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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 7l. Jahrgang.

Bern, den 4. Juni 1919.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 13 Franken im Jahr, « Franken im Halbjahr, anzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 15 Rappen die Zeile oder deren Baum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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zu 575

XII. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen.

(Vom

23. Mai 1919.)

Wir beehren uns, Ihnen im nachstehenden über die von uns vom 9. November 1918 bis zum 30. April 1919 auf Grund des Sundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.

Die auf. Grund der Vollmacht; vom 3. April 1919 erlassenen Verordnungen werden Ihnen als besondere Beilage zum Neutralitätsbericht zur Kenntnisnahme und zum Entscheid übermittelt werden.

A. Politisches Departement.

Auswärtiges.

Die in den Staaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie angeordnete Abstcmpelung der Kronennoten gab dem Politischen Departement Veranlassung, durch die Gesandtschaft in Wien darauf hinweisen zu lassen, dass die Schweiz alle Staaten der Monarchie als für die in Zirkulation befindlichen Noten solidarisch haftbar betrachte ; dagegen unter Wahrung der Solidarität sei sie immerhin bereit, einer Verteilung der in Schweizerbesitz befindlichen auf die Einzelstaaten nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, sei es durch Abstempelung, sei es durch Eröffnung entsprechender Bankkredite, zuzustimmen. Zugleich wurde im Einverständnis mit dem Finanzdepartement und der Naticnalbank eine Bestandesaufnahme aller im Besitz von Schweizern befindlichen Noten angeordnet und durch Bundesratsbeschluss vom 7. März die Einfuhr von Kronennoten bis auf weiteres verboten.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

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Das Politische Departement hatte sich mit der Entrichtung der Entschädigungssummen zu befassen, die der Bund den Opfern von Bombenabwürfen aus Flugzeugen, deren Nationalität nicht festgestellt werden konnte, aus Billigkeitsrücksichten und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zubilligte. Solche Entschädigungen wurden den Opfern von Kallnach und Merishausen ausbezahlt.

Dies geschah auch für einen Teil der Schäden in Pruntrut; was den ändern Teil anbelangt, haben die Interessenten die Schätzung der Experten nicht angenommen, so dass eine zweite Kommission bestellt wurde, um die Prüfung der Schäden von neuem vorzunehmen. Diese Kommission hat ihre Arbeiten noch nicht beendigt.

Das Departement hat den Heimtransport russischer Staatsangehöriger gefördert, die im Januar in einem Sonderzuge die Schweiz mit der Bestimmung Petrograd verlassen haben.

F i n a n z i e l l e M a s s n a h in e n z u G u n s t e n d e r a u s kriegführenden Ländern ausgewieseneu oder aus deren B e t r i e b e n e n t l a s s e n e n S c h w e i z e r . Auch während der Zeit seit dem letzten Neutralitätsbericht wurden leider eine Anzahl Schweizer ausgewiesen, die den fremden Behörden aus irgendeinem Grunde nicht mehr genehm waren. Diese Ausweisungen erfolgten unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit, ohne dass eine nähere Begründung erwirkt werden konnte, und betrafen in der Hauptsache Schweizer, die in Frankreich niedergelassen waren. Das Departement hat sich jedes einzelnen dieser Fälle, die ihm gemeldet wurden, angenommen, leider aber mit wenig Erfolg, da eine Wiedererwiigung erst auf den Friedensschluss in Ausicht gestellt worden ist. Dazu kommt noch die bedauerliche Tatsache, dass die sich in fester Stellung befindlichen Schweizer den zurückkehrenden Kriegern, insbesondere in Deutschland, Platz machen mussten und aus diesem Grunde entlassen und zur Heimkehr gezwungen wurden. Unter solchen Umständen war es Pflicht des Bundesrates, zu prüfen, auf welche "Weise, abgesehen von der Unterstützungstätigkeit, welche der Fonds für notleidende Auslandschweizer gestattet, unsern so schwer heimgesuchten Landsleuten in der Heimat Arbeit und Verdienst verschafft werden kann ; die bezüglichen Massnahmen fallen in den Kompetenzkreis des Volkswirtschaftsdepartements.

Überdies beschloss der Bundesrat am 22. April, einen Kredit von
Fr. 1,000,000 zu bewilligen behufs Gewährung von Vorschüssen an die geschädigten Auslandschweizer auf ihre im Auslande zurückgelassenen oder zurzeit nicht realisierbaren Vermögenswerte. Diebereits bestehende Schweizerische Hülfs- und Kreditorengenossen-

113 schaft für Russland wurde mit der Verwaltung der bewilligten Summe und dem Vorschussdienste betraut.

Vertretung fremder Interessen und Internierung.

Seit der Einreichung des XL Neutralitätsberichtes und des Geschäftsberichtes für das Jahr 1918 ist hinsichtlich der Interessenvertretung der alliierten Mächte (Vertretung der italienischen Interessen in Deutschland, sowie der französischen, italienischen und rumänischen Interessen in Oesterreich-Ungarn) eine starke Abnahme der Geschäfte festzustellen, die namentlich auf die infolge der Waffenstillstandsbedingungen durchgeführte Heimschaffung der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten dieser Mächtegruppe zurückzuführen ist. Die um die Jahreswende erfolgte Übernahme der Wahrung der italienischen Interessen in lolen und im Konsularbezirk Odessa hat keine nennenswerte Vermehrung der Geschäfte verursacht. Dagegen hat der Umfang der Vertretungsangelegenheiten der gegnerischen Mächtegruppe, insbesondere die deutsche Interessenvertretung, eine wesentliche Zunahme erfahren, indem wir seit Anfang des Jahres auch in Polen den Schutz der deutschen Interessen ausüben, und da mit Rumänien, wo wir nunmehr im ganzen Königreich sowohl die deutschen und österreichisch-ungarischen als auch die bulgarischen und türkischen Interressen vertreten, nach der Rückkehr unserer Gesandtschaft von Jassy nach Bukarest der seit einem Jahr unterbrochene Kurierverkehr wieder regelmässig aufgenommen werden konnte.

Es ist ferner noch zu erwähnen, dass wir die Weiterleitung der Gesuche und Vorschläge der Deutschen, Bayerischen, DeutschOesterreichjschen und Ungarischen Regierung betreffs Zufuhren von Lebensmitteln, Kohle usw. und Milderung der Waffenstillstandsbedingungen an die angesprochenen Ententeregierungen übernommen haben.

Immerhin hat die damit zusammenhängende Geschäftsvermehrung den nach der ändern Seite eingetretenen Rückgang nicht auszugleichen vermocht, so dass der Personalbestand der Abteilung entsprechend reduziert werden konnte. Die Heimschaffung der deutschen Zivilinternierten aus England, von denen bisher zirka 20,000 nach Deutschland zurückgekehrt sind, sowie die bevorstehende Entlassung der österreichisch-ungarischen Zivilinternierten aus Frankreich dürften weiter zur Verringerung der Abteilungsgeschäfte beitragen. Anderseits ist es offensichtlich, dass

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bis zur Wiederaufnahme der direkten Beziehungen zwischen den jetzt gegnerischen Staaten die der Abteilung zufallende vermittelnde Aufgabe fortbestehen bleibt und ein weitergehender Abbau in dieser Hinsicht kaum ins Auge gefasst werden kann.

Infolge der Demobilisierung wurde die seit 1. Juli 1918 für die Durchführung der Transporte fremder Staatsangehöriger durcli die Schweiz, sowie nach und aus der Schweiz funktionierende.

Stelle ,,Sektion für Transporte" direkt dem schweizerischen Militärdepartement unter der Bezeichnung ,,Abteilung für Transporte und Quarantänen unterstellt. Gleichzeitig wurde der Rotkreuzchefarzt für die Ausübung der sanitarischen Funktionen bei den Transporten von verwundeten und kranken Kriegsgefangenen der genannten Stelle zugeteilt in der Absicht, die Durchführung sämtlicher Transporte in eine Hand zu legen.

Den Waffenstillstandsbedingungen gemäss gelangten die Kriegsgefangenen und Zivilinternierten der Ententestaaten zur Heimschaffung. Ein ansehnlicher Teil derselben wurde durch unser Gebiet heimbefördert; an gesunden Kriegsgefangenen waren es seit Anfang November 1918 106,930 und zwar: !.. Franzosen 68,380 2. Engländer 3,970 3. Italiener 31,876 4. Amerikaner 2,295 o. Belgier 269 G. Angehörige ariderer Staaten .

140 Eingangsorte für sämtliche Militärtransporte waren Basel und Konstanz, mit Bestimmung Delle, Pontarlier und Genf für die Franzosen, Engländer, Amerikaner, Belgier etc., während die Italiener nach Como und Domodossola geführt wurden.

Die Gesamtzahl der unter der Leitung des Rotkreuzchefarztes seit November 1918 durch die Schweiz hei m beförderten amerikanischen, französischen, italienischen, deutschen, österreichischen, ungarischen und anderen verwundeten und kranken Militärpersonen betrug 30,347. Zum ersten Mal wurden bei Durchführung dieser Transporte Verwundete und Kranke im Innern des betreffenden Nehmestaates abgeholt und in das Innere des Heimatlandes gebracht. Ferner wurden komplete Durchtransporte von zirka 1100 Deutschen, Oesterreichern und Ungarn in Como und von zirka 1100 Deutschen, Oesterreichern und Ungarn in Spezia, beide aus der Türkei kommend, zur Weiterleitung nach Konstanz

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übernommen. Diese Transporte wiesen ausser den Kranken und Verwundeten grössere Bestände an Sanitätspersonal- auf.

Die seit dem Waffenstillstandsabschluss von der ,,Sektion für Transporte", jetzt ,,Abteilung für Transporte und Quarantänen a , bewerkstelligten Heimschaffungen von In t e r n i e r t en aus der Schweiz betragen insgesamt: Franzosen 13,557 Belgier 1,997 Engländer 2,505 Deutsche 3,057 Österreicher und Ungarn . . .

208 Zusammen

21,324

Endlich wurden seit November vorigen Jahres 7558 aus der InternieruDg in den fremden Staaten entlassene Zivilpersonen durch Schweizergebiet heimgeschafft.

Die für sämtliche Transporte notwendige Kohle wurde mit Ausnahme von Österreich-Ungarn, von den Heimatstaaten der Heimbeförderten geliefert.

Der Vollzug der Waffenstillstandsbedingungen hatte zur Folge, dass sämtliche in der Schweiz internierten Ententeangehörigen zur Rapatriierung gelangten. Der offizielle Abschluss der Internierung der französischen Militärpersonen hat am 17. Januar, derjenige der belgischen und britischen Kriegsgefangeneninternierung am 31. Januar abhin stattgefunden. Aus Gesundheitsrücksichten wurden in der Schweiz internierte Angehörige der Ententestaaten zeitweilig noch zurückbehalten, deren Zahl anfänglich 152 Franzosen und 28 Engländer in Leysin und 38 Franzosen und 22 Belgier in Montana betrug. Diese weiterhin dem Internierungsdienst unterstellten hospitalisierten Militärpersonen haben naturgemäss ihre Eigenschaft als Kriegsgefangene verloren, so dass ihre Heimschaffung ohne Einwilligung des Nehmestaates, gestützt auf ärztliches Gutachten, erfolgen kann. Anfangs Mai werden auch die letzten dieser hospitalisierten Militärpersonen heimgeschafft sein.

Die aus britischer Gefangenschaft in der Schweiz internierten deutsehen Militärpersonen konnten nach erfolgter Zustimmung der britischen Regierung Ende vorigen Jahres in die Heimat entlassen werden, während für die aus französischer und belgischer

116 Gefangenschaft kommenden und in der Schweiz zurückbleibenden Internierten, wie bisher, nur eine Heimschaffung aus sanitarischen Gründen zulässig war.

Das Politische Departement ist seit Abschluss des Waffenstillstandes zu wiederholten Malen und in dringlicher Weise bei der französischen und bei der belgischen Regierung vorstellig geworden, um die Entlassung der noch in der Schweiz internierten deutschen Kriegsgefangenen, sowie österreichisch-ungarischen und deutschen Zivilpersonen zu erwirken, bisher indessen ohne völligen Erfolg.

Nach der im Januar 1919 einseitig erfolgten Aufhebung der Internierung der Angehörigen der Ententestaaten befanden sich in der Schweiz noch 5455 deutsche Militärinternierte, 201 österreichische, 122 ungarische und 17 deutsche Zivilinternierte.

Slitte März willigte die französische Regierung in die Heimschaffung der österreichischen und ungarischen Zivilinternierten in der Schweiz ein. Deren Abtransport erfolgte, mit wenigen Ausnahmen, im Laufe des Monats April.

Anfangs April erklärte sich ferner die französische Regierung mit einer bedingten Entlassung der tuberkulösen und verwundeten, in der Schweiz internierten deutschen Kriegsgefangenen einverstanden. Durch diese voraussichtlich in kürzester Zeit zu gewärtigende Entlassung werden zirka 200 Offiziere und 2100 Unteroffiziere und Mannschaften in die Heimat entlassen werden können.

Die ohnehin schon durch die Aufhebung der Internierung der Angehörigen der Ententestaaten erfolgte Konzentration wird nach durchgeführter Heimschaffung der Tuberkulösen und Verwundeten in noch grösserm Umfange Plalz greifen müssen. Auch sollen die Schritte fortgesetzt werden, um. die endgültige Aufhebung der Internierung in der Schweiz in möglichst kurzer Frist zu erwirken.

Am 30. April 1919 belief sich die Zahl der in der Schweiz noch internierten Kriegsgefangenen und Zivilpersonen auf 4922 Mann, und zwar : Offiziere

Unteroffiziere und Soldaten

Deutsche . . . .

Österreicher . . .

Ungarn . . . .

1070

3747

. 38 46 21

4855 4(5 21

Zusammen

1070

3747

105

4922

Zivilpersonen Total

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B. Departement des Innern.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. T o r f v e r s o r g u n g . Die Erfahrungen des Jahres 1918 haben gezeigt, dass die Verfügung des eidgenössischen Departements des Innern betreffend Höchstpreise für Torf vom 22. März 1918 in verschiedener Hinsicht einer Revision bedurfte. Insbesondere waren eine Erhöhung der Preise und eine eingehendere Bewertung des Torfes, welche auf möglichste Ausschaltung minderwertiger Ware abzielte, angezeigt.

Zur Revision der Höchstpreise gab eine Eingabe des Verbandes schweizerischer Torfindustrieller an das Departement des Innern Anlass. Die Torfindustrielleri, welche Torf auf maschinellem Wege ausbeuten, erklärten, dass sie bei den Höchstpreisen des Jahres 1918 ihr Auskommen unmöglich finden können, während die Händler, die sozusagen kein Risiko tragen, den Torf mit Gewinn verkaufen. Sie gaben der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Abteilung Torfversorgung, die Erklärung ab, dass sie ihre Betriebe im Jahre 1919 nicht wieder aufnehmen würden, falls für Maschinentorf nicht ein Höchstpreis von wenigstens Fr. 80 per Tonne festgesetzt würde. Dadurch wäre der inländischen Brennstoffproduktion ein Quantum von 50 bis 100,000 Tonnen entzogen worden und überdies eine grosse Zahl von Arbeitern beschäftigungslos geworden.

Da auch von Seiten der Handstichtorfproduzenten Preiserhöhungen begehrt wurden, sah sich die Inspektion für Forstwesen veranlasst, die Höchstpreise zu revidieren. Sie hat sich zu diesem Zwecke über die Gestehungspreise3 welche bei den Torfausbeutungsunternehmungen der schweizerischen Torfgenossenschaft «rzielt worden sind, Aufschluss erteilen und von dem Direktor der eidgenössischen Prüfungsanstalt für Brennstoffe, Herrn Dr.

Schläpfer, ein Gutachten über die Bewertung des Torfes abgeben lassen.

Der Höchstpreisverfügung wurden neu hinzugefügt Bestimmungen über spezielle Torfe, über Qualitätsware und über Halbtrockentorf. Ferner sind die Gebühren betreffend Torf für den Hausbrandbedarf im Sinne einer Reduktion abgeändert worden.

Die revidierte Verfügung ist am 1. März 1919 erschienen und auf 1. Mai 1919 in Kraft getreten.

2. B r e n n h o l z V e r s o r g u n g . Das weitere Steigen der Arbeits- und Fuhrlöhne, sowio die Erhöhung der Papierholzpreise und die Notwendigkeit der klareren Fassung einiger Vorschriften

118 und ihres weitem Ausbaues veranlassten eine neue Verfügung de& Departements des Innern vom 14. Dezember 1918 über Höchstpreise für den Tnlandhandel mit Brennholz. Die untern Ansätze, also diejenigen für die geringern Qualitäten, wurden mit Rücksicht auf die weniger bemittelte Bevölkerung gleich belassen, dagegen der Unterschied zwischen Buchen- und Nadelholz entsprechend dem höhern Brennwert des erstem wesentlich vergrössert. Eine wichtige Neuerung bestund auch darin, dass die Höchstpreise nicht nur für den interkantonalen, sondern auch für den innerkantonalen Verkehr, also allgemein gültig erklärt wurden. Die Forderung der Bereitstellung von innert sechs Monaten zu liefernden 300,000 Ster Brennholz für die Lokomotivfeuerunü; der schweizerischen Bundesbahnen brachte zu der bereits für die Versorgung der holzarmen Kantone bestandenen Kontingentierung noch eine neue hiazu. Die vier Kantone Zürich, Basel, St. Gallen und Genf, welche auf die Brennholzeinfuhr angewiesen sind, wurden in der Hinsicht auch in Mitleidenschaft gezogen, dass ihre Einfuhrkontingente ganz oder teilweise sisti er t bleiben bis zur Deckung des Bedarfes der schweizerischen Bundesbahnen und erst dann nachgeholt werden. Nachdem ursprünglich, nach Ansicht der Kohlensektion der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft, bei den Nebenbahnen und Dampferkursen noch genügende Kohlenvorräte hätten vorhanden sein sollen, musste schliesslich im März 1919 für die Versorgung dieser Transportanstalten doch auch noch eine Holzkontingentierung irn Betrage von HO,000 Ster durchgeführt werden.

3. N u t z h o l z v e r s o r g u n g . In bezug auf die Nutzholzversorgung sind seit dem letzten Bericht keine Verfügungen im Sinne des Ausbaues mehr erlassen worden. Die Durchführung der letzten in dieser Richtung erlassenen Verfügung über die Rundholzhöchstpreise begegnete insofern Schwierigkeiten, als die Holzindustriellen damit nicht zufrieden waren und infolgedessen die Schnittwarenhüehstprcise nicht halten wollten, weil die Rundholzpreise zu hoch gewählt seien. Wir mussten mit aller Strenge einschreiten, um die Versorgung des Inlandbedarfes zu den Höchstpreisen durchzusetzen. Seither scheint sich die Holzindustrie doch den bestehenden Vorschriften angepasst zu haben, denn als es sich um den Beginn des Abbaues der Kriegsmassnahmen handelte,
wendete sie sich energisch gegen jede Abschaffung auch nur von Teilen der Höchstpreisverfügungcn für Nutzholz.

Weil die Höchstpreisverfügungen für Kantholz und Schnittwaren einerseits und für Rundhoh anderseits unter sich zusammen-

119 hängen, konnte von der gänzlichen Aufhebung nur der einen allein keine Rede sein. Für die Aufhebung beider Verfügungen aber waren von keiner Seite stichhaltige Gründe vorgebracht worden, und so konnte es sich denn nur um die Aufhebung von Teilen handeln. Nachdem schon im Januar 1919 die zeitweise Aufhebung des Steigerungsverbotes, der Konzession für den Rundholzhandel, der Pflicht zum schriftlichen Abschluss der Holzverkaufsverträge und der Vorschrift über die Zopfstärke des Nutzholzes für jene Gebiete, die grosse Windwürfe aufwiesen, in die Befugnis der kantonalen Regierungen gelegt worden war, wurden diese Beschränkungen am 24. Februar -1919 allgemein ausser Kraft gesetzt. Dem von verschiedenen Seiten geäusserten Wunsche nach Aufhebung der Beschlagnahme und der Höchstpreise für Schwellen- und Stangenholz konnte ohne Bedenken entsprochen werden.

4. P a pi er h o la V e r s o r g u n g . Obwohl die Kontingentierung der Kautone für die Papierholzbeschaffung pro 1918/19 auf starken Widerstand stiess und die Antworten ein mutmassliches Ergebnis von nur 170,000 Ster an Stelle von 250,000 Ster zeigten, haben sich die Vertragsabschlüsse und wirklichen Lieferungen in der ersten Hälfte der Versorgungsperiode doch ziemlich günstig gestaltet. Dies war die unmittelbare Folge der Preiserhöhung, welche wir schon im Vorjahr als einziges sicheres Mittel zur Produktionssteigerung hervorgehoben hatten. Die in letzter Zeit sehr reichlich einlaufenden Anmeldungen lassen erwarten, dass das volle in Aussicht genommene Quantum geliefert werden kann.

Bei Beginn des Abbaues der Kriegsmassnahmen musste man sieh fragen, ob allfällig auch in der Papierholzversorgung Produktion und Handel freigegeben werden könnten. Die Überlegung zeigte, dass es wohl richtiger ist, mitten in der Versorgungsperiode keine so einschneidende Änderung zu treffen, und zwar namentlich auch darum, weil einzelne Kantone mit ihren Rüstungen und Lieferungen noch stark im Rückstand waren, während andere mehr als ihre Pflicht getan hatten. Eine Aufhebung der Massnahmen in diesem Moment wäre also einer Prämiierung' der Lässigkeit gleichgekommen und würde von denjenigen Produzenten, welche die ergangenen Weisungen rasch befolgt haben, mit Kecht sehr übel aufgenommen worden sein.

Zudem wäre die Gefahr gross, dass bei dem jetzt herrschenden Kohlenmangel einzelne Industrien Papierholz zu allen Preisen aufkaufen und als Brennmaterial verwenden würden.

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Wenn die Einfuhr von Papierholz aus dem Auslande sich weiter so entwickelt, wie sie in letzter Zeit eingesetzt hat, ist immerhin Aussicht vorhanden, dass eine Freigabe schon vor Ablauf der Kontingentierungsfrist oder doch sicher r auf denselben eintreten kann. Im Zusammenhang mit den Lebensmittellieferungea an Tirol wurden 2000 Wagen Papierholz als Kompensation vertraglich sichergestellt. Dieses Holz wird nach dem gewöhnlichen Verteilungsschlüssel an diejenigen Papierfabriken, welche darauf reflektieren, zu dem ziemlich günstigen Selbstkostenpreise abgegeben. Der Eingang entspricht leider nicht den ausbedungenen Lieferfristen, jedoch gehen bedeutende Mengen direkt durch die Fabriken in Deutschland eingekauftes Papierholz ein, so dass doch eine beträchtliche Entlastung für den einheimischen Wald in naher Aussicht steht.

5. G e r b r i n d e und E x t r a k t h o l z . Durch das lange Zögern des Gerberverbandes in der Einreichung eines neuen Preisangebotes für die Rinde, das auch als Hauptförderer der Produktion gedacht war, erschien eine neue Höchstpreisverfügung vom 13. Januar 1919 verspätet. Zudem kamen nach Behebung der Transportschwierigkeiten plötzlich bedeutende Mengen früher bestellter spanischer Rinde zur Ablieferung, und der Gerbstoffextrakt wurde aus dem Ausland zu einem so billigen Preise angeboten, dass er fertig am Platze nicht viel mehr kostete als das zu dessen Herstellung notwendige inländische Kastanienholz in rohem Zustand. Endlich wurde auch noch der Lederpreis um 10 °/o ermässigt, und so entwickelte sieh bei den Extraktfabriken eine Zurückhaltung in der Aufnahme von Kastanienholz, welche den Produzenten Schaden zu bringen drohte.

Unter diesen Umständen ging die allgemeine Ansicht einstimmig dahin, die Verfügungen betreffend Gerbrinde und Extraktholz seien aufzuheben, was dann mittels Verfügung des Departe, ments des Innern vom 11. März 1919, unter Erlass von Übergangsbestimmungen, geschah.

6. 'Schutz der N u s s b ä u m e und zahmen Kastanionb ä u m e . In diesen beiden Richtungen wurden seit dem letzten Bericht keine neuen Verfügungen mehr als notwendig erachtet, da der Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober 1916 nächstens aufgehoben werden soll.

7. F r ü c h t e und and ere Pro du k te der Wal d bäum eLeider lässt der Erfolg der Vorschriften über das Sammeln und die Verwertung von Buchnüsschen und Eicheln sehr viel zu wünschen übrig. Schon Fröste und Trockenperioden haben dio O

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Hoffnungen stark vermindert, dann kam aber gerade während der Hauptsammeizeit eine neue Grippewelle mit Schulschluss, wodurch die im wesentlichen auf die Schulkinder basierte Organisation teils erschwert, teils sogar verunmöglicht wurde. Um wenigstens durch private Sammeltätigkeit noch etwas retten zu können, wurde mit Verfügung vom 20. Januar 1919 die Beschlagnahme der Waldsamen aufgehoben und Sammlung wie Verwertung derselben freigegeben.

G. Justiz- und Polizeidepartement.

Justizabteilung.

1. Die schon im Verlauf der verflossenen Kriegsjahre wiederholt aufgeworfene Frage, ob und in welcher Weise die uns durch den Bundesbeschluss vom 3. August 1914 betreffend Massnahmeu zum Schütze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität übertragenen V o l l m a c h t e n zu beschränken seien, wurde uns durch die vom Ständerat im März 1918 erheblich erklärte Motion de Meuron und das im Juni 1918 vom Nationalrat angenommene Postulat Peter neuerdings zur Prüfung .überwiesen. Am 18. Dezember 1918 erstatteten wir Ihnen unsern Bericht (Bundesbl.

V, 709). Die Beratung im Parlament führte zum B u n d e s b e s c h l u s s v o m 3 . A p r i l 1919 b e t r e f f e n d Beschränkung der ausser o r d e n t l i c h en Voll ma c h t e n dos B u n d e s r a t e s (A. S. XXXV, 255). Dieser Beschluss hat die Art. 3 und 4 des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914, die den Bundesrat mit unbeschränkten Vollmachten ausstatteten und ihm einen unbegrenzten Kredit einräumten, aufgehoben. Der Bundesrat bleibt ermächtigt, ausnahmsweise Massnahmen zu treffen, die zur Sicherheit oder zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Landes unumgänglich notwendig sind, jedoch unter Vorbehalt ihrer Genehmigung durch die Bundesversammlung, der der Buudesrat die künftig von ihm erlassenen Verordnungen jeweilen ia der nächsten Tagung zu unterbreiten hat. Ohne Zweifel werden wir genötigt sein, von dieser beschränkten Vollmacht wenigstens auf einzelnen Gebieten noch in erheblichem Umfang Gebrauch zu machen.

2. Der A b b a u d e r K r i e g s g e s e t z g e b u n g ist vom Justizdepartement bereits im Jahre 1918 vorbereitet worden, durch Zusammenstellung sämtlicher seit August 1914 auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergangenen Erlasse des Bundesrates, der Departemente und Verwaltungsabteilnngen und Fest-

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Stellung der noch geltenden Erlasse und Einzelbestimmungen von solchen. Sehr viele Beschlüsse und Verfügungen sind durch spätere Erlasse ausser Kraft gesetzt worden, namentlich in den letzten Monaten. Sodann haben wir durch den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s v o m 3 1 . März 1919 b e t r e f f e n d A u f h e b u n g von N o t e r l a s s e n eine grosse Zahl von Notverordnungsbestimmungen, die, ohne ausdrücklich aufgehoben worden zu sein, gegenstandslos geworden waren oder ihre Bedeutung verloren hatten, formell aufgehoben oder als aufgehoben erklärt.

Die zurzeit noch geltenden Notverordnungsbestimmungen siud durch den Bundcsbeschluss vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten nicht berührt worden. Ihre Aufhebung soll nach Ziffer II des Beschlusses, gegebenenfalls auf Verlangen der Bundesversammlung, erfolgen, sobald die Dringlichkeit nicht mehr vorhanden ist und die Umstände es erlauben. Entsprechend der im nämlichen Beschluss enthaltenen Weisung geben wir dem vorliegenden Bericht ein sowohl chronologisches als nach Departemcnten und Materien geordnetes V e r z e i c h n i s d e r g e g e n w ä r t i g in K r a f t s t e h e n d e n N o t v e r o r d n u n g s b e s t i m m u n g e n bei. W i r haben das Verzeichnis durch ein K r e i s s c h r e i b e n auch den Kantonen mitgeteilt. Ist auch der Rechtszustand steter Veränderung unterworfen, so wird doch angesichts der umfangreich und unübersichtlich gewordenen Kriegsgesetzgebung eine solche Zusammenfassung den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden des Bundes und der Kantone, sowie dem Publikum nützliche Dienste leisten.

Es ist unser Wunsch und unser Bestreben, den Abbau zu beschleunigen, wo und soweit immer die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse es gestattet. Hierüber wird die Zukunft entscheiden. Auf eines möchten wir jedoch schon an dieser Stelle hinweisen : Nicht alle unter dem Zwang der ausserordentlichen Ereignisse entstandenen|Rechtsnormen werden wieder verschwinden.

Der Weltkrieg hat auch in unserem, von Waffengewalt verschont gebliebenen Lande an den Grundlagen der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung gerüttelt, und wird insbesondere grosse soziale Umwälzungen im Gefolge haben. Es wird sieh als unumgänglich erweisen, einzelne der zur Bekämpfung schwerer Übelstände erlassenen Vorschriften
in mehr oder weniger veränderter Gestalt durch Bundesgesetze oder Bundesbeschlüsse in die ordentliche Gesetzgebung überzuführen und zu dauernden Institutionen auszubauen. Hierauf wird bei der weitern Arbeit des Abbaus ein besonderes Augenmerk zu richten sein.

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3. Das bereits erwähnte Postulat Peter im Nationalrat und eine Motion Wettstein im Ständerat bezweckten die Aufstellung einheitlicher Vorschriften für die k r i e g s w i r t s c h a f t l i c h e S t r a f r e c h t s p f l e g e , insbesondere im Interesse einer peinlichen Scheidung von Justiz und Verwaltung und einer klaren Umschreibung der Kompetenzen der kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden. In der Tat leidet die durch die Kriegsgesetzgebung des Bundes notwendig gewordene Strafrechtspflege an einer Doppelspurigkeit insofern, als die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen gegen Erlasse des Bundesrates oder der Departemente in der Regel den kantonalen Gerichten obliegt, daneben aber den Departementen und der durch die Bundesratsbeschlüsse vom 17. Mai und 13. September 1918 eingesetzten eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle die Befugnis zur Ausfällung von Bussenentscheiden zusteht. Anderseils hat sich die Rechtsprechung der kantonalen Strafgerichte zum Teil als ungenügend zur wirksamen Bekämpfung der Widerhandlungen erwiesen. Diesen Übelständen gedachte unser Justizdepartement durch den Vorschlag der Einsetzung eines von der Bundesversammlung zu wählenden ausserordentlichen Bundesstrafgerichts zu begegnen. Die Beendigung des Krieges bewog uns, diese Absicht fallen zu lassen; es würde sich nicht mehr rechti'ei'tigen, für die Übergangszeit zum Friedenszustand eine so tiefgreifende Umgestaltung in der Organisation der im Kriege geschaffenen Strafrechtspflege vorzunehmen.

Wir halten es ferner für entbehrlich, im Sinne der Motion Wettstein die Kompetenzen der kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden bundesrechtlich zu umschreiben, da der Bundesratsbeschluss vom 2. August 1917 botreffend kantonale Ausführangsvorschriften zu den ausserordentlichen Erlassen des Bundes den Kantonen selbst die Möglichkeit gibt, auf dem Verordnungswege die notwendigen organisatorischen und prozessualen Bestimmungen auch zur Durchführung der bundesrechtlichen Strafvorschriften zu erlassen.

4. Der M i e t e r s c h u t z dehnt sich immer noch auf neue Gebiete aus. Auf Grund des Bundesralsbeschlusses vom 5. August 1918 bestehen nun Verordnungen zum Schutz der Mieter gegen ungerechtfertigte Mietzinserhöhungen und Kündigungen in 14 Kantonen, und zwar : a. im ganzen Kantonsgebiet in Schaff hausen, Genf, Baselstadt und Luzern ; b. in den von der Regierung bezeichneten Gemeinden in Zürich.

Solothurn, Aargau und Thurgau ;

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(.'. in den Gemeinden, die selbst Verordnungen erlassen haben, in Bern (57 Gemeinden), Neuenburg (6), Baselland (3), Zug (2), Freiburg und St. Gallen (je l Gemeinde).

Es besteht angesichts der fortdauernden W o h n u n g s n o t keine Aussieht, dass diese die Vertragsfreiheit im Mietrecht einschränkenden Vorschriften bald entbehrlich werden. Wir haben uns anderseits genötigt gesehen, wie schon auf den 1. November 1918, verschiedene bernische Gemeinden (Bern, Strättligen, Nidau, Biel, Lengnau, Thun und Pieterlen) unter bestimmten Kautelen zu Verfügungen zu ermächtigen, wonach Personen und Familien, die auf 1. Mai 1919 durch Auszug obdachlos würden, vorläufig in ihren bisherigen Wohnungen verbleiben können, sofern dadurch nicht andere Personen obdachlos werden.

o. Eine Sektion des Zentralverbandes schweizerischer Handmaschinensticker gelangte an uns mit dem Begehren, bis zum Eintritt besserer Zustände b e t r e i b u n g s r e c h t l i c h e V e r w e r t u n g e n g e g e n ü b e r A r b e i t s l o s e n z u verhindern. D a s Justizdepartement gab auf dieses Gesuch ablehnenden Bescheid.

Es wies einerseits auf die immer noch jedem betriebenen Schuldner gemäss Art. l der Novelle vom 28. September 1914 zum Schuldbetreibungsgesetz gegebene Möglichkeit hin, die Verwertung verschieben zu lassen, anderseits auf die praktische Schwierigkeit der Feststellung der Arbeitslosigkeit für den Betreibungsbeamten, betonte aber auch in grundsätzlicher Hinsicht, dass die vorgeschlagene Massnahme das Vollstreckungsverfahren seinem Zweck, die berechtigten Ansprüche des Gläubigers zu realisieren, entfremden würde und dass der Staat seine Bestrebungen eher darauf richten müsse, die Arbeitslosigkeit selbst zu bekämpfen, als für die Arbeitslosen eine besondere rechtliche Behandlung eintreten zu lassen.

6. Das Sanitätsdepartement des Kantons Baselstadt gab unserem Justizdepartement im Dezember 1918 Kenntnis von einem Gesuch der israelitischen Gemeinde Basel um Bewilligung des Seh a c h t en s im dortigen Schlachthof, und fragte an, ob dieses Gesuch bewilligt werden könnte. Das Justizdepartement verneinte dies unter Hinweis auf die in unserem letzten Bericht erwähnte Verfügung vom 17. Juni 1918, durch welche die Ausnahmen vom Schächtverbot auf die Schlachthöfe von Luzern und Lausanne beschränkt wurden, in der Meinung, dass damit dem Bedürfnis genügt sei und weil jedenfalls Basel von Luzern aus hinreichend mit Fleisch geschächteter Tiere versorgt werden könne.

125 Der Zentralvorstand der deutsch-schweizerischen Tierschutzvereine verlangte neuerdings die Aufhebung unseres Beschlusses vom 23. März 1918, auf dem die Ausnahmen vom Schächtverbot beruhen. Nachdem wir schon am 1. Mai 1918 ein gleiches Begehren abgewiesen hatten und der genannte Verein keine neuen Gründe vorbrachte, nahmen wir auch diesmal dieselbe Haltung ein. Wir sind der Auffassung, dass jener Beschluss allerdings möglichst bald, aber doch erst dann aufgehoben werden soll, wenn die Voraussetzungen weggefallen sein werden, die ihn veranlasst haben, sobald es also den Israeliten in der Schweiz möglich sein wird, Schächtfleisch wieder in genügendem Umfang aus dem Ausland zu beziehen.

7. Seit Erstattung unseres letzten Berichtes gingen zwei Gesuche um Bewilligung von H o t e l b a u t e n gemäss Art. 27 der Verordnung vom 2. November 1915 betreffend Schutz der Hotelindustrie ein. Die Erstellung eines Anbaus an ein Kurhaus zum Zweck der Aufnahme jährlich wiederkehrender Ferienkinder ohne Erweiterung des Hotelbetriebes wurde bewilligt. Das zweite Gesuch ist noch hängig.

Eine Kantonsregierung stellte die Anfrage, ob die Verordnung vom 2. November 1915 dem spätem Wiederaufbau eines zum Abbruch bestimmten, seit Jahren geschlossenen Hotels im Wege stehen könnte. Wir führten in unserer Antwort folgendes aus : ,,Der Zweck der Art. 27 ff. der Verordnung geht dahin, die Hotelindustrie vor neuer schädlicher Konkurrenz zu schützen.

Deshalb fallen z. B. bauliche Erweiterungen, die keine Vermehrung der Bettenzahl im Gefolge haben, nicht unter Art. 27 der Verordnung (Entscheid des Bundesrates vom 13. Dezember 1915 i. S. Ziegler). Es kann sich daher fragen, ob im Falle des Abbruchs eines Hotels für seinen Wiederaufbau eine Bewilligung des Bundesrates erforderlich sei, sofern das neue Hotel nicht mehr Betten enthält als das frühere. Anderseits hat der Bundesrat entschieden, dass die Wiedereröffnung eines beim Inkrafttreten der Verordnung seit Jahren geschlossenen Hotels gleich zu beurteilen sei, wie wenn das Haus bisher ändern Zwecken gedient hätte (Entscheid vom 25. April 1916 i. S. Stöchling). Aus dein Gesuch . . . . . ergibt sich, dass das Hotel seit 1915 geschlossen ist. Zur Zeit des Inkrafttretens der Verordnung (10. November 1915) wurde also darin offenbar kein Hotelbetrieb geführt. Sollte nun nach Jahren ein solcher durch Abbruch und Neubau des Hauses wieder eröffnet werden, so liegt darin eine

126

Vermehrung der beim Inkrafttreten der Verordnung am Orte bestehenden Hotelbetriebe, also eine Konkurrenzierung der letztem, gegen welche die Verordnung sie schützt. Demnach ist, solange die Verordnung in Kraft steht, für einen Neubau des Hotels, auch wenn er nicht mehr Betten enthalten soll als das alte Haus, eine Bewilligung des Bundesrates erforderlich, die ihrerseits an die Glaubhaftmachung eines Bedürfnisses iind die Leistung eines Finanzausweises geknüpft ist.

.,,Wie lange die Verordnung noch gilt, kann heute nicht gesagt werden. Es ist aber auch ungewiss, ob nach ihrer Aufhebung die volle Gewerbefreiheit auf dem Gebiet der Hotelunternehmungen zurückkehren wird. Die Bundesbehörden befassest sich zurzeit mit der Prüfung der Frage, ob auf Grund des Art. 34lcr der Bundesverfassung durch ein Bundesgesetz dauernd die Bedürfnisklausel für das Hotelgewerbe einzuführen sei. Unter diesen Umständen kann der Bundesrat selbstverständlich keinerlei Zusicherungen für die Zeit nach Ausserkrafttreten der gegenwärtigen Verordnung erteilen."· Zentralstelle für Fremdenpolizei.

Infolge des gewaltigen Gesühäftsandrangs und behufs Durchführung der nötig gewordenen Reorganisation wurde die Zentralstelle für Fremdenpolizei von der Polizeiabteilung des schweizerischen Justiz- und Polizeideparfcements getrennt und direkt dem Departement unterstellt. Zugleich wurde ein neuer Leiter der Zentralstelle berufen, welcher sein Amt am 20. März 1919 antrat.

Einer Anzeige an das schweizerischen Justiz- und Polizeidepartement über angebliche Verfehlung von Beamten der Zentralstolle für Fremdenpolizei Folge leistend, wurde eine Untersuchung eingeleitet, die belastendes Material (Unterschlagung und Versuch von passiver Bestechung) gegen drei Kanzleibeamte ergab. Diese Beamten wurden in Haft gesetzt. Die Untersuchung gegen dieselben wurde von der Bundesanwaltschaft dem eidgenössischen Untersuchungsrichter übertragen. Sie ist noch nicht abgeschlossen.

Es zeigte sich, dass die vorgekommenen Verfehlungen im Zusammenhang standen mit dem Fehlen einer zweckmässigen inneren Organisation der Zentralstelle und damit einer Kontrolle der von den Beamten zu leistenden Arbeit. Auch musste festgestellt werden, dass die Zentralstelle für Fremdenpolizei sehr im Rückstand war in der Behandlung von Einreisegesuchen, die sich seit der Zentralisation der Erteilung der Visa angehäuft hatten.

Diesen Übelständen konnte nur durch eine ganz gründliche

127

Reorganisation abgeholfen werden. Zur Durchführung derselben war es in erster Linie notwendig, der Zentralstelle vermehrte Lokalitäten zur Verfügung zu stellen. Die Zentralstelle war damals zum Teil an der Laupenstrasse Nr. 7, zum Teil am Bollwerk Nr. 27, untergebracht. Das Haupterfordernis war die Zusammenlegung des ganzen Betriebes. Die Direktion der eidgenössischen Bauten trat in der Folge in Unterhandlungen mit der deutschen Gesandtschaft über den Ankauf des sogenannten ,,Werkbundgebäudes"1 auf dem Kirchenfeld in Bern, dessen Räume nach durchgeführtem Umbau von dieser Gesandtschaft zu Bureauzwecken verwendet wurden. Die Verhandlungen fanden einen günstigen Abschluss, sodass die Zentralstelle für Fremdenpolizei am 10. April die neuen Bureaux beziehen konnte.

Der nun zur Verfügung stehende Platz erlaubte erst die zweckmässige Durchführung der Reorganisation und die zu derselben notwendige bedeutende Vermehrung des Personals.

Die Aufgabe, die bedeutenden Rückstände in kürzester Frist aufzuarbeiten, sowie die täglich einlaufenden Korrespondenzen und Einreisegesuche (1500--2000) sofort zu erledigen, wurde durch Schaffung verschiedener selbständiger Unterabeilungen, sowie einer besonderen Abteilung der Rückstände zu lösen versucht.

Es ist denn auch gelungen, die Rückstände zu erledigen, und es wird binnen kurzem möglich sein, sämtliche einlaufenden Anfragen binnen nützlicher Frist zu beantworten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass bis zum reibungslosen Funktionieren eines Betriebes, der gegen 200 Beamte, wovon der grosse Teil neu eingestellt werden musste, beschäftigt, eine gewisse Zeit notwendig ist.

Nach dem Zweck der Einreise werden die Einreisegesuche in verschiedenen Abteilungen behandelt, und zwar in der Abteilung M diejenigen der entlassenen Militärs, in der Abteilung G die Einreisen zu Geschäftszwecken, in der Abteilung H die Einreisen zu Kuraufenthalten, in der Abteilung F die Einreisen zum Zwecke von Familienbesuchen, in der Abteilung A die Einreisen von Ausländern, die zur vorübergehenden Anstellung die Schweiz besuchen wollen (Bühnenangestellte etc., Studenten, Dienstmädchen). Die Abteilung N behandelt die Gesuche um dauernden Aufenthalt in der Schweiz; die Abteilung P die Passverlängerungen, die nur in Ausnahmefällen gewährt werden. Nachdem eine genaue Registratur eingerichtet
war, konnte auch die sehr wichtige Abteilung für Statistik geschaffen werden. Die Statistik bearbeitet sämtliche bewilligten und abgelehnten Einreisegesuche.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

9

128

Detaillierte Aufstellungen sollen periodisch durch die Presse bekannt gegeben werden. Für Besucher ist ein besonderes Auskunftsbureau eingerichtet worden, sodass die Beamten, denen der Entscheid über Einreisegesuche obliegt, mit den Besuchern nicht mehr in Berührung kommen.

Zum Zwecke der rascheren Erledigung der Geschäfte haben wir die Chefs der schweizerischen Gesandtschaften im Auslande ermächtigt, unter ihrer Verantwortlichkeit Passvisa an ihnen bekannte Familien auszustellen, deren Anwesenheit in der Schweiz erwünscht ist.

Mit den Vorarbeiten für die neue Verordnung ist begonnen worden. Zweck derselben ist, die Kontrolle darüber, dass diemit befristetem Visum eingereisten Ausländer nach Ablauf der ihnen gewährten Aufenthaltsfrist das Land wieder verlassen, wirksamer zu gestalten. Da die Fälle ziemlich häufig sind, in denen angeblich nur zum vorübergehenden Aufenthalt eingereiste Ausländer von Gemeinden oder Kantonen Niederlassungsbewilligungen erhalten haben, wird eine Revision sämtlicher in der Schweiz sich befindenden Fremden, die seit einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt eingereist sind, nicht umgangen werden können.

D. Militärdepartement.

I. Militärisches.

Die abgelaufene Berichtsperiode ist charakterisiert in der Hauptsache durch die infolge der veränderten internationalen Lage möglich gewordene umfassende Entlassung der Truppen unserer Armee einerseits und die Schaffung von freiwilligen Organisationen zur Ablösung der Grenztruppen als Bewachungstruppen anderseits und die durch diese neuen Verhältnisse angezeigten Massnahmen für den Abbau der Rüstungsarbeiten.

I.

DemobumacJnmcf.

Von einer vollständigen Demobilmachung der Armee kann allerdings noch nicht gesprochen werden. Es wurden stets zur Ablösung im Grcnzdienste, je nach Lage und Bedarf, Truppen, aufgeboten, mobil gemacht und nach Absolvierung ihres Ablösungsdienstes, der seit Sommer 1917 in der Regel 11 Wochen für Auszugstruppen und 6 Wochen für Landwehrtruppen dauerte, wieder demobil gemacht.

Die Truppenstärke, die seit Anfang 1918 zirka 24 Bataillone betrug (vorübergehend während vierwöchigem Dienst der Landwehr bis 33Va Bat.), wurde Ende Juli 1918 auf 21 Bataillone, am 10. August auf 16 Bataillone und am 10. September auf 13 Bataillone

129

reduziert. Ein Unterbruch in der fortschreitenden Reduktion der Truppenbestände trat mit dem Generalstreik ein.

Die sukzessive Ablösung der für den Grenzbewachungsdienst notwendigen Truppen durch Freiwillige brachte den Bestand der erstem auf Ende Dezember 1918 auf 9* Bataillone, 10 Schwadronen und 0 Batterien.

Seit 18. Januar 1919 verblieb von den Truppen der Armee noch ein Infanterieregiment (Infanterieregiment 34) im Aktivdienst, als Ordnungstruppe für Zürich. Dazu das Bewachungskorps (Freiwillige) und die Heerespolizei. Diese Truppenstärke ist bis heute ungefähr auf gleicher Höhe geblieben.

Infanterieregiment 34 wurde am 15. Februar 1919 durch Infanterieregiment 33 und dieses am 11. April durch Infanterieregiment 20 in Zürich abgelöst.

Hand in Hand mit der Reduktion und dem Abbau der Truppenbestände erfolgte auch die R e d u k t i o n und E n t lassung der Stäbe und der A b b a u der Befestigungsanlagen.

Der A r m e e s t a b wurde schon seit 1917 je nach Lage und Bedürfnis reduziert.

Nach der Entlassung des Generals erfolgte gestützt auf die Armeebefehle vom 24. Dezember 1918 und 4. Januar 1919 eine weitgehende Reduktion des Armeestabes auf den absolut erforderlichen Bestand.

Die Armeekorpsstäbe sind entlassen.

Die Divisionskommandanten erhielten Befehl, ihre Stäbe auf Ende Februar 1918 auf das äusserste Minimum zu reduzieren.

Die Stäbe der Festungskommandos St. Gotthard und St. Maurice sind- auf den ^Friedensstand" reduziert worden.

Am 5. Dezember wurden vom Armeekommando Befehle erlassen : a, betreffend das Auflassen der Feldbefestigungen ; b. betreffend Rückschub des Materials aus den Fortiflkationen Murten und Hauenstein, aus dem Jura und aus Graubünden.

An allen diesen Orten stehen noch kleine Kommandos, die teils mit Freiwilligen, teils mit Zivilarbeitern die Aufräumungsarbeiten, Abbruch, Sammeln und Liquidation des Materials besorgen.

Die Bestände dieser Kommandos sind : Fortifikationskommando Hauenstein : 5 Offiziere, 62 Unteroffiziere und Soldaten, 17 Zivilangestellte ; Fortifikationskommando Murten : 4 Offiziere, 28 Unteroffiziere und Soldaten, 91 Zivilangestellte ;

130

Materialbureau Jura : 4 Offiziere, 41 Unteroffiziere und Soldaten, 2 Zivilangestellte.

Im Graubünden konnten die Aufräumungsarbeiten des Schnees wegen noch nicht begonnnen werden.

Das Zudecken der Gräben etc. wird- entweder durch die Landeigentümer ausgeführt, die dafür durch den Oberfeldkommissär entschädigt werden, oder diese Arbeiten werden Unternehmern vergeben.

Der Motorwagendienst beschäftigt noch 6 Offiziere, 32 Unteroffiziere und Soldaten. Der Rück- und Nachschub für die noch an Truppen- und eidgenössischen Militärverwaltungen abgegebenen zirka 60 Personen- und 70 Lastautos erfolgt wie bisher durch das Zentralmotorwagendepot Luzeru.

Wagen und Vorräte werden sukzessive liquidiert.

Von den der Armee gehörenden Auto-Camions werden zirka 400 an eidgenössische, kantonale, kommunale und andere Verwaltungen abgegeben ; zirka 80 bleiben für die Armee reserviert.

Die F l i e g e r a b t e i l u n g ist gemäss einem vorgelegten Entwurf neu organisiert und diese ,,Provisorische Organisation des Militärflugwesens im Jahre 1919" am 18. Februar 1919 vom Bundesrat genehmigt worden. Sie bezweckt die grösstmögliche Reduktion dieses Dienstzweiges und die Überführung in den Friedensdienst.

Mit Armeebefehl vom 4. Januar 1919 wurde die Aufhebung des E t a p p e n d i e n s t e s auf Ende Januar 1919 verfügt. Der Rück- und Nachschub von Lebensmitteln geht von diesem Tage an an das Oberkriegskommissariat, derjenige von Ausrüstungsgegentänden an die Kriegsmaterialverwaltung über.

II. Organisation und Verwendung der Beivachungstruppen.

Schon im Oktober 1918 hatte das Armeekommando dem Bundesrate den Antrag eingereicht, für die zu erwartende Übergangsperiode zwischen Krieg und Frieden ein Freiwilligenkorps aufzustellen.

Damit wollte man vermeiden, nach Abschluss des Waffenstillstandes für den Grenzdieast auf unabsehbare Zeit hinaus noch Truppen aufbieten zu müssen; man hoffte mit dem Freiwilligensystem dazu zu gelangen, dass ganz von selbst diejenigen Wehrpflichtigen sich stellten, die im Zivilleben abkömmlich wären ;

131 dadurch mussten die wirtschaftlichen Lasten der Greuzbesetzung bedeutend erleichtert werden.

Von vorneherein herrschte Übereinstimmung darüber, dass diese Freiwilligentruppe nicht zu einer ständigen Einrichtung werden dürfe, sondern nur als Aushülfe für die Übergangszeit gedacht sei.

Der Waffenstillstand auf der italienischen (4. November) und .auf der französischen Front (11. November) fiel dann in die Tage vor dem Generalstreik. Als nachher die Entlassung der wegen des Generalstreiks aufgebotenen" Truppen erwogen wurde, entschloss man sich, sofort zur- Aufstellung dieses Freiwilligenkorps zu schreiten, um möglichst rasch alle noch im Grenzdienste stehenden Truppen ablösen zu können.

Auf Grund einer allgemeinen Ermächtigung des Bundesrates erliess das Armeekommando noch im November einen Aufruf; die Anmeldungen liefen sofort sehr zahlreich ein.

Das erste Détachement von 200 Mann konnte auf 5. Dezember 1918 nach Luzern aufgeboten werden ; andere folgten rasch.

Es konnten durch Freiwilligenkompagnien abgelöst werden : am 16. und 21. Dezember 1918: 2 Kompagnien Bataillon 84 im Südtessin ; am 21. Dezember 1918: Grenzdetachement Graubünden; am 30. Dezember 1918: Füsilierbataillon 16 im Aargau; am 6. Januar 1919 : Infanterieregiment 7 in Basel ; bis Ende Januar 1919 : Infanteri er eregi ment 34 in der Nordostschweiz.

Auch die sämtlichen Landsturmwachtdetachemente des Territorialdienstes wurden durch Freiwillige ersetzt.

im in im an im

Mitte April 1919 standen : Südtessin 2 Kompagnien Graubünden 2 .n.

St. Galler Rheintal 3 ,, der Nordgrenze .12 ,, Innern (Hauenstein, Altdorf, Goldau, Thun 4 ,, Zusammen

23 Kompagnien

Dazu kommen jeweilen noch l--2 Depotkompagnien in Luzern.

132 Bestand am 10. April 1919 : Offiziere

^.ei" Offiziere

Soldaten

TMal Mann

Bewachungstruppe .

Rechnet man dazu die H e e r e s p o l i z e i mit . .

148

624

3997

4769

35

148

936

1119

so haben wir

183

772

4933

5888

Freiwillige im Dienste stehen.

Am 7. Januar 1919 ,,ordnete der Bundesrat die Organisation der Bewachungstruppe. Am meisten Aufsehen hat an diesem Beschlüsse die B e s o l d u n g s f r a g e verursacht. Ursprünglich war für die Freiwilligen dieselbe Besoldung vorgesehen, wie sie die Heerespolizei damals hatte, nämlich Fr. 8.50 für den Soldaten, Verpflegung zu Lasten des Mannes.

Es zeigte sich aber sofort, dass zu diesen Bedingungen nicht auf genügende Anmeldungen gerechnet werden konnte, und die Verpflegung musste zu Lasten des Bundes übernommen werden.

Dasselbe geschah dann auch für die Heerespolizei.

Die Besoldung ist vielfach als zu hoch bezeichnet worden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Freiwilligen aus ihrem Sold ihren und ihrer Familien Lebensunterhalt bestreiten müssen. Auf die Minimallöhne des Zivillebens durfte nicht abgestellt werden, weil der Dienst ein recht strenger ist, die Leute mit seltenen zufälligen Ausnahmen von ihren Familien getrennt leben müssen und nicht notunterstützungsberechtigt sind, und namentlich weil es aus naheliegenden Gründen im Interesse des wichtigen und verantwortungsvollen Dienstes nicht angängig wäre, die Bedingungen so zu gestalten, dass die Bewachungstruppe ausschliesslich auf solche Leute angewiesen wäre, die absolut keine lohnendere Beschäftigung finden.

Das Kommando stellt nur gutempfohlene Leute ein ; was sich nachträglich doch als unzuverlässig erweist, wird rücksichtslos ausgemerzt. Dio Truppe darf weder zum Zufluchtsort unerfreulicher Elemente, noch zur blossen Versorgungsanstalt für Arbeitslose werden.

Die Bewachungstruppe ist, für sich allein genommen, kostspielig. Mit ihren rund 6000 Mann (einschliesslich Heerespolizei) erspart sie uns aber ein dauerndes Indiensthalten von mindestens einer Infanteriebrigade zu 6 Bataillonen, wahrscheinlich aber noch mehr, weil bei aufgebotenen Truppen weitgehend Urlaub und Dispensationen bewilligt und deshalb mehr Einheiten aufgeboten

133

werden müssten, um dieselbe lüannschaftszahl ständig im Dienste zu haben.

Auaserdem ist bei Aufgeboten die Störung des Erwerbslebens in Betracht zu ziehen, die bei den Freiwilligen ganz wegfällt.

Gerade jetzt, wo der Erwerbende alle Anstrengungen machen muss, sich von den Rückschlägen der Kriegsjahre zu erholen und sich mit aller Kraft auf die künftige Friedensarbeit zu werfen, kann dieser Vorteil der Aufstellung des Freiwilligenkorps nicht hoch genug angeschlagen werden.

Die bisherigen E r f a h r u n g e n mit der Bewachungstruppe können als befriedigend bezeichnet werden.

Am Anfang gingen hie und da Klagen aus der Zivilbevölkerung der Grenzgebiete ein. Es gelang aber bald, die unzuverlässigen Elemente in den Kompagnien zu ermitteln und zu entlassen, so dass dio Qualität der Einheiten sich rasch besserte; in letzter Zeit sind keine Klagen von Seiten der Zivilbevölkerung mehr laut geworden.

Die Berichte der Offiziere der Truppe selbst, der Kommandanten der Grenzdetachemente und der mit der Inspektion beauftragten Heereseinheitskommandanten lauten günstig.

Besonderes Gewicht wird seitens des Kommandos darauf gelegt, den Mannschaften das Anlegen von Ersparnissen und die Überweisung von Geld an ihre Familien in jeder Beziehung zu erleichtern. Die Einheitskommandanten melden, dass erhebliche Beträge auf Sparkassen angelegt und nach Hause geschickt werden.

Die Angehörigen der für Zürich zum Ablösungsdienst aufgebotenen Infanterieregimenter werden jeweilen zum Dienst mit ihren Stamweinheiten entlassen und auf Wunsch nach deren Demobilmachung wieder angestellt.

Bei allfälligen grössern und namentlich unvorhergesehenen Aufgeboten haben die Freiwilligen nicht mit ihren Einheiten einzurücken, da sonst der Grenzdienst plötzlich stark desorganisiert werden könnte.

III. Abbau der Rüstungsarbeiten.

Mit dem Zeitpunkt des Waffenstillstandes auf den Kriegsschauplätzen und dem Eintritt in Friedensverhandlungen ist es möglich geworden, Massnahmen zur Einschränkung der Rüstungsarbeiten zu treffen. Die Einschränkung liess sich aber nicht auf der ganzen Linie in dem Masse durchführen, wie es die militärischen Interessen allein erlaubt hätten, weil notgedrungen den

134

schwierigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt durch Steuerung der Arbeitslosigkeit Rechnung getragen werden musste.

Gestützt auf die Anfang November 1918 vom schweizerischen Militärdepartement erteilte Weisung, die Fabrikation von sämtlichem Kriegsmaterial ohne Rücksicht auf die Bestände, soweit irgendwie möglich, einzustellen, die Bestellungen zu annullieren und, wo dies nicht möglich sei, die Fabrikation in weitgehendstem Masse einzuschränken, hat die kriegstechriische Abteilung folgendes veranlagst : Die laufenden Bestellungen bei der Privatindustrie und den Militärwerkstätten wurden zum Teil sistiert. Wo bei den Verhandlungen gänzliche Annullierung nicht möglich war, fanden Reduktionen statt, soweit nicht die Bearbeitung der Stücke zu weit vorgeschritten war. Die -Fabrikation der Gasmasken konnte vollständig eingestellt werden, währenddem bei den Bestellungen von Rekrutenausrüstungen, Sehuhwerk, Mannschaftszelten, neuen Uniformen, Unterkleidern, Käppi, Stahlhelmen, Flugzeugen, Armeelastwagen, Pferdeausrüstungen, Fuhrwerken für die verschiedenen Waffengattungen, Gewehren und Munition zum Teil sehr erhebliche Reduktionen erreicht werden konnten.

Die Bestellungen von Material für Militärsanitätsanstalten hätten, weil Anfang November 1918 noch nicht weit vorgeschritten, ebenfalls reduziert werden können. Mit Rücksicht darauf, dass es sich hier um unentbehrliche Ausrüstungen für unsere Sanitätstruppen handelte, hat das schweizerische Militärdepartement Weisung erteilt, hier keine Reduktionen vorzunehmen.

Die Liefertermine für das nach erfolgter Reduktion der Bestellungen noch zur Ausführung gelangende Material wurden nach Möglichkeit gestreckt ; desgleichen die Liefertermine für diejenigen Bestellungen, bei welchen weder eine Annullierung noch eine Reduktion möglich war. Unter diese Kategorie fielen in der Hauptsache Pistolen und Revolver, Lederzeug für Mannschaft und Offiziere, Material für Vermehrung der Landwehrmitrailleure, für Mineurbataillone etc.

Von den im Budget pro 1919 eingestellten Krediten betreffen die Reduktionen zirka Fr. 2,800,000 für Rekrutenausrüstungen und zirka Fr. 3,500,000 für Kriegsmaterial, so dass die von den eidgenössischen Räten bewilligten Kredite um zirka Fr. 6,300,000 reduziert wurden.

Die Reduktion auf den zu Lasten Kriegsmobilmachung bewilligten Krediten lässt sich noch nicht feststellen. Es werden sich auch hier erhebliche Ersparnissummen ergeben.

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Die im Ausland aufgegebenen Rohmaterialbestellungen konnten, weil sie meistenteils vorausbezahlt werden müssen, nur unerheblich reduziert werden. Grössere Partien sind noch nicht im Lande.

Es wird danach getrachtet, die der Grossfabrikation entsprechenden Eingänge und Vorräte bestmöglichst zu verwerten.

Zirka 3000 Arbeiter und Arbeiterinnen unserer Militärwerkstätten, d. h. ungefähr die Hälfte des Personals, haben auf Ende 1918 gekündigt, unter Benützung der ihnen eingeräumten Vergünstigung, für sechs Wochen, vom Tage des Austrittes an gerechnet, 70 °/o des Lohnes und die volle Teuerungszulage beziehen zu können. Um vorderhand von weitern Entlassungen Umgang nehmen zu können, wurde in den Militärwerkstätten ab 1. Januar 1919 nur noch 36 Stunden per Woche gearbeitet, wodurch die Arbeit an demjenigen! Material, welches nicht mehr annulliert werden konnte und nach den erfolgten Reduktionen noch fertiggestellt wird, gestreckt wird.

Den Militärwerkstätten konnte sukzessive Arbeit für den Zivilbedarf beschafft werden, und es werden alle Anstrengungen gemacht, diese Arbeiten zu vermehren, um die noch vorhandenen Arbeiter zu beschäftigen und die Fabrikation von Kriegsmaterial sukzessive weiter einschränken zu können.

Ferner wurde das Möglichste getan, um einem Teil unserer früheren Rüstungsarbeiter, die keine anderweitige Arbeit finden konnten, bei Meliorations- .und Torfunternehmungen, sowie in Privatbetrieben Arbeit zu verschaffen, und es ist die kriegstechnische Abteilung mit dem eidgenössischen Amt für Arbeitslosenfürsorge in Verbindung, um die Plazierung solcher Arbeiter weiterzu ermöglichen.

Den Zeughäusern verschaffte der Waffenstillstand nicht sofort die erwartete Entlastung. Die Truppenaufgebote im November brachten im Gegenteil eine erneute, gesteigerte Beanspruchung des gesamten Zeughauspersonals. Wir benutzen den Anlass, /AI konstatieren, dass die Zeughäuser allen Anforderungen, die die beschleunigten Mobilmachungen unter schwierigen Verhältnissen an diese stellten, in vollem Umfange gerecht wurden. Ebenso schwierig gestaltete sich die Materialrücknahme bei den Demobilmachungen. Die durch die Grippe stark hergenommenen Stäbeund Truppenkörper, die möglichst rasch entlassen werden mussten, brachten das Material oft unvollständig und vielfach ungereinigt zurück. Infolge des engen Kontaktes zwischen der demobilisierenden Truppe und dem Zeughauspersonal erkrankte auch von letzterm eine grosse Zahl von Leuten. Während Wochen musste das bei

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den kranken Soldaten in den Krankendepots und Spitälern zurückgebliebene Korpsmaterial gesammelt, desinfiziert und den Materialbeständen wieder einverleibt werden. Dadurch gestaltete sieh die gesamte [nstandstellung des Korpsmaterials überaus mühsam und langwierig. Unter solchen Umständen war bisher ein wesentlicher Abbau in den Zeughausbetrieben ausgeschlossen.

' Dagegen wurde die ausschliesslich für den Kriegsfall improvisierte Organisation des M u n i t i o n s n a c h s c h u b e s auf Mitte Dezember aufgehoben ; der im August 1914 gebildete und seither ununterbrochen im Dienst verbliebene Kommandostab wurde entlassen, und die demselben unterstellten Munitionsmagazine der Zentralschweiz konnten wiederum den eidgenössischen Zeughausverwaltungen von Seewen-Schwyz und Kriens angegliedert werden.

Nach der "Aufhebung des Etappendienstes gingen die bisherigen Funktionen des E t a p p e n z e u g h a u s e s L u z e r n an das eidgenössische Zeughaus Kriens Luzern über, das seit Mitte Januar den Nachschub von Kriegsmaterial an die noch im Dienste stehenden Teile der Armee, sowie an die freiwilligen Bewachungstruppen zu besorgen und den Rückschub in Empfang zu nehmen hat.

IV. Allgemeine Massnalimen.

Mit Rücksicht auf die veränderte äussere Lage einerseits und im Interesse von Ersparnissen anderseits hat der ßundesrat verfügt, dass im Jahre 1919 nur Rekruten der altern Jahrgänge bis und mit dem Jahrgang 1898 zur Ausbildung gelangen sollten.

Der normale Rekrutenjahrgang 1899 wurde zur Ausbildung auf das folgende Jahr zurückgestellt. Ausschlaggebend für diese Massnahme war auch der Umstand, dass im Herbst 1918 zufolge Ausbruchs der Grippeepidemie die Rekruten- und Kaderschulen unterbrochen oder überhaupt eingestellt werden mussten. Um einem erneuten Ausbrueh der Epidemie vorzubeugen, sind im I. Quartal 1919 keine Schulen abgehalten worden.

Veranlagst durch Meldungen, dass in gewissen Grenzgebieten mit Waffen, Munition und anderai Kriegsgerät gehandelt werde, erliess der Bundesrat am 26. November 1918 ein ,, V e r b o t der E i n f u h r v o n K r i e g s g e r ä t " , dem am 7. Dezember 1918 d a s ,, V e r b o t d e r E i n f u h r v o n S p r e n g s t o f f e n u n d Zündmitteln" 1 folgte. Durch Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1919 wurde das Verbot in dem Sinne gemildert, dass, wenn die Einfuhr von Waffen, Munition usw. zu erlaubten Zwecken nachgesucht wird, Ausnahmen gewährt werden können, soweit nicht militärische oder sicherheitspolizeiliche Gründe entgegenstehen.

137 Die Kriegsmaterialvorwaltung wurde zuständig erklärt zur Bewilligung der Einfuhr hinsichtlich der Waffen, Munition, aller Arten von Pulver für Schiesswaffen, sowie des übrigen Kriegsgeräts, die kriegstechnische Abteilung hinsichtlich der Sprengstoffe und Zündmittel. In der Folge wurde einzelnen Firmen und Privatpersonen unter Auferlegung der gebotenen Kautelen die Einfuhr gewisser Waffen- und Munitionssendungen bewilligt.

Der am 11. Oktober 1918 durch den Bundesrat erlassene Beschluss betreffend die vermehrten Leistungen des Bundes bei ·der Ausrüstung der Offiziere hat ganz neue Grundsätze in bezug auf die E n t s c h ä d i g u n g der O f f i z i e r e für i h r e Bek l e i d u n g und A u s r ü s t u n g gebracht. Nicht nur ist dadurch ·die erstmalige Entschädigung entsprechend der Steigerung der Preise für die Kleiderbeschaffung ganz wesentlich erhöht worden, nämlich auf Fr. 600 für die unberittenen Offiziere des Auszuges und der Landwehr, Fr. 700 für die berittenen Offiziere der nämlichen Heeresklasseo. und Fr. 400 für die Offiziere des Landsturms und die Feldprediger, sondern es ist an Stelle des Erneuerungsbeitrages nach einer gewissen Anzahl Diensttagen eine tägliche Kleiderentschädigung, rückwirkend seit Beginn des Aktivdienstes im August 1914, sowie die Abgabe von folgenden Mannschaftsuniformstücken : ein Kock, ein Paar Hosen, ein Paar Wadenbinden und ein Käppi zum reduzierten Preis von zusammen Fr. 100 für die neuernannten Offiziere eingeführt worden.

Als Verordnungen, erlassen auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten und die sich auf die Militärrecktspflege beziehen, müssen erwähnt werden: In der Zeit vom 30. September 1918 bis 31. März 1919 hat der. Bundesrat, gestützt auf seine ausserordentliehen Vollmachten, L die nachfolgenden Verordnungen erlassen, welche sich auf die Militärrechtspflege beziehen : a. Verordnung betreffend Massnahmen gegen die Gefährdung und Störung der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 11. November 1918; i. Verordnung betreffend die Gefährdung der militärischen Ordnung vom 4. März 1919.

Durch die Verordnung vom 11. November 1918 -wurden die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung des Bundes und der Kantone mit Einschluss der Militäranstalten und Militärwerkstätten, sowie diejenigen der öffentlichen Verkehrsänstalten den Militärgesetzen unterstellt.

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Die Verordnung vom 4. März 1919 richtet sich gegen die Gründung und Weiterexistenz von Soldatenräten, Soldatenbünden, u. dgl., deren Zweck oder Tätigkeit auf die Untergrabung der militärischen Disziplin gerichtet ist. Es war wohl an der Zeit, dass dem gewissenlosen Treiben solcher staatsfeindlichen Organisationen, die sich da und dort bildeten, ein Ziel gesetzt wurde.

Die Verordnung stellt die zur wirksamen Bekämpfung solcher Vereinigungen erforderlichen Strafbestimmungen auf. Für die Beurteilung dieser strafbaren Handlungen sind ausschliesslich die Militärgerichte zuständig. Die hierdurch bewirkte Erweiterung der Zuständigkeit der Militärgerichte liegt in der Natur der Sache begründet.

V. Eidgeiiässisclie Militärversicliermig.

Nachdem infolge der Mobilisation die Zahl der jährlich für die Militärversicherung in Frage kommenden Militärpatienten von rund 5000 auf rund 20,000 angewachsen war, hat die Grippeepidemie des letzten Sommers eine weitere starke Erhöhung der Krankheitsfälle in der Armee mitgebracht und damit die Militärversicherung sehr stark in Anspruch genommen. Immerhin konnte die gewaltige Arbeit zu dieser Zeit noch mit verhältnismässig nicht allzu grossen Verspätungen bewältigt werden, indem die meisten Patienten von der Militärversicherung entschädigt werden mussten für eine Zeit, in welcher deren Einheiten noch im Dienste ·waren. In diesen Fällen hat auf Grund des Militärversicherungsgesetzes die Militärversicherung den Sold ausgerichtet.

Als aber infolge des Generalstreikes die Grippeepidemie unter den Wehrmännern den Höhepunkt erreichte und kura darauf die grösste Anzahl der Einheiten entlassen wurde, kam in den meisten Fällen nicht mehr der Sold, sondern ein Krankengeld zur Auszahlung, für dessen Festsetzung auf Grund der bestehenden Vorschriften zahlreiche Formalitäten zu erfüllen sind, welche eine ausserordentlich grosse Arbeit verursachten. Im grossen und ganzen kann gesagt werden, dass die 55,000 Entschädigungsfälle des Jahres 1918 infolge des Umstandes, dass für die meisten Fälle nicht der Sold, sondern ein Krankengeld auszurichten war, der Militärversicherung wohl zehnmal mehr Arbeit zugebracht haben, als dies der Fall gewesen wäre, wenn die gesamte schweizerische Armee in einen Krieg verwickelt worden wäre.

In kurzer Zeit musste das ständige Personal von 8 Beamten durch Zuzug von über 150 Aushülfsangestellten, welche in den Geschäftsgang der Militärversicherung nicht eingearbeitet waren, ergänzt werden. Der rationellen Organisation und Instruktion des

139

ausserordentlichen vermehrten Personals wurde leider nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Die Qualität des Aushülfspersonals liess infolge der Hast, mit der es vermehrt wurde, oft zu wünschen übrig; aber es ist zu bemerken, dass zu dieser Zeit auch unter dem Personal die Grippe stark herrschte, und anderseits war es infolge der Epidemie und der sonst verhältnismässig günstigen Konjunktur damals kaum möglich, bessere Kräfte aufzutreiben. Die Lokalverhältnisse waren äusserst prekär (Verzettelung der Bureaux an 5 verschiedene Orte in der Stadt herum) ; es zeigte sich bald, dass die ohnehin ungünstig eingerichteten Bureaux im Souterrain des Bundeshauses ungenügend waren und man war .gezwungen, den Betrieb in vier weitere Gebäude der Stadt Bern zu dezentralisieren.

Alle diese Umstände verursachten die bedauerlichen zahllosen Verspätungen und mangelhaften Erledigungen der Geschäfte der Militärversicherung. Öfters hat bei den Verspätungen auch noch der Umstand mitgeholfen, dass bei den die Militärpatienten betreffenden Meldungen nicht nur die Namen der Patienten unrichtig oder unvollständig angegeben, sondern auch noch ungenaue Angaben über die Einteilung und falsche Jahrgangs-Angaben gemacht wurden.

Um die Rückstände der Militärversicherung und die mit Recht daraus sich ergebende allgemeine Unzufriedenheit möglichst rasch zu beseitigen, erfolgte am 24. Januar 1919 der Bundesratsbeschluss, wonach eine vorschussweise Auszahlung der Krankengelder durch die Gemeindebehörden stattfinden kann. Obschon durch diese Neuerung gewisse Unzukömmlichkeiten, wie einzelne Doppelzahlungen, nicht "zu vermeiden waren, wurde damit erreicht, dass zahlreiche pressante Fälle bedeutend rascher erledigt werden konnten und somit der dringendsten Not in vielen Familien provisorisch abgeholfen war.

Anderseits wurden in den Militärsanatorien und Rekonvaleszentenstationen administrative Stellen geschaffen, welche ebenfalls .direkt die Kompetenzen an die Wehrmänner auszahlen konnten, wodurch auch dort Verspätungen vermieden wurden.

Die Hauptaufmerksamkeit wurde aber mit dem Beginn des Jahres 1919 einer möglichst raschen Sanierung und gründlichen Reorganisation des Geschäftsbetriebes der Militärversicherung geschenkt, eine Aufgabe, bei deren Lösung der Oberfeldarzt durch beigezogene Fachleute auf dem -Gebiete des Versicherungs- und Verwaltungswesens in wirksamster Art und W eise unterstützt wurde.

140

Aülässlieh einer am 20.--21. Februar 1919 vom schweizerischen Militärdepartement einberufenen Konferenz zur Beratung über Erhöhung der Krankengelder und Pensionen wurden eine ganze Reihe von Vorschlägen eingehend behandelt. Die Angelegenheit wird vom Bundesrat voraussichtlich in nächster Zeit entschieden werden können, nachdem die finanziellen Konsequenzen der in Betracht kommenden Vorschläge geprüft sein werden.

Bei dieser Gelegenheit soll hier erwähnt werden, dass nicht nur das Militärversicherungsgesetz von 1901, sondern auch das neue Gesetz von 1914, welches übrigens nur zum kleinsten Teil in Kraft ist, den heutigen Verhältnissen nicht entspricht und total revidiert werden sollte. Eine baldige Gesetzesrevision ist denn auch in Aussicht genommen.

2. Wirtschaftliches.

Heu u n d S t r o h . Die Versorgung des Landes mit Heu ist nach wie vor durch den Bundesratsbeschluss vom 16. August 1918 mit den bezüglichen Ausführungsbestimmungen des Militärdepartements geregelt. Handel und Verkehr mit Getreidestroh und Riedstreue wurden dagegen mit Rücksicht auf die grossen Vorräte durch Bundesratsbeschluss vom 1. Februar 1919 unter Beibehaltung der am 16. August 1918 festgesetzten Höchstpreise und Handelszuschläge freigegeben.

Zufolge der Demobilmachung der Feldarmee hat das Oberkriegskommissariat am 12. und 13. Dezember 1918 die von den verschiedenen Kantonen für die Armee und den Territorialdienst zu liefernden Heumengen um die Hälfte und die Strohmengen um 75 °/o reduziert. Damit wurde eine Linderung des sich teilweise schon in den Monaten September und Oktober geltend machenden Futtermangels bezweckt. Die stets zunehmenden Schwierigkeiten hinsichtlich der Versorgung mit Heu gaben sodann Veranlassung, diese Angelegenheit im Kreise der interessierten Behörden an zwei Konferenzen, die am 12. Februar und 4. März stattfanden, einlässlich zu besprechen. Das Resultat dieser Konferenzen war, dass auf die noch nicht zur Ablieferung gelangten kantonalen Heukontingente zugunsten der notleidenden Kantone verzichtet wurde, aber nicht nur für die Versorgung innerhalbdes betreffenden Kantons, sondern auch der Kantone, denen keine Kontingente auferlegt wurden, die aber auch Mangel leiden.

Im weitern wurde vereinbart, dass den vom Futtermangel am stärksten betroffenen Gegenden, insbesondere Gebirgskantonen, die von jeher auf die Zufuhr erheblicher Futtermengen angewiesen

14Î

waren, mit einem bestimmten Heuquantum aus den Magazinvorräten der Militärverwaltung, teilweise gegen Garantieerklärung der Rückgabe im Herbst, auszuhelfen sei.

Da aber unsere Heuvorrilte zu gering waren, um den geltend gemachten Futterbegehren der Kantone auch nur einigermassea entsprechen zu können, so mussten 100 kg Heu, 50 kg Futterstroh und 50 kg Ersatzfuttermittel, bestehend aus Kleie, Ausmahieten, Kornspreuer, Reisfuttermehl und Mischfutter, welch letztere vom Ernährungsamt eingens für diese Hülfsaktion zur Verfügung gestellt wurden, geliefert werden. Bis zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichtes, d. h. Mitte April, waren an diemangelleidenden Kantone bereits zur Abgabe gelangt : rund 2500 t Heu, ,,, 900 ,, Futterstroh, ,, 250 ,, Kleie, ,, 150 ,, Ausmahleten, .n 300 ,, Kornspreuer, ,, 260 ,, Reisfuttermehl, ., 100 ,, Mischfutter.

Neben dieser Hülfsaktion wurden seit Oktober 1918 den Städten Basel und Genf regelmässig Heuzuweisungen gemacht.

Zufolge ihrer speziellen Lage, ohne eigenes oder nur ganz ungenügendes eigenes Produktionsgebiet, haben wir Basel bis jetzt ganz und Genf zum grossen Teil aus unseren Vorräten versorgt.

Durch die Freigabe der Restkontingente und die Abgaben ab den Magazinen sind nun allerdings unsere Vorräte derart reduziert worden, dass die Truppen bei einem grösseren Aufgebot darauf angewiesen wären, das Heu an Ort und Stelle zu requirieren. Diese Tatsache genügt, um die widersinnigen Behauptungen,, die immer und immer wieder hinsichtlich der requirierten Heumengen und der Heuvorräte der Militärverwaltung gemacht werden, zu widerlegen. Der Ablieferungspflicht an den Bund ist im allgemeinen viel zu grosse Wichtigkeit 2ugemessen worden. Die Situation wäre nicht wesentlich besser gewesen, wenn diese Ablieferungspflicht nicht bestanden hätte. Nur ein Tag frühere Grünfütterung ergibt schätzungsweise eine Heuersparnis von 1500--2000 Wagen. Die Militärverwaltung hat aber kaum die Hälfte ersteren Quantums bezogen.

Wir haben mit allen Mitteln die Einfuhr von Heu aus dem Ausland angestrebt, insbesondere aus Frankreich und dann auch aus Italien. Leider waren unsere Bemühungen bis jetzt erfolglos.

Einzig aus dem Vorarlberg konnte ein ganz unbedeutendes Quantum

142

von zirka 30 Tonnen importiert werden. "Wenn wir bedenken, dass im Jahre 1913 allein an Heu rund 58,000 Tonnen und nebstdem rund 24,000 Tonnen Ölkuchen, 6000 Tonnen Malzkleie, 10,900 Tonnen Kleie, 58,000 Tonnen Futtermehl und 5800 Tonnen Müllereiabfälle eingeführt wurden, so ist der Futtermangel verständlich, namentlich auch im Hinblick darauf, dass trotz des gewaltigen Umbruches von Wies- und Mattland in Ackerland und trotz der quantitativ schlecht ausgefallenen Ernte der derzeitige Viehbestand denjenigen vor dem Kriege übertrifft.

Zufolge der Demobilmachung der Armee sind anfangs Februar «ine Anzahl dem Armeekriegskommissariat und der Etappen unterstellte Fouragedepots an das Oberkriegskommissariat übergegangen, welches die Liquidation dieser Depots sofort in der Weise angeordnet hat, dass die Waren teils in unsere ständigen Armee- und Fouragemagazine disloziert und teils direkt an notleidende Kantone abgegeben wurden. Die Liquidation ist zurzeit bis auf vier Depots beendigt.

K o n s e r v e n . Zur Versorgung der Zivilbevölkerung während der fleischlosen Woche (11.--18. April 1919) wurden dem -eidgenössischen Ernährungsamt zuhanden der kantonalen Lebensmittelämter 610,000 Armee-Fleischkonserven zur Verfügung gestellt.

E. Finanz- und Zolldepartemeut.

Finanzverwaltung.

1. Stand der Finanzoperationen des Sundes.

Die infolge der kriegerischen Ereignisse notwendig gewordenen Finanzoperationen des Bundes ergeben auf Ende April 191!)

folgendes Bild: Anleihen nach Abzug der Rückzahlungen . Fr. 1,013,700,000 Der Nationalbank auf diesen Zeitpunkt geschuldete Schatzanweisungen ,, 515,000,000 Übrige schwebende Schulden (Post) . . . ,, 53,000,000 Gesamtbetrag der festen und schwebenden Mobilisationsschuld auf Ende April 1919 Fr. 1,581,700;000 Bis zum nämlichen Zeitpunkt sind eingelaufen : Kriegssteuer ,, 97,200,000 Kriegsgewinnsteuer ,, 257,000,000 Fr. 1,935,900,000

143 Diesem Betrag stehen, auf Ende April 1919 berechnet, folgende ausserordentliche Ausgaben gegenüber: Für die Mobilmachung Fr. 1,174,000,000 In Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegte Gelder . . . ,, 451,300,000 Vorschüsse für die Kosten der Internierung fremder Kriegsgefangener und Zivilinternierter .

,, 5,600,000 Als Zahlungsmittel und Reservestellungen sind vorhanden ,, 65,800,000 Beteiligungen des Bundes ,, 55,000,000 Die restierenden ,, 184,200,000 fanden Verwendung für die Vermehrung der unverzinslichen Bestände (Futtermittel, Bekleidung, Munition usw."), für Emissionskosten, für ausserordentliche Kriegsbeihilfen und für Verschiedenes.

Fr. 1,935,900,000 Die im elften Neutralitätsbericht über die Ausgabe von 5 °/oigen Kassenscheinen des Bundes zur Deckung der Ausgaben für die Lebensmittelversorgung enthaltenen Ausführungen sind dahin zu ergänzen, dass die Subskription einen sehr erfreulichen Verlauf nahm. Die Ausgabe der Kassenscheine, für welche bekanntlich kein bestimmter Höchstbetrag festgesetzt worden war, wurde am 11. Januar 19.19 eingestellt, nachdem die Zeichnungen den Betrag von Fr. 186,277,800 erreicht halten.

2. 5 °/o«7ßs Anleihen der schweizerischen 'Bundesbahnen von 100 Millionen Franken.

Dieses zur Konsolidierung eines Teiles der laufenden Schulden der Bundesbahnen aufgenommene Anleihen wurde vom Verband schweizerischer Kantonalbanken und vom Kartell schweizerischer Handelsbanken zürn Kurs von 95Ys °/o fest übernommen und zum Ernissionskurs von 97 % zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt. Wie das im Juni 1918 emittierte Bundesbahnanleihen von 50 Millionen Franken, so ist auch dieses ohne besondere Kündigung in zehn Jahren rückzahlbar. Das Ergebnis der Operation war ein erfreuliches, indem der Anleihensbetrag um rund vier Millionen überzeichnet wurde.

Bundesblatt.

71. Jahrg. Bd. III.

10

144 3. Verbot der Einfuhr und Ausfuhr von russischem Papiergeld, sowie der Einfuhr von russischen Wertpapieren.

Dieses Verbot ist vom 7. März 1919 datiert (A. S. XXXV, 183) und wurde von uns mehr aus staatspolitischcn Gründen als aus solchen finanzieller Natur erlassen. Es bezweckt, die Finanzierung der bolschewistischen Bewegung in der Schweiz mit russischen G-cldern zu unterbinden. Das Verbot lehnt sich an dasjenige vom 31. Mai 1918 betreffend die Ausfuhr von schweizerischen Banknoten an und sieht für Widerhandlungen ungefähr die gleichen Geld- und Freiheitsstrafen wie das letztere vor. Damit durch das Einfuhrverbot die Rtisslandschweizer nicht ihrer letzten Mittel beraubt werden, und damit es auch schweizerischen Firmen, die Forderungen in Kussland haben, nicht unmöglich gemacht werde, allfällige Zahlungen hereinzubringen, wurde das Finanzund Zolldepartement ermächtigt, auf begründete Eingabe hin und nach Anhörung der schweizerischen Hilfs- und Kreditorengenossenschaft für Russland Ausnahmen vom Verbot zu gestatten. Die Erledigung der eingehenden Gesuche hat bis jetzt zu keinen besondern Schwierigkeiten Anlass gegeben. Einreisenden aus Russland wird die Mitnahme von bis 200 Rubeln (für jede erwachsene Person) ohne weiteres gestattet.

Für die Postsendungen vollzieht sich die Kontrolle beim Versand in gleicher Weise wie bei den schweizerischen Banknoten. Wir gestatten uns, diesbezüglich auf die im elften Neutralitätsbericht enthaltenen Ausführungen zu verweisen. Die Adressaten von Postsendungen, die den Verdacht erregen, verbotenes Papiergeld oder verbotene Wertpapiere zu enthalten, werden von der Bestimmungspoststello eingeladen,- die Sendungen am Schalter abzuholen, woselbst sie sie unter Aufsicht des Postpersonals zu öffnen haben. Sendungen mit verbotenem Inhalt werden mit Bericht der vorgesetzten Kreispostdirektion eingesandt, die das weitere veranlasst.

4. Verbot, der Einfuhr von österreichisch-ungarischem Papiergeld.

Gleichzeitig mit dem vorerwähnten Verbot der Ein- und Ausfuhr von russischem Papiergeld wurde vom Bundesrat ein solches betreffend die Einfuhr von österreichisch-ungarischem Papiergeld erlassen. Da diese Massnahme indessen vom eidgenössischen Politischen Departement veranlasst wurde, so fällt auch die Berichterstattung diesem Departemente zu.

145 5. Notenemission der.<.Nationalbanli,.

Anlässlich der Behandlung des letzten Neutralitätsberichts war auch von der Notenemission der Nationalbank gesprochen worden. Man hatte gesagt, dass die Emission in bedenklicher Weise gestiegen sei. Die Deckung habe sich verschlechtert; sie habe im Jahre 1918 58,9 Prozent betragen und sei sogar auf 45 Prozent zurückgegangen. Die Beziehungen von Teuerung und Notenemission der Nationalbank hätten im Berichte des Bundesrates erörtert werden sollen. Es sei zu untersuchen, ob die Vorwürfe, die gegen die Notenemission erhoben werden, zutreffen. Die Nationalbank hätte von sich aus Angaben liefern sollen. Immerhin wurde zugegeben, dass, so gross aber auch die Notenemission sei, man doch nicht die Nationalbank als die Hauptschuldige an der Teuerung hinstellen dürfe ; letztere werde eben doch durch andere Faktoren bedingt, auf die wir keinen Einfluss haben.

Der Vorsteher des Finanzdepartements stellte damals eine Antwort über diese Frage in Aussicht.

In Erfüllung dieses Versprechens hat sich das Finanzdepartement mit der Nationalbank in Verbindung gesetzt, und es wird nun folgender Bericht erstattet, wobei darauf hingewiesen werden mag, dass sowohl das Präsidium des Bankrates als dasjenige des Direktoriums schon in der Generalversammlung vom Jahre 1918 sich über die Frage der Noteninflation ausgesprochen hatten, die stets wieder den Kernpunkt aller Diskussionen über die Notenpolitik der Nationalbank bildet.

Die nachstehenden Ausführungen umfassen die drei Abschnitte: Notenumlauf, Deckungsverhältnisse, Verhältnis der Notenemission zur Preisbewegung.

1. Der N o t e n u m l a u f . Zur Orientierung über die Entwicklung» des Notenumlaufs folgt hier eine Aufstellung über deren Höhe an den Hauptterminen seit Kriegsausbruch mit Angaben über Metalldeckuog und Portefeuille :

146 Metalldeckung Jahr

Tag

Notenumlauf

Portefeuille

in Fr.

1914

1915

1916

1917

1918

1919

30. Juni 31. Juli 7. August 15. August 30. September 31. Oktober 31. Dezember 30. Juni 31. Oktober 31. Dezember 30. Juni 31. Oktober 31. Dezember 30. Juni 31. August 31. Oktober 31. Dezember 30. Juni 3l. August 31. Oktober 31. Dezember 1. März

in °/0

in tausend Franken 192,047 67,9 197,833 48,3 207,535 48.2

282,579 409,266 430,326 435,789 444,833 428,977 455,889 422,557 443,112 465,609 433,155 485,518 536,518 540,158 537,794 613,104 702,303 721,164 762,695 891,540 975,706 885,460

213,066 236,053 248,781 262.849 294,308 303,848 301,370 311,230 340,498 397,452 392,565 396,488 403,957 409,474 441,299 435,327 436,112 473,131 473,734

4s; 8 53,o

-57,9 57,6 69,6 68,5 64,7

124,714 215,108 261,740 272,705 262,002 204,713 196,271 149,039 151,375

190,008 176,359 70,1 189,084 74,o 220,399 72,6 201,093 73,7 188,517 65,8 227,141 58,3 362,137 61,! 345,387 57,0 347,950 48,9 476,913 48,5 583,525 53,5 431,612 71,8

Von besonderem Interesse, weil gewisse Rückschlüsse auf die Ursachen der Notenvermehrung zulassend, ist die Entwicklung der durchschnittlichen prozentualen Stückelung des Notenumlaufs, die folgende Zahlen veranschaulichen: Fr. 20 Fr. 10 Fr. 5 Fr. 50 Jahr Fr. 1000 Fr. 500 Fr. 100 3,.t 44,3 1914 5,2 36,s 5,4 0,9 4,i 9,6 5,7 39,4 6,0 1915 0,6 6,4 31,6 n 5,2 1916 6,8 0,03 8,9 30,t 41,81"

1917 1918

11,0

13,1

7,3 8,1

41,7

41,3

27,9 25,3

10,3

0,01

1,8

11,0

0,oi

1,4

Werden die kleinen Noten, weil sie das Hartgeld ersetzen und dessen Funktionen versehen, ausser Betracht gelassen, so

147

ergeben sich folgende Verschiebungen im prozentualen Anteil der Hauptabschnitte von Fr. 50, 100, 500 und 1000 in den Kriegsjahren : r. 1000 Fr. 100 Fr. 50 Jahr Fr. 500 6,23 1913 . . . .

52,6i 36,09 5,17 1914 . . . .

5,89 48,33 40,, 3 5,65 1915 . . . .

7,69 6,89 47,37 38,05 1916 . . . .

47,72 10,16 7,75 34,38 12,,« 1917 47,41 31,70 8,36 1918 . . . .

14,93 28,89 9,20 46,98 ' In absoluten Zahlen war der Umlauf dieser Hauptabschnitte am Ende des letzten Friedensjahres und im letzten Kriegsjahr : Fr. 1000

31. Dezember 1913 .

31. Dezember 1918 .

Fr. 500

Fr. 100

Fr. 50

.

.

20,409 137,926

21,112 81,952

161,864 406,936

110,355 230,071

absolute Vermehrung .

Vermehrung in ?/o · ·

117,436 673

60,840 388

245,072 251,4

119,716 20S,5

Vor allem muss darüber Klarheit geschaffen werden, dass die Nationalbank keineswegs in der Lage ist, den "Notenumlauf unmittelbar zu erhöhen oder zu vermindern, wie aus den in der Diskussion vielfach gebrauchten Ausdrücken etwa geschlossen werden möchte. Die Grundlage für die Notenausgabe bildet die Schaffung von Guthaben bei der Notenbank, sei es durch Einreichung von Wechseln, durch Einlieferung von Edelmetall, die Aufnahme von Lombardvorschüssen oder noch durch blosse Überweisungen in Girokonto. Diese letzte Möglichkeit, sich jederzeit durch eine blosse Girogutschrift bei der Nationalbank das Recht zum Bezüge von Banknoten zu sichern, hat zur Folge, dass diese Befugnis unabhängig von jeder Kreditgewährung der Notenbank und unabhängig von deren Willen entstehen und ausgeübt werden kann. Auf diese Weise könnte, theoretisch gesprochen und die Bestimmungen über die Notendeckung unberücksichtigt gelassen, gesagt werden, dass sämtliche Disponibilitäten des Geldmarktes in Noten umgewandelt werden könnten, ohne dass die Notenbank ein rechtliches Mittel besässe, sich dagegen zu wehren.

Die Bank vermag nur auf dem indirekten Weg über die Diskonto- und Vorschusspolitik einzugreifen, indem sie die Sätze für den Diskonto und für die Lombardvorschüsse heraufsetzt,

148

dergestalt rückwirkend auf den Geldmarkt die Kreditgewährung allgemein verteuert und infolgedessen einschränkt; in Friedenszeiten mit sicherem Erfolg, während des Krieges, wie wir leider feststellen müssen, ohne deutlich erkennbare Wirkung.

Es darf nämlich zweierlei nicht übersehen werden. Einmal, dass eine Diskontoerhöhung überhaupt nur dann einen Erfolg verspricht, wenn die Mittel des Geldmarktes knapp zu werden drohen und sich der Privatsatz der offiziellen Bankrate nähert. Nun stand aber unser Diskontosatz von 1915 bis Oktober 1918 auf 4]/2 %, während das Mittel des Privatsatzes 1915 0,98 %, 1916 2,0i %, 1917 1,84% und 1918 O,GO % darunter stand. Zum zweiten ist ohne weiteres klar, dass die Notenbank auch in ihrem Anziehen der Diskontoschraube Mass zu halten genötigt ist mit Rücksicht auf die Rückwirkung auf die Geldleihsätze überhaupt.

Die Höhe des Notenumlaufes steht indessen in keinem festen Verhältnis zu seiner Grundlage, der Schaffung von Guthaben bei ·der zentralen Notenbank und auch in keinem zwangsläufigen Zusammenhang mit den einzelnen Methoden der Finanzpolitik von Staat und Notenbank. Dies geht deutlich aus dem Beispiel der Deutschen Reichsbank hervor, wo der Notenumlauf nicht einmal die Höhe des Wechselportefeuilles erreicht. Das r e g u l ä r e Moment in der Entwicklung des Notenumlaufes b i l d e t v o r e r s t der normale Umsatzbedarf des einzelnen Individuums oder Unternehmens, mit ändern Worten der erfahrungsgemäss benötigte Kassenbestand. Es k a n n kein Z w e i f e l b e s t e h e n , d a s s d i e s e r w ä h r e n d d e s Krieges i n f o l g e d e r T e u e r u n g a l l e r s e i t s eine g a n z b e t r ä c h t liche Erhöhung erfahren hat, worauf auch die Ergebnisse der Bankstatistik deuten.

Als einen weitern Faktor haben wir die Thesaurierung anzusprechen. Sie bestand zweifellos in gewissem Grade schon vor dem Kriege ; dieser hat aber ganz besonders Anlass zur Thesaurierung aus Angst vor kommenden Ereignissen oder aus Furcht vor den Steuerorganen gegeben. Die Ziffern der Notenstückelung bieten in dieser Hinsicht interessante Einblicke. Die Steigerung des Notenumlaufs im Juli 1914 muss grossenteils als Wirkung der Angst bezeichnet werden, da zweifellos für die Bestreitung des täglichen Bedarfes des einzelnen keine 1000er oder 500er Noten Verwendung finden. Für die
Folgezeit weist die vorstehend gegebene Tabelle ein regelmässigos Steigen der prozentualen Beteiligung der grossen Noten auf, und eine genauere Untersuchung ergibt, dass diese Bewegung mit der Mitte des

149 Jahres 1915 einsetzte, also in dem Moment, wo eine längere Dauer des Krieges wahrscheinlicher wurde und die Kriegskonjunktur sich bemerkbar zu machen begann. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Zunahme der hohen Noten dahin interpretiert, dass sie einmal einer vermehrten Bezahlung hoher Summen in bar dienten, da vorerst die Aussicht auf kommende Steuern und nachher deren Durchführung bei vielen Kriegsgeschäften die Vermeidung von Skripturen wünschbar machten. Weiter wurden Noten aufgestappelt, um neugebildete Vermögensteile jeder Einsicht der Steuerbehörde zu entziehen, und schliesslich wanderten zahlreiche Noten ins Ausland.

Damit sind bereits eine Reihe von Momenten erwähnt, die zur Erklärung der bedeutenden Steigerung des Notenumlaufes beitragen. Es darf dazu insbesondere gesagt werden, dass gerade in landwirtschaftlichen Kreisen grosse Notenbestände vorzufinden sind, die aus einer starken Liquidierung von Beständen (Vieh, Wald) und der Unmöglichkeit der Beschaffung mancher Produkte herrühren.

Wie sehr unerfassbare Einflüsse bei dem Notenumlauf am Werke sind, hat sich namentlich auch mit grosser Deutlichkeit anlässlich des Generalstreikes gezeigt, wo innert weniger Tage etwa 100 Millionen Noten abgehoben worden sind, die nach Beendigung des Generalstreikes in Verbindung mit der günstigen Anlagegelegenbeit in Kassascheinen zu einem erheblichen Notenbetrag wieder zurückströmten.

Die Mentalität der Bevölkerung spielt eine ausserordentlich wichtige Rolle in dieser Frage.

Die Behauptung, der Staat sei allein an der Erhöhung des Notenumlaufes schuld, geht zu weit; dass seiner Finanzpolitik eine Begünstigung und Erleichterung zuzuschreiben ist, lässt sich aber kaum bestreiten. Wie auch ein Blick auf das Ausland lehrt, .ist das Anwachsen des Guthabenbestandes, das seinerseits erst den hohen Notenumlauf ermöglicht, mit ein Einfluss der Kriegsfinanzierung, wenn man bei den Neutralen so sagen darf, und zwar im wesentlichen unabhängig von den Einzelheiten derselben.

Ein Vergleich der Finanzpolitik und der Entwicklung des Notenumlaufes der neutralen Staaten zeigt dies deutlich. Kein neutraler Staat konnten die viereinhalb Kriegsjahre ohne erhebliche schwebende Schulden überstehen, und alle zeigen eine mächtige Steigerung des Notenumlaufes.

150

Aus den Erscheinungen der Kriegszeit versteht sich auch leicht, dass das feine Instrument der Diskontopolitik versagen musste, das auf die geringen Schwankungen der stabilen Friedenswirtschaft abgestimmt ist. Derjenige, der sich Guthaben zum Bezug von Noten schaffen will, braucht bei den Preisdifferenzen und Gewinnmargen der Kriegszeit nicht mit halben Prozenten zu rechnen. Anderseits finden sich Geldsucher wie der Staat selbst, denen gegenüber überhaupt ganz andere zwingende Gesichtspunkte in Frage kommen. Diese Auffassung herrscht auch bei ändern Neutralen.

Darüber, wie seitens der Bank das Verhältnis zum Bunde betrachtet wurde, hat sich das Präsidium des Bankrates der Nationalbank in der Generalversammlung der Aktionäre vom 11. April 1919 geäussert.

Es führte bei diesem Anlasse in der Hauptsache mit Bezug auf die Haltung der Nationalbank gegenüber dem Finanzbedarf des Bundes folgendes aus.

Es handelte sich zu wählen einerseits zwischen der Gewährung der vom Bunde anderweitig nicht aufzubringenden Summen in Form des Wechselkredites und der damit verbundenen Verstärkung des Notenumlaufes und anderseits zwischen den Folgen, die sich aus der Nichthereinnahme der Reskriptionen ergeben konnte. Der Entscheid musste zugunsten der erstem Alternative ausfallen, weil die Bedürfnisse des Bundes weit über die Beträge hinausgingen, die er sich durch Aufnahme von Anleihen verschaffen konnte, und weil beim Weg der direkten Placierung der Schatzanweisungen auf dem freien Markte diese über die Banken zürn grössten Teile unter starker Anspannung der Zinssätze zur Nationalbank gewandert wären.

Im Falle der Ablehnung der Schatzscheine hätte der Bund zu Massnahmen greifen müssen, die für das Wirtschaftsleben gefährlicher gewesen wären als die Konsequenzen der Anschwellung des Wechselportefeuilles der Nationalbank. Dazu kam auch die Erwägung, dass die Bank die Verantwortung für eine durch ihre Weigerung möglicherweise verschuldete mangelhafte Versorgung des Landes und Verminderung der Arbeitsgelegenheiten nicht übernehmen konnte.

Diese Ausführungen besagen keineswegs, dass die Bankleitung der Entwicklung ihres Portefeuilles gleichgültig gegenüberstehe.

Alle Bankbehörden und auch der Bundesrat stehen auch heute noch auf dem Standpunkt, dass die Reskriptionen ein ungesundes

J51

Element bedeuten, wenigstens in den hohen Beträgen, die heute im Portefeuille liegen, und dass so rasch als möglich an den Abbau dieser Methoden der Kriegsfinanzierung geschritten werden muss.

» Zusammenfassend formulieren Nationalbank und Bundesrat ihre Ansicht wie folgt: 1. Seit Kriegsausbruch ist die Elastizität des Notenumlaufes wesentlich zurückgegangen, d. h. es besteht unverkennbar die Tendenz, einmal ausgegebene Noten im Umlauf zu halten.

2. Die Schaffung von Guthaben bei der Notenbank ist geeignet, den Abfluss von Noten zu begünstigen ; dies ist namentlich bei der Finanzierung der Bedürfnisse des Staates durch die Notenbank der Fall.

3. Der Notenumlauf wird in seinem Umfang durch das Bedürfnis des Verkehrs nach derartigen Zahlungsmitteln bestimmt.

In den unruhigen Zeiten der Kriegsjahre ist dieser Bedarf durch die Teuerung, die Thesaurierung, die allgemein grössere Kassenhaltung der Privatpersonen und Unternehmen, sowie endlich auch durch die Notenausfuhr ganz erheblich gesteigert worden. Neben berechtigten zeigte sich also ein unerwünschter und volkswirtschaftlich wie auch rechtlich unberechtigter Bedarf, der, soweit möglich (Exportverbot), bekämpft worden ist. Erwähnt sei, dass die Nationalbank durch Zirkulare an die Kreditinstitute, an die kantonale und kommunale Finanzdirektion die Begünstigung des notenlosen Zahlungsverkehrs und die Ermässigung der Kassenhaltung auf das notwendige Mindestmass empfohlen hat.

4. Jedes Guthaben bei der N o t e n b a n k berechtigt zum Bezüge von Banknoten. Das einzige Mittel, das der Notenbank zu Gebote steht, um regulierend auf den Notenumlauf zu wirken, liegt in der Festsetzung des Diskontosatzes und des Lombardzinsfusses. Dieses Mittel ist in Zeiten grosser Flüssigkeit des Geldmarktes wirkungslos und auch sonst in Kriegszeiten durch ausserhalb der Notenbank liegende Faktoren in seiner Wirkung sehr beschränkt.

2. D e c k u n g s v e r h ä l t n i s s e . Die metallische Deckung der Noten -- nur diese dürfte hier von Interesse sein -- zeigte während des Krieges folgende Entwicklung:

152 In tausend Franken und "/o.

1914

23. Juli 31. ,,

199.011 74.2S 197,833 48,33

1915 1916 1917 1918 1919 31. März 483,643 51,«

31. Oktober 248,781 57,M t 294,308 69,04 303,848 68,57 311,230 71,b5 340,498 70,i;!

392,565 72,C7 403,957 65,ss 441,299 61,is> 430,112 48.m

3Î. Dezember 262,849 57,o5 301,370 397,452 409,474 473,131

64,72 74,07 68,30 48,49

Dank erheblicher Goldzufuhren aus dem Ausland, welche dieses uns aus eigenem Entschluss zugehen liess, erhielt sich somit das Deckungsverhältnis trotz des stark steigenden Notenumlaufes bis in das Jahr 1917 hinein auf Vorkriegsniveau, zeitweise sogar darüber. In der Folge vermochte es aber mit dem Vorrücken des Notenumlaufes nicht mehr Schritt zu halten, weil die Zufuhren spärlicher flössen, zeitweise auch ganz versiegten. Infolge der Ereignisse vom vergangenen November verschlechterte es sich so sehr, dass die Bankleitung sich genötigt sah, über die itn Falle des Sinkens bis auf die gesetzlichen 40 °/o anzuwendenden Massregeln zu beraten. Der Goldmarkt blieb der Schweiz versperrt, während anderseits auf Jahresschluss noch mit beträchtlichen Notenentzügen zu rechnen war. Ausserdcrn musste aber mit den Goldabgaben an die Industrie, die sowieso schon ' dem Bedarf nicht voll gerecht wurden, weiter gefahren werden, wenn man nicht Arbeitslosigkeit in grösserm Umfange und deren Folgen auf sich nehmen wollte. Obwohl sich die Lage am Jahresende günstiger gestaltet hat und ein Eingriff in die gesetzlichen Deckungsbestimmungen nicht notwendig geworden war, glaubten die Bankbehörden, aus den gemachten Erfahrungen die Konsequenzen ziehen zu sollen. Sie schlugen deshalb der Generalversammlung der Aktionäre vor, die bereits dem Bundesrat eingereichte Vorlage zur Revision des Bankgesetzes noch in dem Sinne zu erweitern, dass der Bundesrat bevollmächtigt wird, in ausserordentlichen Fällen eine Unterschreitung der regulären Melalldeckung von 40 °/o bis auf 33J/a °/o zu gestatten.

Was sodann die Bedeutung der Metalldeckung anbelangt, so ist diese je nach der allgemeinen Lage verschieden zu beurteilen.

Jedenfalls darf man sagen, dass die genaue Ziffer der Metalldeckung bei Vorhandensein eines gewissen Minimums für die Notenfragen keine allzugrosse Rolle spielt. Die Hauptsache bleibt, dass ein den Bedürfnissen des Landes angepasster Bestand erhalten werde, der dem Ausgleich der internationalen Zahlungs-

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bilanz und später wiederum der Einlösung der Noten in Gold dienen kann. Der Metallbestand ist in erster Linie als nationaler Kassenbestand anzusprechen, der als solcher nicht entbehrlich ist für ein Land, das mit dorn Ausland erhebliche Handelsbeziehungen unterhält.

Anderseits kommt dem Metallbestand doch eine regulierende Wirkung auf den Notenumlauf zu. Das Gold ist ein konkretes Gut, das nur unter Opfern ans Ausland, somit nur in relativ beschränktem Masse vermehrt werden kann. Dadurch, dass der Notenumlauf daran geknüpft ist, werden diesem ganz bestimmte Grenzen gesetzt, es wird ein Massstab gegeben, über den nicht willkürlich hinausgegangen werden kann.

3. Verhältnis der N o t e n e m i s s i o n zur Preisbew e g u n g . Die Frage des Zusammenhanges zwischen Notenumlauf und Preisbildung ist sowohl im Schosse der Bankbehörden als auch vor der Generalversammlung der Aktionäre zur Sprache gebracht worden, und zwar immer in dem Sinne, dass in der Schweiz von einer selbständigen Beeinflussung des Preisniveaus durch den Notenumlauf nicht die Rede sein könne. Es geht aus unseren vorstehenden Ausführungen zur Frage des Notenumlaufes bereits hervor, dass unseres Erachtens der kausale Zusammenhang nicht so liegt, dass überhaupt unser Notenumlauf als gesonderter Faktor im ganzen Fragenkomplex behandelt werden kann. Der Notenumlauf ist gewissermassen das Ergebnis einer bestimmten Finanzpolitik im Handel und Verkehr und als solches sozusagen ein zufälliges. Sein Anwachsen ist mit eine Folge der Teuerung, wirkt dagegen nicht ursächlich zu dieser. Die Kriegsverhältnisse haben überall zu einer anormalen Kreditwirtschaft geführt, in deren Mittelpunkt stets die Notenbank steht, und die sich in der Weise bemerkbar macht, dass eine wirtschaftlich ungerechtfertigte und vorgreifende Schaffung von Guthaben stattfindet, die eine stets fortschreitende Ersetzung von Gütern durch Geldwerte zur Folge hat. Da diese Geldwerte der Bedürfnisbefriedigung selbst nicht dienen können, muss sich mit ihrer Vermehrung einerseits und der Abnahme brauchbarer Güter anderseits infolge des Wirkens von Nachfrage und Angebot eine Verschiebung der Wertungen einstellen. Dies gilt natürlich in erster Linie für die kriegführenden Länder, überträgt sieh aber durch deren Beziehungen zu den übrigen Gebieten auch auf diese.

Soweit Noten infolge
Schaffung von Guthaben ausgegeben worden sind, so bildeten sie mehr nur eine zufällige Erscheinungsform der durch fortwährende Kreditanspannung geschaffene Kauf-

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kraft und konnten nur an den Wirkungen dieser Kreditüberspannung teilnehmen. Theoretisch gesprochen, wären die Folgen der durch den Krieg nötig gewordenen intensiven Ausnutzung an den einzelnen Wirtschaftskörpern genau gleich zur Geltung gekommen, wenn der Notenumlauf durch weiteste Ausbildung der bargeldsparenden Zahlungsmethoden auf ein Minimum reduziert oder durch diese Methode ganz ersetzt worden wäre.

Bei den wenigen neutralen Gebieten, die bei der ganz überwiegenden Bedeutung der kriegführenden Länder als Produktionsgebiete unmöglich eine gesonderte Rolle spielen können, schon.

weil sie in den wichtigsten Dingen von den ändern abhängen, darf jedenfalls eine Schuld an der ganzen Preisentwicklung nicht gesucht werden. Ganz besonders gilt dies von der Schweiz, die von Kriegführenden umringt, vielleicht wie kein zweites Land, für ihre Ernährung und für den Absatz seiner Erzeugnisse auf diese angewiesen ist. Ihnen wurden die Preise für die lebensnotwendigsten Dinge von den kriegführenden Regierungen oder wenigstens von den Gesamtumständen diktiert, und damit war die Preisentwicklung auch für die eigene Produktion im Prinzip vorgezeichnet.

Wenn wir das Mass der Teuerung in den einzelnen Ländern beobachten, so sehen wir, dass sie bei den Neutralen, mit denen ein Vergleich erlaubt erscheint, nicht geringer war als bei uns, obschon einzelne von ihnen in ihren Abwehrmassnahmen andere Wege eingeschlagen, als die, die wir gehen durften, und namentlich getrachtet haben, die Ausgabe von Zahlungsmitteln durch einschneidende Kreditbeschränkungen und durch das Verbot der Goldeinfuhr (Schweden) zurückzuhalten. Demgegenüber scheinen Staaten, denen die Seeverkehrswege offen standen oder als Produktionsländer sich eher selbst genügen können, vielleicht weniger betroffen worden zu sein, obwohl sie als Kriegführende Kredit und Notenpresse stärker als wir in Anspruch nehmen mussten *).

*) Es betrugen:

Vermehrung Notenumlauf Notenumlauf Ende 1913 Ende 1918 lin Millionen)

Ende 1918 in 7 des Umlaufs Ende 1913

Bei der Schweiz. Nationalbank . Fr. 313,s 975,7 310,o ,, ,, Bank von Frankreich .

,, 5.713,& 20.249,n 529,4 ,, ,, ,, ,, England . .

£ 29.6 70,806,o 297,» ,, ,, Niederländischen Bank . Fl. 312,7 l,068,o 341,8 a ,, Schwedischen Reichsbank Kr. 234,5 813,5 .

346,» Nach den una zur Verfügung stehenden Indexziffern scheint die Teuerung in den betreffenden Ländern bis Ende 1918 ungefähr den nämlichen Urnfaüg angenommen zu haben.

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"Wir haben weiter oben aufgeführt, es sei theoretisch durchaus denkbar, dass der Notenverkehr ganz oder zum erheblichen Teil durch andere Zahlungsmethoden, Check- oder Girozahlungen, ersetzt werden könnte, anderseits sei nicht einzusehen, wieso diese Änderung der Zahlungsweise und der von ihr bewirkte Rückgang oder Einstellung des N.otenVerkehrs an sich die Teuerung verhindern oder hemmen sollte. Damit wollten wir sagen, dass sofern dem Notenumlauf in seiner Eigenschaft als Zahlungsmittel ein Einfluss auf die Preisgestaltung zuerkannt werden müssto, dieser nämliche Einfluss auch allen ändern Zahlungsmitteln und Methoden zuzusprechen wäre.

Dass in dieser Hinsicht den Noten auch das gemünzte Geld zuzuzählen ist, braucht kaum gesagt zu werden. Damit haben wir aber noch lange nicht alle Zahlungsmittel erfasst, vielmehr erfüllen den nämlichen wirtschaftlichen Zweck wie die Zahlungen in Barschaft und in Noten a. die Verrechnungen in den Clearings, die im Jahre 1913 bei den schweizerischen Abrechnungsstellen Fr. 5,471,650,000 erreichten, 1918 auf Fr. 7,578,027,000 gestiegen sind; è. dio Zahlungen durch Überweisungen im Giroverkehr; der Umsatz in Girorechnung erreichte aber bei der Nationalbank allein nachstehende Summen: 1913 Fr. 18,798,984,000 1918 ,, 38,016,648,000 Wir wollen uns mit diesen Zahlen begnügen und lediglich noch darauf hinweisen, dass weiter hinzuzuzählen wären die durch das Mittel des Giroverkehrs der Post, sowie der Banken bewerkstelligten skripturmässigen Zahlungen, sowie die durch zahlungshalber geschehene Übergabe und Übernahme von Checks, Wechseln, Anweisuügen usw. vorgenommenen, wobei zu beachten wäre, dass nicht bloss die Übergabe und Einlösung dieser Papiere, sondern auch vielfach ihre Indossierung als Zahlungsgeschäft zu werten ist.

Dass dies alles zusammengerechnet eine den Notenumlauf um ein vielfaches übertreffende Summe ausmachen wird, ist auf den ersten Blick klar. Sodann muss berücksichtigt werden, dass vom ziffermässig ausgewiesenen Notenumlauf derjenige Teil als Zahlungsmittel dem inländischen Verkehr entzogen bleibt, welcher nach dem Auslande exportiert oder thesauriert wurde oder noch als Kassenreserve von Privaten und Unternehmen dauernd zurückgehalten und nie ausgegeben wird,'so dass der effektive Notenumlauf ganz erheblich geringer ist als der von unseren publizierten Ausweisen angegebene. Aus diesen Tatsachen lässt sich der Schluss

156 ziehen, dass, wenn dem Umfange der vorhandenen Zahlungsmittel ein Einfluss auf die Preisgestaltung zugeschrieben werden müsste, der Anteil des Notenumlaufes daran nur ein sehr beschränkter bliebe. Schliesslich erinnern wir an unsere Feststellung, dass die Notenbank lediglich durch ihre Diskontopolitik auf den Notenumlauf regulierend zu wirken vermag und dass sich ihre bezügliche Macht unter den durch die Kriegswirtschaft geschaffenen Verhältnisse als geringfügig erwiesen hat.

Den Abbau der Teuerung und des übergrossen Notenumlaufes ist bioss y,u erwarten von einer Rückkehr normaler wirtschaftlicher Verhältnisse nicht bloss im Inlande, sondern überhaupt, die dem freien Spiel der Kräfte den gebührenden Raum zurückgeben, die Aufhebung der Kriegsmassnahrnen und -einrichtungen gestatten und das wirtschaftliche Interesse, gleichzeitig auch die Arbeitslust des einzelnen beleben wird.

Die Frage des Verhältnisses der Notenemission zur Preisbewegung ist eine akademische, die unseres Erachtens in dieser Form überhaupt praktisch bedeutungslos bleibt, weil sie gar nicht den Kern der Sache trifft. Sie fällt von selbst weg, wenn alle in Betracht fallenden Stellen im weitesten Sinne darauf bedacht sind, nach Möglichkeit wieder zu den organisch erwachsenen Grundsätzen der Vorkriegszeit zurückzukehren.

6. Anpflanzung der

Waffenplätze.

Die Anpflanzung der Waffenplätze wurde unter Leitung des hierzu bestellten Kommissariates auch im Jahre 1918 weitergeführt und zum Teil erheblich ausgedehnt.

Das gute Ergebnis des Vorjahres erlaubte, dem Wunsche, die landwirtschaftliche Produktion mit Rücksicht auf die Stetsfort schwieriger werdende Lebensmittelversorgung zu heben, nachzukommen und hat demzufolge zu einem bedeutenden Mehranbau auf den Waffenplälzen geführt.

Im Jahre 1917 erstreckte sich die Anpflanzung auf 10 Waffenplätzen über ein Areal von 141,es ha, wogegen im Jahre 1918 auf 9 Waffenplätzon 349,6 ha der Produktion eröffnet wurden.

Der Waffenplatz Liestal wurde für das Jahr \ 918 der Gemeinde Liestal zu Verfügung gestellt.

Das Areal von 349,6 ha erschien für den Regiebetrieb durch den Bund zu gross; von vornherein müsste hauptsächlich für die Ernteperiode der Bedarf an den nötigen Arbeitskräften gesichert werden, denn durch die Verminderung der Grenzschutztruppeu

157 konnte man nicht auf grosse Hilfe seitens der Armee rechnen.

Aus diesem Grunde wurde den gestellten Begehren von FürsorgeOrganisationen und Privater: um Überlassung gewisser Parzellea weitgehend entsprochen.

Von den 349,6 ha wurden in Regie durch das Kommissariat bebaut : 224,r> ha ; an anderweitige Fürsorgeorganisationen wurden 88,1 ha und an Private 36,o ha abgegeben.

Die 224,48 ha verteilen sich auf die nachgenannten Getreidearten wie folgt : Weizen 89,04 ha, Roggen 48,52 ha, Gerste 14,75 ha, Hafer 48,63 ha, Korn 6,59 ha, Mischel 1,4s ha. Zudem wurden auf den Waffenplätzen Frauenfeld, Kloten, Luzern und Thun im ganzen 15,35 ha Kartoffeln angepflanzt in der Absicht, durch diese Massnahme die Kartoffel Versorgung der Schulen und Kurse auf den genannten Waffenplätzen sicherzustellen.

Für die Anpflanzungsarbeiten im Herbst 1917 sowie im Frühjahr 1918 wurden grösstenteils die Arbeitskräfte an Mannschaften und Pferden aus den Schulen und Kursen zur Verfügung gestellt.

Der grosse Betrieb namentlich auf den Plätzen Kloten und Frauenfeld liess es ratsam erscheinen, die teuren tierischen Arbeitskräfte durch maschinelle Hilfskräfte zu ersetzen, und es wurde aus diesem Grunde, den befriedigenden Versuchen in der Verwendung von Motorpflügen Rechnung tragend, die Anschaffung von 2 Motorpflügen beschlossen.

Mit dem Auftreten der Grippeepidemie und der daherigen Schliessung der Schulen und Kurse wurden sämtliche Anordnungen betreffend Einbringung der Ernte zunichte gemacht. Einzelne kleine Parzellen auf den Plätzen Frauenfeld und Bern konnten mit Bewilligung der Inlandgetreidestelle- auf dem Halm versteigert werden ; für sämtliche Waffenplätze mussten sofort in aller Eile die nötigen Arbeitskräfte beschafft werden. Für den Waffenplatz Kloten wurde durch das Meliorationsamt eine Abteilung von etwa 25 russischen Deserteuren zur Verfügung gestellt.

Für die Plätze Frauenfeld, Herisau, Thun, Wallenstadt und Bière war es möglich, durch die Kriegsgefangenen-Internierung die benötigten Mannschaftsabteilungen zu erhalten. Zugpferde wurden aus dem Pi'erdedepot Burgdorf abgegeben.

Zu den hohen Taglöhnen, welche den Kriegsgefangenen bezahlt werden mussten, stund deren Arbeitsleistung in keinem Verhältnis. Es mangelte das nötige Verständnis und das Interesse für landwirtschaftliche Arbeiten ; .immerhin konnte die Ernte innert nützlicher Frist eingebracht werden.

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Eine rationelle Drescharbeit wurde ermöglicht durch den Ankauf einer weitern Dreschmaschine und eines Elektromotors.

Die Dreschergebnisse an Frucht und Stroh wurden nach Weisung der Inlandgetreidestelle und des Strohbureaus des 0. K. K. verwertet.

Für die Hektare ergab sich nach den verschiedenen Getreidearten folgendes Durchschnittsergebnis : Weizen 2250 kg Roggen 2560 ,, Hafer 1500 ,, Die Ausgaben für Anpflanzungs- und Erntearbeiten, Inbegriffen Ankauf der Maschinen usw., beliefen sich auf Fr. 389,421. 67, wogegen für die Ertragnisse an Frucht, Stroh, Kartoffeln, Abfällen und ßodenfrüchten, Fr. 500,247. 65 vereinnahmt wurden.

Fr. 110,825. 98 ergaben sich somit als Reinertrag.

Die Ausgaben auf die Hektare berechnet ergeben Fr. 1730, und der Ertrag beziffert sich durchschnittlich für die Hektare auf 2100 kg Frucht im Werte von etwa Fr. 1400, auf 3421 kg Stroh im Betrage von Fr. 504 und auf 11,518 kg Kartoffeln im Betrage von Fr. 2530, sowie auf verschiedene andere Einnahmen für ausgemietete Maschinen, Verkauf von Saatgut usw., so dass im Durchschnitt an Einnahmen . für die Hektare Fr. 2232 erzielt wurden.

In Anbetracht der teuren Arbeitskräfte, welche sämtliche im Berichtsjahre gegenüber dem Betriebsjahr 1917 zu Lasten des Kommissariates fielen, Sold und Verpflegung an Hilfskräfte, Mietgeld und Futter für Pferde, lässt sich das Ergebnis als ein sehr gutes bezeichnen.

Für die Preisansätze der Erträgnisse waren die gemäss B. R. B.

vom 24. Mai 1918 festgesetzten Höchstpreise massgebend. Die Stroherträgnisse wurden nach den Ausführuugsbestimmungen des S. M. D. zum B. R. B, vom 16. August 1918 mit Fr. 14. 75 in Rechnung gestellt.

Neben dem Reinertrag von Fr. 110,825. 98 verfügt das Kommissariat noch über ein Inventar an Maschinen und Ackerbaugeraten im Werte von rund Fr. 130,000.

Höher zu werten als das finanzielle Ergebnis ist die erzielte Mehrproduktion an Inlandgetreide. An Brotgetreide ergab sich ein Erträgnis von 360,400 kg, an Hafer ein solches von 60,507 kg ; an Kartoffeln wurden 172,766 kg geerntet.

159 Im Jahre 1919 werden die Anpflanzungen der Waffenplätze annähernd im gleichen Rahmen gehalten, mit der Änderung, dass mit Rücksicht auf die sich noch schwieriger als für 1918 gestaltende Beschaffung der Arbeitskräfte während der Erntezeit wo möglich mit der Versteigerung auf dem Halm gerechnet wird.

Eidgenössische Steuerverwaltung.

Unter Anspannung aller Kräfte bemüht sich die Verwaltung, Veranlagung und Bezug der eidgenössischen Kriegsgewinnsteuer zu fördern. Die Widerstände gegen diese Steuer haben sich seit Erstattung des letzten Berichtes- sehr verschärft. Die mit der beinahe plötzlichen Einstellung der kriegerischen Operationen beginnenden Absatzschwierigkeiten, der Widerruf erteilter Aufträge und der sich verschärfende Mangel an neuen Aufträgen, die Überfällung der Lager mit zum Teil überzahlter Ware, schufen eine Situation, welche den Ansprüchen des Fiskus nicht günstig war.

Es wurde von allen Seiten weitgehendste Berücksichtigung der Zukunftsrisiken nicht nur für das Jahr 1918, sondern auch bei der Veranlagung der Kriegsgewinnsteuer früherer Jahre verlangt, trotzdem die damals angekauften Waren alle mit kleinerm ·oder grösserm Gewinne veräussert worden waren. Begehren letzterer Art kann grundsätzlich, d. h. wenn nicht ganz besondere Verhältnisse vorliegen, nicht entsprochen werden, während bei der Veranlagung der Kriegsgewinne der ganz oder zum Teil in die Depressionsperiode fallenden Geschäftsjahre die notwendige Rücksicht insbesondere auf die Entwertung der Warenlager genommen werden muss und auch genommen wird.

- Der Bezug der Kriegsgew'innsteuer geht mühsam vor sich und der Fiskus trägt der Tatsache, dass vielerorts eine starke Immobilisation der Zahlungsmittel besteht, durch Stundung und Einräumung von Zahlungserleichterungen Rechnung. Die Eintreibung der Steuer im Zwangswege, als letztes Mittel, wird nur im äussersten Falle angewendet, kann aber nicht immer entbehrt werden.

Für die Perioden von 1915 bis 1917/1918 ist die Taxation, abgesehen von den Steuerpflichtigen, welche neu auf die Steuerlisten aufgetragen werden, in der Hauptsache abgeschlossen. Die Versendung der Steuererklärung für die mit dem Kalenderjahr 1918 zusammenfallende Geschäftsperiode steht bevor. Die Zahl der Dossiers ist auf über 30,000 gestiegen. Die Untersuchung derselben, soweit sie durchgeführt werden konnte, ergab ungefähr 7100 Steuerpflichtige.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. in.

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Die Ergebnisse der Kriegsgewinnsteuer sind bis 31. März 1919 folgende: Die Gesamtsumme der ausgestellten Steuerrechnungen mit Binschluss des Zuschlages gemäss Bündesratsbeschluss vom 24. März 1917 beträgt Fr. 377,578,840. 65An Vorauszahlungen auf Steuerfälle und Steuerperioden, für welche die 'Einschätzung noch nicht stattgefunden hat, wurden geleistet ,, 14,471,181.79 Der Sollbetrag per 31. März 1919 ist somit Fr. 392,050,022. 44 Bis I.April 1919 waren bei der Bundeskasse Fr. 301,062,950.13 eingegangen. Den Kantonen wurde in vier Raten aus den bis Ende 1918 eingegangenen Kriegsgewinnsteuern ein Betrag von Fr. 20,593,989. 08 ausgerichtet.

Dem Arbeitslosenfonds sind bis Ende 1918 auf Rechnung seines Anteils am Ertrag der Kriegsgewinnsteuer Fr. 33,000,000 überwiesen worden.

Art. 36 unseres Beschlusses vom 18. September 1916 betreffend, die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer bestimmt, dass bei Unterlassung der Zahlung innert der vorgeschriebenen Frist Steuerbeträge vom Tage des Ablaufes der Zahlungsfrist an zu 5 °/o zu verzinsen seien. Bei dem ständigen Steigen des Zinsfusses liess sich für flüssige Kapitalien leicht eine höhere als zu 5 °/o verzinsliche Anlage finden. Diese Möglichkeit musste den Eingang der Kriegsgewinnsteuern beeinträchtigen und so sahen wir uns veranlasst, am 19. November 1918 den zitierten Art. 36 des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses in der Weise abzuändern, dass die Festsetzung des Zinsfusses für überfällige Kriegsgewinnsteuern durch unser Finanzdepartement erfolge. Damit ist diesem die Möglichkeit gegeben, den Zinsfuss für derartige Steuerausstände den jeweiligen Zinsverhältnissen anzupassen. Am 13. Dezember 1918 hat das Finanzdepartement, mit Wirkung vom 1. Januar 1919 an, den Zinsfuss von 5 % auf- 6 % erhöht.

Durch unsern Beschluss vom 9. November 1917 wurde in Abänderung von Art. 12 des Bundesratsbeschlusses vom 18. September 1916 betreffend die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer der Steuersatz für die Kriegsgewinne des Jahres 1917 und der folgenden Jahre von 25. auf 35 °/o erhöht, was mit dem Zuschlag von. einem Fünftel für den Fonds für Arbeitslosenfürsorge eine Erhöhung von 30 auf 42 °/o ergibt. Damals-schon war Erhöhung

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des Steuersatzes auf 50 °/o verlangt worden. Wir fanden aber eine solche Erhöhung nicht als empfehlenswert. Seither ist von verschiedener Seite neuerdings Erhöhung des Steuersatzes angeregt worden, so u. a. in einer Eingabe des Sekretariates des schweizerischen Bauernverbandes, die allerdings gleichzeitig vorschlug, gewisse Milderungen eintreten zu lassen für Gewinne, welche nicht verteilt, sondern zur Reservebildung oder zu neuen Anlagen verwendet werden.

Das Finanzdepartement hat diese, sowie andere Fragen einer Expertenkommission vorgelegt, welche am 22. und 23. November 1918 in Bern tagte. In derselben waren die verschiedenen politischen Parteien und wirtschaftlichen Gruppen, insbesondere auch Handel und Industrie vertreten. Diese Kommission ist in ihrer überwiegenden Mehrheit zum Schluss gekommen, man solle den Steuersatz, abgesehen von den gelegentlichen Handelsgeschäften, nicht mehr erhöhen, und auch sonst keine wichtigem Änderungen an den Bestimmungen betreffend die Kriegsgewinnsteuer vornehmen.

Angezeigt erschien es immerhin, die Kosten der von der Steuerverwaltung angeordneten Bücheruntersuchungen dem Steuerpflichtigen in denjenigen Fällen aufzuerlegen, wo sich ergibt, dass seine Steuererklärung ungenügend war. Es ist das im Steuerrecht überall so und es ist z. B. auch im Reglement für die eidgenössische Rekurskommission in dieser Weise geordnet.

Die Aufhebung des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses für das Jahr 1919 erschien um so weniger angängig, als die Konjunktur voraussichtlich auch 1919 die Erzielung ausserordentlicher Geschäftsgewinne nicht ausschliesst und offenbar im Hinblick darauf in der Expertenkommission "für den Fall der Aufhebung von mehr als einer Seite eine Initiative für eine neue Konjunktursteuer in Aussicht gestellt wurde.

Gestützt auf diese Erwägungen haben wir am 14. Januar 1919 folgenden Beschluss gefasst: 1. Den Eingaben, dahingehend, es sei der Steuersatz der Kriegsgewinnsteuer für die gewerbsmässigen Betriebe neuerdings zu erhöhen, wird keine Folge gegeben. Der Satz von 35 °/o plus Vs für den Fonds für Arbeitslosenfürsorge = 42 °/o wird vielmehr beibehalten.

2. Für die Kriegsgewinne des Jahres 1919 aus gelegentlichen Handelsgeschäften wird der Steuersatz auf 45 °/o erhöht, wozu der Fünftel für den Fonds für Arbeitslosenfürsorge kommt, so dass der Steuersatz im ganzen 54 °/0 beträgt.

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Art. 12 des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses vom 18. September 1916, abgeändert durch Bundesratsbeschluss vom 9. November 1917, erhält am Schluss von Absatz 2 folgenden Zusatz: ,,Für die Kriegsgewinne des Jahres 1919 aus gelegentlichen Handelsgeschäften (Art. 6 6) wird der Steuersatz auf 45 °/o erhöht.a 3. Am Schlüsse von Art. 18 des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses vom 18. September 1916 wird folgender Satz beigefügt : ,,Die Kosten der Bucheruntersuchung fallen zu Lasten des Steuerpflichtigen, wenn es sich ergibt, dass er eine ungenügende Steuererklärung abgegeben hat."

4. Der Bundesrat erklärt sich mit der Auffassung des Finanzdepartements einverstanden, wonach die Kriegsgewinnsteuer auch noch für die Übergewinne des Jahres 1919 in Aussicht zu nehmen ist.

5. Die ganze Frage ist den Neutralitätskommissionen vorzulegen.

Entsprechend dem Beschluss sub Ziffer 5 haben wir die Neutralitätskommissionen der Räte mit der Sache befasst. Die Kommission des Nationalrates hat am 25. Februar abbin darüber verhandelt und mit 14 gegen 2 Stimmen beschlossen, der Erhebung der Kriegsgewinnsteuer im Jahre 1919 zuzustimmen. Sie hat auch einen Antrag auf Reduktion des Steuersatzes abgelehnt, hat aber anderseits einen Antrag angenommen (allerdings nur mit Stichentscheid des Präsidenten), wonach der Bundesrat eingeladen wird, zu prüfen, ob nicht einige Bestimmungen des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses gemildert werden sollten. Von zwei Mitgliedern der Kommission sind überdies noch spezielle Wünsche betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des Beschlusses geäussert worden.

In der abgelaufenen Frühjahrssession der eidgenössischen Räte ist dann von Herrn Nationalrat Steinmetz und Mitunterzeichnern ein Postulat gestellt worden, durch welches der Bundesrat eingeladen wurde, den Bundesratsbeschluss vom 18. September 1916 betreffend die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer in dem Sinne aufzuheben, dass die Steuer zum letzten Male auf den im Jahre 1918 erzielten Kriegsgewinnen erhoben wird. Gegebenenfalls wurde der Bundesrat eingeladen, über die von ihm beabsichtigten Änderungen der Art. 6, 7, 8 und 10 des in Frage stehenden Bundesratsbeschlusses Bericht zu erstatten. Der Vorsteher des eidgenössischen Finanzdepartements hat im Namen des Bundesrates das Postulat beantwortet, indem er die Notwen-

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digkeit begründete, die Kriegsgewinnsteuer im Jahre 1919 noch weiter zu erheben und indem er im weitern verschiedene Milderungen der Vorschriften des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses im Sinne des Begehrens des Postulanten in Aussicht stellte. Das Postulat ist darauf in seinem ersten Teil vom Rate mit grosser Mehrheit abgelehnt worden und mit Bezug auf den zweiten Teil hat es Herr Nationalrat Steinmetz zurückgezogen.

Noch ehe die Neutralitätskommission des Ständerates sich ebenfalls mit der Sache zu befassen Gelegenheit hatte, haben die eidgenössischen Räte den Beschluss vom 3. April 1919 betreffend die Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates gefasst, wonach der Bundesrat zwar ermächtigt ist, ausnahmsweise Massnahmen zu treffen, die zur Sicherheit des Landes oder zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Landes unumgänglich notwendig sind, wonach er aber von den auf Grund dieser Vollmacht erlassenen Verordnungen der Bundesversammlung in ihrer nächsten Tagung mit einlässlichem Bericht Kenntnis zu geben hat, worauf die Bundesversammlung darüber entscheidet, ob dieselben weiter in Kraft zu bleiben haben.

Wir haben es nun für richtig erachtet, auf Grund dieses Beschlusses der eidgenössischen Räte am 22. April 1919 eine neue Verfügung hinsichtlich der Weitererhebung der Kriegsgewinnsteuer im Jahre 1919 und hinsichtlich der durch die Sachlage und die seitherigen Erfahrungen gebotenen Änderungen an den Bestimmungen des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses zu treffen. Unser Beschluss erfolgte ausdrücklich in Anwendung von Absatz 2 des Abschnittes I des Bundesbeschlusses betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates vom 3. April 1919 (A. S. XXXV, 255) und unter Vorbehalt der im erwähnten Beschlüsse vorgesehenen Befugnisse der Bundesversammlung. Er enthält folgende Bestimmungen: Art. 7, Ziff. 1. Am Schlüsse ist folgender Satz beizufügen: ,,Der Satz von fünf vom Hundert für den Zins des in dem Geschäft oder Gewerbe arbeitenden Kapitals wird für die Ermittlung des Reinertrages des Jahres 1919 auf sechs vom Hundert erhöht."

Art. 7, Ziff. 3. Dem zweiten Absatz ist am Schluss der Satz beizufügen: ,,ebenso auf die Notwendigkeit von Rückstellungen für drohende Verluste."

Art. 7, Ziff. 6. Am Schlüsse ist folgender Satz beizufügen :

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,,Für die Veranlagung der Kriegsgewinne des Jahres 1919 wird der Abzug für das neu zugeflossene Kapital von fünf auf sechs vom Hundert erhöht."

Art. 8, Ziff. 3. Nach dem Wort ,,berechnet11 in der viertletzten Zeile ist einzuschalten: ,,Für die Veranlagung der Kriegsgewinne des Jahres 1919 werden als jährlicher Durchschnittsertrag bei Einzelpersonen und bei Kollektiv- und Kommanditgesellschaften mindestens Fr. 15,000 und bei Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften des Obligationenrechts mindestens 6 °/o des einbezahlten Aktien- oder Genossenschaftkapitals oder Fr. 15,000 berechnet. Diese Mindestbeträge werden ... ."· Art. 8, Ziff. 4. Am Schlüsselst der Satz beizufügen: ,,Für die Veranlagung der Kriegsgewinne des Jahres 1919 wird dem Durchschnittsertrag ein Betrag von jährlich sechs vom Hundert des in einem der Vorjahre oder im Jahre 1914 zugeflossenen Kapitals zugerechnet."

Art. 10. Zwischen dem zweiten und dritten Absatz ist folgender neue Absatz einzuschalten: ,,Für die Kriegsgewinne des Jahres 1919 ist die Steuer zu entrichten von dem Gewinn, der 10 °/o des Durchschnittsertrages und Fr. 15,000 übersteigt. Der Betrag von Fr. 15,000 erhöht sich für Kollektiv- und Kommanditgesellschaften auf Fr. 20,000 und, sofern sie aus drei oder mehr Mitgliedern bestehen, auf Fr. 25,000."

Art. 18. Am Schlüsse ist der Satz beizufügen: ,,Die Kosten der Bücheruntersuchung fallen zu Lasten des Steuerpflichtigen, wenn sich ergibt, dass er eine ungenügende Steuererklärung abgegeben hat."

Den zahlreichen, seit Neujahr bei uns und unserm Finanzdepartemente eingelangten Eingaben, in welchen verlangt wird, es solle die Kriegsgewinnsteuer für die Gewinne des Jahres 1919 nicht mehr erhoben werden, konnten wir aus folgenden Gründen nicht entsprechen.

Einzelne Industrien fahren fort, ganz erhebliche ausserordentliche Gewinne zu erzielen, während allerdings für viele andere die guten Zeiten für einmal vorbei sind und viele von ihnen im Gegenteil zurzeit eine schwere Krisis durchmachen. Immer noch gut arbeiten z. B. die Schokoladeindustrie und zum Teil die chemischen Industrien. Dann grassiert auch der Schieber- und Wucherhandel auf vielen Gebieten noch stark und werden zum Teil dabei grosse

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Gewinne erzielt. Es erscheint uns nun durchaus als ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn denjenigen Personen und Erwerbsgesellschaften., die in einer Zeit, wo die grosse Masse der Bevölkerung mehr als je Not leidet, starke, aussergewöhnliche Gewinne realisieren, ein Teil des Übergewinnes weggesteuert und damit der Staat in die Lage versetzt wird, denjenigen zu helfen, die Hülfe notwendig haben. Die Kriegsgewinnsteuer war von Anfang an gedacht als ein Mittel des sozialen Ausgleichs in diesen ausserordentlichen Zeiten und als solches hat sie im Jahre 1919, wo -die Konjunkturverhältnisse noch ganz abnormale sind, und es aller Voraussicht nach bis zum Ende des Jahres bleiben werden, noch ebenso ihre Berechtigung wie in den vorausgegangenen Kriegsjahren. Der Bund ist auch auf diese Einnahmen durchaus angewiesen, solange ihm nicht die neue Kriegssteuer Ersatz schafft. Seine Ausgaben sind sehr grosse und gerade die gewaltigen Summen, die er für Teuerungszulagen, für Arbeitslosenunterstützung und für andere Fürsorgezwecke in diesem Jahr aufzuwenden hat, bilden die beste Rechtfertigung für den Weiterbezug der Kriegsgewinnsteuer. Die Steuer trifft ja nur diejenigen, die in diesem Jahr noch Übergewinne erzielen ; wer keine solchen realisiert, wird nichts zu bezahlen haben. Aber selbst diejenigen Geschäfte, die heute nach guten Zeiten eine schwere Krisis durchmachen, haben ein Interesse daran, dass die Kriegsgewinnsteuer im Jahre 1919 noch weiter bezogen wird, indem dies ermöglicht, die Liquidation ihrer Steuer für das Jahr 1918 hinauszuschieben, dadurch, dass ihnen für die drohenden Verluste Rückstellungen gewährt werden, über die dann erst nach Ablauf des Jahres 1919 abzurechnen sein wird. Wenn heute liquidiert werden müsste, so wäre dies nicht nur sehr schwierig, sondern es 'Würde unter Umständen der Steuerpflichtige für einen Gewinn die Steuer zu bezahlen haben, der ihm durch Verluste in der nächsten Zeit tatsächlich verloren gehen kann.

Dass wir in der Schweiz mit dem Weiterbezug der Kriegsgewinnsteuer über das eigentliche Kriegsende hinaus nicht allein dastehen, beweist der Umstand, dass bis jetzt unseres Wissens noch kein Land die Kriegsgewinnsteuer aufgehoben hat. Belgien steht im Begriffe, nachträglich noch eine solche einzuführen; Frankreich und Holland haben in ihren Kriegsgewinnsteuergesetzen die
Bestimmung, dass die Steuer noch während eines Jahres nach Beendigung des Krieges weitererhoben werden soll.

Es unterliegt für uns auch keinem Zweifel, dass, falls der Bund für das Jahr 1919 auf die Besteuerung der Übergewinne ver-

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ziehten würde, sofort der eine oder andere Kanton die Lückeausfüllen und die Steuer auf kantonalem Boden einführen würde.

Der Kanton Tessin hat kürzlich über die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer hinaus noch eine kantonale zu erheben beschlossen.

So sehr gerne wir und mit uns die Steuerorgane die Kriegsgewinnsteuer, deren Durchführung je länger je mehr zu einer Quelle grosser Schwierigkeiten und grossen Verdrusses wird, so rasch als möglich verschwinden sähen, so stehen wir, unsere vorstehenden Ausführungen zusammenfassend, doch auf dem Standpunkt, dass es ein grosser Fehler wäre, wenn sie für die Übergewinne des Jahres 1919 nicht mehr erhoben würde. Für das Jahr 1920 wird die Sache insofern eine andere sein, als wir dann doch hoffentlich in Handel und Industrie etwas normalere Verhältnisse haben werden und als dann die Kriegssteuer mit ihrem Ertrag einsetzt.

Über die Änderungen an den Bestimmungen des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses, die wir, um verschiedenen der geäusserten Wunsche und insbesondere den Beschlüssen und Anregungen der nationalrätlichen Neutralitätskommission Rechnung zu tragen, beschlossen haben, ist kurz folgendes zu sagen. Sie bezwecken in der Hauptsache, denjenigen Geschäften durch Anrechnung eines höhern Durchschnittsertrages entgegenzukommen, die 1912 und 1913 schlechte Betriebsergebnisse hatten oder die erst während der Kriegsjahre gegründet worden sind. Statt bloss Fr. 5000T oder bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften 5 °/o des einbezahlten Kapitals sollen ihnen Fr. 15,000 resp. 6 °/o als Durchschnittsertrag angerechnet werden. Ferner sollen die Einzelpersonen und Kollektiv- und Kommanditgesellschaften 6 °/o statt bloss 5 °/o als Zins für das im Geschäfte arbeitende Kapital vom Reinertrag abziehen dürfen. Auch für Kapitalerhöhungen soll 6 °/o statt & °/° iQ Anrechnung gebracht werden können. Höher als 6 °/o darf bei diesen Zinssätzen nicht gegangen werden, weil sonst leicht der Schluss daraus gezogen werden könnte, man betrachte heute einen Geldzins von 6 % als nicht mehr genügend, was von den weittragendsten Folgen sein müsste.

Entsprechend der eingetretenen Geldentwertung sind nicht mehr bloss Fr. 10,000 bzw. bei Kollektiv- und Kommanditgesellschaften Fr. 15,000 oder Fr. 20,000 kriegsgewinnsteuerfrei zu.

lassen, sondern diese Beträge sind um je Fr. 5000 zu erhöhen..
Und endlich ist durch eine Ergänzung von Art. 7, Ziffer 3, gesagt worden, dass auf die Notwendigkeit vermehrter Abschreibungen auch Rücksicht genommen werden soll beim Vorhandensein drohender Verluste, was gerade 'in der gegenwärtigen Zeit

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sehr wichtig ist und viel zur Beruhigung der Steuerpflichtigen beitragen wird. Tatsächlich ist zwar schon bisher auf solche drohende Verluste Rücksicht genommen worden.

Die Erhöhung des Steuersatzes für die gelegentlichen Handelsgeschäfte auf 54 °/o ist fallen gelassen worden ; einmal aus der Überlegung heraus, dass am Kriegsgewinnsteuerbeschluss nur mehr geändert werden soll, was sich als unumgänglich notwendig erwies, dann aber auch gestützt auf die seither gemachten Erfahrungen, wonach die Zahl derjenigen Geschäftsleute, die zu den sogenannten ^Gelegentlichen" gehören, stark abgenommen hat, indem die meisten derselben, die sonst darunter rangierten, heute als Inhaber von gewerbsmässigen Betrieben behandelt werden müssen. Der Mehrertrag des erhöhten Satzes für die Gelegenheitsgeschäfte wäre jedenfalls ein ganz kleiner gewesen.

Zum Schluss sei noch ein Begehren mit einigen Worten erwähnt, das von verschiedener Seite gestellt worden ist, das wir aber nicht empfehlen können. Es geht dahin, man solle nachträglich für die Berechnung des Durchschnittsertrages auf eine grössere Zahl von Jahren, als blqss auf die zwei Jahre 1912 und 1913. abstellen, wie es der Bundesratsbeschluss vom 18. September 1916 vorsieht. Das geht im gegenwärtigen Stadium der Einschätzungen nicht mehr. Die Kriegsgewinner des Jahres 1919 sind in vielen Fällen nicht mehr die gleichen wie die der Jahre 1915--1918 und die letztern müssten es als eine Unbilligkeit empfinden, wenn nun für 1919 eine andere Basis gewählt würde.

Bei den Geschäften, die ihre Rechnungen nicht mit dem Kalenderjahre abschliessen, würde sich die Sache zudem in der Durchführung sehr schwierig gestalten. Es ist richtig, dass einige Länder eine grössere Zahl von Jahren als Basis für die Berechnung des Durchschnittsertrages angenommen haben ; andere haben aber gleich wie wir nur zwei Jahre und Holland hat sogar nur ein Jahr. Es ist auch unsere Definition des Begriffes ,,Kriegsgewinn'' nicht anders, als sie überall im Ausland, im neutralen wie im kriegführenden, war. Bei der Einschätzung ist übrigens überall da, wo der Nachweis erbracht wurde, dass die Jahre 1912 und 1913 ausnahmsweise ungünstige gewesen sind, durch Gewährung vermehrter Abschreibungen oder durch Anwendung des Nachlassartikels 37 ein Ausgleich herbeigeführt worden.

Alkoholverwaltung.

Auf dem Gebiet des Alkoholmonopols haben wir von unsern ausserordentlichen Vollmachten in den Beschlüssen vom 10. Februar

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1919, über die Einfuhr von gebrannten Wassern und Brennereirohstoffen, sowie über den Monopolverkauf (A. S. 1919, XXXV, 102 ff.) und vom 5. April 1919 betreffend den Monopolverkauf gebrannter Wasser (A. S. 1919, XXXV, 261/262) Gebrauch gemacht.

Im Beschluss vom 10. Februar 1919 waren wir bestrebt, die für die Spritabgabe der Monopolverwaltung in der Schweiz «ingeführte Kontingentierung, eine Folge der Kontingentierung der Einfuhr, in ihren drückendsten Bestimmungen zu mildern, indem wir die Trinkspritrationierung von 40 auf 50 °/o des frühern Normalbezugs der Besteller erhöhten, und die Bedienung neuer Kunden, d. h. solcher, die früher von der Alkoholverwaltung nichts bezogen hatten, gestatteten; daneben erfuhren auch die Industriespritbezüger, obwohl schon bisher über die Grenze des frühern Normalbezugs bedient, weitere Vergünstigungen. Der Anlass wurde benützt, da die Spritpreise im Privathandel unterdessen weiterhin steigende Richtung eingeschlagen hatten, um dieser Entwicklung im fiskalischen wie auch im volkswirtschaftlichen Interesse zu folgen; die Trinkspritpreise wurden um 50 % heraufgesetzt und im gleichen Verhältnis auch die Monopolgebühren erhöht. Auch für diese Massnahme bedurfte es der ausserordentlichen Vollmachten, weil die im Alkoholgesetz in Verbindung mit dem Absinthverbotgesetz und dem Bundesbeschluss vom 24. Dezember 1914 festgesetzten gesetzlichen Maxima (Fr. 245 für den Meterzentner) der Trinkspritpreise und Monopolgebühren längst überholt waren.

Im Beschluss vom 5. April 1919 haben wir, trotzdem damals die Einfuhrkontingente durch die S. S. S. noch nicht aufgehoben waren, die innere Kontingentierung in der Trinkspritabgabe abgeschafft. Der damals notwendigerweise gemachte Vorbehalt, gegebenenfalls auf die Rationierung wieder zurückzukommen, ist unterdessen zu unserer Genugtuung infolge der Aufhebung sämtlicher Einfuhrkontingente durch die Entente hinfallig geworden. Immerhin musste, da die bedingungslose Abschaffung aller bisherigen Abgabebeschränkungen zur Folge gehabt hätte, dass unsere teuren Sorten Trinksprit unverkäuflich geworden wären, eine neue Einschränkung insofern gemacht werden, dass die Besteller der billigern Sorten generell zur Abnahme auch der teureren Sorte verhalten wurden.

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F. Yolkswirtschaftsdepartement.

Handelsabteilung und schweizerische Zentralstelle für die auswärtigen Transporte.

Wirtschaftliches

Verhältnis zum Ausland.

I.

A. In unserm XI. Neutralitätsbericht haben wir uns eingehend über das Wirtschaftsabkommen mit Deutschland vom 22. Mai 1918 ausgesprochen, welches bekanntlich einerseits eine gewaltige Verteuerung der- deutschen Kohlenpreise und anderseits die Errichtung einer der S. S. S', nachgebildeten Überwachungsorganisation für die Verwendung von aus Deutschland eingeführten Waren (Schweizerische Treuhandstelle für Überwachung des Warenverkehrs) mit sich brachte. Wir hatten auch bereits Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass uns die deutsehe Gesandtschaft in Bern durch Note vom 17. November 1918 zur Kenntnis brachte, die deutsche Regierung verzichte mit Rücksicht auf die Einstellung der Feindseligkeiten auf die Beibehaltung dieser Treuhandstelle und gebe die Verwendung von aus Deutschland eingeführten Waren vollständig frei.

Auch in anderer Beziehung haben die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse das erwähnte Wirtschaftsabkommen mit Deutschland in hohem Masse beeinflusst. Dies trifft vor allem aus zu für die darin vorgesehenen deutschen Kohlenlieferungen, welche fast ausschliesslich aus dem Saargebiete einerseits und aus den Ruhrzechen anderseits erfolgt waren. Infolge der Besetzung des linksrheinischen Gebietes durch die Truppen der alliierten Regierungen war es Deutschland nicht mehr möglich, der Schweiz Saarkohle zu liefern. Aber auch die Lieferungen aus dem Ruhrgebiete gingen infolge von ausgedehnten Streikbewegungen und gewaltigen Transportschwierigkeiten rapid zurück und setzten nach kurzer Zeit fast vollständig aus. An Stelle der im Abkommen vorgesehenen monatlich 200,000 Tonnen hat uns Deutschland im November 1918 noch zirka 60,000 Tonnen, im Dezember 1918 noch rund 20,000 Tonnen geliefert, worauf die Zufuhren ausblieben. Da das Abkommen seinerzeit abgeschlossen wurde mit Gültigkeit bis zum 31. Januar 1919, so ist Deutschland mit seinen Kohlenlieferungen um rund 500,000 Tonnen im Ruckstand geblieben. Allerdings gelang es nach langwierigen Verhandlungen noch eine Nachlieferung von 30,000 Tonnen zu vereinbaren, die gegenwärtig noch im Gange ist.

170

Ähnlich lagen die Verhältnisse mit Bezug auf die Lieferungvon Eisen und Stahl, sowie von Kunstdünger. Mit Bezug auf den letztern kann erfreulicherweise festgestellt werden, dass Deutschland unter Überwindung ausserordentlicher Schwierigkeiten in den Monaten März und April die rückständigen Quantitäten fast vollständig nachgeliefert hat, welcher Umstand für unsere Landwirtschaft von sehr grosser Bedeutung ist.

Mit Rücksicht darauf, dass dergestalt Deutschland seinen im Abkommen vom 22. Mai 1918 übernommenen Verpflichtungen zum grossen Teile nicht mehr nachzukommen in der Lage warT glaubten wir auch unserseits nicht verantworten zu können, unsere Gegenleistungen in Form von Milchprodukten etc. aufrecht zu erhalten. Wir mussten deshalb darauf verzichten, rund 300 Wagen Milchprodukte zur Ablieferung zu bringen.

Das Abkommen vom 22. Mai 1918 ist am 31. Januar 1919 zu Ende gegangen und bis jetzt nicht erneuert worden. Schon zu Beginn des Jahres wurden allerdings deutscherseits Schritte unternommen, welche zu einer Verlängerung resp. Ersetzung des Abkommens durch eine neue ähnliche Vereinbarung führen sollten.

Neue Verhandlungen konnten indessen erst aufgenommen werden, als Deutschland in der Lage war, uns erhebliche Mengen an Kohle, Kunstdüngern und ändern Waren in Aussicht zu stellen.

Sie wurden in Bern geführt, und zwar durch zwei Vertreter der deutschen Gesandtschaft und je einen Vertreter des Volkswirtschaftsdepartements und des Ernährungsamtes. Nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten ist heute über die wichtigsten Punkte eine Einigung erzielt worden. Der Abschluss des Abkommens steht aber noch aus. Es ist vorgesehen eine auf die Dauer von sechs Monaten, aber jederzeit auf einen Monat kündbare Vereinbarung, wonach Deutschland der Schweiz monatlich 50--60,000 Tonnen Ruhrkohle, 250 Wagen Kalisalz und 125 Wagen Thomasmehl liefert, die Schweiz dagegen monatlich gewisse Gegenlieferungen in Form von Lebensmitteln macht.

Es wird uns erst anlässlich des nächsten Berichtes möglich sein, Ihnen über dieses Abkommen, falls es überhaupt zustande kommt, weitere Einzelheiten bekanntzugeben. Wir möchten nur noch beifügen, dass es unsern hartnäckigen Bestrebungen gelungen ist, die deutschen Durchfuhrverbote für den Transit schweizerischer Waren durch Deutschland nach Holland und den nordischen Staaten und umgekehrt sukzessive zu erleichtern und schliesslich vollständig zu beseitigen. Dieses Ergebnis bedeutet

171 für unsere notleidende Exportindustrie eine sehr wesentliche Erleichterung.

B. Entsprechend der geographischen, politischen und wirtschaftlichen Lage unseres Landes ist dieses für seine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung vor allem aus davon abhängig, dass es Lebensmittel, Roh- und Hülfsstoffe zu annehmbaren Bedingungen einführen und das Produkt seiner Arbeit im In- und Auslande zu angemessenen Preisen absetzen kann. Mit diesen beiden Hauptproblemen hatte sich die Kriegswirtschaft zu befassen; sie sind auch die Hauptsorge für die gegenwärtige Zeit der sogenannten Übergangswirtschaft. Dabei hat sich immer deutlicher gezeigt, dass insofern ein bedeutender Umschwung eingetreten ist, als während der eigentlichen Kriegszeit die Hauptschwierigkeit in der Beschaffung von Lebensmitteln und Rohstoffen bestand, der Absatz unserer Waren dagegen relativ leicht vor sich ging, während sich heute die Verhältnisse ziemlich umgekehrt präsentieren : Die grosse Sorge, die als schwerer Druck auf unserm ganzen wirtschaftlichen Leben lastet, besteht darin, dass der Absatz schweizerischer Fabrikate im In- und Ausland ganz ausserordentlich schwierig geworden ist. Im Inlande, weil eine allgemeine Kaufsunlust sich, geltend macht, da der Konsument auf eine bedeutende Herabsetzung der Preise hofft und möglichst lange noch von seinen Vorräten zehrt, im Ausland, weil dieses einerseits aus valutapolitischen und ändern Gründen jede unnütze Zahlung ans Ausland vermeiden möchte und anderseits mit allen Mitteln die eigene Industrie zu schützen sucht. Dazu kommt, dass diejenigen Länder, die bereit wären, schweizerische Waren abzunehmen, infolge des ausserordentlich hohen Standes der schweizerischen Valuta nicht in der Lage sind, die nötigen Geldmittel aufzubringen und auch nur zum kleinen Teil unsere Waren mit eigenen Warenlieferungen bezahlen können. Dergestalt haben sich denn unsere Hauptbestrebungen dahin gerichtet, einmal die von ändern Staaten unsern Waren gegenüber erlassenen Ein- und Durchfuhrverbote zu mildern oder zu beseitigen und auf der ändern Seite die Wirtschaftsbeziehungen namentlich mit den Ländern Osteuropas anzuknüpfen und zu festigen. Bis zu einem gewissen Grade ist uns dies, namentlich durch Absendung von Sammelzügen mit militärischer Bedeckung, auch gelungen. Die Bestrebungen der Amtsstellen und auch
der privaten Organisationen sind noch in vollem Gange; es wird nicht zu vermeiden sein, dass unsere Bankwelt zur Finanzierung dieses Exportes in hohem Masse herbeigezogen werden muss.

172

Neben diesen Schwierigkeiten, die sich den Interessen unserer Industrie auf internationalem Gebiete entgegenstellen, zeigt sich eine nicht zu unterschätzende Gefahr auch für deren Absatz im Inland, eine Gefahr, die mit der Überschwemmung unseres Marktes durch billige ausländische, namentlich deutsche Fabrikate zusammenhängt. Die Liquidierung von ausländischem Heeresmaterial, namentlich aber der umstand, dass die wichtigsten Rohmaterialien, wie Kohle und Eisen, von der deutschen Industrie bedeutend billiger bezogen werden können als von unsern einheimischen Warenherstellern, und vor allem aus der ausserordentlich tiefe Stand des deutschen Markkurses ermöglichen es dem deutschen Exporteur, Halb- und Fertigfabrikate in der Schweiz zu Preisen anzubieten, mit denen der schweizerische Warenhersteller schlechterdings nicht konkurrieren kann. Von allen Seiten sind uns deshalb aus den Kreisen von Industrie, Gewerbe und Handel Begehren zugekommen, die Einfuhr solcher deutscher Fabrikate zu verbieten oder doch zum mindesten unserer Industrie und unserm Gewerbe einen ausreichenden Zollschutz zu gewähren.

Wir haben zur Prüfung dieser ganz ausserordentlich wichtigen, schwierigen und weittragenden Materie, sowie der einzelnen Gesuche eine Expertenkommission aus den hervorragendstenVertretern unseres Wirtschaftslebens eingesetzt. Diese Kommission hat sich in einer Reihe von Sitzungen mit der grundsätzlichen Frage sowohl als mit den einzelnen Fällen eingehend beschäftigt» Sie ist jedoch zum Schlüsse gekommen, dass, wenigstens vorläufig, die Festsetzung von derartigen Einfuhrbeschränkungen nicht verantwortet werden könne. Es muss zwar unumwunden zugegeben werden, dass wichtige schweizerische Interessen auf das schwerste bedroht erscheinen und dass viele der eingereichten Gesuche an sich der Berechtigung nicht entbehren. Allein, anderseits. würde der Erlass von Einfuhrverboten für unser Land, das in hohem Masse auf den Export angewiesen ist und daher seinerseits gegen fremde Einfuhrverbote ankämpfen muss, eine ausserordentlich gefährliche Schwenkung unserer Wirtschaftspolitik bedeuten, ganz abgesehen davon, dass jede derartige Massnahme einer künstlichen Verteuerung wichtiger Bedarfsartikel im Mande gleichkommt und überdies im Zeitpunkte des Abbaues der kriegswirtschaftlichen Organisationen einen neuen und umfangreichen
Beamtenapparat erforderlich machen würde.

Wir haben dem Berichte der Expertenkommission bei gepflichtet, wobei allerdings für gewisse Branchen der definitiva Entscheid, je nach den sorgfältig verfolgten effektiven Einfuhren., noch vorbehalten bleibt.

173

C. Die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für schweizerische Waren war bekanntlich und ist zum Teil noch heute von zwei Faktoren abhängig, nämlich einmal von den schweizerischerseits eingegangenen internationalen Verpflichtungen (S. S. S. und S. T. S.) und anderseits von Erwägungen hinsichtlich der Inlandsversorgung. Nachdem im November 1918 die S. T. S. dahingefallen und damit vom internationalen Standpunkte aus die Ausfuhr von ursprünglich deutschen Waren auch nach den Ländern der Entente frei geworden war, machte sich das Bedürfnis geltend, gewisse einheitliche Grundsätze für die Handhabung der Ausfuhrverbote vom Standpunkte der Inlandsversorgung aus aufzustellen.

Dies ist um so notwendiger geworden, als sukzessive auch eine Reihe von Waren von den Erschwerungen des S. S. S.-Vertrages befreit worden sind. Wir haben diese Materie nebst zahlreichen ändern Fragen der Übergangswirtschaft mit einer grössern Expertenkommission eingehend erörtert. Die Beratungen führten dazu, eine zentrale Ausfuhr- und Austauschkommission einzusetzen, welche aus Vertretern des Volkswirtschaftsdepartements, des Ernährungsamtes und der S. S. S. zusammengesetzt ist und die zuhanden der die Ausfuhrbewilligungen erteilenden Sektionen in wöchentlichen Sitzungen die Richtlinien für die Handhabung der Ausfuhrverbote festlegt. Dieser Kommission werden auch alle wichtigern Warenaustauschprojekte zur Entscheidung unterbreitet. Dabei hat essich immer mehr als notwendig erwiesen, unserm schwer leidenden Export an Industrieprodukten möglichst wenig Fesseln anzulegen und namentlich die Ausfuhr solcher schweizerischer Waren nicht dadurch zu hindern, dass bestimmte Gegenleistungen verlangt werden.

' D. Wir haben in frühern Berichten darauf hingewiesen, dass sich der Bundesrat mehrfach genötigt sah, seine Zustimmung zu gewissen Kreditoperationen mit dem Auslande zu geben, welche in der Regel einzig geeignet waren, das Ausland zur Abnahme schweizerischer industrieller Produkte . zu veranlassen. Solche ·Kredite sind bekanntlich auch dem Deutschen Reiche gewährt, worden. Mit Rücksicht auf die finanziellen Bestimmungen des Waffenstillstandsvertrages zeigten sich nun hinsichtlich der Rückzahlung solcher Kredite und übrigens auch anderer schweizerischer Guthaben erhebliche Schwierigkeiten. Die Regierungen der Alliierten schlugen den neutralen
Ländern eine Besprechung dieses gesamten Fragenkomplexes in Paris vor. Nach Rücksprache mit den interessierten Kreisen des Bankgewerbes und der Industrie haben wir eine Delegation von Finanzleuten nach

174 Paris gesandt, um dort die schweizerischen Interessen zu vertreten. Die Besprechungen sind noch nicht zu einem Abschlüsse gelangt.

II.

Das W i r t s c h a f t s a b k o m m e n mit den Vereinigten S t a a t e n von A m e r i k a , das am 30. September 1916 ablief, wurde, wie wir in unserm letzten Berichte ausführten, zunächst provisorisch verlängert. Die Verhandlungen über ein neues Abkommen fanden in Washington statt. Sie wurden schweizerischerseits durch Herrn Minister Sulzer gefuhrt und kamen am 22. Januar 1919 zum Abschluss. Der neuen Vereinbarung traten auch die Regierungen Frankreichs und Grossbritanniens bei. FUr die definitive Regelung einzelner Fragen, die speziell unser Verhältnis zu Frankreich berühren, und über welche in das Washingtoner Abkommen lediglich grundsätzliche Bestimmungen aufgenommen wurden, waren weitere Verhandlungen vorbehalten, die in Paris stattfinden sollten. Es betrifft dies die Verpflichtung der Schweiz, die Ausfuhr einer gewissen Menge Zuchtvieh nach Frankreich zu gestatten und der französischen Regierung auf deren Begehren monatliche Kredite unter noch zu vereinbarenden Bedingungen einzuräumen. Über die Ausführung dieser vorläufigen Abmachungen werden wir bei der Besprechung des neuen Abkommens mit Frankreich berichten.

Das Abkommen mit Amerika setzt zunächst die vom 1. Januar 1919 an gültigen Warenkontingente fest, für welche das amerikanische Kriegshandelsamt (War Trade Board) Ausfuhrbewilligungen erteilen wird. Die Kontingente sind wesentlich höher als diejenigen des früheren Abkommens. Sie betragen für die Periode vom li Januar bis 30. September 1919: Brotgetreide 300,000 t, wovon Weizen 220,853 t, Roggen 34,333 t und Gerste 44,814 t, ferner Hafer 112,000 t, Mais 137,000 t, Zucker 96,000 t, Speisefette 8000 t. Eine weitere Erhöhung der Kontingente soll in Erwägung gezogen werden, sobald die Transportverhältnisse es gestalten. Für andere, dem schweizerischen Konsum dienende Waren werden Ausfuhrbewilligungen im Rahmen des Möglichen erteilt. Die Schweiz verpflichtet sich ihrerseits, unter Vorbehalt der Deckung ihres eigenen Bedarfes, den Export ihrer Prddukte nach Amerike, Frankreich und England zu gestatten und zu erleichtern.

Um die Zufuhren sicherzustellen, garantieren das War Trade Board und die Regierungen Grossbritanniens und Frankreichs der Schweiz ein Tonnagekontingent für den Transport von monatlich 70,000 Waren, unter der Voraussetzung, dass die Waren nach

175 den von den zuständigen interalliierten Behörden bezeichneten, oder von ihnen genehmigten Häfen verschifft werden. In die Lieferung der Tonnage teilen sich die britische Regierung und das amerikanische Shipping Board. Die Schweiz verpflichtet sich, den ihr zur Verfügung gestellten Schiffsraum zu den im Abkommen festgesetzten Frachtraten zu übernehmen, und ohne Zustimmung der britischen Regierung und des amerikanischen Shipping Board keine Schiffe zu chartern, oder zu kaufen. Das Tonnagekontingent soll auf monatlich 100,000 t erhöht werden, sobald der Abtransport eines solchen Warenquantums ab den europäischen Seehäfen gesichert erscheint.

Für Teilfrachtsendungen wird der Schweiz ein Kontingent von monatlich 51)00 t auf französischen, amerikanischen und englischen Liniendampfern eingeräumt. Auf einem und demselben Dampfer dürfen jedoch nicht mehr als 1000 t monatlich verladen werden.

Es steht uusern Gegenkontrahenten frei, das Teilfrachtkontingent auf das Gesamtkontingent anzurechnen.

Das Abkommen ist gültig bis Ende September 1919. Es kann indessen von beiden Teilen vermittelst einmonatlicher Voranzeige gekündigt werden, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Tonnagegarantie, die auf jeden Fall bis Ende September in Kraft bleiben.

Die V e r h a n d l u n g e n in P a r i s wurden anfangs Februar aufgenommen. Als Unterhändler wurden bezeichnet die Herren Minister Dunant, Henri Heer, Delegierter des Volkswirtschaftsdepartements für Handels- und Industriefragen, und Nationalrat Grobet-Roussy, Generaldirektor der S. S. S. Das Diskussionsprogramm unsrer Delegation war sehr reichhaltig. Es erstreckte sich sowohl auf Fragen, die speziell unsre wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich betreffen, als auch auf solche, die mit allen Ententeregierungen gemeinsam zu behandeln waren.

Das A b k o m m e n mit F r a n k r e i c h vom 29. Dezember 1917 lief am 3. Oktober 1918 ab. Es wurde dann provisorisch für zwei Monate verlängert und trat mit dem 1. Januar 1919 ausser Kraft.

Im Interesse von Handel und Industrie beider Länder erschien es wünschbar, eine neue Uebereinkunft sobald als möglich abzuschliessen. Dabei musste auch eine Lösung der neuen wirtschaftlichen Probleme angestrebt werden, die sich infolge der seit dem Abschluss des Waffenstillstandes eingetretenen, politischen und wirtschaftlichen
Veränderungen ergeben hatten. Es betrifft dies namentlich die Frage unsrer Bezüge von Kohle, Eisen, landwirtschaftlichen Hülfsstoffen und andren Waren aus Elsass-Lothringen.

Am 25. März, nach achtwöchentlichen Verhandlungen, welche an die Ausdauer unsrer Unterhändler grosse Anforderungen stellten, Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

12

176

konnte das neue Abkommen unterzeichnet werden. Es zerfällt in fünf Kapitel. Das erste Kapitel handelt von den Warenlieferungen an die Schweiz, das zweite von den Lieferungen der Schweiz an Frankreich, das dritte von den Transportfragen, das vierte von den französischen Einfuhrkontingenten und das fünfte von den finanziellen Transaktionen.

Die französische Regierung verpflichtet sich, der Schweiz monatlich 60,000 t Kohlen aus den auf lothringischem Gebiet gelegenen Minen des Saarbeckens zu liefern. Der Durchschnittspreis, der zunächst für eine erste, vom 1. Januar 1919 an zu berechnende Periode von sechs Monaten festgesetzt wurde, beträgt 120 Schweizerfranken pro Tonne, franko Sclmeizergrenze. Frank' reich behält sich indessen vor, diesen Preis einer Revision zu unterziehen, falls der Preis für die Kohlen, welche Frankreich einführen muss, um die der Schweiz gelieferten Mengen zu ersetzen, eine gewisse Grenze übersteigen würde. Die für den Transport der Kohlen erforderlichen Lokomotiven und Eisenbahnwagen müssen durch die Schweiz gestellt werden.

Hinsichtlich der Versorgung mit Eisen und Stahl sind keine bestimmten Kontingente festgesetzt. Das Abkommen stipuliert allgemein die Verpflichtung der französischen Regierung, die Versorgung der Schweiz mit Eisen und Stahl im Rahmen des Möglichen sicherzustellen und zu diesem Zwecke Ausfuhrbewilligungen für die von der Schweiz in Elsass-Lothringen gekauften Quantitäten zu erteilen.

Ferner wird uns Frankreich, unter Vorbehalt der Deckung des eigenen Bedarfes, gewisse Mengen Kalisalz, Thomasschlacke, Algierphosphat und Benzin liefern. Die Ausfuhr der für die schweizerische Landwirtschaft erforderlichen Sämereien französischer Herkunft soll, wie bisher, nach Möglichkeit gestattet werden.

Unsere Gegenleistungen besteben, soweit Warenlieferungen in Frage kommen, in der Ausfuhr von 25,000 Stück Zuchtvieh, wovon 5000 Stück sofort, der Rest im Laufe des Jahres 1919 zu liefern ist.

Im Hinblick auf die in der Schweiz herrschende Fleischknappheit und die hohen Fleischpreise fiel es uns ausaerordentlich schwer, die Ausfuhr von Zuchtvieh zu bewilligen. Wir mussten aber, wenn wir zu einem Abkommen gelangen wollten, diese Konzession machen, da die französische Regierung, welche das Vieh den durch den Krieg verwüsteten Gebieten zur Verfügung stellen wird, die Lieferung
desselben als eine conditio sine qua non für den Absehluss des' Wirtschaftsabkommens betrachtete.

Um den Abtransport der in den französichen Seehäfen anankommenden, für die Schweiz bestimmten Waren sicherzustellen,

177

wird der Schweiz das Recht eingeräumt, zur Abholung dieser Waren täglich drei Leerzüge nach Cette, und zwei Züge entweder nach Cette, Marseille oder Nizza abzusenden. Dazu kommen je zwei Züge wöchentlich nach Bordeaux und Marseille. Die französische Regierung wird der Schweiz neben dem Hafen von Cette soweit wie möglich auch denjenigen von Marseille zur Verfügung stellen, speziell für den Import von Waren, für welche in Cette keine genügenden Ausladevorrichtungen vorhanden sind.

Die bisherigen franösischen Einfuhrkontingente bleiben unverändert, mit Ausnahme des Kontingentes für die fertigen Uhren, welches von Fr. 350,000 auf Fr. 500,000 pro Monat erhöht wurde.

Ferner hat Frankreich einige kleine Kontingente für Artikel von geringerer Bedeutung neu bewilligt. Das gesamte Monatskontingent beträgt nun Fr. 2,694,000 gegenüber dem bisherigen Kontingent von Fr. 2,500,000; Wir lassen das Kapitel über die Einfuhrkontingente im Wortlaut folgen: 1. Während der Dauer des gegenwärtigen Abkommens verpflichtet sich die französische Regierung, Bewilligungen zur Einfuhr in Frankreich zu erteilen für : a. gewisse, die schweizerische Industrie besonders interessierende Waren im ungefähren Wert von 2,694,000 Schweizerfranken monatlich; b. monatlich 850 Meterzentner schweizerische Schokoladen, wovon 600 q gewöhnliche Schokoladen zu den vom französischen Ministère du Ravitaillement festgesetzten Bedingungen, und 250 q feine und Milchschokoladen. Die feinen und Milchschokoladen können in Tafeln von 125 g und weniger zu einem Fr. 6. 50 per kg nicht übersteigenden Preise verkauft werden.

2. Die Verteilung des im Abschnitt a des Art. l vorgesehenen Kontingents unter die in Betracht fallenden schweizerischen Industrien erfolgt gemäss der dem Abkommen beigegebenen Aufstellung und unter den allgemeinen Bedingungen, die durch den im französischen ,,Journal officiel'1 vom 8. Dezember 1917 veröffentlichten Avis des Handelsministeriums festgesetzt wurden.

Ein einzelner Importeur kann, abgesehen von durch die französische Regierung bewilligten Ausnahmen, in einem Monat nicht mehr als einen Zwanzigstel des Wertes oder der Menge des jeder Industrie zugeteilten Monatskontingents erhalten. Diese Klausel bezieht sich jedoch nur auf die Kontingente für Uhren, Stickereien, Schuhe und Seidenwaren.

178 Der durch dieses Abkommen bestimmte Verteilungsmodus kann auf Wunsch einer der vertragschliessenden Regierungen von letztern gemeinsam einer Revision unterzogen werden.

Aufstellung über die monatliehen Kontingente für die Einfuhr schweizerischer Waren in Prankreich.

Schweizerfranken Uhren, kleinen Umfangs; Uhrwerke, rohe, ohne Steine ; Uhrenschalen, rohe, aus Silber oder unedlen Materialien; Uhrenfournitüren 300,000 Alle ändern Uhrenwaren, Inbegriffen Armbanduhren, mit oder ohne Leder oder Kette, unter Ausschluss der goldenen Uhrenschalen (rohe oder fertige ') . 500,000 2) Bijouterie aus Silber mit oder ohne Kontrollstempel 75,000 ,, falsche 10,000 Stickereien : a. auf Baumwollgeweben 2 ), einschliesslich Konfektion (Kragen und Taschentücher Inbegriffen) 525,000 b. andere 100,000 Schuhe 425,000 Seidenwaren, einschliesslich solcher aus Kunstseide und Konfektion 300,000 3 Hutgeflechte, einschliesslich solcher aus Kunstseide ) 200,000 Zwirn aus Seide und Florettseide zum Sticken, Lustrieren. Nähen usw 100,000 ') Die Kontingente der fertigen Uhren einerseits und der Uhrwerke, Schalen und Kouruitüren anderseits sind voneinander unabhängig. Eine Übertragung des Überschusses einer Kategorie auf das Kontingent der ändern, deren Ausfuhr dea vorgesehenen Monatsbetrag nicht erreicht hat, kann nicht stattfinden.

2 ) Wovon höchstens Fr. 100,000 für Gold- und Platinuhren.

3 ) Die französische Regierung gestattet die Einfuhr fertiger Waren (Konfektion) aus Seide, aus Stickereien auf Baumwollstoffen und aus baumwollenen Geweben jeder Art auf Rechnung der entsprechenden Kontingente obiger Aufstellung.

Es besteht Einverständnis darüber, dass sich diese Bestimmung auf Unterkleider aus Gesundheitskrepp erstreckt und dass die Rubrik ,,Baumwollgewebe jeder Art" auch Wolle enthaltende Baumwollgewebe, in welchem die Baumwolle dem Gewichte nach vorherrscht (433, § 2, des französischen Zolltarifs), einschliesst.

179

Gewebe*) : Schwelzerfranken a. jeder Art, aus Baumwolle, einschliesslich l Konfektion l 65,000 b. bedruckte Gewebe für Algerien . . . . ) Feilen für Uhrmacherei und Präzisionsarbeit (ex 537) 25,000 Reisszeuge und Kompasse (ex 634ler) . . . . l ,. * Q^ Geodätische Instrumente jeder Art (ex 635) . . l ' Fassungen aus Kupfer oder Messing für elektrische Glühlampen (ex 524bi8 und ex 536) . . . .

10,000 Baumwolle, kardiert in Lagen, gebleicht; hydrophile oder pharmazeutische Baumwolle, auch imprägniert (ex 141) 5,000 Käsetücher 5,000 Tapezierernägel ' 2,000 Holzwaren, geschnitzt oder nicht (sogenannte Interlakener Artikel), einschliesslich künstliche Glieder 5,000 Spielwaren .

5,000 Schuhleisten 2,000 Zelluloidwaren 5,000 Porzellanwaren 5,000 Strohbüte 5,000 Elastische Gewebe 5,000 Anmerkung.

Überschüsse oder Defizite bei der Einfuhr der in der vorstehenden Aufstellung festgesetzten Kontingente werden auf die folgenden Monate übertragen. Immerhin muss sowohl hinsichtlich der Einfuhr aus der Schweiz in Frankreich wie auch der Einfuhr aus Frankreich in die Schweiz die Situation der Kredite am Schlüsse des zweiten Monats nach Beendigung dieses Abkommens endgültig bereinigt sein.

Die finanziellen Bestimmungen des Abkommens sind im wesentlichen die folgenden: 1. Der Kredit von 37 ^2 Millionen Franken, der auf Grund des Abkommens vom 29. September 1917 gewährt wurde und in den nächsten Monaten zur Rückzahlung fällig wird, soll prolongiert werden, falls die französische Regierung es wünscht.

2. Die schweizerische Regierung verpflichtet sich, eine schweizerische Finanzgruppe zum Ankauf von im Besitze der französi*) Ala Vorschuss auf die folgenden Monate können während jedem der ersten zwei Monate des Jahres bis zu Fr. 300,000 (statt Fr. 200,000) Hutgeflechte eingeführt werden.

180 sehen Regierung befindlichen schweizerischen Werttiteln im Nennwerte von rund 157 Millionen Franken zu ermächtigen. Es handelt sich um Obligationen des Bundes, der Bundesbahnen und der Kantone. Die Bedingungen der Übernahme sollen durch eine besondere Vereinbarung zwischen der betreffenden schweizerischen Finanzgruppe und dem französischen Finanzministerium festgesetzt werden.

3. Die Schweiz erklärt sich damit einverstanden, dass die französische Regierung, wenn, sie es wünscht, sich von der Schweizerischen Finanzgesellschaft A.-G. in Luzern einen neuen Kredit einräumen lässt, der im Maximum den Betrag von Fr. 32,328,000, d. h. den Gegenwert der französischen Einfuhrkontingente, erreichen kann und nur benutzt werden soll, falls Frankreich über keine ändern Guthaben in Schweizerfranken zur Deckung seiner Verbindlichkeiten in der Schweiz verfügt. Die Modalitäten dieses eventuellen Kredites wären zwischen einer französischen Bankgruppe und der Schweizerischen Finanzgesellschaft A.-G. zu vereinbaren.

Das Abkommen ist gültig bis Ende Dezember 1919; die Kontingente werden rückwirkend vom 1. Januar 1919 an berechnet.

Die beiden Abkommen dürften, so hoffen wir weoigstens, die letzten sein, die unter dem Regime der S. S. S abgeschlossen werden mussten. Wenn sie auch nicht in allen Teilen unsern Wünschen und Bedürfnissen entsprechen, so halten wir doch dafür, dass sie unter den gegebenen Verhältnissen als annehmbare Regelung betrachtet werden können und dazu beitragen werden, unserer Volkswirtschaft über die kritische Periode des Übergangs von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft hinweg zu helfen.

Das Kreditabkommen mit E n g l a n d vom 20. März 1918 lief Ende Januar 1919 ab. Von einer Erneuerung wurde mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse und im Hinblick auf die Tatsache, dass die finanziellen Mittel der Schweiz durch die frühern Kreditabkommen, welche sie abzuschliessen genötigt war, bereits bis zum Aeussersten in Anspruch genommen sind, Umgang genommen. Unsere Bemühungen, trotzdem eine Milderung der englischen Einfuhrverbote zugunsten der schweizerischen Exportindustrie zu erwirken, hatten dank dem freundschaftlichen Entgegenkommen der britischen Regierung Erfolg. Die Einfuhr schweizerischer Stickereien und Seiden waren, die seit September letzten Jahres gänzlich verboten war, konnte vom
1. März 1919 an in beschränktem Umfange wieder aufgenommen werden. Die neuen Einfuhrkontingente betragen 50 °/o der Einfuhr des Jahres 1916.

In Berücksichtigung der seit dem Jahre 1916 eingetretenen Erhöhung der Warenpreise wurde die Berechnung des Kontingents

181 in der Weise vorgenommen, dass man einen Zuschlag von 40 °/o für die Wertsteigerung in Anschlag brachte. Das jetzige Kontingent beträgt also dem Wert nach 70 °/o desjenigen von 1916, was, nach dem Gewicht berechnet, ungefähr die vorerwähnten 50 °/o ausmacht. Die Festsetzung des Kontingents musste auf Grund des Wertes erfolgen, weil eine auf dem Gewicht basierende Kontingentierung aus technischen Gründen nicht durchführbar ist.

Durch die Einräumung dieses Kontingents wurde der Zustand wieder hergestellt, der im Jahre 1917 und bis zum September 1918 bestanden hatte.

Im November 1918, kurz nach Abschluss des Waffenstillstandes, traten wir mit den alliierten Regierungen in Unterhandlung, um eine Ä n d e r u n g der S.S. S . - B e s t i m m u n g e n , s p e z i e l l des A r t . 10 c d e r A u s f ü h r u n g s v o r s c h r i f t e n , im Sinne einer Erleichterung der Ausfuhr nach den Zentraisiaaten und im Transit durch diese nach den neutralen Ländern zu erwirken. Es erschien gegeben, nach der Einstellung der Feindseligkeiten die Aufhebung mindestens derjenigen Ausfuhrbeschränkungen zu verlangen, die nicht schon in den ursprünglichen S. S. S.-Bestimmungen enthalten, sondern erst nachträglich, in den Jahren 1916--1918, uns auferlegt worden waren mit der Begründung, dass die in Frage kommenden Artikel militärischen Zwecken dienen können. Da die Alliierten unsern Vorschlägen keine Folge gaben, vertraten wir sie neuerdings und mit allem Nachdruck bei Anlass der Wirtschaftsverhandlungen in Paris. Trotz der unablässigen Bemühungen unserer Unterhändler war es nicht möglich, ein positives Resultat zu erzielen. Man wendete in Paris unsern Begehren gegenüber zuerst ein, dass die Revision des Art. 10 c durch die in naher Aussicht stehende Aufhebung der Blockade ohnehin in kurzer Zeit gegenstandslos würde und es daher nicht nötig und tunlich sei, im Schosse der alliierten Regierungen darüber zu beraten. Mit diesem Beshceid konnten wir uns bei der Unsicherheit der Verhältnisse und der kritischen Lage unsrer Exportindustrien, namentlich der Stickerei- und Seidenindustrie, welche infolge der Absatzschwierigkeiten weitgehende Betriebsreduktionen vornehmen mussten, selbstverständlich nicht abfinden. Wir bestanden darauf, dass unsere Postulate durch die zuständigen interalliierten Instanzen geprüft und erledigt
würden.

Die Angelegenheit wurde daraufhin dem Comité supérieur du Blocus unterbreitet, von diesem jedoch nicht entschieden, sondern der interalliierten Kontingentskommission zum Bericht und Antrag überwiesen. Die Kontingentskommission stimmte unsern Vorschlägen nach den uns aus Paris zugekommenen Mitteilungen in den wesentlichen Punkten zu und unterbreitete ihre Anträge dem Comité supérieur du Blocus, das sich am 30. April, zum zweiten

182 Mal mit der Frage befasste. Entgegen unsern bestimmten Erwartungen ist der Entscheid jedoch abermals hinausgeschoben worden, indem noch die interalliierte Finanzkommission eingeladen wurde, sich zur Sache zu äussern.

Wir haben in Paris von neuem dringende Schritte getan und hoffen, endlich zu einer Verständigung zu gelangen, durch welche dem gegenwärtigen Zustand ein Ende gemacht wird. Es wäre dies um so notwendiger, als die schweizerische Indstrie sich mit Recht darüber beklagt, dass die alliierten Länder ihrerseits Fertigfabrikate nach Deutschland liefern, deren Ausfuhr der Schweiz gemäss den S.S.S.-Bestimmungen nicht gestattet ist.

Die Erleichterung des T r a n s i t e s n a c h den N o r d s t a a t e c , sowohl via Deutschland als via Entente, bildete ebenfalls Gegenstand der Pariser Verhandlungen. Seit einigen Monaten erfolgt der Esport von S.S.S.-Waren nach den Nordstaaten im T r a n s i t d u r c h D e u t s c h l a n d auf Grund einer besondern Vereinbarung mit den Alliierten, unter Verwendung plombierter Wagen, die in geschlossenen Zügen nach Skandinavien und Holland geführt werden.

Auf diese Weise wurde es möglich, einen grossen Teil der von den Nordstaaten gekauften Exportgüter, die viele Monate in der Schweiz liegen geblieben waren, endlich an ihren Bestimmungsort zu bringen und unsre Industrie in die Lage zu versetzen, ihre Arbeiter wenigstens zum Teil weiter zu beschäftigen. Bis vor kurzem machte die Entente die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für solche Sendungen von der Erfüllung komplzierter Formalitäten abhängig, da sowohl die Ausfuhr aus der Schweiz als auch die Einfuhr in den nordischen Bestimmungsländern und die Verwendung der Waren für den dortigen Konsum einer genauen Kontrolle unterzogen wurden. Im Anschluss an die in Paris gepflogenen Besprechungen kam kürzlich eine neue Vereinbarung zustande, durch welche das Verfahren wesentlich vereinfacht wird.

Auch inbezug auf den Export via E n t e n t e sind Erleichterungen eingetreten, namentlich durch die Eröffnung der linksrheinischen Route, die dem schweizerischen Verkehr seit dem Monat März dieses Jahres wieder zur Verfügung steht.

In ähnlicher Weise wie die Ausfuhr nach den Nordstaaten im Transit durch Deutschland ist seit einigen Wochen der Export nach Ost- und Südosteuropa organisiert worden.. Die Alliierten
hatten sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt unter der Bedingung, dass Garantie für die ausschliessliche Verwendung der Waren im Bestimmungslande geleistet wird und die Züge, sofern sie blockiertes Gebiet berühren, unter militärischer Bedeckung fahi-en. Angesichts der in Österreich herrschenden Kohlennot, durch welche der dortige Eisenbahnverkehr auf ein

183 Minimum reduziert wird, müssen der österreichischen Bahnverwaltung die für den Transport der schweizerischen Züge erforderlichen Kohlen ersetzt werden. Ein erster Versuch mit einem Warenzug nach Belgrad fiel günstig aus. Züge nach Tschechoslowakien, Jugoslawien, Polen, Rumänien und Bulgarien sind itn Zeitpunkt der Berichterstattung in Vorbereitung. Es ist zu hoffen, dass diese Transporte trotz aller Schwierigkeiten und Komplikationen sich in dem vorgesehenen Umfange durchführen lassen und unsrer Exportindustrie die Möglichkeit eröffnen werden, ihre Produkte auch auf den sehr aufnahmefähigen Märkten der Balkanländer abzusetzen.

Mit dem Fortschreiten der Präliminarfriedensverhandlungen setzte der allseitig ersehnte A b b a u d e r B l o k a d e v o r s c h r i f e n und eine Milderung der durch den Wirtschaftskrieg erzeugten sonstigen Verkehrsbeschränkungen ein. Den Anfang machten die Alliierten im Februar dieses Jahres mit der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Bulgarien und der Türkei. Im April folgte die Aufhebung der Blockade gegenüber Deutchösterreich. Zurzeit unterliegen der Blockade einzig noch Deutschland, Ungarn und das bolschewistische Russland. Die Blockade gegenüber Deutschland erfuhr indessen anfangs Mai insofern eine Milderung, als die ·Alliierten sich damit einverstanden erklärten, dass Lebensmittel aus der Schweiz nach Deutschland innerhalb der für letzteres festgesetzten Kontingente ohne vorhergehende Zustimmung der Organe der Entente geliefert werden.

Die s c h w a r z e n L i s t e n , deren Abschaffung wir in den Pariser Verhandlungen, wenn auch zunächst ohne Erfolg, angestrebt hatten, wurden am 28. April dieses Jahres aufgehoben. Gleichzeitig verzichtete Frankreich auf die N a t i o n a l i t ä t s z e u g n i s s e , die bisher von den schweizerischen Importeuren und Exporteuren, welche Waren aus oder über Frankreich bezogen bzw. nach oder durch Frankreich ausführten, bei den französischen Grenzzollämtern hatten hinterlegt werden müssen.

Als ein weiterer Schritt auf dem Wege des Abbaues der Verkehrsbeschränkungen ist die am 25. April erfolgte A u f h e b u n g d e r S . S . S . - E i n f u h r k o n t i n g e n t e z u verzeichnen.

Ferner sind eine Reihe von Artikeln, hauptsächlich Fertigfabrikate, in den letzten Monaten von der S. S. S.-Liste gestrichen worden.
In Bezug auf unsere ü b e r s e e i s c h e n T r a n s p o r t e , welche im vergangenen Jahre infolge der Frachtraumnot enormen Schwierigkeiten begegneten, haben sich die Verhältnisse in der letzten Berichtsperiode bedeutend gebessert. Sofort nach dem Abschluss des Waffenstillstandes trat eine Entspannung auf dem Frachtenmarkte ein. Das Angebot an Tonnage vergrösserte sich

184

und die Frachtraten sanken binnen wenigen Wochen um 50 und mehr Prozent. Während wir vor dem Abschluss des Waffenstillstandes ausschliesslich auf die uns von der amerikanischen Regierung zur Verfügung gestellten Getveidedampfer und auf neutrale Tonnage angewiesen waren, soweit solche überhaupt erhältlich gemacht werden konnte, war es bereits im November möglich, auch englische Tonnage in einem gewissen Umfange zu erhalten. Durch das Washingtoner Abkommen vom 22. Januar 1919 ist die Deckung unseres Frachtraumbedarfes bis Ende September 1919 sichergestellt worden.

Seit einigen Wochen hat die Nachfrage nach Frachtraum wieder fühlbar zugenommen und die Preise zeigen steigende Tendenz. Es hängt dies in erster Linie mit der Aufhebung der Blockade gegenüber Deutschösterreich, Bulgarien und der Türkei, sowie mit der Wiederaufnahme der überseeischen Zufuhren für die Verproviantierung Deutschlands zusammen.

Neben der Tonnage, die uns durch England und Amerika garantiert wird, stehen der Schweiz die seinerzeit durch das Office d'importation de la Chambre syndicale des fabricants suisses de chocolat gecharterten Schiffe zur Verfügung. Die Alliierten haben sich im obenerwähnten Abkommen allerdings das Recht vorbehalten, die vor dem Abschluss des Abkommens durch die Schweiz gecharterte Tonnage, welche erst nach dem 1. Januar 1919 benützt wird, vom garantierten Kontingent von monatlich 70,000 bzw. 100,000 t in Abzug zu bringen.

Wie wir in unserm letzten Bericht mitteilten, wurde für die Übernahme und den Betrieb dieser Schiffe die Bildung einer besondern Genossenschaft in Aussicht genommen. Sie ist Ende Dezember 1918 unter der Firma ^Schweizerische Seetransportunion" (Union Suisse de transport maritime) definitiv konstituiert worden, nachdem vorher langwierige Verhandlungen mit den Reedern, der Firma van Hemelryck & Cie. in Paris, stattgefunden hatten, die zu einer gründlichen, den veränderten Verhaltnissen auf dem Frachtenmarkte entsprechenden Revision der ursprünglichen Charterungsbedingungen führten. Die Statuten der Genossenschaft wurden vom Bundesrat genehmigt, der auch über Statutenänderungen entscheidet. Der Bund ist an diesem Unternehmen, das seinen Sitz in Bern hat, mit der Hälfte des auf 60 Millionen Franken festgesetzten Genossenschaftskapitals beteiligt; die ändern 30 Millionen wurden von
S. S. S.-Syndikaten übernommen. Der Verwaltungsrat besteht aus sieben Mitgliedern und vier Ersatzmännern. Vier Mitglieder und zwei Ersatzmänner werden vom Bundesrat bezeichnet.

Die Erzielung von Gewinn liegt nicht in der Aufgabe der Genossenschaft; sie hat vielmehr ausschliesslich den Zweck, den

185 schweizerischen Importeuren und den eidgenössischen Monopolverwaltungen einen Teil des für ihren Import erforderlichen Schiffsraumes während der nächsten zwei Jahre zu möglichst günstigen Bedingungen zu sichern. Betriebsüberschüsse werden zu einer angemessenen Verzinsung des Genossenschaftskapitals und zur Herabsetzung der Frachtraten verwendet.

Die nach dem endgültigen Chartervertrag von der Genossenschaft zu übernehmenden zirka 20 Schiffe haben einen Gesamtraumgehalt von rund 80,000 t brutto Tragfähigkeit, während die ursprünglichen Verträge sich auf 105,000 t erstreckt hatten. Im Hinblick auf diese Herabsetzung der Tonnage, namentlich aber infolge der durch die Verhandlungen mit der Reederfirma erzielten weitgehenden Konzessionen, die sich sowohl auf die Frachtraten als auch auf andere wichtige Punkte des Vertrages beziehen, war ·es möglich, das Genossenschaftskapital, das anfänglich 100 Millionen Franken betragen sollte, auf 60 .Millionen zu reduzieren.

Die von der Seetransportunion übernommenen Verträge bilden -eine Kombination von Reisecharter und Zeitcharter: die Schiffe werden gemietet für eine erste Reise und daran anschliessend für eine feste Dauer von zwei Jahren. Mindestens fünf Sechstel des gesamten Schiffsraumes sind 'in erstklassigen Stahldampfern zu stellen, während der Rest aus Holzschiffen bestehen kann. Bis zum 15. Februar 1920 sind die Frachtsätze zum voraus bestimmt; vom genannten Zeitpunkt au richten sie sich nach den Londoner Tagesnotierungen. Die Kosten des Betriebes gehen während der Dauer der Zeitcharter in der Hauptsache zu Lasten des Reeders, ·welchem insbesondere die Versorgung der Schiffe mit Kohlen, Öl und Süsswasser wie auch die Cascoversicherung obliegt. Anderseits ist der Reeder berechtigt, über den Frachtraum bei der Rückfahrt der Schiffe zu verfügen.

Bis jetzt hat die Genossenschaft ihren Geschäftsbetrieb noch nicht in vollem Umfange aufnehmen können, da die Ablieferung der gecharterten Schiffe, von welchen einzelne erst kürzlich fertiggestellt wurden, sich verzögerte.

Die L a n d t r a n s p o r t e waren, speziell was unsere Importe über Cette und Marseille anbetrifft, mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Infolge der Besserung der Frachtraumverhältnisse setzte eine erfreuliche Vermehrung der Zufuhren ein, mit welcher jedoch der Abtransport leider
nicht Schritt hielt, so dass namentlich in Cette eine ausserordentliehc Güterstauung eintrat, die zurzeit noch nicht völlig behoben ist. Die in Frankreich herrsehenden schwierigen Transportverhältnisse führten zu zahlreichen Verkehrsbeschränkungen und verunmöglichten die Ausführung der im Abkommen mit Frankreich enthaltenen Bestimmung, wonach die

186 Schweiz berechtigt ist, zur Abholung ihrer Waren täglich drei Züge nach Cette und zwei Züge entweder nach Cette oder Marseille zu senden. Die Überlastung des Hafens von Cette hatte zur Folge, dass ein Teil der ankommenden Schiffe nicht rechtzeitig entladen werden konnten und bedeutende Summen an Überliegegeldern bezahlt werden mussten, abgesehen von der durch die Verzögerung bedingten mangelhaften Ausnützung des Schiffsraumes, die bei der immer noch herrschenden Knappheit der Tonnage vermieden werden sollte.

Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass der Hafen von Cette dem gesteigerten Verkehr nicht genügt und dass überdies seit dem Aufhören des Unterseebootkrieges kein Grund mehr vorhanden ist, den gesamten Import der Schweiz auf einen einzigen Hafen zu konzentrieren, bemühten wir uns, einen Teil unserer Zufuhren wieder über andere Häfen zu leiten. In erster Linie kam hierfür Genua in Betracht. Die italienische Regierung, mit der wir ung ins Einvernehmen setzten, erklärte sich bereit, die nötigen Massnahmen zu treffen, um einen raschen Abtransport unserer Waren sicherzustellen. Die Transporte über Genua wurden im Februar in grösserm Umfange aufgenommen und wickelten sich in sehr befriedigender Weise ab.

Seit einigen Wochen steht auch die Rheinroute dem schweizerischen Verkehr wieder offen, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, die Häfen von Antwerpen und Rotterdam ebenfalls für unsere Transporte zu benützen. Die zu diesem Zwecke erforderlichen Vorbereitungen sind getroffen. Ein Getreidedampfer ist gegen Ende April bereits in Antwerpen angekommen. Über Rotterdam dürften in nächster Zeit ebenfalls Getreide, sowie englische und amerikanische Kohlen eingeführt werden.

Abteilung für Industrie und Gewerbe.

a. Für die aus dem Vollzuge unseres Beschlusses vom S.August 1918 betreffend die F ü r s o r g e bei A r b e i t s l o s i g keit in i n d u s t r i e l l e n und g e w e r b l i c h e n Betrieben sich ergebenden Abrechnungen und hinsichtlich anderer mit dem Beschluss zusammenhängender Punkte enthält das Kreisschreiben des Departements vom 9. Dezember 1918 an die Kantonsregierungen und an die beruflichen Verbände (Bundesbl. 1918, V, 498 ff.) eine Wegleitung.

b. Mit Bezug auf die F ü r s o r g e bei A r b e i t s l o s i g k e i t von A n g e s t e l l t e n verweisen wir auf unsern Bericht vom 8. Februar 1919 an die Neutralitätskommissionen (Bundesbl. 1919, I, 385 ff.), auf unsern Beschluss vom 14. März (A. 8. XXXV,

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212 ff.) und auf das Kreisschrei béa des Departements vom 14. März an die Kantonsregierungen und an die beruflichen Verbände (Bundesbl. 1919, I, 400 ff.).

Gernäss unsertn Beschlüsse vom 21. März betreffend Errichtung eines eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge (A. S. XXXV, 223 ff.) ist die Durchführung der oben in lit. a und b erwähnten Beschlüsse diesem Amte übertragen worden.

c. Die ständigen Einrichtungen für Arbeitslosenversicherung haben für die Jahre 1915 und 1916 auf dem Wege des Nachtragskredits Bundesbeiträge erhalten, die einer Rückerstattung von einem Viertel der von dea Kassen in diesen Jahren ausbezahlten Arbeitslosenunterstützungen gleichkamen (siehe unsern Bericht vom 24. Mai 1918, Bundesbl. 1918, III, 122). Eine dauernde Regelung dei1 Beteiligung des Bundes an der Arbeitslosenfürsorge auf dem Wege der Gesetzgebung ist, wie wir schon früher mitgeteilt haben, in Vorbereitung. Wir hielten es aber nicht für gerechtfertigt, die weitere Subventionierung der Kassen vom Erlasse des Bundesbeschlusses abhängig zu macheu und damit eine zeitliche Lücke in der Gewährung von Bnndesbeiträgen eintreten zu lassen. Nach Anhörung einer Expertenkommission haben wir daher am 14. Januar 1919 beschlossen, es sei aus dem ,,Fonds für Arbeitslosenfürsorge"1 den s t ä n d i g e n E i n r i c h t u n g e n f ü r A r b e i t s l o s e n v e r s i c h e r u n g ein Drittel der von ihnen in den Jahren 1917 und 1918 unverschuldet Arbeitslosen ausbezahlten Unterstützungen (am Ort) rückzuvergüten, und zwar unter den im Bundesblatt 1919, I, 118, enthaltenen Bedingungen.

d. Zu der Vereinbarung vom 27. Oktober 1917 (siehe IX. Bericht) betreffend d i e A r b e i t s - und L o h n v e r h ä l t n i s s e in der S t i c k e r e i i n d u s t r i e hatten einige Verbände mit Rücksieht auf die fortschreitende Lebensteuerung das Gesuch um Revision und um Anpassung an die bestehenden Verhältnisse gestellt.

Es kam in St. Gallen eine revidierte Vereinbarung vom 29. Oktober 1918 zustande, die von den ein/einen Verbänden unterzeichnet wurde. MitSchreiben vom 28. November 191« übermittelte der Regierungsrat des Kantons St. Gallen dem Departement die Vereinbarung mit dem Ersuchen, sie den übrigen Kantonen des Stickereigebietes zuzustellen und ihnen zu empfehlen, sie gut/.uheissen. Die Regierungen der Kantone Zürich,
Appenzelll A.-Kh., Appenzell I.-Rh. und Thurgau haben der revidierten Vereinbarung zugestimmt.

In Bezug auf die Angestellten kam die Angelegenheit nicht zum Abschluss, da vorerst das Resultat des Vorgehens auf eidgenössischem Boden abgewartet werden wollte.

188 e. L o h n f r a g e n . Über die Entstehung und die Ziele der auf eine Verbesserung der Lohnverhältnisse gerichteten Bewegung der Arbeiter und Angestellten haben wir uns bereits im letzten Neutralitätsbericht ausgesprochen. Ebenfalls über die ersten Schritte, die das Departement in dieser Angelegenheit unternahm. So haben wir schon damals erwähnt, dass wegen der Verschiedenartigkeit der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Arbeitnehmergruppen die Behandlung der anhängig gemachten Fragen betreffend die Arbeiter, die Angestellten, sowie das Hotel- und Wirtschaftepersonal (für dieses mit Einschluss der Arbeitslosenfürsorge) je einer besondern paritätischen Kommission übertragen wurde. Die Verhandlungen in diesen drei Kommissionen, die wegen Überlastung der Abteilung für Industrie und Gewerbe vom Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung geleitet wurden, sind seither alle zum Abschluss gelangt.

In der Kommission zur B e r a t u n g der L o h n f r a g e n d e r A n g e s t e l l t e n verlangten die Vertreter der Angestelltenschaft ursprünglich den Erlass eines sich auf die ausserordentlichen Vollmachten stützenden Bundesratsbeschlusses. In der Folge erklärten sie sich bereit zum Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages, stellten aber die Bedingung, dass auch die Arbeitgeber, die den unterhandelnden Verbänden nicht angehören, rechtswirksatn darauf zu verpflichten seien; hierbei dachten sie wiederum an eine Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten. Von diesen Begehren gingen die Angestelltenvertreter schliesslich nur ab im Hinblick darauf, dass der Bundesrat, selbst wenn er sich zum Gebrauch der Vollmachten kurz vor deren bevorstehenden Aufhebung bzw.

Beschränkung entschliessen würde, damit eine dauernde Ordnung der Dinge doch nicht würde herbeiführen können. Ihre paritätische Zusammensetzung benutzend, entschloss sich daher dieKommission, weil ihr an einer raschen Lösung der Frage sehr viel gelegen war, gleich in materielle Unterhandlungen einzutreten, die denn auch -- nach langen Beratungen -- am 11. Dezember 1918 durch den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages (siehe Bundesbl. 1918, V, 743) zu einer Verständigung führten. Die Übereinkunft (die in der Hauptsache Bestimmungen über Mindestanfangsgehälter und Teuerungszulagen enthält) gilt vorläufig bis zum 31. Dezember 1920, sieht aber
für den Fall, dass sie die Ansprüche der Angestellten nicht hinreichend zu sichern vermag, die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung vor. Überhaupt machten die Angestelltenverbände alle Vorbehalte, auf ihre Eingaben an die Bundesbehörden zurückzukommen und eine staatliche Regelung zu verlangen, sofern die Vereinbarungen wegen der mangelnden Verbindlichkeit für die Nichtbeteiligten sie nicht befriedigen sollte.

Es verdient noch erwähnt zu werden, dass dieser unter der Lei-

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tung des Departements abgeschlossene Gesamtarbeitsvertrag die erste derartige Übereinkunft mit einem so grossen Wirkungsbereich darstellt; es sind ihm sozusagen alle grossen Zentralverbände der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-(Personal-)Organisationen der Schweiz beigetreten.

Für die Beratungen in der Kommission betreffend P e r s o n a l f r a g e n im G a s t w i r t s c h a f t s g e w e r b e hatten die Vertreter der Angesfellten eine bis in alle Einzelheiten gehende Berufsordnung vorgelegt. Sie verlangten deren Verwirklichung in Form eines Gesamtarbeitsvertrages, der -- mit Rücksicht auf die grosse Zahl nichtorganisierter Angestellter und Arbeitgeber -- vom Bundesrat auf Grund seiner ausserordentlichen Vollmachten allgemein verbindlich erklärt werden sollte. Dem widersetzten sich die Arbeitgebervertreter, die nur Hand bieten wollten zur Aufstellung eines Entwurfs für einen Normalarbeitsvertrag. Nach langen und mühsamen Unterhandlungen einigte sich schliesslich am 14. Februar 1919 die Kommission auf den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages für die Regelung der Löhne, sowie der Arbeits- und Ruhezeit. Der Vertrag sieht auch, was besonders hervorgehoben zu werden verdient, nicht nur zum Zweck seiner.

Durchführung, sondern überhaupt zur Förderung der gemeinschaftlichen Interessen und Bestrebungen von Personal und Arbeitgebern die Errichtung einer paritätischen Berufszentrale vor. Wird die Übereinkunft von den beidseitigen Verbänden ratifiziert, dann gilt sie vorläufig bis zum 21. Mai 1921. Da aber im Gastwirtschaftsgewerbe nur ein kleiner Teil der Betriebsinhaber und des Personals organisiert ist, also die Wirksamkeit des durch die Organisationen abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrages nur den kleinern Teil der Betriebe ergreift, beschloss die Kommission ferner, damit wenigstens subsidiäres Recht allgemein geschaffen werde, den Bundesrat .um Aufsetzung eines "Normalarbeitsvertrages gemäss Art. 324 O.-R. zu ersuchen, -- eines Normalarbeitsvertrages, der sich materiell mit dem Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages deckt und ausser den Bestimmungen über Lohn, Arbeits- und Ruhezeit noch die Regelung einiger weiterer Punkte zum Gegenstand hat.

Das Departement beabsichtigt, den von der Kommission ausgearbeiteten Entwurf nächstens mit dem Antrag auf Genehmigung dem Bundesrat zu unterbreiten.

Hinsichtlich der
Fürsorge bei Arbeitslosigkeit einigte sich die Kommission nach kurzer Beratung auf den Entwurf eines Bundesratsbeschlusses, der nun beim eidgenössischen Amt für Arbeitslosenfürsorge in Behandlung ist.

Was endlich die Verhandlungen in der Kommission betreffend L o h n f r a g e n der A r b e i t e r betrifft, die zur Aufstellung des

190 Entwurfs zu einem ,,Bundesbeschluss betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses" führten, so verweisen wir auf unsere Botschaft vom 11. April 1919 über diesen Gegenstand.

f. In der Angelegenheit betreffend die V e r k ü r z u n g der A r b e i t s z e i t lassen wir Ihnen eine besondere Vorlage zugehen.

g. Wir haben schon in unserm IV. Berichte (Bundesbl. 1916, III, 553)) darauf hingewiesen, dass der schweizerisch^ Gewerbeverbund mit Kreisschreiben vom 7. August 1910 den eidgenössischen und kantonalen Behörden und Verwaltungen das ,,Muster einer Submissionsverordnung a zugestellt habe, mit dem Ersuchen, die Vorlage entweder als amiliche Vorschrift anzuerkennen oder mindestens den zuständigen Verwaltungen in der Form einer allgemeinen Weisung zur Anwendung zu empfehlen. In Weiterbefblgung des Gedankens einer Regelung im S u b m i s s i o n s w e s e n hat der schweizerische Gewerbeverband in einer an das Departement gerichteten Eingabe vom 16. Dezember 1918 den Wunsch geäussert, es möchten im Submissionswesen der Bundesverwaltung Reformen eingeführt und in einer Konferenz mit den arbeitvergebenden Beamten der verschiedenen Departemente die notwendigen Änderungen in dieser Frage besprochen werden. In der am 18. Januar statigefundenen Konferenz, an der auch die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vertreten war, einigte man sich dahin, dass für künftige Verhandlungen bei Arbeitvergebungen durch Aufstellung allgemein gültiger Normen der Boden geebnet werden solle. Der Gewerbeverband wurde eingeladen, in einer erneuten Eingabe seine Wünsche zu präzisieren. Die Angelegenheit unterliegt noch weitern Beratungen.

Gesundheitsamt.

Im Laufe der vier Kriegsjahre haben wir einige Bestimmungen der Verordnung vom 8. Mai 1914 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen abändern müssen, um verschiedene, in gewöhnlichen Zeiten unerlaubte Manipulationen gestatten zu können und auf diese Weise den Verkehr mit Lebensmittelprodukten zu erleichtern. Die Abänderungsbeschlüsse stützen sich sowohl auf den Bundesbeschluss vom 'A. August 1914 als auf Art. 54 des eidgenössischen Lebensmittelgesetzes vom 8. Dezember 1905, welch letzterer den Bundesrat ermächtigt, die nötigen Vorschriften zum Schütze der Gesundheit und zur Verhütung von Tauschung im Verkehr mit Lebensmitteln zu erlassen. Da
die Verhältnisse sich noch nicht derart gebessert haben, dass die Aufhebung dieser Bestimmungen hätte verfügt werden können, haben wir uns entschlossen, sie noch einige Zeit in Kraft zu belassen.

191 Wir haben sie aber in einen allgemeinen Beschluss vom 10. Februar 1919 zusammengefasst, der sich einzig noch auf Art. 54 dea Gesetzes stützt. Der Beschluss vom 24. Juni 1918 betreffend Ersatzlebensmitte!, der sich nur. auf den Bundesbeschluss vom 3. August 1914 stützt, und der gestattet, Missbräuche bei der Herstellung von Lebensmittelsurrogaten zii bekämpfen, kann zurzeit noch nicht aufgehoben werden.

Die deutsche Regierung hat am 1. Dezember 1918 das Ausfuhrverbot betreffend Arzneimittel aufgehoben und unser Gesundheitsamt konnte infolgedessen von diesem Tage an die seit September 1915 ausgeübte Kontrolle über die aus diesem Lande eingeführten pharmazeutischen Produkte und Sanitätsartikel eben-: falls aufheben. Was die gemäss Bundesratsbeschluss vorn 14. April 1916 von dieser Abteilung ausgeübte allgemeine Kontrolle über den Verkehr mit Arzneimitteln anbetrifft, so hat die gegenwärtige Marktlage es erlaubt, dieselbe weniger streng zu handhaben (Verfügung des Volkswirtschaftsdepartementes vom 21. Februar 1919), und es ist berechtigte Aussicht vorhanden, dass sie in einiger Zeit gänzlich aufgehoben werden kann. Wir können feststellen, dass diese Kontrolle, die vor allem den Zweck verfolgte, verschiedene Missstände im Arzneimittelverkehr zu beseitigen und namentlich das Schiebertum und die Preistreiberei zu bekämpfen, ganz vorzügliche Dienste geleistet hat, und dass dank den getroffenen Massnahmen die Versorgung des Landes mit Medikamenten unter relativ günstigen Bedingungen gesichert worden ist.

In der Voraussicht, dass gerade diese Versorgung einigen Schwierigkeiten begegnen würde, wenn gewisse Verhältnisse eintreten sollten, die wir ins Auge fassen mussten, hatten wir das Gesundheitsamt ermächtigt, eine allgemeine Reserve an Medikamenten und Desinfektionsmitteln anzulegen und ihm zu diesem Zwecke die nötigen Kredite zur Verfügung gestellt. Da sich aber die Verhältnisse jetzt geändert haben, hat das Volksvvirtschaftadepartement das Gesundheitsamt ermächtigt, die angelegte Reserve nach und nach zu veräussern und nur noch diejenigen Waren zu behalten, die zur Versorgung des Landes absolut erforderlich sind.

Unterm 19. Juli 1918 haben wir einen Beschluss über den Verkehr mit Gummiwaren für Säuglinge (Gummisauger für Milchflaschen) gefasst, welcher durch die kritische Lage in der Versorgung
unseres Landes mit diesen Artikeln geboten war. Die fremden Staaten, welche uns sonst diese Waren lieferten, hatten verschiedener Missbräuche wegen die Ausfuhr vollständig eingestellt, und da die einheimischen Fabriken infolge Mangel an Rohmaterialien (Gummi und BenzÄ) den inländischen Bedarf auch oicht mehr decken konnten, so war die Zeit vorauszusehen, wo Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

13

192

diese Artikel vollständig fehlen wurden. Die durch unsern Beschluss eingeführte sehr strenge Kontrolle hat glücklicherweise die Sachlage geändert ; die Einfuhr hat wieder eingesetzt und wir haben den einheimischen Produzenten die nötigen Rohmaterialien liefern können. Da die Verhältnisse nahezu normal geworden sind, haben wir diese Kontrolle unterm 21. März 191& wieder aufgehoben.

Obwohl die Umstände uns dazu gezwungen haben, die Kompetenzen, welche das Epidemiengesetz dem Bunde erteilt, in einigen Fällen zu überschreiten, wollen wir es unterlassen, an dieser Stelle über die Massnahmen zu berichten, die einerseits zur Bekämpfung der Influenza (Grippe-Epidemie), anderseits durch das Vorkommen gemeingefährlicher Epidemien in den uns umgebenden Staaten haben getroffen werden müssen. Wir behalten uns vor, die ganze Angelegenheit im Geschäftsbericht zu behandeln.

Abteilung Landwirtschaft.

H o l z a u s f u h r . Die Ablieferung der nach den Ländern der Entente nach Massgabe des im letzten Berichte erörterten Wirtschaftsabkommens vom 1. Mai 1918 festgesetzten Holzmengen hat wegen unzureichender Wagenstellung eine erhebliche Verzögerung erfahren. Es waren deshalb bei Beendigung des Krieges noch verbaltnismässig grosse Mengen an Schnittwaren und Barackenmaterial abzunehmen. Die weitere Lieferung erfolgte nach den unter Mitwirkung von Amtsstellen getroffenen Vereinbarungen zwischen den Vertretern der offiziellen Einkaufsstellen der Alliierten und der schweizerischen Berufsorganisationen, denen der Export übertragen war. Ein grosser Teil der Schnittwaren, für die die Ententearmeen nicht mehr Bedarf hatten, wurde nach den mit Regierungsvertretern getroffenen Vereinbarungen vom französischen Privathandel übernommen und eine Partie der in Arbeit befindlichen Militärbaracken wurde in Wohnhäuser umgebaut. Die nach dem erwähnten Wirtschaftsabkommen auf 31. Dezember 1918 fällig gewordenen Lieferungen dürften voraussichtlich im Mai 1919 beendigt sein. Inzwischen sind, besonders nach Italien, auch erhebliche Mengen an Spezialhölzern, wie Kistenbretter, Hobel-, Spalt- und Parketteriewaren, zur Ausfuhr freigegeben worden, wofür nach den bestehenden Wirtschaftsabkommen eine spezielle Verpflichtung nicht bestanden hat. Die Holzausfuhr musste nämlich während den letzten Monaten besonders auch mit Rücksicht auf die
Schaffung von Arbeitsgelegenheit in der Holzindustrie beurteilt und geordnet werden. Deshalb erwiesen sich einige Erleichterungen zugunsten von Fabrikationsfirmen in der Erteilung:

193 von Ausfuhrbewilligungen für ihre eigenen Erzeugnisse als notwendig. Grosse Exportaufträge in Holzkonstruktionen hätten aber auch fernerhin schon im Interesse einer gleich massigen Vergebung der Arbeiten an Firmen mit unzureichender Beschäftigung durch Vermittlung der betreffenden Berufsorganisationen zu erfolgen. Die Ausfuhrbewilligungen für rohe Schnittwaren werden zurzeit noch wie bisher in der Regel nur durch Vermittlung und im Einvernehmen mit den betreffenden Berufsorganisationen verabfolgt.

In neuerer Zeit mehren sich die Holzangebote namentlich in Schnittwaren aus Deutschland und Österreich, wogegen die Zufuhren aus diesen Gebieten infolge bestehender Transportschwierigkeiten bisher noch nicht sehr bedeutend waren. Sobald die Zufuhren aber grösser werden und gesichert erscheinen, wird man auch im Exporte von Schnittwaren, besonders von solchen m verarbeitetem Zustande, weitere Erleichterungen bewilligen können, ohne eine Benachteiligung der Inlandsversorgung befürchten zu müssen. Die Ausfuhr von Brenn- und Papierholz soll hierbei aber noch für längere Zeit ausgeschlossen bleiben, wogegen deren Ein. fuhr auch fernerhin nach Möglichkeit zu fördern sein wird.

Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft.

I. Mit dem Abschhiss der verschiedenen Waffenstillstandsverträge veränderte sich die Wirtschaftslage unseres Landes von Grund auf. An Stelle der bisherigen Kriegskonjunktur trat in Industrie und Handel eine ausgesprochene Baisse, die sich in der zum Bericht stehenden Periode immer mehr verschärfte. Sie ist gekennzeichnet durch eine allgemeine Kaufunlust im Inland wie durch einen empfindlichen Rückgang des Exportes. Die weitere Folge dieses Zustandes ist eine beinahe allgemeine Beschäftigungslosigkeit in der gesamten schweizerischen Industrie, vorwiegend jedoch in der Textilindustrie, welche ihren Niederschlag in Betriebsreduktionen und sogar in einzelnen Betriebsstillegungen findet.

Nicht ohne empfindlichen Einfluss auf den Gang der Industrie war a.ber auch die grosse Kohlenkalamität, die mit der fast vollständigen Ausschaltung Deutschlands als Kohlenlieferant eintrat.

Was die Tätigkeit der Abteilung im allgemeinen anbetrifft, so steht sie infolge der durch die Waffenstillstandverträge geschaffenen veränderten Situation im Zeichen des Abbaues. Bereits zu Anfang des Jahres 1919 wurde
mit der Aufhebung einiger Bundesratsbeschlüsse und Departementsverfügungen und mit der Erteilung genereller Ausfuhrbewilligungen für eine Anzahl von Produkten begonnen. Arn 18. und 19. Februar fand im National-

194

ratssaal eine vom Volkswirtschaftsdepartement in Verbindung mit dem Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins und dem schweizerischen Gerwerbeverein einberufene wirtschaftlich-technische Konferenz statt, um den Interessenten Gelegenheit zu geben ihrerseits zu den bereits durchgeführten und weiter in Aussicht genommenen Âbbaumassnahmen Stellung zu nehmen.

Die Handels-, Industrie- und Gewerbevertreter befürworteten im Laufe der Diskussion durchwegs einen planmässigen und systematischen Abbau der Kriegsverordnungen und wiesen selbst wiederholt auf die Gefahren einer unbedachten und überstürzten Ausserkraftsetzung der bestehenden behördlichen Vorschriften hin.

In der Folgezeit wurde dann, soweit es die Inlandsversorgung und die S. S. S.-Vorschriften gestatteten, unter Berücksichtigung der Resultate der Wirtschaftskonferenz, weiter abgebaut, wodurch auch der bisherige Stab von Beamten und Hülfskräftigen eine wesentliche Reduktion erfuhr. Hierbei war die Abteilung mit Erfolg bestrebt, dem freiwerdenden Personal in der Beschaffung neuer Arbeitsgelegenheit behülflich zu sein. Bcsondern Wert wurde darauf gelegt, dass vor der Aufhebung von behördlichen Vorschriften den Interessenten die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu den geplanten Massnahmen zu äussern.

Die ungünstige Lage unserer Exportindustrie veranlasste die Abteilung, die Exportbestrebungen nach den östlichen Absatzmärkten im Rahmen des Möglichen zu unterstützen. In diesem Sinne war sie bei der Überwindung der Transportschwierigkeiten und der Beseitigung der Einfuhr- und Durchfuhrbeschränkungen der Staaten dos europäischen Ostens mit Erfolg tätig. Bisher gelang es, einen kompletten Warenzug nach Serbien abgehen zu lassen. Weitere Züge nach Bukarest, Warschau und Prag sind in Vorbereitung.

Es liegt im Wesen der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft, dass sie mit Eintritt normaler Friedensverhältnisse verschwindet. Wir hoffen, bis zum 30. Juni dieses Jahres die meisten Sektionen aufheben zu können.

II. K o h l en V e r s o r g u n g . Wie aus unsero frühern Neutralitätsberichten hervorgeht, hat die Schweiz die von ihr benötigte Kohle während der Kriegszeit fast ausschliesslich aus Deutsch1 land bezogen, und zwar in der letzten Zeit regelmässig gestützt auf zwischen den beiden Staaten abgeschlossene Wirtschaftsabkommen. Die
Tatsache, dass andere Länder infolge ihrer Produktions- und namentlich Transportverhältnisse für irgendwie bedeutende Quantitäten nicht in Betracht kamen, hat Deutschland

195 faktisch eine Art Monopolstellung eingeräumt, welche die Schweiz veranlasste, Preise zu akzeptieren, die stark verteuernd auf unser gesamtes Wirtschaftsleben einwirkten. Anderseits hat der Umstand, dass wir unsere Kohlenimporte fast ausschliesslich aus Deutschland bezogen, und zwar zu einheitlichen, jeweilen auf längere Zeit bestimmten Preisen, die Verteilung und Verrechnung im Inland relativ einfach gestaltet.

Seitdem Deutschland nach Abschluss des Waffenstillstandsvertrages nicht mehr in der Lage war, uns aus dem Saargebiet und aus Belgien mit Kohle zu beliefern und auch die Sendungen aus dem Ruhrgebiete fast vollständig ausblieben, hat sich der Charakter unserer Kohlenversorgung sehr stark verändert. Selbstverständlich mussten wir unser Äusserstes daran setzen, durch Kohlenbezüge aus ändern Ländern einen Ersatz für die ausfallenden deutschen Lohlenlieferungen zu bekommen. Wir wandten uns zunächst an Frankreich, um aus dem besetzten Saargebiete Kohle zu erhalten. In ausserordentlich verdankenswerter Weise trug Frankreich unsern Wünschen insofern Rechnung, als es uns zunächst monatlich 30,000 t Saarkohle zusagte und dieses Quantum später verdoppelte. Wir verweisen auf das in anderm Zusammenhang besprochene Wirtschaftsabkommen mit Frankreich vom 25. März 1919. Infolge verschiedener Umstände gelang es jedoch leider nicht, die zugesagten monatlichen Quantitäten in die Schweiz 2u bringen. Wir verweisen auf die hiernach folgende Importtabelle.

Es war unter diesen Umständen geboten, auch anderwärts die grössten Anstrengungen zu machen, um Kohle einführen zu können. Wir beauftragten zu diesem Zwecke Herrn Gorjat, Kreisdirektor der schweizerischen Bundesbahnen in Lausanne, nach Paris und namentlich nach Brüssel zu reisen, um zu studieren, in welcher Weise unsere Kohlenversorgung durch Bezüge aus Frankreich, Belgien und England gefördert werden könnte.

Herr Gorjat hat sich dieser Aufgabe mit grossem Eifer und viel Geschick entledigt und es gelang ihm, der Schweiz den Bezug von zirka 60,000 t belgischer Kohle per Monat zu sichern. Die Verhandlungen mit Belgien wurden intensiv weitergeleitet und es besteht Hoffnung, dass innert kurzer Frist die belgischen Lieferungen bedeutend erhöht werden können.

Auch die in London unternommenen Schritte hatten einen gewissen Erfolg, indem uns die englische Regierung
die Ausfuhrbewilligungen für monatlich 40,000 t Kohle zusagte. Die Verhandlungen zur Regelung der Einzelheiten sind gegenwärtig noch im Gange. Endlich ist es uns auch gelungen, durch Vermittlung

196

unserer Gesandtschaft in Washington bedeutende Abschlüsse über die Lieferung amerikanischer Kohle durchzuführen. Wir hoffen, dass die ersten Sendungen anfangs des nächsten Monats eintreffen werden und während des ganzen Sommers regelmässig fortgesetzt werden können. Es handelt sich um monatlich zirka 60,000 t, die zum Teil via Genua, zum Teil via Rotterdam in die Schweiz transportiert werden sollen. Berücksichtigt man dazu noch die 50,000 t Ruhrkohle, welche wir gestützt auf das beabsichtigte Abkommen mit Deutschland, von welchem wir oben gesprochen haben, uns zu sichern hoffen, so glauben wir, die Kohlenversorgung des Landes für die nächste Zeit einiger m assen als gesichert betrachten zu können. Immerhin darf nicht übersehen werden, dass, wie die Erfahrung leider nur zu deutlich immer und immer wieder bewiesen hat, auch bei allseitig bestem Willen die Erfüllung zugesagter Verpflichtungen öfters einfach unmöglich ist. Die Gefahr von Arbeiterausständen, von Transportkrisen etc.

muss sicherlich vor allzu grossem Optimismus bewahren.

Über die effektiven Kohleneingänge in den letzten Monaten gibt die folgende Zusammenstellung Aufschluss: Zusammenstellung der Kohleneinfuhr in die Schweiz.

Monat

Deutschi, Belgien u. E"9land Frankreich TM b |et £{*«'·,, Tota.

rechtsrh. Luxemburg

t

Dezember 1918 Januar 1919 .

Februar 1919 .

März 1919 . .

April 1919 . .

1,783

1,524 1,530 5,887 16,009

t

t

8,766 2,333

8,892 4,862 1,906 4,44-1

317 13,090 51,742

322

t

t

7,412 10,000 6,255 40,593 7,678 63,975 8,631 54,864 1.644 19,911

t

t

223 306 198 360 738

37,066 55,87S 75,604 87,276 90,866

Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, ist unsere Kohlenversorgung ausserordentlich kompliziert geworden, indem wir aus einer ganzen Reihe von Bezugsländern Kohle einführen müssen, und zwar zu ganz verschiedenartigen Bedingungen. Da die Aufrechterhaltung der Rationierung im Inland nach wie vor unerlässlich ist und selbstverständlich auch die Kohle zu einem einheitlichen Preise abgegeben werden muss, so wurde die Schaffung einer zentralen Importorganisation zur unbedingten Notwendigkeit.

Dabei konnten zwei Wege eingeschlagen werden : entweder ein von vielen Seiten seit langem gefolgertes staatliches Einfuhrmonopol oder aber eine ähnliche Organisation nichtstaatlichen, sondern gemischtwirtschaftlichen Charakters. Wir glaubten aus verschiedenen Gründen der letztern Lösung den Vorzug geben zu sollen. Im Einvernehmen mit den verschiedenen Interessentenkreisen veranlassten wir deshalb die Gründung einer S oh w ei-

197 z e r i s e h en K o h l e n g e n o s s e n s c h a f t , die sich aus allen Anitsstellen, Personen, Firmen und Verbänden zusammensetzt, welche schon bisher sich mit dem Import von Kohlen befasst haben. Die Genossenschaft ist am 17. März 1919 in Bern gegründet worden, und hat ihre Tätigkeit am 1. April d. J. übernommen. Ihre Statuten sind von uns genehmigt worden, und wir haben entsprechend den darin enthaltenen Bestimmungen den Präsidenten sowie sechs weitere Mitglieder des Verwaltungsrates bezeichnet. Als Präsidenten konnten wir Herrn Leopold Dubois, Delegierter des Verwaltungsrates des Schweizerischen Bankvereins in Basel gewinnen, der sich in sehr verdankenswerter Weise dem Lande zur Durchführung dieser Aufgabe zur Verfügung stellte.

Der Verwaltungsrat ist zusammengesetzt aus je einem Vertreter ·der schweizerischen Bundesbahnen, der Nebenbahnen, des Volkswirtschaftsdepartements, aus zwei Vertretern der schweizerischen "Gaswerke, aus vier Vertretern der Industrie, aus drei Vertretern des Kohlenhandels und aus vier Vertretern der Konsumenten«chaft.

Die Verhältnisse machten es notwendig, der Genossenschaft einen grossen Teil der Verantwortung für die Kohlenversorgung ·der Schweiz zu übertragen, namentlich hinsichtlich einer rationellen Ausnützung aller Importmöglichkeiten, was anderseits zur Folge hatte, dass ihr auch eine gewisse bevorzugte Stellung dadurch «ingeräumt wurde, dass nur sie das Recht zum direkten Kohlenimport besitzt. Neben dieser Importtätigkeit besteht ihre Hauptaufgabe in der Durchführung einer Art von Preis-Clearing, sowie in der Verteilung der eingeführten Kohle nach den Weisungen ·des Volkswirtschaftsdepartements. Bundesmittel wurden ihr nicht zur Verfügung gestellt. Die Genossenschaft kann keinen Gewinn ·erzielen.

Aus den vorstehend angeführten Einfuhrziffern ergibt sich ohne weiteres, wie ausserordentlich prekär unsere Kohlenversorgung während des vergangenen Winters aussah. Wir haben seit Kriegsbeginn keine kritischere Periode zu überwinden gehabt und glauben sagen zu können, dass sich die verschiedenen von uns geschaffenen Organisationen durchaus bewährt haben, ist es doch trotz aller Schwierigkeiten gelungen, eine allgemeine Betriebserhaltung zu siehern und auch die Hausbrandversorgung in erträglichem Rahmen durchzuführen. Allerdings hat hierbei der milde Winter
viel dazu beigetragen, dass unerträgliche Verhältnisse im grossen und ganzen nicht entstanden sind. Den Kantonen konnten an importierten Brennstoffen für Hausbrand und Kleinbetriebe durchschnittlich im Monat nur 24,000 t zugewiesen werden, während

198 diese Zuweisung in der ersten Jahreshälfte noch mehr als 55,000 t betragen hat und der normale Bedarf zirka 95,000 t ausmacht.

Dass unter solchen Umständen von einer Freigabe des Kohlenhandels und der Aufhebung der Rationierung nicht die Rede sein konnte, liegt auf der Hand. Wir sahen uns deshalb ver.anlasst, die Kantonsregierungen mit Kreisschreiben vom 20. Februar 1919 zu ersuchen, die Rationierung für den Hausbrand und die Kleinbetriebe ab 1. April 1919 nach dem bisherigen -bewährten Verfahren weiterzuführen. Dagegen glaubten wir unsere verschiedenen Massnahmen betreffend Laden- und Wirtschaftsschluss sowie Einschränkung des Betriebes von Vergnügungsctablissementen nach Beendigung der Heizperiode aufheben zu können, da einerseits die Rationierung der diversen Brennstoffe ordentlich funktioniert und anderseits in der Periode des Abbaues der kriegswirtschaftlichen Massnahmen weitere nicht unbedingt notwendige Einschränkungen weiter Kreise vermieden werden mussten.

An Rückvergütungen zur Herabsetzung der Preise von Kohle, Koks, Briketts und Gas für Hausbrand und Kleinbetriebe wurden den Kantonen aus dem im deutsch-schweizerischen Abkommen vom 22. Mai 1918 vorgesehenen deutschon Rabatt sowie aus den Abgaben der Kohlenhändler gemäss Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 29. Mai 1918 ganz bedeutende Summen zur Verfügung gestellt.

Mit Rücksicht darauf, dass die Lieferung deutscher Kohle seit anfangs dieses Jahres aussetzte und durch bedeutend billigere französische und englische Sendungen ersetzt werden konnten, sahen wir uns in der angenehmen Lage, durch Verfügung vom 10. März 1919 die Höchstpreise für Kohle, Koks und Briketts um zirka 30 °/o zu ermässigen. Durch die den Kohlenhändlern überbundene Verpflichtung, von diesem Zeitpunkte an nur noch zu reduzierten Preisen zu verkaufen, entstand ihnen auf den Mengen, die sie im Momente des Preisabschlages auf Lager hatten, ein Verlust, der auf rund Fr. 900,000 berechnet werden konnte.

Mit Rücksicht darauf, dass die Kohlenhändler den seinerzeit durch den Preisaufschlag aus den alten Lagern entstandenen Mehrerlös dem Bunde abzuliefern hatten, erachteten wir es als gerechtfertigt, sie für den ihnen erwachsenen Verlust schadlos zu halten.

Infolge der ausserordentlich geringen Kohleneingänge sahen wir uns veranlasst, durch Verfügung vom 27. November 1918 sämtliche in der Schweiz vorhandenen und neu hinzukommenden Brennstoffe zu beschlagnahmen, mit Ausnahme der Vorräte der

199 Bundesbahnen, der privaten Transportanstalten, der Gaswerke und der Hausbrandverbraucher. Den industriellen Betrieben wurde von ihren Vorräten jeweils eine ihrem Monatskontingent entsprechende Menge zum Verbrauche freigegeben. Die übrigen Mengen mussten zur Verfügung notleidender Verbraucher gehalten werden. Es konnten durch diese Massnahme insgesamt 58,000 t frei gemacht werden. Neben den Beschlagnahmungen, die eine rationelle Verteilung der vorhandenen Inlandlager ermöglichen sollten, musste mir Verminderung des Kohlen Verbrauches auf den 1. Dezember 1918 eine neue Kontingentierung der Grossindustrie vorgenommen werden, wobei die den einzelnen Verbrauchern zustehenden Brennmaterialkontingente, je nach deren volkswirtschaftlicher Bedeutung, erheblich gekürzt wurden. Das der gesamten Grossindustrie zustehende Monatsquantum wurde dergestalt von 88,000 t auf 60,000 t reduziert gegenüber einem normalen Verbrauch von zirka 110,000 t. Aber auch diese reduzierten Mengen konnten den einzelnen Betrieben infolge der minimen Importe bei weitem nicht zugewiesen werden, da vor allem der Bedarf der Bundesbahnen sowie die Gaswerke bedeutende Zuteilungen erforderlich machten. Die Industrie war deshalb genötigt, zum grossen Teil von ihren zu Beginn de» Winters glücklicherweise verhältnismässig reichlichen Vorräten zu. zehren. Infolgedessen sind die Industrielager gegenwärtig nahezu aufgebraucht.

Bei der herrschen Kohlenknapptheit mussten selbstverständlich die i n l ä n d i s c h e n B r e n n s t o f f e stark zur Aushülfe und Streckung herangezogen werden. Hauptsächlich fiel dabei in Betracht die Verwendung von Holz, Torf und Walliser Anthrazit.

Allerdings haben die Verbraucher mit letzterm sowie auch mit einheimischen Braun- und Schieferkohlen nicht überall befriedigende Erfahrungen gemacht, und zudem stehen ihre verhältnismässig hohen Preise dem Absatz hindernd entgegen. Nach eingehender Prüfung, in welcher "Weise dieser Absatz im Inland gefördert werden könnte, haben wir uns entschlossen, alle einschränkenden Vorschriften für Walliser-Anthrazit, Braun- und Schieferkohlen und dergleichen aufzuheben, so dass diese Brennstoffe ausser Kontingent und nach freier Preisvereinbarung bezogen werden können. Zudem hat sich die Schweizerische Kohlengenossenschaft auf unsere Veranlassung hin bereit erklärt, die im
April 1919 vorhandenen Vorräte an Wallisernth-Arazit zu übernehmen und, wenn auch mit Verlust, abzusetzen. Überdies haben die schweizerischen Bundesbahnen erbebliche Mengen brikettierter Walliserkohle angekauft.

200

Die Versorgung mit f l ü s s i g e n B r e n n s t o f f e n , namentlich mit Petrol, Benzin und Benzol, bot im Anfang der Berichtsperiode infolge der ausserordentlich geringen Importe noch sehr erhebliche Schwierigkeiten, so dass eine Reihe von neuen einschränkenden Massnahmen getroffen werden musste. Glücklicherweise haben sich in den letzten Monaten die Verhältnisse sehr gebessert, und es darf heute die Versorgung mit diesen Waren infolge bedeutender Zufuhren als vorderhand gesichert betrachtet werden. Wir waren deshalb in der Lage, am 5. März die Rationierung für Petrol und Benzin aufzuheben.

Auch die Versorgung mit T e e r hat sich wesentlich verbessert und es konnte die Verwendung dieses Materials zu Feuerungszwecken in erheblichem Umfange die fehlende Kohle ersetzen.

Mit Bezug auf die B a u m a t e r i a l i e n haben wir vor allem aus darnach getrachtet, zur Belebung der Bautätigkeit eine wesentliche Preisreduktion im Inlande herbeizuführen. Die bezüglichen Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die grossen Vorräte im Inlande an diesen Materialien, namentlich an Zement, Kalk, Gips etc. gestatteten uns eine teilweise Freigabe des Exportes, welche Möglichkeit jedoch infolge schwieriger Absatzverhältnisse im Auslande nur zum geringen Teile ausgenützt werden konnte.

III. B e r g b a u b u r e a u . Die Produktion von schweizerischen Kohlen für die Monate Januar--September 1918 ist im letzten Neutralitätsberichte angegeben. Die folgende Tabelle orientiert über die Förderung von diesem Zeitpunkte an bis Ende Marx.

Produkttonsliste.

Wallisor Anthrazit t

Braunkohlen t

Schieferkohlen t

Briketts

5,5Sl,oä 3,873,61

792,04 884,77

4,940,oa

1,501,07

3,884,oo 5,073,07 4.944,04

1,713,05 l,475,7o 1,371,44

5,197,22 2,924,40 3,192,io 3,714,8o 3,219,5i 2,896,3g

3,277,,o 2,754.2i 2,950,0:; 2,831, « 3,958,74 4,435,34

14,847,98 10,436,ni!

12,583,82 12,144,24 13,727,cs 13,647,07

Total 28,297,80

7,739,27

21,143,84

20,206,,i

77,387,05

Monat

Oktober .

November Dezember Januar Februar .

März . .

t

Total t (effokt.)

201

Die Totalproduktion pro 1918 betrug : Walliser Anthrazit Braunkohlen Schieferkohlen Briketts Total

41,485 5,957 68,718 30,170

t t t t

146,332 t

Auch in dieser Berichtsperiode wurde allgemein die Bemerkung gemacht, dass die Nachfrage nach Schweizerkohlen verhältnismässig gering ist, da ihre Produktionskosten infolge der grösstenteils schwierigen Abbau- und Transportverhältnisse und dementsprechend auch die Verkaufspreise hoch sind. Um den Absatz der Produkte zu sichern, bleibt nach unserer AnsicHt nichts anderes übrig, als dass die Schweizerkohlen richtig aufbereitet und brikettiert den Konsumenten zugeführt werden, die sie verwenden können. Sie muss zu diesem Zweck von den Produzenten bezüglich Aschengehalt, Feuchtigkeit, Körnung oder Form so geliefert werden, dass sie ohne weitere Behandlung ·wirtschaftlich verwendet werden kann.

E r z e . 1. P y r i t e . Die am 3. September 1918 gegründete vjPyrit A.-G. Aproztt hat ihre Daseinsberechtigung verloren, da der Bezug von italienischen Pyriten seit dem Abschluss des Waffenstillstandes gesichert ist und die ausgebeuteten schweizerischen Pyrite bedeutend teurer zu stehen kommen als die vorgenannten.

2. E i s e n e r z e . Die auf Anregung des Bergbaubureaus gegründete .,,Studiengesellschaft für die Nutzbarmachung der schweizerischen Erzlagerstätten''' hat nicht nur ihre Untersuchungen bezüglich der Lagerstätten von Eisenerzen weitergeführt, sondern auch Versuche über die elektrische Verhüttung von schweizerischen Bisenerzen angestellt, die aber besonders in Wirtschaft' lieber Beziehung noch nicht abgeschlossen sind. Ihre Resultate dürfen jedoch schon heute als nicht ungünstig bezeichnet werden.

T a l k und A s b e s t . Über die Produktion in der Berichtszeit gibt dio nachstehende Tabelle Aufsehluss.

202 Produlttionslisie.

Talk Mona)

in Pulverin form Platten t t

255 215 310 160 120 22 Total . 1,082

Okt. 1918 .

Nov. 1918 .

Dez. 1918 .

Januar 1919 Februarl919 März 1919 .

65 70 35 65 71 80 386

Total t 320 285 345 225 191 102 1,468

Asbest für spinnbarer Platten Asbest t t

40,292 650 34,908 1,200 29,905 1,200 38,875 2,000 37,888 1,900 39,179 2,100 221,047

9,050

Total t 40,942 36,108 31,105 40,875 39,788 41,297 230,097

Während Giltsteinplatten ziemlich gute Verwendung für deii Bau elektrischer Akkumulieröfen fanden, war die Nachfrage 'nach Talkpulver seit dem Abschluss des Waffenstillstandes weniger lebhaft.

Einer Anregung der Neutralitätskommission folgend, bearbeitet das Bergbaubureau, gegenwärtig eine ziemlich umfangreiche Publikation über den ,,Schweizerischen Bergbau während des Weltkrieges", welche Arbeit als Grundlage für ein allfälliges schweizerisches Berggesetz wertvolle Dienste leisten dürfte.

B u r e a u für G a s v e r s o r g u n g . Bis Ende. Jahres 19J& blieben die von der Abteilung im August vorigen Jahres erlassenen Vorschriften in Kraft, welche von den Gaswerken eine Mindesteinsparung in der Gasabgabe von 25 °/o gegenüber der Abgabe in der Vergleichsperiode des Jahres 1916 verlangten.

Da in normalen Zeiten die durchschnittliche Winterabgabe der Werke ungefähr das anderthalbfache der Sommerabgabe betrug.

ergab es sich von selbst, dass die im Sommer getroffene Kontingentierung der Abonnenten bei der Grosszahl der Werke auf den Winter grössere Einsparungen zur Folge hatten. Anderseits erklärt sich die grosse Einsparung durch die infolge der hohen Gaspreise geweckte Spartendenz der Konsumenten, z. B. die vermehrte Ausnutzung der Zimmeröfen zur Bereitung von Warmwasser, zum Teil sogar Mahlzeiten. Doch war vorauszusehen, dass gegen das Frühjahr die erreichten Einsparungen bei gleichbleibenden Massnahmen wiederum rasch abnehmen würden. Als daher kurz nach Abschluss des Waffenstillstandes eine vollständige Stockung der Kohlenzufuhr aus den deutschen Kohlenrevieren -- den hauptsächlichsten Gaskohlenlieferanten -- eintrat und damit die Zufuhr geeigneter Gaskohle fast gänzlich ausblieb, später die

203

seitens der Entente zugesicherten Kohlenmengen aus den besetzten linksrheinischen Gebieten nur zum Teil eintrafen, sah sich die Abteilung gezwungen, Mitte Januar dieses Jahres -- im Interesse der Streckung der vorhandenen Vorräte -- die erlassenen Sparvorschriften zu verschärfen. Das früher festgesetzte Minimum der Gaseinschränkung wurde von 25 °/o auf 35 % erhöht und mittels Pestsetzung einer minimalen Kohleneinsparung von 55 °/o sämtlicher Werke zu einer vermehrten Vergasung von Streckmaterialien.

wie Holz, Torf und Karbid, gezwungen.

Die erzielten Resultate ergeben sich aus folgender Zusammenstellung :

November Dezember Januar Februar März

1918 1918 1919 1919 1919

Kohle t 25,000 22,200 20,200 17,800 19,000

Vergasungsmaterial Ein- Sireckmaterialien sparung; Holz, Torf etc.

t %

54 63 62 63 61

8,160 11,900 13,200 11,650 13,360

Gasabgabe ·

m^

9,818,000 10,328,000 9,818,000 8,868,000 9.839,500

Ein- .

sparung %

45 46 42 39 37,r,

Im gleichen Zeitraum konnte den schweizerischen Gaswerken infolge der geringen Kohleneingänge nur ungefähr die Hälfte ihres heutigen reduzierten Verbrauches zugewiesen werden: Die Gaszuteilungen an den einzelnen Abonnenten -sind in den meisten Versorgungsgebieten derart gering, dass sie nicht mehr verringert werden und nur durch Einführung von Gassperrstunden weitere ins Gewicht fallende Ersparnisse erreicht werden können. Desgleichen stehen einer noch weitgehendem Verwendung von Streckmaterialien ernste Betriebsschwierigkeiten im Wege.

Die bei Vergasung von Holz und Torf eintretende Verschlechterung der Gasqualität verursacht zudem wieder einen vermehrten Gasverbrauch.

Die Gaspreise bewegen sich je nach Grosse und örtlichen Lage der einzelnen .Werke zwischen 40 und 60 Rappen per m3.

Trotz der eingetretenen Verbilligung der Kohle um rund einen Drittel ist mit einer Verbilligung des Gases vorläufig nicht zu rechnen, im Gegenteil. Die ständig steigenden Löhne, der gewaltige Preissturz der bei der Gaserzeugung anfallenden Nebenprodukte (die infolge der deutschen Konkurrenz, unter dem Ein* fluss der Valuta, nur mehr weit unter dem Gestehungspreis abgesetzt werden können), die einschneidende Produktionsverminderung und nicht zuletzt die Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit

204

der Anlagen durch Verwendung von teuern und wenig geeigneten Streckmaterialien haben zur Folge, dass die vor dem Kriege gut rentierenden Gaswerke ohne Ausnahme bei den bestehenden Gaspreisen mit Defizit arbeiten. Die den Gaswerken von den einzelnen Kantonsregierungen aus der Rückvergütung für Hausbrand zur Verbilligung des Kochgases überwiesenen Beträge ermöglichten, im Durchschnitt den Abonnenten eine Rückvergütung von 3---5 Rappen per m 8 Gas zukommen zu lassen.

K a l z i u m - K a r b i d. Zwecks Deckung der schweizerische» Bedarfes an Karbid ist im Verlaufe des Sommers 1918 mit den Vertretern der beiden Mächtegruppen ein Abkommen getroffen worden, wonach entsprechend der auf den Lieferungsvertragea sich stützenden Ausfuhr nach den beiden Mächtegruppen zu gleichen Teilen bis maximal 20 % der Ausfuhrmengen zurückbehalten werden konnten.

Gestützt auf die Verfügung des S. V. D. betreffend Karbidproduktion vom 9. November 1918 wurde seitens der Abteilung das Bureau für Gasversorgung als Karbidverteilungsstelle bezeichnet.

Dem schweizerischen Konsum wurden vom Juni 1918 bis Januar 1919 zugeführt: den Gaswerken zur Karburierung des Gases 7,600 Tonneu der Landwirtschaft zur Herstellung von Kalkstickstoff zu Düngzwecken 330 v dem übrigen Schweizerkonsum 1,950 r Total 12,750 Tonnen Karbid, entsprechend 18 °/<> der Produktion.

Nachdem Gaswerke und Landwirtschaft als Hauptkonsumenten auf längere Zeit eingedeckt waren und infolge der veränderten Verhältnisse wurde die erwähnte Verfügung am 25. Januar diesesJahres aufgehoben.

S e k t i o n M e t a l l e u n d M a s c h i n e n . Im XI. Neutralitätsbericht mussten wir leider konstatieren, dass die Einfuhr von Metallen eine ganz ungenügende sei. In dieser Beziehung haben sich seither die Verhältnisse teilweise geändert, indem speziell Kupfer, Blei und Zink in genügender Menge importiert werden konnten. Es muss allerdings hierzu auch bemerkt werden, dass der Bedarf der Industrie nicht mehr so gross ist wie bei Abfassung des letzten Neutralitätsberichtes. Ferner macht sich auf dem Metallmarkt, wie auf ändern Gebieten, starke Kaufunlust bemerkbar. Trotzdem war allerdings dìo Belieferung mit Zinn,

205

Nickel und Zinkblech teilweise bis vor kurzem noch ungenügend, und es ist der Bedarf an Zinkblechen auch heute noch nicht vollständig gedeckt. Im Hinblick auf diese Sachlage wurde vorerst die Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 3. April 1918 betreifend Gewinnung und Verarbeitung von Metallen etc. mit Wirkung vom 10. März 1919 hinweg für Neumetalle und Halbfabrikate teilweise ausser Kraft gesetzt, mit Ausnahme der Art. 12 und 13 und, soweit die Verfügung nicht Anwendung findet, auf Zinn, Nickel und Zinkblech. In Anbetracht der grossen Nachfrage nach diesen drei Metallen glaubten wir, mit der totalen Aufhebung der Verfügung noch zuwarten zu sollen.

In letzter Zeit haben sich aber auch mit Bezug auf Zinn, Nickel und Zinkblech die Verhältnisse gebessert, so dass wir am 5. Mai auch mit Bezug auf die letztgenannten Waren die einschränkenden Bestimmungen aufheben konnten. Es bleiben somit nur noch die Art. 12 und 13 (monatliche Bestandesaufnahme und Pflicht zur Auskunfterteilung) der Verfügung vom 3. April 1918 in Kraft, deren Bestimmungen uns die Mittel an die Hand geben, den Handel einerseits noch in gewissen Grenzen zu überwachen und anderseits ein klares" Bild über die im Lande vorhandenen Vorräte an Metallen zu gewinnen. Die Bestandesaufnahmen werden es uns hierbei ermöglichen, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob einem Ausfuhrgesuche entsprochen werden kann, ohne die schweizerischen Interessen zu schädigen.

Der Umstand, dass die Preise für Neumetalle eine starke Ermässigung erfahren haben, hat auch auf den Handel mit Altmetallen zurückgewirkt und denselben lahmgelegt. Es war daher gegeben, die Departements Verfügung vom 3. April 1918 auch in bezug auf Altmetalle ausser Kraft zu setzen, was mit Ausnahme der Art. 12 und 13 durch Verfügung vom 19. März 1919 erfolgte.

Gleichzeitig wurden auch die Höchstpreise für Altmetalle und Metallabfälle, die Ende Oktober in einer Sitzung mit den Interessenten neu festgelegt und mit Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 4. November 1918 genehmigt worden waren, aufgehoben.

Auch in bezug auf das Aluminium hat der Waffenstillstand die Verhältnisse, die seinerzeit die behördliche Kontrolle erfordert haben, wesentlich geändert. In letzter Zeit wurde infolge der allgemeinen Zurückhaltung nur mehr wenig Aluminium abgerufen.

Dazu kommt,
dass der Armeebedarf, der zirka 14 % der der Schweiz zur Verfügung stehenden Menge ausmachte, wegfällt.

Die Elektrotechnik, die 17 % der Anfallmenge für sich gebrauchte, kehrt infolge der grössern Kupferzufuhren und des eingetretenen.

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Preisrückganges in diesem Metalle zu Kupferleitungen an Stelle ·der Aluminiumleitungen zurück. Diese Umstände hatten zur Folge, dass gegenwärtig die Produktion von Aluminium grösser ist als die Nachfrage nach solchem. Da Produzenten, Walzwerke und Fabrikanten noch über erhebliche Vorräte verfügen (die verfügbaren Reserven betragen über 1000 Tonnen und sind imstande, den Bedarf der Industrie während fünf bis sechs Monaten zu decken), da ferner die Weltaluminiumproduktion sich während des Krieges verdreifacht hat, ein Import also nicht nur im Bereich der Möglichkeit, sondern der Wahrscheinlichkeit liegt, glaubten wir dem Bundesrat vorschlagen zu dürfen, die Aluminiumkontrolle aufzuheben. Es wurden daher der Bundesratsbeschluss vom l1. Mai 1917, sowie die Departementsverfügungen vom 1. September 1917, 26. November 1917 und 28. Mai 1918 mit Wirkung vom 1. März 1919 hinweg ausser Kraft gesetzt.

Auch auf dem Eisenmarkt hat das Zustandekommen des Waffenstillstandes die Verhältnisse von Grund auf verschoben.

Obschon anfänglich die Zufuhren noch gering waren, so wurde doch der Handel infolge der allgemeinen Zurückhaltung sehr gedrückt. Es rechtfertigte sich daher die Aufhebung der Höchstpreise für Eisen und Eisenhalbfabrikate, die gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend den Verkehr mit Eisen und Stahl vom 23. Januar 1917 festgesetzt worden waren. Die Ausserkraftsetzung erfolgte auf den 10. März 1919. Auch die Aufhebung der Regelung des Handels resp. der Versorgung mit Alteisen, Altguss und mit Eisen- und Stahldrchspänen liess sich nun rechtfertigen.

Es wurden deshalb der Bundesratsbeschluss vom 18. Januar 1918, sowie die Departementsvcrfügungen vom 27. September 1917 und 18. Januar 1918 auf den 25. März 1919 aufgehoben.

Auf Grund einer nähern Prüfung der Frage des Bedarfes an · e l e k t r i s c h e n M a s c h i n e n im Inlande konnte festgestellt werden, dass derselbe genügend gedeckt ist und dass die Nachfrage im allgemeinen nicht mehr den Grad der Jahre 1917 und 1918 erreichte, so dass die Verfügung vom 24. Oktober 1917 betreffend die Bestandesaufnahme von elektrischen Motoren, Generatoren und Transformatoren vom 25. Januar 1919 hinweg ausser Kraft gesetzt werden konnte.

Was den A u s f u h r d i e n s t anbelangt, so konnte nach der Aufhebung der S. T. S. die Ausfuhr nach den Ententestaaten, soweit der Inlandsbedarf nicht in Frage kam, frei erfolgen, so dass Erleichterungen für die Industrie und den Handel geschaffen

207 werden konnten. Für eine Anzahl von Zolltarifpositionen wurden infolgedessen generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt. Für die Ausfuhr nach dem frilhern Gebiet der Zentralmäcbte stehen ebenfalls Milderungen in Aussicht.

Die Sektion Metalle und Maschinen beschränkt also heute ihre Tätigkeit lediglich mehr auf die Handhabung der Ausfuhrverbote und die Feststellung der hierzu nötigen Grundlagen. Alle Handels- und Verkehrsbeschränkungen im Inlande sind dahingefallen.

S e k t i o n Chemie. Die seit 1918 wieder aufgenommenen Importe an deutschen F a r b s t o f f e n erfuhren seither eine starke Gefährdung. Durch den Abschluss des Waffenstillstandes gelangte der grösste Teil der deutschen Farbenfabriken in das Okkupationsgebiet der Entente, wodurch die Lieferungen dieser Werke nach der Schweiz teils eingeschränkt, teils vollständig eingestellt wurden. Die politische Lage in Deutschland zwang aber auch die ausserhalb der Okkupationszone liegenden Werke zur Reduktion der Betriebe und zur teihveisen Einstellung der Lieferungen. Die Importe an deutschen Farbstoffen betrugen daher seit November 1918 nur zirka 35 °/o der durchschnittlichen Iniporte der 16 Monate vom Januar 1917 bis April 1918. Trotz dieser erheblichen Verschlechterung in der Farbstoffversorgung beantragte eine Interessentengruppe -die Aufhebung der bundesrätlichen Verordnung betreffend den Verkehr mit Farbstoffen, während sich andere Interessenten ebenso lebhaft für Beibehaltung aussprechen. Die bezüglichen Verhandlungen sind noch im Gange, wir glauben aber heute schon, die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses über den Verkehr mit Farbstoffen in baldige Aussicht stellen zu dürfen.

Die Überwachung des Marktes von t e c h n i s c h en F e t t e n, ·Ölen, H a r z e n und W a c h s a r t e n , sowie die Sicherstelluog der Landesversorgung in diesen Artikeln war unter Aufsicht der Sektion Chemie in der laufenden Berichtsperiode fast ausschliesslich der bereits im letzten Neutralitätsbericht beschriebenen, als Selbstverwaltungskörper aller Interessenten organisierten Zentralstelle für technische Fette (,,Lipos") überlassen. Diese wirkte durch die Art der Erteilung von Importbewilligungen und durch die Verteilung aller inländischen, sowie der ihr von der eidgenössischen Fettzentrale überwiesenea Fette und Oele direkt markt-, und preisregulierend. Indirekt
übte sie einen sehr günstigen Einfluss aus durch ihr Auftreten als Vermittlerin bei Käufen im Ausland, durch ihre häufige Intervention in Transport!ragen und durch die den Mitgliedern auf dem Zirkularwege regelmässig übermittelten .neuesten Auskünfte über Markt- und Transportverhältnisse. Zu/olge dieser Massniihmen gelang es in der Hauptsache, durch private Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

14

208

Tätigkeit die Versorgung des Landes mit technischen Fetten, Ölen, Harzen und Wachsarten in hinreichender Weise durchzuführen..

Die Anerkennung ihrer Tätigkeit fand diese Zentralstelle darin, dass die wirtschaftlich-technische Konferenz vom 18. bis 19.

Februar 1919 sich mit deren Fortbestand einverstanden erklärte und dass auch in der Generalversammlung vom 19. März 1919, welche von 70 Mitgliedern besucht war, anlässlich der Abstimmung sich nur vier für Aufhebung der betreffenden bundesrätlichen Erlasse und Aufhebung der ,,Lipos" aussprachen.

Bei dieser Gelegenheit votierten ' auch alle gegen einen Anwesenden für Beibehaltung des Leinöl-Clearings, jener Institution, welche seit September 1917 einen einheitlichen Durchschnittspreis für Leinöl in der ganzen Schweiz und limitierte Gewinne für die Importeure festsetzt, unter gleichzeitiger Ausschaltung von übermässigen Baisseverlusten auf den Importen.

Immerhin soll selbstverständlich auch hier ein Abbau stattfinden und es ist ein solcher soweit als möglich auch schon vorgenommen worden. So hat die ,,Lipostt im Einverständnis mit der Sektion Chemie die Importe bis auf wenige noch unumgänglich nötige Ausnahmen von der Bedingung einer Bewilligung befreit. Ebenso hat sie die Verteilung der inländischen technischen Fette aufgegeben und dementsprechend nicht nur ihr Personal, sondern auch die zu ihren Gunsten in der Departementsverfügung vom 19. August 1918 vorgesehene Importgebühr von Maximum */2 °/o nach und nach bis auf lli °/o reduziert.

Schliesslich sind die Höchstpreise für tierische Fette und Öle zu technischen Zwecken aufgehoben worden.

Wie auf vielen anderen Wirtschaftsgebieten, hat auch auf dem Markte der S e i f e n und W a s c h m i t t e l der Abschluss des Waffenstillstandes ein plötzliches Nachlassen der Nachfrage und ein stark gesteigertes Angebot verursacht, beides in der Erwartung baldiger Preisstürze. Die aus Vertretern aller Interessentenkreisebestehende Seifenkommission, welche vom Departement auf Grund der Verfügung vom 21. Oktober 1918 gewählt worden war, beschloss deshalb am 21. November 1918, es seien vorläufig zur Sicherstellung der Versorgung des. Landes mit Seifen und Waschmitteln keine weitereu Verordnungen zu erlassen, sondern nur die nötigen Vorarbeiten hiezu zu besorgen; im übrigen müsse die Entwicklung der Dinge
abgewartet werden.

In der Folge zeigte sich bald, dass der Preisüberforderung und der Fabrikation minderwertiger Waren durch die Zurückhaltung der Konsumenten sehr rasch ein Ende gemacht wurde.

Das durch den allgemeinen Geschäftsstillstand und das Bestreben, vorhandene Reserven aufzubrauchen stark reduzierte Bedürfnis,

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nach guten Seifen und Waschmitteln vermochte die inländische Produktion vollauf zu befriedigen. So wurde am 18. und 39. Februar 1919 durch die Vertreter von Handel und Industrie die Anregung auf Aufhebung des Bundesratsbeschlusses über die Versorgung des Landes mit Seifen und Waschmitteln vom 18. Oktober 1918 gemacht, welchem Wunsche der Bundesrat am 4. März 1919 aus den angeführten Gründen entsprechen konnte. Gleichzeitig hob das Departement die Verfügung vom 21. Oktober 1918 auf.

Die gesamten inländischen Vorräte, sowie die Produktion von G l y c e r i n sind am 29. November 1916 durch das politische Departement beschlagnahmt worden, weil damals auf Grund der Anforderungen des Auslandes und der unzulänglichen schweizerischen Versorgung eine sorgfältige Verteilung notwendig war, Heute besteht infolge der guten Fetteingänge keine Notwendigkeit mehr, die Beschlagnahme fortzusetzen. Die Konferenz der Industriellen und Händler vom 18. bis 19. Februar 1919 stimmte dieser Ansicht zu. Das Departement gab darauf durch Verfügung vom 4. März 1919 den Handel mit Glycerin frei.

Die im letzten Berichte erwähnten monatlich festzusetzenden Höchstpreise für Tee r und T e e r p r o d u k t e blieben in der abgelaufenen Berichtsperiode, d. h. bis Ende Januar 1919 konstant, da sich die Kohlenpreise seit Juni 1918 nicht geändert haben.

Nach Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen im Dezember 1918 drohte dem schweizerischen Markte eine Ueberschwemmung mit ausländischen, namentlich deutschen, billigen Teerprodukten, Die Unterbietung der schweizerischen Produktion war auf die billigen Kohlengestehungspreise der ausländischen Konkurrenten (zirka 25 °/o der Schweizerpreise) zurückzuführen. Da sich aber unsere Marktverhältnisse infolge der steigenden Kohlen- bezw.

Teerpveise und der vermehrten Verwendung von Teer zu Feuerungszweckeu in Deutschland, wie auch der Reduktion der Kohlenpreise für die Schweiz infolge von Lieferungen von Saarkohle durch die französische Regierung, wesentlich besserten, ersuchten die Interessenten, die Verfügung vom 19. März 1917 (allgemeine Vorschriften betreffend Verwendung von Teer) mit Wirkuog ab 1. Februar 1919 aufzuheben und den Bundesratsbeschluss vom 5. Januar 1917 über die Beschlagnahme und die Verwendung von Teer sobald wie möglich ausser Kraft zu erklären. Der Bundesrat hat durch
Beschluss vom B. Februar 1919 diesem Gesuch Folge gegeben, d. h. den Bundesratsbeschluss vom S.Januar 1917 sowie die allgemeinen Vorschriften vom 19. März 1917 mit Wirkung ab 1. Februar 1919 aufgehoben.

Als Folge der bereits im letzten Bericht erwähnten Tatsache, dass die Schweizerische Sodafabrik heute im Stande ist, allen

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Anforderungen des Landes für oalc. S o d a zu entsprechen, konnte durch Verfügung vom 27. Januar 1919 die Beschlagnahme für dieses Produkt aufgehoben werden. Für N a t r o n l a u g e und Ätzn a t r o n , A t z k . a u und P o t t a s c h e waren die Verhältnisse damals noch nicht so abgeklärt, sie gehen aber jetzt einer Klärung entgegen, sodass auch für diese Alkalien in nächster Zeit die Aufhebung der Beschlagnahme möglich sein dürfte.

Gleichzeitig mit der Beseitigung der Beschlagnahme wurden natürlich auch die, gestützt auf diese im Sommer 1918 angelegten, einen Landesbedarf von drei Monaten umfassenden, eisernen Reserven an cale. Soda freigegeben. Allerdings ist eine genügende Inlandsproduktion an diesem Produkt, welche in erster Linie von der ausreichenden Belieferung unseres Landes mit Qualitätskohle abhängt, heute noch keineswegs sicher gestellt, jedoch liefert das Ausland bereits wieder Soda zu bedeutend niedereren Preisen, sodass die teuren Reserven unsere Soda konsumierenden Industrien, vor allem die zur Konkurrenz auf dem Weltmarkt gezwungene Textilindustrie, allzusehr belasten würden.

Die Freigabe dieser Reserven veranlasste anfangs Februar 1919 die Sodafabrik Zurzach zur vorübergehenden Schliessung ihres Betriebes, welche Massnahme mit Rücksicht auf unsere mangelhafte Kohlen Versorgung ein Gebot der Notwendigkeit war. Da die Sodafabrik Zurzach bei der Schliessung ihre teuren Kohlen ändern Industrien zur Verfügung stellte, wird sie in die Lage versetzt, die Fabrikation von Sodaprodukten später unter für sie und die Konsumenten günstigeren Bedingungen wieder aufnehmen zu können.

Der Wiederbeginn der Sodaimporte aus dem Ausland und die damit erfolgte Unterbietung unserer Sodafabrik haben aber vor allem den Entscheid der Frage verlangt, ob der schweizerischen Fabrik die Fortexistenz durch irgendwelche behördlichen Massnahmen gesichert, oder ob dieselbe sich selber überlassen werden solle.

Die Idee und die Anfänge einer schweizerischen Sodafabrik gehen auf eine Zeit weit vor Kriegsausbruch zurück. Das Haupthindernis zu einer solchen Gründung und damit zur rationellen Ausbeutung unserer Steinsalzlager war die mächtige ausländische Konkurrenz, welche den schweizerischen Alkalieumarkt vollständig beherrschte. Dieses Hindernis konnte im Jahre 1914 endlich dadurch umgangen werden, dass es
gelang, für die schweizerische Fabrik einen Abnehmerkreis zu schaffen, welcher sich verpflichtete, seinen Bedarf ausschliesslich dort zu decken.

Auf dieser Basis wurde im Dezember 1914 die schweizerische Sodafabrik in Zurzach als Aktiengesellschaft mit einem

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Aktienkapital von Fr. 3,750,000 und über Fr. 10,000,000 Obligationenkapital gegründet. Von ersterm fallen zirka 40 % auf die grössern Sodakonsumenten und einige Händler, der Rest ist von den Kantonen übernommen worden. Gegen Ende des Jahres 1916 begann die Fabrik den Betrieb langsam aufzunehmen, nachdem ihre Fertigstellung mit aller Eile betrieben und von Seiten des Volkswirtschaftsdepartements nach Möglichkeit unterstützt worden war.

Deutschland, unser bisheriger Hauptlieferant, hatte nämlich seine Alkaliensendungen immer mehr eingeschränkt und sie schliesslich gegen Ende 1917 gänzlich eingestellt. Die Einfuhren betrugen im ganzen Jahr 1917 nur zirka einen normalen schweizerischen Monatsbedarf. Uusere Sodaversorgung war also seit Anfang des Jahres 1917 zur Hauptsache, später ausschliesslich auf die Fabrik in Zurzach angewiesen. Dieser Umstand bedingte zwar wegen der teuren Kohlen hohe Sodapreise, verhinderte aber, wenn auch Sodaprodukte vorübergehend knapp waren, während des ganzen Krieges das sonst unvermeidliche Fehlen von Soda, wodurch zahlreiche Industrien zum Stillstand gezwungen worden wären, und erlaubte zugleich auch der Sodafabrik eine günstige Entwicklung. Heute allerdings offeriert die ausländische Konkurrenz nun wieder cale. Soda zu so billigen Preisen, dass die Konkurrenzfähigkeit unserer Sodafabrik ausgeschaltet ist. In ähnlichem Verhältnisse stehen die Preise des aus dem Ausland angebotenen Ätznatron zu demjenigen von Zurzach. Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass die derzeitigen Preise, der Sodafabrik hoch sind und dass sie sich in Anbetracht bedeutender, während der Kriegszeit vorgenommener Abschreibungen und mit den sinkenden Kohlenpreisen stark werden reduzieren lassen, so ist doch mit Sicherheit vorauszusehen, dass die schweizerische Sodafabrik, bevor nicht normale Kohlenpreise eingetreten sind, die heutigen billigen Importpreise der ausländischen Konkurrenz nicht wird einhalten können. Überlässt man also die neue Fabrik ihrem Schicksal, so ist ihre Existenz vorläufig unmöglich, aber auch in späterer Zeit sehr in Frage gestellt.

Vorübergehend allerdings bekäme die Schweiz auf diese Weise billige Soda, weil die ausländische Konkurrenz natürlich alles tun würde, um unsere Fabrik zu unterbieten und möglichst rasch zur Strecke zu bringen. Nachher wäre aber die ausländische
Gesellschaft wieder unbehindert und könnte unsern Sodakonsumenten nach Belieben die Preise diktieren.

Wie wichtig für die wirtschaftliche Existenz eines Landes aber gerade seine möglichste Unabhängigkeit auf dem Gebiet

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der industriellen Rohstoffe ist, haben die letzten Jahre gezeigt.

Es schien deshalb selbst auf das Risiko kleiner Preisdifferenzen hin absolut notwendig, die schweizerische Sodafabrik vor einem Zugrundegehen zu schützen, denn Soda bildet neben Schwefelsäure nicht nur den wichtigsten Rohstoff der gesamten chemischen Industrie, sondern ist auch für grosse Teile der Textilbranche ein unbedingter Lebensfaktor. Schliesslich sei noch beigefügt, dass die Aktien der schweizerischen Sodafabrik zu mehr als der Hälfte in den Händen von Kantonen, also der Öffentlickkeit sind, und somit auch öffentliche Interessen den Fortbestand der schweizerischen Sodafabrik fordern.

Diese Sachlage führte uns dazu, zum Schütze der Sodafabrik eine Konzessionierung von Fabrikation und Import von Soda zu verfügen. Auf diese Weise hat man es in der Hand, soweit die Interessen der Konsumenten es gestatten, der inländischen Fabrikation eine Vorzugsstellung durch Beschränkung der Einfuhrbewilligung zu ertailen. Wir haben denn auch dieses Prinzip zur Grundlage des Bundesratsbeschlusses betreffend die Versorgung des Landes mit Sodaprodukten gemacht. Derselbe bedeutet für die schweizerische Sodafabrik den gleichen Schutz wie ein Monopol, bietet aber gegenüber diesem wenigstens für den gegenwärtigen Moment einen dreifachen Vorteil: erstens wird dadurch eine Verfassungsänderung nicht nötig, zweitens ist die vorgeschlagene Massnahmc sofort durchführbar und drittens hat sie nur den provisorischen Charakter eines Bundesratsbeschlusses, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten, und kann bei Wiedereintritt normaler Verhältnisse entweder fallen gelassen oder in ein Deftnitivum umgewandelt werden.

Der Bundesratsbeschluss betreffend die Versorgung des Landes mit Sodaprodukten begnügt sich nicht mit der Regelung der Einfuhr, sondern knüpft auch die Erzeugung von Soda an eine staatliche Bewilligung. Die Gründe hierzu liegen in folgendem : Einmal war es zweckmässig, dem Bundesratsbeschluss von heute den Inhalt zu geben, welcher möglichst demjenigen entspricht, den -- falls es nötig werden sollte -- ein definitiver, gesetzlicher Schutz der schweizerischen Socaproduktion erhalten sollte. Dadurch wird die spätere Durchführe c desselben bedeutend erleichtert.

Die engültige Regelung Hesse sich nämlich am besten auf Art. 34ter der Bundesverfassung aufbauen, welcher dem Bund gestattet, auf dem Gebiete des Gewerbewesens einheitliche Bestimmungen aufzustellen.

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Zum ändern ergibt die nötige Beschränkung eine so einseitige Bevorzugung der inländischen Produktion, dass im Interesse des Landes resp. der Konsumenten eine sorgfältige Beaufsichtigung der Fabriken in bezug auf Fabrikationsweise und Preisbildung durchaus erforderlich ist. Die feste Unterlage für eine derartige staatliche Aufsicht bietet aber unbedingt die Konzessionierung der Produktion.

Aus diesen Erwägungen heraus wurde im Einverständis mit den Neutralitätskommissionen am 25. Februar 1919 der Bundesratsbeschluss über die Versorgung des Landes mit Sodaprodukten .gefasst. Er macht sowohl die Herstellung von kalzinierter Soda und kaustischer Soda (NaaCOs und NaOH) wie auch den Import von einer Bewilligung des Bundesrates abhängig und ermöglicht so, die schweizerische Sodafabrik auf der einen Seite zu schützen, anderseits aber bei ungenügender Produktion oder unbefriedigenden Preisen durch die Erteilung entsprechender Importbewilligungen korrigierend auf den schweizerischen Sodamarkt zu wirken.

Selbstverständlich ist im Interesse der Konsumenten eine scharfe Kontrolle der Konzessionäre nötig, denn es wäre nicht zu verantworten, einzelnen Firmen eine derartige Vorzugsstellung einzuräumen, wenn nicht Hand in Hand damit eine genaue staatliche Aufsicht darüber gehen würde, ob die Fabrikation absolut reell und die Preise innerhalb bescheidener festzusetzender Gewinngrenzen sind. Zur Ausübung dieser Aufsicht wurde vom Bundesrat eiue fünfgliedrige Kommission, bestehend aus je einem Vertreter der Hauptkonsumenten, d. h. der Textil , Seifen- und chemischen Industrie, und aus zwei unparteiischen Fachleuten, einem Deutsch- und einem Westschweizer, ernannt.

Diese Kommission beginnt eben ihre Tätigkeit. Bisher wurde vorn Volkswirtschaftsdepartement an die schon bestehenden Unternehmungen provisorische Fabrikationsbewilligungen erteilt. Importe wurden nur für Waren bewilligt, welche nachweisbar schon vor dem 10. März 1919, dem Datum des Inkrafttretens des Bundesratsbeschlusses über die Versorgung des Landes mit Sodaprodukten, fest gekauft worden waren.

Auch in bezug auf den A u s f u h r d i e n s t konnte die Sektion Chemie in ihrem Arbeitsgebiet verschiedene Erleichterungen eintreten lassen, indem das allgemeine Ausfuhrverbot durch Erteilung von generellen Bewilligungen, soweit es die Inlandsversorgung und
die internationalen Abmachungen gestatteten, aufgehoben wurde. Wir verweisen diesbezüglich auf die Verfügungen des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 8. Februar 1919 und 24. März 1919.

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S e k t i o n T e x t i l - und L u x u s i n d u s t r i e . Die Berichtsperiode steht unter dem Zeichen des Abbaus der kriegswirtschaftliehen Massnahmen. Waffenstillstand und Beginn der Friedensverhandlungen haben die vollständige Aufhebung der durch den Krieg notwendig gewordenen Beschränkungen des freien Verkehrs in nicht all/uferne Zeit gerückt. Aber die Durchführung des Abbaus ist nur in dem Masse möglich gewesen, in welchem esdie politische äussere Lage erlaubt hat und die weltpolitischen Verhältnisse entbehren noch einer Klärung. Deshalb konnte im Interesse des Landes und der heimischen Industrie -- und die beteiligten Industrien sind die ersten, welche auf Beibehaltung der kriegswirtschaftlichen Massnahmen dringen, wenn der Abbau in Sicht steht -- die Aufhebung der kriegswirtschaftlichen Massnahmen noch nicht in allen Teilen gefördert und beendet werden.

Denn die Ziele, die beim Aufbau der Kriegswirtschaft die Richtlinien bestimmten, der Schutz der Inlandindustrie, die Deckung des Inlandsbedarfes und die Überwachung des Exportes dürfen auch für den Abbau der kriegswirtschaftlichen Massnahmen nichts von ihrer Bedeutung einbüssen.

Die Bßfreiung des E x p o r t e s von den bisherigen Beschränkungen hat kräftig eingesetzt und ist durchgeführt worden, soweit es die Verhältnisse irgendwie erlaubten. Durch Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements konnten im Februar und März für eine Reihe von Artikeln generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt werden, wie z. B. für Uhren und Uhrenbestandteile Stickereien aller Art, Posamenteriewaren, seidene und kunstseidene, Wii-k- und Strickwaren, Hüte etc. In Aussicht genommen ist die generelle Ausfuhrbewilligung auch für Wirk- und Strickvvaren aus Baumwolle. Diese generellen Ausfuhrbewilligungen kommen freilich vorläufig nur in Betracht für die Länder der Entente und für neutrale Länder im Transit durch die Entente, sowie für die Staaten, denen gegenüber die Blokade bereits aufgehoben wurde. Die Erleichterungen, welche Deutschland dem Transitverkehr nach neutralen Staaten eingeräumt hat, konnten noch nicht zu voller Wirkung kommen, da solange die Blokade besteht, die beschränkenden Massregeln der S. S. S. eingreifen. Bei allen Anfragen, die den Export betreffen, bleibt es das Bestreben der Sektion, den Handel im weitestgehenden Masse zu unterstützen. So ist
eine Reduktion der Gebühren von l % auf y» % ad valorem verfügt worden.

Der Abbau der kriegswirtschaftlichen Beschränkungen hat zuerst bei denjenigen Industrien durchgeführt werden können, die sich mit dem Sammeln, Sortieren und Verarbeiten von Lumpen

215und neuen Stoffabfällen beschäftigten. Das Verbot des Reissens von Lumpen und Säcken, das im September 1918 eingeführt wurde, konnte am 3. Januar wieder aufgehoben werden. In der Folge wurden sukzessive der Handel mit Altpapier (Verfügung vom J 9. Januar 1919) und das Sammeln und Handeln von Lumpen freigegeben (12. März 1919), nachdem bereits durch Verfügung vom 25. Januar der Höchstpreis für Lumpen aufgehoben worden war. Die Rohproduktenkontrolle in Basel ist in Liquidation getreten und die Beendigung der Liquidierung ist auf Mitte Mai zu.

erwarten. Dagegen ist im. Handel mit Baumwollfabrikaten eine Aufhebung der eingeführten Beschränkungen noch nicht möglich gewesen, da der Schutz der schweizerischen Fabrikanten und.

Kaufmanns vor der Konkurrenz ausländischer. Firmen mit unerwünschten Geschäftspraktiken eine weitere Überwachung des Verkehrs dringend erheischt.

Die kriegswirtschaftlichen Massnahmen, die in der letzten Berichtsperiode zum Schütze der inländischen Wollindustrie und der schweizerischen Konsumenten eingeführt worden sind, haben nun die vollständige Durchführung der Organisation der Volkstuch A.-G. ermöglicht. Die Fabrikation des Volkstuches ist beendet und es ist nun mit dem Vertrieb auch des konfektioniertenVolkskleides begonnen worden. Es steht zu erwarten, dass allgemein die hier gebotene Gelegenheit zum Ankauf dauerhafter und guter Tuche und Kleider zu relativ billigen Preisen in weitestem Umfange benützt werden wird. Um das weitere Eindringen unerwünschter ausländischer Firmen und solcher Händler zu verhindern, die während des Krieges aus allen möglichen Ländern nach der Schweiz gewandert sind, ist im Januar die Konzessionierung für den Wollhandel eingeführt, worden.

Eine im November letzten Jahres durchgeführte Bestandesaufnahmehat ergeben, odass der Inlandbedarf als sichergestellt gelten darf, doch konnte der Export in .Wollfabrikaten der Überwachung noch nicht entbehren und auch in diesem Jahre ist die Beschlagnahme der Vorräte an Schweizerwolle durch Verfügung des Departements vom 25. Januar 1919 geordnet worden, um die Bedürfnisse der heimischen Konsumation und besonders der verarbeitenden Industrie völlig sicherzustellen.

Mit der Liquidation der Untersektion für Uhren ist begonnen worden und die Liquidierung wird in der ersten Hälfte des Monats Mai durchgeführt werden können.

Die Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse der schweizerischen Textil- und Luxusindustrie bleibt in hohem Masse ab-

216 hängig von den ausserpolitischeu Verhältnissen. Sobald ein Abbau der kriegswirtschaftlichen Massnahmen möglich erschien und wirtschaftlieh zu rechtfertigen war, hat die Sektion den Abbau begonnen und ist darin bis zur Grenze des Zulässigen gegangen.

. S e k t i o n P a p i e r i n d u s t r i e . Der Abschluss des Waffenstillstandes brachte in der gesamten Papierindustrie eine völlige Umgestaltung der bisherigen Verhältnisse mit sich. Einesteils erlaubte die Aussicht auf den bevorstehenden Friedensschluss und das gute Ergebnis der in der Berichtsperiode vorgenommenen Bestandesaufnahme, die auf den 30. November 1918 abgeschlossen wurde, einen grossen Teil der behördlichen Vorschriften aufzuheben und die Papiersparmassnahmen einzustellen. Anderseits bewirkte aber der Waffenstillstand eine völlige Stagnation in der Papier- und Pappenfabrikation, indem die Verbraucher mit neuen Bestellungen fast vollständig zurückhielten, während unserem Lande inzwischen aus den Zentralstaaten plötzlich Papier- und Pappenofferten in ungeahnter Zahl gemacht wurden. Dass die Einfuhr trotz der den Import begünstigenden Valuta Verhältnisse und trotz der billigen Preise bis heute noch keine überwiegende Bedeutung erlangen konnte, ist wohl neben den Transportschwierigkeiten darauf zurückzuführen, dass viele Papierverarbeiter sich während des Krieges grössere Vorräte angelegt hatten, und dass auch bei ihnen, wie bei den Fabrikanten, in der Auftragserteilung eine Stockung eintrat.

Aus diesem Grunde wurde auch bei der Papierzentrale ausser .Zeitungsdruckpapier sozusagen kein Papier mehr bestellt, was wiederum zur Folge hatte, dass trotz weitgehender Berücksichtigung der Ausfuhrgesuche, die nur für Sehweizerfabrikate bewilligt wurden, sich die inländischen Fabriken zu neuen Betriebsreduklionen gezwungen sahen. Die meisten Fabriken erzeugen heute nur noch einen Drittel der normalen Produktion, während bereits drei kleine und zwei grosse Papierfabriken ihre sämtlichen Maschinen abstellen mussten. Der Gefahr drohender Arbeitslosigkeit muss daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden bei der Behandlung der Einfuhrfrage.

Das gleiche gilt für die Zellulosefabriken. Die Abnehmer ihres Fabrikates, d. h. die Papierfabriken, haben bereits in der Mitte letzten Jahres, als in der Schweiz das Papierholz noch ungenügend geliefert
wurde, mit dem Import schwedischer Zellulose begonnen. Ihre Lage ist deshalb heute, wo der Inlandsbedarf gleich Null ist, und auch der Export nicht so gross ist, um die Fabriken voll beschäftigen zu können, nicht günstiger als diejenige der Papierfabriken.

217 Neben der Erhöhung des Preises von Fr. 5 für den Ster ge·sohältes Papievbolz (Fichte, Tanne, Aspe), welche die Interessenten infolge der Schwierigkeit in der Beschaffung des Papierholzes im November 1918 zugestehen mussten, und die von den Fabrikanten ohne Erhöhung der Preise für die Papierkriegstypen getragen wurde, ist noch speziell auf die Schwierigkeit in der Beschaffung von Kolophonium und Metallsieben aus Frankreich während der Berichtsperiode hinzuweisen. Die Nichtlieferung der uns vertraglich zugesicherten Kontingente zwang uns, die Ausfuhr von Zellulose und Papier nach Frankreich und Italien zeitweise zu sistieren, bis wir bestimmte Berichte über das Eintreffen der kompensations·weise zugesicherten Artikel erhielten.

Was sodann die Schaffung von Erleichterungen in der Papierrationierung und die Aufhebung behördlicher Vorschriften anbelangt, so wurden bereits durch den Bundesratsbeschluss vom 16. September 1918 in der Weise Erleichterungen im Papier·verbrauch der Presse geschaffen, dass alle die Publikationen, die ·einen besonders starken Abonnentenzuwachs aufweisen oder besondere Verhältnisse geltend machen konnten, die Möglichkeit erhielten, unter besondern Voraussetzungen eine Erhöhung ihres Kontingentes zu verlangen. Von diesem Recht machten denn auch eine ganze Reihe von Publikationen Gebrauch, wobei in den meisten Fällen den Begehren entsprochen werden konnte.

Der eigentliche Abbau der Einschränkungsvorschriften für die Presse wurde entsprechend der Zeitlage dadurch eingeleitet, dass auf den 1. Januar 1919 die für das Jahr 1918 festgesetzte Einsparungsquote um 5 % herabgesetzt wurde. Diese Erleichterung wirkte insbesondere für die kleinere und mittlere Presse sehr wohltätig. Durch Bundesratsbeschluss vom 7. März 1919 wurde sodann das Volksvvirtschaftsdepartement ermächtigt, von der Rationierung der Presse vom 1. April 1919 hinweg gauz Umgang zu nehmen oder die bisherigen Einschränkungen weiterhin zu mildern.

Das schweizerische Volkswirtschaftsdepartement hat hierauf durch Verfügung vom 8. März 1919 die Kontingente der Presse, die schon vor dem 27. Oktober 1917 bestanden, auf den 1. April 1919 aufgehoben und nur die seither mit Bewilligung des Bundesrates neu gegründeten periodischen Publikationen unter der Kontingentierung belassen.

Zufolge des Abbaues der Presseeinschränkung
sind auf den 1. April 1919 ausser Kraft gesetzt worden der Bundesratsbeschluss vom 16. September 1917 betreffend die Papierversorgung des Landes, sowie die Verfügungen des Volkswirtschaftsdepartements vom 3. Januar 1918 und 15. Juli 1918 betreffend die Einschränkung des Papierverbrauchs von Zeitungen, Zeitschriften und

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ändern periodischen Publikationen. Ebenso wurde aufgehoben die?

Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom26. November 1917 betreffend die Einschränkung des Papierverbrauchs.

Im übrigen sind ferner folgende Vorschriften aufgehobenworden : 1. auf den 1. Februar 1919: der Bundesratsbeschluss vom10. Juni 1916 betreffend den Handel mit Altpapier, sowiePapier- und Pappenabfällen ; 2. auf den 10. März 1919 : Art. 5 der Departementalverfügung vom 15. Juli 1918 bezüglich der Einschränkungen für Emissionsprospekte aller Art; 3. auf den gleichen Zeitpunkt: die Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 1. März 1918 betreffend die Kontrolle über die Lieferungen von Papier, Karton, Pappen und Papierhalbfabrikaten.

Endlich wurde in Zuspruch verschiedener Eingaben vonInteressenten durch Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 18. Februar 1919 die generelle Ausfuhrbewilligung vom 18. Oktober 1918 dahin ergänzt und erweitert,, dass eine allgemeine Ausfuhrbewilligung auch für Karten und kartographische Werke ohne Beschränkung hinsichtlich des Gewichts und für die Waren der Zolltarifpositionen Nr. 318/20 und 330/40 b bis zum Maximalgewicht von 2 kg im Post- und Fernreisendenverkehr erteilt wurde.

Mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse wurde der Erlass der bereits ausgearbeiteten Einschränkungsvorschriften für Plakate, Programme, Kataloge usw., die auf den I.Januar 1919" ins Auge gefasst worden waren, um auf alle Fälle der Presse angesichts der Zeitverhältnisse neue Erleichterungen gewähren zu: können, nicht mehr notwendig, und es konnte die Sektion Papierindustrie auf den i. März 1919 ihren Spardienst, der sich hauptsächlich noch auf die Förderung freiwilliger Papiereinsparungen bezogen hatte, vollständig einstellen.

Die vollständige Aufhebung aller Vorschriften über Papierversorgung steht auf den 15. Juni bevor.

S e k t i o n L e d e r i n d u s t r i e . 1. Die im letzten Neutralitätsbericht erwähnte Erhöhung der Höchstpreise für Leder auf 1. November 1918 war in der Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 24. Oktober 1918 festgelegt. Seither wurden durch Verfügung vom 6. Februar 1919 die Höchstpreise für die rohen Häute um 50 bis 65 Rappen per Kilo oder um rund 15--20 °/o herabgesetzt. Ebenso wurden die Höchstpreise für Leder herab-

219 gesetzt und zwar im gleichen Verhältnisse, wie sie früher bei den jeweiligen Erhöhungen der Häutepreise erhöht worden waren.

Für Bodenleder macht die Herabsetzung 80 Rappen bis l Franken per Kilo oder 7--9 °/o aus, für Oberleder (vegetabiles Kalbleder und Boxcalf) 5--7 °/o. Die Höchstpreise für farbiges Schùhoberieder sowie diejenigen für Treibriemenleder und fertige Treibriemen wurden aufgehoben, die bisher auf den Treibriemenverkäufen erhobene Gebühr fallen gelassen. Die Aufhebung der Höchstpreise für farbige Oberleder erfolgte von der Überlegung aus, dass solche Luxusleder zuerst wieder der freien Preisgestaltung überlassen ·werden können; die Aufhebung der Höchstpreise für Treibriemen deshalb, weil es sich einerseits nicht um einen unentbehrlichen Bedarfsgegenstand des täglichen Lebens handelt und zudem in diesem Artikel eine Überproduktion vorhanden war. In der Folge ·sind denn auch, nach den bisherigen Berichten, die Preise für Treibriemen etwas gesunken. Bei den farbigen Ledern konnte hingegen ein Sinken der Preise nicht konstatiert werden.

Trotzdem auch bei den Häuten und beim Leder bald nach Abschluss des Waffenstilstandes das Angebot inländischer Ware die Nachfrage überstieg, wurde die Aufhebung der hierfür be·stehenden Höchstpreise nicht als zwekmässig erachtet, weil dieses grössere Angebot offensichtlich nur durch eine vorübergehende Stockung im Absatz hervorgerufen wurde, entsprechend der allgemeinen Stockung auf dem Inlandsmarkte überhaupt. Diese · Stockung insbesondere auf dem Schuhmarkte bedingte rückwirkend eine Stockung in der Lederübernahme der Schuhfabriken von den Gerbereien, und diese Stockung auf dem Ledermarkte wiederum rückwirkend eine Reduktion der Aufnahmefähigkeit der Gerbereien für die Häute. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass die Gerbereien gerade im letzten Kriegsjahre bedeutend mehr Häute ein·gearbeitet hatten als früher. Sie hatten das gesamte inländische ·Häutegefälle aufgenommen. Infolge der geschilderten Verhältnisse stauten sich nun seit Ende November 1018 die Häute bei der Häute- und Felllieferanten-Genossenschaft. Um diesem Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage die Möglichkeit zu geben, ·auf die Häutepreise im Sinne einer Reduktion regulierend einzuwirken, wurden mit Verfügung des Volkswirtschaftsdepartementes vom 30. Dezember 1918, nebst
einigen ändern Abänderungen der bisherigen Verfügungen, die für Häute und Felle bis dahin für ·die Häutehändler geltenden Minimaleinkaufspreise aufgehoben. Als -eine solche Wirkung trotzdem nicht eintrat --- die Häutelieferanten wiesen zur Begründung des Festhaltens der Preise namentlich darauf hin, dass sie einerseits verpflichtet gewesen waren, die grossen Vorräte noch zu den bisherigen Minimalpreisen einzukaufen, und ·dass anderseits die Häutepreise im Ausland eher eine steigende

220

Tendenz zeigten --, wurde schliesslich nach langen Verhandlungen <3er Sektion Lederindustrie mit den Interessentengruppen der Lederbranche eine grundsätzliche Verständigung über den Preisabbau für Häute und Leder ermöglicht. Auf Basis dieser Verhandlungen wurde dann, wie eingangs erwähnt, am 6. Februar 1919 dieser Preisabbau auf den 10. Februar verfügt. Eine Aufhebung der Höchstpreise für Häute und Leder erschien, namentlich mit Rücksicht auf die noch nicht abgeklärte Weltrnarktlage, nicht opportun.

Immerhin wird dieser Frage noch vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt. Die Aufhebung der Höchstpreise könnte zurzeit wohl nur dann erfolgen, wenn auf absehbare Zeit das grundsätzliche Ausfuhrverbot für Häute und Leder bestehen bliebe und nur dann ausnahmsweise Ausfuhrbewilligungen erteilt würden, wenn der Inlandsbedarf zu nicht zu hohen Preisen gedeckt und sichergestellt wäre. So haben sich denn auch die Vertreter der Interessentengruppen der gesamten Lederindustrie in einer Konferenz Ende März auf den Boden gestellt, dass eine Ausfuhr von Häuten und Leder nur unter dieser Bedingung erfolgen dürfte. Die bisdahin angehaltene Stockung im Absatz der Häute und des Lederà im Inlande wurde durch die Zusicherungen der Schuhfabriken und Lederhändler so zu heben versucht, dass sie sofort wieder neue Lieferungsverträge mit den Gerbereien abschliessen werden, wodurch den Gerbereien ihrerseits auch wieder eine grössere Aufnahmefähigkeit fUr die Häute ermöglicht werden wird.

Gegenwärtig wird auch die Aufhebung der Konzessionierung: des Lederhandels geprüft. Sie wird unter den gleichen Bedingungen erfolgen können wie die Aufhebung der Höchstpreise, d. h. unter vorläufiger Beibehaltung des grundsätzlichen Ausfuhrverbotes für Leder.

Sobald die Belieferung der Gerbereien mit Häuten und Fellen,, welche bisher unter Aufsicht der Sektion Lederindustrie durch die Organisation der privaten Häute- und Fellieferanten-Genossenschaft in Verbindung mit der Häuteverteilungsstelle des Verbandes schweizerischer Gerbereibesitzer erfolgte, auf vertragliche Basis gestellt sein wird, könnten die Vorschriften über die Versorgung der Gerbereien mit Häuten und Fellen aufgehoben werden, zugleich mit der Aufhebung der Konzession der Häuteßändler und der Höchstpreise für Häute und Felle im bereits erwähnten Sinne.

Die Verfügung des S. V. D. über
Lederabfälle vom 21. Juni 1918 konnte aufgehoben werden, da die Gerbereien ihren Fellbedarf wieder in genügender' Weise decken konnten und anderseits die durch diese Verfügung angeordneten Ersparnismassnahmen an Bodenleder nicht mehr unbedingt erforderlich schienen, wie die im Februar dieses Jahres durchgeführte Bestandesaufnahme über Häute und Leder festzustellen ermöglichte.

22t 2. Die Verfügung des S. V. D. über Lederfabrikate ist unverändert geblieben. Dagegen wurde hinsichtlich der Konzessionierung des Schuhhandels, welche zwecks Ausschaltung des spekulativen und die Waren verteuernden Zwischenhandels aufgestellt worden war, entsprechend den veränderten Verhältnissen, eine largere Praxis befolgt, namentlich auch in Anbetracht, dass die durchgeführte Bestandesaufnahrne über neue Schuhe ergeben hatte, dass die Sehuhversorguug des Landes auf zirka ein Jahr sichergestellt ist. Die Konzessionierung des Schuhhandels konnte kürzlich gänzlich fallen gelassen werden.

Die für die Überwachung der Preise im Sclmhhandel eingesetzte ständige Kontrolle wurde weitergeführt. Wenn in einzelnen Fällen Übertretungen (Nichtinnehaltung der Kontrollvorschriften und Übersetzung der Schuhpreise") feslgestellt wurden, so sind die Fehlbaren zur Rechenschaft gezogen und von zuständiger Stellebestraft worden. Wir haben übrigens eine besondere Erpertenkommission von ausserlralb der Bundesverwaltung stehenden Personen mit der eingehenden Begutachtung der Schuhpreisfrage betraut. Ihr Bericht steht noch aus.

Seit Herbst letzten Jahres haben die Schuhpreise keine Veränderungen erfahren. Wenn für die Schuhindustrie von einer allgemeinen Preiserhöhung Umgang genommen werden konnte, so ist dies darauf zurückzuführen, dass sich auf Februar dieses Jahres eine Reduktion für die hauptsächlichsten Schweizerleder ermöglichen Hess.

Seit Abschluss des Waffenstillstandes hat auf dem Schuhmarkt eine fühlbare Stagnation eingesetzt. Die Schuhhändler, welche über Lager verfügen, in denen beträchtliche Kapitalien investiert sind, waren daher nicht mehr in der Lage, Schuhbestellungen aufzugeben. Es führte dies zu wesentlichen Einschränkungen und Betriebsreduktionen in der Schuhfabrikation. In der Holzschuhfabrikation kam es sogar zu gänzlichen Betriebseinstellungen. Die Lage der Schuhindustrie hat sich umsomehr verschärft, als der Absatz im Auslande (trotz Aufhebung verschiedener formeller Beschränkungen") infolge von Transportschwierigkeiten, ungünstigen Valutaverhältnissen und Ein- und Durchfuhrverboten, nur in bescheidenem Rahmen möglich war. Ein vermehrter Export würde wesentlich dazu beitragen, dor drohenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und damit der einheimischen Arbeiterschaft Verdienstmöglichkeit zu
bieten, anderseits könnten auf diesem Wege die aus teurerem Rohmaterial hergestelltem Schuhe abgestossen und die inländischen Schuhgeschäfte nach Eintreffen billigerer Rohmaterialien mit Schuhwaren zu niedrigeren Preisen versorgt wer.den-

.222

Die Ausfuhr von Schuhen ist nach wie vor einer strengen Kontrolle unterworfen und sie wird im Interesse der Inlandsversorgung und Preisregulierung noch auf absehbare Zeit ausgeübt werden müssen. Dagegen sind für einzelne andere Lederwaren und verwandte Artikel generelle Ausfuhrbewilligungen über die ·schweizerisch-französische und schweizerisch-italienische Grenze erieilt worden. Der Einfuhr von ausländischen Lederprodukten stehen keine Einschränkungen entgegen.

Von der Herstellung weiterer Kontigente Volksschuhe ist Umgang genommen woi'den, da gegenwärtig nachweisbar kein Bedürfnis für diese Schuhe besteht und noch grosse Lager vorrätig fiind. Der Abbau der Volkssch'uhorganisation ist grösstenteils ·durchgeführt.

3. In einer Konferenz, welche Ende März 1919 stattfand, sprachen sich die Vertreter sämtlicher Interessentengruppen der Lederbranche grundsätzlich für eine Organisation der gesamten ·Wirtschaftsgruppe aus, welche Frage gegenwärtig weitergeprüft wird. In erster Linie ist ein Ausschuss vorgesehen, zur Begutachtung von Ausfuhrfragen zuhanden der für die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen zuständigen Amtsstelle. Es ist auch zu erwarten, dass durch die vermehrte Heranziehung und Mitarbeit der Interessentenkreise ein zweckmässiger und rascher Abbau der kriegswirtschaftlichen Massnahmen und der Sektion Lederindustrie im besonderen, erreicht werden kann.

Eidgenössisches Amt für ArbeitslosenfUrsorge.

Das Amt mussle geschaffen werden mit Rücksicht auf die immer mehr um sich greifende Arbeitslosigkeit auf den verschiedenen Gebieten, dann infolge der sich immer deutlicher zeigenden Notwendigkeit, von der Abteilung für Industrie und Gewerbe einen Teil, die Sektion für Unterstützung von Arbeitslosen, abzutrennen, um dieses Amt nicht allzusehr mit Arbeit zu überlasten und um eine grössere Entwicklungsmöglichkeit für diese Sektion zu schaffen.

So wurde der Bundesratsbeschluss vom 21. März 1919 über die Errichtung eines eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge gefasst und die Organisation dieses Amtes sofort in Angriff genommen.

Das Amt ist folgendermassen organisiert: A. D i r e k t i o n , mit einem eigenen Sekretariat, das diese Funktionen auch für die I. und II. Sektion ausübt ; B. S e k t i o n e n I -- III, wovon Sektion I in fünf Unterabteilungen zerfällt.

223

D i r e k t i o n : Der Ausbau des Amtes wurde entsprechend der zugewiesenen Aufgabe seht beschleunigt. Zahlreiche Konferenzen mit den für Hoch- und Tiefbau in Betracht kommenden Arbeitgeber- und Arbeiterverbänden, und mit den Vertretern der Kantonsregierungen, dienten zur Besprechung der zu ergreifenden Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und zur Hebung und För ·derung des Hochbaues, zur Erörterung der auszuführenden NotiStandsarbeiten und des hierzu einzuschlagenden Weges.

Als Grundlage für die Diskussion wurden die vom Amte ausgearbeiteten Entwürfe zu verschiedenen Bundesratsbeschlüssen betreffend Hochbau und Notstandsarbeiten benutzt, mit den dazu gehörigen Kreisschreiben, Wegleitungen und Ausführungsbestimmungen.

Die Verhandlungen mit den Vertretern der ArbeitgeberVerbände und Arbeiterorganisationen ergaben die Notwendigkeit, die ausgearbeiteten Entwürfe durch einen Bundesratsbeschluss, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten, in Rechtskraft zu setzen.

Bei der Konferenz mit den Vertretern der Kantone wurde die Beschreitung dieses Weges als des einzig richtigen auch von ·den Vertretern der deutsch-schweizerischen Kantone befürwortet, während von welscher Seite dagegen opponiert und die Unterbreitung der Entwürfe an die Bundesversammlung verlangt wurde.

Es ist zu befürchten, dass dadurch die ganze Aktion eine äusserst unliebsame und vielleicht folgenschwere Verzögerung erleidet.

S e k t i o n I für Arbeitsbeschaffung, mit den fünf Unterabteilungen für Hochbau, Tiefbau, Schwerindustrie, Leichtindustrie und Notstandsarbeiten. Es wurden besonders Erhebungen gemacht über die in den verschiedenen Branchen der ganzen Schweiz herrschende Arbeitslosigkeit.

a. H o c h b a u : Hebung der privaten und genossenschaftlichen Bautätigkeit war das Hauptziel. Die bezüglichen Entwürfe wurden mit den Arbeiterorganisationen und Arbeitgeberverbänden und den Kantonsregierungen am 22. und 25. April 1919 besprochen.

Ausserdem wurden, um ein Bild über die Wirkung der von uns vorgesehenen Massnahmen zu erhalten, Erhebungen angestellt über die mutmassliche Gesamtbautätigkeit in der Schweiz vor und während des Krieges.

Als wesentliche Momente für die Förderung der privaten und genossenschaftlichen Bautätigkeit fallen weiter in Betracht : Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

15

224

1. die H e r a b s e t z u n g der in ausserordentlicher Höhe stehenden B a u m a t e r i a l i e n p i eise und damit der B a u p r e i s e Überhaupt; 2. E r l e i c h t e r u n g e n im V e r k e h r mit B a n k e n , Gewährung von Baukrediten und Hypothekardarlehen zu.

massigem Zinsfuss; 3. W i e d e r e r h ö h u n g der L e i s t u n g s q u o t e n des Arbeiters, namentlich mit Rücksicht auf die verkürzte Arbeitszeit.

In dieser Richtung haben wir Verhandlungen mit den interessierten Kreisen aufgenommen und es darf, nach den bisherig Wahrnehmungen zu schliessen, angenommen werden, dass die Förderung der Bautätigkeit dadurch einen neuen Impuls erfahren wird.

6. T i e f b a u : Besondere Verhandlungen wurden gepflogen mit den schweizerischen Bundesbahnen um grössere Arbeiten durch diese in Angriff nehmen zu lassen; besonders erstrebt wurde die Förderung der Elektrifikationsarbeiten. Die schweizerischen Bundesbahnen zeigten grosses Entgegenkommen. Auch sind Verhandlungen mit der schweizerischen Wasserwirtschaft im Gange, um auch auf diesem Gebiete eine Hebung der Tätigkeit zu erreichen, welche es ermöglicht, viele Arbeiter zu beschäftigen.

c. L e i c h t i n d u s t r i e : Um Anhaltspunkte über den Grad der bestehenden, eventuell noch zu erwartenden Arbeitslosigkeit zu erhalten, wurden statistische Erhebungen gemacht.

Bis jetzt konnte einzig bei der Uhrenindustrie eine Arbeitslosigkeit in nur ganz minimem Umfange konstatiert werden, sonst herrscht überall grosse Arbeitslosigkeit.

d. N o s t a n d s a r b e i t e n : Um auch die ungelernten Arbeitskräfte (die nicht in ihren Berufen arbeiten können, denen man dort keine Arbeit zuweisen kann), zu beschäftigen, werden Notstandsarbeiten durchgeführt. Ein Entwurf zu einem Bundesratsbeschluss, zu einem Kreisschreiben und diesbezügliche Ausführungsbestimmungen ist aufgestellt worden.

S e k t i o n II: A r b e i t s V e r m i t t l u n g . Bis 17. April 1919 waren bei unserm Amte angemeldet 513 Stellenlose aller Kategorien; plaziert wurden bis 17. April 1919 40 Mann, wobei einberechnet werden die durch die militärische Stellenvermittlung von Anfang April an plazierten Leute; die militärische Arbeitsvermittlungsstelle wurde durch unser Amt auf den 10. April übernommen, um Doppelspurigkeit zu vermeiden.

225

S e k t i o n III: A r b e i t s l o s e n u n t e r s t ü t z u n g . Die Sektion für Unterstützungswesen hat zunächst einige B u n d e s r a t sb e s o h l ü s s e vorbereitet, durch die für diejenigen Arbeitslosen gesorgt werden soll, die nicht unter die schon erlassenen Bundesratsbeschlüsse vom 5. August 1918 und 4. März 1919 fallen: so den Bundesratsbeschluss betreffend die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit von Angestellten und Arbeitern der eidgenössischen Verwaltungen und Betriebe vom 15. April 1919, den Bundesratsbeschluss vom 5. April 1919, durch den Kantonen und Gemeinden, die für die oben genannten Arbeitslosen sorgen, Bundesbeiträge von 50 % zugesichert werden, ferner einen Bundesratsbeschluss, der als Ergänzungsbeschluss zu den beiden Beschlüssen vom 5. August 1918 und 14. März 1919 zu betrachten ist, weil er die Fürsorge für alle von diesen Beschlüssen nicht erfassten Arbeitslosen ordnet.

Ein Bundesratsbeschluss betreffend Fürsorge für arbeitsloses Personal aus dem G a s t w i r t s c h a f t s g e w e r b e , das Ergebnis von Beratungen einer paritätischen Kommission von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeiter des Hotel- und Gastwirtschaftsgewerbes, ist den Kantonsregierungen zur Vernehmlassung zugestellt worden.

Zwischen dem Politischen Departement und dem Volkswirtschaftsdepartement ist hinsichtlich der Behandlung der A u s l a n d s c h w e i z e r eine Vereinbarung getroffen worden, wonach die Fürsorge für die arbeitsfähigen aber arbeitslosen Auslandschweizer vom schweizerischen Volkswirtschaftsdepartement (eidgenössisches Amt für Arbeitslosenfürsorge), und diejenige für die nicht arbeitsfähigen Auslandschweizer vom Politischen Departement (innerpolitische Abteilung) übernommen wird.

Die Unterstützung der arbeitslosen Auslandschweizer ist nun für die ganze Schweiz geordnet, einstweilen vollständig zu Lasten des Bundes. Sie erstreckt sich nicht nur auf die Verabfolgung von Taggeldern, sondern auch auf die individuelle Behandlung besonderer dringender Notfälle.

Die Sektion III hat die Durchführung der Bundesratsbeschlüsse vom 5. August 1918 betreffend die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit in industriellen oder gewerblichen Betrieben und vom 14. März 1919 betreffend die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit von Angestellten von der Abteilung Industrie und Gewerbe übernommen.

Die von
Berufsverbänden vorgelegten Réglemente werden von der III. Sektion geprüft ; sie behandelt auch die überaus zahlreich einlangenden Anfragen betreffend Arbeitslosenunterstützung.

226 Die Arbeit des Sekretariats der eidgenössischen Rekurskommission für Arbeitslosenfürsorge hat sich infolge der vielen, gegen die Entscheidungen der kantonalen Einigungsämter eingelegten Rekurse stark vermehrt. Während bis 15. Januar 1919 nur drei Fälle hängig waren und vom 15. Januar bis 15. Februar zirka vierzig, sind es gegenwärtig einige Hundert.

0. Post- und Eisenbahndepartement.

Eisenbahnabteilung.

1. Da infolge der politischen Verhältnisse in Deutschland im November 1918 die Kohlenzufuhren zu stocken begannen, wurde durch Bundesratsbeschluss vom 22. November 1918 der im Sommer 1918 vorsorglich ausgearbeitete Notstandsfahrplan, die fünfte Fahrplaneinschränkung seit 1914, auf den 2. Dezember 1918 in Kraft gesetzt. Zum Zwecke möglichster Kohlenersparnis wurde dabei auch die Einstellung des Personenverkehrs an Sonn- und allgemeinen Feiertagen auf den mit Dampf betriebenen Transportanstalten verfügt ; an diesen Tagen durften nur die für die Milchversorgung nötigen Züge ausgeführt werden. Eine weitere Kohlenersparnis wurde durch die Verwendung von Holz und Torf zur Feuerung erzielt.

Mit Rücksicht auf den stark anwachsenden Reisendenverkehr sind durch Beschluss vom 22. April 1919 die Verwaltungen der mit Dampf betriebenen Transportanstalten ermächtigt worden, am Karfreitag, an Ostern und an den folgenden Sonn- und allgemeinen Feiertagen bis auf weiteres die im Fahrplan vom 2. Dezember 1918 vorgesehenen Personenzüge und Schiffskurse zur Ausführung zu bringen.

Gleichzeitig beschlossen wir, es sei die Wiederaufnahme des vierten eingeschränkten Fahrplanes vom i. März 1918 mit den nötig erscheinenden Verbesserungen zur Einführung im Laufe des Sommers 1919 vorzubereiten unter dem Vorbehalte, dass die Verhältnisse seinerzeit die Aufnahme vermehrter Fahrleistungen überhaupt gestatten.

2. Die im XI. Neutralitätsbericht erwähnten, in den Monaten Mai und Juni 1918 eingeführten Tariferhöhungen haben sich noch nicht als ausreichend erwiesen, um die beträchtliche Steigerung der Eisenbahnbetriebsausgaben auszugleichen. Infolgedessen musste den Transportunternehmungen mit Bundesratsbeschluss vom 5. November 1918 (A. S. XXXtV, 1131) gestattet werden, auf 1. Januar 1919 folgende weitern Taxzuschläge einzuführen:

227

a. Für den Gepäck- und Expressgutverkehr wurden neben dem bisherigen Zuschlag von 60 % zu den tarifgemässen Taxen noch neue Zuschläge auf Transportentfernungen bis zu 100 Kilometern eingeführt, um zu vermeiden, dass sich die Gepäcktaxen niedriger als die Stückguttaxen stellen.

b. Die Mindesttaxe für eine einzelne Sendung von Gepäck, Expressgut und taxpflichtigen Traglasten wurde auf 80 Rappen erhöht.

c. Für die Beförderung von lebenden Tieren wurde der bisherige Zuschlag verdoppelt. Die Mindesttaxen für die Beförderung einzelner Tiere wurden angemessen erhöht.

Eine Ausnahme wurde gemacht für die Beförderung von Aufzuchtvieh des Pferde- und Rindviehgeschlechtes (Sömmerungsvieh) durch Beschränkung des Zuschlages auf 50 °/o und durch Fallenlassen des besondern Eilfrachtzuschlages bei Beförderung in Eilfracht.

d. Der bisherige Zuschlag zu den tarifgemässen Frachtsätzen für Güter wurde ungefähr verdoppelt. Milchsendungen blieben wie bisher vom Zuschlag befreit.

e. Das Post- und Eisenbahndepartement wird ermächtigt, den Transportunternehmungen vorübergehende Versetzungen von Waren in höhere Tarifklassen zu bewilligen, in der Meinung, dass dabei eine Schädigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schweiz vermieden werden solle.

3. Zur Erzielung einer Papierersparnis ist mit Bundesratsbeschluss vom 17. Januar 1919 (A. S. XXXV, 29) vorübergehend ein neues Frachtbriefformular in verkleinertem Format von 17/32 cm eingeführt worden.

Postabteilung.

1. Trotz des Abschlusses eines Waffenstillstandes im November 1918 zwischen den kriegführenden Mächten hatte der Postverkehr mit dem Ausland nach wie vor mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Fortsetzung des wirtschaftlichen Kampfes, die Unsicherheit der Verhältnisse in den neu gebildeten Staaten, sowie die revolutionäre Bewegung in verschiedenen Ländern verunmöglichten vielfach die Wiederaufnahme eines geordneten Verkehrs. So blieben z. B. die Bemühungen der Postverwaltung um Herstellung besserer Verbindungen mit den Balkanstaaten geraume Zeit ohne nennenswerten Erfolg. Inzwischen ist es gelungen, mit dem Paris-Simplon-Orient-Express regelmässige Briefkartenschlüsse nach Laibach, Agram, Brod und Bukarest zu befördern, denen

228 die Briefschaften nach Krain, Kroatien, Slavonien, Dalmatien (zum Teil), sowie nach Serbien, Bosnien-Herzegowina und Rumänien beigeschlossen werden können. Dagegen ist der Paketverkehr mit den Balkanstaaten immer noch eingestellt. Zurzeit schweben Unterhandlungen, um die seit kurzem vom Volkswirtschaftsdepartement organisierten Warenzüge nach dem Balkan auch für die Paketbeförderung zu benutzen.

2. Die Zensur der Privat- und Handelskorrespondenz nach und aus dem Ausland wird in den verschiedenen Ländern teilweise immer noch gehandhabt. Es werden stetsfort noch Postsendungen durch die ausländischen Zensurbehörden vorübergehend zurückbehalten oder auch beschlagnahmt. Immerhin wird diese Zensur nicht mehr mit der frühern Schärfe ausgeübt und sie erstreckt sich zum Teil nur noch auf gewisse Sendungen. Im November 1918 hat Österreich die Zensur, allerdings nur vorübergehend, aufgehoben. Infolgedessen gelangten Tausende von freigegebenen Korrespondenzen, darunter ungefähr 2000 Einschreibbriefe, in die Schweiz, nachdem sie monate- oder sogar jahrelang zurückbehalten worden waren.

3. Die im Anschluss an den Waffenstillstand erfolgte Rückbeförderung der Kriegsgefangenen aus den Ländern der Zentralmächte nach den Ententestaaten bewirkte eine fühlbare Abnahme des Kriegsgefangenenpostverkehrs. Er bleibt aber jetzt noch auch ziemlich erheblich, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung hervorgeht: umgeleitete Sendungen : An Kriegsgefangene Von Kriegs1919

Briefe, Karten u. kleine Pakete

bis 1 kg

Februar .

März. .

April

3,018,810 2,904,173 3,829,137

·p:n,,» schriebene BCnneoene

Pakete bis

»^rSA*

getangenen Briefe, Karten , >p ,

una in. i-aKete

6 kg

145,009 182,592 118,970

bls

* kS

HUlfsbureaux usw.

in dar Schwelt Uriefo, Karton und

an

kioi'ne

Pakete

bis i kg

1,411,391 1,282,292 1,971,419

2,430 6,556 8,936

Umgeschriebene Postanweisungen :

Zahl

Betrag Fr.

Februar 81,181 1,314,140. 53 März . . .

76,411 1,220,757. 21 April .

54,565 816,094. 75 Auf Anfang Februar abbin musste das Kriegsgefangenenpostbureau Bern, dem die Umleitung der Briefpostsendungen oblag, nach Basel verlegt werden, weil das bisherige Lokal (Turnsaal

229

des städtischen Gymnasiums) der Schulbehörde wieder abgetreten werden musste und in Bern keine ändern geeigneten Räume zu finden waren. Während seines Bestehens, d. h. vom Monat September 1914 bis Ende Januar 1919, hat dieses Bureau rund 510,500,000 Briefe und Postkarten umgeleitet.

H. Eidgenössisches Ernährnngsamt.

I. Allgemeines.

Als durch Bundesratsbeschluss vom 13. September 1918 das eidgenössische Ernährungsamt ins Leben gerufen wurde, konnte noch niemand das so bald darauf eintretende Ende der Feindseligkeiten voraussehen. Nach dem Abschluss des Waffenstillstandes wurden bald Stimmen laut, das eidgenössische Ernährungsamt sei nun eigentlich nicht mehr notwendig und könnte sogleich wieder aufgehoben werden. Wie sich in der Folge zeigte, waren das irrige Meinungen.

Grössere überseeische Streiks machten zuerst die Einschiffung der gekauften Warenkontingente während längerer Zeit unmöglich, und wenn die Waren endlich bis in einen europäischen Hafen gelangt waren, so stellte sich ein glatter Weitertransport meist als unmöglich heraus, weil man entweder wegen Überfüllung der Häfen die Ladungen .nicht löschen konnte, oder weil das Rollmaterial zum Abtransport fehlte. Auch die Tonnagepreise blieben noch während des ganzen Zeitraumes der Berichterstattung sehr hohe, ebenso die Versicherungen, so dass die erhoffte, rasche Verbilligung der Lebensmittel nicht eintreten konnte. Die sukzessive Démobilisation in den Transitländern hemmte ebenfalls den Transport. Unvorhergesehene Ereignisse in unsern Nachbarländern konnten sehr verhängnisvoll auf die Schweiz zurückwirken durch die entstehenden Transportschwierigkeiten.

Die restlose H e r a n z i e h u n g der I n l a n d p r o d u k :tion des J a h r e s l 91 8 zur Volksernährung schien deshalb dem ·eidgenössischen Ernährungsamt eine dringende Angelegenheit zu sein. Also wurden die getroffenen Fürsorgemassnahmen, wie Dörren von Obst, Kartoffeln etc., programmässig durchgeführt für alle Fälle Aus FürsorgegrUnden und um preisabbauend zu wirken, wurde auf Antrag des eidgenössischen Ernährungsamtes durch Bundesratsbeschluss vom 31. März 1919 verfügt, dass Notstandsberechtigte «in weiteres Quantum Kartoffeln zu erheblich reduziertem Preis beziehe i kennen. Die I n l a n d g e t r e i d e e r n t e hatte ebenfalls ein so gutes Resultat ergeben, dass in Würdigung der befriedigenden Getreideeinfuhr auch die Brotration erhöht werden konnte; -auch die Fettzufuhren gestatteten eine erkleckliche Erhöhung der

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Rationen, so dass in dieser Hinsicht die Volksernährung wesentlich verbessert werden konnte.

Bezüglich der F l e i s c h v e r s o r g u n g begegneten alle Bemühungen des eidgenössischen Ernährungsamtes um reichli here Zufuhr bis in die neueste Zeit hinein fast unüberwindbaren Schwierigkeiten. Das S. S. S.-Kontingent war so gering und dazu nur r n ter so.grossen Verzögerungen ins Land zu bringen, dass angesichts des grossen Fleischkonsums eine Krisis in der Fleisch Versorgung auf das Frühjahr 1919 leider nicht vermieden werden konnteNach den Alpentladungen trat im Herbst und anfangs Winter vorübergehend ein etwas grösseres Angebot von Schlachtvieh ein,, aber nicht in dem erwarteten Masse. Trotz aller Warnungen zogen viele Landwirte vor, viel Vieh bei wenig Futter durchzuwintern, statt einen Teil frühzeitig in gutem Nährzustande zur Schlachtbank zu führen. Da es volkswirtschaftlich äusserst unrationell gewesen wäre, mit der Abschlachtung zuzuwarten, bis die Tiere ganz vom Fleisch gefallen wären, beschloss das eidgenössische Ernährungsamt mit einer energischen Massregel einzugreifen und erliess am 28. November 1918 eine Verfügung zum Ausgleich zwischen Viehbestand und Futtervorräten und zur Vermehrung des Auftriebes an Schlachtvieh. Man wollte damit zu noch annehmbarem Preise eine Fleischreserve für die Zeit des geringen Fleischangebotes bei Frübjahrsbeginn und zur Zeit desAlpauftriebes anlegen. Über den Erfolg dieser Massregel gibt der Bericht der eidgenössischen Anstalt für Schlachtviehversorgung Auskunft. Eine neue Viehzählung wurde auf den 24. April 1919 angeordnet und durchgeführt; die Ergebnisse sind heute noch nicht zusammengestellt.

Ohne Zweifel ist namentlich der Bestand an Milchvieh zurückgegangen. Die Differenz zwischen Fleisch- und Milchpreisen, sowie der Mangel an geeigneten Kraftfuttermitteln hatten viele Landwirte veranlasst, die Milchproduktiou einzuschränken, so dass eine Gefährdung unserer Milchversorgung für den kommenden Winter ernstlich zu besorgen ist. Das neue Abkommen mit den Milchproduzentenyerbänden vom April 1919 zeigt dies schon durch die Tatsache, dass es nur gelang, dieses auf drei Monate abzuschliessen. Die Ablehnung einer Erhöhung der Milchpreise wird weiterhin die Landwirte in Anbelracht der erheblichen Preisunterschiede zwischen Milch und Fleisch nicht gerade zur
Milchproduktion ermuntern. Trotzdem glaubte der Bundesrat in Übereinstimmung mit dem eidgenössischen Ernährungsamte einer Milchpreiserhöhung nicht zustimmen zu dürfen und suchte nach ändern Wegen, um die Milchversorgung nach Möglichkeit sicherzustellen..

Hauptsächlich aus diesem Grunde musste man zur Schonung unseres Milehviehbestandes erst zu fleischlosen Tagen, dann zu einer und

231 schliesslich zu weitem sogenannten fleischlosen Wochen schreiten.

Das eidgenössische Ernährungsamt hatte nicht unterlassen, die Bevölkerung schon zu Anfang des Jahres auf die drohende Kalamität in der Fleischversorgung warnend aufmerksam zu machen mit Aufrufen zu freiwilliger Fleischersparnis; der Optimismus der Konsumenten schenkte diesen Mahnungen leider wenig Gehör.

In Erfüllung der vom Bundesrat im Mai 1918 übernommenen vertraglichen Verpflichtungen musste das Ernährungsamt kompensationsweise noch bestimmte Quantitäten von Fleischkonserven zur Ausfuhr freigeben. Als Gegenleistung wurden Dünger und andere für unsere Volkswirtschaft heute nicht länger entbehrliche Hillfsstoffe ins Land gebracht. Da die Gegenpartei ihre Verpflichtungen trotz grösster Schwierigkeiten loyal erfüllte, konnte sich die Schweiz ihrerseits ihren Leistungen nicht entziehen. Die in Frage stehenden Fleischkonserven wurden in der Hauptsache im Dezember 191B und Januar 1919 hergestellt, und zwar ausschliesslich aus Schlachtvieh, das durch die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung geliefert wurde.

Eine bedeutende Arbeitslast und Verantwortlichkeit erwuchs dem eidgenössischen Ernährungsamt durch die von der Entente .

zugestandene Lieferung von Lebensrnitteln für Wien, Vorarlberg und Tirol. Gemäss Abkommen mit der Entente wurden dorthin Lebensmittel gesandt und daselbst die Verteilung überwacht. Vielfach haben die über die Grenze rollenden Züge dieser Art im Publikum die irrige Ansicht erweckt, es gehen unkontrollierte Lebensmittelmengen in unzulässiger Weise ausser Landes. Dasselbe gilt von einigen Transitzügen, zu welchen die Schweiz heute Hand bieten m u ss, um anderseits zum Ihrigen -zu kommen. Auch an unsere notleidenden Landsleute in Deutschland und Österreich gehen Lebensmittelsendungen in vermehrter Menge durch die Abteilung.

Paketversand der Warenabteilung.

· Durch das n e u e A b k o m m e n mit A m e r i k a wurde insofern eine Besserung der Landesversorgung herbeigeführt, als damit statt der bisherigen, für eine genügende Volksernährung auf die Dauer unzureichenden Kontingente nun fast auf allen Gebieten eine wesentliche Verbesserung der Einfuhrpositionen eingetreten, ist. Neuerdings ist auch das monatliche Tonnagekontingent von 70,000 auf 100,000 Tonnen erhöht worden; in diesem umfange kann
die Schweiz also wieder nach freiem Ermessen importieren, da heute auch die Importkontingente der S. S. S. aufgehoben sind.

Wenn nicht. selbst nach heutigen Begriffen aussergewöhnliche Hemmnisse eintreten, so steht eine sehr merkbare Besserung in unserer Lebensmittelversorgung in naher Aussicht. Das Sinken der Inlandpreise wird die sehr erwünschte Folge der eingetretenen Erleichterungen sein.

232 Bei allen wichtigen Angelegenheiten suchte die Direktion des eidgenössischen Ernährungsamtes im Einvernehmen mit den betroffenen Interesaentengruppen zu handeln. Diesem Zwecke dienten d i e üblichen S i t z u n g e n d e r e i d g e n ö s s i s c h e n E r n ä h r u n g s k o m m i s s i o n , worüber jeweils die Mitteilungen in der Presse das Publikum auf dem laufenden hielten. Ausserdem ging das Bestreben dahin, in allen speziellen Fragen auch die besondern Interessentengruppen anzuhören. Eine ganze Reihe von Konferenzen wurden so einem fruchtbaren Meinungsaustausch gewidmet. Namentlich wurde für die Lebensmittelversorgung der grössern Konsumzentren ein besserer Rationierungsmodus gefunden und durchgeführt; ebenso für die Landesgegenden mit besondern Verpflegungsschwierigkeiten.

Das Streben nach einem gerechten Ausgleich der Interessen der Produzenten und der Konsumenten gestaltet die Aufgabe des eidgenössischen Ernährungsamtes in vieler Hinsicht manchmal recht schwierig. Dass dabei nicht immer eine alle Teile gleich befriedigende Lösung erzielt werden kann, liegt auf der Hand. Immerhin haben sich die Verpflegungsverhältnisse so weit gebessert, dass, abgesehen von der Preislage, berechtigte Klagen wegen unzureichender Ernährung kaum noch gerechtfertigt sein dürften. Das Ernähruugsamt war seit je bestrebt, einen Abbau der Lebensmittelpreise möglichst bald herbeizuführen, stiess aber dabei auf fast unüberwindbare Hindernisse, die einerseits durch die Schwierigkeiten der Inlandproduktion und anderseits durch die Woltmarktlage begründet sind. Namentlich die Frage der zweckmässigen Verwertung der Ersat/mehle und der Trockengemüse erwies sich einer alle Teile befriedigenden Lösung nur schwer zugänglich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Überblick über die derzeitige Versorgungslage unseres Landes nicht gerade betrüblich, aber auch nicht rosig ist. Es ist weder Grund zum Optimismus, noch Grund zum Pessimismus vorhanden. Die allgemeine politische Konjunktur in Europa bringt in jede Wahrscheinlichkeitsrechnung heute noch so impondérable Faktoren hinein, dass jede Kalkulation über den Haufen geworfen werden könnte. Mit Rücksicht auf diese Unsicherheit wurden denn auch alle Bestrebungen, die Inlandproduktion zu erhöhen, systematisch gefördert. Auch die Fürsorgemassnahmen wurden weitergeführt
und teilweise noch ausgedehnt, namentlich wurden auch die Pflanzlandbestrcbungen unterstützt. Die veränderten Umstände erlaubten die Aufhebung einer ganzen Reihe von BundesratsbeschlUssen und Verfügungen, anderseits war es nötig, dass das eidgenössische Ernährungsamt eine Reihe einzelner Verfügungen, teilweise kraft seiner Kompetenzen selbst erliess oder deren Erlass durch den

233

Bundesrat erwirkte. In der Bundesversammlung wurden eine Reihe das Ernährungswesen betreffender Motionen und Postulate ·eingebracht, die zum Teil erledigt wurden, teilweise noch im Studium begriffen sind.

Der Gesundheitszustand des Direktors des eidgenössischen Ernährungsani tes wurde durch Überarbeitung stark erschüttert.

Auf ärztlichen Rat erbat sich deshalb Herr von Goumoens einen längern Urlaub. Zur gemeinsamen interimistischen Leitung des eidgenössischen Ernährungsamtes wurden durch Bundesratsbeschluss Herr Dr. J. Eäppeli und Herr Emil Schwarz berufen.

Abteilung Brotversorgung.

Die Zufuhren von Brotgetreide haben seit der letzten Berichterstattung eine kleine Besserung erfahren. Dank diesem Umstände und dank der guten Iniauderote hat trotz der durch die Erhöhung der Brotration bedingten Mehrabgabe an die Mühleu der Stand des Brotgetreides in der Schweiz um zirka 2500 Wagen zugenommen. Die Höhe unserer heutigen Stocks in der Schweiz erlaubt jedoch im Hinblick auf die immer noch unsichern Verhältnisse in den Speditioneu ab den Seehäfen zurzeit eine Herabsetzung der Mahlausbeute oder gar die Aufhebung der Brotkarte noch nicht.

Auf Rechnung der Abkommen von Paris und Washington vom 5. Dezember 1917 und 22. Januar 1919 (über letzteres wird ·an anderer Stelle berichtet) wurden seit dem letzten Bericht für uns verschifft: In N o r d a m e r i k a: Mehl 935 Wagen Weizen 5567 ' ,, Roggen 2325 ,, Mais 239 ,, Hafer 1016 ,, Es wurden fernei- in S ü d a m e r i k a für uns verladen: Weizen 7730 Wagen Mais 4612 ,, Hafer 1028 ,, Die im letzten Bericht erwähnten, in Argentinien langst gekauften Partien sind dabei bis auf einen Rest von 2269 Wagen Weizen und 231 Wagen Hafer abgeführt worden.

Die Verladung erfolgte auf Schiffen, die uns teilweise von -der amerikanischen Regierung direkt, teilweise von der englischen Regierung durch unsere Frachtagenten in London angeboten wurden.

234

Es kamen dabei auch einige Holz- und Bisensegler, sowie Motorsegler zur Verwendung.

Infolge Überlastung der Häfen von Cette und Marseille mussten vom Februar dieses Jahres ab ausser nach diesen beiden Häfen auch eine Anzahl Dampfer nach Genua geleitet werden, welcher Hafen dank dem Entgegenkommen der italienischen Regierung, sowie der Hafenbehörden in Genua, wieder für unsere Dienste benutzt werden kann.

'Die Abspeditionen von Genua über Chiasso, Luino und Brig haben bis zur heuligen Stunde einen befriedigenden Verlauf genommen. In allerletzter Zeit haben wir versuchsweise einen Dampfer mit Getreide von Nordamerika nach dem Hafen von Antwerpen laufen lassen, um die Ware dann auf dem Rheinwasserwege bis Strassburg und falls es die Verhältnisse erlauben sollten, bis Basel gelangen zu lassen.

Bezüglich des Frachtenmarktes können wir auf den Bericht an anderer Stelle verweisen ; erwähnen möchten wir nur, dass für unsere Getreideverschiffungen die Fracht gegenüber dem höchstbezahlten Satze um nahezu die Hälfte billiger geworden ist. Trotzdem stellen sich unsere Einkaufspreise für Brotgetreide auch heute noch weit über unsern Abgabepreis.

Die Ablieferung der Inlandernte hat einen geordneten Verlauf genommen. Am zahlreichsten waren die liefernden Gemeinden in der Zeit vorn 15. Dezember 1918 bis zum 15. Februar 1919.

Heute ist die Abnahme der Ernte 1918 grösstenteils beendigt. Es werden nur noch vereinzelte kleinere Ablieferungen angemeldet.

Bis zum 26. April 1919 sind folgende Mengen Inlandgetreide ausbezahlt worden : Weizen 38,863,926 kg Roggen 22,468,220 ,, Dinkel 18,503,691 ,, Misehel 6,544,183 ,, Einkorn . . . .

148,226 ,, Gerste 1,182,889 ,, Hafer : . . . . . 1,357,603 ,, Emmer 2,542 ,, Mais 56,460 ,, Total 89,127,740 kg = 8912 Wagen.

Es wurden dafür Fr. 54,682,392. 30 ausbezahlt. Die Menge des abgelieferten Getreides wird noch auf zirka 9000 Wagen steigen. Die Ernte war im allgemeinen sehr gut. Es sind aber auch einzelne Gegenden mit starken Mindererträgen, namentlich

235

aus dem Voralpeugebiet und aus den Kantonen Graubünden und Wallis, zu verzeichnen.

Die Zahl der Selbstversorger hat seit der provisorischen Berechnung, die im XI. Neutralitätsbericht angegeben ist, keine wesentliche Verschiebung erfahren. Vielerorts ist mit der Selbstversorgung erst mit dem 1. November oder 1. Dezember begonnen worden, weil eio früherer Beginn infolge Fehlens von Dreschmaschinen, Überlastung der Kundenmühlen oder aus ändern Gründen unmöglich war. In den Maisbaugebieten verhinderte die ' späte Verwendbarkeit des Maises einen früheren Beginn der Selbstversorgung. Im Kanton Graubünden wurde der Grossteil der angepflanzten Gerste in die Selbstversorgung eingerechnet. Wir konnten hier stets weitgehendes Entgegenkommen zeigen.

Die gute Inlandernte und die verbesserten Zufuhren haben «s möglich gemacht, dass die Brot- und Mehlrationen erhöht werden konnten. Die Normalbrotration wurde am 1. Dezember 1918 von 225 g auf 250 g pro Tag heraufgesetzt. Da die Aussichten für unsere Lebensmittelversorgung sich weiterhin verbesserten, konnte auf den 1. Februar 1919 eine weitere Erhöhung um 50 g pro Tag eintreten, so dass seit diesem Tage die normale Brotration 300g beträgt. Die Mehlration betrug im Oktober 1918 350 g, im November 333 g, im Dezember 370 g und seit Januar dieses Jahres 518g pro Person und pro Monat.

Im letzten Herbst bot die Klassierung der Schwerarbeiter noch Anlass zu zahlreichen Beschwerden, indem verschiedene Berufsgruppen, die nicht bei den Schwerarbeitern eingereiht waren, die Zusatzbrotkarte verlangten. Heute sind diese Gesuche viel seltener geworden.

Der Bundesratsbeschluss über die Brotversorgung des Landes und die Getreideernte des Jahres 1918 vom 24. Mai 1918 machte «ine Revision der Verfügung des schweizerischen Militärdepartementès vom 14. September 1917 über die Brotkarte notwendig.

In der zweiten Hälfte des Monats Dezember 1918 konnte wieder mit der regelmässigen Abgabe von in- und ausländischem Brotgetreide an die Mühlen begonnen werden, nachdem sie monatelang nur amerikanisches Mehl zum Mischen und hin und wieder kleinere Posten inländischen Getreides erhalten hatten. Die Rücklieferung von Kleie und Ausrnahleten an die Produzenten, welche dem Bunde Getreide abgeliefert hatten, ging diesen Winter an den meisten Orten glatt von statten. Heute sind die Rücklieferungen
dieser Futterwaren nahezu beendigt, so dass die Beschlagnahme von Kleie und Ausmahleten wieder aufgehoben werden konnte. Die Erhöhung der Brotration von 22a auf 300g pro Kopf und pro Tag bedingte eine entsprechende Mehrabgabe von

236

Brotgetreide an die Mühlen. Die Mahlquoten wurden unter zwei Malen um etwa 30 % erhöht, so dass heute die Mullerei wieder ordentlich beschäftigt ist.

Durch Verfügung vom 4. Dezember 1918 gestattete das eidgenössische Ernährungsamt wieder den Verkauf von mindestens gestrigem Brot an Stelle des vorher verlangten mindestens vorgestrigen Brotes. Auf den 1. Januar 1919 wurde auch die Beschaffung von Weissmehl und Griess für Kranke neu geordnet, i» 'der Weise, dass die Mühlen angehalten wurden, wieder eine bestimmte Menge Weissmehl und Griess aus der ordentlichen Vermahlung zuhanden der kantonalen Lebensmittelämter auszuscheiden.

Eidgenössische Fettzentrale.

Die Erwartung, dass im Verlaufe der Berichtsperiode dieRationierung aufgehoben werden könne, hat sich nicht erfüllt. Die ,,Offerte Hoover" vom Dezember letzten Jahres, die uns die Abgabe von 1500 Wagen Schweineprodukte, vor allem Schweinefett amerikanischer Provenienz, ausserhalb Kontingent zusicherte, wurde nach einlässlicher Prüfung akzeptiert und seitens der Gesandtschaft in Washington die bezüglichen Einkäufe in der Hauptsache getätigt. Die Ablieferung zog sich aber deshalb bin, weil die Commission interalliée des contingents angesichts der Bestimmungendes S. S. S.-Vertrages eine Belieferung der Schweiz ausserhalb Kontingent nicht für möglich erklärte. Das Kontingent 1918 für diese Warengattungen mit insgesamt 1790 Wagen war fast vollständig erschöpft. Die notwendige Erhöhung des Kontingentesfür 1919 wurde erst vor kurzem gewährt und hierauf konnten neue Käufe stattfinden, auf Grund derer nun im Laufe des gegenwärtigen und des nächsten Monats, neben den vom Bureau der vier Lebensmittelsyndikate vollzogenen Eindeckungen, soviel Wara hereinkommen soll, dass auf Halbjahres'ende mit einem entschiedenen Schritte im Sinne des Abbaues unserer Institution gerechnet werden kann.

Nach diesen Vorbemerkungen sei über die einzelnen Gruppenfolgendes gemeldet: Die S e k r e t a r i a t s a b t e i l u n g besorgte wiederum den gesamten Korrespondenzverkehr mit dem Bureau der vier Lebensmittelsyndikate betreffend Belieferung der Fettkleinverkaufsstellen.

Diese geht nunmehr in mancher Hinsicht reibungsloser voi- sichr als in den ersten Monaten der Rationierung. Immerhin sind auch noch jetzt die von den Kleinverkaufsstellen einlaufenden Reklamationen zahlreich genug, und zwar sind es meistens Reklamationenwegen zu geringer Kontingentierung. Namentlich seit Einführung:

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der fleischloseu Tage hat sich die Nachfrage nach Fett stark vermehrt.

Um diesem starkem Bedürfnis genügen zu können, wurden den Fettkleinverkaufsstellen ab 10. Februar laufenden Jahres kartenfreie Vorbelieferungen ermöglicht. Hiervon wurde reichlich Gebrauch gemacht. Auf diese Weise wnrdeu die Monatskontingente der Kleinverkaufsstellen erhöht, und es ist zu hoffen, dass sich nunmehr die Klagen wegen zu kleinen Zuteilungen merklich mindern werden.

Die Gesuche um Neukonzessionierung von Fettklein Verkaufsstellen wurden in bisheriger Weise behandelt, d. h. für neu zu errichtende Verkaufsstellen haben wir, wenn nicht das Bedürfnis ganz offenkundig war, jeweils eine behördliche Bescheinigung Über die Notwendigkeit oder wenigstens Wünschbarkeit der Konzessionierung im Interesse der betreffenden Gemeinde ein verlangt. An neuen Konzessionen wurden seit Ende Oktober 1918 zirka 130 erteilt.

Viel Arbeit ergeben immer noch die zahlreichen Rekurse gegen Bussenerhebungen durch die Organe der Heerespolizei wegen Nichtabgabe oder fehlerhafter Abgabe der Fettkarten beim Überschreiten der Grenze. Es hat sich hierbei gezeigt, dass das Reisepublikum allen Publikationen in amtlichen Organen und in der Tagespresse eine ganz erstaunliche Gleichgültigkeit entgegenbringt.

Orientierende Pressemitteilungen, die Durchsicht der Tagesund Fachpresse nach verfügungswidrigen Warenofferten und Erwiderungen auf die Fettversorgung betreffende Einsendungen beschäftigten uns auch in dieser Periode ernsthaft.

Die Organisation der a l l g e m e i n e K o n t r o l l e blieb sich im wesentlichen gleich. Im I n n e n d i e n s t handelte es sich wieder um eine umfangreiche Korrespondenz mit kantonalen und GemeindeFettkarteustellen, mit dem Bureau der vier Lebensmittelsyndikate der S. S. S., gewerblichen und Handelsorganisationen und mit Privaten. Die täglichen Rapporte der Kontrolleure wurden nach Eingang geprüft und die daraus resultierenden Aufklärungen, Weisungen, Mahnungen, Verweise an Fettkartenstellen, Kl ein Verkaufsstellen etc. erlassen. Straffälle wurden untersucht und, wenn begründet, mit Antragstellung an die eidgenössische Kommission für wirtschaftliche Straffälle überwiesen.

In der A u s s e n k o n t r o l l e bezog sich die Tätigkeit der Kontrollbeamten auf Kontrolle über Richtigkeit der Kartenabgabe, Führen der Bordereaux der Verkaufsstellen, Gang der Nachbestellungen, Kontrolle der Metzger, Couponsabnahme und Abgabe in Verkaufsstellen, Hotels, Wirtschaften etc.

238

Die ina Januar und Februar 1919 erfolgten fälschlichen Zeitungsmeldungen über die Aufhebung der Feltrationierung riefen in der ganzen Schweiz eine grosse Nachlässigkeit in der Beobachtung der Fettrationierungsvorschriften hervor. Mit verschärften Mitteln musste dagegen eingeschritten werden ; vorab durch rücksichtslose Überweisung Straffälliger und durch persönliche Aufklärung durch die Aussenbeamten. Die Kontrolleure hatten auch die Durchführung der fleischlosen Tage und Woche zu beobachten.

Meldungen, welche andere Abteilungen des eidgenössischen Ernährungaarates betreffen, werden diesen zur Kenntnis gebracht.

In der Berichtsperiode erfolgte die Einrichtung einer spez i e l l e n K o n t r o l l e über Massenspeisungen in Verbindung mit der Abteilung für Monopolwaren, gestützt auf Kreissöhreiben des -eidgenössischen Ernährungsamtes an die Regierungen der Kantone vom 26. November 1918. Diese Kontrolle setzte ein am 1. Januar 1919 und dauert fort.

Die Kontrolle über die Ölereien und Raffinerien der Schweiz wurde fortgeführt bis Ende März. Durch Kreisschreiben vom 31. Januar 1919 wurden die Inlandöle von der Kartenpflicht befreit und Ende März die Rapportpflicht der öler aufgehoben, da die meisten Ölereien den Betrieb eingestellt haben.

G e w e r b l i c h e K o n t r o l l e . Die Kontrolle der Metzger wurde in der Berichtsperiode in gleicher Weise fortgeführt. Das Kontrollresultat ist auch heute wieder ein recht erfreuliches. Die Zahl .der nicht eingesandten Mouatsfettausweise verschwindet fast vollständig gegenüber den 3300 Metzgereigeschäften, welche der Kontrolle unterstellt sind.

Der Verkehr mit der ,,Lip'ostt verlief in den durch die Regelung vom vergangenen Sommer festgelegten Bahnen. Gesuche um Abgabe von Speisefetten oder -ölen an die Industrie gingen sehr zahlreich ein. Zum Grossteil betrafen sie, wenigstens in letzter Zeit, die Abgabe von für den Speisekonsum unverkäuflichem Suyaöl. Jedes dieser Gesuche wurde bis in jüngster Zeit jeweils der ,,Lipostt mitgeteilt, und wegen Durchführung der Kontrolle die Ware ihr zur Verfügung gestellt. Nachdem nun aber die Höchstpreise für technische Fette und Öle durch Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes aufgehoben wurden, erübrigt sich diese Praxis. Die betreffenden Besitzer werden jetzt ermächtigt, die Ware von sich aus
in die Industrie abzugeben. Nur Quantitäten von über 200 kg im Einzelfall werden noch immer der ,,Lipos11 gemeldet.

D i e B e l i e f e r u n g d e r B ä c k e r u n d K o n d i t o r e n verlief fast völlig reibungslos. Im Monat Februar erhielten diese Gewerbe, in Hinsicht auf den damaligen ordentlichen Stand unserer

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Vorräte und Zufuhren, zum erstenmal wiederum 100 °/o des ausgewiesenen normalen Monatsverbrauches vom Jahre 1916. Nachdem jedoch die überseeischen Zufuhren schlechter, ja geradezu ungenügend geworden waren, und nls der Fetikonsum wegen Einführung der fleischlosen Tage sich vergrösaert hatte und unsere Vorräte daher immer kleiner wurden, zeigte sich bald, dass eine solche weitgehende Kontingentierung nicht länger beibehalten werden konnte. Seit Monat März erhalten die Bäcker und Konditoren wiederum, wie in den Monaten vor Februar, 50 °/o des ausgewiesenen normalen Monatsverbrauches von 1916.

In der Ausstellung von Ärztezeugnissen für Zusatzrationen von Fett und Butter ist eine wesentliche Besserung insofern eingetreten, als die Ärzteschaft nunmehr der allgemeinen Lage unserer Fett- und Butterversorgung besser Rechnung trägt.

Die Monatsfettkarten wurden wie üblich ausgegeben; es konnte lediglich die Ration seit Februar bedeutend erhöht werden.

Von der stark reduzierten gelben Teilfettkarte wurden für die milcharmen Monate grössere Reserven bereitgestellt. Während zwei Monaten wurden diese Karten zum Bezug von Fett oder Öl als Milchersatz ausgegeben.

Für die Monate März und April wurde eine Zuschlagsfettkarte mit total 500 g Fett oder Öl ausgegeben. Ausserdem wurde die Gültigkeit der März-Norrnalkarte schon ab 22. Februar datiert.

Man erzielte dadurch eine Erhöhung der Februar-Normalration (Butter und Feit) von 500 g auf 600 g, derjenigen des Monats März von 600 g auf 850 g und der Aprilration von 700 g auf 950 g, womit den Konsumenten die Möglichkeit genügender Eindeckuug gegeben war.

Da mit November 1918 die Butterkarte für Selbstversorger (à 300 g pro Monat) abgelaufen war, musste eine Neuausgabe folgen; diese wies Abschnitte für 5 Monate auf à 200g.

Die Reserve der Militärfettkarten ist infolge der unvorhergesehenen Demobilisierung der Armee ziemlich gross; doch können diese Karten für reisende Zivilpersonen verwendet werden, da wir dieselben, wie schon im letzten Bericht ausgeführt wurde, mit der Reisefett karte kombiniert haben.

Die B u c h h a l t u n g hat eine weitere Ausdehnung erfahren, indem wir seit Beginn des Jahres auch Warenverkehr hatten.

Die Mittel der Fettzentrale wurden in letzter Zeit stark in Anspruch genommen, da entsprechend den Zweckbestimmungen der zu beziehenden
Gebühren in einigen Fällen preisregulierend und preisausgleichend eingegriffen werden musste. Dieses Preisausgleichsverfahren wurde notwendig, um einerseits zu verhindern, Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

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dass die Höchstpreise angesichts der Gestehungskosten üherschritteu werden müssen, anderseits aber, um weisungsgemäss in Reserve gestellte Ware nicht wegen Un verkäuflichkeit der Verderbnis anheimfallen zu lassen.

Die s t a t i s t i s c h e A b t e i l u n g konnte leider infolge des Widerstandes bei einzelnen Kantonen und Gemeinden das gesteckte Ziel nicht erreichen. Es scheint immer noch bei den Geschäftsführern einzelner kantonaler und kommunaler Lebensmittelämter bzw. Fettkartenstellen die Meinung vorzuherrsehen, dass statistische Erhebungen und Verarbeitung des gewonnenen Materials nur Schikane ,,vom grünen Tisch." aus seien.

In der laufenden Periode haben wir uns speziell mit den industriellen und gewerblichen Betrieben (Konservenfabriken und Grosssi'hlächtereien) befasst, um statistisches Material für die Inl a n d p r o d u k t i o n zu erhalten. Gestützt auf dieses konnte zuhanden der Buchhaltung die Gebührenpflicht genau ermittelt und das Inkasso richtig besorgt werden. Die Gebührenpflicht für die Einfuhr wird festgestellt anhand der Tages- und Wocheueing&nge seitens der S. S. S., des Bureaus der vier Lebensmittelsyndikate und der Zollbehörden.

Eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung und Bureau für Schlachtviehimport.

Der für den Herbst 1918 in vielen Kreisen unseres Landes erwartete Rückgang auf den Preisen für Schlachtvieh ist nicht eingetreten. Wohl trat auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Dürrfütterung vorübergehend ein vermehrtes Angebot ein. Es war aber lange nicht so gross, wie man erwartet hatte, und stellte sich später ein, als angenommen wurde. Statt der Baisse festigten sich die Preise von Woche zu Woche. Schon unmittelbar nach Neujahr begannen die Preise zu steigen, während diese Symptome sich früher erst bei Beginn der Vegetation einstellten.

Die Qualität der Tiere war im allgemeinen eine befriedigende, immerhin aber weniger gut als im Herbst 1917.

Am grössten war das Angebot an Kühen mit gutem Fleisch und auch an solchen, die am zweckmässigsten zur Herstellung von Fleischkonserven verwendet werden. Trotzdem mit der Winterfütterung erheblich früher eingesetzt werden musste als im Vorjahr, konnte mit den Schlachtungen für die Einlagerung von Gefrierfleisch erst im Oktober begonnen werden. Das Ernährungsamt Hess es sich angelegen sein, neben den in Basel und Lausanne schon im Vorjahre gemieteten Gefrierräumen an die Erstellung neuer, aus-

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gedehnter Einrichtungen in Zürich eine Subvention à fonds perdu im Betrage von Fr. 141,500 zu leisten. Der Auftrieb an Vieh war aber leider nicht derart, dass es der eidgenössischen Anstalt für SchlachtviehverKorgimg möglich gewesen wäre, alle diese Räume mit Gefrierfleisch zu beschicken. Auf dem Wege des freiwilligen Einkaufes hätte wohl kaum der fünfte Teil der vorhandenen Räume angefüllt werden können. Da anderseits zu einer ausreichenden Ernährung des vorhandenen Viehstandes nicht genügend Futter vorhanden war, erliess das Ernährungsamt auf Vorschlag der eidgenössischen Anstalt für Schlachtviehversorgung am 28. November eine auf den 3. Dezember 1918 in Kraft tretende Verfügung betreffend Ausgleich zwischen Viehbestand und Futtervorräten und Vermehrung des Auftriebes von Schlachtvieh, wo* nach 3 % des vorhandenen Viehbestandes der über zwei Jahre alten Tiere an die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung abzuliefern waren. Dank dieser Massnahme wurde das Angebot vorübergehend recht gross, zeitweise fast zu umfangreich, um demselben auf ganzer Linie in wirksamer Weise zu begegnen.

Wie man nicht anders erwarten konnte, hatten diese requisitionswoisen Vieheinkäufe für die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung zur Folge, dass die Viehpreise in der . Folge nicht nur keine Baisse, sondern allmählich eher eine Steigerung erfuhren. Eine grosse Anzahl Gemeinden, im Bestreben, ihren Verpflichtungen gegenüber der eidgenössischen Anstalt für Schlachtviehversorgung gerecht zu werden, wünschten die ihnen auferlegten Kontingente möglichst rasch abzuliefern. Der Anstalt war es daher leicht, ihren Bedarf zu decken, während auf der ändern Seite die Metzger und Händler in ihrer Bewegungsfreiheit zum Teil stark gehemmt wurden. Unter dem Drucke dieser im Laufe des Monats Januar für einzelne Gegenden unerträglich gewordenen Verhältnisse stellte die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung die requisitionsweisen Einkäufe am 8. Februar ein, während laut der Verfügung diese Massnahme bis 15. Februar 1919 hätte andauern sollen. Mit den Einkäufen von freiwillig aufgeführten Tieren machte die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung endgültig am 22. Februar 1919 Schluss.

Die Metzgerschaft erhoffte mit dem Zeitpunkt der Einstellung der Vieheinkäufe durch die eidgenössische Anstalt
für Schlachtviehversorgung eine Erleichterung. Diese blieb jedoch aus. Die Metzgerschaft empfahl dann die im Bundesratsbeschluss vom 13. April 1917 vorgesehene Kontingentierung der Metzgereien.

Diese bildete schon im Frühjahr und Vorsommer 1918 Gegen-

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stand einer eingehenden Beratung im Vorstande der eidgenössischen Anstalt für Schlachtviehversorgung unter Boizug von Vertretern aus Metzger- und Viehhandelskreisen, sowie in der Aufsichtskommission der Anstalt für Schlachtviehversorgung. Nach gründlicher und allseitiger Prüfung kam man aber davon ab, die Kontingentierung der Metzgereien einzuführen, denn sehr wahrscheinlich hätte auf diese, wenn die Kontingente wirklich eingehalten worden wären, der Kundenzwang und nach ihm die Fleischkarte folgen müssen. Auch wäre mit der Kontingentierung der Metzgereien zu befürchten, dass weniger angenehme Kunden nicht mehr bedient würden. Die gleichen Gründe, die damals gegen die Einführung der Kontingentierung sprachen, sind auch heute noch vorhanden. Vorstand und Aufsichtskommission haben sich daher gegen die Einführung einer Kontingentierung ausgesprochen.

Nachdem die Voraussetzungen, die anfangs Oktober 1918 die Einführung von Höchstpreisen für Schlachtschweine und Schweinefleisch notwendig machten, nicht mehr vorhanden waren und mancherorts im Lande, speziell in der Westschweiz, das Schweinefleisch immer noch zu den Höchstpreisen und sogar darüber hinaus verkauft wurde, trotzdem auf den Schweinen ein erheblicher Abschlag unter dem Höchstpreis eingetreten war, wurde die Verfugung vom 2. Oktober betreffend Höchstpreise für Schlachtechweine und Schweinefleisch aufgehoben. 14 Tage später wurde auch die Verfügung betreffend Höchstpreise für Schlachtkälber und Kalbfleisch aufgehoben. Am 8. Februar erfolgte eine Revision der Höchstpreise für Schlachtvieh und Fleisch von Grossvieh des Rindergeschlechts von Fr. 2. 60 auf Fr. 3 per kg Lebendgewicht und von Fr. 4. 60 auf Fr. 5. 30 per kg Fleisch. Die Frage der Höchstpreise für Grossvieh und Fleisch, deren zeitgemässe Revision oder gänzliche Aufhebung, bildete an mehreren Sitzungen der Aufsichtskommission den Gegenstand eingehender Beratung. Wenn auch eine ganze Reihe von Argumenten für deren möglichst rasche Beseitigung sprach, so namentlich die in verschiedenen Landesteilen eingetretene Missachtung der Höchstpreise, so hat man * doch bis heute von der Aufhebung Umgang genommen.

Die im Laufe des letzten Sommers ganz aussergewöhnlich hoch gestiegenen Preise für Fettschweine und Schweinefleisch hatten bewirkt, dass der Konsum an Schweinefleisch eine . sehr starke
Einschränkung erfuhr, so stark, dass die Käsereien der Ostschweiz grosse Mühe hatten, ihre Bestände an schlachtreifen Schweinen an Mann zu bringen. Da bei einer längern Haltung

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der Tiere zu befürchten war, dass die Konsummilchversorgung der Städte hierdurch ernsthaft hätte leiden können, entschloss sich das Ernährungsamt auf verschiedene dringende Vorstellungen des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten und anderer Vertreter der ostschweizerischen Käserschaft, 877 Stück Schweine im Gewicht von 180 kg und darüber nach besondern Vereinbarungen einzukaufen. Der Einkauf dieser Schweine erfolgte in der Zeit vom 29. Oktober bis 10. Dezember. Im ganzen beläuft sich der Ankaufswert dieser Schweine auf Fr. 1,013,360. Die gleichen Verumständungen machten auch im Januar 1919 den Ankauf eines weitern Postens Schweine im Gewicht von 150 kg und darüber notwendig. Diese zweite Lieferung umfasste 503 Stück zum Ankaufswert von Fr. 463,468. 50. Für die erste Partie Schweine hat die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung einen Preis von Fr. 6. 40 und für die zweite einen solchen von Fr. 6 per kg Lebendgewicht angelegt. Die Schweine wurden in Basel, Bern und Lenzburg für Rechnung der eidgenössischen Anstalt für Schlachtviehversorgung geschlachtet, das Fleisch eingesalzen und geräuchert, um es dann im Frühjahr zur Zeit der grössten Knappheit an Vieh, namentlich an Grossvieh, auf den Markt zu bringen.

Während der Zeit vom 1. Oktober 1918 bis Ende März 1919 wurden durch die Anstalt eingekauft und vermittelt: I, Grossvieh.

Kühe .

' Stiere Rinder Ochsen

13,732 Stück 276 ,, 1,185 .,' 500 ,,

Zusammen 15,693 Stück im Totallebendgewicht von 8,411,664 kg.

II. Kleinvieh.

Ziegen Schweine

22 Stück.

1,380 ,,

Zusammen 1,402 Stück im Totallebendgewicht von 249,263 kg.

244 Hiervon wurden verwendet: Grossvieh Kleinvieh

Stück

Zu Lieferungen für die Armee Zu Lieferungen für die Armee (Konservenfabrikation) . .

Zu Lieferungen an die Zivilbevölkerung . '. . . .

Zu Lieferungen an die Konservenfabriken Zur Herstellung von Gefrierfleisch Zur Einlagerung als Reserve (Schweine) Total

Stück

Ankaufswert

Fr.

951

1,052,587. --

283

220,996.--

3,264

22

3,450,851.---.

4,678

3,991,271. --

6,517

7,410,451.--

15,693

1,380

1,476,828.50

1,402

17,602,984.50

Angesichts der sich schon frühzeitig einstellenden Knappheit an Schlachtvieh begann die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehverporgung mit der Abgabe des inländischen Gefrierfleisches Mitte März. Für das inländische Gefrierfleisch, sowohl für das durch die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung eingelagerte, als für die vom Armeekriegskommissariat übernommenen Vorräte, wurde ein Einheitspreis von Fr. 4. 80 per kg festgesetzt, der dem Selbstkostenpreis entspricht. Das Fleisch gelangt zur Abgabe an Metzgervereinigungen, kantonale und städtische Fürsorgeämter. Für das geräucherte Schweinefleisch ist ein Abgabepreis von Fr. 9. 30 per kg festgesetzt worden, der seither wesentlich ermässigt wurde.

Als die Fleischversorgung im Laufe des Winters immer schwieriger wurde, eatschloss sich das Ernährungsamt, einen speziellen Delegierten in den ersten Tagen Januar mit der Mission nach Paris zu entsenden, Gefrierfleisch oder Lebendvieh für die Schweiz einzukaufen. Als technischer Experte wohnte später den Verhandlungen auch ein Vorstandsmitglied der E. A. S. bei. Den beiden Delegierten ist es nach Überwindung grosser Schwierigkeiten gelungen, einen grössern Posten gesalzenes amerikanisches Schweinefleisch, sowie eine Partie argentinischer Ochsen und Schafe einzukaufen, deren Einfuhr indessen noch nicht gesichert ist. Zurzeit werden die Bemühungen zur Einfuhr von überseeischem Gefrierfleisch fortgesetzt. Wenn nicht alle Voraussetzungen trügen, sollte es möglich sein, in nächster Zeit grössere Mengen Gefrierfleisch und andere Fleischkonserven zu erhalten. Mit der Abgabe

245

.von gesalzenem amerikanischem Schweinefleisch konnte Ende April begonnen werden.

Um x,u verhindern, dass der Rindviehbestand durch allzu starke Abschlachtungen gelichtet und damit die Milch- und Fleischversorgung unseres Landes für die kommenden Zeiten, speziell für den nächsten Winter, zu sehr beeinträchtigt werden, wurden durch einen Bundesratsbeschluss vom 4. März 1919 wöchentlich zwei fleischlose Tage, der Montag und der Freitag, festgesetzt.

Es hat sich aber bald gezeigt, dass dadurch der Reduktion des nun glücklich durchgewinterten Rindviehbestandes nicht in hinreichender Weise Einhalt geboten werden kann und dass noch einschneidendere Massnahmen notwendig sind. Solche sind vom Bundesrat in einem neuen, am 29. März erlassenen Beschluss getroffen worden, laut welchem in der Zeit vom 11. bis 18. April 1919 der Genuss von Fleisch jeder Art, mit Ausnahme von Fisch und Fischkonserven, jedermann verboten ist. Auf der einen Seite sollen die Zufuhren vom Auslande mit allen Mitteln gefördert und auf der ändern der Konsum von Fleisch, insbesondere von frischem Fleisch von Grossvieh des Rindergeschlechts, nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Durch einen neuern Bundesratsbeschluss vom 25. April wurden weitere Einschränkungen betreffend die Schlachtungen von Grossvieh, den Handel mit solchen und den Genuss von Rindfleisch für die Zeit vom 5. bis 18. Mai angeordnet. Mit diesen Massnahmen glaubt man die schwierigsten Zeiten erfolgreich zu überdauern, unsern Kindviehbestand zu schonen und die Missstände auf dem Schlachtvieh- und Fleischmarkte zu sanieren.

B u r e a u f ü r S c h l a c h t v i e h i m p o r t . Wie in der frühern Berichtsperiode wurde auch in der jetzt vergangenen ausschliesslich aus Italien Schlachtvieh eingeführt ; da nichts anderes erhältlich war, beschränkte sich die Einfuhr auf 1353 Schweine.

Während in der frühern Periode die Preise einen bedeutenden Wechsel zeigten, stiegen sie in der neuen fortwährend, so dass, als der- Betrag von Fr. 7 pro kg Lebendgewicht überschritten wurde und anderseits der Preis im Inland für Fettschweiue infolge vermehrten Angebotes bedeutend zurückging, die weitern Ankäufe im Ausland vorübergehend eingestellt wurden.

Das im letzten Bericht in Aussicht gestellte Austauschabkommen mit Italien hat für den Schweineeinkauf eine Erschwerung gebracht dadurch,
dass unsere Einkäufer nicht mehr freihändig einkaufen konnten, sondern das ganze Einkaufsgeschäft · durch ein Konsortium besorgt werden sollte. Erst beim Schluss

246

der Berichtsperiode ist eine Milderung dieser Bestimmung eingetreten, so dass es möglich sein wird, in der nun kommenden Periode wieder mehr Schweine hereinzubringen. Die Einfuhr von italienischen Schlachtschweinen hat gegen Ende April wiedereingesetzt und dürfte in nächster Zeit voraussichtlich einen grössern Umfang annehmen. Der Abgabepreis wurde bis auf weiteres festgesetzt auf Fr. 6. 80 per Kilogramm Lebendgewicht franko Empfangsstation.

Eidgenössisches FUrsorgeamt.

Seit der Feststellung der Einkommensgren/.en im Mai 1918 hat die Teuerung dermassen Fortschritte gemacht, dass weite Kreise eine Erhöhung der Einkommensgrenzen neuerdings als notwendig erachteten. Nicht nur Vertreter der Arbeiterschaft, sondern auch Vertreter von Gemeinden und Kantonen haben sich in diesem Sinne ausgesprochen. In einem Kreisschreiben sind den Kantonsregierungen die Vorschläge für die Erweiterung der eidgenössischen Notstandsaktion zur Äusserung vorgelegt worden.

Sieben Kantone, darunter einige kleinere, mit beinahe rein ländlichen Verhältnissen, haben weitere Erhöhungen abgelehnt, die übrigen, grössere und kleinere Kantone, haben sich für die vorgeschlagene Erhöhung ausgesprochen, sie für ausreichend gehalten oder noch weiter zu gehen gewünscht.

Die eidgenössische Notstandskommission hat am 29. November 1918 die Angelegenheit behandelt und die vorgeschlagene Verschiebung der Grenzen mit der Teilung in eine Einkommenstabelle I für Brot und Milch und in eine Einkommenstabelle II für Kartoffeln und Brennmaterialien einstimmig gutgeheissen. Diese durch Verfügung des eidgenössischen Ernährungsamtes vom 21. Dezember 1918 festgesetzten Einkommensgrenzen ermöglichen zunächst einem weiteren Kreis der Bevölkerung die Bezugsberechtigung, namentlich den Angestellten. Sodann haben diese, weil sie Brot und Milch nicht erhalten werden, nicht so häufig mit Ausweisen zu operieren ; sie erhalten Kartoffeln und Brennmaterialien, wofür nur wenige Bons abzugeben sind, so dass die Fürsorge eher in Anspruch genommen wird, als wenn regelmässig besondere Gutscheine abgeliefert werden müssen. Die Hülfe ist gleichwohl nicht unwesentlich, insbesonders für grosse Familien.

Diese Art der Aktion ermöglicht gleichzeitig auch beim Sinken der Preise für Kartoffeln und Brennmaterialien eher einen Abbau der Notstandsaktionen und die Rückkehr zu normalen Verhältnissen.

247 Über den Umfang und die Kosten der eidgenössischen Notstandsaktion (wir verweisen auf die in den früheren Neutralitätsberichten gemachten Angaben) ergeben sich folgende Zahlen: Abgabe von Notstandsmilch.

Monate September 191 8 ( his 31 Januar Tannar 19191 Dis öl.

lyiy^

BezUger »

L e i s t u n gde np : des Bundes e Gemeinden Kantone und

Fr.

Fr.

zirka583,000 3,720,268.53 2,122,307.07 bis 615,000 Abgabe von Notstandsbrot.

Monate September 1918 f hi
Tannar 19191 Dis 31 dl. Januar lyiy^

L e i s t u n g eder n: BezUger des Bundes Kantone « und Gemeinden zirka677,500 4,820,394.01 2,429,332.53 bis 652,500

Trotz der Erhöhung der Einkommensgrenzen ist die Zahl der Bezüger für Notstandsmilch nicht stark gestiegen, für Notstandsbrot ist sie sogar zurückgegangen. Dies ist auf die gewährten Lohnerhöhungen und Teuerungszulagen, auf neu hinzutretenden Verdienst von Kindern und hinsichtlich Notstandsbrot" auf die vermehrte Selbstversorgung von Brot zurückzuführen.

A b g a b e von N o t s t a n d s k a r t o ff ein. An dieser Aktion beteiligen sich zurzeit 15 Kantone. Die dem Bund erwachsenen Kosten an die Kartoffel verbilligung belaufen sich bis 31. März 1919 auf rund Fr. 777,000.

Um den Familien mit bescheidenem Einkommen zu ermöglichen, ihren Bedarf an Kartoffeln bis Juli 1919 zu vorteilhaften Preisen einzukaufen, wird auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 31. März 1919 eine weitere Verbilligung der Kartoffeln durchgeführt. Sie beträgt Fr. 8 pro 100 kg, wovon Fr. 6 zu Lasten des Bundes und Fr. 2 zu Lasten des Kantons eventuell auch der Gemeinde; pro Kopf sollen 25 kg bezogen werden können.

A l l g e m e i n v e r b i l l i g t e M i l c h . Die Leistungen des Bundes betragen vom 1. September 1918 bis 31. Dezember 1918 Fr. 3,867,236. 59.

Die Leistungen der Kantone und Gemeinden belaufen sich bis 1. November auf etwa 1/4 des Bundesbetrages. Ab 1. November .hat sich das Verhältnis der Beitragspflicht für die Kantone und

248

Gemeinden dahin verschoben, dass dei1 Bund nunmehr 2,5 Rp.

vom Betrag für die allgemeine Milchverbilligung übernimmt, während Kanton und Gemeinde 1,6 Rp. zu tragen haben.

A11 k l e i d e r h a n d e 1. Da seit Eintritt des Waffenstillstandes viel Ware an Kleidern, Wollwaren und dergleichen, die zurückgehalten worden war, zum Vorschein gekommen ist, und auf dem Gebiete des Altkleiderhandels einerseits durch die Organisation des Trödelhandels und anderseits durch das Freiwerden der neuen Ware die Missstände zurückgegangen sind, hat der Bundesrat am 27. Januar 1919 die Bundesratsbeschlüsse vom 9. und 16. August 1918 betreffend den Kauf, den Verkauf und die Abgabe von getragenen oder alten Schuhen, Kleidern und Wäschestücken aufgehoben.

Ende Dezember 1918 hat ein schweizerisches Komitee aus Vertretern aller Stände, aller Landesteile und aller politischen Parteien, ein Begehren gestellt, das eidgenössische Ernährungsamt möchte unserer schulpflichtigen Jugend mehr Brot verschaffen und der von schweren Ernährungssorgen heimgesuchten Stadt Wien, vorab den Krankon in den Spitälern und den Kindern, Nahrungsmittel aus der Schweiz zukommen lassen. Um diesen Wünschen gleichzeitig und wenigstens teilweise zu entsprechen, stellte das eidgenössische Ernährungsamt durch ein Kreisschreiben an die Regierungen der Kantone, an die kantonalen Lebensmittelund Fürsorgeämter und an die Gemeindebehörden und durch die Verfügung vom 9. Januar 1919 Anleitungen und Vorschriften zur freiwilligen Sammlung von Kartenabschnitten für Brot, Mehl, Käse, Fett, Reis, Teigwaren, Haferprodukte und Zucker auf. Diese Hült'saktion stand auf dem Boden der Freiwilligkeit und war nicht offizieller Natur; den Behörden als solchen kamen lediglich Kontrollaufgaben zu.

Im Laufe der Zeit hat sich die Lage unserer Landsleute in den Zentralstaaten infolge der schlechten Ernährungsverhältnisse, der Arbeitslosigkeit und des fortwährend sinkenden Mark- und Kronenkurses wesentlich verschlimmert. Es sind zahlreiche und bewegliche Wünsche eingelaufen, dahinlautend, man möchte ihnen durch Zusendung von G r a t i s l e b e n s m i t t e l p a k e t e n die Not lindern oder erträglicher machen helfen. Das eidgenössische Fürsorgeamt hat in Verbindung mit der Warenabteilung dieses Begehren geprüft und den Vorschlag gemacht, ihm unter gewissen Vorbehalten und Bedingungen zu entsprechen. Zur Durchführung

249 ·dieser erweiterten Hülfsaktion sind umfangreiche Erhebungen nötig, insbesondere über die Notlage der Bezüger; sie werden vom eidgenössischen Fürsorgeamt durchgeführt.

Es werden ferner zurzeit Vorbereitungen getroffen für die Versorgung der Schweizer im Auslande mit Schuhen, Anzügen, Mänteln, Hemden, Taschentüchern, Unterwäsche, Röcke, Blousen, Schürzen, Kragen, Strümpfe, Socken und Faden. In Anbetracht der ungeheuren Verteuerung und der Schwierigkeiten in der Beschaffung dieser Bedarfsartikel ist es Pflicht, unseren Landsleuten auch in dieser Beziehung ihre schwierige Lage erleichtern zu helfen.

Zur Behandlung einer für die schweizerische Ernährungspolitik sehr wichtige Frage ist die Vergleichung der Preise für die wichtigsten Lebensmittel mit den entsprechenden Preisen in ändern Ländern mit normaler Zufuhr durchgeführt worden. Dank der geschätzten Mithülfe unserer Gesandtschaften in London, Paris, Madrid, Bruxelles, Haag und Rom sind wir in den Besitz eines sehr interessanten Materials gelangt, das gelegentlich bekanntgegeben werden soll.

Kartoffelversorgung.

Anlässlich der letzten Berichterstattung wurde bereits auseinandergesetzt, wie sich die Kartoffelversorgung im Jahr 1918/19 zu gestalten hatte. In Ergänzung jenes Berichtes lassen wir noch folgende Zahlen hinsichtlich Ablieferung und Bezug von Kartoffeln der verschiedenen Kantone folgen (bis 31. Dezember 1918) :

250 Kanton Zürich . . . .

Bern . . . .

Luzern . . . .

Uri Schwyz . . . .

Obwalden .

Nidwaiden . .

Glarus . . . .

Zug Frei bürg Solothurn .

Basel-Stadt . .

Basel-Land . .

Schaffhausen . .

Appenzell A.-Rh..

Appenzell I.-Rh. .

St. Gallen . . .

Graubünden .

Aargau . . . .

Thurgau Tessin . . . .

Waadt . . . .

Wallis . . . .

Neuenburg Genf . . . .

Total

Abzuliefernde Kartoffeln *) in Wagen à 10t

Wirklich abgelieferte Kartoffeln in Wagen à 10t

7,642

5,427 844

1,651

Bezugsberechtigte Kartoffeln in Wagen à tOt 1,488

151 130 38 52 210 78 2,389 1,069

1,697 800

257 463

13 502

405 1,449 417

2,033 336

18 170

152 40 55 226 66

1,309

1,416 13

477 106 1,427

480 101 1,771 287 17

784

633

965 98 259 808 738

18,189

Wirklich bezogene Kartoffeln in Wagen i 10t 1,680

10,605

7,718

120 751 1,073 9,069

Durch Vermittlung der eidgenössischen Zentralstelle für Kartoffelversorgung wurden überdies den eidgenössischen Kasernenverwaltungen und dem Militär im Felde 189 Wagen Kartoffeln zugewiesen. Der Rest der erfolgten Ablieferungen, 1347 Wagen, wurde auf Rechnung der eidgenössischen Zentralstelle für Kartoffelversorgung eingelagert und ein Teil davon dem Trocknungsprozesse unterzogen. In den eidgenössischen Trocknungsanlagen und in Privatbetrieben wurden 181 Wagen Kartoffelmehl hergestellt. Zudem war es möglich, aus Deutschland 100 Wagen Kartoffelwalz- und Stärkemehl einzuführen, so dass heute für die Inlandversorgung 281 Wagen Kartoffelmehl zur Verfügung stehen.

*) Die Ablieferungspflicht wurde nach der vorgeschriebenen Anbaufläche berechnet.

251

Da verschiedene Landesgegenden im Herbst 1918 nur eine mittelmässige und zum Teil sogar geringe Kartoffelernte meldeten, wurde die Kartoffelration auf 90 kg pro Person festgesetzt. Man wollte ähnliche Schwierigkeiten, wie sie sich im Frühjahr 1918 zeigten, dieses Jahr verhüten und beabsichtigte, im Laufe des Winters eine Erhöhung der Ration eintreten zu lassen.

Das Ergebnis einer im Januar durchgeführten Erhebung zeigte, dass die Kartoffelversorgung gesichert war, dass aber höchstens eine Zusatzration von 20 kg pro Person möglich sei.

Bald darauf e r f u h r die Lage auf dem Kartoffelm a r k t e i n e W a n d l u n g . Das Angebot stieg erheblich und die Kauflust liess merklich nach. Sogar aus sogenannten Konsumentenkantonen wurden Überschüsse aus den im Herbst 1918 angelegten Reserven zur Abgabe gemeldet, was bewies, dass der Bedarf auf alle Fälle gedeckt sei. Diesem Umstand Rechnung tragend, beantragte die eidgenössische Zentralstelle für Kartoffelversorgung die Aufhebung der Rationierung. Vorerst wurden dann die Kantonsregierungen ermächtigt, die Ration von 90 kg auf 100 kg zu erhöhen. Gleichzeitig wurde der Zeitpunkt bestimmt, bis zu welchem die Kartoffelration bezogen werden konnte. Auch hierauf zeigte sich keine merkliche Nachfrage nach Kartoffeln. Es stellte sich vielmehr heraus, dass viele Konsumenten nicht einmal die ihnen anfänglich zugesicherte Ration zu beziehen wünschten. Es herrschte einzig Nachfrage nach F r ü h k a r t o f f e l s a a t g u t , der leider nicht überall genügt werden konnte. Die meisten sogenannten Kleinproduzenten machten von ihrem Bezugsrecht keinen Gebrauch.

Es mehrten sich die Meldungen, dass sich die Situation auf dem Kartoffelmarkt vollständig geändert habe, und immer grösser wurden die Befürchtungen, dass für die vorhandenen Vorräte keine Absatzmöglichkeit bestehe.

Am 6. März erliess das eidgenössische Ernährungsamt eine Verfügung, gemäss welcher die K a r t o f f e l r a t i o n i e r u n g , d i e B a h n t r a n s p o r t s p e r r e , sowie d a s V e r b o t d e r V e r a r b e i t u n g u n d V e r f ü t t e r u n g v o n K a r t o f f e l n aufgehoben und die Kantone ermächtigt wurden, je nach Bedürfnis den Verkehr freizugeben. Trotz dieser weitgehenden Freigabe der Kartoffeln liefen auf der eidgenössischen Zentralstelle für Kartoffelversorgung
täglich Meldungen ein von Kantonen, Gemeindon und Privaten, dass, sofern nicht sofort für Absatzmöglichkeit gesorgt werde, grosse Mengen Kartoffeln zugrunde gehen müssten. Die Aufhebung des Fütterungsverbotes komme in der Hauptsache nur für die bei den Produzenten liegenden Vorräte in Betracht, während die Kartoffeln des öffentlichen Besitzes keinen

252

Absatz finden. Von Seiten der Kantone Genf, Waadt, Freiburg, Bern, Solothurn, Luzern, St. Gallen, Aargau, Schaffhausen, und Appenzell wurden wir direkt mit Kartoffelangeboten bestürmt.

Die Waadt allein wünschte 450--500 Wagen Kartoffeln abzusetzen. Der Kanton St. Gallen, der letzten Herbst auf Belieferung angewiesen war, ersuchte uns um Abnahme von 200--250 Wagen Kartoffeln. Der Kanton Appenzell A.-Rh. schätzte seinen Überschuss auf mindestens 80 Wagen. Um genau orientiert zu sein, welche Quantitäten Kartoffeln von den verschiedenen Kantonen abgestossen werden mussten, nach Sicherstellung des Saatgut- und Speisekartoffelbedarfes, gelangte die eidgenössische Zentralstelle für Kartoffel Versorgung an die kantonalen Zentralstellen mit dem Ersuchen, ihr umgehend diesbezügliche Angaben zukommen zu lassen. Das Resultat war folgendes : Kanton

Zürich . . .

Bern . . . .

Luzern .

Uri . . . .

'Schwyz .

Obwalden . .

Nidwaiden .

Glarus .

Zug . . . .

Freiburg Solothurn .

Basel-Stadt . .

Basel-Land . .

Scbaffhausen .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

St. Gallen . .

Graubünden Aargau .

Thurgau . .

Tessin . . .

Waadt . . .

Wallis . . .

Neuenburg .

Genf. . . .

Total

Gemeldete KartoffelÜberschüsse in kg

Gemeldeter Bedarf in kg

1,000,000 5,000,000 500,000 50,000 370,000 40,000 130,000 170,000 1,000,000 600,000 900,000 330,000 500,000 800,000 150,000 2,000,000 220,000 2,000,000 200,000 350,000 5,000,000 240,000 280,000 1,000,000 21,260,000

1,570,000

253 In einem Antrage an das eidgenössische Ernährungsamt wurde auf die unbedingte Notwendigkeit einer begrenzten Ausfuhr von Kartoffeln hingewiesen. Das eidgenössische Ernährungsamt bewilligte alsdann im Einvernehmen mit dem Bundesrat den Export von zirka 1000 Wagen Kartoffeln, die hauptsächlich in Verbindung mit Hülfsaktionen freigegeben wurden. Zurzeit der Berichterstattung haben bereits Vorarlberg, Tirol, Liechtenstein und Frankreich Kartoffeln erhalten. Auch sind Unterhandlungen betreffend Ausfuhr mit Deutsch-Österreich, Deutschland und Italien im Gange.

Der starke Rückgang der Nachfrage nach Kartoffeln im Inlande, wie es seit Ende Januar zu verzeichnen war, dürfte wohl auf die Änderung der allgemeinen Marktlage zurückzuführen sein.

Das Zurückgehen der Kauflust wurde sodann gesteigert durch die Erhöhung der Brot- und Monopolwarenrationen.

Durch Bundesratsbeschluss vom 15. Februar 1919 betreffend die Vermehrung der Lebensmittelproduktion wurde der K a r t o f f e l a n b a u für das J a h r l 919 geregelt. Danach ist mindestens eine gleichgrosse Fläche mit Kartoffeln zu bestellen wie im Jahr 1918.

Das eidgenössische Ernährungsamt wird nach diesem Beschlüsse im Herbst 1919 inländische Kartoffeln zu einem dem landesüblichen Produktionspreise der Landwirte und der Marktlage entsprechenden Preise ankaufen. Es wird hierbei für gesunde und sortierte Speisekartoffeln der Inlandernte, die ihm zum Kauf angeboten werden, einen Preis von mindestens Fr. 15 pro 100 kg franko Abgangsstation anlegen.

In der schon erwähnten Verfügung des eidgenössischen Ernährungsamtes vom 6. März 1919 wurden sodann neue Kartoffelhöchstpreise festgesetzt. Diese fussen auf den Höchstpreisen vom letzten Herbst und tragen den Überwinterungskosten Rechnung.

Für 100 kg Kartoffeln gelten demzufolge nachstehende Höchstpreise : Fr. 26 für Speisekartoffeln ; Fr. 29 für Saatgut mittelfrüher und später Sorten ; Fr. 32 für Saatgut bestimmter Frühsorten.

Diese Preise gelten franko Abgangsstation oder Sammelstelle. Die Vermittlungsgebühr der kantonalen Zentralstellen für Kartoffelversorgung ist in diesen Höchstpreisen Inbegriffen. Die Aufhebung der Höchstpreise für Kartoffeln und weiterer Vorschriften betreffend den Verkehr und die Versorgung mit Kartoffeln hat im Mai stattgefunden.

Abteilung für Vermehrung der landwirtschaftlichen
Produktion.

A l l g e m e i n e s . Durch den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 15. F e b r u a r 1919 b e t r e f f e n d d i e V e r m e h r u n g d e r

254 L e b e n s m i t t e l p r o d u k t i o n wird der gleichnamige Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1918 zeitgemäss ergänzt und die Anbauverpflichtung im Jahre 1919 geregelt. Bei de Aufseilung der neuen Bestimmungen waren'hauptsächlich drei Gesichtspunkte wegleitend : Aufrechterhaltung des bisherigen Anbaues von Feldfrüchten, Erleichterungen für die Produzenten im Sinne vermehrter Bewegungsfreiheit in der Erfüllung der Anbaupflicht und vermehrte Heranziehung nichtlandwirtschaftlicher Berufskreise zur Mitarbeit in der Lebensmittelerzeugung.

Wenn sich auch die Aussichten für die Versorgung unseres Landes mit Lebensmitteln durch den Abschluss des Waffenstillstandes im vergangenen November wesentlich gebessert haben, so konnten wir doch nicht mit Sicherheit auf ungestörte Zufuhren rechnen. Die Vorsicht gebot daher, nach wie vor alles zu tun, um die inländische Produktion auf der bisherigen Höhe zu erhalten und sie nach Möglichkeit noch zu steigern. Da besonders den Kartoffeln in der Ernährung eine hervorragende Bedeutung zukommt, das Ausland aber kaum in der Lage sein wird, uns im nächsten Herbst grössere Mengen Kartoffeln abzugeben, wurde bestimmt, dass mit Kartoffeln mindestens eine gleich grosse Fläche zu bestellen ist, wie im Jahre 1918. Auch bei ändern Lebensrnitteln dürften übrigens Überraschungen und Enttäuschungen nicht ausgeschlossen sein, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Mengen von Nahrungsstoffen nötig sind, um dem drückenden Mangel in vielen der früher in den Krieg verwickelten Länder zu steuern.

Gewisse Erleichterungen für die Landwirtschaft schienen immerhin geboten und wurden vor allem dadurch zu erreichen versucht, dass man die Bemessung des Anteils der einzelnen Feldfrüchte, ausgenommen die Kartoffeln, innerhalb der Gesamtfläche dem Anbaupflichtigen überliess, und die Anbaupflicht für Feldf'rüchte pro 1919 nicht auf den für das Jahr 1918 vorgeschriebenen, sondern auf den tatsächlich durchgeführten Mehranbau stützte. Um den Mehranbau von Kartoffeln zu sicheru, schien es geboten, den Produzenten eine gewisse Preisgarantie zu bieten.

Das eidgenössische Ernährungsamt wurde demgemäss ermächtigt, im Herbst 1919 inländische Kartoffeln zu einem den landesüblichen Produktionskosten und der Marktlage entsprechenden Preise anzukaufen und hierbei für gesunde, erlesene Speisekarlofleln
einen Preis von mindestens Fr. 15 für 100 kg anzulegen.

Wichtig erschien sodann der Ausbau der Grundlage für eine umfangreiche Betätigung der Industrie und anderer nicht land-

255 wirtschaftlicher Berufskreise in der Lebensmittelproduktion. Im Verlauf des letzten Jahres entstanden unter anderai die schweizerische Vereinigung für industrielle Landwirtschaft und die schweizerische Genossenschaft für Gemüsebau, deren Bestrebungen umsomehr Unterstützung verdienen, als diese Organisationen nicht allein die Lebensmittelprodukti.on fördern, indem sie Neuland der Kultur erschliessen, sondern gleichzeitig auch eine zweckmässige, wirtschaftlich bedeutungsvolle Beschäftigung von Arbeitslosen in die Wege leiten. Die zunächst in Aussicht genommene, allgemein verbindliche Verpflichtung der industriellen, gewerblichen und Handelsbetriebe zum Anbau von Nährfrüchten wurde infolge veränderter Verhältnisse fallen gelassen. Dagegen wurde bestimmt, dass, wenn solche Unternehmen m.it Hülfe der kantonalen Behörden meliorationsbedürftige Ländereien pachten, die Verpflichtung für sie besteht, die notwendigen Bodenverbesserungcn und die Bestellung der betreffenden Flächen innert nützlicher Frist durchzuführen. Die kantonalen Behörden können auch einzelne Betriebe und Gemeinden zum Anschluss an gemeinnützige Produktionsunternehmungen verhalten.

In planmässiger Fortführung der frühern Massnahmen war das Ernährungsamt auch während der abgelaufenen Berichtsperiode bemüht, den Produzenten in der Beschaffung der erforderlichen Roh- und Hülfsstoffe (Dünger, Saatgut) nach Möglichkeit an die Hand zu gehen und sie, unterstützt durch die kantonalen Zentralstellen für Produktionsvermehrung, die landwirtschaftlichen Versuchs- und Lehranstalten, die Fach- und die Tagespresse, in allen Produktionsfragen aufzuklären. Es wurden wiederum eine Anzahl Flugblätter und Anleitungen herausgegeben, so über den Anbau von Hanf und Flachs (Lein), über die Zwischcnpflanzung von Hülsenfrüchten und über den Mohär als Futterpflanze.

Wie im letzten Bericht auseinandergesetzt wurde, sah der Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1918 betreffend die Vermehrung der Lebensmittelproduktion die Ausrichtung von Beiträgen an die Beschaffung von Pflanzland und Saatgut für Bedürftige, sowie an die Beschaffung einzelner landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen durch Kantone und gemeinnützige Unternehmen vor. Die hieraus resultierenden Ausgaben des Bundes an die Kantone erreichten bis 31. März 1919 folgende Beiträge: 1. Beschaffung von
Pflanzland und Saatgut Fr. 44,551. 50 2. Beschaffung einzelner landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte ,, 126,801.05 Zusammen Fr. 171,352. 55 Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

17

256

Der Bedarf an F e l d - u n d G e m ü s e s ä m e r e i e n für die Frühjahreussat 1919 konnte teils durch Import, teils durch vermehrte Produktion im Inlande, wenn auch in einzelnen Fällen erst nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten und nicht durchwegs reichlich, so doch immerhin ausreichend und im allgemeinen in befriedigender Weise gedeckt werden.

O b s t v e r s o r g u n g . Obstversorgung und Obstverwertung, die im Zeitpunkte der letzten Berichterstattung noch in vollem Gange waren, haben sich in der Folge auf Grundlage der getroffenen Massnahmen befriedigend und ohne Störungen abgewickelt.

In den Produktionsgebieten fiel die Obsternte, dank insbesondere der günstigen Witterung, reichlicher aus, als man anfänglich erwartet hatte. Die eidgenössischen Zentralstellen für Obstversorgung waren deshalb in der Lage, alle Bestellungen von Dörrkonserven- und Tafelobst auszuführen ; auch den Mostereien, die vorschriftsgemäss konzessioniert und kontingentiert wären, konnte über das ursprünglich vorgesehene Kontingent hinaus Mostobst geliefert werden. Der Eintritt des Waffenstillstandes hatte bald einen merklichen Rückgang der Nachfrage nach Koch- und Tafelobst zur Folge, so dass auf Veranlassung der eidgenössischen Zentralstellen entsprechend grössere Obstmengen als Reserven zur Einlagerung gelangten und überdies ein weiterer Überschuss von rund 150 Wagen, für den der inländische Markt nicht mehr aufnahmefähig war, zum Exporte durch die Zentralstellen freigegeben werden konnte.

Bis Ende November 1918, dem Zeitpunkte des Abschlusses des Herbslgeschäftes, wurden durch die eidgenössischen Zentralstellen für Obstversorgung folgende Mengen Obst vermittelt : à 10 Tonnen

An ,, ,, ,.

Fürsorgestellen . . . . 2238 Wagen Konservenfabriken . . . 671 ,, Dörrereien 629 ,, Mostereien 3145 ,, Zusammen

6683 Wagen

Von Ende November bis anfangs April 1919 haben die Zentralstellen für die Inlandsversorgung weitere 335 Wagen Koch- und Tafelobst vermittelt.

Die aussergewöhnlich milde Witterung der Monate Dezember und Januar beeinträchtigte die Haltbarkeit des eingelagerten Obstes. Um es vor Verderbnis zu schützen, musste es früher

257 als beabsichtigt war in den Konsum übergeführt werden. Die Nachfrage im Inlande war jedoch im damaligen Zeitpunkte gering, trotzdem das Obst von den Zentralstellen zu den gleichen Preisen wie im Herbst geliefert wurde. Infolgedessen wurde den Zentralstellen neuerdings ein begrenzter Export bewilligt. Die inländische Nachfrage konnte durch Lieferungen der Zentralstellen bis gegen Ende März in vollem Umfange befriedigt werden, worauf die angelegten Vorräte jedoch erschöpft waren.

Die Verfügung vom 10. August 1918 betreffend Obstversorgung und Obsthandel wurde auf 1. Mai 1919 bis auf weiteres sistiert. Auf den gleichen Zeitpunkt ist auch die Aufhebung der Transportsperre für frisches Obst angeordnet worden.

Auf dem B r a n n t w e i n m a r k t e machte sich, ähnlich wie auf ändern Gebieten im Laufe des Winters 1918/19 eine Entspannung und ein leichtes Weichen der Preise bemerkbar, so dass die Verfügung vom 27. Oktober 1917 betreffend Handel mit Obstbranntwein, durch Verfügung des eidgenössischen Ernäh·rungsamtes vom 20. Januar 1919 aufgehoben werden konnte.

Auch der Handel mit O b s t w e i n und M o s t lenkte im Verlaufe des Winters in vollständig ruhige Bahnen ein, so dass die Noterlasse ohne Bedenken aufgehoben werden konnten. Auf den 1. Februar 1919 wurde die Aufhebung der Transportsperre für Obstwein und Most angeordnet. Durch Verfügung des eidgenössischen Ernährungsamtes vom 28. März 1919 wurde auch die Verfügung vom 5. April 1918 betreffend Handel mit Obstwein und Most aufgehoben.

Die Massnahmen für die Erfassung und die zweckmässige Verwertung der Obsternte des laufenden Jahres werden, soweit solche noch notwendig sind, den Ernteergebnissen und den Verhältnissen der Lebensmittelversorgung des Landes im allgemeinen anzupassen sein. Die um die eidgenössischen Zentralstellen für Obstversorgung gruppierten Organisationen der Obstinteressenten, die bisher bei der Durchführung der behördlichen Massnahmen erfolgreich mitwirkten, stellen ihre Mitarbeit auf Wunsch auch weiterhin zur Verfügung.

F e l d e r z e u g n i s s e u n d G e m ü s e . D e r Waffenstillstand war von einem Abflauen der Nachfrage nach verschiedenen Felderzeugnissen und Gemüsen begleitet. In der Erwartung eines baldigen Preisrückganges legten sich die Konsumenten im Zukauf von Produkten des Garten- und Feldbaues Zurückhaltung auf.

Anderseits lagerten bei Produzenten, Fürsorgeämtern und auch bei Händlern grössere Mengen Felderzeugnisse und Gemüse, für

258 die nunmehr der erwartete Absatz fehlte. Da diese Verhältnisse die Preisbildung im Sinne eines Abbaues beeinflussen mussten, die bestehenden Höchstpreise der natürlichen Entwicklung aber eher hinderlich gewesen wären, durfte an die Aufhebung der betreffenden Vorschriften herangegangen werden. Durch eine Verordnung des eidgenössischen Ernährungsamtes vom 20. Januar 1919 wurden demzufolge folgende Verfügungen aufgehoben: Verfügung vom 16. September 1918 betreffend Höchstpreise für Weisskraut, Verfügung vom 17. September 1918 betreffend Höchstpreise für Mohren (Rubli) und Kohlrüben, Verfugung vom 16. Oktober betreffend Höchstpreise für Weissrüben. Die Transportsperre für Weisskraut und Weissrüben war schom am 1. Dezember 1918 aufgehoben worden; Das Fütterungsverbot für zugekaufte Rubli (Mohren) wurde am 15. Februar 1919 ausser Kraft erklärt.

Am 31. März 1919 erfolgte die Aufhebung der Verfügung vom 16. Oktober betreffend Höchstpreise für Sauerkraut und Sauerrüben.

D ü n g e m i t t e l u n d K u p f e r v i t r i o l . Deutschland lieferte auch während des Krieges grössere Mengen Kali und Thomasmehl aus den Produktionsgebieten in Elsass-Lothringen. Um sich die Zufuhr dieser für die landwirtschaftliche Produktion äusserst wichtigen Düngemittel zu sichern, setzten wir uns nach Eintritt des Waffenstillstandes mit den französischen Behörden und mit den Lieferfirmen in Elsass-Lothringen in Verbindung. Dank dem wohlwollenden Entgegenkommen konnten die Zufuhren an Kalisalz bald nach Beginn des Jahres 1919 wieder aufgenommen werden.

Bis Ende Februar gelangten aus Elsass-Lothringen rund 1100 Wagen Kalisalz zur Einfuhr, und seit anfangs April konnte in bescheidenem Umfang auch die Einfuhr von Thomasschlackenmehl wieder aufgenommen werden. Ungefähr um die gleiche Zeit setzten die Zufuhren au Kalisalz und Thomasmehl auch aus Deutschland wieder ein, so dass die nach dem Abkommen Über den Austauschverkehr vom 15. Mai 1918 rückständigen Lieferungen, einschliesslich 650 Wagen Thomasschlackenmehl, Ende April bis auf einen kleinen Rest vollständig ausgeführt sein werden.

Auch die Herstellung von Superphosphat aus überseeischen Rohphosphaten konnte zu Anfang des Jahres wieder in grösserm Umfange aufgenommen und es konnten der Landwirtschaft schon für die Frühjahrsbestellung gegen 400 Wagen dieses wertvollen phosphorsäurehaltigen Düngers abgegeben worden. Seine Preise sind allerdings noch sehr hoch und müssen entsprechend abgebaut werden.

259 Die Nachfrage nach stickstoffhaltigen Düngemitteln kann durch Lieferung von im Inlande hergestellten Kalkstickstoff, schwefelsaurem Ammoniak und Natron- (Chile") Salpeter vollständig befriedigt werden. Hand in Hand mit dem wachsenden Angebot geht hier auch ein planmässiger Abbau der Preise dieser Düngemittel, die während des 'Krieges aussergewöhnlich in die Höhe gegangen waren.

Während der Bedarf der schweizerischen Landwirtschaft an Kali- und Stickstoffdüngern nunmehr wieder vollständig, und wie zu hoffen ist, bald auch wieder zu annehmbaren Preisen gedeckt werden kann, bedarf es noch längere Zeit nachhaltiger Anstrengungen, um den Bedarf an Phosphorsäuredilngern auch nur einigermassen ausreichend und zu massigen Preisen decken zu können.

Die Beschaffung der erforderlichen Kunstdünger zu massigen Preisen ist neben der Landesversorgung mit Kraftfuttermitteln eine der wichtigsten Massnahmen zur Hebung der Lebensmittelproduktion im eigenen Lande, und diese ihrerseits ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für den natürlichen Abbau hoher Lebensmittelpreise.

Der Jahresbedarf an K u p f e r v i t r i o l ist durch Importe und vertraglich vereinbarte Fabrikation im Inlande vollständig gedeckt. Die Lieferungen für die nächstjährige Verbrauchsperiode werden auch zu erheblich billigern Preisen erfolgen können.

M a i k ä f e r b e k a m p f u n g . Durch Verfügung des Ernährungsamtes v o m 2 4 . M ä r z 1919 b e t r e f f e n d die Bek ä m p f u n g der M a i k ä f e r wurde die Sammlnng und Tötung der Maikäfer für alle Gemeinden, die 1919 ein Flugjahr (Urnerflugjahr) zu verzeichnen haben, wiederum obligatorisch erklärt.

Obligatorisch für alle Besitzer, Pächter und Nutzoiesser von Land auf dem Gebiet der ganzen Eidgenossenschaft ist auch die Vertilgung der auf ihren Grundstücken sich zeigenden Engerlinge (Larven der Maikäfer). Das grosse Interesse, welches uneer Land daran hat, seine Lobensmittelproduktion auch fernerhin in jeder Beziehung zu fördern, liess es geraten erscheinen, den Kampf gegen die Maikäfer auch in diesem Jahre einheitlich aufzunehmen und durch Ausrichtung von Sammelprämicn 7,11 unterstützen. Die Verfügung unterscheidet sich von der letztjährigen im wesentlichen in zwei Punkten: 1. Die Beitragsleistung durch den Bund unterscheidet nicht mehr zwischen freiwilliger und obligatorischer Sammhing, sondern es wird für die ganze Menge der gesammelten Maikäfer eine einheitliche Prämie nach Massgabe der kantonalen

260

Leistungen verabfolgt. 2. Die zentralisierte Verwertung der Maikäfer durch den Bund zwecks Herstellung von Futtermitteln wurde, weil sie hygienische Nachteile mit sich gebracht und auch verhältnismässig zu grosse Kosten verursacht hat, fallen gelassen.

Die gesammelten Maikäfer sollen in der Regel lokal, also innerhalb der Gemeinden in zweckmässiger Weise verwertet werden, wobei aber nicht ausgeschlossen ist, dass sich private Stellen aus eigener Initiative mit der Sache befassen.

Ü b e r w a c h u n g des Vertriebes von Dünge-, Futterund P f l a n z e n s c h u t z m i t t e l n . Die sich auf den Bund esratsbeschluss vom 22. Dezember 1917 und die Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 7. Januar 1918 betreffend die Überwachung der Herstellung und des Vertriebes von Düngemitteln, Futtermitteln und Pflanzenschutzmittelnttützende Tätigkeit der landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsanstalten wurde planmässig fortgesetzt und war eine sehr rege.

Der Abschluss des Waffenstillstandes machte sich auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Hülfsstoffe insofern bemerkbar, als in der Nachfrage nach sogenannten ,,Kriegsfuttermitteln 1 * fast plötzlich ein starkes Abflauen eintrat. Die meisten ,,Kriegsfuttennischungen11'' waren immer verhältnismässig zu teuer und wurden nur in Rücksicht auf den bestehenden Futtermittelmangel gekauft; die Hoffnung auf eine rasche Belebung der Futtermitteleinführ erwies sich allerdings bis in die neueste Zeit hinein als trügerisch.

Angesichts der veränderten Verhältnisse hat die Zentral Verwaltung der landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsanstalten in vielen Fällen die von ihr von Fall zu Fall festgesetzten Höchstpreise für zum Vertrieb bewilligte Kriegsfuttermittel aufgehoben, um den natürlichen Preisabbau nicht zu hemmen.

Mit der Aufhebung der Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 8. März 1918 betreffend den Handel mit Knochen wurde auch die Verarbeitung der Knochen zu Dünge- und Futtermitteln freigegeben, d. h. diese untersteht seit dem 15. März abbin nicht mehr der Bewilligungspflicht gemäss Art. 4 der Verfügung vom 7. Januar 1918.

V i e h e x p o r t und V i e h z ä h l u n g . Der Export an Rindvieh und Ziegen ist Ende November 1918 zum Abschlüsse gekommen und seither nicht wieder aufgenommen worden. Ohne
zwingende Gründe wird ein nennenswerter Zuchtviehexport nicht erfolgen können.

Am 24. April 1919 (ludet wiederum eine ausserordentliche e i d g e n ö s s i s c h e V i e h z ä h l u n g statt, die durch Bundesratsbeschluss vom 27. Dezember 1918 angeordnet worden ist.

261

Eidgenössisches Milchamt.

M i l c h v e r s o r g u n g . Das Übereinkommen des Ernährungsamtes mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten, nach welchem die Milchversorgung im Winterhalbjahr 1918/19 durchgeführt wurde, hat eine namhafte Vermehrung der Bundesbeiträge an die verpflichteten Verbände gebracht. Die Erhöhung beträgt. durchschnittlich gegenüber dem Sommer 1918 zwei Rappen per kg Milch und musste übernommen werden, weil die Sammelkosten, die Bahnfrachten und insbesondere die Verteilungskosten (Kleinhandelsspesen) wesentlich gestiegen waren und somit eine Erhöhung des Kleinverkaufspreises unvermeidlich gemacht hätten. Im Hinblick auf die .allgemeine Lage des Landes wollte das Ernährungsamt in Übereinstimmung mit dem Bundesrat eine Erhöhung des Milchpreises vermeiden.

Die Kantone wurden an den grössern Beiträgen insoweit beteiligt, als der Beitrag des Bundes für die allgemein verbilligte Milch von 3 auf 2,s Rappen herabgesetzt und somit derjenige der Kantone und Gemeinden zusammen von l auf 1,5 Rappen * erhöht wurde. Die Beiträge an die Notetandsmilch verblieben dieselben.

Die Ausgaben des Bundes für die ganze Milchversorgung gestalten sich im Winterhalbjahr, soweit sich die Rechnungsergebnisse jetzt überblicken lassen, wie folgt: A. Beiträge an die Müchproduzentenverbände.

1. Allgemeiner Beitrag für jedes kg Fr.

in den Konsum gebrachte Milch, 3 Rappen per kg . . · . . . 9,450,000 2. Zuschlage für einzelne grössere Plätze bis höchstens l Rappen per kg 800,000 3. Zuschläge für Milch, welche aus * betriebsfertigen Käsereien abgeführt wird .

1,500,000 4. Frachtvergütungen auf den normalen Talbahnen, soweit sie l Rp.

per kg übersteigen (in Ausnahmefällen sind auch grössere Beiträge übernommen worden) . . . .

250,000 5. Beiträge für Fernmilch (aus einem Verbandsgebiet ins andere) . .

160,000 12,160,000

262 Übertrag

Fr.

12,600,000

B. Beiträge an die allgemeine Milchverbilligung Anteil des Bundes 2,5 Rappen per Liter (durch das eidgenössische Fürsorgeamt kontrolliert) , . .

5,100,000

C. Beiträge an die Notstandsmilch.

Anteil des Bundes, höchstens 82/3 Rappen per Liter (durch das eidgenössische Fürsorgeamt kontrolliert) 5,400,000 Voraussichtliche Gesamtkosten vom 1.November 1918 bis 30. April 1919 22,660,000 Für das Sommerhalbjahr 1919 konnte das Übereinkommen mit dem Zentral verband vorläufig nur um drei Monate verlängert werden. Der Milchpreis bleibt gleich, doch werden die Ausgaben des Bundes etwas höher ausfallen, weil im Sommer die vorgesehenen Rationen eher eingehalten werden können, und weil der Bund den Beitrag für Milch aus betriebsfertigen Käsereien um einen halben Rappen erhöhen musste. Ferner wird der Bund rund Fr. 100,000 an die Beschaffung von Kühlwagen zum Milchtransport zu leisten haben.

Die M i l c h p r o d u k t i o n war während des Winters sehr gering. Die Ursachen sind vom Milchamt in einer kleinen Schrift erörtert worden und können in folgende Sätze zusammengefasst werden: 1. weniger Kühe, 2. geringerer Milchertrag derselben infolge Wegfall der Kraftfuttermittel und Mangel an Rauhfutter, 3. vermindertes wirtschaftliches Interesse an der Milchlieferung. Während in den Jahren 1915 bis 1917 mehr die beiden erstgenannten Umstände wirkten, muss leider bemerkt werden, dass im letzten Jahre das Missverhältnis zwischen Milchpreis und den Preisen der andern landwirtschaftlichen Erzeugnisse, insbesondere zwischen Fleisch und Milch, immer grösser geworden ist.

Über die Rückgänge in der Milchlieferung gibt die Preisberichtstelle des schweizerischen Bauernverbandes folgende Zahlen bekannt : Minderlieferung gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres

November 1918 Dezember 1918 Januar 1919 .

Februar 1919 März 1919 .

April 1919 .

.

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-- 18,69 %

. . .

-- i4 )02
. . . .

. . . .

_ 20,c % -- 18,29 %

.

-

.

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.

17,29%

263 Die M i l e li p r e i s e gestalteten sich wie folgt : 1. Mai 1918 bis I.Nov. 19l8bis 31. Okt. 1918 30. April 1919

Höchstpreise für verbandsfreie Produzeuten, 1 kg franko Sammelstelle Üblicher Ortszuschlag . . .

Verbandszuschlag . . . .

Somit üblicher Preis frei Sammelstelle per kg . .

A u s m e s s p r e i s in den grössern Verbrauchssorten (Städten etc.) per Liter . . .

Nach A b z u g des Beitrages für a l l g e m e i n e Milchv e r b i l l i g u n g per Liter .

Nach A b z u g des Beitrages für N o t s t a n d s m i l c h per Liter

. . ., .1Q1Q aB l l l ï l a i tyìy

Kp.

Kp.

Rp.

80,75 0,20 l,oo

30,75 0,25 l,oo

31,75 0,26 l,oo

32

32

33

40

40

40

36

36

36

27

27

27

Die M i l c h r a t i o n i e r u n g erfolgt seit November 1918 mittelst der eidgenössischen Milchkarte. Die mittlere Tagesration in den grössten Städten und Orten der Schweiz betrug für die gesunde erwachsene Person : November 1918 . 4,8 dl Februar 1919 . . 4,40 dl Dezember 1918 . 4,6 dl März 1919 . . . 4,32 dl Januar 1919 . . 4,« dl April 1919 . . 4,« dl Die Zahlen für November und Dezember beruhen auf vergleichender Berechnung. Seit 1. Januar 1919 melden die in die Statistik einbezogenen Gemeindemilchämter die verteilte Ration wöchentlich, ausserdem findet Kontrolle durch die eidgenössischen Milchinspektoren statt.

Die Durchschnittsrationen sind also leider unter der vorgesehenen Normalration von 5 dl geblieben.

Für die nächste Zukunft sind die Aussichten der Milcherzeugung und Milchlieferung leider recht ungünstig. Wenn nicht besonders gute Bedingungen für den Futterwuchs eintreten und die Einfuhr von Futtermitteln umfänglicher zustande kommt, so werden wir im Herbst und Winter unvermeidlich noch grössere Milchnot haben als bisher.

264 Die B u t t e r ve r s o r g u n g wurde durch die Butterzentralen in bereits früher beschriebener Art weitergeführt. Leider war die Butterproduktion im Winter 1918/19 bedeutend kleiner als im Winter 1917/18. Indessen hatten die Butterzentralen in Voraussicht der Dinge auf 1. November rund 300,000 kg Vorräte aus der Sommerproduktion eingespart, so dass eine bescheidene Butterration von 50 bis 100 Gramm per Monat immer noch verteilt werden konnte.

Dem eidgenössischen Milchamt wurden folgende Buttermengen nachgewiesen : Winter 1917/18 Winter 1918/19 . .

627,074 kg November 414,375 kg Dezember 301,472 ,, . .

412,609 ,, Januar . .

488,644 ,, 345,852,5 ,, Februar .

.

440,171 ,, 280,975,5 ,, März . . . . . ' 464,271 288,924 ,,V) Ì f,,i ) 579,514 ,, April . . . .

V

Zusammen

3,012,283 kg

1,631,599

kg

Die B u t t e r p r e i s e waren unverändert seit \L Mai 1918: Ballen geformte Butter Fr.

Fr.

Der P r o d u z e n t erhielt von der Butterzentrale per kg . : . . .

6.70 6.80 Aufschlag der Butterzentrale : Eidgenössische Gebühr . . 0,20 Verpackung Oao Bezugsfracht 0^05 Handelskosten 0,io

nV/,4üi-

Der Kleinhändler bezahlt Der Konsument bezahlt .

7.15 7.50

7.25

7.60

Neuerdings musste eine geringe Erhöhung der Butterpreise stattfinden.

K ä s e V e r s o r g u n g . Unter dem stetigen Rückgang der Milcherzeugung musste natürlich auch die Käseproduktion schwer leiden. Die Genossenschaft schweizerischer Käseexportfirmen, welcher bekanntlich das alleinige Einkaufsrecht für den in den Handel zu bringenden Käse zusteht, kaufte ein :

265

Betriebsjahr 1. Sept. 1914 bis 31. August 1915 1. ,, 1915 ,, 31.

,, 1916 ., 1. ,, 1916 ,, 31.

,, 1917 ,, 1. ,, 1917 ,, 31.. ,, 1918 ,, 1. ,, 1918 ,, 31.

,, 1919

36,641,245 30,824,818 27,123,865 19,117,599 17,700,000

kg ,, ,, ,, ,, *)

Dank einer last vollständigen Aufhebung des Käseexportes war es trotz dieser bescheidenen Produktion noch möglich, die Käseversorgung des Inlandes mit einer Ration von 250 Gramm im Monat sicherzustellen. Überdies konnte die Vorzugsrationierung der Alpgegenden und auch die Gewährung von Zusatzkarten für Produzenten, für Schwerarbeiter und als Ersatz für Milch und Fleisch weitergeführt werden.

Der Käseexport im Jahre 1918 bezifferte sich auf 11,074 q gegen 356,822 q im Jahre 1913.

Die K ä s e p r e i s e waren : Fettkäse (Emmentaler, Gruyère): seit 1. Mai 1918 Fr.

Einkauf beim Produzenten per kg 3.16.

Dazu Qualitätszuschlag, Mittel . . 0,05 Nachzahlung an Zentralverband. . O,OT ,, ,, Unterverband . . ' 0,oi ,, ,, Produzent u. Käser 0,os Trinkgeld uod Fuhrlohn, Mittel . . 0,02 .0,18

Gestehungspreis für die Käseunion

3. 34 seit 1. Juli 1918

Abgabepreis an Kleinhandel 3. 60 Kleinverkaufspreis im Anschnitt unter 4 kg 4. 20 Die Herstellung von K a s e i n für technische Zwecke, welche in den Jahren 1915 bis 1918 eine gewisse Rolle spielte, ist im Laufe des Winters 1918/19 wegen Milchmangel, ferner wegen geringerem Bedarf für den Austauschverkehr, sodann aber besonders auch wegen Einfuhr von billigerem Kasein aus dem Auslande fast vollständig zum Stillstand gekommen. Dies hat etwas nachteilig auf die Butterversorgung rückgewirkt, weil bekanntlich die ßutterausbeute bei der Kaseinherstellung verhältnismässig am günstigsten ist. Dafür wurde etwas mehr Magerkäse gewonnen.

*) In den Monaten Mai bis August werden nur Winterkäse zur Einwägung gelangen. Die Menge derselben ist geschätzt, somit die Zahl eine vorläufige.

266

Monopolwaren.

Die Berichtsperiode steht unter dem Zeichen der durch den Waffenstillstand eingetretenen Verhältnisse. Dieselben kamen in erster Linie zum Ausdruck in einer starken Preissteigerung der Monopolwaren in den Produktionsländern, namentlich für Zucker und Reis, und in etwelcher Erleichterung der Frachtbeschaffung.

Nach vielmonatigem Unterbruch war wieder Tonnage für Javazucker, wenn auch immer noch zu hohen Preisen, erhältlich. Der in Java vor Eintritt des Waffenstillstandes gekaufte Zucker konnte inzwischen bis auf einen kleinen. Rest verschifft werden. Unsero Vorrate wurden durch Zukauf von zwei Dampferladungen Mauritiuszucker ergänzt, wovon die eine bereits in Cette eingetroffen und die andere schwimmend ist. Ununterbrochene Zufuhr auf dem Landwege vorausgesetzt, ist die Zuckerversorgung für dieses Jahr sichergestellt. Unsere Magazinvorräte sind durch den Umstand, dass mangels Tonnage vom August bis Ende Dezember kein Sack Zucker mehr verschifft werden konnte, ziemlich zusammengeschmolzen.

Auf dem Reismarkt spielten schlechte Erntenachrichten aus Indien eine grosse Rolle. Die englische Regierung litt die Reisausfuhr aus Indien verboten. Wir sicherten uns eine Dampferladung Siamreis, die in Marseille eingetroffen ist. Damit ist unser Reisbedarf bis zur neuen indischen Reisernte, d. h. bis gegen das Frühjahr 1920, gedeckt.

In Argentinien konnten die alten Maisvorräte und der Grossteil des längst gekauften und eingelagerten Hafers endlich verschifft werden. Durch Vermittlung der Wheat Executive London sind sechs Dampferladungen Mais abgeladen worden und weitere grössere Mengen Mais sind zur Verschiffung sichergestellt. Einige Teilladungen Maisgries sind auch aus Brasilien eingetroffen.

Aus Nordamerika sind die Haferlieferungen etwas regelmässiger geworden, bezüglich Menge aber immer noch durchaus ungenügend.

Den vor vielen Monaten schon gestellten Begehren um Lieferung von Ölkuchen ist Mitte Januar 1919 entsprochen worden durch Freigabe eines Quantums von 10,000 Tonnen. Hiervon war zur Zeit der Abfassung dieses Berichtes erst zirka 1/3 verschifft, und nur etwa 50 Wagenladungen sind in der Schweiz bereits eingetroffen. Leider fehlten für eine raschere Spedition die Transportgelegenheiten, so dass diese Ware zu spät kommt, um über die Futtermittelschwierigkeit der letzten Wochen vor Eintritt der Grünftütterung hinwegzuhelfen.

267 Auch die Transportverhältnisse ab Spanien, wo einige hundert Wagen Ölkuchen in kleinen Posten zusammengekauft worden sind, dann aber namentlich auch die Unmöglichkeit eines raschen Umschlages in Cette, verhinderten das rechtzeitige Eintreffen der spanischen Ware.

Bezüglich der Warenabgabe ist folgendes zu sagen : Die Differenzierung der Monopolwarenrationen hat sich bewährt. Die Klagen über ungenügende Versorgung der städtischen und der Induttriebevölkerung sind verstummt. Es war auch mög' lieh, die Rationen fortgesetzt bedeutend zu steigern. Während pro Dezember noch ausgegeben wurden: 192 Wagenladungen Reis, 145 Teig waren, fl 60 ,, Hafer- und Gerstenprodukte, 299 ,, Zucker, total t~>virt Wagenladungen, betrug die Abgabe pro April: 251 Wagenladungen 227 ,, 86 w 179 ,, 380 ,, total 1123 Wagenladungen.

Reis, Teigwaren, Hafer- und Gerstenprodukte, Maisgriess, Zucker,

Für den Monat Mai wird eine weitere wesentliche Steigerung eintreten in dem Sinne, dass die verstärkten Rationen schon im April teilweise bezogen werden können, um so den Ausfall des Fleisches während der fleischlosen Wochen decken zu können.

Es sind für den Moaat Mai zur Verfügung gestellt worden: 480 Wagenladungen Reis, 439 ,, Teigwaren, 137 ,, Hafer- und Gerstenprodukte, 416 ,, Maisgriess, 3»0 · ,, Zucker.

Total 1852 Wagenladungen.

Weniger glatt gestaltete sich die Futtermittelversorgung.

Wie schon erwähnt, sind die Zufuhren immer noch ungenügend. Eine kümmerliche Haferversorgung konnte nur durch-geführt werden unter bedeutender Beanspruchung der Haferreserve für die Armee. Die Zufuhrstockungen ab den Hafenplätzen verlangten sogar eine weitere Einschränkung, als sie zu Beginn der

268 Berichtsperiode bereits bestand. Mit teuren Ersatzfuttermitteln wollte sich der grossie Teil der Pferdebesitzer nicht behelfen. Mit dem Monat Mai tritt wieder eine kleine,' aber hoffentlich anhaltende Besserung ein.

Im allgemeinen ist zu sagen, dass die mit dem Waffenstillstand eingetretene Stagnation im Handel und Verkehr sich auch im Absatz der Monopolwaren geltend machie. Nnch Ersatzprodukten, die vorher stark begehrt waren, und die man im Interesse der Verbraucher mangels anderem anschaffte, besteht heute keine Nachfrage mehr.

Bezüglich Erlass und Aufhebung neuer Verfügungen ist hinzuweisen auf die Verfügung betreffend die Abgabe von Ölkuchen vom 21. Februar 1919, welche im Verteilungsgeschäft den Handel besser berücksichtigt als die frühere Verfügung betreffend Abgabe und Verteilung dieses Futtermittels.

Die Verfügung betreffend den Handel mit inländischen Hülsenfrüchten vom 2. Oktober 1918 konnte infolge Einleitung des notwendigen Siatgutes am 2l) Januar 1919 aufgehoben und der Handel ohne Festsetzung von Höchst- oder Richtpreisen freigegeben werden.

Mit der Wiederaufnahme der Abgabe von Maisgriess, dessen Abgabe ein Jahr unterbrochen war, mussten die Verkaufspreise für dieses Nahrungsmittel neu festgesetzt werden. Der neue Höchstpreis von bü Rp. per kg steht wesentlich unter den Durchschnittskosten desjenigen Maises, welcher innerhalb der nächsten Monate zur Abgabe gelangt.

Warenabteilung.

H a n d e l s t ä t i g k e i t im a l l g e m e i n e n . Wir haben im 10. Neutralitätsberichte unsere Auffassung über die Handelstätigkeit der Warenabteilung einlässlich dargelegt. Auf Grund der , damals zum Ausdruck gebrachten Ansichten haben wir uns veranlagst gesehen, unsere Tätigkeit in dieser Richtung wesentlich einzuschränken, sobald die Importschwierigkeiten durch den Abbruch des Krieges nachgelassen haben. Dieser Auffassung entsprechend haben wir auch unsere im Auslande errichteten Handelsbureaux aufgelöst. Die Holland Zwitsersche Handelsmaatschappij im Haag ist bereits vollständig liquidiert, während das Office commercial suisse in Madrid noch diejenigen Geschäfte erledigt, welche bereits angebahnt sind. Wir beschäftigen uns, mit Ausnahme von einzelnen Kompensationsgeschäften, sozusagen ausschliesslich nur noch mit der Erledigung bereits eingeleiteter Transaktionen.

269

P e t r o l e u m v e r s o r g u n g . Die Einfuhr und Abgabe in den Berichtsmonaten betrug: Einfuhr

kg

November Dezember Januar .

Februar .

März .

Total

273,300 -- · 328,372 838,243 179,845 1,619,810

kg.

1,845,189 2,105,468 2,083,458 1,196,861 464,192 7,695,168

Mit dem Waffenstillstand trat sofort eine vollständige und andauernde Stockung der Lieferungen von Petrol aus den Staaten der Zentralmächte ein. Die Zufuhren waren daher während der Berichtsperiode sehr gering, Das einzige nennenswerte Quantum brachte im Januar ein Segler aus Amerika.

Trotz der ausserordentlich bescheidenen Eingänge war es uns möglich, aus. den während der Sommermonate vorsorglich angesammelten Vorräten den dringendsten Bedarf an Petrol während des Winters zu decken. In denjenigen Kantonen, in denen auf unser Anraten hin rechtzeitig die Rationierung durchgeführt wurde, funktionierte die Petroleumverteilung gut, während aus Kantonen, wo die Rationierung zu spät, oder gar nicht durchgeführt wurde, vereinzelte Klagen über Mangel und ungleichmassige Verteilung eintrafen.

Auf 1. Februar konnte die Rationierung des Petrols für Beleuchtungszwecke und auf 1. März auch diejenige für die Abgabe an die Industrie aufgehoben werden, da es uns inzwischen gelungen war, aus Amerika grössere Quantitäten über Italien zum Abtransporte zu bringen.

Die Abgabepreise wurden auf 1. Mai bedeutend reduziert.

Ferner hoben wir auf denselben Zeitpunkt die Verordnung betreffend die Höchstpreise auf.

B e n z i n v e r s o r g u n ; Die Einfuhr und Abgabe in den Berichtsmonaten betrug : Einfuhr kg

November Dezember Januar .

Februar .

März . .

Total

227,610 -- 140,070 1,543,852 3,447,604 5,359,136

Abgabe

kg 485,456 005,718 485,413 546,444 928,108 2,951,139

270

Die Lieferungen von Benzin auf Grund des Wirtschaftsabkommens mit Deutschland wurden mit Beginn des Waffenstillstandes unterbrochen. Die Restquantitäten wurden jedoch in den Monaten Februar und März nachgeliefert. Durch diesen Unterbruch spitzte sich die Lage in der Versorgung mit Benzin während der Monate Dezember und Januar ausserordentlich zu, und es zeigte sich neuerdings, dass die von uns getroffenen, oft kritisierten Massnahmen zur Einschränkung des Verbrauches und zur gleichmassigen Verteilung des Benzins richtig waren. .

Durch die Vertreter des Benzingrosshandels wurde der Wunsch geäussert, es möchte das Einfuhrmonopol des Bundes mit Rücksicht auf die enormen Risiken, die ein direkter Import während der bestehenden Transportschwierigkeiten und des Preisabbaues in sich schliesst, noch beibehalten werden.

Die B e k ä m p f u n g der Warenspekulation und des W u c h e r s . Wir haben unsere Tätigkeit auf diesem Gebiete intensiv fortgesetzt. Es musste wiederum gegen eine ganze Anzahl von Firmen und Einzelpersonen Strafantrag wegen Verletzung der Wuchervorschriften gestellt werden.

Unsere Bemühungen wurden durch die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich unterstützt. Das Aufhören des Krieges bewirkte für die meisten Artikel das Ende der Preissteigerung. Von den Preisrückgängen wurden namentlich diejenigen Waren betroffen, die vorher vom Schieberhandel gesucht waren.

Unter solchen Verhältnissen verlor letzterer das Interesse an seiner Tätigkeit, indem die bisher leicht erzielten Gewinne nicht mehr lockten, sondern eher Verluste zu befürchten waren. Die letzten Besitzer solcher Warenposten werden dieselben nur mit wesentlicher Eiobusse liquidieren können.

Die in der Warenspekulation eingetretene Ruhepause ist jedoch bereits durch neue ungesunde Erscheinungen ausgelöst worden, welche sich im Handel geltend machen. Es werden nicht nur in der Schweiz ungangbare Artikel, sondern auch Waren, an welchen die Konsumenten unseres Landes ein Interesse haben, zusammengekauft, in der Hoffnung, dass der Zeitpunkt nicht mehr ferne sei, wo dieselben mit schönem Gewinne nach dem Auslande ausgeführt worden können. In Verbindung mit diesen Aufkäufen macht sich bereits ein starkes Anwachsen von Ausfuhrgesuchen geltend. Es sind durchgreifende Massnahmen in Vorbereitung, um diesem Handel, soweit er
auf unsere Landesversorgung einen schädigenden Einfluss ausübt, wirksam entgegenzutreten.

Was die Ausfuhr anbetrifft, wird die Frage einlasslich geprüft werden müssen, ob im Interesse des loyalen Handels und

271

namentlich auch der mit Ware überlasteten Ffirsorgestellen, Bewilligungen in bescheidenem Masse erteilt werden können, insofern die Landesversorgung dadurch nicht gefährdet wird.

V e r w e r t u n g von N e b e n p r o d u k t e n . Die durch Bundesratsbesehluss vom 8. März 1918 erlassenen Bestimmungen betreffend den Handel mit Knochen und deren Verwertung wurden durch den bundesrällichen Erlass vom 1. Februar 1919 aufgehoben.

Während des Zeitraumes ihres Bestehens gestaltete sich der Umsatz in Knochen wie folgt: K n o c h e n a b l i e f e r u n g e n a n d i e F a b r i k e n . Durch: Grossisten, Händler und Sammler Sammelknochen kg

Monat

Mai Juni . .

Juli August . .

September .

Oktober .

November .

Dezember .

Januar . .

Februar .

.. .

meizger rohe Knochen kg

To,a|

kg

860,403 130,274 990,677 758.866 150,636 909,502 631,704 186,946 818,650 . .

675,092 183,679 858,771 . .

593,813 210,561 804,374 . .

664,687 370,050 962,737 . .

728,141 564,287 1,292,428 . .

931,995 281,650 1,213,645 . .

918,994 307,631 1,226,625 . .

433,914 212,177 646,091 Total 7,197,^09 2,597,891 9,723,500 oder 73% · 27% 100% Der durchschnittliche Knochenanfall pro Monat betrug somit nach obiger Aufstellung 972 Tonnen.

Aus dem Gesamtanfull von 9723 Tonnen wurden bis Ende Februar 1919 als Fertigprodukte dem Konsum übergeben: Fett 713,722 kg Knochenmehl (entleimt) . . . 4,208,683 ., Knochenmehl (unentleimt) . . 1,297,844 ,, Knochenschrot 402,140 ,, Knochenpoudre 1,300 ,, Futterkuchenmehl 6,189 ,, Futterkuchen 17,170 fl Futtermehl 15,741 ^ Fleischmehl 3,881 ,, Mischdünger . . . . . . .

33,256 ,, Knochenstaub 2,070 ,, . .

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

18

272

Knochenöl 350 kg Raffinationsrückstände . . .

1,594 ., Tierisches Eiweis 9,824 ,, Gallerte 14,911 ., Albumin 25,601 ^, Leim 787,841 ,, Für Sammeln und den Handel mit Knochen wurden folgende Bewilligungen erteilt: davon wurden anulliert . .

Bestand am 15. März 1919

Sammler

Händler

Grossisten

1213 242 971

260 25 235

17 -- 17

Für die Verarbeitung der Knochen wurden 13 Extraktionswerke und 16 Knochenstampfen konzessioniert. Vom Gesatntanfall von rund 972 Wagons wurden bei den Extraktionswerken rund 958 und von den Knochenstampfen rund 14 Wagons verarbeitet.

Die Ablieferungen der Sammelknochen verteilen sich auf die verschiedenen Kantone, gemäss nachstehender Tabelle, wobei gleichzeitig das Quantum der gesammelten Knochen pro Einwohner angegeben ist.

Sammelquantum vom ..

Kantone

April 1918 bis Februar 1919

Aargau Appenzell A.-Rh. . . . .

Appenzell I.-Rh Basel-Stadt Basel-Land . . . . . .

Bern Freiburg Genf Glarus Graubunden Luzern Neuenburg St. Gallen Schaffhausen Schwyz Solothurn

kg 349,902 94,752 31,369 455,024 165,313 1,005,967 133,198 376,356 120,631 261,807 198,963 334,973 653,721 94,852 103,391 113,590

Übertrag

4,493,809

p-"',,h.,*, lnn 10 Elnw ( °

<*" *-

kg 152 164 216 336 217 156 96 244 363 221 120 250 217 207 179 98

273

Sammelquantum vom Aul HUI April 1918 bis Februar 1919 100 Einwohner

Kantone

kg

kg

Übertrag . . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .

4,493,809 354,313 227,097 19,513 21,054 51,792 147,563 619,717 47,951 1,472,728

264 143 141 123 234 114 198 171 294

Total für die ganze Schweiz

7,455,537

199

Thurgau .

Tessili . .

Nidwaiden .

Obwalden .

Uri . . .

Wallis . .

Waadt . .

Z u g. . .

Zürich . .

.

.

.

.

. .

. .

. .

. .

. .

.

Im grossen und ganzen ist Dank der vorgenommenen Massnahmen ein Gesamtergebnis erzielt worden, welches um zirka 200 Waggons höher steht als dies in Friedeoszeit der Fall war, wodurch zirka 20 Waggons Fett und entsprechende Mehrquantitäten anderer Produkte der Landesversorgung zugute gekommen sind.

Ferner wurde verhindert, dass dio Preise dieses wichtigen Rohproduktes und damit die Preise der Fertigprodukte weiter in die Höhe getrieben wurden, ,,indem während der ganzen Zeit, in welcher die gesetzlichen Massnahmen in Kraft waren, alle Preise der mit den Knochen in Verbindung stehenden Artikel stabil geblieben sind., Als gegen Neujahr, infolge des Waffenstillstandes, der Absatz in Knochenfett und in Leim ganz bedeutend zurückging, sahen wir uns veranlasst, die Aufhebung der bestehenden gesetzlichen Massnahmen zu beantragen, indem nunmehr die Gründe, welche seinerzeit für die Aufstellung dieser Massnahmen geltend gemacht wurden, nicht mehr bestanden.

Entölung von Traubenkernen und Maiskeimeû.

Während der Berichtsperiode wurde auch die G e w i n n u n g von Öl aus T r a u b e n k e r n e n an die Hand genommen.

Schon die ersten Versuche haben gezeigt, dass das Rohmaterial für diesen Zweck viel zu teuer zu stehen kam, doch glaubten wir im Interesse unserer Lebensmittelversorgung die Kostenfrage in zweiter Linie in Berücksichtigung ziehen, zu müssen, Es wurden vorerst fünf Waggons von sonst verloren gehenden

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Traubenkernen auf Speiseöl verarbeitet. Die Ausbeute für dieses Produkt beträgt zirka 5 %. Als nach dem Waffenstillstand die Nachfrage nach Öl zurückging, haben wir den weitern Einkauf von Traubenkernen sistiert, so dass wir diesbezüglich über das Versuchsstadium nicht herauskamen.

Die gleichen Gründe, welche für* die Sistierung der Verwertung der vorher genannten Produkte massgebend waren, veranlassten uns auch, die E n t ö l u n g der M a i s k e i m e für Rechnung des Bundes aufzugeben. Das Resultat dieser Tätigkeit ist immerhin ein befriedigendes. Vom August 1917 bis Januar 1919 .

betrug der Eingang an Maiskeimen 2,338,796 kg.

Daraus wurden gewonnen: 93,364 kg Speiseöl 179,642 kg Substanz für die Seifenfabrikation.

Die entölten Maiskeime dienten als Viehfutter.

·Dörrung und Konservierung von pflanzlichen P r o d u k t e n . Die Statistik Über das von 499 Dörranlagebesitzern fabrizierte Dörrgut ergibt für die Dörrsaison 1918/1919 das folgende Bild: Sorte

Äpfel Birnen .

Steinobst Feigen und Kaffeesurrogate .

Zichorienwurzeln Eicheln Kartoffeln Diverse Gemüsearten Trester und Treber Diverse Futterartikel Enzianwurzeln Kastanien Buchnüsse Traubenkerne Diverse Produkte

Dörrgut

kg 869,009 533,027 194,675 . .

918,809 471,171 174,047 2,513,288 602,949 1,24H,681 358,028 9,885 58,104 14,530 17,000 158,901 Total 8,140,104

Mit der Erzeugung von rund 800 Waggons Dörrprodukte wurde der Landesversorgung ein wichtiges Kontingent an Lebensund Genussmitteln zugeführt. Obwohl nunmehr infolge der ver-

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änderten Verhältnisse einzelne der fabrizierten Artikel nicht möhfl leicht abgesetzt werden können, glauben wir, dass seinerzeit Vorsorge unsere Pflicht war. Nachdem wir namentlich zum Dörren von Obst aufgemuntert hatten, fühlten wir uns verpflichtet, den Dörrern auf Wunsch ihre Produkte abzunehmen. Der Aufkauf dieser Ware erfolgte durch die eidgenössische Obstzentrale auf unsere Rechnung.

Die in der Schweiz geernteten rund 135 Waggons Zichorienwurzeln wurden auf Grund der Verfügung vom 27. August 1918 durch rationell eingerichtete Zichorienfabriken verarbeitet und.

direkt dem Konsum zugeführt.

Rosskastanien, B u c h e c k e r n und Eicheln. Infolge der während der Ernte dieser Produkte herrschenden Grippeepidemie ist das Resultat der Sammlung dieser Produkte kein günstiges gewesen, trotzdem die dafür bezahlten Preise als sehr, hoch zu bezeichnen sind.

Es wurden gesammelt: kg Eicheln .'

474,597,6 Kastanien 83,001, 6 Bucheckern . 26,999,45 Infolge der geringen Ernte und der veränderten Verhältnisse haben wir davon abgesehen, die Rosskastanien zu Lebensmitteln zu verarbeiten und uns damit begnügt, dieselben zu Futterzwecken zu verwerten.

Die Eicheln dagegen wurden durch Fabriken zu Kaffeesurrogaten verarbeitet.

Die Bucheckern sind zuerst vorgetrocknet worden. Deren Verarbeitung auf Öl ist zurzeit im Gange.

S e n d u n g e n a n S c h w e i z e r i m A u s l a n d e . Während der Berichtsperiode haben sich bekanntlich die Lebensverhältnisse für die in den Ländern der Zentralmächte wohnenden Völker noch erheblich verschlimmert. Hiervon sind auch die in diesen Ländern wohnenden Schweizer betroffen worden. Wir waren daher bestrebt, unsern Paketversand an Schweizer im Auslande noch weiter auszubauen, um das harte Los unserer Landsleute nach Möglichkeit zu lindern. Wir stiessen dabei jedoch, infolge der schlechten Verkehrsverhältnisse, auf zahlreiche Schwierigkeiten, so dass die Paketempfänger oft länger als gewöhnlich auf die so dringend notwendigen Lebensmittel warten mussten.

Im Januar fügten wir den bereits bestehenden fünf Paketserien drei weitere bei. Diese neuen Pakete weisen wiederum

276 das volle Gewicht von zirka 5 kg brutto auf. Bei der Zusammenstellung derselben wurde darauf Rücksicht genommen, dass filidie Ernährung möglichst wertvolle Waren in Betracht gezogen wurden. Ein Paket wurde speziell für Kinder und Kranke kombiniert.

Mitte März wurde sodann den Paketbezügern zur Kenntnis gebracht, dass Familien von vier bis fünf Personen Anrecht auf monatlich ein, und solche von sechs und mehr Köpfen auf zwei Zuschusspakete haben. Ferner wurden die Schweizerkonsulate und Schweizervereine ermächtigt, uns für Schweizer mit bescheidenem Einkommen den Versand von Gratispaketen zu beantragen.

Leider hat es sich in letzter Zeit herausgestellt, dass alle diese Massnahmen in sehr vielen Fällen nicht mehr genügen können. Die Not ist so gross geworden, dass weitere Zuweisungen von Lebensmitteln dringend notwendig werden. Sodann machten sich infolge des tiefen Standes der Valuta, namentlich Zahlungsschwierigkeiten geltend. Die Möglichkeit eines weitern Entgegenkommens nach beiden Richtungen wird gegenwärtig einlässlich geprüft.

B e r n , den 23. Mai 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ad or.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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XII. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen. (Vom 23. Mai 1919.)

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1919

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3

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22

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575

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04.06.1919

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111-276

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