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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Unterstützung von Privatbahnen zum Zwecke der Einführung des elektrischen Betriebes.

(Vom 25. April 1919.)

Mit Botschaft vom 13. September 1918 hatte der Bundesrat der Bundesversammlung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der in seinem ersten Teile die Gewährung von Vorschüssen zur Deckung von Betriebsdefiziten an notleidende Transportunternehmungen bzw. die Übernahme des Betriebes durch den Bund vorsah, während der zweite Teil sich auf die Gewährung von Darlehen ari private Dampfbahnen zum Zwecke der Einführung des elektrischen Betriebes bezog. Der erste Teil dieser Vorlage wurde in der Dezembersession letzten Jahres von der Bundesversammlung in der Form eines dringlichen Bundesbeschlusses angenommen. Dagegen sollten die Bestimmungen betreffend die Unterstützung von o Dampfbahnen zum Zwecke der Elektrifizierung den Gegenstand eines besondern Gesetzes bilden, und, wie aus dem Protokollvermerk am Schlüsse des Bundesbeschlusses über die Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen vom 18. Dezember 1918 hervorgeht, erst später, nach Eingang eines ergänzenden Berichtes des Bundesrates, behandelt werden.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass nicht nur" die Elektrifizierung der Bundesbahnen, sondern auch jene der privaten Dampfbahnen im Interesse des Staates liegt. Unsere sämtlichen Transportanstalten sollten möglichst von den Kohlenlieferungen des Auslandes unabhängig werden. Wie die Verhältnisse vielfach liegen, ist jedoch ohne die finanzielle Unterstützung durch den Staat die Einführung des elektrischen Betriebes bei den Privatbahnen nicht möglich, und es bleibt daher nichts anderes übrig, als dass die Öffentlichkeit, soweit dies erforderlich ist, ihnen die nötigen Mittel hierzu zur Verfügung stellt.

Die anlässlich der Beratung der Vorlage vom 13. September 1918 in der Bundesversammlung aufgeworfene Frage, ob der Bund auf Grund der Verfassung zur Unterstützung von Privatbahnen zum Zwecke der Einführung der elektrischen Zugsför-

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derung überhaupt kompetent sei, ist entschieden EU bejahen.

Art. 23 der Bundesverfassung, eventuell in Verbindung mit Art. 26, bietet hiezu eine durchaus hinreichende verfassungsmässige Grundlage. Aus der in Art. 26 BV statuierten umfassenden Gesetzgebungsbefugnis darf zweifellos auch das Recht der finanziellen Fürsorge für die Bahnen abgeleitet werden. Namentlich ist aber zu bedenken, dass die Bahnen auch als Privatbahnen öffentliche Werke sind, auf die Art. 23 BV Anwendung findet. Die Konzession, die ihnen zugrund« liegt, überwindet ihnen Pflichten und stattet sie mit Befugnissen aus, die sich lediglich aus ährer öffentlichrechtlichen Stellung ergeben.

Die Bundesversammlung erklärte daher im Laufe der Jahre, nicht allein die Verbauung der Wildwasser, gewisse Strassenund Brückenbauten, die Rheitiregulierung und die Weiterführung dés Hüningerkanals bis Basel als hülfsberechtigte Werke von allgemeinen schweizerischem Interesse, sondern sie hat zu verschiedenen Malen auch Privatbahnen geholfen, so z. B. durch Subventionierung der Gotthardbahn des Baues des Simplontunnels, der Lötschbergbahn und des Schmalspurnetzes des Kantons Graübünden.

Allerdings wird vorausgesetzt, dass es sich um Bahnen handelt, diedem Interesse der Eidgènossenschàft oder eines erheblichen Teiles derselbendienen womit aber nicht bloss das mittelbare Interesse des politischen Ganzen am Wohlergehen seiner Teilegemeint ist, sondern auch das durch die örtlichen Beziehungen vermittelte Interesse.

Die Förderung, die der Bund den oeffentlichen Werken angedeihen lassen darf, is't nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie auf den Fall der Errichtung durch den Bund oder die Subventionierung der -Gemeinwesen, die das Werk erstellten, beschränkt sondern auch da gegeben, wo PriVate sich mit dem Staat zu einem gemeinsamen öffentlichenUnternehmen verbinden, in Gestalt eines sogenannten gemischtwirtschaftlichen Betriebes, und sicherlich ebenso auch bei der wesentlich weniger intensiven Unterstützung eines solchen Unternehmens durch finanzielle Mittel in ¨Gestalt von Darlehen. Hat vollends die Beteiligung an den Betriebsdefiziten. der Privatbahnen unter gewissen Voraussetzungen in die Kompetenz des Bundes einbezogen werden können, so wird in dem nunmehr vorliegenden Falle -der Hülfsleitung durch Gewährung von Elektrifizierungsdarlehen ·
die Zuständigkeit . ebenfalls nicht bestritten werden können.

... Ob dem Bunde nach der Verfassfang auch
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gewährung zu zwingen, braucht hier nicht untersucht zu werden, ·du die Vorlage die Ausübung eines derartigen Zwanges nicht vorsieht. Die ganze Hülfsaktion ist auch hier, wie in dem Bundesbesehlusse vom 18. Dezember 1918 über Hulfeloistung an notleidende Transportunternehmungen, auf dem Grundsatze der freien Vereinbarung zwischen Bund, Kantonen und hülfesuchender Transportanstalt aufgebaut. Die Anteilnahme der Kantone an der Elektrifizierung der Privatbahnen bleibt ganz ihrem Ermessen anheirngestellt. Allerdings wird der Bund seine Hülfe nur dann gewähren, wenn die interessierten Kantone ihrerseits, gegebenenfalls in Verbindung mit den Gemeinden, bereit sind, die Hälfte des Darlehens mit zu übernehmen.

Der Zweck der geplanten Hülfsaktion besteht darin, einerseits unsere wirtschaftliche Abhängigkeit vom Auslande zu vermindern und anderseits den Transportunternehmungen durch die Einführung der elektrischen Zugsförderung einen rationelleren Betrieb zu ermöglichen. Es wird daher nicht angängig sein, nach einem bestimmten Elektrifizierungsprogramm vorzugehen oder sogar den ·Grundsatz aufzustellen, dass eine Privatbahn erst elektrifiziert werden dürfe, wenn alle gleich wichtigen Linien der S. B. B.

elektrifiziert'sind. Eine Rücksichtnahme auf das Programm der Bundesbahnen wäre höchstens in dem Sinne angebracht, dass ·durch die Elektrifizierung der Privatbahnen diejenige der S. B. B.

nicht verzögert werden darf. Dies wäre jedoch nur dann deiFall, wenn unsere Industrie auf Jahre hinaus für die Bundesbahnen voll beschäftigt würde, was aber ausgeschlossen erscheint und auch bereits aus Kreisen der Industrie als unzutreffend bezeichnet worden ist. Dagegen soll selbstverständlich die Bundeshülfe bloss dort einsetzen, wo die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Bahnen und der an ihnen unmittelbar interessierten Gegend aufzuhören beginnt und nur dann, wenn die Hälfte der Elektrifizierungskosten durch Kanton und Gemeinden aufgebracht wird. Weiter muss es sich um Transportanstalten handeln, die für den allgemeinen Verkehr des ganzen Landes oder ·eines Gebietes desselben von erheblicher Bedeutung -sind, und deren Betrieb durch die Elektrifizierung nachweisbar wirtschaftlicher wird.

Nach dem vorliegenden Entwurfe kommen nur bereits erstellte Bahnen in Betracht, die nicht gegenwärtig schon elektrisch
betrieben werden. Allerdings hatte der Verband schweizerischer Sekundärbahnen in einer Eingabe vom 2. Dezember 1918 verlangt, es möchte der Bund zur Bestreitung der Kosten der Elek-

145 trifizierung oder der durch die Elektrifizierung anschJiessender Bahnen entstehenden Sonderauslagen den bereits mit Elektrizität ·betriebenen Bahnen ebenfalls Darlehen. gewähren, und es ist in ·den Beratungen über die frühere Vorlage der Meinung Ausdruck verliehen worden, durch die Beschränkung der Hülfeleistung auf die noch nicht elektrifizierten Dampf bahnen würden diejenigen Unternehmungen unbilligerweise benachteiligt, die bereits zur elektrischen Traktion geschritten seien; gleichzeitig wurde die Frage aufgeworfen, ob die Hülfe gerechterweise nicht auch den erst noch zu gründenden Unternehmungen gewährt w.erden sollte.

Eine derartige weitgehende Unterstützungsaktioii würde aber über den Zweck der Vorlage : Begünstigung des.Überganges vom Dampfbetrieb zur elektrischen Traktion zwecks Verminderung des Kohlenverbrauchs und zur Ermöglichung eines wirtschaftlicheren Betriebes, hinausgehen.

Von der finanziellen Unterstützung durch den Bund sind «olche Bahnen ausgeschlossen, die bloss deshalb zur elektrischen Zugsförderung überzugehen wünschen, weil diese Betriebsart .grössere Annehmlichkeit bietet. Die Gewährung der Bundeshülfe ist vielmehr von der Voraussetzung abhängig, dass durch die Änderung des Traktionssystems die Wirtschaftlichkeit des Betriebes gehoben wird.

Was die Kosten der Elektrifizierung anbelangt, so ist es heute unmöglich, deren Höhe auch nur mit annähernder Sicherheit vorauszubestimmen, da sich die zukünftige Gestaltung der Mate·rialpreise und Arbeitslöhne nicht voraussehen lässt. Auf jeden Fall wird auch nach Wiedereintritt normaler Verhältnisse mit ·einer wesentlichen Erhöhung der vor dem Kriege gültigen An.-sätze gerechnet werden müssen. Wir hoffen aber, diese Steigerung für Rollmaterial und Maschinen mit 100 °/o, für Oberleitung und Riickleitung mit 60 °/o nicht zu niedrig einzuschätzen. Gegenwärtig sind die Preise allerdings noch bedeutend höher ; es dürfte aber nach Friedensschluss aller Voraussicht nach ein Rückgang eintreten.

Bei einer Baulänge der sämtlichen in Frage kommenden privaten Dampf bahnen von rund 1020km (Normalspurbahnen 560km, Schmalspurbahnen 460 km) würde unter diesen Voraussetzungen ·die Elektrifizierung einen Betrag von rund 100 Millionen Franken ·erfordern. Rechnet man für Verzinsung und Amortisation 5 °/o, für die Einlagen in den Erneuerungsfonds
il/z °/o, so würden die Mehrausgaben für Zinsen, Amortisation und Speisung des Erjieuerungsfonds jährlich zirka Fr. 6,500,000 betragen.

Btmdesblatt. 71. Jahrg. Bd. II.

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Was die Kosten für Strommiete anbetrifft, so ist zunächst festzustellen, dass der Strombedarf für sämtliche in Betracht fallende Bahnen, bei einem Verkehr, wie er im Jahre 1913 zu bewältigen war, rund 44,000,000 kWh pro Jahr beträgt. Bei einem Durchschnittspreis von 6 Rappen für die normalspurigen und von 5 Rappen für die schmalspurigen Privatbahnen gelangt man zu einer jährlichen Ausgabe für den elektrischen Strom von Fr. 2,460,000. Für Normalspurbahnen ist deshalb ein höherer Strompreis vorzusehen, weil hier die Energie aus neuen Kraftwerken bezogen werden muss, die gegenüber früher nur mit erheblich grösseren Kosten hergestellt werden können. Auch erfordert die Lieferung von Einphasen-Wechselstrom mit 15,000" Volt Spannung und 15--16 2/i> Perioden für die Normalspurbahnen die Aufstellung besonderer Generatoren in den Kraftwerken. Für die vorzugsweise mit Gleichstrom betriebenen Schmalspurbahnen genügt die Annahme eines Preises von 5 Rappen, weil diese in der Regel nur mit Gleichrichtern oder Umformerwerken versehen werden müssen, im übrigen aber die elektrische Energie in Form von Drehstrom aus den bereits bestehenden allgemeinen Leitungsnetzen entnommen werden kann.

Gegenüber einem Kohlenpreis vor dem Kriege von zirkaFr. 35 pro Tonne wird voraussichtlich auf Jahre hinaus unter Berücksichtigung der Fracht von der Schweizergrenze ins Innere des Landes, der Kosten für Ablad, Lagerung und Auflad auf die Tender, der Zinsen für das in den Kohlenvorräten angelegte Kapital usw. mit einem Preise von zirka Fr. 120 pro Tonne zu rechnen sein. Bei einem Verbrauch von zirka 75,000 Tonnen, wie ihn die privaten Dampfbahnen im Jahre 1913 aufvviesen,.

würden sich somit die Kosten für Kohlen auf Fr. 9,000,000 belaufen. Daraus ergibt sich für die elektrische Zugsförderung pro Jahr eine Ersparnis von zirka Fr. 6,540,000 an Traktionskosten gegenüber diesen Kosten beim Dampfbetrieb.

Diesen Minderausgaben für Betriebskraft von Fr. 6,540,000 stehen nun allerdings die jährlichen Mehrleistungen an Zinsen für den Umbau zum elektrischen Betrieb und für die Einlagen in den Erneuerungsfonds, in der Höhe von Fr. 6,500,000 gegenüber, so dass sich die absoluten jährlichen Minderausgaben tatsächlich auf etwa Fr. 40,000 reduzieren, eine Ersparnis, die sich angesichts der Unsicherheit ihrer Komponenten leicht in eine etwelche Mehrausgabe verwandeln kann.

Die nachstehende, auf der Basis des Verkehrs von 1913 aufgestellte Tabelle gestattet zu berechnen, welche Ergebnisse zu

147' erwarten sind, je nachdem die Höhe der Umbaukosten und der Zinsfuss oder die Einheitspreise für die Kohlen oder die elektrische Energie steigen oder sinken sollten: Schmalspurbahnen, Normalspur- ausschliesslieh eigentTotal bahnen liehen Bergbahnen Baulängen rund km 460 560 1020 Elektrifizierungskosten, der km rund Fr.

105 000 86000 Total ,, .,, 60 000 000 40 000 000 100 000 000 27000 Kohlenverbrauch t 75000 48 000 Kosten der Kohle, die 120 Tonne . .' . Fr.

120 9 000 000 Total . ,, 5 760 000 3 240 000 Energiebedarf, primärer hochgespannter Wechselstrom rund kWh 26 000 000 18 000 000 44 000 000 Kosten der elektrischen 5 Energie, die kWhRp.

6 Total rund* Fr.

560 000 900 000 2 460 000 Minderkosten der Betriebskraft . . Fr.

6 540 000 4 200 000 2 340 000 Mehrausgaben für Zinsen, Amortisation u.

Erneuerungsfonds Fr.

6 500 000 3 900 000 2 600 000 Ersparnisse bei Elek40000 trifikation . . Fr.

--260 000 300 000 (Mehrkosten) Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass die oben stehenden Berechnungen den Umbau des g e s a m t e n , gegenwärtig noch mit Dampf befahrenen Privatbahnnetzes (mit Ausnahme der reinen Touristenbahnen) zur Voraussetzung haben.

Beschränkt man die Elektrifizierung auf die hierfür angesichts ihrer Zugsdichtigkeit oder des Längenprofiles besonders geeigneten Bahnen, und für diese ist die G-esetzesvorlage zunächst bestimmt, so ergeben sich natürlich für den elektrischen Betrieb wesentlich günstigere Vergleichszahlen.

Wenn sich auch für einen Teil der Bahnen heute schon eine namhafte Verminderung der Ausgaben durch den Umbau für die elektrische Traktion rechhungsmässig nicht feststellen lässt, so ist, abgesehen von der grössern Annehmlichkeit, eine Reihe

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von Umständen in Betracht zu ziehen, die in der Zukunft auf die Betriebsergebnisse günstig einwirken werden. So dürften, unter Voraussetzung zweckmässiger Bauart der elektrischen Triebfahrzeuge, die Kosten ihres Unterhaltes kleiner ausfallen als diejenigen der Dampflokomotiven ; auch wird bei einer Anzahl von Bahnen durch Einführung der einmännigen Bedienung der Triebfahrzeuge etwas zu ersparen sein. Endlich werden sich durch die Möglichkeit besserer Fahrplangestaltung die Einnahmen steigern lassen.

Das V e r f a h r e n lehnt sich an dasjenige bei der Hülfeleistung zum Zwecke der Deckung der Betriebsdefizite gemäss dem Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1918 an, mit einigen Ausnahmen, die nachstehend erörtert werden sollen. Ein Hauptunterschied besteht darin, dass den bevorrechteten Gläubigern das Recht des Einspruches nicht zusteht. Für die Schaffung eines solchen Hechtes liegt auch keine Veranlassung vor. Sollte man einwenden, dass das in Art. 8 des Entwurfs vorgesehene gesetzliche Pfandrecht einen nicht unbedeutenden Eingriff in die wohlerworbenen Rechte der Obligationäre bilde, welcher Umstand das Recht des Einspruchs als begründet erscheinen lasse, so müssen diese Bedenken zurücktreten, sobald man sich vergegenwärtigt, dass die Beteiligung an den Elektrifizierungskosten nicht aus privatwirtschaftlichen Erwägungen, sondern aus Gründen des allgemeinen Wohles erfolgt, und dass diese Massnahme gleichzeitig eine Amélioration des Unterpfandes bilden soll.

Durch die Beiträge an die Kosten der Elektrifizierung wird der Wert der Unternehmungen, nicht nur mit Hinsicht auf die Anlagen, sondern namentlich infolge der Verbilligung des Betriebes, vermehrt. Damit steigt die Sicherheit für die bisherigen, durch Pfandrecht gedeckten Gläubiger. Da diese Wertvermehrung weder durch den Schuldner, noch durch die bisherigen Gläubiger ins Werk gesetzt wird, so hat derjenige, der hierfür Leistungen gemacht hat, einen Anspruch auf den Schutz seiner Interessen, der als recht und billig anerkannt werden darf.

Denselben Erwägungen entstammt das gesetzliche Pfandrecht der Baugläubiger (ZGB Art. 837 ff.) und das gesetzliche Pfandrecht, welches das Zivilrecht den Gläubigern gewährt, die de» Wert des Unterpfandes erhöhen, und das unter Umständen als allen ändern Pfandrechton vorgehende Belastung anerkannt wird (Art. 808, 810).
Vorgehende Pfandrechte werden aus demselben Gesichtspunkte auch für Forderungen für Bodenverbesserungen zugebilligt (ZGB Art. 820, Absatz 1), und die Kantone haben schon im früheren Recht bei verschiedenen Gelegenheiten

149 für Leistungen, die den Wert eines Grundstückes zu erhöhen imstande waren, von Gesetzes wegen ein vorgehendes Pfandrecht aufgestellt. Es sei nur an das Pfandrecht für aus der Uferschutzpflicht gemachte Leistungen und an dasjenige für Vorschüsse zur Einführung der harten Bedachung erinnert (vgl. Huber, Schweiz.

Privatrecht, Bd. III, S. 526 f.). Diesen Beispielen darf man unbedenklich in Bezug auf die Kosten der Elektrifizierung folgen.

Über ein solches Legalpfandrecht dürfen sich die nachgehenden, bereits vorhandenen Pfandgläubiger schon deshalb nicht beklagen, weil sie infolge der Werterhöhung des Unterpfandes normalerweise in ihrer Sicherung dadurch nicht geschädigt werden. Umgekehrt würde ihnen eine ihren Ansprüchen n a c h g e h e n d e Sicherung dieser Gelder einen Vorteil verschaffen, auf den sie keinen Anspruch haben.

Die Einwendungen, die in der Eingabe der Vereinigung von Vertretern des schweizerischen Bankgewerbes, vom 30. November 1918 gegen dieses Pfandrecht erhoben werden, erweisen sich somit nicht als stichhaltig.

Immerhin muss dieses Vorzugspfandrecht, das im volle» Umfange der Forderung allen ändern pfandrechtlichen Belastungen und Vorrechten vorgeht, dadurch eine Einschränkung erfahren, dass der gemäss Artikel 8 des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1918 über die Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen privilegierte Teil der Betriebsdefizitforderungen den gleichen Rang einnimmt.

Das Vorzugspfandrecht besteht natürlich nicht bloss für den Anteil des Bundes, sondern für den ganzen Betrag der finanziellen Hülfeleistung, einschliesslich des Beitrages der Kantone und der Gemeinden, sowie der Ansprüche allfälliger privater Darleiher, die mit Zustimmung des ßundesrates die Mittel für die Elektrifizierung vorgestreckt haben.

Da dem Bunde unter Umständen erhebliche Leistungen zugemutet werden, rechtfertigt es sich, die zwischen Bund, Kantonen und der Transportanstalt abzuschliessende Vereinbarung, sobald die vom Bunde zu bringenden Opfer eine bestimmte Höhe überschreiten, der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Zu bemerken ist ferner, dass für den Fall des Rückkaufes einer Unternehmung, die dem Bunde Elektrifizierungsbeiträge schuldet, eine Bestimmung in die Vorlage aufgenommen wurde, die verhindert, dass der Bund mit seinem Darlehen zu Schaden kommt, trotzdem er bei der Berechnung des Rückkaufspreises unter Umständen einen höhern Betrag gerade aus dem Gründe

150 zu entrichten hätte, weil er durch seine Hülfe die Herbeiführung einer höheren Rentabilität des Unternehmens mitveranlasst hat.

Der Bund wird daher für den Fall des Rückkaufs ermächtigt, seine Darlehensforderung gegen das Unternehmen mit Kapital und Zinsen in einem Betrag geltend zu machen, der seinen Selbstkosten entspricht.

Da Bund und Kantone ihre Unterstützung zum Zwecke der Elektrifizierung im Interesse der Allgemeinheit gewähren, so rechtfertigt es sich, dass die Opfer, die diese Gemeinwesen bringen, ihnen zurückvergütet werden, bevor eine Aktiendividende ausgerichtet werden darf. Aus diesem Grunde bestimmt die Vorlage, dass ein allfälliger Reingewinn, soweit die Vorschriften des Bundesbeschlusses über die Hülfeleistung an notleidende Tnmsportanstalten vom 18. Dezember 1918 es gestatten, zunächst zur Rückvergütung der hei der Gewährung des Elektrifiziernngsdarlehens bewilligten Zinscrmässigung zu verwenden sei.

Die in Art. 10 vorgesehene Kommission soll eine Gewähr dafür bieten, dass im einzelnen Falle nach richtigen wirtschaftlichen und technischen Grundsätzen vorgegangen wird und dass die Elektrifizierung da unterbleibt, wo sie sich von diesen Gesichtspunkten aus nicht rechtfertigt. Dies wird auch dann deiFall sein müssen, wo ein solcher Übergang zum elektrischen Betrieb nachweisbar störend auf die Durchführung der Elektrifizierung der S.B.B, einwirken müsste.

Die Kommission wird sich endlich darüber gutachtlich zu äussern haben, in welchem Masse und unter welchen finanziellen und technischen Bedingungen die Bundeshülfe einzutreten hat.

Wir erblicken in dieser Fachkommission einen wirksamen Schutz gegen jede unwirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel.

Wir empfehlen Ihnen den nachfolgenden Entwurf eines Bnndesgesetzes zur Annahme und benützen diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 25. April 1919.

Im Namen des Schweiz, ßundesrates, D e r B u n d e s p r ä si d e n t : Adoi1.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Steiger.

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Bimdesgesetz über

die Unterstützung von Privatbahnen zum Zwecke der Einführung des elektrischen Betriebes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 25. April 1919, b es ch l i e sst : Art. 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, gemäss den nachstehenden Bestimmungen in Verbindung mit den Kantonen und Gemeinden diejenigen Privatbahnen, die für den allgemeinen Verkehr des Landes oder eines Gebietes desselben von erheblicher Bedeutung sind, zum Zwecke der Einführung der elektrischen Zugsförderung zu unterstützen, sofern dadurch die Wirtschaftlichkeit des Betriebes nachweisbar gehoben werden kann.

Bahnunternehmungen, die im wesentlichen nur dem Ortsverkehr, Touristenverkehr und dem Hotelgewerbe dienen, haben auf diese Unterstützung keinen Anspruch. .

Art. 2. Die Bahn Unternehmung, die eine solche Unterstützung in Anspruch nehmen will, hat mit dem Gesuche um deren Anordnung eine vollständige Projektvorlage mit verbindlichem Kostenvoranschlag einzureichen und dabei den Nachweis zu leisten, dass ihr die Möglichkeit des Bezuges der für den Betrieb der Bahn nötigen elektrischen Energie gesichert ist.

Art. 3. Das Gesuch wird durch die Verwaltung der Unternehmung dem Bundesrate vorgelegt, welcher endgültig darüber «ntscheidet, ob die Voraussetzungen für die Unterstützung vorhanden sind.

Art. 4. Die Unterstützung erfolgt auf der Grundlage eines Zusammenwirkens des Bundes mit den beteiligten Kantonen, denen anheimgestellt ist, auch Gemeinden beizuziehen.

Art. 5. Es ist in jedem einzelnen Falle eine freie Vereinbarung zwischen der Bahnunternehmung einerseits und dem Bund,

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sowie den beteiligten Kantonen bzw. Gemeinden anderseits abzusehliessen.

Gegenstand der Vereinbarung ist entweder die Gewährung von Darlehen au die Unternehmung in der Höhe der ganzen Kosten der Elektrifizierung oder eines Teiles derselben oder die Leistung eines Beitrages an die Verzinsung der von privaten Darleihern aufgebrachten Beträge, wobei die Unterstützung gewährenden Gemeinwesen eine Forderung an die Unternehmung im Umfange ihrer Leistungen erlangen.

Die Unterstützung in der einen oder ändern Form erfolgt in der Weise, dass der Bund die eine, die Kantone, eventuell mit Gemeinden, die andere Hälfte tragen.

Sind bei der Unterstützung mehrere Kantone beteiligt, so sind für die Hohe ihrer Beteiligung massgebend die Länge der auf die einzelnen Kantone fallenden Betriebsstrecken, sowie die Zahl der Stationen und ihre Bedeutung. Sind mehrere Gemeinden beteiligt, so wird auf die Bedeutung der einzelnen Stationen abgestellt. Wenn die Kantone bzw. Gemeinden grundsätzlich bereit sind, die ihnen auffallende Hälfte der Leistung zu übernehmen, jedoch über die Verteilung dieser Hälfte unter sich eiue Verständigung nicht erzielen können, so ist in die Vereinbarung eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der Bundesrat diese Verteilung vornimmt.

Über die Beteiligung privaten Kapitals an solchen Darlehen werden im einzelnen Falle die erforderlichen Vereinbarungen "D'getroffen.

Art. 6. Die Elektrifizierungsdarlehen sind zu einem in jedem Falle besonders zu vereinbarenden Zinsfusse, mindestens abor mit 3 %, zu verzinsen und mit eins vom Hundert zu amortisieren.

Die Höhe des Zinsfusses richtet sich nach der finanziellen Lage der Unternehmung.

Ergibt sich ein Reingewinn, so ist dieser unter Vorbehalt von Art. 9 des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1918 über Hülfeleistung an notleidende Transportunternehmungen zunächst zur Rückvergütung der bei der Gewährung des Elektrifizierungsdarlehens bewilligten Zinsermässigung zu verwenden.

Art. 7. Übersteigt der Anteil des Bundes am Darlehen zwei Millionen Franken oder beträgt der jährliche Zinsverlust des Bundes im einzelnen Falle mehr als Fr. 40,000, so ist die Ver, einbarung der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

153: Art. 8. Die Leistungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden oder der privaten Darleiher, die auf Grund dieses Gesetzes den Bahnunternehmungen zum Zwecke der Elektrifizierung gemacht werden, einschliesslich aller rückständigen Zinse,.

haben von Gesetzes wegen ein Pfandrecht an dem Unternehmen, das allen im Zeitpunkte der Darlehensgewährung bereits auf dem.

Unternehmen lastenden Pfandrechten, mit Ausnahme des Vorzugspfandrechtes für Forderungen aus der Gewährung von Betriebsdefizitdarlehen, mit dem sie im gleichen ersten Range stehen, vorgeht.

Art. 9. Bei einem allfälligen Rückkauf des Unternehmens durch den Bund kann dieser seine Darlehensforderung nebst Zinsen wie ein anderer Gläubiger geltend machen. Dabei kann.

der Bund für die Dauer des Darlehens diejenigen Zinsen beanspruchen, die er zur Zeit der Gewährung der Unterstützung selbst zu entrichten hatte. Die Forderungen des Bundes werden vom Rückkaufspreis abgezogen.

Besondere Vereinbarungen zwischen dem Bunde und deib übrigen Beteiligten bleiben vorbehalten.

Art. 10. Der Bundesrat wählt auf die ordentliche Amtsdauereine Kommission von 7 bis 9 Mitgliedern. Darin sollen die Volkswirtschaft, das Finanzwesen, die Elektrotechnik, die Bundesbahnen, sowie die privaten Transportunternehmungen vertreten sein. Das Eisenbahndepartement ist berechtigt, sich bei dea Sitzungen der Kommission vertreten zu lassen.

Die Kommission begutachtet die einlaufenden Unterstüteuugsgesuche und stellt dem^Eisenbahndepartement Antrag darüber, ol> die Voraussetzungen für die Unterstützung vorliegen und unter O ö O welchen finanziellen und technischen Bedingungen sie gewährt werden soll. Sie äussert sich überdies über alle diejenigen allgemeinen Fragen betreffend die Elektrifizierung von Transportunternehmungen, die ihr vom Eisenbahndepartement zur Prüfung, und Berichterstattung vorgelegt werden.

Art. 11. Der Bundesrat entscheidet, ob und wieweit diesesGesetz Anwendung findet auf Verbindlichkeiten, die im Hinblick auf dasselbe seit dem 1. Juli 1918 eingegangen worden sind.

Art. 12. Der Bundesrat setzt den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes fest.

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07.05.1919

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