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mit schweizerischer Gesetzsammlung, 7l. Jahrgang.

Bern, den 22. Januar 1919.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 18 franken im Jahr, 6 Franken im Halbjahr, znzKglicii ,,Nachnahme- and Postbestellangsgebühr".

Einritdningsgeblthr : 1B Rappen die Zelle oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Bnchäruckerei Stämpßi & de. in Bern.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an die kantonalen Regierungen betreffend die Landesversorgung mit Lebensmitteln.

(Vom 17. Januar 1919.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Der Bundesrat ist, wie Sie alle wissen, aufs ernstlichste gesonnen, die Verordnungen, welche die Freiheit des Handelsverkehrs beeinträchtigen, so bald als möglich aufzuheben.

Es wäre indessen ein grosser Irrtum, zu glauben, wie es bei unserem Volke leider der Fall ist, die Vorschriften, welche Handelsfreiheit und Verbrauch einschränken, seien mit dem Abschluss der Waffenstillstände überflüssig geworden. Diese Vorschriften und Einschränkungsbestimmungen, nur nach reiflicher Erwägung und nur zum gemeinen Wohle erlassen, sind die Folgen der wirtschaftliehen Lage unseres Landes und der vom Auslande getroffenen Massnahmen ; diesen Folgen vermögen wir uns aber heute weniger noch als während des Krieges zu entziehen.

Gegenwärtig ist unmöglich vorauszusehen, welche Rückwirkungen die politischen Ereignisse, die sich im Auslande abspielen, und die Beschlüsse des Friedenskongresses auf unser Land haben werden.

Die gegenwärtige Übergangsperiode kann nicht die Verhältnisse der Jahre vor 1914 wiederbringen. Die Tatsache muss also ins Auge gefasst werden, dass die bestehenden Vorschriften erst nach einiger Zeit abgeschafft werden können. Nach einer Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. I.

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aufmerksamen Prüfung aller wirtschaftlichen Umstände müssen wir uns bewusst werden, dass jeder Verlass auf eine tatsächliche Besserung der Lebensmittelversorgung unseres Landes verfrüht wäre. Tatsächlich ist heute die Entente allein imstande, die Welt mit Lebensmitteln zu versorgen ; die Transportschwierigkeiten sind aber ausserordentliche.

Die Kohleneinfuhr ging auf ein Sechstel der Einfuhr vor dem Kriege zurück.

Hinsichtlich der verfügbaren Weltstocks darf man nicht aus dem Auge lassen, dass die Länder, die kaum den Krieg hinter sich haben, keinerlei Vorräte besitzen und gewaltige Bedürfnisse zu befriedigen haben. Die überall in anderen Ländern verfügbaren Weltvorräte werden kaum genügen, um die grösste Not zu lindern.

Die Getreideversorgung wird im wesentlichen von der Jahresernte 1919 abhängen. Man wird also an eine Aufhebung der Brotkarte erst denken dürfen, wenn eine reiche Ernte in die Scheune gebracht sein wird. Es ist bezeichnend genug, dass die ehemaligen Kornkammern Europas, Russland und Rumänien, heute gezwungen sind, selber Getreide einzuführen.

Fleisch, Fett und Leder sind auf dem Weltmarkte nur in Quantitäten da, die weit unter der Nachfrage bleiben. Der ungeheure Verbrauch der kriegführenden Länder hat alles verschlungen.

Der Schluss, der sich aus diesen Darlegungen ergibt, ist die Pflicht, die einheimische Produktion möglichst zu vermehren.

Die einträchtige Hülfe aller, die guten Willens sind, ist unerlässlich zur Erreichung dieses Zieles.

Die vor dem Kriege so reichliche Milcherzeugung ist leider ungenügend geworden. Dieser Mangel entspringt aus der Verminderung der Grasbaufläche infolge der Vermehrung des Getreidebaues, aus dem fast vollständigen Fehlen der Kraftfuttermittel und aus dem Ausfall an Kunstdünger.

Die vom hygienischen Gesichtspunkte aus so wünschenswerte Vermehrung der Milchproduktion wird erst dann eintreten, wenn wir zu annehmbaren Preisen Kraftfuttermittel für unser Vieh erhalten werden.

Wir dürfen mit Recht auf eine Besserung in der Landesernährung hoffen, aber unbestreitbar wird die Kurve unserer ökonomischen Depression, die während der letzten Jahre sich so gewaltig senkte, erst nach der Welternte 1919 endgültig wieder zu steigen beginnen.

113 Diese Erwägungen auferlegen uns die Pflicht, noch während geraumer Zeit die getroffenen Massnahmen zum Gesamtwohle des Landes aufrecht zu erhalten.

Wir sind überzeugt, getreue, liebe Eidgenossen, dass die kantonalen Regierungen, angesichts der klar vor Augen liegenden Schwierigkeiten der nächsten Zeit, nicht umsonst an das angeborene Pflichtgefühl und an die aufgeklärte Vaterlandsliebe der Bürger appellieren werden, um sie anzuspornen, die Versorgung des Landes mit Lebensmitteln zu erleichtern.

Wir ergreifen auch diese Gelegenheit, getreue, liebe Eidgenossen, Sie samt uns dem Machtschutze Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 17. Januar

1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Schweizerische Bundesversammlung.

Der Bundesrat hat für die am Montag den 27. Januar 1919, nachmittags 4 Uhr, beginnende Fortsetzung der ordentlichen Wintertagung der schweizerischen Bundesversammlung (8. Tagung der XXIV. Amtsdauer) folgende Verhandlungsgegenstände festgestellt : NB. Die Zahlen in Klammern = fortlaufende Kontrollnummern der Drucksachen, n = Erstbehandlung beim Nationalrate. s = Erstbehandlung beim Ständerate.

1.

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4.

-- (996) (575) (536)

n n n

Wahlaktenprüfung.

Ruhegehalte für die Bundesräte.

Blassnahmen zur Sicherung der Neutralität.

Unterstellung von Staatsverträgen unter das Referendum. Volksbegehren.

5. (541) s Schweizerisch-französische Erklärung betreffend Marokko.

6. (606) s Schiedsvertrag mit Italien.

7. (790) s Revision von Art. 95 B.-V. (Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Bundesrates von sieben auf neun.)

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an die kantonalen Regierungen betreffend die Landesversorgung mit Lebensmitteln. (Vom 17. Januar 1919.)

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Jahr

1919

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

03

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.01.1919

Date Data Seite

111-113

Page Pagina Ref. No

10 026 980

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