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Bundesblatt

86. Jahrgang.

.Bern, den 4. Juli 1934.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Happen die Petitzelle oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli * Cte. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die siebzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Vom 29. Juni 1934.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Bundesrat erstattet Ihnen hierdurch Bericht über die siebzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, die vom 8. bis 80. Juni 1988 in Genf stattfand.

I. Einleitung.

Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: 1. Aufhebung der entgeltlichen Arbeitsvermittlung; 2. Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung ; 8. Arbeitslosenversicherung und verschiedene Formen der Arbeitslosenf ürsorge; 4. Euhezeiten und Schichtwechsel in automatischen Tafelglashütten; 5. Arbeitszeitverkürzung: Bericht der vorbereitenden dreigliedrigen Konferenz.

Ausser diesen fünf Gegenständen, die in engerem Sinne die Tagesordnung der Konferenz bildeten, hatte diese wie üblich noch eine Beine weiterer Geschäfte zu erledigen.

An der Konferenz waren 49 Staaten mit 371 bevollmächtigten Teilnehmern vertreten; davon waren 159 Delegierte und 212.technische Eatgeber. Am 21. Juni gaben jedoch die Vertreter der deutschen Begierung dem Präsidenten der Konferenz bekannt, dass die Eegierung des Deutschen Reiches sie beauftragt habe, die Vollmachten der deutschen Delegierten und technischen Eatgeber zurückzuziehen. Damit verringerte, sich die Zahl der bevollmächtigten Teilnehmer an der Konferenz auf 347. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Ägypten waren an der Konferenz durch Beobachter vertreten, die Vereinigten Staaten zum ersten-, Ägypten zum zweitenmal.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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722 Me schweizerische Delegation setzte sich wie folgt zusammen: Begierungsvertreter: Herr Fürsprech P. Eenggli, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, und Herr Dr. H, Giorgio, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung; Arbeitgebervertreter: Herr Ch. Tzaut, Ingenieur, Genf; Arbeitnehmervertreter: Herr Ch. Schüren, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Ausserdem war die Delegation von einer Anzahl technischer Eatgeber begleitet.

Den Vorsitz der Konferenz führte der italienische Begierungsvertreter Herr Giuseppe de Michelis, Mitglied des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden gewählt die Herren Creswell, südafrikanischer Begierungsvertreter, Cort van der Linden, niederländischer Arbeitgebervertreter und Hayday, britischer Arbeitnehmervertreter.

Wie der Bundesrat in seinem letztjährigen Bericht ausgeführt hat, war die sechzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenü vom Jahre 1982 die letzte Tagung gewesen, an welcher Albert Thomas, der dem Internationalen Arbeitsamt seit dessen Gründung als Direktor vorgestanden hatte, teilnahm.

Er starb kurz nach Konferenzschluss am 7. Mai 1932. Zu seinem Nachfolger ernannte der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes den früheren Vizedirektor des Amtes, Herrn Haròld Butler. An der Tagung, welcher der vorliegende Bericht gilt, bekleidete der neue Direktor zugleich zum erstenmal die Stelle des Generalsekretärs der Konferenz.

II. Traktanden und Beschlüsse der Konferenz.

1. Aufbebung der entgeltlichen Arbeitsvermittlung.

Über die Umstände, unter denen dieser Gegenstand auf die Traktandenliste der Konferenz des Jahres 1932 gesetzt worden war, hat Ihnen der Bundesrat bereits berichtet1). Nach der Methode der doppelten Beratung hatte die Konferenz des Jahres 1933 nunmehr endgültig über die Frage zu beschliessen.

Sie nahm auf Grund von Kommissionsberatungen den Entwurf eines Übereinkommens und eine Empfehlung an, deren Wortlaut im Anhang abgedruckt ist und deren Hauptinhalt sich wie folgt zusammenfassen lässt: Das Ü b e r e i n k o m m e n bezieht sieb auf zwei deutlich getrennte Arten von Arbeitsvermittlungsstellen, die ihre Tätigkeit gegen Entgelt ausüben. Die erste Art umfasst die Arbeitsvermittlungsstellen, die auf Gewinn gerichtet sind. Darunter fallen Personen, Gesellschaften, Anstalten, Geschäftsbetriebe oder sons tige. Einrichtungen, die als Vermittler dienen, um einem Arbeitnehmer eine Beschäftigung oder einem Arbeitgeber eine Arbeitskraft zu verschaffen, mit der Absicht, von dem einen oder andern einen unmittelbaren oder mittelbaren materiellen Vorteil zu ziehen. Ausgenommen sind dagegen Zeitungen ') Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die sechzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferens, vom 25. April 1933, Bundesbl. 1933, I,

686.

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oder sonstige Veröffentlichungen, sofern nicht ihr ausschliesslicher oder hauptsächlicher Zweck in der Stellenvermittlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern liegt. Die zweite Art umfasst die Arbeitsyermittmngsstellen, die -- obwohl sie ihre Dienste nicht unentgeltlich anbieten -- doch nicht auf einen Gewinn abzielen. Hierhergehören Gesellschaften, Anstalten, Geschäftsbetriebe oder andere Einrichtungen, die ohne auf materiellen Gewinn auszugehen, für ihre Vermittlungstätigkeit vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer eine Beitrittsgebühr, einen laufenden Beitrag oder sonst irgendeine Vergütung verlangen. Das Übereinkommen gilt nicht für die Arbeitsvermittlung von Schiffsleuten, die von der Internationalen Arbeitskonferenz bereits im Jahr 1921 in einem besonderen Übereinkommen geregelt wurde.

In den Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifizieren, müssen Arbeitsvermittlungsstellen der ersten Art, d. h. solche, die auf Gewinn gerichtet sind, innert drei Jahren, nachdem das Übereinkommen für das betreffende Mitglied in :Kraft getreten ist, aufgehoben werden. Ausnahmsweise kann die zuständige Behörde unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von dieser Bestimmung zulassen, aber erst nach Befragung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Während der genannten Frist von drei Jahren dürfen neue auf Gewinn gerichtete Arbeitsvermittlungsstellen nicht errichtet werden. Die bereits bestehenden Stellen dieser Art unterhegen der Aufsicht der zuständigen Behörde, und die von ihnen berechneten Gebühren und Spesen müssen sich nach einem von dieser Behörde genehmigten Tarif richten. Was die zweite Art von Vermittlungsstellen betrifft, d. h. diejenigen, die nicht auf Gewinn gerichtet sind, so müssen diese eine Erlaubnis der zuständigen Behörde besitzen und ihrer Aufsicht unterstellt sein. Sie dürfen keine Vergütung erheben über den Eahmen des Tarifes hinaus, der von der Behörde festgesetzt wird, und sie dürfen im Ausland Arbeitnehmer nur vermitteln oder anwerben, wenn sie dazu behördlich ermächtigt sind und diese Vermittlungstätigkeit gemäss einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Staaten erfolgt. Gegen die Verletzung der genannten Bestimmungen und der ihrer Durchführung dienenden Vorschriften hat die Gesetzgebung angemessene Strafen festzusetzen.

Das Übereinkommen wurde durch
eine E m p f e h l u n g mit folgenden Eichtlinien ergänzt : Es sollen Vorkehrungen getroffen werden, um die unentgeltlich arbeitenden Arbeitsvermittlungsstellen den Bedürfnissen derjenigen Berufe anzupassen, in denen die entgeltliche Arbeitsvermittlung bisher üblich war. Sodann sollen die öffentlichen Vermittlungsstellen sich grundsätzlich nach Berufen gliedern und über ein mit dem jeweiligen Beruf vertrautes Personal verfügen. Zur Mitarbeit bei diesen Stellen sollen Vertreter der massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände der beteiligten Berufe beigezogen werden. Die Ausübung der Arbeitsvermittlung soll Personen und Unternehmungen untersagt sein, die unmittelbar oder mittelbar aus gewissen Betrieben, wie Schank- oder Gastwirtschaften, Trödlergeschäften, Pfandleihen, Geldwechselstellen, unmittelbar oder mittelbar Nutzen ziehen. Auch soll die

724 Vermittlung in Eäuralichkeiten, in denen derartige Geschäfte betrieben werden, oder in ihren Nebenräumen verboten sein.

2. Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung.

Auch dieses Traktandum, welches schon im Vorjahre die Konferenz beschäftigt, hatte 1), gelangte 1988 zur zweiten und endgültigen Beratung vor die Konferenz. Diese beauftragte einen aus 68 Mitgliedern bestehenden Ausschuss mit der Behandlung der Entwürfe und Empfehlungen, die das Internationale Arbeitsamt auf Grund der von den Mitgliedstaaten beantworteten Fragebögen aufgestellt hatte. Aus den Beratungen des Ausschusses gingen sechs Vorentwürfe zu Übereinkommen sowie der Entwurf zu einer Empfehlung hervor, welche alle vom Plenum der Konferenz unverändert angenommen wurden; Berichterstatter über den Vorentwurf des Übereinkommens betreffend die Hinterbliebenenversicherung war Herr Dr. Giorgio, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung. Um möglichst vielen Staaten die Ratifikation zu ermöglichen, hatte man sich von vornherein beflissen, die Texte der Übereinkommen elastisch zu gestalten und sich auf die Festlegung grundsätzlich wichtiger Punkte zu beschränken. Auch die Trennung nach Versicherungszweigen und die gesonderte Behandlung der Versicherung landwirtschaftlicher Arbeitnehmer sollten durch die.damit geschaffene Möglichkeit, nur einzelnen Übereinkommen beizutreten, die Ratifikation im ganzen erleichtern.

Folgendes sind die sechs von der Konferenz beschlossenen Entwürfe von Übereinkommen: !.. Übereinkommen über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Alters; 2. Übereinkommen über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Alters: 8. Übereinkommen über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall der Invalidität; 4. Übereinkommen über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall der Invalidität; 5. Übereinkommen über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Beruf e sowie der Heim arbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Ablebens; 6. Übereinkommen
über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Ablebens.

*) Bericht dea Bundesrates an die Bundesversammlung, vom 25, April 1933, über die sechzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, Bundesbl. 1933, I, 686.

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Dazu kam eine Empfehlung betreffend die allgemeinen Grundsätze der Versicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Ablebens.

Der Wortlaut dieser sieben Beschlüsse ist im Anhang wiedergegeben.

Der Inhalt der Konventionen ist im ·wesentlichen folgender, wobei allgemein zu sagen ist, dass die drei auf die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft bezüglichen Übereinkommen sich jeweilen mit dem Übereinkommen für die entsprechende Versicherung der Arbeitnehmer anderer Erwerbszweige decken: Gemeinsam ist sämtlichen Übereinkommen der Grundsatz des Obligatoriums der Versicherung. Gemeinsam gilt für sie auch, dass von der Versicherungspflicht die Unselbständigerwerbenden erfasst werden, wobei es allerdings statthaft ist, dass die iütghedstaaten in ihrer Gesetzgebung gewisse Einschränkungen dieses Geltungsbereiches vornehmen. Da es sich um eine Versicherung im wahren Sinne des Wortes handelt, haben die Versicherten Beiträge zu leisten. Daneben ist durchgehend eine Beitragspflicht der Arbeitgeber vorgesehen. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung ist nur für den Fall zulässig, dass eine Volksversicherung weitere Kreise als diejenigen der Arbeitnehmer erfasst. Vorgeschrieben sind ferner Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln an die Beiträge der Versicherten oder an die Versicherungsleistimgen, mag es sich dabei um eine allgemeine Arbeitnehmerversicherung oder lediglich um eine Versicherung zugunsten der Lohnarbeiter handeln.

Altersrente ist spätestens zu gewähren, nachdem der Versicherte das 65. Altersjahr zurückgelegt hat; eine Invalidenrente steht demjenigen zu, der infolge allgemeiner Erwerbsunfähigkeit ausserstande ist, durch seine Arbeit ein nennenswertes Entgelt zu verdienen; Witwen- und Waisenrente sind der Witwe, die sich nicht wiederverheiratet hat, bzw. den Waisen des Versicherten, bis sie mindestens 14 Jahre alt sind, auszurichten. Der Bentenanspruch kann an die Erfüllung einer nach gewissen Gesichtspunkten (Zahl der entrichteten Beiträge, Ablauf einer gewissen Versicherungsdauer usw.) zu bemessenden Wartefrist gebunden sein.

In sämtlichen Versicherungszweigen inuss die Eente entweder im Verhältnis zur Versicherungsdauer oder unabhängig davon, sei es in einer festen Summe, in einem Prozentsatz des versicherten Lohnes oder Gehaltes oder in einem den einbezahlten Versicherungsbeiträgen
entsprechenden Betrage festgesetzt werden. Gegen Eentenentscheide ist dem Ansprecher sowohl hinsichtlich der Eentenberechtigung als solcher, als auch in bezug auf den Eentenbetrag das Eecht zur Weiterziehung an eine von der ersten Spruchbehörde unabhängige Amtsstelle zu gewährleisten. Die Versicherung ist von staatlichen, keinerlei Geschäftsgewinn bezweckenden Versicherungsträgern oder von Verwaltungen öffentlicher Versicherungsfonds oder durch private, vom Staat anerkannte Versicherungseinrichtungen durchzuführen.

In allen Übereinkommen ist der Versicherung gleichgestellt eine bestimmte Bedingungen erfüllende blosse Fürsorge, d. h. in Ermangelung einer Pflicht-

726 Versicherung soll eine beitragsfreie Staatsburgerversorgung, die einen persönlichen Rentenanspruch sichert und den Vorschriften des Übereinkommens entspricht, zur Ratifikation genügen, dies immerhin unter der Voraussetzung, dass die in Frage stehende Fürsorge schon vor dem allgemeinen Inkrafttreten des Übereinkommens bestanden hat.

Die den sechs Entwürfen von Übereinkommen sich anschliessende Empfehlung stellt eine Eeihe von Grundsätzen auf, deren Anwendung den Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation beim Ausbau ihrer Gesetzgebung über die Alters-, Invaliden- und Hinterbhebenenversicherung nahegelegt wird. Sie gliedert sich in folgende Abschnitte: I. Anwendungsbereich, II. Eenten (Wartezeit und Beitragszeiten, Altersrente, Invalidenrente, Hinterbliebenenrente, Ruhen und Kürzung), III. Aufbringung der Mittel, IV. Verwaltung.

3. Arbeitslosenversicherung und verschiedene Formen der Arbeitslosenfürsorge.

Die Frage der Arbeitslosenversicherung und der verschiedenen Formen der Arbeitslosenfürsorge stand zum erstenmal im eigentlichen Sinne auf der Tagesordnung der Konferenz, Diese hatte sich jedoch bereits früher mit dem Gegenstand befasst und schon an ihrer ersten Tagung im Jahr 1919 ein Übereinkommen und eine Empfehlung über die Arbeitslosigkeit angenommen.

Das Übereinkommen, das von der Schweiz im Jahr 1922 ratifiziert worden ist, enthält Bestimmungen über die Berichterstattung der Mitghedstaaten betreffend Arbeitslosigkeit an das Internationale Arbeitsamt, über die. Errichtung öffentlicher Arbeitsvermittlungsstellen und die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer in der Arbeitslosenversicherung. Die Empfehlung regte u. a, an, dass jeder Mitgliedstaat ein wirksames System der Arbeitslosenversicherung bei sich einführe 1).

Es handelte sich nunmehr darum, das in Washington begonnene Werk zu vervollständigen und internationale Richtlinien aufzustellen, die sich auf alle Formen der Arbeitslosenhilfe anwenden lassen und grundsätzlich für alle Arbeitnehmer (mit Ausnahme der Seeleute, für die in dieser Frage bereits ein Übereinkommen und eine Empfehlung der Konferenz vom Jahre 1920 bestehen) gelten sollten. Der Gegenstand wurde zunächst von einer Kommission behandelt. Die Konferenz setzte sodann wiederum wie üblich die Punkte fest, die der vom Internationalen
Arbeitsamt an die Mitgliedstaaten zu richtende Fragebogen enthalten soll, und beschloss hierauf mit 98 gegen 4 Stimmen, den Gegenstand zur definitiven Behandlung auf die Traktandenliste ihrer nächsten Tagung zu setzen. Da der Bundesrat somit ohnehin in einein späteren Berieht auf die Frage zurückkommen wird, erübrigen sich gegenwärtig weitere Ausführungen.

*) Siehe das Nähere in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschlüsse der ersten internationalen Arbeitskonferenz, abgehalten in Washington vom 29. Oktober bis 29. November 1919, vom 10. Dezember 1920, Bundesbl. 1920,

V, 471, S06.

727 4. Bubezeiten und Schichtwechsel in automatischen Tafelglashütten, Auch dieser Gegenstand gelangte im Sinne des Systems der doppelten Beratung zum erstenmal vor die Konferenz. Immerhin hatte sich diese schon in den Jahren 1924 und 1925 mit der Präge der 24stündigen wöchentlichen Betriehsruhe in Glashütten mit Wannenöfen befasst, ohne dass jedoch damals der Entwurf zu einem Übereinkommen die für die Annahme notwendige Stimmenzahl erreicht hätte -1), Im Jahre 1929 ersuchte die Konferenz den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zu prüfen, ob die Frage einer regelmässigen Buhezeit für Arbeiter in Tafelglashütten auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen gesetzt werden könne. Im folgenden Jahr beschloss der Verwaltungsrat, einen Sachverständigenausschuss zu ernennen, dessen Schlussfolgerungen ihn bewogen, den Gegenstand in der oben umschriebenen Form auf die Traktandenliste der Konferenz von 1988 zu setzen.

Nach erfolgter Kommissionsberatung bestimmte die Konferenz auch hier wieder die Punkte, welche der den Mitgliedstaaten zu unterbreitende Fragebogen enthalten soll, und beschloss mit 94 gegen 24 Stimmen, den Gegenstand an ihrer nächsten Tagung abschliessend zu behandeln. Der Bundesrat wird daher später Gelegenheit haben, Ihnen eingehender über die Frage, die übrigens für die Schweiz keine sehr grosse Bedeutung hat, zu berichten.

5. Arbeitszeitverkürzung.

Die Urnstände, unter denen dieser Gegenstand auf die Tagesordnung der Konferenz: gelangte, sind bereits im Bericht des Bundesrates über die sechzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz kurz dargelegt worden 2). Das Problem der Einführung der gesetzlichen 40- Stundenwoche in allen Industriestaaten als eines der Mittel zur Bekämpfimg der Arbeitslosigkeit hatte die Konferenz und den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes im Jahre 193'2 stark beschäftigt und zur Einberufung einer vorbereitenden technischen Konferenz geführt, die im Januar 1933 in Genf stattfand. Schon im Oktober 1932 hatte jedoch der Verwaltungsrat beschlossen, die Frage als Traktandum der Konferenz von 1933. zu unterbreiten. Er überliess es dieser zu entscheiden, ob auch in diesem Falle das System der doppelten Beratung anzuwenden sei, oder ob sie nach erfolgter Behandlung des Gegenstandes durch die vorbereitende technische Konferenz im Wege:
eines beschleunigten Verfahrens schon irgendwelche Beschlüsse in Form von Entwürfen zu Übereinkommen oder von Empfehlungen aufstellen wolle. Mit 86 gegen 22 Stimmen entschloss sich die Konferenz für das ordentliche Verfahren der doppelten Beratung. Sie setzte infolgedessen, nachdem die Frage in einer Kommission behandelt worden war, J

) Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die siebente Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, vom 7. Juni 1926, Bundesbl.1926,1,803.

2 ) Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die sechzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, vom 25, April 1933, Bundesbl. 1933,

l, 690.

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vorerst bloss die Punkte für den an die Mitgliedstaaten zu richtenden Fragebogen fest und beschloss hierauf, das Traktandum an ihrer nächsten Tagung abschliessend zu behandeln. Der Bundesrat -wird somit in seinem Bericht über die Konferenz des Jahres 1984 auf, die Erage nochmals eingehender zu sprechen kommen. Immerhin ist jetzt schon zu sagen, dass die Meinungen über die Zweckmässigkeit einer weiteren Arbeitszeitverkürzung und einer entsprechenden internationalen Regelung, wie die letztjährige Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz bewies, außerordentlich stark auseinandergehen. Stand die Arbeitnehmergruppe geschlossen für eine international geregelte weitere Eeduktion der Arbeitsdauer ein, so traten die Arbeitgebervertreter diesem Gedanken sozusagen ebenso einmütig entgegen, während die Auffassung der Eegierungen in sich wieder geteilt war. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass auch dieses Jahr die Behandlung der Arbeitszeitfrage an der Konferenz auf grosse Schwierigkeiten stossen wird.

6. Die übrigen wichtigeren Traktanden der Konferenz.

Bericht des Direktors. Auch dieses Jahr befasste sich der Bericht des Direktors insbesondere mit der Wirtschaftskrise und ihren sozialen Auswirkungen sowie mit, dem Problem der Planwirtschaft als Mittel zur Überwindung der Krise, wobei namentlich die Frage der Herstellung des Gleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch im Vordergrund stand. Ferner enthält er einen Überblick über die Tätigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahr 1982. Wie immer widmete die Konferenz dem Bericht des Direktors eine grosse Zahl von Sitzungen, wobei die darin vorgebrachten Gedanken über Planwirtschaft teils unbedingter Zustimmung, teils ebenso entschiedener Ablehnung begegneten.

In der Debatte über den Bericht des Direktors ergriff auch der schweizerische Begierungsdelegierte, Direktor Eenggli, das Wort. Ausgehend von einer Bemerkung im Bericht, wonach die Zahl der ratifizierten Übereinkommen zwar keineswegs der einzige Masstab der Tätigkeit und Entwicklung der Internationalen Arbeitsorganisation sei, dass aber dieser Zahl gleichwohl als Kriterium des Fortschritts grosse Bedeutung zukomme, führte er aus, dass -- ganz abgesehen davon, dass viele Konventionen für bestimmte Staaten von vornherein gegenstandslos sind (wie zum Beispieldie Marineabkommen für die
Schweiz) -- man sich davor hüten müsse, die sozialen Verhältnisse eines Landes nach der Zahl der ratifizierten Übereinkommen zu beurteilen. Er wies darauf hin, dass die von der Konferenz aufgestellten Übereinkommen häufig Bestimmungen enthalten, die einem Ideal entsprechen mögen, die sich aber, sobald es eich um die Ratifikation und namentlich die praktische Verwirklichung der Übereinkommen handelt, als undurchführbar erweisen; deshalb wäre im Interesse einer früchtbaren internationalen Sozialpolitik und des Wertes der von der Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommen zu wünschen, dass in Zukunft noch mehr darauf geachtet werde, Konventionen aufzustellen, die

729 auch tatsächlich realisierbar seien und von denen erwartet werden könne, dass sie durch eine Mehrzahl von Staaten ratifiziert würden.

Eesolutionen. Wie in früheren Jahren sind der Konferenz eine Anzahl von Eesolutionen unterbreitet worden. Diese wurden zunächst zur Prüfung einer Kommission vorgelegt, deren Vorsitz Direktor Benggli innehatte. Auf Grund des Berichtes der Kommission nahm die Konferenz folgende Besolutionen an: eine an die gleichzeitig tagende Weltwirtschaftskonferenz in London gerichtete Eesolution, welche die dringliche Durchführung einer Eeihe von Massnahmen zur Belebung der Wirtschaftstätigkeit und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorschlägt (Wiederherstellung stabiler Währungsverhältnisse, internationale Zusammenarbeit zwecks künftiger Stabilisierung des Preisniveaus, Beendigung des Wirtschaftskampfes zwischen den einzelnen Ländern durch Aufhebung der Beschränkungen des Welthandels, Steigerung der Kaufkraft der Bevölkerung, Mobilisierung der brachliegenden Kapitalien insbesondere durch das Mittel grosser öffentlicher Arbeiten); ferner zwei ebenfalls auf die Entlastung des Arbeitsmarktes gerichtete Eesolutionen, von denen die eine die möglichst strenge Einhaltung der 48-Stunden wo ehe und eine Einschränkung der Überstunden auf das unbedingt Notwendige verlangt, während die andere die Durchführung öffentlicher Arbeiten und insbesondere die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiete zum Gegenstand hat. Dazu kamen weitere Eesolutionen, die sich auf folgende Fragen bezogen: Massnahmen für eine gleichzeitige und baldige Eatifikation des Übereinkommens über die Begrenzung der Arbeitszeit im Kohlenbergbau, Unterbringung politischer Flüchtlinge aus Deutschland, Sicherheitsvorschriften für die Bauarbeiter, Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeiter.

Art. 408. Wie schon seit einer Anzahl von Jahren setzte die Konferenz eine besondere Kommission ein zur Prüfung der von den Mitgliedstaaten alljährlich zu erstattenden Berichte über die Durchführung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen. Berichterstatter der Kommission war Fürsprech Kaufmann, erster Adjunkt des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, welcher der schweizerischen Eegierungsdelegation als technischer Batgeber angehörte. Die Kommission gelangte in ihrem Bericht wiederum zu ungefähr demselben
Ergebnisse wie im Vorjahr. Wohl lassen sich einige Fortschritte feststellen; anderseits muss aber leider auch stets wieder in gleicher Weise Kritik geübt werden, da gewisse Staaten ihre Berichte überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig oder nur in einer unvollständigen Form einsenden und da die nationale Gesetzgebung und ihre Durchführung immer noch in zahlreichen Fällen den Bestimmungen der ratifizierten Übereinkommen nicht entspricht.

Eeglementsfragen. Die Konferenz befasste sich ferner mit einer Eeihe von Fragen, die ihre Geschäftsordnung betrafen. Sie beschloss zunächst, in den Texten der Übereinkommen, die sie an dieser Tagung aufstellte, dem in allen Konventionen wiederkehrenden Formalartikel über die Abänderung der Übereinkommen eine von der bisherigen Form leicht abweichende Fassung

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zu geben. Die seit dem Jahr 1929 von der Konferenz beschlossenen Übereinkommen enthalten folgende Bestimmungen: Nimmt die Konferenz später ein Übereinkommen an, welches das gegenwärtige abändert, so schhesst die Ratifikation des neuen Übereinkommens, vorausgesetzt, dass dieses in Kraft getreten ist, die Kündigung des früheren Übereinkommens ohne weiteres in sich. Mit dem Inkrafttreten des neuen Übereinkommens ist die Eatifikation des alten nicht mehr zulässig. -- Demgegenüber gilt auf Grund des Pormalartikels, wie er in den von der Konferenz in ihrer siebzehnten Tagung aufgestellten Übereinkommen enthalten ist, diese Eegelung nur unter der Bedingung, dass das spätere Übereinkommen selbst hierüber nichts anderes bestimmt.

Damit wird für eine etwa wünschbare abweichende Behandlung der Frage der nötige Spielraum gelassen.

Weiterhin stellte die Konferenz ein Reglement für ihre Kommissionen in definitiver Form auf und nahm im Zusammenhang damit auch gewisse Änderungen ihrer eigenen Geschäftsordnung vor (durch eine dieser Änderungen, die besonders erwähnt werden mag, wird versucht, im Wege einer engen Verbindung zwischen den einzelnen Sachkommissionen und der Redaktionskommission der Konferenz eine sorgfältigere und besser aufeinander abgestimmte Abfassung der französischen und englischen Originaltexte der Übereinkommen und Empfehlungen zu erzielen).

Gesamtarbeitsverträge in der L a n d w i r t s c h a f t . An ihrer elften Tagung im Jahre 1928 hatte die Internationale ArbeitskonferenÄ die Meinung zum Ausdruck gebracht, dass in vielen Ländern die soziale Gesetzgebung zugunsten der landwirtschaftlichen Arbeiter hinter derjenigen zugunsten der Industriearbeiter sowie .anderer Gruppen von Lohnarbeitern zurück-.

geblieben sei und dass, bevor ein besserer gesetzlicher Schutz der landwirtschaftlichen Arbeiter erreicht werde, die Regelung ihrer Arbeitsbedingungen im Wege von Gesamtarbeitsverträgen als vorläufiges Mittel von Nutzen sein könnte. Auf Grund von Beschlüssen, welche die Konferenz damals und im Jahre 1932 gefasst hatte, legte ihr das Internationale Arbeitsamt an ihrer siebzehnten Tagung einen Bericht über diese Frage vor, den die Konferenz einer Kommission zur Prüfung überwies. Die Kommission kam zum Schlüsse, dass eine gesamtarbeitsvertraghche Regelung der Arbeitsbedingungen den landwirtschaftlichen
Arbeitern gewisse Vorteile biete, dass aber ein genügender Schutz durch dieses Mittel allein nicht zu erzielen sei. Auch wurde das Begehren geäussert, der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes möge prüfen, ob die Frage nicht auf die Traktandenliste einer der nächsten Tagungen der Konferenz gesetzt werden könnte. Die von den Mitgliedern vorgebrachten Bemerkungen und Anregungen wurden in einem Bericht niedergelegt, den die Konferenz dem Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zum Zwecke der weiteren Beschlussfassung überwies.

Bericht des Verwaltungsrates übet die D u r c h f ü h r u n g der Übereinkommen. Entsprechend der in den Übereinkommen selbst enthal-

731 tenen Bestimmung, dass der Verwaltungsrat über ihre Durchführung der Konferenz mindestens alle zehn Jahre einmal einen Bericht zu erstatten habe, lagen der Konferenz Berichte über die folgenden Übereinkommen vor: 1. Gewährung einer Entschädigung für Arbeitslosigkeit infolge von Schiff brach (Genua 1920).

2. Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft (Genf 1921). . .

3. Vereinigungs- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer (Genf 1921).

4. Entschädigung von Betriebsunfällen in der Landwirtschaft (Gent 1921).

5. Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich (Genf 1921).

6. Wöchentlicher Buhetag in gewerblichen Betrieben (Genf 1921).

7. Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Kohlenzieher (Trimmer) oder Heizer (Genf 1921).

8. Pflichtrnässige ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen (Genf 1921).

Die Konferenz nahm von den acht Berichten Kenntnis und beschloss, die auf die Schiffahrtsfragen bezüglichen Berichte (Ziff. l, 7 und 8 des obenstehenden Verzeichnisses) der nächsten Schiffahrtstagung der Konferenz zu überweisen.

III. Stellungnahme der Schweiz /u den angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen.

1. Übereinkommen und Empfehlung betreffend Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung.

Die gegen Entgelt tätigen Arbeitsvermittlungsstellen werden in unserem Lande insbesondere von Angestellten aus dem Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe, Dienstboten, Handlangern und Taglöhnern, an- oder ungelerntem Personal der Handelsbetriebe sowie Musikern, Schauspielern und Artisten benützt. Eine Befragung. der wichtigsten Berufsverbände hat ergeben, dass die Meinungen über die Zweckmässigkeit einer Aufhebung dieser Vermittlungsstellen beträchtlich auseihandergehen, dass aber eine solche Massnahme im allgemeinen starken Widerständen begegnen würde. Tatsache ist, dass in der Schweiz die entgeltlicho Arbeitsvermittlung -- es mag dies teilweise dem Einfluss des öffentlichen "Arbeitsnachweises zuzuschreiben sein -- iu den letzten Jahren (von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, die zur Schliessung der fehlbaren Vermittlungsstellen führten) zu keinen Klagen Anlass gab, dass sie als Ergänzung des öffentlichen Arbeitsnachweises vielmehr ihre Nützlichkeit für das Allgemeininteresse in verschiedener Hinsicht erwiesen hat.

Eine genaue Prüfung der Verhältnisse ergibt, daes sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Aufbebung der gegen Entgelt tätigen Arbeits-

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Vermittlungsstellen in der Schweiz nicht empfiehlt. Abgesehen davon, dass die Notwendigkeit einer derart einschneidenden Massnahme keineswegs erwiesen ist, darf nicht übersehen werden, dass ein solches Vorgehen die Interessen unserer Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes zweifellos schädigen würde.

Eine Ausdehnimg des öffentlichen Arbeitsnachweises als Ersatz für den Wegfall der privaten Stellenvermittlung würde Bund und Kantone stark belasten, ohne dass damit ein vollwertiger Ausgleich für das Verlorene zu erreichen wäre.

Eine Monopolstellung des öffentlichen Arbeitsnachweises hätte vielmehr auch Nachteile zur Folge. Mit der Einschränkung der vorhandenen Möglichkeiten der Stellenvermittlung würde die persönliche Initiative der Stellensuchenden bei ihren Bemühungen, Arbeit zu bekommen, herabgesetzt, und die Sorge um Arbeitsbeschaffung würde in vermehrtem Masse der Öffentlichkeit zufallen. Der Staat würde eine Aufgabe übernehmen, die er auch mit einem, grossen Apparat kaum in wirklich befriedigender Weise lösen könnte.

Der Bundesrat kommt deshalb zium Schluss, das Übereinkommen sei von der Schweiz nicht zu ratifizieren. Dagegen hält er dafür, es sei angezeigt zu prüfen, ob nicht die kantonalen Gesetzesbestimmungen über die entgeltliche Arbeitsvermittlung durch gewisse Bundesvorschriften ergänzt und verstärkt werden sollten. Er beabsichtigt, auf diese Frage zurückzukommen.

Was die in der Empfehlung aufgestellten Grundsätze betrifft, so sind diese bei uns in ihren wesentlichen Zügen bereits verwirklicht. Es brauchen daher keine besonderen Massnahmeii für ihre Durchführung in Betracht gezogen zu werden.

2. Konventionen und Empfehlung betreffend die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversichernng.

Eine Ratifikation der vorliegenden sechs Übereinkommen über die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenen Versicherung kommt gegenwärtig für die Schweiz nach Auffassung des Bundesrates ebenfalls nicht in Frage. In der Referendumsabstimmung vom 6. Dezember 1931 ist ein Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Alters- und Hiriterlassenenversicherung vom Volk abgelehnt worden. Der Entwurf stutzte sich auf Art. 84qi'atoi' cjer Bundesverfassung, der den Bund beauftragt, die Alters- und Hinterlassenenversicherung einzuführen, und ihn ermächtigt, in einem späteren Zeitpunkt eine Invalidenversicherung zu schaffen. Diese grundsätzliche Verfassungsbestimmung besteht heute allerdings trotz dem erwähnten ablehnenden Volksentscheid weiterhin zu Becht und wird deshalb zu gegebener Zeit einmal verwirklicht werden müssen. Die wirtschaftliche Krise stellt jedoch der Wiederaufnahme der Arbeiten für ein Versicherungswerk für die nächste Zeit wohl unüberwindliche Hindernisse entgegen. Die Aufmerksamkeit der-staatlichen Behörden wie aller Wirtschaftskreise ist durch die Bekämpfung der Krisenfolgen voll in Anspruch genommen. Im Hinblick auf die ansehnliche Mehrheit, die sich gegen das erste Ausführungsgesetz aussprach, wird das ganze Versicherungsproblem im Benehmen mit den verschiedenen Interessenkreisen jedenfalls, auch wenn

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die Zeiten günstiger sein werden, einer umfassenden Neuprüfung unterzogen werden müssen. Schon hinsichtlich der Alters- und Hinterlassenenversicherung dürfte die Schweiz daher auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein, eine den vorhegenden internationalen Übereinkommen entsprechende Gesetzgebung einzuführen und gestützt hierauf diese Übereinkommen zu ratifizieren.

Kommt nach dem Gesagten eine Eatifikation der Übereinkommen auf der Grundlage einer Versicherung nicht in Frage, so bleibt noch zu prüfen, ob sie allenfalls möglich würde durch die Schaffung einer Alters- und Hinterlassenenfürsorge, wie sie von verschiedenen Seiten als vorläufige Einrichtung gefordert und gestützt auf Art. 80 des Bundesbeschlusses vom 13. Oktober 1983 ') durch Zuweisung von 7 Millionen Franken aus den Erträgnissen von Tabak und Alkohol an die Kantone zur Verteilung unter bedürftige Greise und Hinterlassene am 1. Januar 1934 für die Dauer von 4 Jahren eingerichtet ·worden ist.

Auch hinsichtlich dieser Fürsorge muss jedoch festgestellt werden, dass sie den Normativbestimmungen der internationalen Übereinkommen nicht entspricht und ihnen auch nicht angepasst werden konnte. Wenn diese auch gestatten, die Fürsorgeleistungen der nationalen Gesetzgebung auf Bedürftige zu beschränken, so räumen sie doch ausdrücklich einen subjektiven Rechtsanspruch ein, der vor bestimmten Instanzen gegenüber der Fürsorgeinstitution geltend gemacht werden kann. Dies ist in der provisorischen Fürsorge des Bundes gemäss dem oben zitierten Finanzbeschluss nicht der Fall und konnte auch wegen des relativ bescheidenen Betrages der zur Verfügung gestellten Mittel unmöglich vorgeschrieben werden. Abgesehen von dieser grundsätzlichen Abweichung der vom Bunde übergangsweise geschaffenen Fürsorge gegenüber der in den internationalen Übereinkommen geordneten, fehlt es auch in verschiedenen weiteren Punkten an der hinreichenden Übereinstimmung mit der internationalen Eechtsnorm.

Die vom Internationalen Arbeitsamte der Konferenz vorgelegten Übereinkommensentwürfe beschränkten sich darauf, eine Beihe von Grundsätzen über den Geltungsbereich und den Inhalt der Versicherung aufzustellen, damit wenigstens in den Grundzügen eine einigermassen einheitliche Ordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Arbeitsorganisation Platz greife. In der Folge sollten auf
dieser Grundlage durch besondere Übereinkommen die Rechtsverhältnisse der Versicherton geregelt werden, die ihren Wohnsitz in einen andern Staat verlegen; dabei sollte durch Festlegung gewisser Grundsätze über die sogenannte Wanderversicherung für die Wahrung ihrer Versicherungsansprüche und Anwartschaften gegenüber den Versicherungsanstalten des Auswanderungslandes gesorgt werden. Die Entwürfe des Amtes bestimmten *) Bundesbeschluss über die ausserordentlichen und vorübergehenden Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Bundeshaushalt vom 13. Oktober 1933, A. S. 49, 846.

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dementsprechend bloss, dass die Ausländer der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher "Weise unterstehen sollten, wie die Inländer sowie dass ihnen mindestens die ihren Beiträgen gemässen Versicherungsleistungen auszurichten seien, und zwar unter Einrechnung der staatliehen Zuschüsse, soweit es sich um Angehörige von Ländern handelt, welche die Übereinkommen ratifiziert haben.

Die Übereinkommen, wie sie aus den Beratungen der Konferenz hervorgegangen sind, greifen über diesen ursprünglich gewollten Eahmen hinaus.

Der nähern Eegelung der Wanderversicherung vorgängig, wird schon in den vorliegenden Entwürfen der Grundsatz aufgestellt, dass die versicherten Ausländer auch bei Verlegung ihres Wohnsitzes ins Ausland in bezug auf Anwartschaften und Eentenzahlung den Inländern gleichgehalten werden sollen, sofern ihr Heimatstaat- ebenso, wie das Land ihres bisherigen Wohnsitzes das "Übereinkommen ratifiziert. Da -- wie schon dargetan -- für die Schweiz eine Eatifikation der Übereinkommen bis auf weiteres nicht in Betracht fällt, wird diese Erweiterung, die gegen den Antrag des schweizerischen Begierungsdelegierten in der Kommission angenommen worden ist, für die Schweizer, die einer ausländischen Alters-, Invaliden- oder Hiuterlassenenversicherung unterworfen sind, den Nachteil haben, dass sie bei Verlegung ihres Wohnsitzes in die Heimat die allfälligen Eechtsnachteile auf sich nehmen müssen, welche die Gesetzgebung einer Eeihe von Ländern gegenüber Ausländern vorsieht, die das Land verlassen. Es wird, wo das Bedürfnis sich zeigt, durch bilaterale Verhandlungen versucht werden müssen, allenfalls im Wege von Kompensationen.-auf andern. Gebieten, diese Wirkungen zu beseitigen.

Da die Schweiz vorläufig nicht an die Schaffung einer Versicheruiigsgesetzgebung in den besprochenen Zweigen herantreten kann, so ist zu der dem Übereinkommen beigegebenen Empfehlung materiell zurzeit nicht Stellung . zu nehmen. Es wird bei Anlass der zukünftigen Gesetzgebung zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange die schweizerischen Verhältnisse und die sich daraus ergebenden Anforderungen an den Gesetzgeber eine Anpassung an die Grundsätze der Empfehlung gestatten.

Nach Art. 405, Abs. 5, des Vertrages von Versailles sind die Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet, nicht später als ein Jahr oder-ausnahmsweise spätestens 18 Monate nach Schluss der Konferenz die Entwürfe von Übereinkommen und die Empfehlungen der zur Entscheidung darüber berufenen Behörde zu unterbreiten zum Zwecke der Verwirklichung durch die- 'Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen. Der Bundesrat legt Ihnen demgemäss die Übereinkommen und Empfehlungen der siebzehnten Tagung .der Internationalen Arbeitskonferenz vor und bittet Sie, von seinen Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

735

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 29. Juni 1934.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler: G. BoYet.

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^

Beilage.

Siebzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

(Genf, 8. bis 30. Juni 1933.)

Entwürfe von Übereinkommen und Empfehlungen der Konferenz.

1. Entwurf eines Übereinkommens über Bureaux für entgeltliche ArbeitsVermittlung .

2. Empfehlung betreffend die Bureaux für Arbeitsvermittlung . . . .

8. Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehüfen für den Fall des Alters 4, Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Eall des Alters ·5. Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehüfen für den Fall der Invalidität - 6. Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall der Invalidität 7. Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Ablebens 5. Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Ablebens 9. Empfehlung betreffend die allgemeinen Grundsätze der "Versicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Ablebens . . . . .

Seite 737 741 742 .

750 758 766

775 784 .

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Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte der Entwürfe von Übereinkommen und der Empfehlungen bilden die auf Wunsch der Regierungen Österreichs und der Schweiz in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte. .

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1.

Entwurf eines Übereinkommens über Boréaux îur entgeltliche Arbeitsvermittlung.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, das? diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von-Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge : Artikel 1.

1. Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet der Ausdruck «Bureau für entgeltliche Arbeitsvermittlung»: a. Arbeitsvermittlungsbureaux. die auf Gewinn gerichtet sind, d. h. Personen, Gesellschaften, Anstalten, Geschäftsbetriebe oder sonstige Einrichtungen, die als Vermittler dienen, um einem Arbeitnehmer eine Beschäftigung oder einem Arbeitgeber eine Arbeitskraft zu verschaffen, mit der Absicht, von dem einen oder dem anderen einen unmittelbaren oder mittelbaren materiellen Vorteil zu ziehen; diese Begriffsbestimmung umfasst nicht Zeitungen oder sonstige Veröffentlichungen, sofern nicht ihr ausschliesslicher oder hauptsächlicher Zweck darin besteht, als Vermittler zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu wirken; b, Arbeitsvermittlungsbureaux, die nicht auf Gewinn gerichtet sind, d. h.

Arbeitsvermittlungseinrichtungen von Gesellschaften, Anstalten, Geschäftsbetrieben oder anderen Einrichtungen, die, ohne auf materiellen Gewinn gerichtet zu sein, für die bezeichneten Dienstleistungen vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer eine Beitrittsgebühr, einen laufenden Beitrag oder sonst eine Vergütung erheben.

2. Dieses Übereinkommen bezieht sich nicht auf die Arbeitsvermittlung für Schiffsleute.

Artikel 2.

1. Innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für das betreffende Mitglied sind die in Absatz l a des vorstehenden Bundesblatt. 86. Jahrg. Bd. II.

50

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Artikels bezeichneten auf Gewinn gerichteten Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung aufzuheben.

2. Während des der Aufhebung vorangehenden Zeitraumes: a. dürfen neue, auf Gewinn gerichtete Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung nicht errichtet werden; 6. unterstehen die auf Gewinn gerichteten Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung der Aufsicht der zuständigen Behörde und dürfen Gebühren und Auslagen nur nach Massgabe eines von dieser Behörde genehmigten Tarifs erheben.

Artikel 3.

1. Die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen des Artikels 2 ,Absatz l dieses Übereinkommens zulassen, aber erst nach Befragung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

2. Ausnahmen auf Grund dieses Artikels dürfen nur zugelassen werden in bezug auf Bureaux für die Vermittlung von Arbeitnehmergruppen, die von der Gesetzgebung genau bezeichnet sind und Berufen angehören, .in denen die Vermittlung unter besonderen, eine solche Ausnahme rechtfertigenden Verhältnissen vor sich geht.

8. Die Errichtung von neuen Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung auf Grund dieses Artikels wird nach Ablauf des in Artikel 2 erwähnten Zeitraumes von drei Jahren nicht mehr gestattet.

4. Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung, für die nach diesem Artikel Ausnahmen zugelassen werden, müssen folgende Bedingungen erfüllen: a. sie unterstehen der Aufsicht der zuständigen Behörde; 'b. sie müssen im Besitz einer Erlaubnis sein, die jeweils für ein Jahr ausgestellt und nach Ermessen der zuständigen Behörde während eines Zeitraumes von höchstens zehn Jahren erneuert werden kann; c. sie dürfen Gebühren und Auslagen nur nach Massgabe eines von der zuständigen Behörde genehmigten Tarifs erheben; d. sie dürfen im Ausland Arbeitnehmer nur vermitteln oder anwerben, wenn die ihnen erteilte Erlaubnis sie dazu ermächtigt und diese Tätigkeit auf Grund einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Staaten erfolgt.

Artikel 4.

Die in Artikel l, Absatz b, bezeichneten, nicht auf Gewinn gerichteten Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung müssen folgende Bedingungen erfüllen : a. sie müssen eine Ermächtigung der zuständigen Behörde besitzen und ihrer Aufsicht unterstellt sein;

739 . 6. sie dürfen keine Vergütung über den Tarif hinaus erheben, der von der zuständigen Behörde unter genauer Berücksichtigung der entstehenden Kosten festgesetzt wird; c. sie dürfen im Ausland Arbeitnehmer nur vermitteln oder anwerben, wenn die ihnen erteilte Ermächtigung sich darauf erstreckt und diese Tätigkeit auf Grund einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Staaten erfolgt.

Artikel 5.

Die in Artikel l dieses Übereinkommens bezeichneten Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung sowie alle Personen, Gesellschaften, Anstalten, Geschäftsbetriebe oder sonstigen privaten Einrichtungen, die sich gewöhnlich mit Arbeitsvermittlung, wenn auch unentgeltlich, befassen, haben dies der zuständigen Behörde mitzuteilen und anzugeben, ob ihie Vermittlungstätigkeit unentgeltlich oder entgeltlich ist.

Artikel 6.

Die Gesetzgebung hat für alle Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der vorstehenden Artikel und der ihrer Durchführung dienenden Bestimmungen angemessene Strafen vorzusehen, welche die Entziehung der in diesem Übereinkommen vorgesehenen Erlaubnis oder Ermächtigung in sich schhessen, falls sie sich als notwendig erweist.

Artikel 7.

Die Jahresberichte gemäss Artikel 408 des Vertrages von Versailles und den entsprechenden Artikeln der anderen Friedensverträge sollen alle erforderlichen Auskünfte über die auf Grund des Artikels 8 zugelassenen Ausnahmen enthalten.

Artikel 8.

Die förmlichen Batü'ikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 9.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Batifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 10.

Sobald die Batifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des

740

Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Katifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 11.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist. durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung "wird von diesem eingetragen. Ihre "Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 12.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 18.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a. die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 11. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist; b. vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 14.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise masägebend.

741

2.

Empfehlung betreffend die Bureaas für Arbeitsvermittlung.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltunggrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Aufhebung der Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung, eine Frage, die den ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, die folgende Empfehlung an, die den Mitgliedern der Int ernationalen Arbeitsorganisation vorzulegen ist zur Prüfung, ob sie sich durch die Gesetzgebung oder in anderer Weise verwirklichen lässt, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: Die Konferenz hat den Entwurf eines Übereinkommens über die Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung angenommen, der darauf abzielt, die Bestimmungen des^ Übereinkommens und der Empfehlung über Arbeitslosigkeit zu vervollständigen, die auf der ersten Tagung der Konferenz zur Annahme gelangt sind.

Sie hält die baldmöglichste völlige Aufhebung der auf Gewinn gerichteten Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung für angezeigt.

Sie ist sich dabei aber bewusst, dass für gewisse Berufe die Aufhebung der bezeichneten Bureaux zu Schwierigkeiten führen kann in Ländern, in denen die Einrichtungen für unentgeltliche öffentliche Arbeitsvermittlung die Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung völlig zu ersetzen noch nicht imstande sind.

Sie ist sich ferner bewusst, dass auch andere Umstände als die Erhebung von Vermittlungsgebühren die Arbeitsvermittlung gewinnbringend gestalten und zu Missbräuchen führen können.

Die Konferenz empfiehlt daher den Mitgliedern, folgende Begeln und Verfahren in Erwägung zu ziehen: L 1. Es sollen Massnahmen getroffen werden zur Anpassung der unentgeltlich tätigen öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen an die Erfordernisse der Berufe, in denen die Dienste der Bureaux für entgeltliche Arbeitsvermittlung häufig in Anspruch genommen werden.

2. Der Grundsatz der beruflichen Gliederung der öffentlichen Arbeitsverauttlungsstellen soll Anwendung finden, und diese Stellen sollen soweit möglich über Personal verfügen, das mit den Eigenheiten, Gewohnheiten und Bräuchen der betreffenden Berufe vertraut ist.

742 8. Vertreter der massgebendsten Verbände der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber der beteiligten Berufe sollen zur Mitarbeit an den öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen herangezogen werden.

II.

1. Die Arbeitsvermittlung soll Personen und Unternehmungen untersagt sein, die unmittelbar oder durch Mittelspersonen irgendwelchen Nutzen ziehen aus dem Betrieb einer Schank- oder Gastwirtschaft, eines Trödlerladens, einer Pfandleihe, einer Geldwechselstelle oder aus einem anderen derartigen Betriebe.

2. Die Arbeitsvermittlung soll untersagt sein in Eäumlichkeiten, in denen eines der vorstehend erwähnten Geschäfte betrieben wird, wie auch in ihren Nebenräumen.

3.

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hansgehilfen für den Fall des Alters.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Pflichtversicherung für den Fall des Alters, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge : Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Übereinkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall des Alters einzurichten oder beizubehalten.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie die Heimarbeiter und die Hausgehilfen.

743

2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa eriorderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für: a. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, und, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten ; l). Arbeitnehmer, die keinen Barlohn erhalten; c, jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die bei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind; d, Heiniarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfängern im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können; e, Familienmitglieder des Arbeitgebers; /. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten: g. invalide Arbeitnehmer sowie Invaliden- oder Altersrentner; li. pensionierte Beamte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, und Personen mit privatem Einkommen, sofern die Pension oder das private Einkommen der gesetzlichen Altersrente mindestens gleichkommt; i, Arbeitnehmer, die während ihrer Studien Unterricht erteilen oder zur Vorbereitung für einen ihren Studien entsprechenden Beruf gegen Entgelt beschäftigt sind; j. Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber.

3. Ferner können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, denen für den Fall des Alters auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sondersatzung Ansprüche auf Leistungen anstehen oder zustehen werden, die den in diesem "Übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

4. Dieses Übereinkommen findet auf Schiffsleute und auf Angehörige der Seefischerei keine Anwendung.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die das gesetzliche Eentenalter nicht erreicht haben, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein: freiwillige Weiterversicherung oder Wahrung der Anwartschaft durch regelmässige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Hechts wegen gewährt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht
Versicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und so instand gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente oder auf eine Witwenrente zu begründen.

744

Artikel 4.

Der Versicherte hat hei Erreichung eines von der Gesetzgehung festzusetzenden Alters, das aber in der Arbeitnehmerversicherung nicht hoher als das vollendete 65. Lebensjahr sein darf, Anspruch auf Altersrente.

Artikel 5.

Der Eentenanspruch kann an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie auch insbesondere während eines bestimmten, dem Eintritte des Versicherungsfalles unmittelbar vorangehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

Artikel 6.

1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Anspruch auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicht an läuft und entweder veränderlich oder fest ist : a. Die veränderliche Frist darf nicht kürzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei, von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen sind.

fc. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer sein als achtzehn Monate; nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablauf der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Mindestzahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen Weiterversicheruug entrichtet worden ist.

Artikel 7.

1. Die Bente wird, abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit, mit einem festen Betrag oder mit einem Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen.

2. Wird die Bente abhängig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihreZuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Eente, falls nicht ein Mindestmass zugesichert ist, einen von der Beitragszeit unabhängigen Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen ; für Beuten, deren Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit nicht voraussetzt, kann ein Mindestmass gewährleistet werden.

7458. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Eente nach der Beitrags/eit bemessen wird oder nicht, der versicherte Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Eente berücksichtigt ·werden.

Artikel 8.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen im Fall eines betrügerischen Handelns des Beteiligten gegenüber dem Versicherungsträger.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte: a, eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübt; 1}, vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird; c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über sozialePflichtversicherung, über Buhegeld oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen oder Berufskrankheiten bezieht.

Artikel 9.

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien: «. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter; b. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten.

8. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt zur Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei.

5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so können die Versicherten von der Beitragspflieht auch weiter befreit bleiben.

Artikel 10.

1. Die Versicherung wird von Vcrsicherungsträgern, die vom Staat errichtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicherungsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

3. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

746

4. Die Vertreter der Versicherten wirken an der Verwaltung der Ver:sicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung mit, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

Artikel 11.

1. Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht dem Versicherten ·oder seinen gesetzlichen Vertretern ein Bechtsmittel zu.

2. Diese Streitigkeiten fallen m die Zuständigkeit besonderer Spruchstellen. Sie sind mit Berufsrichtern oder anderen Eichtern zu'besetzen, die mit dem Zwecke der Versicherung und den Bedürfnissen der Versicherten besonders vertraut oder denen Beisitzer aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

3. Bei Streitigkeiten über die Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeit:geberbeitrag vorsieht-, auch seinem Arbeitgeber ein Bechtsmittel zu.

Artikel 12.

1. Ausländische Arbeitnehmer unterliegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

2. Ausländischen Versicherten und ihren Rechtsnachfolgern stehen Leistungen aus den ihnen gutgeschriebenen Beiträgen in gleicher Weise zu wie Inländern.

3. Ausländischen Versicherten und ihren Rechtsnachfolgern stehen ausserdeni die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile zu, wenn sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 9 vorsieht.

4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder ïîententeile vorbehalten, die ausschliesslich Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten haben.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslande, so finden sie auf Beniner und ihre Rechtsnachfolger, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, .nur in dem
Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem der Bentenanspruch erworben wurde. Doch können aus öffentlichen Mitteln .aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile einbehalten werden.

747

Artikel 13.

1. Die Arbeitnehmerversicherung untersteht dem arn Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Kecht, 2. Ausnahmen von diesem Grundsatze können zur Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart -werden.

Artikel 14.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger erlassen, die ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

Artikel 15.

In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall des Alters besteht, kann diesem Übereinkommen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Eechtsanspruch auf Eente sichert und den Bestimmungen der Artikel 16 bis 22 entspricht.

Artikel 16.

Die Eente wird bei Erreichung eines Alters gewährt, das von der Gesetzgebung festgesetzt wird, aber nicht höher als das vollendete 65. Lebensjahr sein darf.

Artikel 17.

Der Bentenanspruch kann davon abhängig gemacht werden, dass der Bewerber während eines der Erhebung des Anspruches unmittelbar vorangehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz hatte. Dieser Zeitraum, den die Gesetzgebung festsetzt, darf zehn Jahre nicht überschreiten.

Artikel IS.

1. Der Bentenanspruch steht jedem Eentenwerber zu, dessen jährliches Einkommen eine Grenze nicht überschreitet, die von der Gesetzgebung unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festgesetzt wird.

2. Bei der Bewertung des Einkommens werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage liegen, nicht angerechnet.

Artikel 19.

Die Bente ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen unter Ausschluss der nicht anrechenbaren Einkünfte, mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Bentenempfängers deckt.

748

Artikel 20.

1. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessung der Eente steht dem Rentenwerber ein Rechtsmittel zu.

2. Das Rechtsmittel wird bei einer anderen Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 21.

1. Ausländern, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Rentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Rentenanspruch von Ausländern davon abhängig inachen, dass der Rentenwerber im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz während eines Zeitraumes hatte, der um höchstens fünf Jahre die von Inländern geforderte Wohnsitzdatier übersteigen darf.

Artikel 22.

1. Der Rentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte: a. wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; &. eine Rente in betrügerischer Weise erlangt oder zu erlangen versucht hat; c. sich beharrlich geweigert hat, seinen Lebensunterhalt durch eine mit seinen Kräften und Fähigkeiten vereinbarte Arbeit zu gewinnen.

2. Die Rente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte vollständig aus öf'fentlichen Mitteln erhalten wird.

Artikel 23.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikel 12, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aufrechterhaltung des Rentenanspruches im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

Artikel 24.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 25.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

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Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 26.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 27.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 28.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 29.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorhegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassteii Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung dès vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Rücksicht auf Artikel 27. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist; &. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

750 Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 30.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Alters.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend die Pflichtversicherung für den Fall des Alters, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt beute, am 29. Juni 1983, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträgo : Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Über-, einkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall des Alters einzurichten oder beizubehalten.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der landwirtschaftliehen Betriebe sowie die Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber.

2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für: a. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, und, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten ; lì. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn erhalten;

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c. jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die bei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind; d. Heimarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfänger», im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können; e. Familienmitglieder des Arbeitgebers ; /. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten:
3. Ferner können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, denen für den Fall des Alters auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sondersatzung Ansprüche auf Leistungen zustehen oder zustehen werden, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die das gesetzliche Eentenalter nicht erreicht haben, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein: freiwillige Weiterversicherung oder Wahrung der Anwartschaft durch regelmässige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Eechts wegen gewahrt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht Versicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und instand, gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente oder auf eine Witwenrente zu begründen.

Artikel 4.

Der Versicherte hat bei Erreichung eines von der Gesetzgebung festzusetzenden Alters, das aber in der Aibeitnehmerversicherung nicht höher als das vollendete 65. Lebensjahr sein darf, Anspruch auf Altersrente.

Artikel 5.

Der Rentenanspruch kann an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie auch insbesondere während eines bestimmten,.

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dem Eintritte des Versicherungsfalles unmittelbar vorangehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

Artikel 6.

1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Anspruch .auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung .ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicht an läuft und entweder veränderlich oder fest ist: a. Die veränderliche Frist darf nicht kurzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei ·von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen :sind.

b. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer sein als achtzehn Monate; nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablauf der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Miudestzahl von Beiträgen auf Grund der Versichcrungspl'licht oder freiwilligen Weiterversicherung entrichtet worden ist.

Artikel 7.

1. Die Eente \vird abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit mit einem festen Betrag oder mit einem Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes ·oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen.

2. Wird die Eente abhängig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihre .Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Eente, falls nicht ein Mindestmass zugesichert ist, einen von der Beitragszeit unabhängigen Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen: für Eenten, deren Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit nicht voraussetzt, kann ein Mindestmass gewährleistet werden.

3. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Eente nach der Beitragszeit bemessen wird oder nicht, der versicherte Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Eente berücksichtigt werden.

Artikel 8.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen im Fall eines betrügerischen Handelns des Beteiligten gegenüber dem Versicherungsträger.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte: a. eine versicherungspflichtigc Beschäftigung ausübt; b. vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird;

753 c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über soziale Pflichtversicherung, über Euhegeld oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen oder Berufskrankheiten bezieht.

Artikel 9.

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien: a. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter; b. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten; c. Arbeitnehmer im Dienst eines Arbeitgebers, der die Beiträge in der Form eines von der Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängigen Bauschbetrages entrichtet.

8. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt zur Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei.

5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so können die Versicherten von der Beitragspflicht auch weiter befreit bleiben.

Artikel 10.

1. Die Versicherung wird von Versicherungsträgern, die vom Staat errichtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicherungsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

S. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

4. Die Vertreter der Versicherten wirken an der Verwaltung der Versicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung init, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

Artikel 11.

L Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht dem Versicherten ·oder seinen gesetzlichen Vertretern ein Eechtsmittel zu.

2. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit besonderer Spruchstellen. Sie sind mit Berufsrichtern oder anderen Bichtern zu besetzen, die mit Bundesblatt. 86. Jahrg. Bd. II.

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dem Zwecke der Versicherung und den Bedürfnissen der Versicherten besonders vertraut oder denen Beisitzer aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

8. Bei Streitigkeiten über die Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeitgeberbeitrag vorsieht, auch seinem Arbeitgeber ein Rechtsmittel zu.

Artikel 12.

1. Ausländische Arbeitnehmer unterliegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

2. Ausländischen Versicherten und ihren Bechtsnachfolgern stehen Leistungen aus den ihnen gutgeschriebenen Beiträgen in gleicher Weise zu wie Inländern.

3. Ausländischen Versicherten und ihren Bechtsnachfolgern stehen ausserdem die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile zu, wenn sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 9 vorsieht.

4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern, die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile vorbehalten, die ausschliesslich Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten haben.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslande, so finden sie auf Bentner und ihre Bechtsnaclifolger, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, nur in dem Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem der Bentenanspruch erworben wurde. Doch können aus öffentlichen Mitteln aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile -einbehalten werden, Artikel 18.

1. Die Arbeitnehmerversicherung untersteht dem am Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Becht.

2. Ausnahmen von diesem Grundsatze können zur Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart werden.

. .

Artikel 14.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger'erlassen, die ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

.

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Artikel 15.

In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall des Alters besteht, kann diesem Ubereinkcnnmen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Eechtsanspruch auf Rente sichert und den Bestimmungen der Artikel 16 bis 22 entspricht.

Artikel 16.

Die Eente wird bei Erreichung eines Alters gewährt, das von der Gesetzgebung festgesetzt wird, aber nicht höher als das vollendete 65. Lebensjahr sein darf.

Artikel 17.

Der Eentenanspruch kann davon abhängig gemacht werden, dass der Bewerber während eines der Erhebung des Anspruches unmittelbar vorangehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz: hatte. Dieser Zeitraum, den die Gesetzgebung festsetzt, darf zehn Jahre nicht überschreiten.

Artikel 18.

1. Der Eentenanspruch steht jedem Eentenwerber zu, dessen jährliches Einkommen eine Grenze nicht überschreitet, die von der Gesetzgebung unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festgesetzt wird.

2. Bei der Bewertung des Einkommens werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage liegen, nicht angerechnet.

Artikel 19.

Die Eente ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen, unter Ausschluss der nicht anrechenbaren Einkünfte, mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Rentenempfängers deckt.

Artikel 20.

1. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessung der Eente steht dem Eentenwerber ein Rechtsmittel zu.

2; Das Rechtsmittel wird bei einer anderen Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 21.

1. Ausländern, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Eentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

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2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Bentenanspruch von Ausländern davon abhängig machen, dass der Eentenwerber im Gebiete des Mitgliedes seinen "Wohnsitz während eines Zeitraumes hatte, der um höchstens fünf Jahre die von Inländern geforderte Wohnsitzdauer übersteigen darf.

Artikel 22.

1. Der Rentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte: a. wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; · ."

1). eine Eente in betrügerischer "Weise erlangt oder zu erlangen versucht hat ; c. sich beharrlich geweigert hat, seinen Lebensunterhalt durch eine mit seinen Kräften und Fähigkeiten vereinbare Arbeit zu gewinnen.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird.

Artikel 28.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 12, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aufrechterhaltung des Bentenansprucb.es im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

Artikel 24.

Die förmlichen Eatifikationen dieses "Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 25.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 26.

Sobald die Eatifikation zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisa-

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tion mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Batifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 27.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 28.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens Zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 29.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue, Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: d. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 27. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

Indessen bleibt das vorhegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 30.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind, in gleicher Weise massgebend.

758 5.

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall der Invalidität.

Die AJlgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Pflichtversicherung für den Fall der Invalidität, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt, heute, am 29, Juni 1933, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge.

-Artikel 1.

. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Übereinkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall der : Invalidität einzurichten oder beizubehalten.

; .

.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie die Heiniarbeiter und die Hausgehilfen.

2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen, für : a. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, lind, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten; fe. Arbeitnehmer, die .keinen Barlohn erhalten; c. jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die hei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind; d. Heimarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfängern im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können ; e. Familienmitglieder des Arbeitgebers; .

759

/. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten; g. invalide Arbeitnehmer sowie Invaliden- oder Altersrentner; ii. pensionierte Beamte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, und Personen mit privatem Einkommen, sofern die Pension oder das private Einkommen der gesetzlichen Invalidenrente mindestens gleichkommt; *. Arbeitnehmer, die während ihrer Studien Unterricht erteilen oder zur Vorbereitung für einen ihren Studien entsprechenden Beruf gegen Entgelt beschäftigt sind; ] , Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber.

3. Ferner können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, denen für den Eall der Invalidität auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sondersatzung Ansprüche auf Leistungen zustehen oder zustehen werden, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

4. Dieses Übereinkommen findet auf Schiffsleute und auf Angehörige der Seefischerei keine Anwendung.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die aus der Versicherung ohne Eente ausscheiden, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein : freiwillige Weiterversicherung oder Wahrung der Anwartschaft durch regelmässige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Hechts wegen gewahrt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht verSicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und so instand gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente oder auf eine Witwenrente zu begründen.

.

Artikel 4.

.

1. Der Versicherte hat Anspruch auf Invalidenrente, wenn er infolge allgemeiner Erwerbsunfähigkeit ausserstànde ist, einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung, wenn sie dem Versicherten ärztliche Behandlung und Pflege während der gesamten Dauer der Invalidität gewährleistet und im Falle seines Ablebens der Witwe unabhängig von ihrem Alter oder vom Vorliegen von Invalidität sowie den Waisen Vollrenten gewährt, die Invalidenrente auf den Fall beschränken, dass der Versicherte zu entlohnter Arbeit unfähig ist.

.

.

:

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8. Liegt eine besondere Angestelltenversicherung vor, so steht dem Versicherten die Rente zu, wenn er infolge von Berufsunfähigkeit ausserstand ist, in dem gewöhnlich ausgeübten oder in einem ähnlichen Beruf einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

Artikel 5.

1. DerRentenanspruch kann, unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 6, an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie auch insbesondere während eines bestimmten, dem Eintritte des Versicherungsfalles unmittelbar vorangehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

2. Die Wartezeit darf sechzig Beitragsmonate oder zweihundertfünfzig Beitragswochen oder eintausendfünfhundert Beitragstage nicht übersteigen.

8. Wenn die Erfüllung der Wartezeit die Entrichtung einer bestimmten Zahl von Beiträgen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles voraussetzt, so sind Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, für die Unterstützung gewährt wurde, für die Erfüllung der Wartezeit unter den Voraussetzungen und in dem Ausmass anzurechnen, wie die Gesetzgebung dies bestimmt.

Artikel 6.

·1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Anspruch auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicht an läuft und entweder veränderlich oder fest ist: a. Die veränderliche Frist darf nicht kürzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen sind.

&. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer sein als achtzehn Monate; nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablauf der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Mindestzahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen Weiterversicherung entrichtet worden ist.

;

Artikel 7.

1. Die Rente wird abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit mit einem festen Betrag oder mit einem Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen.

761 2, Wird die Beute abhangig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihre Zuerkenmmg die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Eente, falls nicht ein Mindestmass zugesichert ist, einen von der Beitragszeit unabhängigen Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen.

8. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Eente nach der Beitragszeit bemessen wird oder nicht, der versicherte Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Eente berücksichtigt werden.

Artikel 8.

Die Versicherungsträger sind nach Massgabe der Gesetzgebung ermächtigt, zur Verhütung, Hinausschiebung, Milderung oder Behebung der Invalidität Invalidenrentnern oder Personen, die wegen Invalidität Eente beanspruchen könnten, Sachleistungen zu gewähren.

Artikel 9.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte: a, die Invalidität durch ein Verbrechen, Vergehen oder absichtliches schuldhaftes Verhalten "anderer Art herbeigeführt hat; 6. sich eines betrügerischen Handelns gegenüber dem Versicherungsträger schuldig gemacht hat.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte: a. vollständig aus öffentlichen Mitteln oder auf Kosten eines Sozialver sicherungsträgers erhalten wird; 6. sich ohne triftigen Grund weigert, den ärztlichen Anordnungen oder den Vorschriften über das Heilverfahren für Invalide Folge zu leisten, oder sich ohne Ermächtigung und vorsätzlich der Aufsicht des Versicherungsträgers entzieht; c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über soziale Pflichtversicherung, über Kuhegehalt oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen öder Berufskrankheiten bezieht ; d, eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübt und, sofern es sich um eine besondere Angestelltenversicherung handelt, ein Arbeitseinkommen bezieht, das einen bestimmten Betrag übersteigt.

Artikel 10, 1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien:

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a. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter ; &. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn, oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten.

3. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt Zur Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei, 5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so könnten die Versicherten von der Beitragspflicht auch weiter befreit bleiben.

; Artikel 11.

1. Die Versicherung wird von Versicherungsträgern, die vom Staat errichtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann .die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicherungsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

3. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen .Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

4. Die Vertreter der Versicherten wirken an der Verwaltung der Versicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung mit, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

· . : Artikel 12.

1. Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht dem Versicherten oder seinen gesetzlichen Vertretern ein Bechtsmittel zu.

'-. 2. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit besonderer Spruchstellen. Sie sind mit Berufsrichtern oder andern Eichtern zu besetzen, die mit dem Zwecke der Versicherung und den Bedürfnissen der Versicherten besonders vertraut oder denen Beisitzer aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

8. Bei Streitigkeiten über die Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeitgeberbeitrag vorsieht, auch seinem Arbeitgeber ein Eechtsmittel zu.

Artikel IS, : 1. Ausländische Arbeitnehmer unterliegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

··;.·;

703 2. Ausländischen Versicherten und ihren Rechtsnachfolgern stehen Leistungen aus den ihnen gutgeschriebenen Beiträgen in gleicher Weise zu wie Inländern.

8. Ausländischen Versicherten und ihren Rechtsnachfolgern stehen ausserdem die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Renteuteile zu, wenn sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 10 vorsieht.

4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Eententeile vorbehalten, die ausschliesslich Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten haben.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslande, so finden sie auf Eentner und ihre Rechtsnachfolger, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, nur in dein Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem der Bentenanspruch erworben wurde. Doch können aus öffentlichen Mitteln aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Rententeile einbehalten werden.

Artikel 14.

1. Die Arbeitnehmerversicherung untersteht dem am Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Recht.

2. Ausnahmen von diesem Grundsatze können zur Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart werden.

Artikel 15.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger erlassen, die .ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

. . .. .

Artikel 16. .

V In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall der Invalidität besteht, kann diesem Übereinkommen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Rechtsanspruch auf Rente sichert und den Bestimmungen der Artikel 17 bis .23 entspricht.

Artikel 17.

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. . . . . . " ' .

Die Eente-wird gewährt,-wenn der Beteiligte infolge allgemeiner Erwerbsunfähigkeit ausserstan.de ist, einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

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Artikel 18.

Der Eentenanspruch kann davon abhängig gemacht werden, dass der Bewerber während eines der Erhebung des Anspruches unmittelbar vorangehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz; hatte. Dieser.

Zeitraum, den die Gesetzgebung festsetzt, darf fünf Jahre nicht überschreiten.

Artikel 19.

1. Der Eentenanspruch steht jedem Eentenwerber zu, dessen jährliches Einkommen eine Grenze nicht überschreitet, die von der Gesetzgebung, unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festgesetzt wird.

2. Bei der Bewertung des Einkommens werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage liegen, nicht angerechnet.

Artikel 20.

Die Eénte ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen unter Ausschluss der nicht anrechenbaren Einkünfte mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Eentenempfängers deckt.

Artikel 21.

1. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessung der Eente steht dem Eentenwerber ein Eechtsmittel zu.

2. Das Eechtsmittel wird bei einer anderen Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 22.

1. Ausländern, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Eentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Eentenanspruch von Ausländern davon abhängig machen, dass der Eentenwerber im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz während eines Zeitraumes hatte, der um höchstens fünf Jahre die von Inländern geforderte Wohnsitzdauer übersteigen darf.

Artikel 23.

.

1. Der Eentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte: a. die Invalidität durch ein Verbrechen, Vergehen oder vorsätzliches Verschulden herbeigeführt hat;

7tì5 b. eine Bente in betrügerischer Weise erlangt oder zu erlangen versucht hat ; c. wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; d. sich beharrlich geweigert hat, seinen Lebensunterhalt durch eine mit seinen Kräften und Fähigkeiten vereinbare Arbeit zu gewinnen.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird.

Artikel 24.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 13, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aüfrechterhaltung des Rentenanspruches im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

Artikel 25.

Die förmlichen Eatit'ikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 26.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 27.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 28.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von

766

zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes'von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 29.

·

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 80.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige. Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 28. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen, in Kraft getreten ist.

&. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 81.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

6.

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall der Invalidität.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, .

..

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend die Pflichtversieherang für den Fall der Invalidität, eine Frage, die zum zweiten Gegen-

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stand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, ain 29. Juni 1988, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Übereinkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall der Invalidität einzurichten oder beizubehalten.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der landwirtschaftlichen Betriebe sowie die Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber.

2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für: a. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, und, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten; b. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn erhalten ; c. jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die bei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind; d. Heimarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfängern im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können; e. Familienmitglieder des Arbeitgebers; /, Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten; g. invalide Arbeitnehmer sowie Invaliden- oder Altersrentner; h. pensionierte Beamte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, und Personen mit privatem Einkommen, sofern die Pension oder das private Einkommen der gesetzlichen Invalidenrente mindestens gleichkommt ; i. Arbeitnehmer, die während ihrer Studien Unterricht erteilen oder zur Vorbereitung für einen ihren Studien entsprechenden Beruf gegen Entgelt beschäftigt sind.

3. Femer können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, denen für den Fall der Invalidität auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sonder-

768

Satzung Ansprüche auf Leistungen zustehen oder zustehen werden, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

Artikel 8.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die aus der Versicherung ohne Eente ausscheiden, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein: freiwillige Weiterversicherung oder Wahrung der Anwartschaft durch regelmässige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Eechts wegen gewahrt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht Versicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und so instand gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente oder auf eine Witwenrente zu begründen.

Artikel 4.

1. Der Versicherte hat Anspruch auf Invalidenrente, wenn er infolge allgemeiner Erwerbsunfähigkeit ausserstande ist, einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung, wenn sie dem Versicherten ärztliche Behandlung und Pflege während der gesamten Dauer der Invalidität gewährleistet und im Falle seines Ablebens der Witwe, unabhängig von ihrem Alter oder vom Vorliegen von Invalidität, sowie den Waisen Vollrenten gewährt, die Invalidenrente auf den Fall beschränken, dass der Versicherte zu entlohnter Arbeit unfähig ist.

3. Liegt eine besondere Angestelltenversicherung vor, so steht dem Versicherten die Eente zu, wenn er infolge von Berufsunfähigkeit ausserstande ist, in dem gewöhnlich ausgeübten oder in einem ähnlichen Beruf einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

Artikel 5.

1. Der Eentenanspruch kann, unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 6, an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie auch insbesondere während eines bestimmten, dem Eintritte des Versicherungsfalles unmittelbar vorangehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

2. Die Wartezeit darf sechzig Beitragsmonate oder zweimmdertfünfzig Beitragswochen oder eintausendfünfhundert Beitragstage nicht übersteigen.

8. Wenn die Erfüllung der Wartezeit die Entrichtung einer bestimmten Zahl von Beiträgen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles voraussetzt, so sind Zeiten
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, für die Unterstützung gewährt wurde, für die Erfüllung der Wartezeit unter den Voraussetzungen und in dem Ausmass anzurechnen, wie die Gesetzgebung dies bestimmt.

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Artikel 6.

1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Ansprach auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicbt an läuft und entweder veränderlich oder fest ist : a. Die veränderliche Frist darf nicht kürzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen sind, b. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer sein als achtzehn Monate ; nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablaut der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Mindestzahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen Weiterversicherung entrichtet worden ist, Artikel 7.

1. Die Eente wird abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit mit einem festen Betrag oder mit einem Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen, 2. Wird die Eente abhängig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihre Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Rente, falls nicht ein Mindestnuass zugesichert ist, einen von der Beitragszeit unabhängigen Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen, S. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Rente nach der Beitragszeit bemessen wird oder nicht, der versicherte Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Eente berücksichtigt werden.

Artikel 8.

Die Versicherungsträger sind nach Massgabe der Gesetzgebung ermächtigt, zur Verhütung, Hinausschiebung, Milderung oder Behebung der Invalidität Invalidenrentnern oder Personen, die wegen Invalidität Eente beanspruchen können, Sachleistungen zu gewähren.

Artikel 9.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte : a. die Invalidität durch ein Verbrechen, Vergehen oder absichtliches schuldhaftes Verhalten anderer Art herbeigeführt hat; Bundesblatt. 86. Jahrg. Bd, II, 52

770

fc, sich eines betrügerischen Handelns gegenüber dem Versicherungsträger schuldig gemacht hat.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte: a. vollständig aus öffentlichen Mitteln oder auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers erhalten wird; fe. sich ohne triftigen Grund weigert, den ärztlichen Anordnungen oder den Vorschriften über das Heilverfahren für Invalide Folge zu leisten, oder sich ohne Ermächtigung und vorsätzlich der .Aufsicht des Versicherungsträgers entzieht; c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über soziale Pflichtversicherung, über Buhegehalt oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen oder Berufskrankheiten bezieht; d. eine Versicherungspflichtige Beschäftigung ausübt und, sofern es sich um eine besondere Angestelltenversicherung handelt, ein Arbeitseinkommen bezieht, das einen bestimmten Betrag übersteigt.

Artikel 10.

' : 1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien: a. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter; fc. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten; G. Arbeitnehmer im Dienst eines Arbeitgebers, der die Beiträge in der Form eines von der Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängigen Bausclibetrages entrichtet.

3. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt zur Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei.

5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so können die Versicherten von der Beitragspflicht auch weiter befreit bleiben.

Artikel 11.

1. Die Versicherung wird von Versicherungsträgern, die vom Staat errichtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicheruhgsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

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3. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

4. Die Vertreter der Versicherten wirken an der Verwaltung der Versicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung mit, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

Artikel 12.

1. Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht dem Versicherten oder seinen gesetzlichen Vertretern ein Bechtsmittel zu.

2. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit besonderer Spruchsteilen. Sie sind mit Berufsrichtern oder anderen Bichtern zu besetzen, die mit dem Zwecke der Versicherung und den Bedürfnissen der Versicherten besonders vertraut oder denen Beisitzer aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

8. Bei Streitigkeiten über die Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeitgeberbeitrag vorsieht, auch seinem Arbeitgeber ein Rechtsmittel zu.

Artikel 13.

1. Ausländische Arbeitnehmer unterliegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

2. Ausländischen Versicherten und ihren Bechtsnacht'olgcrn stehen Leistungen aus den ihnen gutgeschriebenen Beiträgen in gleicher Weise zu wie Inländern.

3. Ausländischen Versicherten und ihren Bechtsnachfolgern stehen ausserdem die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile zu, wenn-sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 10 vorsieht.

4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile vorbehalten, die ausschliesslich Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten haben.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslaude, so finden sie auf Bentner .und ihre Bechtsnachfolger, die Staatsangehörige eines durch dieses
Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, nur in dem Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem

772 der Bentenanspruch erworben wurde. Doch können aus öffentlichen Mitteln aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Eententeile einbehalten werden.

Artikel 14.

1. Die Arbeitnehmerversicherung untersteht dem am Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Eecht.

2. Ausnahmen von diesem Grundsatze-können zar Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart werden.

- Artikel 15.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger erlassen, die ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

Artikel 16.

In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall der Invalidität besteht, kann diesem Übereinkommen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Rechtsanspruch auf Bente sichert und den Bestimmungen der Artikel 17 bis 28 entspricht.

Artikel 17.

.

Die Bente wird gewährt, wenn der Beteiligte infolge allgemeiner Erwerbsunfähigkeit ausserstande ist, einen nennenswerten Arbeitsverdienst zu erlangen.

Artikel 18.

Der Eentenanspruch kann davon abhängig gemacht werden, dass der Be.werber während eines der Erhebung des Anspruches unmittelbar vorangehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz hatte. Dieser Zeitraum, den die Gesetzgebung festsetzt, darf fünf Jahre nicht überschreiten.

Artikel 19.

1. Der Bentenanspruch steht jedem Bentenwerber zu, dessen jährliches Einkommen eine Grenze nicht überschreitet, die von der Gesetzgebung unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festgesetzt wird.

2. Bei der Bewertung des Einkommens werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage hegen, nicht angerechnet, Artikel 20.

Die Bente ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen, unter Ausschluss der nicht anrechenbaren Einkünfte, mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Beritenempfängers deckt.

773

Artikel 21.

!.. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessiing der Rente steht dem Bentenwerber ein Bechtsmittel zu.

2. Das Eechtsmittel wird bei einer anderen Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 22.

1. Ausländern, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Eentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Eentenanspruch von Ausländern davon abhängig machen, dass der Eentenwerber im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz während eines Zeitraumes hatte, der um höchstens fünf Jahre die von Inländern geforderte Wohnsitzdauer übersteigen darf.

Artikel 28.

1. Der Eentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn der Beteiligte: a. die Invalidität durch ein Verbrechen, Vergehen oder vorsätzliches Verschulden herbeigeführt hat; b. eine Eente in betrügerischer Weise erlangt oder zu erlangen versucht hat ; c. wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; d. sich beharrlich geweigert hat, seinen Lebensunterhalt durch eine mit seinen Kräften und Fähigkeiten vereinbare Arbeit zu gewinnen.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird.

Artikel 24.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikel 13, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aufrechterhaltung des Eentenanspruches im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

Artikel 25.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 26.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Batifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

774

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Eatiiikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Batifikation in Kraft.

Artikel 27.

Sobald die Eatiiikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 23.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen, Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 29.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu. erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder "teilwcisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 30.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 28. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist;

775 î>. vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert ·werden.

Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 81.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

7. .

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und Hausgehilfen für den Fall des Ablebens.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1988 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend die Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge : Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Übereinkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens einzurichten oder beizubehalten.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie die Heimarbeiter und die Hausgehilfen.

2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für:

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a. Arbeitnehmer deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, und, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten ; i>. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn erhalten; c. jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die bei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind ; d. Heimarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfängern im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können; e. Familienmitglieder des Arbeitgebers; /. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten; g. invalide Arbeitnehmer sowie Invaliden- oder Altersrentner; Ji. pensionierte Beamte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, und Personen mit privatem Einkommen, sofern die Pension oder das private Einkommen der gesetzlichen Invalidenrente mindestens gleichkommt; i. Arbeitnehmer, die während ihrer Studien Unterricht erteilen oder zur Vorbereitung für einen ihren Studien entsprechenden Beruf gegen Entgelt beschäftigt sind; j. Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber.

3. Ferner können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, deren Hinterbliebenen auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sondersatzung Ansprüche auf Leistungen zustehen werden, die den in diesem übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

4. Diese Übereinkommen findet auf Schiffsleute und auf Angehörige der Seefischerei keine Anwendung.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die aus der Versicherung ohne Bente ausscheiden, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein : freiwillige Weiterversicherung oder Wahrung der Anwartschaft durch regelmassige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Bechts wegen gewahrt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht Versicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und so instand gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente
oder auf eine Witwenrente zu begründen.

Artikel 4.

· 1. Der Bentenanspruch kann, unbeschadet der Bestimmungen des Artikel 5, an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen, sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie

777

auch insbesondere während eines bestimmten, dem Eintritte des Versicherung«falles unmittelbar vorausgehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

2. Die Wartezeit darf sechzig Beitragsmonate oder zweihundertfünfzig: Beitragswochen oder eintausendfünfhundert Beitragatage nicht übersteigen.

8. Wenn die Erfüllung der Wartezeit die Entrichtung einer bestimmten Zahl von Beiträgen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles voraussetzt, so sind Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, für die Unterstützung gewährt wurde,, für die Erfüllung der Wartezeit unter den Voraussetzungen und in dem Ausmassanzurechnen, wie die Gesetzgebung dies bestimmt.

Artikel 5.

1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Anspruch auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicht an läuft und entweder veränderlich oder fest ist: a. Die veränderliche Frist darf nicht kürzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligem Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei, von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen sind.

b. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer soin als achtzehn Monate, nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablauf der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Mindestzahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen Weiterversicherung entrichtet worden ist.

Artikel 6.

Die Versicherung gewährt Rentenansprüche mindestens der Witwer solange sie sich nicht wieder verheiratet, sowie den Waisen von Versicherten oder Rentnern.

Artikel 7.

1. Der Anspruch auf Witwenrente kann auf den Fall beschränkt werden r dass die Witwe ein bestimmtes Alter überschritten hat oder dass sie invalide ist.

2. Liegt eine besondere Angestelltenversicherung vor, so finden die Bestimmungen des Absatzes l keine Anwendung.

8. Der Anspruch auf Witwenrente kann auf den Fall beschränkt werden, dass die Ehe eine bestimmte Zeit bestanden hat und von dem Versicherten oder dem Rentner vor Erreichung eines bestimmten Alters oder vor Eintritt der Invalidität eingegangen war.

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-

4. D.er Anspruch auf Witwenrente kann versagt werden, wenn im Zeitpunkte des Ablebens des Versicherten oder Eentners die Ehe nicht mehr rechtlich bestand oder wenn die eheliche Gemeinschaft auf Grund des alleinigen Verschuldens der Ehefrau für aufgehoben erklärt war.

.

5. Sind mehrere Bewerberinnen um Witwenrente vorhanden, so kann die Zahlung auf den Betrag nur einer Witwenrente beschränkt werden.

Artikel 8.

1. Die Beute steht jeder Waise bis zur Vollendung eines bestimmten Alters au, das nicht unter vierzehn Jahren liegen darf.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung bei Waisen von weiblichen Versicherten oder Rentnerinnen den Bentenanspruch davon abhängig machen, dass die Mutter entweder zum Unterhalte des Kindes beigetragen hat oder im Zeitpunkt ihres Ablebens Witwe war.

3. Die Gesetzgebung bestimmt, in welchen Fällen ein nichteheliches Kind .Anspruch auf Bente hat.

Artikel 9.

1. Die Bente wird abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit mit einem ·festen Betrag oder mit einem Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen.

2. Wird die Ecnte abhängig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihre .Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Bente, falls nicht ein Mindestmass zugesichert ist, einen von der Beitragszeit unabhängigen ·Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen; für Benten, deren Zuerkennung -die Erfüllung einer Wartezeit nicht voraussetzt, kann ein Mindestmass gewährleistet werden.

3. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Bente nach der Beitragszeit bemessen wird oder nicht, der versicherte .Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Bente berücksichtigt werden.

Artikel 10.

Die Versicherungsträger sind nach Massgabe der Gesetzgebung ermächtigt, zur Verhütung, Hinausschiebung, Milderung oder Behebung der Invalidität Invalidenrentnern oder Personen, die wegen Invalidität Bente beanspruchen -könnten, Sachleistungen zu gewähren.

L

Artikel 11.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen: a. wenn das Ableben durch ein Verbrechen, Vergehen oder vorsätzliches Verschulden des Versicherten oder einer anderen Person herbeigeführt worden ist, der ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente erwachsen könnte ;

779 b* wenn der Versicherte oder eine andere Person, der Anspruch auf Hinterbliebenenrente erwachsen könnte, sich eines betrügerischen Handelns gegenüber dem Versicherungsträger schuldig gemacht hat.

2, Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange die beteiligte Person: a. vollständig aus öffentlichen Mitteln oder auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers erhalten wird; b. sich ohne triftigen Grund weigert, den ärztlichen Anordnungen oder den Vorschriften über das Heilverfahren für Invalide Folge zu leisten, oder sich ohne Ermächtigung und vorsätzlich der Aufsicht des Versicherungsträgers entzieht; c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über soziale Pflichtversicherung, über Buhegehalt oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen oder Berufskrankheiten bezieht; d. als Witwe mit einem Mann in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, sofern ihr die Eente ohne Eücksicbt auf Alter oder Invalidität zuerkannt war ; e. beim Vorliegen einer besonderen Angestelltenversicherung ein Arbeitseinkommen bezieht, das einen bestimmten Betrag übersteigt.

Artikel 12.

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien: a. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter; fc. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten.

3. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt zur. Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei.

5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so können die Versicherten von der Beitragspflicht auch weiter befreit bleiben.

Artikel 13.

1. Die Versicherung wird von Versieherungsträgern, die vom Staat erachtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicherungsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

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8. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

4. Die Vertreter der Versicherten wirken an der Verwaltung der Versicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung mit, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

Artikel 14.

1. Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht den Hinterbliebenen von Versicherten oder Beninern ein Rechtsmittel zu.

2. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit besonderer Spruchstellen. Sie sind mit Berufsrichtern oder anderen Richtern zu besetzen, die mit dem Zwecke der Versicherung besonders vertraut oder denen Beisitzer . aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

8. Bei Streitigkeiten über dio Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeitgeberbeitrag vorsieht, auch seinem Arbeitgeber ein Rechtsmittel zu.

. .

Artikel 15.

1. Ausländische Arbeitnehmer unterliegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

2. Hinterbliebenen ausländischer Versicherter oder Rentner stehen aus den diesen gutgeschriebenen Beiträgen Leistungen in gleicher Weise zu wie Inländern.

3. Hinterbliebenen ausländischer Versicherter oder Rentner stehen ausserdem die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Rententeile zu, wenn sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 12 vorsieht, 4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Rententeüe vorbehalten, die ausschliesslich Hinterbliebenen von Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten hatten.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslande, so finden sie auf Rentner, die Staatsangehörige eines durch dieses "Übereinkommen gebundenen Mitgliedes
sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, nur in dem Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem der Rentenanspruch erworben wurde. Doch können aus öffentlichen Mitteln aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Rententeile einbehalten werden.

781 Artikel 16.

1. Die Arbeitnehmerversicherung unterstellt dem am Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Eeoht.

2. Ausnahmen von diesem Grundsätze können zur Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart werden.

Artikel 17.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger erlassen, die ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

Artikel 18.

In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens besteht, kann diesem Übereinkommen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Bechtsanspruch auf Beute sichert und den Bestimmungen der Artikel 19 bis 25 entspricht.

Artikel 19.

1. Die Bente wird gewährt: a. der Witwe, die wenigstens zwei Kinder zu erhalten hat, solange sie sich nicht wieder verheiratet; o. Doppelwaisen.

2. Die Gesetzgebung bestimmt: a, unter welchen Voraussetzungen ein nichteheliches Kind einen Anspruch auf Witwenrente begründet; b. bis zu welchem Alter das Kind Anspruch auf Witwenrente begründet oder Anspruch auf Waisenrente hat ; doch darf dieses Alter nicht niedriger als das vierzehnte Lebensjahr sein.

Artikel 20.

1. Der Anspruch auf Witwenrente kann davon abhängig gemacht werden, dass den Wohnsitz im Gebiete des Mitgliedes hatte: a. der verstorbene Ehemann während eines seinem Ableben unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes; 6. die Witwe während eines der Erhebung des Anspruchs unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes.

2. Der Anspruch auf Waisenrente kann davon abhängig gemacht werden, dass der letztverstorbeae Elternteü während eines seinem Ableben unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz hatte.

782 3. Die von der Witwe oder von dem verstorbenen Elternteile geforderte Wohnsitzdäuer im Gebiete des Mitgliedes ·wird von der Gesetzgebung festgesetzt, darf aber fünf Jahre nicht übersteigen.

Artikel 21.

1. Der Anspruch auf Witwenrente oder Waisenrente steht jedem Renten"werber zu, dessen jährliches Einkommen einschliesslich desjenigen der Kinder oder Waisen, deren Unterhalt ihm obliegt, eine Grenze nicht übersteigt, welche die Gesetzgebung unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festsetzt.

2, Bei der Bewertung des Einkommens der Beteiligten werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage liegen, nicht angerechnet.

Artikel 22.

Die Eente ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen, unter AusscMuss der nicht anrechenbaren Einkünfte, mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Rentenempfängers deckt, Artikel 23.

1. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessung der Rente steht dem Rentenwerber ein Rechtsmittel zu.

2. Das Rechtsmittel wird bei einer andern Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 24.

.

1. Ausländischen Witwen und Waisen, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Rentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Rentenanspruch von Ausländern davon abhängig machen, dass der Rentenwerber im Gebiete des Mitgliedesseinen Wohnsitz während einer Zeitdauer hatte, die um höchstens fünf Jahre die in Artikel 20 vorgesehene Wohnsitzdauer übersteigen darf.

Artikel 25.

. 1. Der Rentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn die-Witwe oder die Person, die den Unterhalt der Waise zu tragen hat, .eine Rente-in betrügerischer Weise erlangt oder zu erlangen versucht hat.

2. Die Rente kann ganz oder teilweise ruhen, solange der Beteiligte vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird.

78» Artikel 26.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikel 15, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aufrechterhaltung des Eentenanspruches im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

. Artikel 27.

Die förmlichen Batiiïkationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles1 XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen -Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 28. .

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind, In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 29.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 30.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Küudigungsrechtekeinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 31.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehr*.

'784

Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz ..gesetzt werden soll.

.

Artikel 82.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue 'Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. die Batifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 30. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist; b. vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

Indessen bleibt das vorhegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 33.

Der französische und der englische "Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

8.

Entwurf eines Übereinkommens über die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe für den Fall des Ablebens.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vorn Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1938 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Torrn eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen, Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, den folgenden Entwurf »eines Übereinkommens an zwecks Batifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von- Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: · -

785

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, eine den Bestimmungen dieses Übereinkommens mindestens gleichwertige Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens einzurichten oder beizubehalten.

Artikel 2.

1. Versicherungspflichtig sind die Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge der landwirtschaftlichen Betriebe sowie die Hausgehilfen im Haushalte landwirtschaftlicher Arbeitgeber, 2. Jedoch kann jedes Mitglied in seiner Gesetzgebung die ihm etwa erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorsehen für: a. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverdienst eine bestimmte Grenze übersteigt, und, sofern die Gesetzgebung eine derartige allgemeine Ausnahme nicht vorsieht, Angestellte in Berufen, die gewöhnlich als freie Berufe gelten ; b. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn erhalten; c. jugendliche Arbeitnehmer unter einer bestimmten Altersgrenze und Arbeitnehmer, die bei erstmaliger Übernahme von Lohnarbeit für den Eintritt in die Versicherung zu alt sind; d. Heimarbeiter, die nach Art ihrer Arbeitsbedingungen den Lohnempfängern im allgemeinen nicht gleichgestellt werden können; e. Familienmitglieder des Arbeitgebers; /. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen nicht erfüllen können, weil ihre Beschäftigungsverhältnisse ihrer Natur nach nur von kurzer Gesamtdauer sind, sowie Personen, die entlohnte Arbeit nur gelegentlich oder als Nebenbeschäftigung verrichten; g. invalide Arbeitnehmer sowie Invaliden- oder Altersrentner; h. pensionierte Beamte, die gegen Entgelt beschäftigt sind, und Personen mit privatem Einkommen, sofern die Pension oder das private Einkommen der gesetzlichen Invalidenrente mindestens gleichkommt; Ì. Arbeitnehmer, die während ihrer Studien Unterricht erteilen oder zur Vorbereitung für einen ihren Studien entsprechenden Beruf gegen Entgelt beschäftigt sind.

3. Ferner können für versicherungsfrei Personen erklärt werden, deren Hinterbliebenen auf Grund von Gesetz, Verordnung oder Sondersatzung Ansprüche auf Leistungen zustehen werden, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen im ganzen mindestens gleichwertig sind.

Artikel 3.

Die Gesetzgebung räumt unter Voraussetzungen, die sie bestimmt, ehemaligen Pflichtversicherten, die aus der Versicherung ohne Eente ausscheiden, wenigstens eine der folgenden Möglichkeiten ein : freiwillige Weiterversicherung Bundesblatt. 86. Jahrg. Bd. II.

53

786 oder Wahrung der Anwartschaft, durch regelmässige Entrichtung einer Anerkennungsgebühr, sofern nicht die Anwartschaft von Rechtswegen gewahrt bleibt oder, falls es sich um eine verheiratete Frau handelt, der nicht Versicherungspflichtige Ehemann als versicherungsberechtigt erklärt und so instand gesetzt wird, für die Frau die Anwartschaft auf eine Altersrente oder auf eine Witwenrente zu begründen.

Artikel 4.

1. Der Eentenanspruch kann, unbeschadet der Bestimmungen des Artikel 5, an die Erfüllung einer Wartezeit gebunden werden, welche die Entrichtung einer Mindestzahl von Beiträgen, sowohl seit Eintritt in die Versicherung wie auch insbesondere während eines bestimmten, dem Eintritte des Versicherungsfalles unmittelbar vorausgehenden Zeitabschnittes umfassen kann.

2. Die Wartezeit darf sechzig Beitragsmonate oder zweihundertfünfzig Beitragswochen oder eintausendfünfhundert Beitragstage nicht übersteigen.

3. Wenn die Erfüllung der Wartezeit die Entrichtung einer bestimmten Zahl von Beiträgen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles voraussetzt, so sind Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, für die Unterstützung gewährt wurde, für die Erfüllung der Wartezeit unter den Voraussetzungen und in dem Ausmass anzurechnen, wie die Gesetzgebung dies bestimmt.

Artikel 5.

1. Dem Versicherten, der aus der Pflichtversicherung ohne Anspruch auf eine den ihm gutgeschriebenen Beiträgen entsprechende Gegenleistung ausscheidet, bleibt die Anwartschaft gewahrt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Wahrung der Anwartschaft durch eine Frist begrenzen, die von der Beendigung der Versicherungspflicht an läuft und entweder veränderlich oder fest ist: a. Die veränderliche Frist darf nicht kürzer sein als ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erfüllten Beitragszeiten, wobei von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeitabschnitte abzuziehen sind.

b. Die feste Frist darf keinesfalls kürzer sein als achtzehn Monate; nach Ablauf dieser Frist kann die Anwartschaft für erloschen erklärt werden, es sei denn, dass für den Versicherten vor Ablauf der Frist eine von der Gesetzgebung vorzuschreibende Mindestzahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen Weiterversicherung entrichtet worden ist.
Artikel 6.

Die Versicherung gewährt Eentenansprüche mindestens der Witwe, solange sie sich nicht wieder verheiratet, sowie den Waisen von Versicherten oder Rentnern.

787

Artikel 7.

1. Der Anspruch auf Witwenrente kann auf den Fall beschränkt werden, dass die "Witwe ein bestimmtes Alter überschritten hat oder dass sie invalide ist.

2. Liegt eine besondere Angestelltenversicherung vor, so finden die Bestimmungen des Absatzes l keine Anwendung.

3. Der Anspruch auf Witwenrenten kann auf den Fall beschränkt werden, dass die Ehe eine bestimmte Zeit bestanden hat und von dem Versicherten oder dem Eentner vor Erreichung eines bestimmten Alters oder vor Eintritt der Invalidität eingegangen war.

4. Der Anspruch auf Witwenrente kann versagt werden, wenn im Zeitpunkte des Ablebens des Versicherten oder Rentners die Ehe nicht mehr rechtlich bestand oder wenn die eheliche Gemeinschaft auf Grund des alleinigen Verschuldens der Ehefrau für aufgehoben erklärt war.

5. Sind mehrere Bewerberinnen um Witwenrente vorhanden, so kann die Zahlung auf den Betrag nur einer Witwenrente beschränkt werden.

Artikel 8.

1. Die Eente steht jeder Waise bis zur Vollendung eines bestimmten Alters zu, das nicht unter vierzehn Jahren liegen darf.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung bei Waisen von weiblichen Versicherten oder Eentnerinnen den Eentenanspruch davon abhängig machen, dass die Mutter entweder zum Unterhalte des Kindes beigetragen hat oder im Zeitpunkt ihres Ablebens Witwe war.

3. Die Gesetzgebung bestimmt, in welchen Fällen ein nichteheliches Kind Anspruch auf Eente hat.

Artikel 9.

1. Die Eente wird abhängig oder unabhängig von der Beitragszeit mit einem festen Betrag oder mit einein Hundertsatze des versicherten Arbeitsverdienstes oder nach der Höhe der entrichteten Beiträge bemessen.

2. Wird die Eente abhängig von der Beitragszeit bemessen und setzt ihre Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit voraus, so hat die Eente, falls nicht ein Mindestmass zugesichert ist, emen von der Beitragszeit unabhängigen Grundbetrag oder festen Teil zu umfassen; für Renten, deren Zuerkennung die Erfüllung einer Wartezeit nicht voraussetzt, kann ein Mindestmass gewährleistet werden.

3. Sind die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abgestuft, so muss, gleichviel ob die Eente nach der Beitragszeit bemessen wird oder nicht, der versicherte Arbeitsverdienst auch bei der Festsetzung der Eente berücksichtigt ·werden.

Artikel 10.

Die Versicberungsträger sind nach Massgabe der Gesetzgebung ermächtigt, zar Verhütung, Hinausschiebung, Milderung oder Behebung der Invalidität

788 Invalidenrentnern oder Personen, die wegen Invalidität Eente beanspruchen könnten, Sachleistungen zu gewähren.

Artikel 11.

1. Der Anspruch auf die Leistungen kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen: a. wenn das Ableben durch ein Verbrechen. Vergehen oder vorsätzliches Verschulden des Versicherten oder einer anderen Person herbeigeführt worden ist, der ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente erwachsen könnte; &, wenn der Versicherte oder eine andere Person, der Anspruch auf Hinterbliebenenrente erwachsen könnte, sich eines betrügerischen Handels gegenüber dem Versicherungsträger schuldig gemacht hat.

2, Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, solange die beteiligte Person : a. vollständig aus öffentlichen Mitteln oder auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers erhalten wird; b. sich ohne triftigen Grund weigert, den ärztlichen Anordnungen oder den Vorschriften über das Heilverfahren für Invalide Folge zu leisten, oder sich ohne Ermächtigung und vorsätzlich der Aufsicht des Versicherungsträgers entzieht; c. eine andere laufende Barleistung auf Grund der Gesetzgebung über soziale Pflichtversicherung, über Euhegehalt oder über Entschädigung bei Betriebsunfällen oder Berufskrankheiten bezieht; d. als Witwe mit einem Mann in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, sofern ihr die Eente ohne Eücksicht auf Alter oder Invalidität zuerkannt war; e. beim Vorliegen einer besonderen Angestelltenversicherung ein Arbeitseinkommen bezieht, das einen bestimmten Betrag übersteigt.

Artikel 12.

1. Die Versicherten und ihre Arbeitgeber tragen zu den Kosten der Versicherung bei.

2. Die Gesetzgebung kann von der Beitragspflicht befreien: a. Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer unter einem bestimmten Alter; b. Arbeitnehmer, die keinen Barlohn oder nur einen sehr niedrigen Lohn erhalten ; c. Arbeitnehmer im Dienst eines Arbeitgebers, der die Beiträge in der Form eines von der Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängigen Bauschbetrages entrichtet.

3. In der Gesetzgebung über Volksversicherung, die über den Kreis der Arbeitnehmer hinausgreift, kann von der Beitragspflicht der Arbeitgeber abgesehen werden.

4. Der Staat trägt zur Aufbringung der Mittel oder zu den Leistungen der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung oder der Arbeiterversicherung bei.

789 5. Sieht die Gesetzgebung im Zeitpunkte der Annahme dieses Übereinkommens keine Beiträge der Versicherten vor, so können die Versicherten von der Beitragspflicht auch weiter befreit bleiben.

Artikel 18.

1. Die Versicherung wird von Versicherungsträgern, die vom Staat errichtet werden und nicht auf Gewinn abzielen dürfen, oder von öffentlichen Versicherungsfonds durchgeführt.

2. Jedoch kann die Gesetzgebung die Verwaltung der Versicherung auch Versicherungsträgern überlassen, die von den Beteiligten oder ihren Verbänden errichtet und vom Staate förmlich anerkannt sind.

3. Das Vermögen der Versicherungsträger und das der staatlichen Versicherungsfonds ist vom öffentlichen Vermögen getrennt zu verwalten.

4. Die Vertreter der Versicherten ·wirken an der Verwaltung der Versicherungsträger nach Massgabe der Gesetzgebung mit, die auch die Mitwirkung der Vertreter der Arbeitgeber und des Staates vorsehen kann.

5. Die Versicherungsträger mit Selbstverwaltungsrecht unterstehen in der Verwaltung ihrer Mittel und in ihrer Geschäftsführung der Staatsaufsicht.

Artikel 14.

1. Bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen steht den Hinterbliebenen von Versicherten oder Rentnern em Rechtsmittel zu.

2. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit besonderer Spruchstellen. Sie sind mit Berufsrichtern oder anderen Richtern zu besetzen, die mit dem Zwecke der Versicherung besonders vertraut oder denen Beisitzer aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber beigegeben sind.

3. Bei Streitigkeiten über die Versicherungspflicht oder über die Höhe der Beiträge steht dem Arbeitnehmer und, wenn die Versicherung einen Arbeitgeberbeitrag vorsieht, auch seinem Arbeitgeber ein Rechtsmittel zu.

Artikel 15.

1. Ausländische Arbeitnehmer unterhegen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht in gleicher Weise wie Inländer.

2. Hinterbliebenen ausländischer Versicherter oder Kentner stehen aus den diesen gutgeschriebenen Beiträgen Leistungen in gleicher Weise zu wie Inländern.

3. Hinterbliebenen ausländischer Versicherter oder Rentner stehen ausserdem die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungebeträge oder Rententeile zu, wenn sie Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, dessen Gesetzgebung daher die Beteiligung

790

des Staates an der Aufbringung der Mittel oder an den Leistungen der Versicherung gemäss Artikel 12 vorsieht.

4. Jedoch kann die Gesetzgebung Inländern die aus öffentlichen Mitteln aufgebrachten Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Bententeile vorbehalten, " die ausschliesslich Hinterbliebenen von Versicherten zustehen, die beim Inkrafttreten der Gesetzgebung über die Pflichtversicherung ein bestimmtes Alter überschritten hatten.

5. Bestehen Beschränkungen für den Fall des Wohnsitzes im Auslande, so finden sie auf Beniner, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind und im Gebiet irgendeines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes wohnen, nur in dem Ausmass Anwendung wie auf die Angehörigen des Staates, in dem der Bentenanspruch erworben wurde. Doch können aus Öffentlichen Mitteln aufgebrachte Zuschüsse, Steigerungsbeträge oder Kententeile einbehalten werden.

Artikel 16.

1. Die Arbeitnehmerversicherung untersteht dem am Beschäftigungsorte des Arbeitnehmers geltenden Becht.

2, Ausnahmen von diesem Grundsatze können zur Wahrung eines ununterbrochenen Versicherungsverlaufes von den beteiligten Mitgliedern vereinbart werden.

Artikel 17.

Jedes Mitglied kann Sondervorschriften für Grenzgänger erlassen, die ihren Beschäftigungsort in seinem Gebiet, ihren Wohnsitz aber im Auslande haben.

.

· Artikel 18.

In Staaten, in denen zur Zeit des erstmaligen Inkrafttretens dieses Übereinkommens keine Gesetzgebung über Pflichtversicherung für den Fall des Ablebens besteht, kann diesem Übereinkommen genügt werden durch eine in jenem Zeitpunkte bestehende beitragsfreie Versorgung, die einen persönlichen Bechtsanspruch auf Bente sichert und den Bestimmungen der Artikel 19 bis 25 entspricht.

Artikel 19.

1. Die Bente wird gewährt: a. der Witwe, die wenigstens zwei Kinder zu erhalten hat, solange sie sich nicht wieder verheiratet; b. Doppelwaisen.

2. Die Gesetzgebung bestimmt: a. unter welchen Voraussetzungen ein nichteheliches Kind einen Anspruch auf Witwenrente begründet;

791

b. bis zu welchem Alter das Kind Anspruch auf Witwenrente begründet oder Anspruch auf Waisenrente hat ; doch darf dieses Alter nicht niedriger als das vierzehnte Lebensjahr sein.

Artikel 20.

1. Der Anspruch auf Witwenrente kann davon abhängig gemacht werden, dass den Wohnsitz im Gebiete des Mitgliedes hatte: a. der verstorbene Ehemann während eines seinem Ableben unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes ; b. die Witwe während eines der Anspruchserhebung unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes.

2. Der Anspruch auf Waisenrente kann davon abhängig gemacht werden, dass der letztverstorbene Elternteil während eines seinem Ableben unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz hatte.

8. Die von der Witwe oder von dem verstorbenen Elternteile geforderte Wohnsitzdauer im Gebiete des Mitgliedes wird von der Gesetzgebung festgesetzt, darf aber fünf Jahre nicht übersteigen.

Artikel 21.

1. Der Anspruch auf Witwenrente oder Waisenrente steht jedem Bentenwerber zu, dessen jährliches Einkommen einschliesslich desjenigen der Kinder oder Waisen, deren Unterhalt ihm obliegt, eine Grenze nicht übersteigt, welche die Gesetzgebung unter angemessener Berücksichtigung der Mindestkosten der Lebenshaltung festsetzt.

2. Bei der Bewertung des Einkommens der Beteiligten werden Einkünfte, die unter einem von der Gesetzgebung festzusetzenden Betrage liegen, nicht angerechnet.

Artikel 22.

Die Eente ist so zu bemessen, dass sie zusammen mit dein sonstigen Einkommen, unter Ausschluss der nicht anrechenbaren Einkünfte, mindestens den wesentlichen Lebensbedarf des Rentenempfängers deckt.

Artikel 28.

1. Bei Streitigkeiten über Zuerkennung oder Bemessung der Eente steht dem Eentenwerber ein Eechtsmittel zu.

2. Das Eechtsmittel wird bei einer andern Behörde eingelegt als der, die in erster Instanz entschieden hat.

Artikel 24.

1. Ausländischen Witwen und Waisen, die Staatsangehörige eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Mitgliedes sind, stehen Eentenansprüche in gleicher Weise zu wie Inländern.

792

2. Jedoch kann die Gesetzgebung den Eentenanspruch von Ausländern davon abhängig machen, dass der Rentenwerber im Gebiete des Mitgliedes seinen Wohnsitz -während einer Zeitdauer hatte, die um höchstens fünf Jahre die in Artikel 20 vorgesehene Wohnsitzdauer übersteigen darf.

Artikel 26, 1. Der Eentenanspruch kann ganz oder teilweise versagt werden oder ruhen, wenn die Witwe oder die Person, die den Unterhalt der Waise zu tragen hat, eine Beute in betrügerischer Weise erlaugt oder zu erlangen versucht hat.

2. Die Eente kann ganz oder teilweise ruhen, so lange der Beteiligte vollständig aus öffentlichen Mitteln erhalten wird.

Artikel 26.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 15, Absatz 5, berührt dieses Übereinkommen nicht die Aufrechterhaltung des Rentenanspruches im Falle des Wohnsitzes im Auslande.

Artikel 27.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zu Eintragung mitzuteilen.

Artikel 28.

Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

Es tritt in Kraft ein Jahr, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied ein Jahr nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 29.

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 80.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes

793 kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen AbSatze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 81.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll, Artikel 32.

Nimmt die Allgemeine Konferenz ein Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Rücksicht auf Artikel 30. Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

fc. Vom Inkrafttreten des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert worden.

Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 33.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

9Empfehlung betreffend die allgemeinen Grundsätze der Versicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Ablebens.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 8. Juni 1933 zu ihrer siebzehnten Tagung zusammengetreten ist,

794

bat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Versicherung für den Fall der Invalidität, des Alters und des Ablebens, eine Frage, die zum zweiten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1933, die folgende Empfehlung an, die den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegen ist zur Prüfung, ob sie sich durch die Gesetzgebung oder in anderer Weise verwirklichen lässt, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: Die Konferenz hat Entwürfe von Übereinkommen angenommen, welche die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer der gewerblichen und Handelsbetriebe und der freien Berufe sowie der Heimarbeiter und der Hausgehilfen einerseits, der Arbeitnehmer der landwirtschaftlichen Betriebe andererseits für die Fälle der Invalidität, des Alters und des Ablebens betreffen.

Sie geht davon aus, dass diese Entwürfe von Übereinkommen das Mindestmass festsetzen, dein von Anfang an jede Pflichtversicherung für die Fälle der Invalidität, des Alters und des Ablebens gerecht werden soll.

Sie hält es für angezeigt, eine Beihe allgemeiner Grundsätze aufzustellen, die sich nach der Praxis für eine gerechte, wirksame und zweckmässige Gestaltung der Versicherung für die Fälle der Invalidität, des Alters und des Ablebens als die geeignetsten erwiesen haben.

Sie empfiehlt daher allen Mitgliedern, die folgenden Grundsätze und Begeln in Erwägung zu ziehen : I.

Anwendungsbereich.

1. a. Die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer für die Fälle der Invalidität, des Alters und des Ablebens soll ohne Unterschied des Alters, des Geschlechtes und der Staatsangehörigkeit alle Personen unifassen, die gewöhnlich Arbeit gegen Entlohnung verrichten.

b. Sofern die wirtschaftlichen, sozialen und verwaltungsniässigen Voraussetzungen es gestatten, soll die Gesetzgebung ausserdem die wirtschaftlich schwachen selbständig Erwerbstätigen in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft in die Versicherung für die Fälle der Invalidität, des Alters und des Ablebens einbeziehen.

2. Wird jedoch die Festsetzung eines Mindestalters für den Eintritt in die Versicherung als angezeigt erachtet, so soll diese Altersgrenze dem Alter der Schulentlassung und der Berufswahl möglichst naheliegen.

3. Die Festsetzung eines Höchstalters für den Eintritt in die Versicherung erscheint nur in Versicherungsordnungen gerechtfertigt, die den Bentenanspruch von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig machen, und für Arbeitnehmer,

795 die bei erstmaliger Aufnahme von entlohnter Arbeit zu alt sind, um vor Erreichung des gesetzlichen Rentenalters die Wartezeit erfüllen zu können.

4. Wird ausser der aus dem Wesen der Sozialversicherung notwendig folgenden Begrenzung des versicherten Arbeitsverdienstes auch noch die Festsetzung einer Verdiensthöchstgrenze für die Versicherungspflicht als angezeigt erachtet, so sollen aus diesem Grunde nur Arbeitnehmer für versicherungsi'rei erklärt werden, die wegen ihres den üblichen Lohnstand beträchtlich übersteigenden Arbeitsverdienstes als imstande gelten können, die Wagnisse der Invalidität, des Alters und des Ablebens aus eigener Kraft zu decken.

II.

Renten.

A. Wartezeit und Beitragszeiten.

5. In Versicherungsordnungen, die allen Bentnern eine feste Bente oder eine nach dem versicherten Arbeitsverdienst abgestufte Bente gewährleisten, soll die Wartezeit nicht länger sein als unbedingt notwendig, um Beitritten vorzubeugen, die nur zwecks Erlangung unbilliger Vorteile erfolgen, und um eine gewisse Gegenleistung für die zugesicherten Vorteile zu erreichen.

6. Die Wartezeit soll für Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten keinesfalls sechzig Beitragsrnonate oder zweihundertfünfzig Beitragswochen oder eintausendfünfhundert Beitragstage überschreiten, für Altersrenten nicht das Doppelte dieser Höchstdauer.

7. Zeiten, während deren die Versicherten infolge Krankheit arbeitsunfähig oder infolge Mutterschaft an der Arbeit behindert oder unfreiwillig arbeitslos sind, sollen für die Berechnung der Wartezeit in einem bestimmten Ausmasse mitzählen, selbst wenn für diese Zeiten keine Beiträge durch die Kranken- oder Mutterschaftsversicherung oder aus Mitteln der Arbeitslosenunterstützung entrichtet werden.

8. a. Versicherungsordnungcn, die der Aufrechterhaltung der Anwartschaft bestimmte zeitliche Grenzen ziehen, sollen die Anwartschaft mindestens achtzehn Monate seit der letzten Beitragszahlung wahren; für Versicherungsordnungen, welche die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abstufen, soll diese Frist länger sein und mindestens ein Drittel der seit dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung erworbenen Beitragszeiten betragen, wobei von dem Drittel die durch Beiträge nicht gedeckten Zeiträume abzuziehen sind. Bei der Bemessung der Frist werden nicht angerechnet Zeiten, während deren die Versicherten infolge Krankheit arbeitsunfähig oder infolge Mutterschaft an der Arbeit behindert sind sowie Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit oder militärischer Dienstleistung.

b. Die weitere Wahrung der Anwartschaften kann von der Wiederaufnahme der Beitragsentrichtung auf Grund der Versicherungspflicht oder freiwilligen

79K

Weiterversieherung oder von der Entrichtung einer massigen Anerkennungsgebühr abhängig gemacht werden; in Versicherungsordnungon, welche die Beiträge nach dem Arbeitsverdienst abstufen und die Eente abhängig von der Beitragszeit bemessen, soll die Wiederaufnahme der Beitragsentrichtung die Anwartschaft verbessern.

9. Erloschene Anwartschaften sollen wieder aufleben können, wenn der früher Versicherte eine bestimmte Zahl von Beiträgen auf Grund der Versicherungspflicht oder der freiwilligen Weiterversicherung entrichtet; sofern sich die Eente nach der Zahl oder nach der Höhe der dem Versicherten gutgeschriebenen Beiträge richtet, sollen die erforderlichen Beitragszeiten kürzer als die erste Wartezeit sein.

10. Die Beiträge zwecks Wahrung der Anwartschaft von Versicherten, die während längerer Zeit arbeitslos sind, sollen im Hinblick auf die Unmöglichkeit, damit ausschliesslich die in Arbeit stehenden Versicherten zu belasten, mit Hilfe öffentlicher Zuschüsse bestritten werden; gleiches soll für die Beiträge zwecks Festigung und Verbesserung der Anwartschaften dieser Arbeitslosen gelten.

B. Altersrente.

11. Für Versicherungsordnungen, die das Bentenalter höher als mit dem vollendeten sechzigsten Lebensjahr ansetzen, empfiehlt es sich sowohl zwecks Entlastung des Arbeitsmarktes als auch zur Verwirklichung des Anrechtes der Arbeitnehmer auf Altersruhe das Eentenalter, gegebenenfalls stufenweise," auf sechzig Jahre herabzusetzen, soweit die Zusammensetzung der Bevölkerung, die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Landes es gestatten.

12. Versicherte, die durch lange Jahre hin einen besonders schweren oder ungesunden Beruf ausgeübt haben, sollen früher als Arbeitnehmer anderer Berufe zum Eentenbezuge zugelassen werden.

18. a. Um den Arbeitnehmern ein von Entbehrungen freies Alter zu sichern, soll die Eente den wesentlichen Lebensbedarf decken. Daher soll die Eente, die jedem Versicherten nach Erfüllung der Wartezeit gewährleistet wird, unter angemessener Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten festgesetzt werden.

&. In Versicherungsordnungen mit Beiträgen, die nach dem Arbeitsverdienst abgestuft sind, sollen · Versicherte, deren Beitragszeit der durchschnittlichen Dauer der Berufsausübung eines Menschen entspricht, eine Eente erhalten, die ihrer sozialen Stellung während der Zeit
der Berufsausübung Eechnung trägt. Daher soll die Eente, die Versicherten nach dreissig Jahren tatsächlicher Beitragsleistung gewährleistet wird, nicht niedriger sein als die Hälfte des versicherten Arbeitsverdienstes, den der Versicherte seit dem Eintritt in die Versicherung oder während eines bestimmten, dem Anfalle der Eente unmittelbar vorangehenden Zeitraumes erlangt hat.

797

14. Dem Beniner soll ein Zuschuss gewährt werden : a, für jedes von ihm erhaltene Kind, das schulpflichtig ist oder das weniger als siebzehn Jahre alt und noch in allgemeiner oder beruflicher Ausbildung begriffen ist oder das sich infolge von Gebrechen nicht selbst zu erhalten vermag; 6. wenn seine Ehefrau alt oder gebrechlich und nicht aus diesem Grunde selbst rentenberechtigt ist, 15. Eentner, die ständig fremder Wartung bedürfen, sollen einen Hilflosenzuschuss erhalten.

C. Invalidenrente, 16. a. Eente soll dem Versicherten zustehen, der infolge Krankheit oder Gebrechens ausserstande ist, durch eine seinen Kräften und Fähigkeiten und seiner Ausbildung entsprechende Arbeit einen beachtlichen Verdienst zu erlangen; als beachtlich kann ein Verdienst nicht gelten, der ein Drittel dessen nicht erreicht, was gesunde Arbeitnehmer mit gleicher Ausbildung und in gleicher Lage zu verdienen pflegen.

1). Jedoch soll in Sonderversicherungen, die für Arbeiter oder Angestellte bestimmter Berufe bestehen, die Verminderung der Arbeitsfähigkeit ausschliesslich unter Berücksichtigung des bisher ausgeübten oder eines ähnlichen Berufes bewertet werden.

17. a. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, soll die Versicherung jedem nach Erfüllung der Wartezeit invalide werdenden Versicherten eine den wesentlichen Lebensbedarf deckende Bente gewährleisten. Daher soll die jedem Versicherten gewährleistete Mindestrente unter angemessener Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten festgesetzt werden.

b. In Versicherungsordnungen, welche die gewährleistete Mindestrente nach dem versicherten Arbeitsverdienste festsetzen, soll sie wenigstens 40 v. H.

dieses Arbeitsverdienstes betragen. Dasselbe Ergebnis sollen Versicherungsordnungen anstreben, in denen die Bente aus einem festen und für alle Versicherten gleichen Betrag und einem nach Zahl und Höhe der entrichteten Beiträge bemessenen Steigerungsbetrage zusammengesetzt ist.

18. Dem Bentner soll ein Zuschuss gewährt werden für jedes von ihm erhaltene Kind, das noch schulpflichtig ist oder das weniger als siebzehn Jahre alt und noch in allgemeiner oder beruflicher Ausbildung begriffen ist oder das sich infolge von Gebrechen nicht selbst zu erhalten vermag.

19. Bentner, die ständig fremder Wartung bedürfen, sollen einen Hilflosenzuschuss erhalten.

D. Hinterbliebenenrenten.

20 a. Die Witwe eines Bentners oder eines nach Erfüllung der Wartezeit verstorbenen Versicherten soll, solange sie sich nicht wieder verheiratet, Bente erhalten.

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b. Wird jedoch die Zuerkennung der Eente noch von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht, so soll die Beute jedenfalls Witwen zustehen, die sich wegen Alters oder Invalidität nicht selbst erhalten können, und solchen, die für ein Kind zu sorgen haben, das noch schulpflichtig igt oder das weniger als siebzehn Jahre alt und noch in allgemeiner oder beruflicher Ausbildungbegriffen ist.

21. Eente soll ferner dem invaliden Witwer zustehen, wenn er wegen der Invalidität von einer Versicherten erhalten worden war, die nach Erfüllung der Wartezeit verstorben ist.

22 a. Die Rente soll der Witwe oder dem invaliden Witwer einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfes bieten. Auf welche Art immer die Eente festgesetzt werden mag, soll ihr Mindestbetrag unter angemessener Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten Gemessen werden.

b. In Versicherungsordnungen mit Beiträgen, die nach dem Arbeitsverdienste des verstorbenen Versicherten abgestuft sind, soll die Witwenrente oder die Eente des invaliden Witwers nicht niedriger sein als die Hälfte der Invalidenrente oder der Altersrente, auf die der Verstorbene im Zeitpunkte seines Ablebens Anspruch oder Anwartschaft hatte. Werden aber in den bezeichneten Versicherungsordnungen die Hinterbliebenenrenten unabhängig von der Höhe der Eerite festgesetzt, auf die der verstorbene Versicherte Anspruch oder Anwartschaft hatte, so soll die Witwenrente oder die Eente des invaliden Witwers nicht niedriger sein als 20 v. H. des versicherten Arbeitsverdienstes, den der verstorbene Versicherte seit seinem Eintritt in die Versicherung oder während eines bestimmten, seinem Ableben unmittelbar vorausgehenden Zeitraumes erlangt hatte.

23 a. Jedem schulpflichtigen Kinde, das von dem Bentner oder von dem nach der Erfüllung der Wartezeit verstorbenen Versicherten erhalten worden war, soll Waisenrente zustehen. Die Eente soll bis zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahres gewährt werden, wenn das Kind noch in allgemeiner oder beruflicher Ausbildung steht, und über dieses Alter noch hinaus, wenn das Kind infolge von Gebrechen ausserstande ist, sich selbst zu erhalten.

b. Die Waisenrente kann in der Form eines Zuschusses zur Witwenrente geleistet werden.

24 a. Die jeder Waise gewährleistete Mindestrente soll einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt und zu
den Kosten der Erziehimg der Waise bieten.

Doppelwaisen soll eine erhöhte Mindestrente zustehen.

b. In Versicherungsordnungen mit Beiträgen, die nach dem Arbeitsverdienste des verstorbenen Versicherten abgestuft sind, soll die Waisenrente nicht niedriger als ein Viertel, die Eente für Doppelwaisen nicht niedriger als die Hälfte der Eente sein, auf die der Versicherte im Zeitpunkte seines Ablebens Anspruch oder Anwartschaft hatte. Werden aber in den bezeichneten

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Versicherungsordnungen die Hinterbliebenenrenten unabhängig von der Höhe der Eente festgesetzt, auf die der verstorbene Versicherte Anspruch oder Anwartschaft hatte, so soll die Waisenrente nicht niedriger sein als 10 v. H., die Eente für Doppelwaisen nicht niedriger als 20 v. H. des versicherten Arbeitsverdienstes, den der verstorbene Versicherte seit seinem Eintritt in die Versicherung oder während eines bestimmten, seinem Ableben unmittelbar vorangehenden Zeitraumes erlangt hatte.

.

25. Wird die Festsetzung einer Höchstgrenze für den Gesamtbetrag der Renten der Hinterbliebenen eines Verstorbenen für angezeigt erachtet, so soll diese Grenze nicht niedriger angesetzt werden als die Eente einschliesslich der Familienzuschüsse, auf die der Verstorbene Anspruch oder Anwartschaft hatte, falls die Hinterbliebenenrente nach der Eente des Verstorbenen bemessen werden, und nicht niedriger als die Hälfte des versicherten ^Arbeitsverdienstes des Verstorbenen, falls die Hinterbliebenenrenten nach diesem Arbeitsverdienste bemessen werden.

26. Hinterbliebene, denen mangels Erfüllung der Voraussetzungen für den Eentenanspruch eine Eente nicht zusteht, sollen, sofern dem verstorbenen Versicherten eine Mindestzahl von Beiträgen gutgeschrieben worden ist, eine Abfindung erhalten, die ihnen die Anpassung an die durch das Ableben des Famüienhauptes geschaffene Lage ermöglicht.

27. In Ländern, in denen die Beerdigungskosten nicht nach Gepflogenheit oder Gesetz durch eine andere Versicherung, insbesondere durch die Krankenversicherung, gedeckt werden, soll die Versicherung für den Eall des Ablebens des Versicherten ein angemessenes Beerdigungsgeld gewähren.

E. Euhen und Kürzung.

28. Wenn vorgesehen ist, dass Invaliden-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten beim Zusammentreffen mit Eenten aus anderen Zweigen der Sozialversicherung, Euhegeldern oder Entschädigungen aus Anlass eines Betriebsunfalles oder einer Berufskrankheit ruhen oder gekürzt werden, so sollen die Euhens- und Kürzungsvorschriften dem Eentner den ungeschmälerten Bezug der höheren Eente gewährleisten; jedenfalls soll aber der Teil der Invaliden-, Alters- oder Hinterbliebenenrente gewährt werden, der den eigenen Beiträgen des Versicherten entspricht.

29. Euht eine Invaliden- oder Altersrente aus anderen Gründen als wegen Zusammentreffens mit sonstigen Eenten, so soll der Familie des Eentenberechtigten ein Unterhaltsbeitrag- irn Ausmasse der Eente oder eines Teiles der Eente gewährt werden.

III.

Aufbrintjung der Mittel.

80 a. Die Mittel der Versicherung sollen durch Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber aufgebracht werden.

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6. Der Staat soll der Versicherung Zuschüsse leisten.

31. Der Beitrag des Versicherten soll grundsätzlich nicht höher sein als der Beitrag seines Arbeitgebers.

32. Der Arbeitgeber soll vollständig oder zum grösseren Teile den Gesamtbeitrag für Arbeitnehmer tragen, die keinen Barlohn erhalten, sowie für Heimarbeiter und Lehrlinge, deren Lohn eine bestimmte Grenze nicht übersteigt.

88. Für Zeiten militärischer Dienstleistung auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht soll, wenn die Beteiligten vor Antritt der militärischen Dienstleistung versichert waren, der Staat die Beiträge übernehmen.

IV.

* Verwaltung.

84, Die Gesetzgebung soll eine angemessene Vertretung der weiblichen Versicherten in den Verwaltungskörpern der Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung vorsehen.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die siebzehnte Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz. (Vom 29.Juni 1934.)

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