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Bundesgesetz betreffend

die Arbeitszeit in den Fabriken.

(Vom 27. Juni 1919.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1919, beschließt:

Art. I.

Die Bestimmungen unter Titel ,,II. Arbeitszeit" des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken worden aufgehoben und durch die folgenden Bestimmungen ersetzt: NormalArt. 40. Die Arbeit im einschichtigen Betriebe darf arbeitswoche. für den einzelnen Arbeiter wöchentlich nicht mehr als achtundvierzig Stunden dauern.

Wird am Samstag weniger als acht Stunden gearbeitet, und ergäbe sich hieraus eine kürzere als die im vorhergehenden Absatz vorgesehene Arbeitsdauer, so darf der Rest der achtundvierzig Stunden auf die übrigen Werktage verteilt werden.

Abgeänderte Normalarbeitswoche.

Art. 41. Der Bundesrat ist ermächtigt: a. für einzelne Industrien, wenn und solange zwingende Gründe es rechtfertigen, insbesondere wenn durch die Anwendung des vorangehenden Artikels die Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf die in ändern Ländern bestehende Arbeitsdauer in Frage gestellt wäre, eine wöchentliche Arbeitsdauer von höchstens zweiundfünfzig Stunden zuzulassen : b. für die Anwendung von Art. 40 eine Übergangszeit von längstens einem halben Jahre, nach Inkrafttreten dieses

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Gesetzes, für einzelne Industrien festzusetzen, insbesondere für diejenigen, die bei diesem Inkrafttreten noch eine wesentlich längere Arbeitsdauer haben, als sie in Art. 40 bestimmt ist ; dabei muss indessen die wöchentliche Arbeitsdauer für die Übergangszeit auf höchstens fünfzig Stunden beschränkt werden.

Art. 42. Um die Mitte des Tages ist eine nach dem Ortsgebrauch sich richtende Mittagspause von wenigstens einer Stunde festzusetzen, es sei denn, dass a. die Arbeit nicht länger als acht Stunden dauert und durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen wird, oder b. die Arbeit spätestens um ein Uhr aufhört.

Pausen im einschichtigen Betrieb dürfen nur dann von der Arbeitsdauer abgerechnet werden, wenn das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist. Sie können staffelweise abgehalten werden.

Pausen.

Art. 43. Die Arbeit muss vom 1. Mai bis 15. September Grenzen der in die Zeit zwischen fünf Uhr morgens und acht Uhr abends, Tagesarbeit.

im übrigen Teil des Jahres zwischen sechs Uhr morgens und acht Uhr abends gelegt werden; an den Tagen vor Sonn- und Feiertagen muss sie spätestens um fünf Uhr aufhören.

Art. 44. Die Arbeitsstunden und die Pausen sind nach der Zeitkontrolle.

öffentlichen Uhr zu richten, jeweilen in der Fabrik durch Anschlag bekanntzugeben und der Ortsbehörde für sich und zuhanden ihrer Oberbehörde schriftlich anzuzeigen.

Die Ortsbehörde hat darüber zu wachen, dass der Stundenplan den Vorschriften über die wöchentliche Stundenzahl und über die Pausen entspricht.

Art. 45. Es ist untersagt, die Bestimmungen über die Umgehung der Arbeitszeit dadurch zu umgehen, dass den Arbeitern Arbeit nach Beschränkung der ArbeitsHause mitgegeben wird.

dauer.

Ausserhalb der gesetzlich zulässigen Arbeitsdauer dürfen die Arbeiter in der Fabrik auch freiwillig nicht arbeiten.

Art. 46. Gefährden in bestimmten Industrien oder in be- Verkürzung stimmten Fabriken die Einrichtungen oder das Verfahren des der Arbeitsdauer.

Betriebes bei der gemäss Art. 40 und 41 zulässigen Arbeitsdauer Gesundheit und Leben der Arbeiter, so verkürzt der Bundesrat die Arbeitsdauer nach Bedürfnis, bis die Gefahr beseitigt ist.

Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. III.

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856 Veränderte Art. 47. Als Abweichungen von der normalen Anordnung Anordnung der Arbeit wird der Bundesrat, bei nachgewiesenem Bedürfnis, der Tagesbewilligen : arbeit.

a. die Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit (Art. 43) ; b. den zweischichtigen Tagesbetrieb.

Im Falle von lit. a darf die Arbeits,dauer für den einzelnen Arbeiter das aus der Anwendung der Art. 40 und 41 sich ergebende Mass nicht übersteigen.

Beim zweischichtigen Tagesbetrieb (lit. &) soll die Arbeitsdauer für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht Stunden betragen. Sie muss innert eines Zeitraumes von neun aufeinanderfolgenden Stunden liegen. Die Schichten können übereinandergreifen.

Der Bundesrat erlässt die zum Schütze der Arbeiter in diesen Fallen nötigen Bestimmungen.

Überzeitarbeit.

Art. 48. Die aus der Anwendung der Art. 40 und 41 sich ergebende Dauer der Arbeit eines Tages kann, bei nachgewiesenem Bedürfnis und mit Bewilligung der zuständigen Behörde, ausnahmsweise und vorübergehend um bestimmte Stunden und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern verlängert werden.

Die Verlängerung darf nur in Notfällen mehr als zwei Stunden im Tage betragen.

Bewilligung Art. 49. Die im vorangehenden Artikel bezeichnete Beu. Bemessung willigung steht zu : der Uberzeitarbeit.

a. für höchstens zehn Arbeitstage der Bezirksbehörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde; b. für mehr als zehn Arbeitstage der Kantonsrcgierung ; die Bewilligung darf auf einmal für höchstens zwanzig Arbeitstage erteilt werden.

Die Zahl der Arbeitstage, für die einer Fabrik oder einer Fabrikabteilung Bewilligungen erteilt werden, darf in der Regel zusammen achtzig in einem Jahre nicht überschreiten. Weitergehenden Begehren kann ausnahmsweise und namentlich dann entsprochen werden, wenn die frühern Bewilligungen nur für einen kleinern Teil der in der Fabrik oder Fabrikabteilung beschäftigten Arbeiter erteilt worden sind, oder wenn ausserordentlicher Arbeitsandrang, besonders bei Saisonindustrien, dies erfordert und eine entsprechende Vereinbarung zwischen Fabrikinhabern und Arbeitern vorliegt.

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Art. 50. An den Tagen vor Sonn- und Feiertagen ist die Überzeitarbeit Tagen vor Verlängerung der Arbeitsdauer nur zulässig : 'anSonnund a. mit Bewilligung der Bezirksbehörde oder, wo eine solche Feiertagen.

nicht besteht, der Ortsbehörde für höchstens zwei Tage, wenn eine zwingende äussere Veranlassung nachgewiesen wird; b. mit Bewilligung der Kantonsregierung. für Fabriken derjenigen vom ßundesrate zu bezeichnenden Industrien, die wegen ihrer besondern Betriebsverhältnisse der Verlängerung auf eine grössere Dauer bedürfen.

Art. 51. Nacht- und Sonntagsarbeit sind nur ausnahmsweise Nacht- und Sonntags· und nur mit Bewilligung der zuständigen Behörde zulässig.

arbeit.

Die Arbeiter dürfen dazu nur mit ihrer Zustimmung verwendet werden.

Art. 52. Die Bewilligung vorübergehender Nachtarbeit ist Vorübernur bei nachgewiesenem Bedürfnis, die Bewilligung vorüber- gehende Nacht- und gehender Sonntagsarbeit nur aus zwingenden Gründen zulässig. SonntagsSie steht zu:

arbeit.

a. für höchstens sechs Nächte oder einen Sonntag der Bezirksbehörde oder, wo eine solche nicht besteht, der Ortsbehörde ; b. für mehr als sechs Nächte oder für mehr als einen Sonntag der Kantonsregierung.

Die Bewilligung darf nur für bestimmte Stunden und Tage und für eine bestimmte Zahl von Arbeitern erteilt werden.

Innert vierundzwanzig Stunden darf die Arbeitsdauer in der Nacht oder am Tage für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht, die Schichtdauer nicht mehr als neun Stunden betragen.

Dauert die Arbeit länger als fünf Stunden, so soll sie durch eine wenigstens halbstündige Pause unterbrochen werden.

Art. 53. Fabrikinhabern, für deren Industrie Nacht- und Dauernde Sonntagsarbeit in dauernder oder in regelmässig wiederkehrender Nacht- und Weise technisch oder wirtschaftlich unentbehrlich ist, erteilt der- Sonntagsarbeit.

Bundesrat die Bewilligung dazu, wenn der Gesuchsteller die Unentbehrlichkeit für seinen Betrieb nachweist und einen Stundenoder einen Schichtenplan einreicht, aus dem die Arbeitsdauer für jeden einzelnen Arbeiter ersichtlich ist.

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Der Bundesrat kann grundsätzlich feststellen, ob und inwieweit die Unentbehrlichkeit von Nacht- oder Sonntagsarbeit für bestimmte Industrien nachgewiesen sei.

Innert vierundzwanzig Stunden darf die Arbeitsdauer in der Nacht oder am Tage für den einzelnen Arbeiter nicht mehr als acht, die Schichtdauer nicht mehr als neun Stunden betragen.

Der Bundesrat ist ermächtigt, unter den von ihm festzusetzenden Bedingungen einzelnen Fabriken für den Übergang vom zwei- zum dreischichtigen Betriebe eine angemessene Frist zu gewähren, wenn dies in den Betriebs Verhältnissen begründet ist.

Ruhetage bei Art. 54. Ist Nachtarbeit bewilligt, so muss den Arbeitern Nacht- und jeden Sonntag eine Ruhezeit von wenigstens vierundzwanzig SonntagsStunden freigegeben werden.

arbeit.

Ist Sonntagsarbeit oder Nacht- und Sonntagsarbeit bewilligt, so muss jedem Arbeiter jeder zweite Sonntag und für jeden Arbeitssonntag in der Woche vorher oder nachher ein Werktag freigegeben werden. Diese freien Tage sollen wenigstens je vierundzwanzig Stunden umfassen.

Vorstehende Bestimmungen beziehen sich sowohl auf die vorübergehende Bewilligung, als auf die dauernde Bewilligung.

Hinsichtlich der nach Absatz 2 freizugebenden Tage werden bei ununterbrochenem Betrieb die Feiertage (Art. 58) nicht als Sonntage angesehen.

Bei ununterbrochenem Betrieb darf eine andere als die in Absatz 2 vorgesehene Verteilung der zweiundfünfzig freien Tage, sowie eine Verkürzung eines Teils dieser Tage bis auf zwanzig Stunden stattfinden. Unter den zweiundfünfzig freien Tagen müssen mindestens sechsundzwanzig Sonntage sein.

Als dreischichtig wird ein Betrieb auch dann betrachtet, wenn in ihm über den Sonntag zweischichtig gearbeitet wird, vorausgesetzt, dass die gesamte Stundenzahl einer Schicht im Wochendurchschnitt nicht mehr als sechsundfünzig beträgt.

Wechselinder Art. 55. In der Nachtarbeit sollen die Schichten in ZeitTages- und räumen von längstens vierzehn Tagen derart wechseln, dass jeder Nachtarbeit.

Arbeiter an der Tages- und Nachtarbeit gleichmässig Anteil hat.

Ausnahmen kann der Bundesrat für einzelne Fabriken bewilligen.

Ununterbrochene Ruhezeit.

Art. 56. Die bei Nacht- und Sonntagsarbeit vorgeschriebene Ruhezeit soll ohne Unterbrechung gewährt werden.

859 Art. 57. Pausen dürfen für den einzelnen Arbeiter in Be- Anrechnung trieben mit Nacht- und Sonntagsarbeit nur dann von der Arbeits- der Pausen.

dauer abgerechnet werden, wenn ihm das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet ist.

Es ist zulässig, sie nicht gleichzeitig für alle Arbeiter einer Schicht eintreten zu lassen.

Art. 58. Die Kantone können acht Feiertage im Jahre bestimmen, die im Sinne dieses Gesetzes als Sonntage zu gelten haben.

Vorbehalten bleibt die Bestimmung von Art. 54, Absatz 4.

Die konfessionellen Feiertage dürfen nur für die Angehörigen der betreffenden Konfession als verbindlich erklärt werden. Die Kantone können für einzelne Landesteile besondere Feiertage bezeichnen.

Der Arbeiter ist berechtigt, an ändern als den vom Kanton bestimmten konfessionellen Feiertagen die Arbeit in der Fabrik auszusetzen, hat jedoch sein Vorhaben dem Fabrikinhaber oder seinem Stellvertreter spätestens bei Beginn der Arbeit am Vortage anzuzeigen.

Feiertage.

Art. 59. Die Bewilligungen sind schriftlich nachzusuchen und Verfahren bei Bewillischriftlich zu erteilen.

Für die Bewilligungen darf einzig eine massige Kanzleige- gungen.

bühr erhoben werden.

Die Bewilligungen sollen in ihrem ganzen Wortlaut und mit den genehmigten Stunden- oder Schichtenplänen während ihrer Gültigkeitsdauer in der Fabrik angeschlagen sein.

Art. 60. Soll eine Bewilligung, für welche die Bezirks- oder Verfahren bei Ortsbehörde zuständig ist, sofort erneuert werden oder wird sie Erneuerungen.

in kurzen Zwischenräumen mehrmals nachgesucht, so ist das Gesuch von der untern Behörde an die Kantonsregierung zu weisen.

Art. 61. Die Bezirks- und Ortsbehörden haben die von ihnen Kontrolle der erteilten Bewilligungen sofort der Kantonsregierung mitzuteilen. Bewilligungen.

Die von den Kantons-, Bezirks- und Ortsbehörden erteilten Bewilligungen sind sofort dem eidgenössischen Fabrikinspektor mitzuteilen.

Art. 62. Jede Bewilligung kann bei missbräuchlicher An- Wiederwendung oder bei veränderten Betriebsverhältnissen zurückgezogen erwägung der Bewillioder abgeändert werden.

gungen.

Art. 63. Veranlasst ein Notfall eine Abweichung von den Verfahren bei gesetzlichen Vorschriften, ohne dass die Bewilligung dazu recht- Notfallen.

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zeitig hätte nachgesucht werden können, so hat der Fabrikinhaber unter Angabe der Gründe spätestens am folgenden Tage der für die Bewilligung zuständigen Behörde Anzeige zu erstatten.

Hülfsarbeit.

Art. 64. Die Bestimmungen über die Arbeitszeit finden keine Anwendung auf Hülfsarbeiten, die der eigentlichen Fabrikation vor- oder nachgehen müssen.

Der Bundesrat bezeichnet diejenigen Verrichtungen, auf die dieser Artikel anwendbar ist, und erlässt die zum Schütze der damit betrauten Arbeiter nötigen Bestimmungen, insbesondere über die Zahl der Ruhestunden.

Art. II.

In den Artikeln 66 und 72 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914. wird das Zitat ,,Art. 47, lit. a und c u , abgeändert in ,,Art. 47, lit. a und öa.

Art. III.

Der Bundesrat ist beauftragt, den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes zu bestimmen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 27. Juni 1919.

Der Präsident: H. Häberlin.

Der Protokollführer: Steiger.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 27. Juni 1919.

Der Präsident : Friedrich Briigger.

Der Protokollführer: Kaesliii.

Der schweizerische B u n d e s r a t beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 27. Juni 1919.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

N o t e . Datum der Veröfl'entlichung: 2. Juli 1919.

Ablauf der Eeferendumsfriat : 30. September 1919.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit in den Fabriken. (Vom 27. Juni 1919.)

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02.07.1919

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