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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Förderung von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe, und Schutz des gewerblichen Eigenthums (Vom 1. Juni 1886.)

Tit.

Nachdem uns vom Nationalrath am 10. Dezember 1883 die Motion des Hrn. Grosjean, betreffend den gesetzlichen Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle, und am '24. Juni 1884 die von den Herren Zemp und Genossen, Brunner, Vögelin, Sträub, Brosi, Lutz, Keller, Moos-Siegwart, betreffend Revision mehrerer Bestimmungen dei Bundesverfassung gestellten Motionen zum Berieht und Antrag überwiesen worden sind, haben wir Ihnen mittelst Botschaft vom 2-1. November 1884 zur Regelung der Alkoholfrage einen Zusatz zur Bundesverfassung vorgeschlagen, und es ist dieser Zusatz, wie er aus Ihren Berathungen hervorgegangen, vom Schweizervolke und den Ständen sanktionirt worden.

In jener Botschaft haben wir Ihnen mitgetheilt, wie wir bei der Prüfung und Berichterstattung über jene Motionen vorgehen: daß dieselben den Departementen zur Vorbereitung zugewiesen worden seien, und daß wir die Arbeit mit allea uns zu Gebote stehenden Mitteln fördern und der Bundesversammlung unsere Anträge unterbreiten werdet», sobald dies in Bezug auf einen oder mehrere der angeregten Punkte möglich sein werde.

Gegenstand dieser Botschaft bilden nun folgende zwei Motionen : Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

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518 1) Motion V ö g e l i n , betreffend Förderung"der Land- uud Alpwirthschaft und der Gewerbe (Zusatz zum Abschnitt I der Bundesverfassung). Die Motion lautet: ,,Im Weiteren tritt der Bund mit Beiträgen ein zur Förderung: a. der Land- und Âlpwirthschaft ; b. des Ge\verbewesensa ; .

Die Motion (Litt, c und d) bezieht sich noch auf die Förderung der Künste und der wissenschaftlichen Unternehmungen, worüber wir später, und zwar sobald die nöthigen Untersuchungen vollendet sind, Ihnen Bericht und Antrag vorlegen werden ; eine Revision der Bundesverfassung ist hiefür nicht erforderlich.

2) Motion G r o s j e a n , lautend: ,,Der ßundesrath wird eingeladen, zu prüfen, ob es nicht in Folge der Kundgebungen, welche seit der Volksabstimmung vom 3ö. Juli 1882 stattgefunden haben, am Platze sei, die Frage des industriellen Eigenthums (Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle) wieder an die Hand zu nehmen und zu diesem Behufe dem Volke ein zweites Mal einen entsprechenden Zusatz zum Art. 64 der Bundesverfassung zu unter breiten. "· Diesen beiden Motionen liegt die Absicht zu Grunde, die Landund Alpwirthschaft, die Industrie und das Gewerbe zu fördern, überhaupt die wirtschaftliche Produktionsfähigkeit zu heben; sie sind demnach innerlich einander nahe verwandt.

Adi. Die Bundesverfassung von 1848 beschränkt sich in Bezug auf Volkswirthschaft auf wenige Bestimmungen. Art. 2 weist dem Bunde die Förderung der allgemeinen Wohlfahrt der Eidgenossenschaft zu und Art. 21 gibt demselben das Recht, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theils derselben, auf Kosten der erstem öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstützen.

Diese Bestimmungen sind auch in die Verfassung von 1874 aufgenommen worden. Die letztere enthält aber noch eine Anzahl anderer, sehr wichtiger Bestimmungen volkswirthschaftlicher Natur.

Sie gibt dem Bunde das Recht zur Aufsicht über Wasserbau und Forstpolizei im Hochgebirge; zur Regelung der Arbeit in den Fabriken: zur Aufstellung von gesetzlichen Bestimmungen über die Ausführung von Fischerei und Jagd, endlich zum Erlaß von gesetzlichen Bestimmungen über Ausgabe und Einlösung von Banknoten.

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Werfen wir nun einen Blick auf die Vollziehung dieser Verfassungsbestimmungen seit 1848.

Im Budget pro 1849 ist dem Departement des Innern ein Kredit von Fr. 10,200 für Förderung der Wissenschaft, Künste, Industrie, Landwirthschaft, gemeinnützigen Arbeiten, Statistik etc., dem Handel ein Kredit von Fr. 9100 für Expertisen und Reisen, Büreaukosten, Besoldung eines Beamten zugewiesen. In den Sechziger Jahren ging man viel weiter ; man förderte und subventionirte die Alpwirthschaft, die Ausstellung von landwirtlischaftlichen Produkten und Maschinen, den Obstbau, die Verbesserung der Pferdeund Rindviehracen u. s. w. Der Korrektion von Wildbächen und Flüssen wurde eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet: für Korrektion des Rheines wurden im Jahre 1862 Fr. 3,150,000'Subventionen ausgerichtet; im folgenden Jahre Fr. 4,670,000 für die Korrektion der Juragewässer und Fr. 2,640,000 für die Korrektion der Rhone im Wallis. Der schweizerischen forstwirthschaftlichen Gesellschaft wurden für Wiederaufforstungen und Eindämmungen von Wildbächen im Hochgebirge ebenfalls wesentliche Subventionen ausbezahlt.

Immer mehr und mehr wurde die Eidgenossenschaft für Werke öfl'entlicher Wohlfahrt in Anspruch genommen, und dieselbe übernahm bereitwillig diese große und schöne Autgabe.

Es wurden namentlich auch für die Ausstellungen von der Eidgenossenschaft große Summen verwendet. Wir lassen hier eine Zusammenstellung derselben folgen: Ausstellungen.

Ausstellerzahl. Bundessubvention.

Totalausgaben.

Paris 1867 .

. 1005 427,908 ° 444,625 Wien 1873 .

. 966 375,000 358,075 Philadelphia 1876 379 250,000 233,114 Paris 1878 .

. 1080 380,000 344,043 Melbourne 1880/81 35 51,407.35 ca. 60,000 Zürich 1883 .

. 5539 430,000 3,618,368. 77 Ein eigener Posten für Handel und Gewerbe, abgesehen vom Ausstellungswesen, wurde zum ersten Male in's Budget pro 1879 aufgenommen. Derselbe betrug anfänglich Fr. 8000, sodann F:r. 10,000; gegenwärtig ist für Handel und Gewerbe ein Kredit von Fr. 40,000 ausgesetzt. Die Kommission des Ständerathes bemerkte in ihrem Berichte über das Budget pro 1881 über diesen Kreditposten Folgendes :

520 ,,Allem, was auf diese wichtigen Zweige (Handels- und Gewerbewesen) der Nationalökonomie unseres Landes Bezug hat, kann nicht genug Sorgfalt gewidmet werdend Dieser allgemeinen Bemerkung fügt die Kommission bei, daß ,,die vom schweizerischen Handels- und Industrieverein auf diesem Gebiet geleisteten Dienste alle Berücksichtigung verdienen und die Betheiligung an seinen Ausgaben sich rechtfertigt."

Die Thätigkeit des Bundes auf volkswirtschaftlichem Gebiete erhielt einen neuen Aufschwung durch die zwei Bundesbeschlüsse vom 24. Juni '1884: Der eine betreffend die Förderung der Landwirthschaft durch den Bund, der andere betreffend die industrielle und gewerbliche Berufsbildung. Der Beschluß betreffend Förderung der Landwirtschaft reglirt die Thätigkeit des Bundes heim landwirthschaftlichen Unterrichtswesen und den Versuchsanstalten, bei der Förderung der Thierzucht, der Verbesserung des Bodens, bei Maßnahmen gegen Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen, bei landwirthschaftlichen Vereinen und Genossenschaften und endlich bei anderweitiger Förderung der Landwirthschaft. Die Botschaft des Bundesrathes vom 4. Dezember 1883 gibt über diesen Beschluß nähere Auskunft, und wir beschränken uns darauf, auf dieselbe hinzuweisen (siehe Bundesblatt 1883, IV, S. 859 ff.).

Ein ganz neues Gebiet der Thätigkeit ist dem Bunde durch den Beschluß betreffend die industrielle und gewerbliche Berufsbildung übertragen. Dieser Beschluß ist veranlaßt worden durch die im Jahre 1882,83 vorgenommene volkswirthschaftliche Enquete.

Für das Nähere verweisen wir auf die Botschaft vom 20. November 1883 (siehe Bundesblatt 1883, IV, S.547 ff.).

Gestützt auf diese beiden Bundesbeschlüsse enthält das Budget pro 1886 zur Förderung der Landwirthschaft und Viehzucht Ausätze, welche zusammen Fr. 410,050 (Viehseuchenpolizei nicht inbegriffen) betragen, und für das gewerbliche Bildungswesen einen Ansatz von Fr. 220,000.

Mit den beiden eitirten Bundesbeschlüssen vom 24. Juni 1884 hat die Motion Vögelin, betreffend Förderung der Land- und Alpwirthschaft, sowie der Gewerbe, ihre Erledigung gefunden.

Ad 2. Mit der Förderung der Industrie und Gewerbe, sowie der Landwirthschaft, ist unseres Erachtens der Schutz des industriellen Eigenthums aufs Engste verbunden. Der Beschluß, diesen Grundsatz in die Verfassung einzuführen und die Genehmigung des Volkes dazu einzuholen, war im Jahr 1882 von der Bundesversammlung

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gefaßt worden, nachdem eine Reihe von Kundgebungen aus den verschiedensten industriellen und gewerblichen Kreisen dargethan hatte, daß die Mehrzahl der bedeutendsten Zweige der schweizerischen Großindustrie sowohl, als namentlich auch das Kl c i n ge \v e r b e den Schutz der geistigen Produktion auf ihrem Gebiete fordern und bedürfen, um sich auf schweizerischem Boden nicht nur lebensfähig erhalten, sondern auch vervollkommnen und vor Stillstand und Rückgang bewahren zu können, daß dagegen der von der chemischen Industrie erhobenen Opposition Rechnung getragen werden könne.

Hätte das abweisende Volksvotum, welches diesen Kundgebungen und dem Beschlüsse der Bundesversammlung gefolgt war, in dem Sinne gedeutet werden müssen, dató sämmtliche Verwerfenden, oder auch nur die Mehrzahl derselben, im Glauben an die Schädl i c h k e i t des Schutzes der geistigen Arbeit im Gebiete von Industrie und Gewerbe gegen das ihnen vorgelegte Verfassungsprinzip Partei genommen haben, so würde es, aus Achtung vor dem überzeugten Willen der Volksmehrheit, voraussichtlich lanee nicht mehr gewagt worden sein, den Gedanken, dem Erfinder den Lohn seiner geistigen Anstrengungen, Versuche und Kosten gesetzlich sichern zu wollen, wieder vor das Volk zu bringen.

Die Annahme war indessen allgemein, daß das negative Resultat der Abstimmung zum großen Theil dem Umstände zuzuschreiben sei, daß der neue Verfassungsartikel unter der bedeutenden Abneigung gegen das mit ihm gleichzeitig vorgelegte Gesetz vorwiegend polizeilicher Natur über Vorkehren gegen Epidemien zu leiden hatte. Man wußte ferner, daß Viele ihr Stirnmreeht gar nicht oder in verneinendem Sinne ausgeübt hatten, weil für sie selbst kein unmittelbares Interesse am Schutz des geistigen Eigenthums vorhanden war, und mußte sich überdies sagen, da(S die Frage des Schutzes der geistigen Arbeit des Erfinders im Volke noch vielfach unrichtig aufgefaßt und einem bessern Verständniß infolge allzu großer Zuversicht auf ein günstiges Ergebniß der Abstimmung zu wenig durch populäre Aufklärung vorgearbeitet worden sei.

Da also der Eindruck allgemein war, daß die Abstimmung von ungünstigen Zufällen beeinflußt worden sei, so durften die Vertreter der Hunderttausende, welche am Schutze der Erfindungen, Muster und Modelle ein Interesse haben oder wenigstens von dessen Nützlichkeit
oder Notwendigkeit überzeugt sind, sich sagen, daß die Sache durch den ungünstigen Volksentscheid wohl verschoben^ aber nicht aufgehoben sei, daß demnach weiter gewirkt werden dürfe und müsse, um das Bedürfniß des Erfindungsschutzes, namentO

'

O

522 lieh in den uninteressirten Bevölkerungskreisen, noch mehr klar zu legen und dann so bald als möglieh mit einer neuen Vorlage vor das Volk zu treten.

In diesem Sinne ergriffen auf Anregung der Société d'émulation industrielle in Chaux-de-Fonds die Société intercantonale des industries du Jura, die Association industrielle et commerciale in Genf, die Patentkommission der Gesellschaft ehemaliger Polytechniker, die Versammlung der Künstler des oberländischen Holzschnitzlerinstituts und der Mitglieder der Holzschnitzlergesellschaft in Brienz, sowie die schweizerische Sektion der internationalen permanenten Kommission für den Schutz des gewerblichen Eigenthums, die Initiative zu einer Versammlung aller interessirten Voreine, Gesellschaften, Vortreter der Presse und Privaten. Die Besprechung fand am 8. Oktober 1882 in Ölten statt, und es wurde beschlossen, die nöthigen Schritte zur sofortigen Wiederaufnahme der Frage des Erfindungs-, Muster- und Modellschutzes zu thun. Die Société intercantonale des Industries du Jura erhielt das Mandat, die Bewegung zu leiten. Es wurde von ihr die Gelegenheit der schweizerischen Landesausstellung in Zürich benutzt, um einen allgemeinen Kongreß der Anhänger und Gegner des Patentschutzes zu organisiren. Dieser Patentkongreß fand am 24. und 25. September 1883 in Zürich statt, und es nahmen an demselben die Vertreter der meisten an der Frage interessirten Vereine und Gesellschaften der Schweiz, sowie eine große Zahl von Privaten aus den wissenschaftlichen, technischen, industriellen und kommerziellen Kreisen Theil.

Als Ergebniß der Verhandlungen dieses Kongresses hat das Bureau desselben dem Bundesrathe auftragsgemäß folgende Resol u t i o n e n unterbreitet, die mit einer Mehrheit von zwei Dritttheilen der Stimmenden gefaßt worden waren: Der Kongreß, in E r w ä g u n g : 1) daß das System des Erfindungsschutzes den Fortschritt und die Entwicklung der Industrie begünstigt, indem es die Kenntniss und Anwendung neuer Verfahren fördert; 2) daß dasselbe den Erfindern eine gerechte Entschädigung für ihre Arbeit zu sichern trachtet und sie dadurch im Lande zurückhält, was die Entstehung neuer Industriezweige begünstigt; 3) daß infolge des Vertrages vom 23. Februar 1882 Angehörige Frankreichs das Recht genießen, ihre Muster und Modelle in der Schweiz schützen zu lassen, w ä h r e n d d i e S c h w e i z e r selbst d a s gleiche Recht i m e i g e n e n L a n d e n i c h t besitzen;

523 4) daß somit durch eia schweizerisches Gesetz über Musterund Modellschutz kein Recht geschaffen würde, welches den Angehörigen Frankreichs nicht ohnehin. zustände, und zwar nicht erst seit 1882, sondern seit dem Handelsvertrage von 1864; ein schweizerisches Gesetz also keine grundsätzliche Aenderung in der Lage unserer Industrien erzeugen würde, sondern lediglich den Vortheil hätte, den Schweizern das Eigenthum an Modellen und Mustern direkt zugänglich zu machen ; 5) daß ein solches Gesetz zur Erfindung neuer Muster und Modelle anspornen würde, für die Industrie, das Kunstgewerbe und Handwerk ein unerläßliches Bedürfniß ist und den schweizerischen Künstlern, Fabrikanten und Arbeitern einen wirksamen Schutz gewähren würde, welcher sie im Lande zurückhielte, während der gegenwärtige Zustand sie zur Auswanderung veranlaßt; 6) daß die Anerkennung des Eigenthums an Erfindungen, Mustern und Modellen die Wirkung hätte, die Schweiz mit andern civilisirten Staaten auf dieselbe Linie zu stellen und unsere Industrie vor dem Vorwürfe der unberechtigten Nachahmung, welcher ihr oft gemacht wird, zu schützen; 7) daß die Annahme dieses Grundsatzes zudem die Schweiz in die Lage versetzen würde, an der internationalen Reglung der Frage des industriellen Eigenthums Theil zu nehmen und als Glied der internationalen Union f ü r den Schutz des ind u s t r i e l l e n E i g e n t h u m s die Vortheile zu. genießen, welche ihr daraus erwachsen können, beschließt: I. Es ist dringlich, daß die Frage des industriellen Eigenthums durch ein eidgenössisches Gesetz geordnet werde.

II. Das Bureau des Kongresses wird beauftragt, den hohen eidgenössischen Behörden die Wünsche vorzulegen : a. daß die Revision des Art. 64 der Bundesverfassung, welche der Eidgenossenschaft das Recht der Gesetzgebung betreffend Erfindungspatente, Muster- und Modellschutz verleihen soll, dem Volke von Neuem vorgelegt werde ; o. daß diese Frage für sich allein gebracht werden möchte, ohne daß am gleichen Tage eine andere eidgenössische Abstimmung stattfinde.

III. Der Kongreß spricht in Betreff der in dieser Hinsicht später zu erlassenden Spezialgesetze folgende Wünsche aus :

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a. Die Gesetzgebung hat die Interessen der im Lande bestehenden Industrien und Gewerbe möglichst sorgfältig und in internationalen Beziehungen die Gegenseitigkeit in den Ausführungsbestimmungen zu wahren, insbesondere ist schon im Stadium der Vorberathung den Fachleuten ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.

b. Die schweizerische Gesetzgebung hat sich auf den Standpunkt zu stellen, daß alle Erfindungen, welche im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Gesetzes bereits ausgeführt und der Oeffentlichkeit übergeben worden sind, nicht mehr gültigpatentirt werden können.

c. Sie muß in der Bestimmung der Gegenstände, auf welche der Erfindungsschutz Anwendung finden soll, den theoretischen und praktischen Schwierigkeiten Rechnung tragen, welche in der Anwendung des industriellen Eigenthums auf die chemischen und pharmaceutisch Industrien liegen. Zu diesem Zwecke, soll sie die chemischen Produkte und Verfuhren insbesondere auch ihre Anwendung auf die Färberei, die Druckerei, die Appretur und die Bleicherei von Garnen und Geweben, ausschließen. Zugleich soll sie durch Gestattung der Möglichkeit für Jedermann patentirte Erfindungen gegen eine (nöthigenfalls gerichtlich festzustellende) Entschädigung zu benutzen (Licenzzwang) der ungehinderten und intensiven Ausnutzung der Erfindungen Rechnung tragen.

d. Sie muß darauf hinzielen, den Erfindungsgeist zu entwickeln, indem sie alle übertriebene Reglementirerei vermeidet; sie muß die Wohlthat des Gesetzes Allen mit möglichst wenig Kosten zu Theil werden lassen; die Taxen sollen lediglich bestimmt sein, die entstehenden Kosten zu decken, und keinen fiskalischen Charakter haben.

Die hohe Bedeutung des Kongresses und dieser seiner Resolutionen liegt erstens darin, daß es keine einseitige Versammlung von Patentfreunden, sondern eine Gelegenheit war, wo sich auch die Patentgegner aussprechen konnten und wo die Gründe für und wider in offener Diskussion abgewogen wurden ; zweitens darin, daß die Theilnahme eine außerordentlich zahlreiche, alle interessirten Kreise der Schweiz umfassende war, und drittens in dem Umstände, daß gleichzeitig die Ausstellung der Mustererzeugnisse des Gewerbfleißes des ganzen Schweizerlandes einen drastischen Hintergrund bildete, und in die Augen springende Beweise bot für die Nothwendigkeit einer gesetzlichen Garantie des geistigen Eigenthums im Gebiete der Industrie. Sahen sich doch eine Anzahl Industrieller

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in Folge des Volksentscheides vom 30. Juli genöthigt, ihre AnmeldiiDg zur Betheiligung an der Landesausstellung ganz zurückzuziehen, während Andere aus gleicher Ursache die Auswahl der auszustellenden Gegenstände zu ändern sich veranlaßt sahen. Es gab nach den Ausführungen des trefflichen Kongreßreferenten, Herrn Ingenieur Weibel in Genf, wenige Aussteller, welche nicht noch originellere Maschinen hätten in Bewegung setzen oder noch neuere Verfahren hätten zeigen können, wenn sie vor Nachahmung sicher gestellt worden wären.

,,In dieser Beziehung sind," sagt Hr. Weibel, ,,die Erklärungen der Aussteller typisch. Eine große Zahl derselben erklären, daß sie ihre besten Muster nicht ausgestellt haben, weil sie diese nur in's Ausland liefern und dieselben ihren Konkurrenten nicht vorlegen wollten. Es folgt hieraus, daß diejenigen Industriellen, welche im Falle wären, Maschinen und Apparate zu gebrauchen, die in ihrer nächsten Nähe fabrizirt werden, genöthigt sind, darauf zu verzichten, oder dieselben auswärts zu beziehen.

Häuser ersten Ranges versicherten, daß sie unter dem Schutz des industriellen Eigenthums nicht gezögert hätten, anstatt ihre Fabrikate nur unvollständig zu zeigen, die von ihnen erfundenen Maschinen, welche sie im Verlaufe einer langjährigen praktischen Verwendung zu einem hohen Grade der Vervollkommnung brachten, in voller Thätigkeit auszustellen."

Viele Erfindungen und Verbesserungen gehen derart in's Ausland mangels des Erfindungsschutzes in der Schweiz, und es sind das eben so viele Kräfte, welche für die schweizerische Industrie verloren gehen und zugleich durch Stärkung der auswärtigen Konkurrenz gegen sie wirken.

Diese Abwesenheit der Zeugen vieler neuer \ r ervollkommnungeir an der Landesausstellung muß an und für sich ebenfalls als eine der Kundgebungen im Sinne der Motion Grosjean betrachtet werden, und zwar als eine solche, welche zu ernsten Betrachtungen Anlaß bietet.

Eine vom genannten Referenten mit Hülfe der Ausstellungsbehörde veranstaltete Umfrage bei über 400 Ausstellern, Vereinen und Gesellschaften hat ferner ergeben, daß mit Ausnahme der Theerfarbenfabrikation und der Zeugdruckerei alle Industrien mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit das Verlangen stellen, daß das Eigenthum an Erfindungen, Mustern und Modellen durch ein schweizerisches Gesetz geschützt werde. Die Umfrage ergab insbesondere auch, ,,daß die wärmsten Vertreter des Schutzes des industriellen Eigenthums sich in den Kreisen der Handwerker und

526 der kleinen uud mittleren Industriellen finden". ,,Die Opposition", schreibt der Kongreßreferent, ,,hat nur etwelche Bedeutung, weil sie auch von einigen großen Industriellen ausgeht. Es ist natürlich, daß diesen letzteren schon durch die Ausdehnung ihres Geschäftes ein gewisser Schutz gegen Nachahmung geboten wird; außerdem sind sie in der Lage, durch Patenterwerbung im Auslande sich ihr Absatzgebiet zu sichern. Der Handwerker aber und der Kleinindustrielle, die große Anstrengungen machen, um ihre Erzeugnisse zu verbessern, ohne zu wissen, wer die Frucht ihrer Mühen ernten wird, empfinden bitter die Ungerechtigkeit unserer bestehenden Gesetzgebung.a ,,Ganz besonders für die kleinen Fabrikanten", so äußerte sich ein Aussteller von Goldschmiedarbeiten, ,,ist das Patentgesetz eine Lebensfrage, weil dadurch allein eine rationelle Theilung der Arbeit ermöglicht wird. Der Erfinder einer gut ausgedachten Maschine kann sich für eine zuverläßige Fabrikation einrichten uud die nöthigen Werkzeuge und Hülfsmaschinen anschaffen ; in Folge dessen wird er zu billigerem Preise liefern und dennoch verdienen, während man jetzt gezwungen ist, immer wieder nach andern Mustern zu arbeiten und seine Werkzeuge beständig zu ändern. Der gegenwärtige Zustand, der Mangel des Erfindungsschutzes, ist eine schreiende Ungerechtigkeit.a -- Der Präsident des Preisgerichts der Gruppe Uhren, Herr Alexis Favre in Genf, versicherte, ,,daß bemerkenswerthe Erfindungen, welche von der Ausstellung fern gehalten wurden, demnächst in der Uhrenindustrie, aber leider nicht auf schweizerischem Boden, sondern im Ausland auftreten werden." -- Das Brienzer Holzschnitzer Institut erklärte: ,,80 lange das industrielle Eigenthum keinen Schute genießt, werden die besten Brienzer Arbeiter erdrückt und alle Anstrengungen unseres Instituts, welche dahin zielen, die Holzschnitzlerei zu heben, werden durch die Nachahmung und den Massenverkauf lahmgelegt." -- Der Präsident des Preisgerichts der Gruppe Keramik, Herr Alex. Koch in Zürich, äußerte sich folgendermaßen: ,,Unser ganzes Kunstgewerbe hat eine sehr begreifliche Abneigung dagegen, behufs Gewinnung neuer Zeichnungen und Verfahren Kosten zu bezahlen. Besonders sind die kleineren Gewerbetreibenden in diesem Falle, denen die Mittel abgehen, um sofort ihr Erzeugniß in großer Menge auf den Markt zu
bringen, und sich so für ihre Auslagen schadlos zu halten. Daher kommt es, daß unser Kunstgewerbe Mühe hat, vorwärts zu kommen, und der guten Modelle entbehrt; mit sehr geringen Ausnahmen sucht es sieh mit alten Mustern oder mit ungeschickten Kompilationen zu behelfen; dieses gilt besonders für die Keramik. Der Maugel eines Modellschutzes

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muß nothgedrungen zum Niedergange dieser Industrie führen und ist ein Hinderniß für die Einführung neuer ähnlicher Industriezweige.tt -- Aehnliche Beschwerden werden seitens der Stickerei laut. Man klagt, daß die neuen Muster in die Hände von wenig gewissenhaften Fabrikanten fallen, die sie auf geringere Artikel verwenden, als die, für welche sie bestimmt waren. -- T>Die Ausstellung"1, fügt der Referent hinzu, ,,hat manchem Erfinder Gelegenheit geboten, die Ausdehnung zu beobachten, welche die Nachahmung angenommen hat, ja sie ist selbst Veranlaßung zu Nachahmungen geworden und hat dadurch den Wunsch nach Abhülfe solchen Mißbrauches noch lebendiger gestaltet. Daher kommen die übereinstimmenden Antworten fast aller Aussteller, welche sich geäußert haben.1'Es sind anläßlich der Landesausstellung eine Menge von Anregungen z u r E i n f ü h r u n g n e u e r I n d u s t r i e z w e i g e gemacht worden. Allen diesen Bemühungen stellt sich der Mangel eines Erfindungs-, Muster- und Modellschutzes lähmend entgegen. Der Kongreßreferent, Herr Ingenieur Weibel, bemerkt hierüber, gestützt auf seine Beobachtungen und die Ergebnisse seiner Umfrage: ,,Es kann nicht bezweifelt werden, daß viele Industrien, für die es vor Allem aus wichtig ist, ihre Muster zu sichern, bei uns nie eingeführt werden können . . . Gewisse Industrien, für welche sonsfc bei uns ökonomisch günstige Vorbedingungen bestünden, existiren bei uns nicht, weil sie der nothwendigen Unterstützung des Schutzes des industriellen Eigenthums entbehren, oder haben sich erst nachträglieh oingefunden, und nie den Grad der Vervollkommnimg erreicht, den sie hätten beanspruchen können. Wir erwähnen z. B. die Fabrikation der Dampfkesselarmaturen, Manometer, Sicherheitsventile, Wasser- und Dampfhahnen, Holzbearbeitungsmaschinen , landwirtschaftlichen Maschinen, Nähmaschinen, Lokomobile, welch' letztere bei der Landwirtschaft und bei öffentlichen Bauten gegenwärtig so oft zur Verwendung kommen . . .

Man muß ferner nicht außer Acht lassen, daß Quincaillerie- und Mercerieartikel, diese kleinen Industrien, welche in Frankreich und Deutschland Erwerbsquellen bilden, und, nur vom Muster- und Modellschutz begünstigt, im Großen fabrizirt werden, bei uns erst dann gedeihen können, wenn die freie Nachahmung nicht mehr möglich ist. Für die Möbelindustrie, welche in
unserer Nachbarschaft, in Süddeutschland, sehr leistungsfähige Fabriken gründete, hätten sich bei uns eben so günstige Existenzbedingungen vorgefunden, wenn sie ihre Muster hätte schützen können."

In den letzten Jahren, und besonders seit der Landesausstellung, hat sich ferner eine mächtige Bewegung zu Gunsten der Unterstützung gewerblicher Fachschulen, Museen und Fachbildungsanstalten

528 aller Art geltend gemacht, und der Grundsatz der Ausrichtung bedeutender Bundessubsidien zu diesem Zwecke ist zum Gesetz erhoben worden. Die Tendenz geht vor Allem auf die Heranbildung tüchtiger Zeichner und Modellirer, welche befähigt sein sollen, durch Erfindung origineller und stylgerechter Muster diejenigen schweizerischen Industriezweige zu heben, in welchen die künstlerische Form und Ausstattung der Produkte eine entscheidende Rolle spielt. Keine Stimme ist gegen diese Bestrebungen, deren Nutzen und Notwendigkeit von Jedermann eingesehen wird, laut geworden, und doch ist es nieht denkbar, daß der volle Nutzen derselben der s c h w e i z e r i s c h e n Industrie zu Gute komme, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß das Eigentumsrecht, den Urhebern der Zeichnungen und Modell gewahrt und ihnen dadurch die Möglichkeit geboten werde, ihre erworbene Kunstfertigkeit im Lande selbst mit Nutzen auszuüben, statt täglich und stündlieh unredlicher Ausbeutung ihrer Ideen und ihrer Berufstätigkeit preisgegeben und dadurch gezwungen zu sein, den Lohn ihrer zum Theil mit staatlichen Mitteln erworbenen Fähigkeiten im Ausland zu suchen, um nur ihren Lebensunterhalt finden zu können. ,,Es ist sehr zu befürchten," bemerkt Herr Weibel, ,,daß wir die besten Schüler nicht im Lande werden zurückbehalten können ; denn so lange wir nicht ein schweizerisches Gesetz über das Eigenthum der Muster und Modelle besitzen, so lauge unsere Industriellen von der Bedeutung dieses Eigentumsrechtes nieht durchdrungen sind, können wir uns von dem Abwege der strafbaren Nachahmung nicht entfernen und werden folgerichtig auch talentvolle Künstler nicht bei uns zurückhalten, weil wir sie nicht entsprechend zu honoriren vermögen. Es liegt auf der Hand, daß ein Industrieller, um einen Künstler bezahlen au können, des Vortheils der von ihm komponirten Muster und Modelle versichert sein muß. Wenn ein Konkurrent ein Muster, sobald es in einem Schaufenster aufgetaucht ist, ohne irgendwelche Entschädigung und ohue daß er Auslagen zur Herstellung desselben oder Risiko für Proben gehabt hätte, einfach nachahmen, und somit sich das Resultat der Arbeit Anderer auf die bequemste Weise ohne Weiteres aneignen kann, so ist wohl sicher anzunehmen, daß Niemand für neue Muster besonders große Auslagen haben mag, um so geprellt zu werden." Wenn also
die Frucht der Hunderttausende von Franken, welche jährlich aus Bundes-, Kantons- und Gemeinde- und Korporationskassen für gewerbliche Fachschulen aufgewendet werden, in vollem Maße der Landesindustrie zu Gute kommen sollen, so muß dafür gesorgt werden, daß diejenigen, welche aus den Schulen hervorgehen, mit dem Gelernten ihren Lebensunterhalt und noch ein gut Theil mehr gewinnen können, was aber nur möglich ist, wenn die Produkte ihres

geistigen Schaffens nicht als herrenloses Gut betrachtet \verdeu dürfen, sondern als käufliches Eigenthum respektirt werden müssen.

Das bisher Gesagte zusammenfassend, konstatiren wir als Ergebniß der seit der letzten Volksabstimmung erfolgten Kundgebungen : 1) daß der Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle von der Uhrenindustrie, Bijouterie, Maschiuenindustrie, Holzschnitzerei, Keramik und Stickerei, sowie vom gesammten Kleingewerbestaud dringend verlangt wird; 2) daß die Opposition der Gruppe der chemischen Industriezweige, namentlich der Farbenfabrikation und Bereitung pharmazeutischer Produkte, wegen der durchaus eigenartigen Schwierigkeiten, mit welchen hier eine gerechte Durchführung des Erfindungsschutzes zu kämpfen hätte, allgemein als berechtigt anerkannt, aber nicht als stichhaltiger Grund betrachtet wird, allen andern Industriezweigen, die den Schutz dringend verlangen, um sich besser entwickeln zu können, diesen Schutz vorzuenthalten, daß vielmehr die Ansicht allgemein ist, es dürfe für die chemischen Industriezweige unbedenklich eine Ausnahmestellung geschaffen werden, um ihren speziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen ; für die Uebrigen aber sei der Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle einzuführen ; 3) daß fast sämmtliche, an der Materie interessirten Handelsund Industrievereine, der schweizerische Ingenieur- und Architektenverein, der Verein ehemaliger Schüler des Polytechnikums etc., sich seit Dezennien, und heute mehr als je, für den Erlaß einer Gesetzgebung über den Schutz der Erfindungen, Zeichnungen und Modelle dringend verwenden; 4) daß dieser Schutz auch von den schweizerischen Rechtskundigen gebilligt wird, indem der schweizerische Juristen verein anläßlich der 16. schweizerischen Juristenversammlung vom 19. und 20. August 1878 erklärt hat: ,,Es ist wünschenswerth, daß eidgenössische Gesetze betreffend den Erfindungsschutz, den Schutz von Fabrikmarken, Zeichnungen und Modellen erlassen werden, oder daß dieser Schutz auf internationalem Wege geregelt wird."

Seit der Verwerfung des Schutzes des geistigen Eigenthums im Gebiete der Erfindungen, Muster und Modelle ist das Gesetz über den Schutz des geistigen Eigenthums im Gebiete der L i t e r a tur und K u n s t kreirt und in Kraft gesetzt worden, ohne daß aus dem Schweizervolke sich eine einzige Stimme zum Veto erhoben hätte. Diese Thatsaehe erscheint uns als eine fernere, sehr wichtige

530 Kundgebung. Sie bedeutet die stillschweigende Billigung des Grundsatzes des geistigen Eigenthums überhaupt, ein Grundsatz, der, wie auf dem Gebiete der Literatur und Kunst, konsequeiiterweise auch auf demjenigen der Industrie, deren Grenze gegen die Kunst sich nicht einmal genau scheiden läßt, gesetzliche Anerkennung wird erhalten müssen, indem er sich, der Erfahrung in fast allen andern Industrieländern gemäß, hier mit wenigen Ausnahmen eben so gut durchführen läßt wie dort.

Im Weitern erinnern wir an die Fortschritte, welche die i n ternationale Konvention zum Schutze des gewerbl i c h e n E i g e n t h u m s , vom 20. März 1883, seit der kurzen Dauer ihres Bestehens gemacht hat. In derselben verpflichten sich bekanntlich die vertragschließenden Staaten, zu welchen auch die Schweiz gehört, allen Angehörigen der Union bezüglich des industriellen Eigenthums den gleichen Schutz zu gewähren, welchen die Einheimischen des betreffenden Staates genießen; es herrscht jedoch dies bezüglich eine gewisse Unzukömmlichkeit insofern, als die Schweizer den Schutz ihrer Erfindungen im Auslande beanspruchen können, während das Umgekehrte nicht der Fall ist. Es ist deßhalb in der vom 29. April bis 11. Mai 1886 in Rom gemäß Art. 14 der Konvention abgehaltenen Delegirtenkonierenz der Unionsstaaten der Wunsch ausgesprochen worden, daß die der Union angehörenden oder noch beitretenden Staaten, welche nicht, alle Gebiete des industriellen Eigenthums gesetzlich geregelt haben, ihre Gesetzgebung in dieser Richtung so bald als möglich ergänzen möchten.

Wir finden, es sei nur billig, wenn die Schweiz, soweit es sie betrifft, diesen Wunsch erfülle, und zwar um so eher, als die Union, wie sich aus den Resultaten der genannten Konferenz ergiht, sowohl bezüglich ihrer Ausdehnung als des direkt aus ihr entspringenden materiellen Nutzens stets wachsende Vortheile bietet.

In ersterer Richtung ist hervorzuheben, daß an der Konferenz außer den Delegirten von 13 Unionsstaaten (total sind deren gegenwärtig 17) solche von 7 der Union bis jetxt nicht angehörenden Staaten sich betheiligten und das Schlußprotokoll unterzeichneten, untern andern diejenigen von Deutschland und den Vereinigten Staaten von Nordamerika ; der somit in baldiger Aussicht stehende Beitritt dieser Staaten wird nicht verfehlen, der Union einen erhöhten Werth
zu verleihen.

Auf der andern Seite hat die Konferenz von Rom bezüglich des Ausbaues der Konvention einige für die Schweiz sehr günstige Resultate zur Folge gehabt. Wir werden Ihnen über die betreffenden Beschlüsse, soweit sie die Ratifikation der gesetzgebenden

531 Behörde erfordern, eine besondere Vorlage unterbreiten, wollen aber nicht unterlassen, an dieser Stelle dasjenige hervorzuheben, was für die Beurtheilung der vorliegenden Frage des Erfindungsschutzes und der damit verknüpften internationalen Beziehungen, der Schweiz von Nutzen ist.

Art. 5 der Konvention lautet: ,,Führt der Patentirte Gegenstände, welche in einem Staate der Union fabrizirt worden sind, in das Land ein, in welchem das Patent dafür ausgestellt worden ist, so zieht dies den Verlust des Patentes nicht nach sich.

Immerhin bleibt der Patentirte verpflichtet, sein Patent gemäß den Gesetzen des Landes, in welches er die patentirten Gegenstände einführt, auszubeuten."

Frankreich, dessen Gesetzgebung hauptsächlich diesen Artikel veranlaßte, hatte n u n , einer protektionistischen Strömung in seinem Lande folgend, den Vorschlag gebracht, den Artikel in dem Sinne zu revidiren, daß nur die Einfuhr eines Modells des patentirten Gegenstandes gestattet sein sollte, und daß ,,ausbeuten"1 im Sinne von ,,fabriziren" zu verstehen sei. Die Konferenz lehnte indeß eine Revision der Konvention ab, ebenso den erstem Theil des französischen Vorschlages, der eine Hemmung des internationalen Verkehrs bedeutet haben würde, und nahm einen Zusatzartikel zu Art. 5 an, lautend : ,,Jeder Staat hat den Sinn, in welchem bei ihm der Ausdruck ,,,,ausbeuten"11 /u interpretiren ist, zu bestimmen."

Hiemit ist das Prinzip des ungehinderten Verkehrs im Art. 5 einerseits gewahrt ; andrerseits kann jeder Staat im Interesse seiner eigenen Industrie verlangen, daß der von ihm patentirte Ausländer auf seinem (jenes Staates) Gebiete die Fabrikation seiner Erfindung betreibe. Es ist klar, daß die Schweiz diesen Vortheil nicht ausnützen kann, so lange sie nicht ein eigenes Gesetz über Erfindungsschutz besitzt, sondern die Schweiz. Erfinder werden bis dahin sich gezwungen sehen, im Ausl'ande zu fabriziren, während der ausländische mit seinen Produkten die Schweiz überschwemmt; er wird aber nach obigem Konferenzbeschluß ebenfalls veranlaßt werden können, in der Schweiz zu fabriziren und nur unter dieser Bedingung die Einfuhr in dieselbe zu betreiben, sobald wir eine einheimische Gesetzgebung besitzen, welche zu erlassen in Folge dieser Verhältnisse unsere Interessen absolut verlangen.

Auch in anderer Beziehung hat die erwähnte Konferenz gute Resultate gehabt. So ist zum Art. 10 der Konvention ein Zusatz-

532 artikel beschlossen worden, der für unsere Industrien nach unserer Ansieht sehr förderlich ist. Derselbe betrifft indessen nicht den Gegenstand der gegenwärtigen Botschaft, sondern den in miserai Lande bereits bestehenden Schutz der Fabrik- und Handelsmarken und Firmen. Wir treten daher auf jenen Zusatzartikel bei anderer Gelegenheit näher ein.

Im Weitern wurde ein von der Schweiz gemachter Vorschlug betreffend die internationale Einregistrirung der Fabrik- und Handelsmarken, welcher für die Geschäftswelt große Erleichterungen an Mühe und Kosten bringen wird, prinzipiell gutgeheißen ; die Detailberathung des bezüglichen Vorschlags eines internationalen Uebereinkommens wird Gegenstand nächster Unterhandlungen sein.

Ferner wurde ein Vollziehungsreglement der Konvention angenommen, welches für deren Ausführung erheblichen Nutzen bietet und die Stellung des in Bern etablirten internationalen B il reau's kräftigt. Unter Anderai wurd dasselbe auch beauftragt, den Angehörigen der Union gegen billige Taxe (l Fr.) über die Erfindungen, Fabrik- und Handelsmarken auf Verlangen alle wünschbare Auskunft zu ertheilen, welche günstige Gelegenheit gewiß oft benutzt werden wird.

Während so der Schutz des industriellen Eigenthums auf internationalem Boden seit Jahren bedeutende Fortsehritte macht, sind auch in jüngster Zeit in der Schweiz neuerdings Kundgebungen zu dessen Gunsten aufgetreten. Wir erwähnen nachstehend die jüngst eingelaufenen folgender Stellen : 1) Centralkomite des Schweiz. Erfindungs- und MusterschutzVereins, St. Gallen, 9. Februar 1886.

2) Chambre de commerce, Genève, 7. April 1886.

3) Schweiz. Gewerbeverein, Zürich, 15. April 1886.

4) Association des intérêts du commerce et de l'industrie, Genève, 22. April 1886.

5) Vereinigung von Vertretern der Uhrenindustrie, Biel, 12. Mai 1886.

6) Schweizerischer Erfindungs- und Musterschutz verein (1091 Mitglieder in der ganzen Schweiz), St. Gallen, 21.Maii 1886.

Auf Grund unserer Feststellungen erscheint es uns nicht als verfrüht, und noch viel weniger als Mißachtung des Volksvotums vom Jahre 1882, wohl aber als Sache der Billigkeit, ja Nothwendigkeit gegenüber den immer dringenderen Begehren vieler unserer wichtigsten und volkswirtschaftlich werthvollsten Industrie-

533 zweige, wenn der Grundsatz des Schutzes des industriellen Eigenthums in die Verfassung aufgenommen wird.

Bei der Thatsache, daß schweizerische Industrien in's Ausland wandern, einerseits weil sie in Bezug auf die Erfindungen in der Heimat den nöthigen gesetzlichen Schutz bis jetzt nicht gefunden haben, andererseits weil sie im Auslande hohe Eingangszölle finden, welche die fremde Industrie von der Konkurrenz abhalten ; daß durch diese Auswanderung der Schweiz geistiges und materielles Kapital von hohem Belange verloren geht; daß uns der von der Konferenz in Rom beschlossene Zusatzartikel 5 bei der gesetzlichen Verwerthung desselben die Möglichkeit verschafft, nicht nur jenes Kapital in der Schweiz zu erhalten, indem der Grund jener Auswanderung beseitigt wird, sondern auch die fremden Erfinder, welche bei uns Patente lösen, anzuhalten, hier die Fabrikation zu betreiben oder dieselben zu veranlaßen, auf dem Wege der Licenz wenigstens einen Theil ihrer Produkte hier erstellen zu lassen, erscheint es in unseren Augen in volkswirtschaftlicher Beziehung als ein in erster Linie auftretendes Gebot, dem Bunde die Kompetenz zu geben, ein Gesetz über den Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle beförderlich aufzustellen und in Wirksamkeit treten zu lassen.

Wir unterbreiten Ihnen demnach folgenden Antrag: ,,Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhält folgenden Zusatz :

Art. 64"«.

,,Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu über den Schutz der Erfindungen auf dem Gebiete der Industrie, der Landwirthschaft und der Gewerbe, sowie über den Schutz der Muster und Modelle.

Indem wir Ihnen die Annahme dieses Antrages bestens empfehlen , benutzen wir gleichzeitig den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 1. Juni 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers: Schutzmann.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. II.

36

534

(.Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Zusatz zur Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 1. Juni 1886, beschließ t: 1. Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhält folgenden Zusatz: Art. 64bis.

Der Bunde steht die Gesetzgebung zu über den Schutz der Erfindungen auf dem Gebiete der Industrie, der Landwirthschaft und der Gewerbe, sowie über den Schutz der Muster und Modelle.

2. Dieser Zusatz ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Förderung von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe, und Schutz des gewerblichen Eigenthums (Vom 1.

Juni 1886.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1886

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.06.1886

Date Data Seite

517-534

Page Pagina Ref. No

10 013 128

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