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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am Montag 24. März 1919, nachmittags 4 Uhr, zur Fortsetzung der Januartagung zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Präsident H. Häberlin die Sitzung mit folgenden Worten: Meine Herren Nationalräte!

Wie rasch auch unsere Sessionen aufeinander folgen mögen, Schnitter Tod hält mit uns Schritt und fordert seinen Tribut von unserer Versammlung. In der kurzen Spanne Zeit, die uns von der Februartagung trennt, hat er zwei werte Kollegen aus unserer Mitte abberufen.

Anfangs Februar schon wurde unser Kollege, Herr Alwin Weber von Menziken, den wir alle nur als urkräftigen Mann in seiner vollen Blüte im Gedächtnis haben, vom Schlage getroffen ; or sollte sich nicht mehr erholen und wurde am 26. Februar in Luzern im Alter von 62 Jahren dahingerafft. Es war das allzu vollgerüttelte Mass von Arbeit, das der Verstorbene sich selbst zugemessen hatte, was sich an ihm rächte. Herr Oberst Weber -- so wurde er wohl am liebsten genannt -- gehörte unserm Kate seit mehr denn zwanzig Jahren an. Er hatte nicht den Ehrgeiz, häufig zu sprechen, auch nicht alles anzuhören. Wo er aber von der Wichtigkeit und eidgenössischen Bedeutung einer Sache überzeugt war, konnte man manchmal mit Überraschung feststellen, wie dieser stille Zuhörer sich auch über Detailfragen rasch ein klares und gründliches Urteil gebildet hatte und wie er beflissen war, wo ihm die vollständige Überzeugung fehlte, sich das Bild durch Besprechung mit den Männern vom Fache zu ergänzen. Wo er selbst vom Fache war, speziell in industriellen und militärischen Fragen, hat er durch ruhige, stets «achliche Ausführungen überzeugend gewirkt; seine Mitarbeit in den Kommissionen war eine sorgfältige. Am meisten hat ihn in der letzten Zeit von den eidgenössischen Fragen wohl die Tabakbesteuerung interessiert. Er hat hier mit offenem Visier die Interessen seiner Landesgegend durch Bekämpfung des Tabakmonopols gewahrt, ist aber anderseits loyal für die Tabaksteuer

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eingestanden. Parteipolitisch war Herr Weber ein zuverlässiges Mitglied der radikalen Gruppe, kein Heisssporn, aber auch kein Schieler. Die Eidgenossenschaft hat in ihm auch einen tüchtigen Offizier verloren. Von Kameraden habe ich mir sagen lassen, dass er auch hier, abhold jedem blendenden Firlefanz, kurz und bündig seine Befehle gegeben habe, an die man sich halten konnte, und dass er auch hier durch einfaches, schlichtes Wesen sich die hohe Achtung seiner Truppe erworben habe. Er kommandierte zuletzt, bis 1915, die Landwehrbrigade 22.

Der Heimatkanton Aargau, dessen Grossem Rate er während 25 Jahren angehörte, verliert in Herrn Oberst Weber einen hervorragenden Arbeiter, die Industrie seiner engern Region einen initiativen Bahnbrecher.

Am 11. März folgte dem Aargauer Kollegen der 70jährige Luzerner Vertreter, Herr Dominik Fellmann. Nicht so unerwartet kam diese Nachricht. Er fehlte bereits in der Februarsession und Schmerzenszüge traten schon früher dem aufmerksamen Beobachter aus seinem Gesichte entgegen, Lügen gestraft nur durch den lebhaften Blick und die sich gegen die schleichende Krankheit auf bäximende, dem Verstorbenen eigene Energie. Auch Herr Fellmann war kein Vielredner im Rate, was nicht hinderte, dass er an der aktiven Politik regen Anteil nahm und vor allem bei seinen Parteigenossen von der konservativ-katholischen Fraktion verdientes Ansehen genoss. Er brachte in den Rat eine reiche Erfahrung als kantonaler Beamter mit sich, die er seit dem Jahre 1894 so in den Dienst der Eidgenossenschaft stellte. Seine Wurzeln hatte er in der luzernischen Bauernsame, aus der er hervorgegangen, deren politischer und administrativer Führer er während Jahrzehnten gewesen ist und deren unbedingtes Vertrauen er bis zu seinem Ende genossen hat. Der Amtsstatthalter von Sursee hat selbstverständlich auch im luzernischen Grossen ßate, den er zweimal präsidierte, eine einflussreiche Rolle gespielt. Wenn er in der Heimat als langjähriger kantonaler Parteipräsident naturgemäss eine ausgesprochenere parteipolitische Note hervorgekehrt haben mag, hier in Bern war er auch dem Andersdenkenden gegenüber der sympathische Kollege, mit dem man gern über diese oder jene Lebenserfahrung Gedankenaustausch pflegte.

Meine Herren Nationalräte, ich lade Sie ein, sich zu Ehren der beiden verstorbenen Kollegen von Ihren Sitzen zu erheben

Bundeablatt. 71. Jahrg. Bd. I.

526 Im S t ä n d e rat hielt Herr Präsident Dr. Brttgger folgende Eröffnungsansprache : Meine Herren Ständeräte!

Nur fünf Wochen sind seit der letzten Tagung der Bundesversammlung verflossen, und zwei Mitglieder des Nationalrates kehren nicht mehr zu uns zurück.

Am 26. Februar 1919 starb in Luzern im Sanatorium ,,Sonn·matt" Nationalrat Oberst A l w i n W e b e r - F r e y nach kurzer Krankheit, die von einem Schlaganfall ihren Ausgang genommen.

Weber war geboren am 12. Juli 1857 in seiner Heimatgemeinde Menziken, wo er die Primarschule besuchte. Nachher kam er an die Bezirksschule in Reinach, dann zur Erlernung der französischen Sprache nach Yverdon. Dann trat er ins praktische kaufmännische Leben und war in verschiedenen Geschäften in Menziken, Zürich und'Chur tätig. Im Jahre 1895 kehrte Weber mit seiner Familie wieder in seine Heimatgemeinde zurück und gründete daselbst die Riemenfabrik Menziken, die er zu hoher Blüte brachte. Geschäftlich gewandt wie er war und angesehen trat er bald in das öffentliche Leben seiner Heimatgemeinde und seines Heimatkantons ein. Seit 25 Jahren gehörte Weber dem Grossen Rate von Aargau an, seit über 20 Jahren dem schweizerischen Nationalrat. Um seine engere Heimat besonders hat sich Weber hoch verdient gemacht in allen öffentlichen und in allen volkswirtschaftlichen Fragen und Angelegenheiten, welche dieselbe näher berührten.

Im Militär stieg Weber auf der hierarchischen Stufenleiter bis zum Brigadekommandanten. Er kommandierte als Major das Füsilierbataillon 55, dann als Oberstleutnant das Regiment 19, dann als Oberst die Landwehrinfanteriebrigade 22, deren Kommando er bis zum Jahre 1915 führte.

Weber war eine tätige, unermüdliche Arbeitsnatur, herausgewachsen aus eigener Kraft. Von Charakter war er grad und bescheiden und deswegen überall beliebt, im Geschäftsleben, im Ratssaale, im Militär. Überall in seinen verschiedenen Stellungen zeigte er sich tüchtig und rasch eingelebt, ein Mann des klaren gesunden Menschenverstandes, der mit demselben und mit seinem Fleisse es zu hohen Fihren und zu Ansehen gebracht hat.

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Am 11. März 1919 starb nach längerer Krankheit in Sursee Nationalrat D o m i n i k F e l l m a n n .

Er war geboren im Jahre 1849 auf dem grossen Bauernhof ,,Weiberlist" in Oberkirch am Sempachersee. Sein Vater war luzernischer Grossbauer, der in den stürmischen Zeiten nach dem Sonderbundskrieg als Mitglied des Grossen Rates tätigen Anteil an der Politik nahm, aber 1861 schon starb, eine Witwe mit 6 Söhnen und 2 Töchtern blieb zurück. Dominik war, damals erst 12jährig, das älteste der 8 Geschwister, die unter dem Auge ihrer tüchtigen Mutter auf dem Hofe ,,Weiberlist11 aufwuchsen, alles stämmige Sprossen aus Luzerner Bauerngrund. Einer davon ist heute Abt des Benediktinerklosters Engelberg, einer Pfarrherr in Oberkirch, einer war Luzerner Regierungsrat und ist heute Rigibahndirektor, einer bewirtschaftet das väterliche Erbgut und ist Vizepräsident des Amtsgerichtes Sursee, und einer endlich war der schon berühmt gewordene aber leider zu früh verstorbene Historienmaler Alois Fellmann.

Der junge Domini, wie er im Lande hiess, war sehr geweckt und intelligent, aber höhere Schulen konnte er nicht besuchen, mit der Sekundärschule war sein ,,Studium11 fertig. Was aber die Schulbank nicht gab, das gab seinem klaren scharfen Verstande das Leben und eigenes Studieren und Lernen.

Schon 1871 wurde der junge Fellmann Gemeindepräsident von Oberkirch. Er war zur Zeit der Wahl, damals 22 Jahre alt, gerade in einer Kavallerierekrutenschule in Aarau. Etwas vom jungen Dragoner ist dem spätem Nationalrat Fellmann geblieben sein Leben lang: Das furchtlose grade Drauflosgehen ohne viel Umschweife und ohne ängstliche Diplomatie, und gerade das hat vielleicht seine sehr grosse Volkstümlichkeit im Luzerner Lande ausgemacht.

Bald kam Fellmann auf die Gerichtskanzlei des nahen Sursee unter die praktisch-juristische Leitung und in die politische Schulung des Gerichtsschreibers Amberg, des konservativen Führers von Sursee. Amberg wurde später Amtsstatthalter von Sursee und konservativer Parteipräsident des Kantons Luzern, und Fellmann war dann sein Nachfolger in beiden Stellungen.

In Sursee verheiratete - sich Fellmann mit Fräulein Babette Bossart und gründete dann mit seinem Schwager das Geschäftsbureau Bossart und Fellmann. Im Jahre 1881 wurde Fellmann Bezirksrichter in Sursee, im Jahre 1887 Amtsstatthalter von Sursee, in welchem Amte Fellmann bis zu seinem Tode verblieb.

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Rasche und geschickte Arbeit, namentlich in Gerichtsuntersuchungen, und dabei Gerechtigkeit und Wohlwollen werden dem Amtsstatthalter von Sursee allgemein nachgerühmt.

Im Jahre 1883 kam Fellmann in den Grossen Rat von Luzern, den er zweimal präsidierte und dem er bis zu seinem Tode angehörte. Im Jahre 1894 wurde Fellmann in den Nationalrat gewählt, in dem er seither ununterbrochen sass, 25 Jahre lang.

Die politische Hauptbedeutung Fellmanns liegt auf kantonalem Gebiete, wo er 32 Jahre lang Präsident der katholischkonservativen Partei von Luzern war, führend in der Partei und im Grossen Rate, überall mit voran auch in volkswirtschaftlichen Fragen seines Kantons und besonders seiner engern Heimat.

Vielredner und Schönredner war Fellmann nicht, aber ein Mann der Tat und der Arbeit, .fest verankert in seiner tiefen religiösen Überzeugung, die ihm Leitstern war in seinem Leben und Trost in seinem Sterben.

Meine Herren Ständeräte ! Der beiden lieben Kollegen wollen wir in Treue und in Trauer und in Hochachtung eingedenk bleiben.

Ich bitte Sie, zur Ehrung der Verstorbenen sich erheben zu wollen.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 18. März 1919.)

Herr Dr. Emil Traversini, Legationssekretär I. Klasse bei der schweizerischen Gesandtschaft in Buenos Aires, wird in gleicher Eigenschaft der schweizerischen Gesandtschaft in Paris zugeteilt.

Der ,,Securitas", Versicherungs-Aktiengesellschaft in Bremen, wird die Konzession zum Betriebe der Transportversicherung in der Schweiz erteilt.

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