden Abenden überwirtet.

In dem Gesuch um ganzen oder doch teilweisen Erlass der beiden Bussen wird für Peter Schwerzmann gesagt, der Turnverein der Ortschaft habe an jenen Abenden Vereinsaufführungen veranstaltet. Nach deren Schluss -sei von dem jungen Volk, das selbst Handorgeln mitgebracht' habe, entgegen allen Abmahnungen des Wirtes getanzt und trotz seiner Aufforderung das Lokal nach eingetretener Polizeistunde nicht verlassen worden. Die vorhandenen Verfehlungen werden nachdrücklich auf die Gäste zurückgeführt, denen gegenüber der Wirt sich nicht habe durchsetzen können.

Nach dem den Akten beigegebenen Berichte kommen ärmliche Verhältnisse nicht in Betracht. Schwerzmann ist wegen Widerhandlungen gegen die Wirtschaftspolizei vorbestraft. Das Gerichtspräsidium Lenzburg beantragt Abweisung.

Sowohl dem Gesuche Sehwerzmann wie den hiernach zu behandelnden Gesuchen Marie Hechler und Bertha Kyburz gegenüber nehmen wir Bezug auf einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 14. Juni 1919, lautend auf drei Tage Gefängnis und Fr. 800 Busse wegen ähnlicher Vergehen. Dieser Entscheid ist geeignet, über die Praxis der aargauisohen Gerichte in derartigen Widerhandluagsfällen Aufschluss zu geben. Es muss bei diesem Zuwiderhandeln gegen, das Tanzverbot festgehalten werden, dass das Verbot zur Grippebekämpfung erlassen wurde.

Für die Beurteilung des einzelnen Falles kommt ferner die Kenntnis der lokalen und persönlichen Verhältnisse in hohem Masse in Betracht.

Schwerzmann gegenüber ist der urteilende Richter dem Antrage der kantonalen Staatsanwaltschaft gefolgt und hat in beiden Fällen Bussen gesprochen, die wesentlich über das Mindestmass gehen. Mangels besonderer Kommiserationsgründe sehen wir davon ab, einen empfehlenden Antrag zu stellen.

Laut dem für die Witwe Hechler eingereichten Gesuch um Erlass oder weitgehende Herabsetzung der Busse hatte die Theater gesellsohaft des Ortes am 9. März 1919 in Verbindung mit einem Streichorchester eine Aufführung in der Turnhalle. Nach der Vorstellung begaben
sich Gesellschaft und Besucher in den ,,Bären"1, wo das Orchester noch einige Stücke aufspielte. Dabei sei es zum Tanze gekommen, obschon der Wirtssohn abgemahnt habe. Das Tanzverbot als vorsorgliche Massnahme gegen die Grippe wird nicht beanstandet, dagegen empfunden, dass die Vorschriften im

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Kanton Aargau sehr ungleich durchgeführt worden seien. Um die damalige Fastnachtszeit hätten die Polizeiorgane verschiedentlich davon abgesehen, dem Volkswillen entgegenzutreten.

Laut Akten kommen ärmliche Verhältnisse auch hier nicht in Betracht. Die Gesuchstellerin ist nicht vorbestraft. Das Gerichtspräsidium Lenzburg befürwortet hier den teilweisen Erlass der Busse.

Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Gesuchstellerin kann die Busse nicht als übermässig bezeichnet werden.

Wie im Falle Schwermann beantragen wir Abweisung.

Bertha Kyburz betreffend ergeben Akten und Gesuchsanbringen, dass am 2. Februar 1919 der Damenturnverein des Ortes seine Generalversammlung abhielt, worauf von den Töchtern und einigen Burschen getanzt wurde. Im Gesuch um weitgehende Herabsetzung der Busse wird die Verfehlung zugegeben, dagegen namentlich hervorgehoben, dass die Witwe Kyburz während ihrer langen Wirtschaftsführung keine Vorstrafen aufweise und ihr die Entrichtung der Busse in Anbetracht der vorhandenen Familienverhältnisse schwer falle.

Die in Frage stehende Verfehlung ist nach den Verumständungen harmloser, als in den Fällen Schwerzmann und Hechler hiev vor. Nach den amtlichen Berichten lebt die seit 1909 verwitwete Gesuchstellerin mit ihren Kindern in bescheidenen Verhältnissen. Die Erbschaft wurde damals von der Vormundschaftsbehörde für die Kinder ausgeschlagen, dagegen von der Witwe angetreten. Die Witwe Kyburz ist gut beleumdet, ohne Vorstrafen und auf den Erwerb aus ihrer Wirtschaft angewiesen. Wirbeantragen Herabsetzung bis Fr. 25.

Zu e f, ff und h. Die Witwe Louise Larghi-Studer überwirtete in der Nacht vom 1./2. Februar, Albert Bolliger am 11./12. März, Andreas Burkhalter am 2./3. und 16./17. März 1919, Gottfried Kohli am 15/16. Dezember 1918.

Die Witwe Larghi Studer wiederholt, sie habe den zwei Übersitzern nach Wirtschaftsschluss nichts mehr verabfolgt. Ihre mehrmaligen Mahnungen, aufzubrechen, seien fruchtlos gewesen. Man, möge ihr mindestens einen Teil der Busse erlassen, da es für eine Witwe mit Kindern zurzeit eine schwere Aufgabe sei, ein Wirtschaftsgewerbe zu führen.

Es handelt sich um bescheidene Verhältnisse. Vorstrafen kommen, soweit ersichtlich, nicht in Betracht. Dus Bezirksgericht Bremgarten empfiehlt teilweise Begnadigung. Wir beantragen Herabsetzung bis Fr. 20.

Albert Bolliger schreibt, die Busse sei im Hinblick auf seine bescheidenen Einkommensverhältnisse zu hoch und ersucht un% Herabsetzung.

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Die Justizdirektion des Kantons Aavgau beantragt ohno weitere Stellungnahme teilweise Begnadigung.

Da Bolliger wegen Widerhandlung gegen die Wirtschaftspolizei zweimal vorbestraft ist, beantragen wir Abweisung.

Andreas Burkhalter, der um ganzen oder doc'.i teilweisen Erlass der beiden je Fr. 50 betragenden Bussen ersusht, ist laut Gesuch und amtlichen Berichten mit seinem Wirtschaftsgewerbe schlecht gefahren. Burkhalter verweist darauf, dass er die Wirtschaftsführung Ende März habe aufgeben müssen und zurzeit über keine Hülfsmittel verfüge. Er sei Vater von drei unerzogenen Kindern.

Der Gemeinderat von Bassecourt bestätigt, dass Burkhalter die Bussen kaum aufbringen werde. Mit der Direktion des Innern und der Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen wir im Hinblick auf die misslichen Verhältnisse des Gesuchstellers Herabi setzung der beiden Bussen von je Fr. 50 bis je Fr. 25. Für die Würdigung der Begnadigungssache fällt ausser Betracht eine dritte Busse im Betrage von Fr. 10, gestützt auf kantonale Wirtschaftspolizeivorschriften, der gegenüber Burkhalter auch keinen Antrag stellt.

Für Gottfried Kohli wird namentlich angebracht, es sei in der Gemeinde allgemein bekannt, dass er schon damals ein schwerkranker Mann gewesen, der dem Wirtschaftsgewerbe nicht mehr selbst habe vorstehen können. Die Übertretung müsse seinen Angestellten zugeschrieben werden. Kohli sei schlecht gefahren und nur die zufällige Möglichkeit, verkaufen zu können, habe ihm wieder etwas aufgeholfen. Er sei nicht mehr Wirt, zurzeit in Genf, ohne Arbeit, und die Busse falle ihm schwer.

Wie sich aus den Akten ergibt, entsprechen diese Angaben den Tatsachen, immerhin beantragen wir entgegen dem Gesuch nicht den ganzen Erlass, sondern in Zustimmung zu der Direktion des Innern und der Polizeidirektion des Kantons Bern Herabsetzung bis Fr. 20.

Zu i und k. Zu den Gesuchen der Witwe Marie Farine und des Adrien Berdat, beide in Courroux, bemerken wir, dass den Bussentscheiden die aus früheren Gesuchen bekannten Vorfälle anlässlich des Jahresfestes der Gemeinde zugrunde liegen. Wir begnügen uns deshalb, auf die An trago in Sachen Villat und Berdat, Nrn. 100 und 101 des dritten Berichtes für die Sommersession 1919 (Bundesbl. 1919, II, 197/198) zu verweisen und im Anschluss an die von der Bundesversammlung zum Beschluss erhobenen
früheren Anträge nuch in den heutigen Fällen Herabsetzung bis je Fr. 30 zu beantragen.

A n t r a g e : Abweisung Hans Lienhardls und Fritz Andereggs,.

Herabsetzung der Bussen von Fr. 30 bis Fr. 10 bei den übrigen

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Mitgliedern des Skiklubs (Nrn. 49--63), Abweisung Schwerzmanns, der Witwe Hechler, Herabsetzung bis Fr. 25 bei Bertha Kyburz, bis Fr. 20 bei Louise Larghi, Abweisung Belligera, Herabsetzung der beiden Bussen von je Fr. 50 bis je Fr. 25 bei Burkhalter, Herabsetzung bis Fr. 20 bei Kohli, bis je Fr. 30 bei Marie Farine und Berdat.

74. Simeon Frei, geb. 1882, Fabrikarbeiter, Regensdorf (Zürich) (Forstpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 und die abändernden Bundesratsbeschlüsse betreffend Überwachung der Holznutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen vom 23. Februar 1917 (A. S. n. F. XKXIII, 87) und betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen vom 20. April 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 212) wurde Simeon Frei am 18. März 1919 vom Statthalteramt Dielsdorf verurteilt zu Fr. 200 Busse.

Frei hat annähernd 15 Aren Wald mit einem Holzertrag von etwa 20 Festmetern ohne behördliche Bewilligung kahl geschlagen.

Im Gesuch um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse wird gesagt, der damalige Käufer des Holzes, ein Gemeindepräsident, habe erklärt, eine Schlagbewilligung sei kaum nötig.

Frei wiederholt hier Anbringen, die in der Untersuchung von seinem Käufer zurückgewiesen worden sind. Ferner wird ausgeführt, der Förster der Gegend habe erst nach der Fällung auf die Unterlassung aufmerksam gemacht, wonach von Frei ein nachträgliches Gesuch gestellt, dieses aber abgewiesen worden sei.

Frei habe aus finanzieller Bedrängnis im Jahre 1917 sein kleines landwirtschaftliches Heimwesen bis auf das Stück Wald verkauft.

Mit seinem Verdienst als Handlanger müsse er den Unterhalt für sich, eine Haushälterin und vier kleine Kinder bestreiten. Er könne unter diesen Umständen unmöglich etwas beisei'.e legen, um die Busse allmählich zu bezahlen.

Die Angaben des Gesuches über die Familienverhältnisse Preis werden in einem Bericht der Justizdirektion des Kantons Zürich bestätigt. Frei lebt mit seinen Kindern in ärmlichen Verhältnissen, im Herbst 1918 ist ihm die Frau gestorben. Er ist nicht vorbestraft und wird als durchaus rechtschaffener Mann bezeichnet.

Das Statthalteramt Dielsdorf, die zUrcherische Justizdirektion, die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei befürworten sämtliche Begnadigung.

Nach Überprüfung der Akten und der überzeugenden VorBerichte beantragen wir, die Busse zu erlassen.

A n t r a g : Erlass der Bussen.

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^5. Alfred Hirschi, geb. 1883, Architekt, Frutigen (Bera).

76. Bernhard Saladin, geb. 1902, Fabrikarbeiter, St. Pantaleon (Solothurn).

77. Jakob Rupp, geb. 1876, Landwirt, Valens (St. Gallen).

Gestutzt auf das Bundesgesetz (Jagd und Vogelschutz) vom '24. Juni 1904 sind verurteilt worden: a. Alfred Hirschi am 12. April 1919 vom Polizeirichter von Frutigen in Anwendung der Art. 21, Ziffer 3, lit. b, Art. 23, Ziffer 2, und Art. 26 zu Fr. 140 Busse und Entzug resp.

Verweigerung der Jagdberechtigung für die Dauer von drei Jahren ; ·b. Bernhard Saladin am 22. Mai 1919 vom Amtsgericht.

Dorneck-Thierstein in Anwendung der Art. 6, lit. d, Art. 21, Ziffer 4, lit. a, und kantonaler Bestimmungen zu Fr. 50 Busse.

c. Jakob Rupp am 26. Dezember 1914 vom Bezirksamt Sargans in Anwendung der Art. 21, Ziffer 4, lit. a, und kantonaler Bestimmungen zu Fr. 50 Busse.

Zu a. Laut Geständnis hat Alfred Hirschi einen Bannbezirk 'betreten, in der Absicht, Füchse zu jagen.

Entsprechend ständiger Rechtssprechung hielt der urteilende Richter mit diesem waidmännischen Aufsuchen von Wild den Begriff des Jagens für gegeben.

In dem für Hirschi zwecks Aufhebung des Jagdberechtigungsentzuges eingereichten Begnadigungsgesuch wird gesagt, Hirschi, damals infolge der flauen Geschäftslage im Baufach grösstenteils ohne Beschäftigung, sei der Jagdleidenschaft erlegen. Als er beim Aufstieg die Anwesenheit des Wildhüters bemerkt habe, sei er nicht geflohen, sondern habe sich im Bewusstsein seines Fehltrittes ohne weiteres dem Wildhüter gestellt. Im Anschluss werden die Vorstrafen und die ihnen zugrunde liegenden Tatbestände bekanntgegeben, um darzutun, dass Hirschi kein Wilderer sei.

In den Akten befinden sich ferner eine Bescheinigung vom Gerichtspräsidenten von Frutigen und eine Eingabe des Vereins der Patentjäger der Umgegend, die letzteres bestätigen.

Die Forstdireklion, die Polizeidirektion des Kantons Bern, die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen Herabsetzung des Jagdberechtigungsentzuges von drei bis zu zwei Jahren. Dabei wird festgestellt, dass Hirschi mit Rücksicht auf andere ähnliche Fälle hierin nicht gänzlich begnadigt werden sollte, dass es sich dagegen nicht um schwer wiegend^ Verumständungen handle.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IV.

32

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Im Anschluss an diese Stellungnahmen beantragen wir teilweise Begnadigung durch Herabsetzung des Jagdberechtigungsentzuges von drei auf zwei Jahre.

Zu b. Der siebzehnjährige Bernhard Saladin hat am Palmsonntag in Begleitung dreier Knaben mit einem Flobert ausgerüstet gejagt. Als er angetroffen wurde, hatte er bereits ein Eichhörnchen geschossen.

In dem vom Vater des Bestraften eingereichten Gesuch um Herabsetzung der Busse wird, wie im gerichtlichen Verfahren, gesagt, der junge Saladin habe die Waffe an jenem Tage in Liestal gekauft und auf dem Heimwege nach dem Eichhörnchen geschossen, ohne sich die Folgen zu überlegen. Da der Vater die Busse aufbringen müsse, möge man mit Rücksicht auf seine neun Kinder, den Verlust der Frau durch die Grippe und die schweren Zeiten entgegenkommen.

Laut amtlichem Berichte befindet sich Vater Saladin, der Landwirtschaft treibt und dem seine Söhne schön verdienen, nicht in ungünstiger Lage. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält dafür, die Bussenminima des Jagdgesetzes seien unter den gegenwärtigen Verhältnissen derart niedrig, dass ohne zwingende Gründe eine Busse nicht erlassen werden sollte. Es dürfe dem Vater des Gebüssten zugemutet werden, für die Busse aufzukommen.

Wie aus den Urteilserwägungen ersichtlich ist, empfiehlt das Amtsgericht Dorneck-Thierstein eine Milderung der Busse namentlich im Hinblick auf das jugendliche Alter und das sofortige Geständnis des Täters.

In der Meinung, es sei in erster Linie auszugehen von den Verhältnissen des Täters und den Verumständungen der Verfehlung können wir im Anschluss früherer Fälle die Herabsetzung bis Fr. 30 beantragen.

Zu c. Jakob Rupp ist mit einem ersten Begnadigungsgesuch in der Sommersession 1916 entsprechend dem Antrage des Bundesrates abgewiesen worden. Wir verweisen auf den Antrag 20 des I. Berichts, Bundesbl. 1916, II, 670/671.

Rupp ersucht erneut um Erlass.

Es ergibt sich aus dem Bericht des Bezirksamtes Sargans einerseits, dass Rupp inzwischen Fr. 10 an die Busse entrichtet hat, anderseits, dass er infolge der dauernden Erkrankung, verminderten Arbeitsfähigkeit und schweren Familienlasten offen^ sichtlich grosse Mühe hat, die Schuld zu begleichen.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt mit Rücksicht auf die nunmherigen Verhältnisse Herabsetzung bis Fr, 20.

449

Da neue Verumständungen in Betracht kommen, beantragen wir Eintreten und Herabsetzung der Reststrafe von Fr. 40 bis Fr. 5.

A n t r ä g e : Für Hirschi Herabsetzung des Jagdberechtigungsentzuges von drei auf zwei Jahre. Herabsetzung der Busse bei Saladin bis Fr. 30 und bei Rupp bis Fr. 5.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. August 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Für den Bundespräsidenten: Hüller.

Der Kanzler .der Eidgenossenschaft:

Steiger.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Herbstsession 1919). (Vom 14. August 1919.)

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