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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 7l. Jahrgang.

Bern, den 14. Mai 1919.

Band IL

Erscheint wöchentlich. Preis 13 Franken im Jahr, 6 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 15 Kappen die Zeile oder deren Baum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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zu 1034

III. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungs$gesuche (Sommersession 1919).

(Vom 6. Mai 1919.)

Wir ' beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 54. Eugen Calarne, geb. 1898, gewesener Aushülfsbriefträger, zurzeit in der Strafanstalt Witzwil (Bern).

{Fälschung einer Bundesakte und Privaturkunde, Unterschlagung.)

Eugen Calarne wurde am 28. Mai 1918 von den Geschwornen des Assisenhofes des IV. Geschwornenbezirkes des Kantons Bern' schuldig erklärt der Fälschung einer Bundesakte, begangen am 11. August 1917 in Biel dadurch, dass er auf einem Bestellbogen der schweizerischen Postverwaltung die Unterschrift G. Houriet gefälscht und die so verfälschte Urkunde wissentlich geltend gemacht hatte, ferner der Fälschung einer Privaturkunde, begangen dadurch, dass er am 10. August 1917 auf einem Mandatkarton die Quittung der Empfängerin gefälscht hatte, und der Unterschlagung zum Nachteil der schweizerischen Postverwaltung in vier Fällen, wobei derGesamtwert der Unterschlagungen Fr. 300 überstieg.

Calarne beging dies alles als Angestellter der schweizerischen Postverwaltung.

Die Geschwornen nahmen weiter an, Calarne habe im Zustande geminderter Zurechnungsfähigkeit gehandelt und billigten ihm mildernde Umstände zu.

Gestützt auf den Wahrspruch der Geschwornen und in Anwendung der Art. 61, 54 a, 58, 33, 32 b des BundesstrafBundesblatt. 71. Jahrg. Bd. II.

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rechtes und einer Reihe kantonaler Gesetzesbestimmungen verurteilte die Assisenkammer des Kantons Bern den Angeschuldigton peinlich zu 18 Monaten Zuchthaus, abzüglich 6 Monate Untersuchungshaft.

Die Mutter des Verurteilten wendet sich nunmehr an die Begnadigungsbehörde mit der Bittschrift, ihrem einzigen Sohn den noch nicht erstandenen Teil der Strafe zu erlassen. Er bereue seine unrechtmässigen Handlungen aufrichtig. Der über die Eltern hereingebrochene Kummer habe den Vater des Verurteilten ins Grab gebracht. Auch sie liege schwer krank darnieder, und man möge ihr den Sohn in ihren letzten Tagen noch zurückgeben.

: Calarne ist zurzeit in der Strafanstalt Witzwil und wird seine Gefängnisstrafe Ende Mai 1919 erstanden haben.

Es handelt sich um traurige Familien- und Erziehungsverhältnisse. Wir verweisen hierfür auf das umfangreiche ärztliche Gutachten der Direktion der Irrenanstalt Waldau, Akten S. 127 ff.

In den Urteilserwägungen wird festgestellt, Calarne scheine ein nicht ungefährlicher, verbrecherisch veranlagter, .moralisch gänzlich heruntergekommener Bursche zu sein, der jedenfalls einer strengen und während längerer Dauer auf ihn einwirkenden Strafe bedarf, wenn er nocb gebessert werden soll.

Der Direktor der Strafanstalt Witzwil berichtet, Calami1, habe im Anfang der Strafzeit zu vielen Klagen Anlass gegeben, sowohl durch sein Betragen als auch durch seine Arbeitsleistungen.

Obwohl es in letzter Zeit besser gehe, könne nicht mehr als ein Zwölftel Nachlass empfohlen werden.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung des Gesuches.

Das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement wies am 17. Februar 1919 das Begehren um Strafaufschub ab. Da die Strafe zurzeit der Behandlung des Begnadigungsgesuches durch die Bundesversammlung erstanden sein wird, beantragen wir Nichteintreten.

A n t r a g : Nichteintreten.

55. Hermann Halter, geb. 1889, Drogist.

56. Hartwig Hübner, geb. 1882, Kaufmann, beide in Wallisellen (Zürich).

(Verfälschung einer Bundesakte.)

Vom Bezirksgericht Bülach wurden am 3. Oktober 1918 Hermann Halter der Fälschung einer Bundesakte und Hartwig-

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Hühner der Begünstigung hierzu schuldig erklärt und in Anwendung der Art. 24"und 61 des Bundesstrafrechtes Halter zu einem; Tag Gefängnis und Fr. 20 Busse, Hübner zu Fr. 20 Busse verurteilt; Die Firma Martin Keller in Zürich war ursprünglich für den Januar 1918 von der Warenabteilung des eidgenössischen Ernährungsamtes mit 50 Liter Brennstoff vorgemerkt. Da Keller der Warenabteilung jedoch die Dezemberbezugskarte zwecks Er-1 neuerung erst nach dem 15. Januar übermittelte, wurden die 50 Liter auf 25 herabgesetzt. Die Zahl 50 wurde deshalb gestrichen, neben diese derart als ungültig gekennzeichneten Ziffern die Zahl 25 gesetzt und die Karte hierauf dem Bezüger zugestellt.

Nachträglich wurde nun die Zahl 25 mehrfach durchstrichen und die von der Warenabteilung gestrichene Zahl 50 unterpunktiert, um sie wiederum als geltend darzustellen.

Das gerichtliche Verfahren stellte fest, dass diese Veränderungen von dem Drogisten Hermann Halter ausgegangen waren, dem die Bezugskarte Keller von Hartwig Hübner, einem Angestellten Kellers, zur Lieferung von Brennstoff ausgehändigt worden war.

Halter gegenüber wurde jedoch die Brennstofflieferung von einem Grossisten in Anbetracht der Veränderungen auf der Bezugskarte verweigert, worauf Halter die Bezugskarte an Hühner1 zurücksandte. Dieser seinerseits wollte das Vorangegangene verschleiern, indem er die beiden Zahlen mit Tinte übergoss, die Zahl 25 auskratzte und die Unterpunktierung der Zahl 50 unleserlich zu machen suchte.

Die von den beiden Verurteilten erklärte Appellation wurde zurückgezogen. Dagegen reichen sie jetzt ein gemeinsames Begnadigungsgesuch um Erlass der Strafen ein.

Zu den beanstandeten Machenschaften soll die Abänderung der Bezugskarte durch die Warenabteilung den Anstoss gegeben haben. Das zweideutige Ergebnis habe eine Richtigstellung erforderlich gemacht, was zu Unrecht als Fälschung betrachtet werde. Es wird wiederholt, ein unrechtmässiger Vorteil sei nicht beabsichtigt gewesen, und das Vorhandensein einer strafbaren Handlung wird erneut bestritten. Die Vorschriften über die Brennstoffversorgung seien nunmehr aufgehoben, die Strafen brächten dem Staate keinen Gewinn, dagegen gehe es um die Ehre zweier bisher unbescholtener Bürger. Die Gesuchsteller hätten die Appellation fallen gelassen, um dafür im Begnadigungswege eine gesunde, freie Beurteilung nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern im Sinne der Gerechtigkeit zu erlangen.

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Mit der Direktion dur Polizei des Kantons Zürich sind wir der Meinung, das urteilende Gericht habe den Verhältnissen und dem bisherigen guten Leumund der Gesuchsteller bei der Strafausmessung in genügender Weise Rechnung getragen und deshalb auch der schon von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ausgesprochenen Ansicht, es liege zu einer Begnadigung keine Veranlassung vor.

A n t r ä g e : Abweisung beider.

57. Isidor Meier, geb. 1887,

Landwirt, Hägglingen (Aargau).

(Eisenbahngefährdung, Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, Misshandlung und Tierquälerei.)

Isidor Meier wurde am 19. Oktober 1918 vom Bezirksgericht Bremgarten schuldig erklärt der vorsätzlichen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs gemäss Art. 67 des Bundesstrafrechtes, eines Vergehens gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäss § l des aargauischen Zuchtpolizeigesetzes, der Misshandlung und der Tierquälerei nach kantonalem Strafrecht und hierfür zu einer Gefängnisstrafe von acht Tagen und einer Geldbusse von Fr. 100 verurteilt.

Die von Meier gegen das erstinstanzliche Urteil eingereichte Beschwerde wurde vom Obergericht des Kantons Aargau abgewiesen.

Isidor Meier gefährdete am 19. August 1918 die Bahn Wohlen-Bremgarten-Dietikon dadurch, dass er zwischen zwei Stationen einem Zug mit einem zweispännigen Landauer vorfuhr, ihn dreimal zum Anhalten veranlasste und schliesslich einen Zusammenprall verursachte, wodurch der Bahn einen Schaden von Fr. 50 zugefügt wurde. Der Beklagte war des Fahrens mit Pferden unkundig und überdies betrunken.

Anlässlich der Aufforderung zur Namensangabe benahm er sich gegenüber dem pflichtgemäss vorgehenden Bahn- und Polizeipersonal widerspenstig und versetzte einem Bahnbeamten einen Peitschenhieb. Erwiesen ist schliesslich, dass er die Pferde, wohl um dadurch die-Flucht zu bewerkstelligen, mit der Peitsche misshandelte.

Für Isidor Meier wird das Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe gestellt.

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Die Bundesversammlung ist gemäss beständiger Übung zur Behandlung des Begnadigungsgesuches im ganzen Umfange zuständig, da die der Gesamtstrafe zugrundeliegende verwirkte schärfste Strafe dem eingenössischen Recht entnommen wurde.

Das Begnadigungsgesuch wiederholt im allgemeinen die Beschwerdebegründung an die obere kantonale Gerichtsbehörde.

Insbesondere schildert das Gesuch erneut in ausführlicher Weise die ausgelassene Stimmung der Hochzeitsgesellschaft, in der sich Meier befand, und die verschiedenen Verumstandungen, die den beanstandeten Vorkommnissen vorangingen, um die Trunkenheit Meiers als entschuldbar darzustellen. Desgleichen wird die Bestreitung der Tierquälerei aufrechterhalten. In Anbetracht des bisherigen Vorlebens des Gesuchstellers, seiner erstmaligen Verfehlung und auch des Umstandes, dass keine nennenswerte Schädigung erfolgte, sei es mangels eines Gesetzes über den bedingten Straferlass Sache der Begnadigungsbehörde, entgegenzukommen und jedenfalls die Gefängnisstrafe .zu erlassen.

Das Begnadigungsgesuch enthält in der Hauptsache Anbringen, die den Gerichtsbehörden gegenüber bereits geltend gemacht wurden. Diese hielten eine empfindliche Bestrafung mit Gefängnis und Geldbusse ausdrücklich für gerechtfertigt.

Immerhin können wir mit Rücksicht auf den sonst guten Leumund des Gesuchstellers einen teilweisen Erlass der Gefängnisstrafe befürworten, da böser Wille nicht vorgelegen und die Feststimmung der Beteiligten zu den Vorfällen viel beigetragen hat.

A n t r a g : Herabsetzung der Gefängnisstrafe auf drei Tage.

58. Jakob Müller, geb. 1897, Hausierer, Rohrbach (Bern).

59. Hans Lehmann, geb. 1878, Angestellter des eidgenössischen Zeughauses, Bern.

60. Albert. Gränicher, geb. 1896, Commis, Biel (Bern).

61. Robert Huber, geb. 1887, Schlosser, Littau (Luzern).

62. Paul Wilde, geb. 1893, Bildhauer, Reinach (Baselland).

63. Franz Wilde, geb. 1895, Bildhauer, Reinach (Baselland).

(Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes).

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden :

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a. Jakob Müller am 19. Februar 1919 von der Ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu zwei Tagen Gefängnis, die Ersatzabgabe von Fr. 22.50 für 1918 betreffend ; b. Hans Lehtnann am '2. November 1918 von der Ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu zwei Tagen Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot, die Ersatzabgabe von Fr. 37.30 für 1917 betreffend; c. Albert Gränicher am 22. Februar 1918 vom korrektionellen Einzelrichter des Amtsbezirkes Biel zu drei Tagen Gefängnis und sechs Monaten Wirtshausverbot, die Ersatzabgabe von Fr. 58. 30 für 1917 betreffend; d. Robert Huber am 14. Januar 1918 vom Amtsgericht LuzernLand zu zehn Tagen Gefängnis, die Ersatzabgaben für die Jahre 1914 und 1915 betreffend; e. und f. Paul und Franz Wilde am 18. Februar 1919 vom Polizeigericht Ariesheim der erste zu drei Tagen, der zweite zu einem Tag Gefängnis, Hie Ersatzabgaben für das Jahr 1918 betreffend.

Zu a. Jakob Müller schreibt, er habe durch Unfall die Finger der linken Hand eingebüsst. Seinen Lebensunterhalt verdiene er nunmehr durch Hausieren. Mit dem geringen Verdienst müsse er Frau und Kind erhalten, weshalb ihm die Entrichtung des Militärpflichtersatzes unmöglich sei. Da er trotzdem verurteilt worden sei, möge man ihm Gefängnisstrafe und Kosten im Begnadigungswege erlassen.

Der zuständige Regierungsstatthalter und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung des Gesuchstellers, deibei gutem Willen wohl imstande gewesen wäre, den geschuldeten Betrag zu bezahlen.

Wir begnügen uns, auf die sorgfältigen Ausführungen des Einzelrichters von Aarwangen zu verweisen, die der erst- und oberinstanzlichen Verurteilung zugrunde lagen. Die im Begnadigungsverfahren wiederholte Behauptung, es sei Müller unmöglich, die Fr. 22. 50 aufzubringen, wurde nach eingehender Überprüfung von den Gerichten abgelehnt.

Dem Begnadigungsgesuch fehlt unseres Erachtens jede Grundlage. Auf das Begehren um Erlass der Kosten ist mangels Zuständigkeit überhaupt nicht einzutreten, da die Kosten in die Kantonskasse fallen.

Zu 6. Dienstbüchlein und Strafakten ergeben, dass Hans Lehmann den geschuldeten Betrag vor der oberinstanzlichen Ver-

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«rteilùng entrichtete. Lehmanri liess es dabei bis zum äussersten kommen, und sein im ganzen Verfahren an den Tag gelegtes nachlässiges Verhalten lässt es als begreiflich erscheinen, dass die Vernehmlassungen der mit derjBegnadigungssache bekannt gewordenen kantonalen Behörden auf Abweisung des Begnadigungsgesuches lauten.

Immerhin erfolgte die Verurteilung durch die Appellationsbehörde in Unkenntnis der tags zuvor stattgefundenen Begleichung der Schuld, andernfalls wäre Lehmann entsprechend der kantonalen Gerichtspraxis in ändern Fällen freigesprochen worden.

In Berücksichtigung dieses Umstandes und der ständigen Übung der Begnadigungsbehörde in derartigen Fällen beantragen wir auch hier den Erlass der Gefängnisstrafe, obschon wir uns nicht verhehlen können, dass die Aufführung Lehmanns in hohem Masse zu seinen Ungunsten spricht.

Zu c. Für Albert Gränicher ersucht der Vater um Erlass der drei Tage Gefängnis.

Der Verurteilte, von Beruf Schriftsteller, sei mangels Verdienstes und überdies wegen vorübergehender Geisteskrankheit aüsserstande gewesen, die Ersätzabgabe selbst zu entrichten.

Der geschuldete Betrag, sowohl die Personaltaxe wie der dem Vermögen der Eltern entsprechende Zuschlag, sei nunmehr bezahlt.

Mit Rücksicht auf das krankhafte Wesen des Verurteilten möge man Entgegenkommen zeigen und dem jungen Manne nicht durch Vollzug des Urteils seine Ehre nehmen, zumal da es sich um «inen Anwendungsfall der nach Ansicht des Gesuchstellers ungerechteu Anwartschaftssteuer handle.

In den Akten befindet sich ein Zeugnis der Direktion der Heilanstalt Burghölzli vom 28. Oktober 1918, das Albert Gränicher als geisteskrank bezeichnet.

Die Gemeindebehörden der Stadt Biel, der zuständige Regierungsstatthalter und die Polizeidirektion des Kantons Bern befürworten das Begnadigungsgesuch unter Hinweis auf den ärztlich bescheinigten Krankheitszustand des Verurteilten.

In Anbetracht der besonderen Verhältnisse beantragen wir, dem Gesuch zu entsprechen.

Zu d. Robert Huber, der im Jahre 1912 als Wachtmeister in einer Luzerner Rekrutenschule Feldweibeldienst verrichtete, musste in der Folge gestützt auf Art. 17 der Militärorganisation von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen werden, da

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er vom luzernischen Kriminalgericht wegen Raub, begangen unter mildernden Umständen, zu einer Arbeitshausstrafe von fünf Monaten ohne Einstellung im Aktivbürgerrecht verurteilt würde.

Zu den Ersatzpflichtigen versetzt, weigerte sich Huber brieflich gegenüber dem Sektionschef, später auch im gerichtlichen Verfahren, die für die Jahre 1914 und 1915 zugestandenermassen schuldigen Beträge zu entrichten. Huber fand, da er nicht mehr würdig befunden werde Militärdienst zu tun, habe er auch keine Steuern zu bezahlen.

Laut Dienstbüchlein erfolgte die Bezahlung der schuldigen Beträge am 7. April 1918, somit nach der gerichtlichen Verurteilung.

Das für Huber verfasste Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe schildert ihn als pflichtgetreuen Unteroffizier bis zu der verhängnisvollen Stunde, in der er in betrunkenem und unzurechnungsfähigem Zustande die strafbare Handlung begangen habe, die ihn ins Gefängnis brachte und den schmerzlich empfundenen Ausschluss aus der Armee herbeiführte. Huber berichtet über die besonderen Verumständungen in eigenen Ausführungen, aut die wir verweisen. Anschliessend schildert er ferner die erlittenen Schicksalsschläge, die ihn zum Konkursiten machten. Anlässlich der Musterung der Schiessfertigen im Jahre 1916 sei man auf ihn aufmerksam geworden und habe ihm im Sommer 1917 irrtümlicherweise eine Steuernote für die Jahre 1913, 1914, 1915 und 1917 im Betrage von Fr. 94. 50 zugestellt, trotzdem er -- was richtig ist -- den Betrag für 1913 bereits entrichtet hatte.

Diese Steuernote habe er als einfacher Arbeiter unmöglich sofort begleichen können und zudem auch nicht begleichen wollen.

Von seinem Anwalt über die irrige Meinung, nicht mehr ersatzpflichtig zu sein, aufgeklärt, habe er dann sämtliche geschuldeten Leistungen bezahlt.

Huber sei nunmehr im Begriff, sich wirtschaftlich zu rehabilitieren, und sein Streben gehe auch dahin, wieder in die Armee eingereiht zu werden. Die Verbüssung der zehn Tage Gefängnis drohe jedoch seine Zukunftspläne zu zerstören.

In den Akten befindet sich ferner ein Schreiben der Schweizerischen Viscose-Gesellschaft A.-G. in Emmenbrücke, wo Huber in Arbeit steht. Das Gesuch wird empfohlen in der Hoffnung, Huber, der durch seine Vergangenheit zu einem verbitterten Hetzer geworden sei, werde sich nach seiner militärischen Rehabilitierung wieder aufraffen.

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Wiederholte Erkundigungen beim schweizerischen Militärdepartement haben ergeben, dass dort von einem Gesuch Hubers um Wiedereinteilung in die Armee nichts bekannt ist.

Mit Zuschrift vom 3. Januar 1919 machte das Militär- und Polizeidepartement des Kantons Luzern darauf aufmerksam, Huber habe sich anlässlich des Streiks vom November 1918 bemerkbar gemacht und antimilitaristische Agitation betrieben.

Angeordnete Erhebungen ergaben, dass Huber während des Streiks verhaftet und in der Folge gegen ihn eine militärgerichtliche Untersuchung eingeleitet wurde. Erwiesene Verfehlungen haben inzwischen ihre disziplinarische Erledigung,gefunden.

Unter diesen Verumständungen beantragen wir, das Begnadigungsgesuch abzuweisen, da wesentliche geltend gemachte Anbringen durch die tatsächlichen Ereignisse widerlegt sind.

Zu e. und f. Laut Zuschrift des Sektionschefs von Reinach schuldeten die Brüder Paul und Franz Wilde am 4. April 1919 an ihre Ersatzabgaben für das Jahr 1918 noch jeder Fr. 24.

Laut Gerichtsakten wurde für beide im September 1918 lediglich, die Personaltaxe je im Betrage von Fr. 12 bezahlt.

Das Gesuch um Erlass der beiden Gefängnisstrafen wiederholt die Anbringen des im Taxationsverfahren eingereichten Rekurses. Beide seien Bildhauer, ihr geringes Einkommen rechtfertige die Einschätzung, die für jeden eine Steuer von Fr. 36 herbeiführe, nicht, die ganze fünfköpfige Familie müsse sich mit dem Erwerb des Vaters durchhelfen. Franz Wilde sei herzleidend, Paul Wilde lungenkrank. In Anbetracht dieser Verhältnisse hätten sie gegen die Einschätzung rekurriert, seien jedoch abgewiesen worden, ohne dass man sie von irgend einer Seite einvernommen hätte. Das Urteil müsse als unbillig hart erscheinen, weshalb man sich der Angelegenheit im Begnadigungswege annehmen möge.

Die heutigen Gesuchsteller beharrten im Strafverfahren offensichtlich auf dem schon anlässlich der Taxation geltend gemachten Standpunkt.

Die Urteilserwägungen sagen von Paul Wilde, er mache den Eindruck eines gleichgültigen Menschen, dem es bei gutem Willen möglich gewesen wäre, die Steuer zu bezahlen. Auch bei Franz Wilde, der ohne Familie ist und nur für sich selbst zu sorgen hat, fand das Gericht, es liege schuldhafte Nichtentrichtung vor.

Aus dem Begnadigungsgesuch geht hervor, dass der urteilende Richter die Angeschuldigten nicht ohne Rechtsbelehrung gelassen

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hat. Paul Wilde schreibt, ,,er liabo sich auf das Gesetz berufen und die Ansichten des Gerichtspräsidenten nicht gelten lassen."

Da die beiden Brüder die Verurteilungen ihrem bedauerlichen und unverständlichen Verhalten zuzuschreiben haben, beantragen wir in Würdigung der Urteilserwägungen und in Zustimmung zu dem Antrag der Polizeidirektion des Kantons Basellandschaft, die Gesuchsteller abzuweisen.

« A n t r ä g e : Abweisung bei Müller, Erlass der Gefängnisstrafe bei Lehmann und Gränicher, Abweisung bei Huber, Paul und Franz Wilde.

64. Reinhard Wächter, geb. 1866, Holzhändler, Villigen (Aargau).

65. Heinrich Vogt, geb. 1886, Landwirt und Fuhrhalter, Villigen (Aargau).

(Forstpolizei.)

Reinhard Wächter und Heinrich Vogt wurden vom Obergericht des Kantons Aargau am 13. Dezember 1918 in Abänderung eines erstinstanzlichen Freispruches schuldig erklärt der Zuwiderhandlung gegen Art. 46, Ziff. 7 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902, in Verbindung mit- den Art. l und 2 des Bundesratsbeschlusscs betreffend Überwachung der Holznutzung in den privaten Niclüsehutzwaldungen vom 23. Februar 1917 (A. S. n. F..XXXIII, 87) und gemäss den Art. l und 2 des Bundesratsbeschlusses betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen vom 20. April 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 212) verurteilt je zu Fr. 350 Busse.

Reinhard Wächter und Heinrich Vogt führten in ihrem Privatwald einen Kahlschlag aus, ohne die nachgesuchte Bewilligung erhalten zu haben. Das Gesuch um Schlagbewilligung wurde nachträglich abgewiesen.

Das gemeinsame Gesuch um Erlass der Bussen beruft sich auf den erstinstanzlicben Freispruch und wiederholt, das damals eingereichte Gesuch um Schlagbewilligung sei trotz wiederholter Erneuerung von den kantonalen Forstbehörden nicht behandelt worden. Wenn eine widerrechtliche Handlung vorliege, müsse dies in erster Linie dem Versagen der Forstorgane zugeschrieben werden. Anschliessend wird der verurteilende Entscheid des aargauischen Obergerichtes beanstandet und bestritten, dass .überhaupt ein Kahlschlag stattgefunden habe. Jedenfalls seien die heutigen Gesuchsteller durchaus gutgläubig gewesen.

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Die 2ur Vernehmlassung veranlasste Schweizerische Inspektion für Forstwesen hebt hervor, dass es sich um eine bewusste Gesetzes Verletzung handelt und hält für befremdend, dass ein Gericht in einem solchen Fall zu einem Freispruch gelangen konnte. Die Versicherung der Beklagten, sie hätten in guten Treuen gehandelt, wird unter Berufung auf den in den Untersuchungsakten niedergelegten Tatbestand, wonach die Beklagten vor dem Kahlschlag sowohl vom Gemeindebannwart wie vom Kreisforstamt ausdrücklich gewarnt wurden, als etwas starke Behauptung bezeichnet. Durch den Ansatz der Mindestb.usse sei vorhandenen Milderungsgründen vollauf Rechnung getragen worden.

Wir verweisen überdies auf die überzeugenden Erwägungen des aargauischen Obergerichtes.

Die Gesuchsanbringen geben unseres Erachtens, soweit sie im Begnadigungsverfahren überhaupt zu überprüfen sind, keinen Grund zu einer Begnadigung.

A n t r ä g e : Abweisung.

66. Jean Willi, geb. 1897, ehemaliger Stationsgehülfe, 67. Hermann Rahm, geb. 1889, ehemaliger Telegraphist, beide zurzeit in Haft in Regensdorf (Zürich).

68. Gottlieb Scheibler, geb. 1883, Wirt, Ölten (Solothura).

69. Eduard Ottiker, geb. 1892, Bautechniker, Zürich.

70. Robert Stümper, geb. 1895, stud. ehem., Lausanne (Waadt).

71. Karl Hermann, geb. 1894, Mechaniker., Jestetten (Baden).

72. Josef Allemann, geb. 1883, Malermeister, Basel.

(Verbotener Nachrichtendienst.)

Das schweizerische Bundesgericht (Bundesstrafgericht) hat in Anwendung des Art. 5 der bundesrätlichen Verordnung betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914 (A. S. n. F. XXX, 370) und ausserdem des Art. 56, Absatz 2, des Bundesstrafrechtes bei Jean Willi, Art. 56, Absatz l, und 55 desselben Gesetzes bei Hermann Rahm, verurteilt: a. Jean Willi zu !1/2 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 124 Tagen, Fr. 500 Busse und Einstellung im Aktivbürgerrecht während drei Jahren nach Abbüssung der Gefängnisstrafe;

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b. Hermann Rahm zu zwei Jahren Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 108 Tagen, Fr. 500 Busse und Einstellung im Aktivbürgerrecht während drei Jahren nach Abbüssung der Gefängnisstrafe; c. Gottlieb Scheibler zu sechs Wochen Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 33 Tagen, und Fr. 100 Busse; alle drei durch Entscheid vom 22./23. Juli 1918 ; d. Eduard Ottiker am 11. Oktober 1918 zu l1/« Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 20 Tagen erstandener Untersuchungshaft, und Fr. 50 Busse ; e. Robert Stümper am 10./11. Juni 1918 zu einem Monat Gefängnis, getilgt durch die erstandene Untersuchungshaft, und Fr. 50 Busse; f. Karl Hermann am 12. April 1918 zu einem Monat Gefängnis, getilgt durch die erstandene Untersuchungshaft, Fr. 50 Busse und zwei Jahren Landesverweisung; g. Josef Allemann am 19./20. Movember 1917 zu einem Monat Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft, Fr. 200 Busse und zwei Jahren Landesverweisung.

Den einzelnen Gesuchen ist als allgemeine Bemerkung vorauszuschicken, dass das Bundesstrafgericht bei der Beurteilung der seit dem Waffenstillstand zwischen den kriegführenden Mächten vom November 1918 zur Verhandlung gelangenden Strafsachen den veränderten Zeit Verhältnissen im Strafmasse genügend Rechnung trägt.

Ganz abgesehen davon, dass die Kriegszustandsverordnung vom 6. August 1914 zurzeit noch in Kraft steht, ist ferner auch den Spionagesachen gegenüber zu. betonen, dass kein Grund vorliegen wird, bei der Aufhebung dieses Erlasses von der allgemeinen Übergangsbestimmung abzusehen, wonach die während der Gültigkeit einer Verordnung eingetretenen Tatsachen auch nach Ausserkrafttreten gemäss den Bestimmungen dieser Verordnung zu beurteilen sind.

Soweit die der Begnadigungsbehörde unterbreiteten Strafsachen bereits vor dem Waffenstillstand zur Beurteilung gelangten, ist es unseres Erachtens nicht angezeigt, die verhältnismässig vereinzelten Fälle anders zu behandeln als frühere Begnadigungsgesuche. Dies muss namentlich auch gelten mit Rücksicht auf die Grosszahl der durch Vollzug gänzlich erledigten Strafsachen, wobei überdies zu beachten ist, dass die bundesgerichtliche Rechtssprechung ganz allgemein nicht als scharf bezeichnet werden kann,

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worauf wir schon in früheren Begnadigungssachen hingewiesen haben.

Mit gutem Grund hat auch die Begnadigungskommission es als besonders verwerflich bezeichnet, dass Schweizer sich zu derartigen Machenschaften hergaben.

Den Gesuchen a, b und c gegenüber ergibt sich, dass Jean Willi, 'Hermann Rahm und Gottlieb Scheibler, im gleichen Verfahren verurteilt wurden. Karl Alois Holzknecht, ein weiterer Mitverurteilter, wurde bereits in der Wintersession 1918 von der Begnadigungsbehörde in ' Zustimmung zu dem bundesrätlichen Antrag abgewiesen (zu vergleichen Antrag 93 im III. Bericht des Bundesrates vom 4. Dezember 1918, Bundesbl. 1918, V, 488/492).

Jean Willi machte im November 1917 dem Hermann Rahm, damals Telegraphist auf dem Hauptelegraphenbureau Zürich den Vorschlag, ihm Telegramme herauszugeben. Rahm händigte Willi in der Folge vom Dezember 1917 bis einige Tage vor Willis Verhaftung im März 1918 zu Spionagezwecken Telegrammrollen aus. Willi übergab sie dem Organ einer fremden Macht.

Gleichzeitig wandte sich Willi an einen weiteren Telegraphisten auf dem Platze Zürich und an Bureaudiener des Telegraphenbureaus Bern mit · demselben Ansinnen, holte sich jedoch entschiedene Weigerungen.

Ferner suchte Willi, in der Absicht einen besser zahlenden Abnehmer für die Telegrammrollen zu erhalten, in Ölten den Gottlieb Scheibler auf, den er vom Dienst her kannte und von dem er wusste, dass er schon wegen Spionage verhaftet gewesen war. Scheibler versprach, ihn mit einem Spionageagenten bekannt zu machen und hielt ihm namentlich einen gewissen End zu. In der gleichen Absicht wandte sich Willi auch noch an weitere Personen, so verkehrte er mit dem aus der früheren Begnadigungssache bekannten Holzknecht.

Jean Willi, zurzeit in der Strafanstalt Regensdorf, stellte am 12. Dezember 1918/3. Januar 1919 das Gesuch um Begnadigung auf Anfang des Jahres. Er bereue, sich zu derart unverantwortlichen Handlungen hergegeben zu haben und verspreche, alles einzusetzen, um wieder gut zu machen.

Willi, demgegenüber die zuständige Strafvollzugsbehörde von einer Unterbrechung des Strafvollzuges absah, wird seine Gefängnisstrafe im September 1919 verbüsst haben. Durch seine hiervor geschilderte Tätigkeit machte er sich nicht einzig des Nachrichtendienstes zugunsten einer fremden Macht schuldig.

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Darin, dass er den Telegraphenbeamten Rahm zur Verletzung seiner Dienstpflichten verleitete, indem er ihm einen Gewinn in Aussicht stellte, liegt überdies der Tatbestand der aktiven Bestechung nach Art. 56, Absatz 2, des Bundesstrafrechtes. Die Bemühungen weiteren Beamten gegenüber stellen sich als Bestechungsversuch dar.

Die Strafe musste angesichts der Art und Dauer des Betriebes sowie der Verwerflichkeit der Handlungsweise eine empfindliche sein. Dies hat auch für die Würdigung des Begnadigungsgesuches zu gelten, weshalb wir Abweisung beantragen.

Für Hermann Rahm, zurzeit ebenfalls in der Strafanstalt Regensdorf, ersucht ein Vetter um Erlass eines Jahres der Gefängnisstrafe. Er bezeichnet Rahm als solid und arbeitsam und schreibt, er könnte sich als willkommene Stütze der betagten, alleinstehenden Eltern in deren landwirtschaftlichem Betrieb betätigen.

Rahm, bei dem zu einer Unterbrechung der Strafe ebenfalls kein Grund vorlag und der seine zwei Jahre Gefängnis im April 1920 erstanden haben wird, wurde schuldig erklärt des verbotenen Nachrichtendienstes, der Amtspflichtverletzung im Sinne von Art. 55 des Bundesstrafrechtes und überdies der passiven Bestechung gemäss Art. 56, Absatz l, desselben Gesetzes.

Die Feststellung des Bundesstrai'gerichtes, es handle sich um ein Vergehen schwerer Art, und die Aufrechterhaltung der Integrität und des Ansehens der öffentlichen Verwaltung fordere eine strenge Sühne, beansprucht ihre Bedeutung auch für das Begnadigungsverfahren. Wir können deshalb auch hier eine teilweise Begnadigung nicht befürworten.

Gottlieb Scheibler, der den Telegrammhandel unterstützte, wobei er allerdings eine untergeordnete Rolle spielte, beteuert erneut, die ihm zur Last gelegte Vermittlung von Willi und End nicht herbeigeführt zu haben.

Ferner wird Leumund und Gesinnung hervorgehoben, und betont, von Scheibler sei seinerzeit in anderem Zusammenhang die Oltener Polizei auf Spiouageverdächtige aufmerksam gemacht worden.

Ein Arztzeugnis bescheinigt, dass Scheibler an einem chronischen, unheilbaren Gehirnleiden erkrankt sei.

Das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement (Polizeiabteilung) hat sieh mit den Behörden des Kantons Solothurn hinsichtlich des Vollzuges der noch zu erstehenden neun Tage Ge-

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fängnis ins Einvernehmen gesetzt. Soweit die Geisteskrankheit dargetan wird, ist die Vollziehung der Gefängnisstrafe gemäss .Art. 197, lit. a, des Bundesstrafprozesses ohnehin aufzuschieben.

Scheibler machte sowohl in der hier in Betracht kommenden Untersuchung wie in einer mangels Beweises eingestellten anderweitigen Spionageuntersuchung einen schlechten Eindruck. Wie in der früheren Begnadigungssache Kesseli und Holzknecht (zu vergleichen Anträge 92 und 93 im III. Bericht des Bundesrates vom 4. Dezember 1918 Bundesbl., 1918, V, 488 ff!) beantragen wir, die Berücksichtigung der geltend gemachten Krankheit den Behörden des Strafvollzuges zu überlassen und das Begnadigungsgesuch abzuweisen.

Zu d. Eduard Ottiker, der sich mit der Herstellung eines Fliegerabwehrgeschützes beschäftigte, reiste im Januar 1918 nach Genf und bot dem französischen Generalkonsulat seine Erfindung zum Kauf an. Er traf daselbst mit dem Agenten Orrier zusammen und liess sich in der Folge eine Genferdeckadresse geben. Im April 1918 vernahm Ottiker von einem Bèntele, er sei in der Lage, über die Beschaffenheit des deutschen Ferngeschützes Mitteilungen zu machen. Daraufhin meldete Ottiker den Beutele auf dessen Wunsch bei der Deckadresse an, reiste mit ihm nach Genf und brachte ihn mit dem Agenten Orrier in Verbindung.

Im Gesuch um Erlass der noch zu erstehenden 25 Tage Gefängnis wird gesagt, die Annahme des Gerichtes, Ottiker habe den Bentele im April 1918 dem Orrier zugeführt, sei überholt durch die mit diesem Urteil unvereinbare Verurteilung Benteles vom 11./12. Dezember 1918, wonach Bentele bereits im November 1917 für den französischen Nachrichtendienst tätig war.

Ottiker, der seine zwanzigtägige Untersuchungshaft krank angetreten habe, sei seit der Entlassung derart leidend, dass er das Gesuch um Begnadigung auf dringendes Anraten der Ärzte einreiche. Beigelegt wird ein Arztzeugnis vom 28. Dezember 1918, auf das wir verweisen.

Das Urteil habe den Gesuchsteller, der die einzige Stütze seiner Mutter sei, um seine Anstellung als Bautechniker gebracht.

Mit Antritt der noch zu erstehenden Strafe würde er nunmehr die derzeitige Beschäftigung im Dienste der Stadt Zürich ebenfalls verlieren. Die Familienangehörigen seien aber auf seinen Erwerb angewiesen.

Schliesslich wird betont, die Schweiz habe in Spionagesachen lediglich indirekte, aus den Neutralitätspflichten sich ergebende Interessen gehabt, die mit dem Abschluss des Krieges hinfällig

176

geworden seien. Jede Verurteilung eines Schweizers bedeute nunmehr die nutzlose Aufopferung eines Bürgers. Im vorliegenden Falle handle es sich überdies nicht um eigentliche Spionage, sondern um eine Handlung, ,,die man im Maschenwerk der Kriegszustandsverordnung gefangen" habe.

Soweit Ottiker behauptet, es sei nach seiner Beurteilung ein damit unvereinbares Urteil ausgefällt worden, ist dies nicht im Begnadigungsverfahren zu überprüfen, sondern als Begründung eines Revisionsgesuches anzubringen, wie die Art. 159 ff. des Bundesstrafprozesses in Verbindung mit Art. 144 des Organisationsgesetzes von 1893 zeigen. Hinsichtlich der übrigen Gesuchsanbringen verweisen wir einmal auf die allgemeinen Bemerkungen an der Spitze unserer Anträge und die Erwägungen des urteilenden Gerichtes bei der Strafausmessung, wonach das jugendliche Alter, das makellose Vorleben, sowie der leidende Zustand Ottikers bereits strafmildernd in Betracht gezogen wurden.

Soweit insbesondere Krankheitsgründe geltend gemacht werden, «rgibt sich, dass die zuständigen Strafvollzugsbehörden den bestehenden Verhältnissen ebenfalls Rechnung getragen haben und es kann ihnen wie in anderen Fällen eine allfällige weitere Berücksichtigung anheimgestellt werden.

Wir beantragen deshalb, das Gesuch im Begnadigungsverfahren abzuweisen.

Zu e. Robert Stümper hat den Auftrag, zu Spionagezwecken nach Deutschland zu reisen, angenommen, sich hierzu Fr. 300 aushändigen lassen und ist auf ein deutsches Konsulat gegangen, um sich über die Aussichten auf einen Pass zu erkundigen.

Letzten Endes lehnte Stümper jedoch die zugesagte Spionagetätigkeit ab.

Das Bundesstrafgericht hielt gemäss ständiger Rechtsprechung die Tatbestandsmerkmale des verbotenen Nachrichtendienstes für erbracht und verurteilte Stümper zu einem Monat Gefängnis, getilgt erklärt durch die Untersuchungshaft, und Fr. 50 Busse.

'Da der Gesuchsteller, der es für genügend erachtete, seine damalige Verteidigung nunmehr auch der Begnadigungsbehörde zu unterbreiten, inzwischen die Busse bezahlt hat, wodurch das Begnadigungsgesuch gegenstandslos geworden ist, beantragen wir Nichteintreten.

Zu f. Karl Hermann, von 'Jestetten (Baden), war mit ändern Angeklagten im September 1917 bei der Anwerbung von Leuten für den deutschen Nachrichtendienst insofern beteiligt, als er auf

177 Schweizergebiet einem Dritten Angaben darüber machte, wo er sich zu melden habe.

Hermann ersucht, ihm von den zwei Jahren Landesverweisung ein Jahr zu erlassen. Er verwerte eigene Erfindungen und stehe beständig in Beziehungen mit schweizerischen Firmen.

Hermann ist zurzeit im Schweizerischen Polizeianzeiger ausgeschrieben, da er die Busse von Fr. 50 nicht bezahlt hat, so dass sie auf dem Wege der Umwandlung im Gefängnis zu erstehen sein wird. Hinsichtlich der Bedeutung der Landesverweisung in Spionagestrafsachen verweisen wir auf früher Gesagtes (zu vergleichen ßundesbl. 1917, IV, 669/670) und beantragen, den Gesuchsteller abzuweisen. Hermann ist in Jestetten ansässig und imstande, sich im Sinne des Art. 5 des Bundesstrafrechtes ausser Landes auf eine rechtliche Weise durchzubringen. Allfällige Unzukömmlichkeiten infolge der schweizerischen Ausweisung hat er in Kauf zu nehmen.

Zu g. Josef Allemann war dem von der Bundesversammlung bereits in der Sommersession 1918 im Begnadigungsverfahren abgewiesenen Jules Arthur Fricker (zu vergleichen Bundesbl. 1918, III, 12/19) behülflich, ihm zu Spionagezwecken den deutschen Deserteur Mathes zuzuführen.

Allemann, der seine Gefängnisstrafe von einem Monat erstanden und die Busse von Fr. 200 bezahlt hat, ersucht, ihm die Landesverweisung zu erlassen oder über den Erlass erst nach dem Wiedereintritt geregelter Verbältnisse zu entscheiden.

Zur Begründung wird Bezug genommen auf die Erwägungen des Bundesstrafgerichtes, wo die geringe Bedeutung der Tätigkeit Allemanns ausdrücklich anerkannt werde. Das Urteil wird auch deshalb als unverdient hart bezeichnet, weil Allemann keinen Gewinn gehabt und in letzter Stunde Mathes zurückgehalten habe, so dass dieser gar keinen Nachrichtendienst leistete.

Im weitem' wird der Lebenslauf des Gesuchstellers geschildert, «ine Reihe günstige Zeugnisse angebracht und betont, durch den Vollzug der Landesverweisung würden seine derzeitigen Lebensverhältnisse völlig vernichtet, worunter nicht nur er, sondern auch seine Frau und die beiden Kinder leiden miissten. Allemann sei Eisässer, habe am Kriege nicht teilgenommen, seine Ausweisung nach Deutschland sei noch immer nicht ohne Gefahr für ihn, anderseits würde es ihm unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch nicht möglich sein, sich im Elsass durchzubringen.

In diesem Zusammenhang wird Bezug genommen auf die Strafsache Werny (zu vergleichen Bundesbl. 1917, IV, 670) um Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. II.

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darzutun, dass Grund genug gewesen wäre, von der Landesverweisung überhaupt abzusehen.

Die Vernehmlassung der eidgenössischen Strafvollzugsbehörde zeigt, dass die Vollziehung der Landesverweisung namentlich mit Rücksicht auf die Refraktäreigenschaft Allemanns auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Entsprechend der bestehenden Übung in Begnadigungssachen betreffend Landesverweisung wegen verboteneu Nachrichtendiensteshalten wir wie in früheren Fällen auch hier für angebracht, Allemann im Begnadigungswege abzuweisen und es den eidgenössischen Strafvollzugsbehörden zu überlassen, den besonderen Verumständungen des Falles auch weiterhin Rechnung zu tragen.

A n t r ä g e : Nichteintreten übrigen Gesuchsteller.

bei Stümper, Abweisung der

73. Ludwig Scherbel, geb. 1861, Direktor, Laufenburg (Aargau).

(Hamsterei.)

Ludwig Scherbel wurde am 23. Dezember 1918 vom Obergericht des Kantons Aargau in Verschärfung eines erstinstanzlichen Entscheides insbesondere in Anwendung des Bundesratsbeschlusses betreffend den Lebensmittelankauf vom 2. Februar 1V)17 (A. S. n. F. XXXIII, 40) verurteilt zu zwei Tagen Gefängnis und Fr. 700 Busse, wobei der bei ihm beschlagnahmte Vorrat an Lebensrnitteln gerichtlich konfisziert wurde.

Ludwig Scherbel hat Lebensmittel ÌQ einer seinen gewöhnlichen Bedarf weit übersteigenden Menge aufgekauft. So wurden unter anderm aufgefunden 1600 Eier, bei 200 kg Konfitüren, 173 Büchsen kondensierte Milch, eine sehr erhebliche Menge Fleischkonserven usw.

Scherbel hat Busse und Kosten bezahlt und ersucht um Erass der zwei Tage Gefängnis.

Wie im gerichtlichen Verfahren wird in längeren Ausführungen darzutun versucht, die Verfehlungen seien nicht so schwerwiegend und die Gefängnisstrafe erscheine im Vergleich zu ändern B'ällen als zu harte Strafe.

Wir verweisen für Einzelheiten auf das Gesuch und beantragen Scherbel abzuweisen.

179 Es handelt sich, wie schon das Ernährungsamt betont, um eine Hamsterei, die in diesem Umfang als besonders schwer erscheinen muss, so dass die gerichtlichen Erwägungen und Strai'ausmessungsgriinde gerechtfertigt sind.

A n t r a g : Abweisung.

74. August Mathis, geb. 1895, Fabrikarbeiter, Würenlingen, (Aargau).

75. Josef Biland, geb. 1866, Fabrikarbeiter, Ennet-Turgi(Aargau).

(Verteuerung von Bedarfsgegenständen.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und ändern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen (A. S. n. F. XXXII, 165) wurden verurteilt : a. August Mathis ; ' b. Josef Biland, am 29. Mai 1918 vom Bezirksgericht Zurzach in Anwendung des Art. l, lit. e, des Bundesratsbeschlusses vom 18. April 1916, Mathis zu zwei Tagen Gefängnis und Fr. 50 Busse, Biland zu zwei Tagen Gefängnis und Fr. 25 Busse.

August Mathis und Josef Biland kauften zu Schmuggelzwekken Gummisauger auf.

Beide ersuchen um Brlass der Gefängnisstrafe.

August Mathis betont, von der Schweizerischen Oberzolldirektion der Ausschmuggelung derselben Gummisauger 'wegen bereits mit Fr. 180 gebüsst worden zu sein, Man möge ihm die zwei Tage Gefängnis erlassen, da er befürchten müsse, um seine Anstellung zu kommen.

Josef Biland schreibt in ähnlichem Sinne.

Beide Gesuchsteller sind in demselben Strafverfahren verurteilt worden wie Emil Blerki, Lukas Knecht und Karl Josef Müller. Wir verweisen deshalb auf unsere Ausführungen zu den Anträgen 35, 36 und 37 im ersten Bericht des Bundesrat.es für die Sommersession 1919 (ßundesbl. 1919, I, 512 ff.) und beantragen auch hier Abweisung der Gesuehsteüer.

A n t r a g : Abweisung beider Gesuchsteller.

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76. Carlo Polli, geb. 1870, Schuhmacher, Lausanne (Waadt).

77. Gottfried Locher, geb. 1869, Fabrikant, Hasle (Bern).

78. Konrad Kling, geb. 1856, Wirt, Langgasse (St. Gallen).

(Bestimmungen über Lebensmittelkarten.)

Gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 2. Februar und 30. Oktober 1917 betreffend die Abgabe von Monopolwaren durch Vermittlung der Kantone (A. S. n. F. XXXIII, 46 und 889), den Bundesratsbeschluss über die Verteilung der Teigwaren durch die Kantone vom 9. August 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 606), den Bundesratsbeschluss über die Brotversorgung des Landes vom 21. August 1.917 (A. S. n. F. XXXIII, 651), eidgenössische und kantonale Ausfiihrungserlasse über Lebensmittelkarten wurden verurteilt: a. Carlo Polli am 30. Januar 1918 vom Préfet du district de Lausanne zu Fr. 200 Busse; b. Gottfried Locher am 9. September 1918 vom Polizei lichter des Amtsbezirkes Burgdorf zu Fr. 500 Busse;' c. Konrad, Kling am 10. Juni 1918 vom Bezirksgericht Tablât zu Fr. 200 Busse.

Zu a. Carlo Polli bezog in den Monaten Oktober, November, Dezember 1917 Brot-, Reis- und Zuckerkarten für einen seiner Söhne, obschon dieser ausser Landes war.

Polli, der um gänzlichen oder doch teikveisen Erlass der noch verbleibenden Fr. 150 ersucht, bringt an, seine einfache Herkunft und die mangelhafte Beherrschung des Französischen seien die Ursachen, die ihn die Tragweite der missbräuchlichen Verwendung der Lebensmittelkarten nicht hätten erkennen lassen.

Anderseits verdiene seine bedrängte Lage Erbarmen.

Polizeiberichte bezeichnen die Verhältnisse als sehr ärmlich und stellen 'Polli einen guten Leumund aus. Das Polizeidepartement des Kantons Waadt bestätigt diese Angaben und ist nicht gegen den Erlass der Ecstbusse.

In Betracht kommen fortgesetzte Verfehlungen, die scharfe Ahndungen verdienten.

Wenn wir trotzdem den Erlass der noch ausstehenden Fr. 150 beantragen, geschieht es wie in der früheren Begnadigungssache Odiile Mazzucotelli (zu vergleichen Antrag 22 für die Wintersession 1918, Bundesbl. 1918, IV, 661) einzig mit Rücksicht auf die ausgewiesenen misslichen Verhältnisse des Gesuchstellers und seiner Familie.

181 Zii b. Gottfried Locher bezog während etwa fünf Monaten statt für acht raissbräuchlicherweise Lebensmittelkarten für neun Personen.

Im Gesuch um möglichst weitgehende Ermässigung der Busse wird die zugestandene Verfehlung der Unachtsamkeit der Ehefrau zugeschrieben und in längern Ausführungen behauptet, die Heirnschaffung eines geisteskranken Hausgenossen, die daherigen Vorkehren und Unannehmlichkeiten hätten zu der Unterlassung geführt. Der Lebensmittelkartenstelle wird zum Vorwurf gemacht, dass sie die ihr bekannten Vorgänge nicht von sich aus berücksichtigt habe. Schliesslich wird die Busse namentlich im Vergleich zu ändern Verurteilungen als zu hoch bezeichnet.

Wie die Vernehmlassung des eidgenössischen Ernährungsamtes betont, ergibt sich,' dass Locher nicht nur die Lebensmittelkarten für den weggezogenen Hausgenossen ununterbrochen weiterbezog, sondern, dass er bei der Einführung der Fettrationierung anfangs 1918 eine Person zu viel anmeldete. Angesichts dieser Feststellung verdienen die Ausführungen des Gesuches wenig Glauben.

In seinem Abweisungsantrag ersucht das Ernährungsamt dringend, die Begnadigungsbehörde möge den Gerichten, die wegen Übertretung der kriegswirtschaftlichen Erlasse fühlbare Bussen auferlegen, nur entgegentreten, wenn ausserordentliche Gründe für eine Begnadigung sprechen.

Derartige Gründe sind hier offensichtlich nicht vorhanden, ärmliche Verhältnisse kommen nicht in Betracht. Auch die Polizeidirektion des Kantoiis Bern, allerdings im Gegensatz zu dem Gemeinderat Hasle und dem zuständigen Statthalter, beantragt Abweisung. .

Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass der Richter, der iti einer ähnlichen Angelegenheit ebenfalls eine Busse von Fr. 500 aussprach, die Verfehlung Lochers als sehr krassen Fall bezeichnet.

Da wir zu demselben Ergebnis gelangen, beantragen wir Abweisung.

Zu c. Konrad Kling bezog monatelang bewusst Lebensmittelkarten für sieben statt nur für sechs Personen.

Kling wurde verurteilt in Anwendung des hiervor genannten Bundesratsbeschlusses vom 21. August 1917 und zudem wegen falscher Angaben vor Amt gestützt auf Artikel 79 des Strafgesetzbuches des Kantons St. Gallen. Da der angewandte Bundesratsbeschluss bedeutend schärfere Strafbestimmungen vorsieht, somit

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der Gesamtstrafe zugrunde zu legen war, ist die eidgenössische Begnadigungsbehördc zuständig.

Kling hat ratenweise Fr. 120 bezahlt und ersucht um Erlass der verbleibenden Fr. 80 und der Kosten. Das Urteil wird als sehr streng bezeichnet und hierfür auf die Familienverhältnisse des Gesuchstellei's Bezug genommen.

Vernehmlassungen der kantonalen Behörden bestätigen, dass sich die Familie Kling in misslichen Verhältnissen befindet. Dem Verurteilten sollen weitere Zahlungen äusserst schwer fallen.

Es sei zu befürchten, dass unter den Einschränkungen auch die noch schulpflichtigen Kinder zu leiden haben.

Wie in der Begnadigungssache Polli, beantragen wir in Anbetracht der geleisteten Anzahlungen die verbleibenden Fr. 80 zu erlassen. Dies geschieht auch hier einzig aus Kommiserationsgründen, da das Verhalten Klings in Zustimmung zu dem urteilenden Gericht als sehr verwerflich bezeichnet werden rouss.

A n t r ä g e : Erlass der noch verbleibenden Fr. 150 bei Polli, Abweisung Lochers, Erlass der noch verbleibenden Fr. 80 bei Kling.

79. Karl Frank, Kundenmüller, Buch, Schaffhausen.

80. Gebrlider Zulauf, Müller, Schinznach-Dorf (Aarg'au).

81. Robert Obrist, Müller, Schinznach-Dorf (Aargau).

(Mahlvorschriften.)

Gestutzt auf den Bundesratsbeschluss über die Verwendung und Vermahlung von Brotgetreide und über die Verwendung und den Verkauf der Mahlprodukte vom 29. Mai 1917 (A. S. n. F.

XXXIII, 317) sind gebüsst worden: a. Karl Frank am 15. Mai 1918 von der Polizeidirektion dei Kantons Schaff hausen mit Fr. 120; b. die Gebrüder Zulauf am 11. April 1918 mit Fr. 150; c. Robert Obrist am 27. April 1918 mit Fr. 180; die unter b. und c. Genannten vom schweizerischen Militärdepartement.

Karl Frank, die Gebrüder Zulauf und Robert Obrist stellten Vollmehl her, das dem Typmuster nicht entsprach.

Zu a. Karl Frank beruft sich in seinem Schreiben um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse hauptsächlich darauf, ein Müller könne nur nach Prozenten gerechnet die Frucht ausmahlen

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und Anhaltspunkte nur an Wage und Gewicht suchen. Die Farbe lasse sich erst feststellen, wenn der Posten fertig gemahlen und das Mehl daraufhin gemischt worden sei. Jeder Fachmann, ob er auf Seite des Bundes oder auf Seite des kleinen Kunden- ' milliers stehe, werde ihm beipflichten, dass nach obgenannter Ausbeute ein Posten Mehl heller ausfalle als der andere. Die aufgestellten Vorschriften seien geeignet, den kleinen Müller zu vernichten. Er habe stets darauf gehalten, den Vorschriften nachzukommen.

In den Akten befindet sich ein Bericht der Polizeidirektion ·des Kantons Schaffhausen, die mit Rücksicht auf die Vermögenslage und das bescheidene Einkommen des Gesuchstellers den Erlass der noch nicht bezahlten Hälfte der Busse befürwortet.

Fr. 60 und die Kosten bezahlte der Besitzer der Mühle von sich aus.

Das Brotamt III des eidgenössischen Ernährungsamtes betont in seiner Vernehmlassung, dass die vom Gesuchsteller zur Begründung seines Gesuches geltend gemachten Anbringen hauptsächlich die Richtigkeit des getroffenen Entscheides bestreiten, worauf im Begnadigungsverfahren nicht eingetreten werden sollte.

Es wird hervorgehoben, das bei Frank erhobene Muster sei nach dem Gutachten des Kantonschemikers ganz bedeutend heller gewesen als das Typmuster.

Frank ist bereits einmal verwarnt und später zu einer Busse von Fr. 20 verurteilt worden. Er ist somit rückfällig.

Da im vorliegenden Fall die Hälfte der Busse und die Kosten vom Besitzer der Mühle übernommen wurden, hat der Gesuchsteller Fr. 60 zu entrichten. Da dies nicht als zu hoch erscheinen kann, beantragen wir Abweisung, wobei wir auf die Ausführungen des eidgenössischen Brotamtes und den von uns in den früheren Begnadigungssachen Nyffenegger und Vogt (zu vergleichen Anträge 49 und 50 für'die Wintersession 1918, Bundesbl. 1918, V, 14/16) geltend gemachten Standpunkt verweisen, von dem abzugehen kein Grund vorliegt.

Zu b. und c. In dem für die Gebrüder Zulauf eingereichten Begnadigungsgesuch um Erlass der Busse wird die Verfehlung an und für sich nicht in Abrede gestellt, jedoch angebracht, sie hätten von dem Erfordernis der Einhaltung des Typmusters keine Kenntnis gehabt, 90% ausgemahlen und geglaubt, damit den Mahlvorschriften zu genügen. Die Mühleeinrichtung wird als veraltet bezeichnet und das Fehlen einer Mehlmischmaschine betont.

Mit Nachdruck wird der gute Glauben behauptet, das Administrativverfahren beanstandet und bestritten, dass das Verhalten anläss-

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lieh der amtlichen Nachschau verdächtig gewesen sei. Uni die herrschende Misstimmung gegenüber derartigen Administrativentscheiden abzuschwächen, sei es angebracht, in Fällen wie hier die Begnadigung oder ganz allgemein die Amnestie auszusprechen.

Robert Obrist, der um Rückzahlung der bereits entrichteten Fr. 180 ersucht, beruft sich gleich den Gebrüdern Zulauf auf die Meinung des Rechtsöffnungsrichters, der in vorliegender Sache eine Begnadigung oder für derartige Fälle ganz allgemein die Amnestie als angezeigt erachte. Ferner wird ausgeführt, weshalb die dem Bussenentscheid zugrunde liegende Mehlprobe dem Typmuster nicht entsprochen habe und ein grobes Vergehen gegen die Mahlvorschriften bestritten. Die Busse sei drückend, namentlich da nicht böser Wille gegen die Mahlvorschriften oder gewinnsüchtige Absicht, sondern die unzulänglichen Einrichtungen und die kleinbäuerlichen Verhältnisse Grund der Übertretungen seien.

Sowohl den Gebrüdern Zulauf wie Obrist gegenüber ist festzustellen, dass die Gesuehsteller die Bussen in die eidgenössische Staatskasse entrichtet haben.

Wir stellen deshalb den Antrag, die ßegnadigungsbehörde möge auch hier ablehnen, auf die Gesuche einzutreten, da das StrafVollstreckungsverfahren sein Ende gefunden hat. Wir erinnern an die in diesem Sinne erfolgte Stellungnahme in Sachen Pauli, Antrag 75 für die Sommersession 1918 (zu vergleichen Bundesbl. 1918, III, 32).

Für den Fall des Eintretens schliessen wir auf Abweisung der Gesuchsteller, wobei wir uns begnügen, auf die den Akteii beigegebenen eingehenden Vernehmlassungen des eidgenössischen Ernährungsamtes und die früheren Ausführungen des ßundesrates in derartigen Begnadigungssaohen zu verweisen.

Die vorliegenden Gesuche bringen keine neuen Gesichtspunkte. Auch in diesen Widerhandlungsfällen liegt es unseres Erachtens ausserhalb des Bereiches der Begnadigungsbehörde, Einzelheiten in der Tatbestandsfeststellung nachzuprüfen.

Sowohl den Gesuchstellern Zulauf wie Obrist gegenüber ist schliesslich mit Nachdruck geltend zu machen, dass sie,' wie aus Berichten des Ernährungsamtes vom 5. März 1919 hervorgeht, inzwischen wegen erneuter Verfehlungen in Untersuchung gezogen werden mussten.

A n t r ä g e : Abweisung bei Frank, Niohteintreten oder Abweisung bei den übrigen Gesuchstellern.

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82: Eduard Beck, geb. 1862, Landwirt, Schupfart (Aargau).

83. Jakob Frei. geb. 1875, Fuhrmann, Schmitter (St. Gallen).

(Brotversorgung des Landes.)

Es sind verurteilt worden : a. Eduard Beck vom Bezirksgericht Rheinfelden am 9. Januar 1919 in Anwendung des Art. 7 der Verfügung des schweizerischen Militärdepartements vom 25. September 1917 beireffend den Nachweis des Minderertrages (A. S. n. F.

· XXXIII, 802) in Verbindung mit dem Bundesratsbeschluss vom 21. August 1917 über die Brotversorgung des Landes (A. S. n. F. XXXIII, 651 ff.) zu vierzehn Tagen Gefangenschaft und Fr. 300 Busse; b. Jakob Frei vom Bezirksamt Unterrheinthal am 15. Januar 1919 in Anwendung der Art. 9, 10, 12 und 24 des Bundesratsbeschlusses vom 24. Mai 1918 über die Brotversorgung des Landes und die Getreideernte des Jahres 1918 (A. S.

n. F. XXXIV, 556 ff.) zu Fr. 40 Busse.

Zu a. Eduard Beck hatte, wie eine Hausdurchsuchung ergab, über 700 Kilogramm Korn verheimlicht und einen annähernd gleich grossen Minderertrag vorgetäuscht.

Das urteilende Gericht erachtete als bewiesen, dass Beck unzweifelhaft beabsichtigte, mehr als die Hälfte seines Gesamtertrages dem Staate zu entziehen, um ihn zu unerlaubten Zwecken, wie Viehfütterung und dergleichen, zu verwenden.

Eduard Beck ersucht, ihm mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand die Gefängnisstrafe zu erlassen. Dem Gesuch wird ein diesbezügliches Arztzeugnis beigelegt.

Das Bezirksgericht Rheinfelden beantragt zuhanden der Justizdirektion des Kantons Aargau entschieden Abweisung des Begnadigungsgesuches und bezeichnet Beck als ,,äusserst interessierten Bauern11, der nie genug erwerben könne.

Beck ist wegen Überschreitung der Höchstpreise für Vieh vorbestraft und wurde am 13. März 1919 wegen Verfütterung von Brotfrucht zu einer weitern Gefängnisstrafe von 14 Tagen und Fr. 300 Busse verurteilt.

Wir beantragen, das Gesuch mangels zureichender Begründung abzuweisen. Sollte die geltend gemachte Krankheit derart sein, dass der Vollzug des Urteils nicht ohne Gefahr für den Verurteilten erfolgen kann, genügt es, wie in frühern Begnadigungsgesuchen, diesen Umstand der Berücksichtigung durch die kantonalen Strafvollzugsbehörden zu überlassen.

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Zu b. Jakob Frei hat den Ertrag seines Ackers von 80 Kilogramm Korn, statt ihn abzuliefern, seinen Pferden verfüttert.

Im Gesuch um ganzen oder doch teilweisen Erlass der Busse, wird gesagt, die zugeteilten Haferrationen seien für die Pferde ungenügend gewesen. Die beanstandete Verfütterung sei nicht aus Widersetzlichkeit, sondern aus Not erfolgt.

Die Behörden des Kantons St. Gallen befürworten die Abweisung des Gesuchstellers, wobei sie mit Nachdruck die Widersetzlichkeit des Verurteilten und die massige Busse hervorheben.

Es wird betont, eine Begnadigung würde den Verurteilten lediglich in seiner Eigenmächtigkeit bestärken und Dritte in ähnlichen Verhältnissen ebenfalls zum Widerstand gegen die bestehenden Bestimmungen veranlassen.

Überdies wird festgestellt, Frei habe von der Futtermittelstelle Haferkarten bezogen, wie andere Pferdebesitzer auch.

Da das Gesuch sich als unbegründet erweist, beantragen wir Abweisung.

A n t r ä g e : Abweisung beider.

84. Franz Xaver Giger, geb. 1874, Bäcker, Zurzach (Aargau).

85. Ernst Gustav Hauser, geb. 1870, Bäcker, Dottikon (Aargau).

86. Christian Friedli, geb. 1888, Bäcker, Bern.

(Bestimmungen über die Brotversorgung.)

Es wurden in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 18. Jxini 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 388) betreffend das Verbot des Verkaufes von frischem Brot verurteilt: a. Franz Xaver Giger am 18. September 1918 vom Bezirksgericht Zurzach zu Fr. 80 Busse; b. Ernst Gustav Hauser am 1. Februar 1918 vom Obergericht des Kantons Aargau in Verschärfung eines erstinstanzlichen Entscheides zu Fr. 60 und am 9. November 1918 vom Bezirksgericht Bremgarten zu Fr. 25 Busse ; c. Christian Friedli am 10. August 1918 vom Polizeirichter von Bern zu Fr. 30 Busse.

Zu a. Franz Xaver Giger verkaufte im Sommer 1918 fünfzehn Laibe Brot, die erst am Tage vorher gebacken worden waren. Ferner brachte er im Verkaufsladen vierzehn weitere Laibe dieses Brotvorrates verfrüht zur Auslage.

187 Giger ersucht um Herabsetzung der Busse auf Fr. 40, wofür er auf die schwierigen Zeitverhältnisse hinweist und seine vaterländische Gesinnung betont.

Die'Widerhandlungen und die Beurteilung Gigers fanden zu einer Zeit statt, in welcher die Bundesbehörden mit allem Nachdruck an den bekannten Vorschriften festhalten mussten.

Dies wird mit Recht vom eidgenössischen Ernährungsamt bemerkt, auf dessen Vernehmlassung und Abweisungsantrag wir verweisen.

In Anbetracht der zweifachen Verfehlung und des überdies vorhandenen Rückfalles ist die Busse nicht übersetzt. Wir beantragen schon mit Rücksicht auf die zahlreichen ändern Strafsachen aus jener Zeit, die inzwischen ihre Erledigung auf dem Wege der Vollstreckung gefunden haben, das Gesuch abzuweisen.

Gleichzeitig fügen wir auch hier bei, dass unseres Erachtens gegenüber derartigen vereinzelten Begnadigungsgesuchen, die zurückliegende Tatbestände und Verurteilungen betreffen, berücksichtigt werden sollte, dass bis auf weiteres die während der Gültigkeit eines Bundesratsbeschlusses eingetretenen Tatsachen nach Atisserkrafttreten des Erlasses wie vorher gemäss seinen Bestimmungen zu beurteilen sind. Damit hat der Bundesrat zum Übergangsrechte Stellung genommen.

Zu b. In Sachen Ernst Gustav Häuser ist im Begnadigungsverfahren gegenüber zwei Strafurteilen Stellung zu nehmen.

In beiden Fällen gab Hauser an Kunden verfrüht Brot ab.

Nunmehr ersucht er in zwei getrennten Eingaben um Erlass der Bussen.

Soweit das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 1. Februar 1918 bemängelt wird, halten wir uns an die Urteilserwägungeu, die den Einwand des Gesuchstellers, er habe am 1. November (Allerheiligen) nicht vertragen dürfen, ausdrücklich würdigen. Der Gerichtshof spricht von einer ,,sehr intensiven Verfehlung'1.

Hinsichtlich der Verurteilung vom 9. November 1918 will sich Hauser wie im gerichtlichen Verfahren damit entschuldigen, die Bestimmungen betreffend Kundenbrot seien ihm ' unbekannt gewesen. Dies erscheint unglaubwürdig.

Mit dem eidgenössischen Ernährungsamt, auf dessen Vernehmlassung wir verweisen, sind wir der Meinung, die beiden Gesuche sollten abgewiesen werden. Hausers Verhalten ist vom Obergericht des Kantons Aargau richtig bezeichnet worden und die Gesuche bringen keine neuen Gesichtspunkte.

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Zu c. Am 8. Juli 1918 wurde in der Bäckerei Christian Friediis noch um 8 Uhr abends gearbeitet.

Friedli ersucht um Erlass der Busse, da er zur .Zeit des fehlerhaften Verhaltens seiner Arbeiter im Militärdienst gewesen sei. Überdies habe sein erster Arbeiter an jenem Tage den Arzt aufsuchen müssen, was die Arbeit verlangsamt und zu der Übertretung geführt habe.

Das Gesuch wird von den Behörden des Kantons Bern befürwortet. Die Angaben Friediis sind richtig und geeignet, die Begnadigung veranlassen zu können.

A n t r ä g e : Erlass der Busse bei- Friedli, Abweisung der ändern.

87. Johann Jakob Häusler, geb. 1849, Schuhmacher, Altstätten (8t. Gallen).

88. Fidel Holzgang, geb. 1895, Handlanger, Buttwil (Aargau).

89. Adolf Lütolf, geb. 1889, Landarbeiter, Muri (Aargau).

90. Johann Marthaler, geb. 1886, Bahnarbeiter, Muri (Aargau).

(Bestimmungen über dio Brotversorgung.)

In Anwendung der Art. 81, 86 der Verfügung des schweizerischen Militärdepartements betreffend die Brotkarte vom 14. September 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 745) in Verbindung mit den Bundesratsbeschlüssen über die Brotversovgung des Landes und die Getreideernte des Jahres 1917 und 1918 (A. S. n. F. XXXIII, 651 und XXXIV, 556) wurden verurteilt: a. Johann Jakob Häusler am 18. April 1918 vom Untersuchungsrichter I St. Gallen zu Fr. 10 Busse ; b. Fidel Holzgang am 7. Oktober 1918 vom Bezirksgericht Muri zu Fr. 20 Busse ; c. Adolf Lütolf am 28. Oktober 1918 .vom Bezirksgericht Muri zu Fr. 10 Busse; d. Johann Marthaler am 30. November 1918 vom Bezirksgericht Muri zu Fr. 20 Busse.

Zu a. Johann Jakob Häusler bezog mit der Märzkarte 1918 bei einem Bäcker Ende Februar drei Pfund Brot.

Für Häusler ersucht die Tochter um Erlass der noch ver bleibenden Busse von Fr. 5. Häusler sei hochbetagt, kränklich und von geringer Verdienstfähigkeit. Die Brotkarte habe er lediglich zu früh verwendet, um aus Mangel an anderen Lebensmitteln Brot zu kaufen.

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Es handelt sich offenbar um ganz ärmliche Verhältnisse, weshalb wir trotz des geringen Betrages den Erlass der noch ausstehenden Fr. 5 beantragen.

Zu b, c und 'd. Fidel Holzgang bezog als Urlauber eine Normalkarte, die er beim Wiedereinrücken der Brotkartenstelle der Gemeinde abgab, jedoch, auf den Wiedereinrückungstag berechnet, mit zu wenig Abschnitten.

Adolf Lütolf und Johann Marthaler rückten in einen Ablösungsdienst ein mit Brotkarten, die, auf den Diensteintritt berechnet, zu wenig Abschnitte aufwiesen.

Alle drei ersuchen um Erlass der Bussen.

Für Holzgang werden die näheren Umstände der Übertretung geschildert, wobei geltend gemacht wird, es handle sich lediglich um ein begreifliches Versehen, das nicht vor den Richter gehört hätte. Wäre Holzgang bei seinem Einrücken auf die fehlenden Abschnitte seiner Brotkarte aufmerksam gemacht worden, so hätte er diese einfach .von den überzähligen Abschnitten der Karten iseiner Familienangehörigen beigebracht.

Adolf Lütolf erklärt wie im gerichtlichen Verfahren, die einzelne')! Tagesrationen nur aus Not überschritten zu haben.

Hierzu liegt er seine Verdienstverhältnisse bei ' der Torfausbeutung Bünzen dar, wo er sich aus Geldmangel keine besonderen Zwischenverbflegungen leisten konnte, sondern dazu geführt wurde, zuviel B>ot zu beziehen.

Man hai er betont wie im gerichtlichen Verfahren und ähnlich wie der Gesuchsteller Holzgang hiervor, aus Versehen die unrichtige lirotkarte in den Dienst genommen zu haben. Da er Familienvater sei und für fünf Kinder zu sorgen habe, möge man ihm entgegenkommen.

Es handelt sich in allen diesen Fällen um harmlose Verumständungen. wie schon die gerichtlichen Erwägungen zeigen, und um ähnliche Tatbestände wie in der Begnadigungssache Juillerat (zu vergleichen Antrag 23 im 1. Bericht für die Wintersession 1918, Bumlesbì. 1918, IV, 662). Da der Träger der Brotkarte, die persönlich ist, sich damit abzufinden hat, dass er für ihren Bestand verantwortlich gemacht wird, und es sich nicht um über massige Bussen handelt, beantragen wir schon mit Rücksicht auf andere (Derartige Verurteilungen und diß denkbare Verallgemeinerung dieser Gesuchsfälle, die Gesuchsteller abzuweisen.

A n t r ä g e : Erlass der noch ausstehenden Busse von Fr. 5 bei Häusler, Abweisung der übrigen Gesuchsteller.

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91. Linus Dobler. geb. 1879, Landwirt, Mümli&wil (Solothurn).

i)2. Adolf Stamm, geb. 1878, Mandatträger, Basel.

(Vorschriften über Kartoffelversorgung.)

Linus Dobler und Adolf Stamm wurden am 9. Dezember 1918 vom Bezirksgericht Baisthal in Anwendung der Art. 37, 42 der Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 17. Juni 1918 (a. S. n. F. XXXIV, 634) und Art. 7 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Versorgung des Landes mit Kartoffeln vom 3. September 1917 (A. S. n. F.

XXXIII, 689) verurteilt je zu Fr. 30 Busse.

Linus Dobler übertrug dem ihm verwandten Adolf Stamm zwei Körbe voll Kartoffeln im Gewichte von etwa 70 kg, ohne die entsprechenden Kartenabschnitte entgegenzunehmen und gab die Kartoffeln auf der nächsten Bahnstation auf, ohne die notwendige Transportbewilligung eingeholt zu haben.

Die Gesuchsteller ersuchen um Erlass der Busse und machen wie im gerichtlichen Verfahren geltend, in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu stehen, was auch zu der schenkungsweison Übergabe der Kartoffeln veranlasst habe. Die Anzeige sei lediglich erfolgt, weil die Beantwortung des nachträglich gestellten Gesuches um Transportbewilliguug einige Tage auf sich habe warten lassen. Dobler betont^ die Kartoffeln aus der ihm als Selbstversorger zur Verfügung stehenden Menge entnommen /AI haben und verweist auf den Umstand, dass er dem zuständigen Kartoffelamt weit über seine Verpflichtung ablieferte. Da es sich lediglich um eine Gefälligkeit handle, möge man ihnen entgegenkommen.

Die Abteilung für Kartoffelversorgung des eidgenössischem Ernährungsamtes bestätigt die Angaben Doblers hinsichtlich seiuer Kartoffelablieferungen. Auch stellte sie die nachträglich verlangte Transportbewilligung aus, wobei ihr wie in anderen derar.tigen Fällen die entsprechenden Kartenabschnitte Übermacht wurden. Besondere Gründe, die gegeu eine Begnadigung sprechen, liegen nach der Meinung dieser Amtsstelle nicht vor.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Ernähruugsamtes weist darauf hin, dass die Rationierungsvorschriften umgaugen wurden und fiodet in Anbetracht der tatsächlich vorliegenden Verfehlung sollte schon mit Rücksicht auf die Durchführung der kriegswirtschaftlichen Erlasse eine gänzliche Begnadigung nicht ausgesprochen werden.

A n t r ä g e : Herabsetzung der beiden Bussen von Fr. 30 auf Fr. 15.

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93. Rosa Grossenbacher, geb. 1888, gerlafingen (Solothurn).

Friedrichs Ehefrau, Obei-

(Verheimlichung von Speisefett.)

Rosa Grossenbacher wurde am 24. September 1918 vom Polizeirichter des Amtsbezirkes Burgdorf in Anwendung des Art. 9 des ßuhdesratsbeschlusses betreffend die Versorgung des Landes mit Speiseölen und Speisefetten am 15. Januar 1918 (A. S. n. F.

XXXIV, 93) und des Art. 11 der zudienenden Verfügung vom 2. Februar 1918 (A. S. n. F. XXXIV, "192) verurteilt zu Fr. 20 Busse.

Frau Grossenbacher behauptete bei der Bestandesaufnahme, keine Fettvorräte im Hause zu haben. Entgegen dieser Angabe besass sie jedoch einen Kessel mit etwa 8 Kilogramm Fett.

Für die Verurteilte wird um Erlass der Busse ersucht, da die Familie Grossenbacher in ärmlichen Verhältnissen lebe.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung.

Der Richter erkannte die massige Busse namentlich in Anbetracht der offenbar bescheidenen Familienverhältnisse. Noch weiter zu gehen, erscheint nicht als gerechtfertigt.

A n t r a g : Abweisung.

94. Maurice Emery, Landwirt, La Chaux-de-Fonds (Neuenburg).

95. Christian Burri, Landwirt, St. Stephan (Bern).

(Versorgung des Landes mit Rauhfutter.)

a. Gegen Maurice Emery wurde vom schweizerischen Militärdepartement am 23. Mai 1918 in Anwendung der Art. 5 ' und 17 des Bundesratsbeschlusses betreffend den Handel mit Heu und Stroh vom 18. Juni 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 392 ff.) eine Busse von Fr. 300. gesprochen ; b. Christian Burri wurde am 22. November 1918 vom'Einzelrichter des.Amtsbezirkes Obersimmental in Anwendung deiArt. 23 und 34 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Versorgung des Landes mit Rauhfutter, Getreide, Stroh -und Riedstreue vom 16. August 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 846 ff.)

verurteilt zu einer Busse von Fr. 1050.

Zu a. Maurice Emery weigerte sich hartnäckig und unter Drohungen, 800 Kilogramm Heu, das er zur Verfügung der Gc-

192 meindebehörde zu halten hatte, nach deren Anordnung auf erstes Bogehren abzuliefern.

Gegen den endgültigen Bussenentscheid des schweizerischen Militärdepartements gelangt Emery mit einem Gesuch um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse an die Bundesversammlung.

In diesem Gesuch wird in längern Ausführungen, die hauptsächlich eine Wiederholung der im Administrativverfahren geltend gemachten Anbringen darstellen, der Tatbestand bestritten, die Art und Weise des Administrativverfahrens beanstandet und die Verweigerung des rechtlichen Gehörs behauptet.

Der Bundesrat behandelte .die Eingabe bereits in seiner Sitzung vom 5. August 1918. Wir verweisen deshalb in erster Linie auf den den Begnadigungsakten beigegebenen Protokollauszug, dessen Feststellungen wir auch dem nunmehrigen Antrag an die Bundesversammlung zugrunde legen.

Aus den Akten ergibt sich, dass Emery ' sich im Administrativverfahren äussern konute, wie seine Eingabe vom 8. Mai 1918 zeigt. Den Tatbestand betreffend, beziehen wir uns auf die Zuschriften der Gemeindebehörde von La Chaux-de-Fonds, des zuständigen Kreiskomraandaaten an Emery und den Rapport des mit der erfolglosen Heurequisition betrauten Unteroffiziers.

Die strafbare Handlung hat als erbracht zu gelten und überdies in tatbeständlicher Hinsicht im Begnadigungsverfahren eine Überprüfung nicht stattzufinden.

Das Verhalten Emerys ist nicht leicht zu nehmen, da ihm andauernde Widersetzlichkeit, verbunden mit Drohungen, zur Last gelegt -werden muss. Eine nachträgliche Begnadigung kann in keiner Weise befürwortet werden.

Zu 6. Christian Burri verkaufte 16 Klafter Heu zu einem dun Höchstpreis beträchtlich übersteigenden Betrag.

Im Gesuch um möglichst weitgehenden Erlass der Busse wird gesagt, der 1842 geborene, über 76 Jahre alte Gesuchsteller sei seit Jahren gelähmt. Sowohl er < wie seine ebenfalls hochbetagte Ehefrau seien nicht mehr arbeitsfähig. Das Heimwesen werde durch Dritte im hohen Taglohn bewirtschaftet, sei mit Hypotheken belastet, und überdies habe Burri in letzter Zeit noch Bürgscliaftschulden bezahlen müssen.

Der Regierungsstatthalter von Obersimmental beantragt, die Busse bis zur Hälfte zu erlassen. Die Eheleute Burri werden als durchaus unbescholtene stille Leute geschildert und die Gesuchsanbringen ausdrücklich bestätigt.

193 Die Direktion der Landwirtschaft des Kantons Bern bemerkt,, der Gesuchsteller könne die Busse aus dem Mehrerlös über den Höchstpreis beinahe vollständig decken. Ferner wird gesagt, in Anbetracht des bedeutenden Rauhfuttermangels im Oberland seien ·die wenigsten Verkäufe zu den Höchstpreisen erfolgt, wobei in vielen Fällen die Fehlbaren nicht hätten überführt werden können.

Der Antrag auf Erlass der Busse bis zur Hälfte gehe zu weit, dagegen könne besonders mit Rücksicht auf das hohe Alter des Gesuchstellers und seine wirtschaftlich ungünstigen Verhältnisse -ein Erlass von Fr. 200 beantragt werden.

Das schweizerische Oberkriegskommissariat und das Militärdepartement schliessen sich dieser Vernehmlassung an.

Ausgehend von den persönlichen Verhältnissen des Gesuchstellers, die in den Gesuchsanbringen und den bestätigenden Ausführungen des zuständigen Regierungsstatthalters überzeugend, dargestellt werden, beantragen wir Herabsetzung der Busse auf Fr. 850.

A n t r ä g e : Abweisung Emerys, Herabsetzung auf Fr. 850 ·bei Burri.

'96. Helena Wyss, geb. 1875, Hausiererin, Winznau (Solothurn).

(Handel mit Lumpen und Stoffabfällen.)

Helena Wyss wurde am 23. Oktober 1918 vom Amtsgericht Olten-Gösgen gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1916 (A. S. n. F. XXXII, 429) betreffend den Handel mit Lumpen und neuen Stoffabfällen aller Art verurteilt zu der Mindestbusse von Fr. 50.

Helena Wyss kaufte trotz mehrmaliger Warnung Lumpen und Stoffabfälle ohne die erforderliche Bewilligung.

Helena Wyss ersucht um Erlass der Busse. Ihr Mann sei ·ein Trunkenbold und arbeitsscheuer Mensch und sie gezwungen den Unterhalt für sich und ihr Kind irgendwie zu bestreiten.

Über die Eheleute Wyss eingeholte Berichte lauten sehr ungünstig. Beide sind dem Alkoholgenuss ergeben, die elterliche Gewalt über die Kinder ist ihnen entzogen. Frau Wyss, die selbst keinen guten Leumund geniesst, musste der gleichen Widerhandlung wegen neuerdings verzeigt werden. Diese Umstände sprechen gegen eine Begnadigung; will die Bundesversammlung jedoch der Erledigung der Fälle Thekla Baur, Christian Brawand und Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. II.

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194 Arnold Lapaire (Nr. 30, 31 und 75 der Wintersession 1918, zu vergleichen Bundesbl. 1918, IV, 671 und V, 21) Rechnung tragen., so beantragen wir Herabsetzung auf Fr. 10.

A n t r a g : Abweisung oder Herabsetzung auf Fr. 10.

97. Karl Knecht, geb. 1889.

98. Otto Suter, geb. 1891, beide Mechaniker in Seon (Aargau).

(Vorschriften betreffend Motorfahrzeuge.)

Karl Knecht und Otto Suter wurden am 20. August 1918 gestützt auf Art. 10 des Bundesratsbeschlusses betreffend dieAbgabe des Brennstoffes für Motorfahrzeuge vom 14. Juli 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 512) und kantonale Erlasse zum Konkordat betreffend den Verkehr mit Motorfahrzeugen verurteilt zu je Fr. 30 Busse.

Knecht beauftragte seinen Arbeiter Suter, zur Erledigung einer geschäftlichen Verrichtung sein eigenes Motorrad zu verwenden. Keiner von beiden befand sich im Besitze der vorgeschriebenen Bezugskarten und Fahrbewilligungen.

Wie im gerichtlichen Verfahren wird im gemeinsamen Gesuch um Erlass der Bässen namentlich geltend gemacht, die Ausbesserung des Motorrades eines Arztes sei mit Rucksicht auf die damalige Grippeepidemie dringlich gewesen und habe dazu veranlasst, die Mitarbeit eines Fachmannes möglichst rasch -/.u.

beschaffen.

Es geht schon aus den Urteilserwägiiogen hervor, dass sich die Gesuchsteller in einer gewissen Notlage befanden. Da offensichtlich keine Verfehlung aus gewinnsüchtiger Absicht vorliegt, beantragen vrir, im Anschluss an die Ausführungen des eidgenössischen Ernährungsamtes, die Bussen zu erlassen.

A n t r ä g e : Erlass der Bussen.

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Arnold Hüni, geb. 1864, Kioskinhaber, Thun (Bern).

François Wülat, geb. 1861, Wirt, Courroux (Bern).

Rosine Berdat, geb. 1867, Wirtifl, Courroux (Bern).

Johann von Allmen, geb. 1875, Wirt, Gimmelwald (Bern).

Ciaire Jordan, geb. 1890, Händlerin, Montreux (Waadt).

Anna Iten, geb. 1862, Wirtin, Lenzburg (Aargau).

Josef Rippstein, geb. 1857, Wirt, Baden (Aargau).

Marie Mohr, geb. 1880, Wirtin, Ostermundigen (Bern).

Friedrich Häsler, geb.. 1887, Wirt, Gsteig (Bern).

Elise Kobi, geb. 1866, Wirtin, Biel (Bern).

Bertha Vögtli, geb. 1881, Wirtin, Hochwald (Solothurn).

Johann Lang, geb. 1863, Wirt, Fenkrieden (Aargau).

111. Marie Fridelance, geb. 189°4, zurzeit Bern.

112. Bertha Fridelance, geb. 1896, zurzeit Bern.

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Fritz Zuber, geb. 1886, Wirt, Buchs (Aargau).

Rudolf Marti, geb. 1890, Wirt, Mägenwil (Aargau).

Alfred Häusermann, geb. 1885, Wirt, Bergdietikon (Aargau)..

Robert Richner, geb. 1864, Wirt, ßheinfelden (Aargau).

(Laden- und Wirtschaftsschluss.)

Gestützt auf die damaligen ßundesratsbeschlüsse betreffend Laden- und Wirtschaftsschluss oder Massnahmen zur Einschränkung des Verbrauches an Brennmaterial und elektrischer Energie, kantonale Ausführungsvorschriften und besondere Wirtschaftspolizeibestimmungen wurden verurteilt: a. Arnold Hüni am 10. August 1918 vom Polizeirichter von Thun zu Fr. 70 Busse; b. François Wülat am 15. Oktober 1918 ; .

c. Rosine Berdat am 8. Oktober 1918, beide vom Polizeirichter von Delsberg zu Fr. 50 und 10 Busse; d. Johann von Allmen am 27. Juni 1918 vom Polizeirichter von Interlaken zu Fr. 100 Busse; e. Ciaire Jordan am 3. September 1918 vom Préfet von Vevey zu Fr. 50 Busse ; f. Anna Iten am 1. August 1918 vom Bezirksgericht Lenzburg zu Fr. 60 Busse; ff. Josef Rippstein am 3. September 1918 vom Bezirksgericht' Baden zu Fr. 50 Busse ; h. Marie Mohr am 20. Juni 1918 vom Polizeirichter von Bern zu Fr. 50 Busse; ·,«.' Friedrich Häsler am 3. Juni 1918 vom Polizeirichter von Interlaken zu Fr. 70 Busse;

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ifc. Elise Kobi am 11. November 1918 vom Polizeirichter von Biel 7,u Fr. 50 Busse; l. Bertha Vögtli am 12. September 1918 vom Amtsgericht Dorneck-Thierstein zu Fr. 10 Busse ; m. Johann Lang am 25. November 1918 vom Bezirksgericht Muri zu Fr. 50 Busse ; n. und o. Marie und Bertha Fridelance am 29. November 1918 vom Polizeirichter von Pruntrut je zu Fr. 100 Busse; p. Fritz Zuber am 26. Dezember 19^.8 vom Gerichtspräsidenten von Aarau zu Fr. 50 Busse ; q. Rudolf Marti; r. Alfred Häusermann, beide am 15. Februar 1919 vom Gerichtspräsidenten von Baden je zu Fr. 50 Busse; s. Robert Richner am 27. November 1918 vom Bezirksgericht Rheinfelden zu Fr. 80 Busse.

Sämtlichen Gesuchen ist vorauszuschicken, dass zurzeit sowohl der vom 1. November 1918 bis 31. März 1919 in Kraft gewesene Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen zur Einschränkung des Verbrauches an Brennmaterial und elektrischer Energie vom 12. Oktober 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 1028), wie der durch Bundesratsbeschluss vom 1. Februar 1919 (A. S. n. F. XXXV, 85) aufgehobene Bundesratsbeschluss betreffend Laden- und Wirtschaftsschluss, sowie Einschränkung des Betriebes von Vergniigungsetablissementen vom 12. April 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 431) nicht mehr gelten.

Dies kann aber für die Behandlung der nunmehr im Begnadigungswege vor die Bundesversammlung gebrachten nachfolgenden Strafsachen, in deneii die Verurteilungen meistens weit zurückliegen, nicht ausschlaggebend sein.

Einmal ist entsprechend Art. 2 des soeben genannten Bundesratsbeschlusses vom 1. Februar 1919 für das Übergangsrecht von Bedeutung, dass die während der Gültigkeit eines Bundesratsbeschlusses eingetretenen Tatsachen auch nach Ausserkrafttreten dieses Erlasses gemäss seinen Bestimmungen zu beurteilen sind.

Sodann handelt es sich hiernach meistens um Tatbestände.

die so weit zurückliegen, dass auch ihre rechtskräftige Beurteilung zu einer Zeit erfolgte, in der die Aufhebung der betreffenden Bestimmungen noch nicht in Betracht gezogen wurde.

Zu a. Arnold Hüni hielt seinen Kiosk unbefugterweise an drei Sonntagen im Juli 1918 offen.

In seinem Gesuch um Erlass der Busse behauptet Hüni, die Gemeindepolizeibehörden hätten ihn über die bestehenden

197 Vorschriften ungenügend aufgeklärt. Böswilliges Verhalten sei ihm ferne gelegen. Das Nichterscheinen an der Häuptverhandlung entschuldigt er mit Krankheit seiner Frau.

Die Gemeindebehörden und der zuständige Regierungsstatthalter befürworten mit Rücksicht auf die ärmlichen Verhältnisse des Gesuchstellers Herabsetzung der Busse auf Fr. 35, obschon sein Verhalten nicht für eine Begnadigung spreche.

Dagegen stellt die Polizeidirektion des Kantons Bern in Anbetracht des vorhandenen Rückfalls den Antrag auf Abweisung.

Hüni wurde in der Wintersession 1918 (zu vergleichen Antrag 79 dès II. Berichtes des Bundesrates vom 1. November .1918, Bundesbl. 1918, V, 23/24) mit ändern Geschäftsinhabern in Würdigung der bestehenden Verhältnisse teilweise begnadigt.

Die Darstellung des heutigen Gesuches erscheint als unrichtig.

Hüni kümmerte sich offensichtlich wenig um die ihm bekannten gesetzlichen Bestimmungen. Trotz seinen ärmlichen Verhältnissen sollte er deshalb im nunmehrigen B.egnadigungsverfahren abgewiesen werden.

Zu b. und c. François Willat und Rosine Berdat wurden wegen Überwirtens, gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 zu Fr. 50 und wegen unbefugter Abhaltung eines Tauzanlaases, gestützt auf kantonale Wirtschaftspolizeivorschriften zu Fr. 10 Busse verurteilt.

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ist gegeben, da das Bundesrecht bedeutend schärfere Strafen vorsieht und somit als Grundlage der gemäss Art. 33 des Bundesstrafrechtes auszusprechenden, hier allerdings unterbliebenen Gesamtstrafen zu betrachten ist.

Für Willat wird im Gesuch um Brlass der Busse ausgeführt, die Wirte von Courroux hätten beim Regierungsrate des Kantons Bern das gemeinsame Gesuch um Tanzbewilligung für das JahresTest der Gemeinde eingereicht. Daraufhin habe ihnen der Gemeindepräsident, der vom Regierungsrate direkten Bericht erhalten habe, den Tanzanlass bewilligt und zum Offenhalten der Wirtschaften bis 12 Uhr Erlaubnis gegeben. Die Anzeige habe der Regierungsstatthalter veranlasst, dem seinerseits kein Auftrag zugekommen sei, die Tanzbewilligung zu erteilen. Es sei um Mitternacht schwierig gewesen, die Gäste unverzüglich zum Verlassen der Wirtschaftsräume zu verhalten, weshalb der ,Wirtschaftsschluss erst etwas nach 12 Uhr habe erfolgen können. Unter diesen Umständen möge man Entgegenkommen zeigen.

198 è

Das Gesuch der Rosina Berdat enthält ähnliche Anbringen.

Anhand der Akten ist hergestellt, dass die Gemeindebehörden sowohl die Bewilligung zürn Tanz, wie zum spätem Wirtschaftsschluss erteilten. Sie glaubten sich hierzu berechtigt in Anbetracht der Vernehmlassung der kantonalen Sanitätsdirektion, die vom Gesichtspunkt des Bundesratsbeschlusses betreffend die Bekämpfung der Grippe vom 18. Juli 1918 (A. S. n. F., XXXIV, 776) gegen die Abhaltung des Tanzanlasses nichts einzuwenden hatte.

Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Delsberg spricht sich bezüglich Willat in Anbetracht der besondern Verumständungen und da Willat sich im allgemeinen an die wirtschaftspolizeilichen Vorschriften halte, für eine Herabsetzung der Bussen aus.

Dagegen beantragt die Polizeidirektion des Kantons Bern Abweisung der Gesuchsteller, die beide nach 12 Uhr Gäste bewirtet hätten.

Die Bewilligungen durch den allerdings unzuständigen Gemeindepräsidenten sind erfolgt. Für den nach 12 Uhr erfolgten Wirtschaftsschluss können sich die Gesuchsteller dagegen auch nicht auf den Gemeindepräsidenten berufen. Wir beantragen lediglich eine Herabsetzung auf je Fr. 30.

Zu d. Johann von Allmen, der für Sonntag den 5. Mai 1918 bis abends 11 Uhr eine Tanzbewilligung b'esass, liess nach Mitternacht noch tanzen, schloss die Wirtschaft trotz wiederholter Aufforderung des Landjägers nur widerstrebend und nahm schliesslich noch Gäste in die Küche, wo er sie bis nach 2 Uhr bewirtete.

Von Allmen ersucht um Erlass eines Teils der Busse von Fr. 100 und der Staatskosten von Fr. 63. 30, da sein Geschäft unter dem Kriege sehr gelitten habe, nicht einmal Zins und Steuern abtrage, er seinen Verpflichtungen kaum nachkommen könne und für den Unterhalt einer zahlreichen Familie zu sorgen habe.

Die Gemeindebehörden und der zuständige Regierungsstatthalter empfehlen das Gesuch und bestätigen die misslichen Verhältnisse des Gesuchstellers. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt trotz der vielen Vorstrafen, die der Gesuchsteller aufweist, aus dem gleichen Grunde Herabsetzung auf Fr. 50. Von Allmeu musste in den letzten zehn Jahren bereits viermal wegen ähnlichen Widerhandlungen bestraft werden. Ferner wurde erschwerend berücksichtigt, dass er den mehrmaligen Aufforderungen des Landjägers keine Folge leistete, bis nach zwei Uhr in der Küche weiter wirtete und schliesslich versuchte, sich in frecher Weise herauszulügen.

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Mit dem urteilenden Richter halten wir eine empfindliche Ahndung für notwendig und können mit Rücksicht auf die erschwerenden Verumständungen der Widerhandlung trotz den misslichen Verhältnissen des Gesuchstellers die gänzliche Begnadigung nicht befürworten. Angesichts der hohen Gerichtskosten beantragen wir immerhin Herabsetzung auf Fr. 70.

Zu e. Ciaire Jordan verkaufte an Sonntagen in ihrem Kiosk .Zigaretten.

Im Gesuch um ganzen odor doch teilweisen Erlass der Busse führt die Gesuchstellerin aus, sie sei die einzige Stütze einer augenkranken, arbeitsunfähigen Schwester im Alter von 22 Jahren und eines noch schulpflichtigen elfjährigen Schwesterchens. Der Bruder habe damals infolge längeren Militärdienstes zum Unterhalt nichts beitragen können. Zurzeit sei sie stark verschuldet.

Ein Bericht der Ortsbehörde bestätigt diese Angaben und betont, Anstoss zu der Anzeige hätten die fortgesetzten Verfehlungen der heutigen Gesuchstellerin gegen die Vorschriften betreffend Ladenschluss und die daherigen zahlreichen Beschwerden anderer Handelstreibender gegeben. Mit Rücksicht auf die vorhandenen Familieriverhältnisse befürworten sämtliche zur Vernehmlassung gelangten kantonalen Behörden einen teilweisen Erlass.

Aus demselben Grunde und in Anbetracht des guten Leumundes, da ferner weder Vorstrafen noch besondere erschwerende Verumständungen vorliegen wie im Falle von Allmen, beantragen wir Herabsetzung der Busse auf Fr. 10. Eine gänzliche Begnadigung scheint uns schon mit Rücksicht auf andere Gewerbetreibende nicht angebracht.

Zu f. Anna Iten ist geständig, ihr Wirschaftslokal am 30. Juni 1918 erst nach 11 Uhr abends geschlossen zu haben.

Im Gesuch wird die gute Wirtschaftsführung der Witwe Itea betont und gesagt, es handle sich um eine erstmalige Verfehlung.

Man möge der rechtschaffenen Frau, die sich in schwierigen d-eldverhältnissen befinde, entgegenkommen.

Das Bezirksgericht Lenzburg befürwortet eine teilweise Begnadigung, da die vorgesehene Mindestbusse von Fr. 50 sehr hoch sei.

Aus den Erwägungen ergibt sich, dass der Gesuchstellerin straferhöhend zur Last gelegt wurde, dass man zwecks Täuschung des Nachtwächters einige Zeit das Licht ausgelöscht hatte. Mit Rücksicht auf die ungünstigen Geldverhältnisse und da Vorstrafen nicht vorhanden sind, beantragen wir Herabsetzung der Busse auf Fr; 40.

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Zu g. Der Wirt Josef Rippstein wurde mit zwei Gästen um12 Uhr 50 in seiner Wirtschaft beim Kartenspiel betroffen.

Rippstein versichert, sieo hätten über dem Spiel der Zeit nicht geachtet und eine absichtliche Verfehlung liege nicht vor. Er habe bisher weder Verweis noch Strafe erlitten. In Anbetracht der schwierigen Verhältnisse, in denen er kaum die Wirtschaftsabgaben, geschweige denn den Lebensunterhalt seiner siebenköpfigen Familie herausschlage, möge man ihm die Busse erlassen.

Der Gemeinderat von Baden beantragt gänzlichen Erlass; oder Herabsetzung auf Fr. 10. Die abgelegene Wirtschaft soll nicht viel eintragen, Rippstein ein ordnungsliebender Wirt sein.

Das Generalsekretariat des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements beantragt, namentlich im Verhältnis zu ändern Fällen der damaligen aargauischen Gerichtspraxis, Herabsetzung der Busse auf Fr. 20.

Da erschwerende Verumständungen nicht vorliegen, übernehmen wir diesen Antrag, ohne auf die Schuldfrage einzutreten.

Zu A. Frau Marie Mohr veranlasste nach 11 Uhr in einem zu dem Wirtschaftsbetrieb gehörenden Raum anlässlich der Verlobung ihrer beiden Serviertöchter in geschlossener Gesellschaft eine kleine Feier.

·In dem für Frau Mohr um Erlass der Busse und der Koston eingereichten Gesuch wird der Hergang näher geschildert, auf die der Gesuchstellerin nicht ungünstigen Urteilserwägungen verwiesen und betont, schon der urteilende Richter habe die Begnadigung angeregt. Es wird als hart bezeichnet, wenn es dem Wirte nicht gestattet sein sollte, sich zu Privatzwecken länger als bis 11 Uhr in seinen Wirtschaftsräumen aufzuhalten.

Das Generalsekretariat des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements, dem mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse die Begnadigungssache zur Vernehmlassung überwiesen wurde, bestätigt, dass nach dem damaligen Bundesratsbeschluss um 11 Uhr alle Wirtschaftsräume zu .schliessen waren und nachher weder zu geschlossenen Gesellschaften noch zu Pjivatanlässen benutzt werden sollten, da eine Ausnahme nicht vorgesehen war.

Namentlich da im Wirtschaftspolizeirecht des Kantons Bern derartige Anlässe privater Art ausdrücklich vorbehalten sind, beantragen wir im Anschluss an das Generalsekretariat des Volkswirtschaftsdepartements Herabsetzung der Busse auf Fr. 20.

Zu i. Friedrich Häsler hielt an einem Samstag seine Wirtschaft bis um 12]/2 Uhr offen, schloss sie dann, nahm aber nachher wieder Gäste auf und bewirtete sie bis zwei Uhr.

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Häsler ersucht um teilweisen Erlass der Busse, die für ihn mit Rücksicht auf den schlechten Geschäftsgang und die Familienlasten unerschwinglich sei.

Die kantonalen Behörden bestätigen die misslichen VerdienstVerhältnisse und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Herabsetzung auf Fr. 40.

Da Häsler noch-keine Vorstrafen aufweist, beantragen wir mit Rücksicht auf die bedrängte Lage des Gesuchstellers Herabsetzung auf Fr. 50.

Zu Je. Elise Kobi überwirtete in der Nacht vom Sonntag auf den Montag den 20./21. Oktober 1918. Im Gesuch um Erlass der Busse wird der Vorfall geschildert und betont, der Ehemann der Gesuchstellerin sei kürzlich verstorben und die Witwe habe alle Mühe, die Familie anständig durch das Leben zu bringen.

Da die Wirtschaft bis jetzt klaglos geführt worden sei, erscheine die Busse als sehr hart.

Da Elise Kobi weder vorbestraft ist, noch erschwerende Umstände vorliegen, beantragen wir entsprechend den Vernghmlassungen der kantonalen Behörden. Herabsetzung der Busse auf Fr. 20.

Zu l. Bertha Vögtli hielt ihre Wirtschaft etwas nach 11 Uhr noch offen.

Das Gesuch um Erlass der Busse beansprucht die ,,ToleranzViertelstunde" und beschuldigt den anzeigenden Landjäger der Voreingenommenheit.

Laut Urteilserwägungen haben die solothurnischen Polizeiorgane Weisung, die Wirtschaften nicht vor 11 Uhr 15 Minuten zu überwachen.

Nach dem Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 liegt eine Widerhandlung vor. Das Gericht nahm Fahrlässigkeit an .und verurteilte lediglich zu Fr. 10 Busse. Dieser Betrag kann kaum als übersetzt bezeichnet werden, weshalb wir Abweisung beantragen.

Zu m. In der Nacht vom 8./9. September wurden in der Wirtschaft Lang um 12Ys Uhr noch Gäste betroffen, die im Zimmer neben dem eigentlichen Wirtschaftsraum beim Wein sassen. Es ist ferner festgestellt, dass auch sonst nachts in der Wirtschaft und um diese herum viel Lärm und Unruhe herrschte.

Johann Lang ersucht um Herabsetzung der Busse auf Fr. 20, da er damals grippekrank darniedergelegen sei. Den Vorwurf

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sonstigen Überwirtens lehnt er ab. Die Wirtschaft sei zum grossen Teil von den zu jener Zeit im Torfmoos Fenkrieden beschäftigten Internierten und sonstigen Arbeitern verschiedener Herkunft besucht worden. Es sei dies eine oft ungefügige Kundschaft gewesen, die ihn sogar misshandelt habe. Feraer betont Lang seine verringerte Arbeitsfähigkeit infolge Verstümmelung einer Hand.

Die Akten ergeben, dass Lang wegen Überwirtens bereits vorbestraft ist und es auch sonst an der Wirtschaftsaufsicht fehlen liess.

Mit der Mehrheit des Gerichtes halten wir die Busse für angebracht.

Zu n und o. Gegen die Schwestern Marie und Bertha Fridelance mussten am 20., 26. August, 5. September und 19. November 1918 wegen Überwirtens Anzeigen eingereicht werden.

Die Beiden unterzogen sich schriftlich dem bevorstehenden Urteil. Im gemeinsamen Gesuch um Erlass der Bussen wird behauptet, die Gesuchstellerinnen hätten zur Zeit der schriftlichen Unterziehung nicht wissen können, dass vier Anzeigen in Ber tracht kämen. Das Urteil laute auf Widerhandlung gegen Vorschriften betreffend Einschränkung des Verbrauches an Brennmaterial und elektrischer Energie, während wegen Widerhandlung gegen die Wirtschaftspolizei vorgeladen worden sei. Die Gesuchstellerinnen hätten die Wirtschaft lediglich während einigen Monaten geführt. Seit dem 10. Oktober letzten Jahres werde sie von Verwandten betrieben, auf die nunmehr das Patent laute.

Die Anzeige vom 19. November könne die Schwestern deshalb überhaupt nicht berühren. Die Verurteilung sei hierin reclitsirrtümlich. Die den frühern Anzeigen zugrunde liegenden Verfehlungen seien leichter Art, da jeweils nur einige Minuten überwirtet worden sei. Die Polizeiberichte werden, soweit sie anders lauten, bestritten.

Diese Richtigstellungen in Verbindung mit der Jugendlichkeit der beiden Verurteilten seien geeignet, ihre geringe Erfahrung und allfällig gezeigte Nachlässigkeit zu entschuldigen, besonders da die vorübergehende Wirtschaftsführung für sie ein unglückliches, ärgerliches Abenteuer bedeute.

Der Gemeinderat von Pruntrut bestreitet in seiner Vernehmlassung vom 14. Februar 1919, dass das Wirtschaftspatent übertragen worden sei. Nachdrücklich wird Abweisung der Gesuchstellerinnen verlangt und ihr herausforderndes Verhalten der Gemeindepolizei gegenüber hervorgehoben.

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Dasselbe beantragen der zuständige Regierungsstatthalter, die Direktion .des Innern und die Polizeidirektion des Kantons Bern.

Soweit die Gesuchsanbringen im Begnadigungsverfahren überhaupt zu hören sind, können sie unseres Brachtens gegenüber ·den Berichten der Kantons- und Gemeindebehörden nicht in Betracht fallen.

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Wir beantragen Abweisung.

Zu p. Fritz Zuber hat in der Nacht vom 12./13. Dezember seine Wirtschaft erst nach zwei Uhr geschlossen.

Im Gesuch um Eiiass oder Herabsetzung der Busse wiederholt Zuber wie im gerichtlichen Verfahren, er habe in jener Nacht drei Gäste einfach nicht weggebracht. Er sei Taglöhner, ·habe für fünf Kinder zu sorgen und die nebenbei geführte Wirtschaft trage wenig ab. Ausserdem sei ihm an jenem Abend -eine beträchtliche Menge Zigarren gestohlen worden.

Laut eingeholten Berichten ist Zuber wegen Widerhandlung gegen die Wirtschaftspolizei vorbestraft. Die Angaben über die Einkommensverhältnisse sind ungenau. Zuber bürgt nicht für ·eine gute Wirtschaftsführung.

Wir beantragen Abweisung.

1918

Zu q und r. Rudolf Marti und Alfred Häusermann überwirteten in der letzten Sylvesternacht und Hessen tanzen bis .gegen Morgen, obschon lediglich Verlängerung bis zwei Uhr ·nachts bestand.

Beide ersuchen um Erlass oder Herabsetzung der Busse.

Marti schreibt, es sei Feierabend geboten worden, hinauswerfen könne man die Gäste nicht und verweist überdies auf ·die dem Wirtschaftsgewerbe ungünstigen Zeitverhältnisse.

Häusermann betont, er sei Anfänger, habe erstmals an einem Sylvester gewirtet, und übersehen, dass um zwei Uhr geschlossen werden sollte. Musikanten zum Aufspielen habe er nicht bestellt gehabt.

Im Anschluss' an die Stellungnahme des urteilenden Gerichtes können wir, da es sich nicht um geringfügige Säumnis, sondern um grobe Verfehlungen handelt, in beiden Fällen eine Begnadigung nicht beantragen. Marti hat sich zudem dieselbe Handlung ^ö wiederholt zu Schulden kommen lassen.

Zu s. Laut Urteilserwägungen hat Robert Richner erwiesenermassen wiederholt überwirtet.

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Auf eine gegen die ' Verurteilung an das Obergericht des= Kantons Aargau gerichtete Beschwerde wurde aus formellen Gründen nicht eingetreten.

Das Gesuch um Erlass der Busse erörtert die dem Urteil zugrunde liegenden Verumständungen, will, namentlich mit dem Hinweis, ein Zeuge habe inzwischen seine Aussagen ,,zurückgezogentt, die gerichtlichen Feststellungen berichtigen und die ganze Anzeige als Verleumdung und lügnerische Übertreibung von Drittpersonen darstellen.

Richner wendet sich an die Begnadigungsbehörde, da er wegen Überwirtens noch nie vorbestraft sei, das Geschäft sehr schlecht gehe und ihm zu seiner Rechtfertigung keine andere Möglichkeit offen stehe.

Da Vorstrafen nicht in Betracht kommen, laut Erhebungen die Einkommensverhältnisse nicht gerade günstig sind, über die Aufführung des Gesuchstellers nichts nachteiliges bekannt ist, beantragen wir, ohne auf die Tatbestandsfragen einzutreten,, Herabsetzung auf Fr. 50.

A n t r ä g e : Abweisung Hünis, Herabsetzung bis Fr. 30 bei Willat und Rosine Berdat, Fr. 70 bei von Allmen, Fr. 10 bei Ciaire Jordan, Fr. 40 bei Anna Iten, Fr. 20 bei Rippstein und Marie Mohr, Fr. 50 bei Häsler, Fr. 20 bei Elise Kobi, Abweisung der Bertha Vögtli, Längs, der Schwestern Fridelance,, Zubers, Martis, Häusermanns, Herabsetzung bis Fr. 50 bei Richner.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 6. Mai 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, De r B u n d e s p r ä s i d e n t : Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Steiger.

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III. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1919). (Vom 6. Mai 1919.)

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1919

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14.05.1919

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