4 6

9

N o

3

# S T #

1

Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 7l. Jahrgang.

# S T #

Bern, den 19. November 1919.

1161

Band V.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der Verfassungsgesetze des Kantons Genf vom 13. September 1919 über die Volks wähl der genferischen Abgeordneten in den Ständerat und betreffend die Gesamterneuerung des Grossen Rates im-Jahre 1919.

(Vom 15. November 1919.)

1. Das Verfassungsgesetz des Kantons Genf vom 17. Juni 1893 über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat lautete bisher in Übersetzung wie folgt: ,,Einziger Artikel. Die Abgeordneten des Kantons Genf in den Ständerat werden durch die Gesamtheit der Wähler und nach dem für die Wahl des Nationalrates vorgeschriebenen Verfahren gewählt. Sie werden für drei Jahre gewählt und sind nach deren Ablauf sogleich wiederwählbar.

,,Übergangsbestimmung. Die erste Wahl findet im Jahre 1893, am gleichen Tage wie die Nationalratswahlen, statt."

Die durch das Verfassungsgesetz vom 6. Juni 1891 revidierten Art. 39 und 45 der genferischen Kantonsverfassung vom "24. Mai 1847 lauteten bisher in Übersetzung wie folgt: ,,Art. 39. Alle drei Jahre findet eine Gesamterneuerung des Grossen Rates statt. Die bisherigen Mitglieder sind sogleich wiederwählbar. a ,,Art. 45. Die ordentliche Erneuerungswahl des Grossen Rates hat alle drei Jahre in der ersten Hälfte des Monats November .zu erfolgen.u Bundesblatt.

71. Jahrg.

Bd. V.

30

392

2. Am 13. September 1919 hat der Grosse Rat des Kantons Ganf ein Verfassungsgesetz über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat angenommen, das in Übersetzung wie folgt lautet : ,,Einziger Artikel. Die Abgeordneten des Kantons Genf in den Ständerat werden durch die Gesamtheit der in eidgenössischen Angelegenheiten im Kanton stimmfähigen Bürger und nach dem für die Wahl des Staatsrates geltenden Verfahren gewählt (Kantonsverfassung Art. 66 in dem am 16. Juli 1905 abgeänderten Wortlaut).

,,Übergangsbestimmung. Die Amtsdauer der gegenwärtigen Abgeordnelen Gents im Ständerat geht am 30. November 1919 zu Ende.

,,Die nächste Wahl findet im Jahre 1919, am gleichen Tage wie die Nationalratswahlen, statt.

,,Aufhebungsbestimmung. Das kantonale Verfassungsgesetz vom 17. Juni 1893 ist aufgehoben.a Ausserdem hat der Grosse Rat unter dem gleichen Datum ein Verfassungsgesetz angenommen, das eine ausnahmsweise Abweichung von den in den Art. 39 und 45 der genferischen Staatsverfassung niedergelegten Bestimmungen über die Wahl und Amtsdauer des Grossen Rates statuiei-t. Dieses Gesetz lautet in der Übersetzung folgendermassen : ,,Art. 1. In Abweichung von Art. 45 der genferischen Kantonsverfassung findet die Wahl des Grossen Rates im Jahre 1919 ausnahmsweise in der zweiten Hälfte des Monats November statt.

,,Art. 2. In Abweichung von Art, 39 der genferischen Kantonsverfassung beträgt die Amtsdauer des im Jahre 1919 erneuerten Grossen Rates ausnahmsweise vier Jahre."

3. Die Verfassungsgesetze vom 13. September 1919 sind in der Volksabstimmung vom 11./12. Oktober 1919 angenommen worden, das erste mit 4124 gegen 193 und das zweite mit 3163 gegen 1107 Stimmen. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1919 sucht der Staatsrat des Kantons Genf um die eidgenössische Gewährleistung dieser Gesetze nach.

4. Die beiden Verfassungsgesetze wurden durch die für die Wahl des Nationalrates aufgestellten neuen Vorschriften veranlasst.

Der erste Satz des einzigen Artikels des Verfassungsgesetzes vom 17. Juni 1893, laut welchem die Ständeräte nach dem für die Nationalratswahlen vorgeschriebenen Verfahren zu wählen sind, musste geändert werden, weil das nunmehr für letztere

393

eingeführte Proporzsystem auf die Wahlen in den Ständerat nicht Anwendung finden soll. Der genferisehe Gesetzgeber hat nun in dem erwähnten Verfassungsgesetz vom 13. September 1919 über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat bestimmt, dass diese durch die Gesamtheit der in eidgenössischen Angelegenheiten im Kanton stimmfähigen Bürger und nach dem für die Wahl des Staatsrates geltenden Verfahren zu wählen sind.

Somit sind gemäss dem durch das Verfassungsgesetz vom 17. Juni 1905 abgeänderten Art. 66 der Kantonsverfassung, unter dem darin gemachten Vorbehalt des Art. 29 der Verfassung, diejenigen Kandidaten auf drei Jahre und mit Wiederwählbarkeit gewählt, welche in der Volksabstimmung die relative Mehrheit der Stimmenzahl erhalten haben, mit der Einschränkung jedoch, dass das relative Mehr nicht weniger als ein Dritteil der gültigen Stimmen ausmacht. Ist ein zweiter Wahlgang nötig, so wird auf die einfache Stimmenmehrheit abgestellt. Bei Gleichheit der Stimmenzahl gilt der älteste Kandidat als gewählt. Sind nicht 3000 Stimmberechtigte zur Urne gegangen, so wird das Wahlgeschäft gemäss dem vorhin erwähnten Art. 29 der Kantonsverfassung in der Weise erledigt, dass der Grosse Rat die nötige Anzahl Vertreter aus einer Liste wählt, in welche von den Kandidaten, die in der Volksabstimmung am meisten Stimmen erhalten haben, doppelt soviel aufgenommen werden, als gewählt werden können.

Da die Amtsdauer des Nationalrates schon im laufenden Jahre (Art. 73 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung), diejenige der Ständeräte Genfs nach dein bisherigen Recht jedoch erst ein Jahr später zu Ende geht, wird nun durch die Übergangsbestimmungen des genferischen Verfassungsgesetzes vom 13. September 1919 betreffend die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat erreicht, dass die beiden Amtsperioden wieder zusammenfallen, so dass die gesamte Abordnung Genfs in die eidgenössischen Räte auch in Zukunft wieder im gleichen Jahr und am gleichen Tage gewählt werden kann.

Im Kanton Genf hatten die Bürger bisher jeden Herbst eine wichtige Wahl vorzunehmen : im einen Jahr hatten sie die Vertreter in die eidgenössischen Räte zu wählen, im nächsten Jahr war der Staatsrat neu zu bestellen und im dritten Jahre der Grosse Rat. Die eidgenössische Gesetzgebung hat diese Reihenfolge gestört. Um diese wieder herzustellen,
setzt nun das Verfassungsgesetz vom 13. September 1919 die Amtsdauer des im Jahre 1919 zu erneuernden Grossen Rates statt auf drei Jahre, wie es Art. 39 der Kantonsverfassung vorschreibt, auf vier Jahre fest. Von 1923 an wird die Amtsdauer wieder drei Jahre betragen.

394

Weil die Wahl des Grossen Rates gemiiss dem durch das Verfassungsgesetz vom 6. Juni 1891 abgeänderten Art. 45 der Kantonsverfassung in die erste Hälfte des Monats November fällt, trifft es sich, dass sie im laufenden Jahre kurz nach den Nationalratswahlen stattfinden sollte. Mit Rücksicht auf eine glatte Durchführung der beiden Wahlgeschäfte war es daher angezeigt, die diesjährigen Grossratswahlcn ausnahmsweise um vierzehn Tage hinauszuschieben. Dem trägt das neue Verfassungsgesctz vom 13. September 1919 Rechnung, indem es sie auf die zweite Hälfte des Monats November verlegt.

5. Das Verfassungsgesetz vom 13. September 1919 über die Volksvvahl der Abgeordneten in den Ständerat sichert die Ausübung der politischen Rechte in den demokratischen Formen.

Soweit es sich nicht auf das System des Wahlverfahrens bezieht, enthält es blosse Übergangsbestimmungen. Ausschliesslich vorübergehende Bedeutung hat das zweite Gesetz vom gleichen Datum, das nur für die 1919 vorzunehmende Wahl und die anschliessendc Amtsdauer des Grossen Rates eine Ausnahme von den Vorschriften der Art. 39 und 45 der Kantonsverfassung aufstellt.

Die beiden erwähnten Gesetze sind Bestandteile des gctiferischcn Verfassungsrechts und bedürfen mithin gemäss Art. ß der Bundesverfassung der Gewährleistung des Bundes. Da sie nichts dem Bundesrecht Zuwiderlaufendes enthalten, beantragen wir Ihnen, den beiden Gesetzestexten durch Annahme des nachfolgenden Bundesbeschlussesentwurfs die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

H e r n , den 15. November 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

395

(Entwurf.)

Bimdesbeschluss betreffend

die Gewährleistung der Verfassungsgesetze des Kantons Genf vom 13. September 1919 über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat und betreffend die Gesamterneuerung des Grossen Rates im Jahre 1919.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht .

einer Botschaft des Bundesrates vom 15. November 1919 über die in der Abstimmung vom 11./12. Oktober 1919 vom Volke des Kantons Genf angenommenen Verfassungsgesetze über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständei'at und betreffend die Gesamterneuerung des Grossen Rates im Jahre 1919, in Erwägung, dass diese Gesetze nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst: 1. Den am 11./12. Oktober 1919 vom Volke angenommenen Verfassungsgesetzen des Kantons Genf über die Volkswahl der Abgeordneten in den Ständerat und betreffend die Gesamterneuerung des Grossen Rates im Jahre 1919 wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der Verfassungsgesetze des Kantons Genf vom 13. September 1919 über die Volkswahl der genferischen Abgeordneten in den Ständerat und betreffend die Gesamterneuerung des ...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1919

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

46

Cahier Numero Geschäftsnummer

1161

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.11.1919

Date Data Seite

391-395

Page Pagina Ref. No

10 027 317

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.