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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährung von Ruhegehältern an die Mitglieder des Bundesgerichtes und die ständigen Mitglieder des eidgenössischen Versicherungsgerichtes.

(Vom 17. Oktober 1919.)

Als im Jahre 1911 auch das Bundesgericht zur Beantwortung der Frage eingeladen wurde, ob die Errichtung einer Versicherungskasse für das eidgenössische Personal notwendig und wünschbar sei, und welche Kategorien des Personals in die Kasse einbezogen werden sollten, sprach sich das Bundesgericht für die Errichtung einer solchen Kasse und, unter gewissen Vorbehalten, für den Einbezug der Mitglieder des Gerichtes in die Kasse aus.

Der Ständerat und der Nationalrat haben nun in der Herbsttagung des laufenden Jahres das Bundesgesetz über die Versicherungskasse für die eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter verabschiedet. Das Personal der allgemeinen Bundesverwaltung wird daher wahrscheinlich in kurzer Zeit einer ähnlichen Alters-, Invaliden-, Witwen- und Waisenversicherung teilhaftig werden, wie sie das Personal der Bundesbahnen bereits hat.

Die Mitglieder des Bundesgerichtes werden aber nicht in die Versicherungskasse einbezogen werden können, da die besondere Stellung dieser Richter als von der Bundesversammlung gewählte Magistratspersonen es nicht angängig erscheinen liesse, sie allen Bestimmungen der künftigen Statuten der Versicherungskasse zu unterstellen. So ist es z. B. klar, dass ihre Aufnahme in die Kasse, nicht, vom Ergebnis der ärztlichen Untersuchung abhängig gemacht werden könnte. Bei der Bemessung der Altersrente könnte auch nicht wohl auf die Anzahl der Jahre, während der sie dem Bundesgerichte angehörten, abgestellt werden. Erfahrungsgemäss bekleidete nur ein geringer Prozentsatz der Bundesrichter vor der Wahl eine Stelle in der eidgenössischen Verwaltung. Wenn man daher auf das Dienstalter abstellen, und dieses erst vom Tage der Wahl in das. .Bundesgericht an berechnen

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wollte, so wäre es für die Bundesrichter in weitaus den meisten Fällen von vorneherein unmöglich, jemals in den Genuss einer Alters- oder Invalidenrente von 70 % des Gehaltes zu gelangen, da ja bei einem Eintrittsalter von 40 bis 65 Jahren die erforderlichen dreissig Dienstjahre erst im Alter von 70 bis 95 Jahren erreicht würden. Dies würde aber die Unmöglichkeit bedeuten, eine genügend hohe Rente zu erwerben, um in den Ruhestand treten zu können, und infolgedessen die Notwendigkeit, auf die Rente zu verzichten und weiterhin ein Amt zu bekleiden, dem man sich nicht mehr gewachsen fühlte.

Der Einsicht wird sich jedoch niemand verschliessen, dass auch den Bundesrichtern Gelegenheit geboten werden muss, sich im geeigneten Zeitpunkte mit einer auskömmlichen Altersrente zurückziehen zu können. Dafür sprechen die gleichen Gründe, die wir in der Botschaft über die Errichtung einer Versicherungskasse für die eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter bezüglich der Verjüngung des Personalkörpers an Haupt und Gliedern angeführt haben. Das Interesse des Bundes an der Ermöglichung des Rücktrittes älterer Mitglieder des Bundesgerichtes ist mindestens ebenso gross als sein Interesse an der ordnungsgemässen Erneuerung der höhern Beamten der Bundesverwaltung.

Je höher das Amt, desto mehr muss dem Staate daran gelegen sein, dass, es von einer Person bekleidet werde, die sich im Vollbesitz ihrer Arbeitskraft befindet und noch über die erforderliche geistige Frische verfügt.

Was wir mit Bezug auf die Bundesrichter angeführt haben, trifft auch auf die ständigen Mitglieder des eidgenössischen Versicherungsgerichtes, deren Zahl sich gegenwärtig auf zwei beläuft und die ebenfalls von der Bundesversammlung gewählt werden, zu.

Nachdem wir einerseits dargelegt haben, warum der Geltungsbereich der Versicherungskasse der eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter nicht auf die Bundesrichter und ständigen Versicherungsrichter ausgedehnt werden kann, wir anderseits aber den Nachweis erbracht zu haben glauben, dass eine Kweckmässige Altersversorgung dieser Richter ein Gebot der Notwendigkeit und Billigkeit ist, bleibt die Frage zu beantworten, wie dieses erstrebenswerte Ziel zu erreichen sei. Ein Fingerzeig, in welcher Richtung die Lösung zu suchen sei, ist 1919 gefasste Beschluss über die Zuerkennung von Rücktrittsgehältern an die Mitglieder des Bundesrates. Da die staatsrechtliche Stellung der Mitglieder der beiden höchsten schweizerischen Gerichtshöfe

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ähnlich ist wie die der obersten politischen und Verwaltungsbehörde der Eidgenossenschaft, liegt es nahe, auch ihre Ruhegehälter auf die gleiche Weise zu bestimmen, wenn auch zu sagen ist, dass die Stellung der in Frage kommenden Richter eine bedeutend sicherere als die der Bundesräte ist. Den Bundesrichtern und den ständigen Versicherungsrichtern, die das sechzigste Altersjahr überschritten und fünfzehn Amtsjahre vollendet haben, sollte daher der Anspruch auf ein Ruhegehalt von 60 °/° ihrer Besoldung eingeräumt werden. Solchen Bundesrichtern und ständigen Versicherungsrichtern, auf die diese Voraussetzungen nicht zutreffen, sollte die Bundesversammlung ein Ruhegehalt zuerkennen können, dessen Höhe sie festsetzt, das aber 60 % der Besoldung nicht überschreiten darf.

Überzeugt davon, dass damit überdies eine Ehrenpflicht gegenüber den in der Arbeit für den Staat und das Volk alt gewordenen und alternden Mitgliedern unserer obersten Gerichtsbehörden abgetragen wird, empfehlen wir Ihnen die Annahme des nachstehenden Entwurfes zu einem Bundesbeschlusse.

Genehmigen Sie, sehr geehrte Herren, die erneute Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 17. Oktober 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Steiger.

240 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährung von Ruhegehältern an die Mitglieder des Bundesgerichtes und die ständigen Mitglieder des eidgenössischen Versicherungsgerichtes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Oktober 1919, beschliesst: Art. 1. Mitgliedern des Bundesgerichtes und ständigen Mitgliedern des eidgenössischen Versicherungsgerichtes, die das sechzigste Altersjahr überschritten und fünfzehn Amtsjahre vollendet haben, steht der Anspruch auf ein Ruhegehalt in der Höhe von 60 °/o ihrer Besoldung zu.

Art. 2. Dio Bundesversammlung kann Mitgliedern des Bundesgerichtes und ständigen Mitgliedern des eidgenössischen Versicherungsgerichtes, auf die die Voraussetzungen des Art. l nicht zutreffen, ein Ruhegehalt zuerkennen, dessen Höhe sie festsetzt, das aber 60 °/o der Besoldung nicht überschreiten soll.

Art. 3. Dieser Bundesbeschluss tritt nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährung von Ruhegehältern an die Mitglieder des Bundesgerichtes und die ständigen Mitglieder des eidgenössischen Versicherungsgerichtes. (Vom 17. Oktober 1919.)

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1919

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1151

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22.10.1919

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237-240

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