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No.

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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

7l. Jahrgang.

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1021

Bern, den 26. Februar 1919.

Band L

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Organisation der schweizerischen Bundeskanzlei.

(Vom 21. Februar 1919.)

Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 enthält über die ' Bundeskanzlei in Art. 105 folgende aus der Bundesverfassung vom 12. September 1848 übergegangene Vorschrift: ,,Eine Bundeskanzlei, welcher ein Kanzler vorsteht, besorgt die Kanzleigeschäfte bei der Bundesversammlung und beim Bundesrat.

Der Kanzler wird von der Bundesversammlung auf die Dauer von drei Jahren jeweilen gleichzeitig mit dem Bundesrat gewählt.

Die Bundeskanzlei steht unter der besondern Aufsicht des Bundesrates.

Die nähere Organisation der Bundeskanzlei bleibt der Bundesgesetzgebung vorbehalten. " Die der Bundesgesetzgebung vorbehaltene nähere Organisation der Bundeskanzlei ist bis heute nicht geschaffen worden. Ein eigentliches Organisationsgesetz, wie solche für die einzelnen Departemente seit vielen Jahren in Kraft bestehen, fehlt noch für die Bundeskanzlei. Es sind diesbezüglich lediglich die nachfolgenden Vorschriften erlassen worden.

Der Bundesrat hat am 7. August 1850 ein ,,Reglement der schweizerischen Bundeskanzler aufgestellt, in welchem Beatimmungen enthalten sind über das Personal und dessen Verrichtungen, über die Art und Weise der Geschäftsführung und über die Aufbewahrung der Kanzleiakten. Durch Beschluss vom 10. März Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. I.

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1853 ist dieses Reglement, soweit es von den Kanzleisekretären handelt, abgeändert worden. Diese Erlasse können, wie schon der Titel ,,Reglement" zeigt, nicht als Organisationserlasse angesehen werden, sondern nur als Verfügungen darüber, welche Beamtungen für die erste Zeit der Bundesverwaltung nötig erschienen und welcher Geschäftsgang einzuführen sei. Sie stellen also nichts anderes als eine Geschäftsordnung dar. Die Grosszahl der daherigen Bestimmungen passt übrigens in keiner Weise mehr zu den heutigen Verhältnissen, nachdem sich die Bundesverwaltung in einer zur Zeit der Schaffung dieser Réglemente ungeahnten Weise entwickelt hat. Verschiedene Vorschriften sind im Laufe der Zeit durch die Bundesgesetzgebung abgeändert worden, und die noch formell bestehenden sollen durch eine neue Geschäftsordnung ersetzt werden, sobald ein Organisationsgesetz besteht.

Im Bundesgesetz vom 2. Juli 1897 betreffend die Besoldungen der eidgenössischen Beamten und Angestellten werden die Beamten und Angestellten in die dort vorgesehenen Besoldungsklassen eingereiht. Dadurch ist die Grundlage zu einem Organisationsgesetz insofern geschaffen worden, als eine Klassifikation der damals bestehenden Beamtungen vorgenommen worden ist.

Das Bundesgesctz vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung'enthält in den Artikeln 19--22 folgende Vorschriften : .,,Art. 19. Der Bundeskanzler unterstützt den Bundespräsidenten bei der Erledigung der Präsidialgeschäfte.

Art. 20. Der Bundeskanzler ist der Vorsteher der Bundeskanzlei.

Für den ßundesrat bestimmte Anträge des Bundeskanzlers sind von diesem dem Bundespräsidenten vorzulegen, der sie mit seinem Befund und Antrage dem Bundesrat unterbreitet.

Art. 21. Die Vizekanzler sind die Stellvertreter des Kanzlers.

Sie sind gleichzeitig Sekretäre des Bundesrates und nach dem Kanzler die obersten Beamten der Bundeskanzlei.

Ein Vizekanzler hat insbesondere die französische Fassung der vom Bundesrat ausgehenden Erlasse zu überwachen.

Art. 22. Der Bundeskanzlei liegen insbesondere ob : 1. Die Besorgung der Kanzleigeschäfte bei der Bundesversammlung und beim Bundesrate ; 2. die Eröffnung, Registratur und Weiterleitung der an den Bundesrat gerichteten Eingaben, die Registratur und Spedition der vom Bundesrate ausgehenden Sendungen ;

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8 der Übersetzungsdienst, soweit er nicht den Departementen obliegt; 4. die Organisation und Überwachung des stenographischen Dienstes der Bundesversammlung; 5. die Herausgabe des Bundesblattes und der amtlichen Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen ; 6. die Verwaltung der Drucksachen; 7. die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen, die Entgegennahme und Veröffentlichung der Wahlund Abstimmungsresultate ; 8. die Materialverwaltung der Bundesverwaltung; 9. die Organisation und Überwachung des Weibeldienstes."1 Durch diese Bestimmungen werden die Aufgaben der Bundeskanzlei in grossen Zügen umschrieben, und es kann in einem Organisationsgesetz lediglich auf dieselben verwiesen werden.

Was aber noch fehlt, das ist die in Art. 43 dieses Bundesgesetzes verlangte personelle Organisation der Bundeskanzlei, die durch die Bundesgesetzgebung zu erfolgen hat. Diese Lücke auszufüllen und der Vorschrift der Bundesverfassung nachzukommen, ist der Zweck der gegenwärtigen Vorlage.

Über den Entwurf haben wir die nachfolgenden Bemerkungen anzubringen.

Die Stellung des Kanzlers und der beiden Vizekanzler ist durch das Bundesgesetz vom 26. März 1914 geregelt. Der Bundesbeschluss vom 2. Oktober 1918 setzt die Besoldung des Kanzlers fest; die beiden Vizekanzler, welche einander gleichgestellt sind, gehören der I. Besoldungsklasse mit gesteigertem Höchstgehalt (zurzeit Fr. 6200--10,300) an.

Im Reglement von 1850 ist eine Teilung der Arbeit nur in dem Sinne vorgesehen, dass den beiden Kanzleisekretären und dem Registratur verschiedene Aufgaben zugewiesen werden. (Das eidgenössische Archiv ist seither an das Departement des Innern übergegangen.) Infolge der stetigen Zunahme der Bundesverwaltung und des konstanten Anwachsens der Aufgaben der Bundeskanzlei bestehen schon seit längerer Zeit drei selbständige, unter der Oberleitung des Kanzlers arbeitende Abteilungen, und zwar die eigentliche Kanzleiabteilung, die Drucksachenabteilung und die Abteilung für Registratur und Beglaubigungen. Die Schaffung dieser Abteilungen ist aus den Bedürfnissen der Verwaltung sukzessive herausgewachsen und hat sich durchaus bewährt, so dass wir dafür halten, die bereits bestehende Einrichtung solle nun auf dem Gesetzwege sanktioniert werden.

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Eine ganz gewaltige Mehrarbeit ist der im Jahre 1890 gegründeten Materialverwaltung, welche nun dem grössten Teil der Bundesverwaltung das ßureaumaterial zu liefern hat, nach und nach erwachsen. Der Jahresumsatz der Material vor waltung betrug im Jahre 1906 Fr. 73,241, im Jahre 1916 Fr. 568,436, im Jahre 1917 Fr. 868,942 und im Jahre 1918 Fr. 1,176,291. Der Umsatz in Zivilrechtsformularen hat die Summe von Fr. 53,480, derjenige in Schreibmaschinen den Betrag von Fr. 380,000 erreicht. Dieser Geschäftszweig der Bundeskanzlei muss nach kaufmännischen Grundsätzen behandelt werden. Es müssen nicht nur möglichst vorteilhafte Kaufabschlüsse gemacht werden, sondern es muss im Verkehr mit allen Verwaltungen den Begehrlichkeiten und Liebhabereien der Beamten und Augestellten bezüglich der Quantität und der Qualität der zu verabfolgenden Materialien mit allem Nachdruck entgegengetreten werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Materialverwaltung, welche bis dahin administrativ der Abteilung Kanzlei unterstellt gewesen ist, selbständig zu machen, und zwar in dem Sinne, dass alle grösseren Bestellungen und Lieferungsverträge, überhaupt alle wichtigeren Geschäfte, erst nach Genehmigung durch den Kanzler zur Ausführung gelangen.

Das Rechnungswesen der Bundeskanzlei soll auch in Zukunft durch die Materialverwaltung besorgt werden.

Der Entwurf sieht daher folgende Unterabteilungen der Bundeskanzlei vor: die Abteilung Kanzlei, die Drucksachenabteilung, die Abteilung für Registratur und Beglaubigungen und die Abteilung für Material und Rechnungswesen. Alle vier Abteilungen erhalten in der Hauptsache die nämliche Organisation, wobei hervorzuheben ist, dass, solange kein Bedürfnis dazu vorhanden ist, nicht alle vorgesehenen Beamtungen besetzt werden sollen und dass im Bedarfsfalle das Personal der einen Abteilung bei einer ändern Abteilung Verwendung finden soll.

An der Spitze jeder Abteilung steht als Leiter ein Abteilungsvorstand, dem ein Adjunkt als Stellvertreter beigegeben wird.

Der Abteilungsvorstand gehört der II. oder I. Besoldungsklasse (zurzeit Fr. 5200--7300, bzw. Fr. 6200--8300) an. Die Adjunkte werden je nach Tüchtigkeit und Dienstalter in die II. Besoldungsklasse (zurzeit Fr. 5200--7300) oder in die 111. Besoldungsklasse (zurzeit Fr. 4200--5800) eingereiht. Verdiente, ältere und erfahrene Kanzliston
werden bei eintretendem Bedürfnis zu Kanzleisekretären in Besoldungsklasse IV (zurzeit Fr. 3700--4800) oder in Besoldungsklasse III befördert, während die Kanzlisten in die Besoldungsklassen VI (zurzeit Fr. 2200--3800) und V (zurzeit Fr. 3200--4300) eingeteilt werden.

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Diese Organisation bietet auf absehbare Zeit hin nicht nur die Gewähr einer zweckentsprechenden Arbeitsteilung für das Personal der Bundeskanzlei, sondern auch für eine den Departementen und ändern Abteilungen entsprechende Einteilung in die c Besoldungsklassen.

Die Arbeiten des Verkehrs mit den eidgenössischen Räten beschäftigen den daherigen Beamten nicht nur während den Sessionen, deren Zahl stark anwächst, sondern auch einige Zeit vor und nach den Sessionen. Diese Arbeiten sollen auch in Zukunft dem Adjunkten der Drucksachenabteilung, die sich naturgemäss infolge der ihr obliegenden Aufgaben am besten dazu eignet, übertragen werden. Diesem Adjunkten wird das nötige Hülfspersonal beigegeben werden.

Der Übersetzungsdienst erfährt nach dem Entwurfe keine grossen Abänderungen. Nachdem Ende 1917 für den infolge Herausgabe eines Bundesblattes in italienischer Sprache erweiterten Dienst der Übersetzung in diese Sprache eine besondere Sekretärstelle in der II. Besoldungsklasse geschaffen worden ist, wird eine solche auch für die französische Sprache" in Aussicht genommen.

Die Übersetzer werden in die Besoldungsklasse III "eingereiht, da tüchtige und literarisch gebildete Übersetzer unter diesen Ansätzen nicht gefunden werden können. Es wird hier besonders darauf aufmerksam gemacht," dass die Aufgaben des Vizekanzlers französischer Zunge, eine Stelle, die nun wiederum besetzt wird, nachdem der bisherige Inhaber einige Jahre im Dienste der S. S. S.

zugebracht hat, in der Hauptsache der richtigen und korrekten Übersetzung aller vom Bundesrate ausgehenden Erlasse und Vorträge in die französische Sprache gewidmet sein sollen. Er hat nicht nur die französische Fassung dieser Erlasse zu überwachen, sondern die Übersetzung wichtiger Vorlagen, insbesondere solcher juristischer Natur, selbst zu besorgen. Neben den Übersetzungen in die französische und italienische Sprache fallen auch solche von ändern Sprachen (besonders italienisch und englisch) in die deutsche Sprache in Betracht. Diese Übersetzungen werden von einem sprachkundigen Beamten vorgenommen, der dafür, falls die Arbeit nicht in den ordentlichen Bureaustunden erledigt werden kann, eine besondere Entschädigung erhält.

Endlich muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass in den Voranschlägen stets ein Posten für ,,ausserordentliche Übersetzungen"
aufgenommen wird, der verwendet wird bei grossem Andrang dringlicher und wichtiger Übersetzungen.

Der Weibeldienst soll wie bis anhin der Abteilung Kanzlei unterstellt werden. Die Bundesweibel gehören der VI. und der

288 V. Besoldungsklasse, die Weibelgehülfen und die Ausläufer der VII. Besoldungsklasse (zurzeit bis Fr. 2800) an.

Wh- empfehlen Ihnen den nachfolgenden Entwurf zur Annahme und benutzen diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e i-n, den 21. Februar 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Steiger.

(Entwurf.)

·

Bundesgesetz betreffend

die Organisation der schweizerischen Bundeskanzlei.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, unter Hinweisung auf Art. 105 der Bundesverfassung, Art. 3, 6, 19, 20, 21, 22 und 43 des Bundesgesetzes vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. Februar 1919, heschliesst: Art. 1. Die Bundeskanzlei steht unter dem Bundeskanzler.

Es sind ihm als Stellvertreter zwei Vizekanzler beigegeben, von denen der eine die französische Fassung der vom Bundesrate ausgehenden Erlasse zu überwachen hat. Die Vizekanzler gehören der I. Besoldungsklasse mit gesteigertem Höchstgehalt an.

Art. 2. Die Obliegenheiten der Bundeskanzlei sind im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 (Art. 19--22) niedergelegt. °

269 Art. 3. Die Bundeskanzlei hat folgende vier Dienstabteilungen : die Abteilung Kanzlei, die Drucksachenabteilung, die Abteilung für Registratur und Beglaubigungen, die Abteilung für Material und Rechnungswesen.

Art. 4. Für jede dieser vier Dienstabteilungen sind folgende Beamtungen vorgesehen : Beamtung

.

Besoldungsklasse

Abteilungsvorstand : Adjunkt, zugleich Stellvertreter Kanzleisekretäre Kanzlisten I. Klasse Kaazlisten II. Klasse

II oder I Ili oder II IV und III V VI

Art. 5. Der Verkehr mit den eidgenössischen Räten wird durch den Adjunkten der Drucksachenabteilung besorgt.

Art. 6. Die Übersetzer sind der Abteilung Kanzlei unterstellt.

Es sind vorgesehen : Beamtung Besoldungsklasse Sekretär-Übersetzer für die französische Sprache . .

II ,, ., ,, italienische ' ,, . .

II Übersetzer III Art. 7. Der Weibeldienst. ist der Abteilung Kanzlei unterstellt. Er wird besorgt durch Bundesweibel in Besoldungsklasse VI oder V, Weibelgehülfen und Ausläufer in Besoldungsklasse VII.

Art. 8. Die Magaziner der Drucksachenabteilung und der Abteilung für Material und Rechnungswesen gehören der VI. oder VII. Besoldungsklasse, allfàllige Ausläufer dieser Abteilungen der VII. Besoldungsklasse an.

Art. 9. Der Bundesrat reiht die zurzeit der Bundeskanzlei angehörenden Beamten in die von diesem Gesetze vorgesehenen Beamtenkategorien und Besoldungsklassen ein und setzt deren Besoldungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes fest.

Art. 10. Dieses Gesetz tritt am in Kraft.

Auf diesen Zeitpunkt treten alle seinen Bestimmungen widersprechenden Vorschriften von Erlassen des Bundes avisser Kraft.

·Ss-O-tsi

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Organisation der schweizerischen Bundeskanzlei. (Vom 21. Februar 1919.)

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