# S T # N o 2 4

m

Bundesblatt

86. Jahrgang.

Bern, den 13. Juni 1934.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, la Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebührs : 5 0 Happen d i e Petitzeile oder deren Raum. --Inseratee franko

# S T #

313

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zugunsten des Schuhmachergewerbes.

(Vom 4 Juni 1934.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Hiemit unterbreiten wir Ihnen eine Botschaft und den Entwurf eines dringliehen Bundesbeschlusses über Massnahmen zum Schutz des notleidenden Schuhmacherhandwerkes.

A. Erster Teil: Bei den Bundesbehörden eingegangene Vernehmlassungen I. Begehren der schweizerischen Schuhmachermeister.

Schon in unserer Botschaft vom 5. September 1933 über Warenhäuser und Einheitspreisgeschäfte haben wir mitgeteilt, dass der Schweizerische Schuhmachermeisterverband den Bundesbehörden mit Schreiben vom 14. Juli 1938 eine Eesolution seiner Generalversammlung vom 2./3. Juli letzten Jahres eingereicht habe (Bundesbl. 1933, II, S. 146). Jene Eesolution hatte folgenden Wortlaut: «Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband ersucht um behördlichen und gesetzlichen Schutz des Schuhmacherhandwerks vor den Be drohungen seiner Existenz durch 1. die mechanischen, fabrikmässigen Schuhreparaturbetriebe, die z. T.

mit ausländischem Kapital gegründet, meistens von Nichtfachleuten geleitet werden, 2. Schuhmagazine, Fabrikfilialen, Konsum- und Lebensmittelgeschäfte, die Schuhreparaturen annehmen und diese meistens in den oben erwähnten Betrieben ausführen lassen, S. das hausiermässige Einsammeln von Schuhreparaturen.

Bundesblatt, 86. Jahrg. Bd. n.

28

410 Diese Unternehmungen sind mangels fachmännischer Kenntnisse nicht in der Lage, eine sorgfältige und gute Arbeit zu leisten, und entsprechen, auch absolut keinem Bedürfnisse. Durch die systematische Unterbietung der Preise (auf Kosten der Qualität) entziehen sie dem gelernten Handwerker die ihm zum Lebensunterhalt notwendige Arbeit.

Das schweizerische Schuhmacherhandwerk, das mit gegen 12,000 berufstätigen Personen in ca. 8000 selbständigen Betrieben 40 bis 45 tausend Angehörige zu ernähren hat, ist durch diese Unternehmungen in schwere Not gedrängt worden.

Um das Schuhmachergewerbe vor dem Ruin zu schützen, fordern wir ein Verbot für Neugründungen fabrikmässiger Schuhreparaturbetriebe und Aufhebung der Filialen und Ablagen der bestehenden Betriebe, ein Verbot der Annahme von Schuhreparaturen in jederart Geschäften ohne eigene Reparaturwerkstatt und durch Schuhfabrikfilialgeschäfte, ein Verbot gegen das Hausieren mit Schuhreparaturen.

Wir erhoffen dringend baldige Hilfe durch behördliche Massnahmen, um der weitergreifenden Schädigung des Handwerks durch die berufsfremden Unternehmungen Einhalt zu tun.» Auf diese Begehren des Spitzenverbandes Schweizerischer Schuhmachermeister sind wir seinerzeit nicht sofort eingetreten, einerseits, weil sie der besonderen Abklärung bedürftig erschienen, und andererseits, weil aus den meisten der im letzten Jahre bei uns eingegangenen Eingaben und Vernehmlassungen sowie aus den im Parlament gestellten Anträgen hervorging, dass diesen Forderungen nicht die gleiche Dringlichkeit beizumessen war wie den Postulaten zum Schütze des Detailhandels, die wir in erster Linie der Verwirklichung entgegenführen mussten.

Immerhin brachte der Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1988 über Warenhäuser usf., in Verbindung mit der Verordnung I vom 28. November 1988, dem Schuhmacherhandwerk doch eine gewisse Erleichterung. Auf Grund dieser Erlasse ist die Eröffnung neuer Filialen von Grossunternehmungen des Schuhdetailhandels und ihre Erweiterung dem Bewilligungszwang unterstellt, und, da mit der Eröffnung von Schuhgeschäften in der Regel auch eine Annahmestelle für Schuhreparaturen verbunden ist, gelten die Bundesvorschriften indirekt auch für solche. Auch die Erweiterung bestehender Schuhfilialgeschäfte durch Angliederung von Schuhreparaturwerkstätten ist gemäss den genannten
Erlassen bewilligungspflichtig.

Inzwischen wurde die Angelegenheit neuerdings wieder aufgegriffen. Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich übermittelte mit Schreiben vom 11. September und 5. Oktober 1938 eine ähnliche Entschliessung der Schühmaeherineister von Winterthur und Umgebung an das eidgenössische Volksmrtschaftsdeparteinent und empfahl die Prüfung von Schutzmassnahmen. Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband und der Schweizerische L e d e r h ä n d l e r v e r b a n d wandten sich

_J

411

gemeinsam in einer ausführlichen Eingabe vom 16. Oktober an das Departement.

Diese Vernehmlassung, die sich einlässlich über die Grossohlereien ausspricht, schliesst mit dem Gesuch, es möchten gestützt auf Art. 34 der Bundesverfassung durch eine Notverordnung des Bundesrates oder durch einen neuen Bundesbeschluss Massnahmen zum Schütze der handwerklichen Schuhreparaturbetriebe getroffen werden.

In einer Besprechung, welche das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit am 9, November des letzten Jahres mit den Interessenten abhielt, zeigte sich, dass in den Kreisen der Betroffenen selbst über die Massnahmen, welche von Seiten des Bundes ergriffen werden sollten, nicht volle Klarheit bestand. Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband wurde daher ersucht, seine Postulate noch einmal zu prüfen und schriftlich einzureichen.

In der schriftlichen Vernehmlassung des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes, die vom 15. Januar datiert ist, wurden folgende Postulate aufgestellt : 1. Liquidation der Bata-Eeparaturwerkstätten binnen längstens 6 Monaten; 2. Verbot der Errichtung von Beparaturwerkstätten durch Schuhfabriken, Gerbereien und Lederhandlungen; 3. Einschränkung der Zahl der Filialen und Annahmestellen von mechanischen Besohlanstalten auf höchstens 2; 4. Verbot der Errichtung von Schuhreparaturwerkstätten durch Personen, die das Schuhmacherhandwerk nicht erlernt haben.

Die von Fabrikniederlagen, Versandgeschäften oder Warenhäusern entgegengenommenen Eeparaturen sollen dem Kleingewerbe zugeführt werden nach einem mit dem Schweizerischen Schuhmachermeisterverband vereinbarten Tarif; 5. Verbot der Annahme von Schuhreparaturen in Lebensmittelgeschäften und Zigarrenhandlungen, gestützt auf Art. 11, 14 und 15 der Verordnung vom 23. Februar 1926 betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.

In einer spätem Konferenz mit dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit wurde von Seiten des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes noch betont, dass es dem Verband hauptsächlich daran liege, dem Handwerk in zweckdienlicher Form wirksam zu helfen. Dabei wolle man nicht starr an einem oder dem andern der Postulate festhalten, sondern die beste Lösung suchen.

Die gleichen Postulate sind im Laufe des vergangenen Winters auch zum Gegenstand von Eesolutionen und Petitionen in
mehreren kantonalen Sektionen des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes erhoben worden. Diese wurden teilweise direkt, teilweise durch Vermittlung kantonaler Kegierungen und Departeinente an den Bundesrat weitergeleitet. Ausser der schon oben erwähnten Entschliessung des Schuhmachermeistervereins von Winterthur und Umgebung vom 10. September 1933 gingen ein :

412 eine ^Resolution des kantonalen Schuhmachermeistervereins S c h a f f hansen vom 22. September 1988; eine Eesolution des Schuhmachermeisterverbandes der Kantone St. Gallen und Appenzell vom 19. November 1933; eine Eesolution des kantonalen a a r gauische n Schuhmachermeisterverbandes vom 8. Dezember 1988; eine mit über 200 Einzelunterschriften versehene Petition der Sektion Genf des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes vom 29. Januar 1984; eine von ebenfalls über 200 Schuhmachermeistern unterzeichnete Petition der kantonal-neuenburgischen Vereinigung von Schuhmachermeistern vom 19. Februar 1984 und eine Eingabe der Schuhmachermeistervereinigung von Locamo und Umgebung vom 5. März 1934.

Alle diese Eesolutionen decken sich in bezug auf die Postulate mit denjenigen des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes. Die Genfer und Neuenburger Schuhmacher fordern darüber hinaus eine allgemeine staatliche Preisregulierung, der kantonale Verband von Schaffhausen weist überdies auf die unerfreuliche Konkurrenz in den eigenen Beihen der Schuhmacher hin, von denen einige durch Lehrlingszüchterei und Preisunterbietung das Gewerbe stark schädigten.

II. Die Darlegungen des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes und seiner Sektionen in bezug auf den Geschäftsgang.

In den verschiedenen sub I erwähnten Eingaben und Eesolutionen wird die Notlage der schweizerischen Schuhmacher und ihre Ursachen mehrfach dargelegt. Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband hat überdies eine grössere Zahl von Vernehmlassungen seiner Sektionen eingereicht, bei welchen er im Januar 1934 eine Umfrage über die Geschäftslage veranstaltet hat. Es wird mitgeteilt, dass besonders in Städten und grosseren Industrieorten, wo sich die Wirtschaftskrisis und die Konkurrenz der Gross- und Schnellsohlereien besonders stark auswirken, gewisse Meister wöchentlich nur noch zwei oder drei Tage arbeiten und einen Verdienst von nur Fr. 40--60 zu verzeichnen haben.

Im übrigen sind die Angaben nach den Landesgegenden sehr verschieden. In Genf wird ein Umsatzrückgang von 47--70 %, in Vevey ein solcher bis 50 %, in Montreux bis 70 % verzeichnet. In der deutschen Schweiz gibt es ebenfalls Gebiete (Innerschweiz, Baselland, Kanton Bern), welche.von einem Verdienstrückgang bis zu 40, 50, 60 % und darüber sprechen. Dabei ist allerdings zu
berücksichtigen, dass die Preise für Schuhreparaturen gesunken sind und dass auch dieser Preisrückgang auf die Umsatzziffer einwirkt. An einzelnen Orten wird die Lage als trostlos bezeichnet. Das kantonal-bernische Gewerbesekretariat schätzt das durchschnittliche Beineinkommen eines Schuhmachermeisters

413 auf Fr. 3000 und bemerkt dazu, dass das Schuhniacherhaudwerk auf niedrigstem Niveau angelangt sei und dem Untergang entgegengehe, wenn ihm keine Hilfe zuteil werden könne. Nach diesen Vernehmlassimgen geht der Umsatzrückgang nicht allenthalben parallel mit der Eröffnung von Schnellsohlereien oder deren Annahmestellen. Immerhin ist bemerkenswert, dass diejenigen Gebiete, aus denen ein Umsatzrückgang von nur 20 % gemeldet wird, der sich zum grössten Teil durch den Preisabbau erklären lässt, keine Grosssohlereien und Annahmestellen von solchen zu verzeichnen haben.

Aus den Darlegungen der kantonalen Schuhmachermeisterverbände scheint hervorzugehen, dass die missliche Lage vieler Schuhmacherhandwerker ausser auf die Schnellsohlereien auch auf die Krisis im allgemeinen, auf den Preisrückgang der fertigen Schuhe, auf die Konkurrenz der Konsumgenossenschaften und auf das Einsammeln von reparaturbedürftigen Schuhen von Haus zu Haus zurückzuführen ist.

Über diese Krisenursachen und über die allgemeine Situation des schweizerischen Schuhmacherhandwerkes orientiert auch eine ausführliche Eingabe des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes an die Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 24. Oktober 1933. Diese ausführliche Darlegung der Verhältnisse vom Standpunkte der schweizerischen Schuhmachermeister geben wir als Beilage l zu dieser Botschaft vollinhaltlich wieder. Auch in dieser Eingabe wird hervorgehoben, dass neben der Entstehung von Grossohlereien, die keinem Bedürfnis entsprechen und deren niedrige Preise zum Teil weit unter den Selbstkosten stehen, die ein Schuhmacherhandwerker zu verrechnen hat, noch andere Krisenursachen zu verzeichnen seien. Infolge des Rückganges der Schuhindustrie und einer übertriebenen Lehrlingsausbildung hat ein starker Zustrom von Personen zum Beruf eingesetzt, welche, sofern sie keine Stelle fanden, häufig eigene Geschäfte eröffneten. Die Eingabe betont, dass auch die Preissenkung der neuen Schuhe einen wesentlichen Einfluss auf den Kückgang der Aufträge für Schuhreparaturen ausgeübt hat, nennt diese Ursache aber nur an letzter Stelle.

III. Vernehmlassungen zu den Postulaten des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes.

1. Annahme von Sehuhreparaturen in Lebensmittelgeschäften.

Punkt 5 der Forderungen des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes geht dahin, auf Grund der eidgenössischen Lebensmittelverordnung vom 28. Februar 1926 die Annahme von Schuhreparaturen in Lebensmittelgeschäften und Zigarrenhandlungen zu verbieten. Das eidgenössische Gesundheitsamt hat diese Frage geprüft und ist zum Schlüsse gekommen, dass die Lebensmittelverordnung nicht die Grundlage für eine derartige Massnahme bilden könne. Die Eingabe des Schuhmachermeisterverbandes beruft sich auf die Art. 11, 14 und 15 der Verordnung. Diese Artikel lauten:

414 «Art. li.

Bei der Herstellung, Gewinnung, Behandlung, Zubereitung, Aufbewahrung, Verpackung, dem Transport und dem Verkauf von Lebensrnitteln ist grösste Reinlichkeit zu beobachten.

Art. 14.

Die Gefässe, Apparate, Werkzeuge, das Packmaterial usw., welche bei der Herstellung, Aufbewahrung, dem Transport und Verkauf von Lebensmitteln und bei der Zubereitung von Speisen und Getränken verwendet werden, müssen rem und in gutem Zustande gehalten werden.

2 Für den gleichen Zweck dienende Bäume müssen hinsichtlich Grosse, Einrichtung, Beleuchtung, Lüftung, Ordnung und Beinhaltung, sowie Abtrennung gegen andere Eäumlichkeiten den nötigen Anforderungen entsprechen.

3 Die Gesundheitsbehörden können die Verwendung solcher Bäume zu anderen Zwecken, wie z. B. als Wohn-, Schlaf- oder Waschräume, verbieten.

Art. 15.

Waren, die empfindliche Lebensmittel, wie Milch, Butter, Mehl, Brot, Käse usw. ungünstig beeinflussen können, dürfen nicht mit diesen zusammen im gleichen Lokal aufbewahrt werden, es sei denn, dass durch eine genügende Abtrennung die Beeinträchtigung vermieden wird.» Das eidgenössische Gesundheitsamt bemerkt dazu in einem Schreiben vom 26. Januar an das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit folgendes ; «Es muss wohl ohne weiteres zugegeben werden, dass die Annahme von reparaturbedürftigen Schuhen und deren zeitweise Lagerung in Geschäften der oben bezeichneten Art nicht erwünscht ist. Ein förmliches Verbot lässt sich unseres Erachtens aber weder aus den angezogenen Verordnungsartikeln noch aus allgemein hygienischen Gründen ableiten. Was vorgeschrieben werden kann und was wir den Organen der Lebensmittelkontrolle unverzüglich vorschreiben werden ist, dass zur Beparatur bestimmte Schuhe in Lebensmittelgeschäften irgendwelcher Art und in Zigarrengeschäften nur in sauberer, dichter und haltbarer Verpackung angenommen werden dürfen und dass die Aufbewahrung z. B. in gut verschliessbaren Kisten abseits von andern Waren und womöglich in Nebenräumen zu erfolgen hat.» Das Gesundheitsamt hat dann am 26. Januar dieses Jahres an die kantonalen Aufsichtsbehörden über die Durchführung der Lebensmittelkontrolle ein Kreisschreiben in obigem Sinne erlassen und dabei ersucht; die Inhaber der in Frage kommenden Geschäfte auf diese Vorschriften neuerdings aufmerksam zu machen.

In bezug auf diese Frage hat übrigens der Schweizerische Spezereih ä n d l e r v e r b a n d dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit die 1

415 Mitteilung zukommen lassen (Vernehmlassung vom 16. März 1934), dass ein Verbot der Annahme von Schuhreparaturen in Lebensmittelhandlungen zu begrüssen wäre. Er betrachte eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen Gewerbe und Handel als durchaus notwendig und geboten.

2. Stellungnahme der Kantonsregierungen.

Mit einem Kreisschreiben vom 29. Januar 1934 hat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Kantonsregierungen von den Begehren der schweizerischen Schuhmachermeister benachrichtigt und sie ersucht, insbesondere zu den ersten vier Punkten der Postulate des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes vom 15. Januar 1934 Stellung zu beziehen.

IQ Beantwortung dieser Umfrage haben 14 Kantone sich ohne Vorbehalt für Schutzmassnahmen des Bundes zugunsten der Schuhmachermeister ausgesprochen. 5 Kantone haben darauf verzichtet, zu den Postulaten Stellung zu beziehen. In diesen Kantonen scheinen bisher wenige oder keine Schnellsohlereien zu bestehen und die ansässigen Handwerker auch nicht von Annahmestellen ausserkantonaler Betriebe bedrängt zu werden. Aus 2 Kantonen ist keine Antwort eingelangt, und es darf vermutet werden, dass in diesen beiden Kantonen ähnliche Verhältnisse herrschen, l Kanton hat seine Zustimmung nur unter der Bedingung einer vorgängigen Verfassungsrevision gegeben.

Die antwortende Instanz führt aus, dass sie es im Interesse der Bechtssicherheit und des Vertrauens der Bürger in die Behörden für notwendig erachte, dass vor allen Massnahmen, welche die Handels- und Gewerbefreiheit einschränken, ein Vorbehalt zu Art. 31 in die Bundesverfassung aufgenommen werde. 8 Kantone haben sich gegen Massnahmen des Bundes zum Schütze des Schuhmacherhandwerkes ausgesprochen. Von diesen verweist einer auf den Weg der Gesetzgebung über den unerlaubten Wettbewerb. Die beiden andern ablehnenden Kantone begründen ihre Stellungnahme damit, dass der Krisis im Schuhmacherhandwerk durch Massnahmen zur Einschränkung der Grosssohlereien nicht abgeholfen werden könne, da diese .auf zahlreiche andere Ursachen zurückzuführen sei. Auch betonen sie, dass eine Verbilh'gung der Schuhreparaturen unbedingt erwünscht sei, 3. Vernehmlassungen der schweizerischen Verbände.

Das an die Kantone gerichtete Kreisschreiben vom 29. Januar 1934 ist auch einer Anzahl interessierter schweizerischer Wirtschaftsverbände, darunter auch den Vertretungen der Konsumentenschaft (Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Schweizerischer Städteverband und Verband Schweizerischer Konsamvereine) zur Vernehmlassung zugestellt worden.

Der Verband Schweizerischer Schuhhändler (Eingabe vom 19. Februar
1984), der Schweizerische L e d e r h ä n d l e r v e r b a n d (Eingabe vom 15. Februar 1984) und der Verband Schweizerischer Gerbereibesitzer (Eingabe vom 23. Februar 1984) sind durchwegs der Auffassung, dass den

416 Begehren des Schuhmachermeisterverband.es in weitgehendem Masse entsprochen werden könne.

Der Schweizerische Gewerbeverband (Eingabe vom 9. März 1984) ist ebenfalls für Massnahmen zur Einschränkung der Neueröffnung und Erweiterung von Schuhreparaturgeschäften. In bezug auf die Bâta AG-. teilt er die Auffassung des Schuhmachermeisterverbandes, wonach die bereits bestehenden Werkstätten dieser Firma geschlossen werden sollten.

Der Gewerbeverband wirft in seiner Vernehmlassung die grundsätzliche Frage auf, ob derartige Massnahmen wirklich für jeden einzelnen Berufszweig durch Beschluss der Bundesversammlung getroffen werden müssten. Bei der Schwerfälligkeit unseres Gesetzgebungsapparates kommen sie so oft erst spät zur Auswirkung. Auch wäre es vorzuziehen, wenn die unbefriedigenden Verhältnisse durch die Beteiligten selbst verbessert würden. Gerade im Schuhmachergewerbe Hessen sich zwischen Schuhfabriken, Schuhhahdel und Schuhmachern Vereinbarungen aufstellen, die den Begehren der Schuhmacher Beobnung tragen könnten. Diese Lösung sei jedoch nur möglich, wenn die getroffenen Vereinbarungen von Seiten der Behörden allgemeinverbindlich erklärt würden. Wenn der Verband daher die Frage nach der Notwendigkeit von Schutzmassnahmen für das Schuhmachergewerbe unbedingt bejahe, so schiene es ihm doch zweckmässiger, einen allgemeinen Bundesbeschluss vorzubereiten, der die Möglichkeit schaffen würde, in verschiedenen Wirtschaftszweigen derartige Vereinbarungen der Verbände verbindlich erklären zu können. Eine ähnliche Stellungnahme bezieht die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände in einer Vernehmlassung vom 9, April 1934. Sie ist der Auffassung, dass Unternehmerverbände und Arbeitnehmerorganisationen gemeinsam versuchen sollten, zum Bechten zu sehen und dass ihren Beschlüssen durch die Schaffung eines «Berufsverbandsgesetzes» der nötige Nachdruck verliehen werden sollte.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund ist der Meinung (Vernehmlassung vom 19. Februar), dass durch direkte Fühlungnahme der Interessenten versucht werden sollte, eine Eegelung verschiedener Missstände im Gewerbe zu beseitigen. Der Gewerkschaftsbund hält die Vorschläge des Schuhniachcrmeisterverbandes nicht für richtig. Nicht die Grosssohlereien seien es, denen die Schuld an der Krisis in der Hauptsache zugeschrieben werden
müsse. Die allgemeine Wirtschaftskrisis, die Konkurrenz der Schuhmacher unter sich selbst, die Übersetzung des Gewerbes und die Fabrikation sehr billiger Schuhwaren hätten zur Verschlechterung der Lage wesentlich beigetragen. Der Gewerkschaftsbund hält folgende Massnahmen für richtig: 1. die Schaffung geregelter Arbeitsbedingungen im ganzen Gewerbe; 2. Verständigung unter den Interessenten über Arbeitsteilung und über Preise, die für den Produzenten und die Konsumenten annehmbar sein müssten ; S. eine straffe Begelung des Lehrlingswesens nach den Bedürfnissen des Berufs und der Volkswirtschaft;

417

4. behördliche Unterstützung für diejenigen Schuhmacher, welche infolge der rationelleren Arbeitsmethoden verdienstlos werden und sich auf andern Erwerb umstellen müssen.

Sollten Einschränkungen von Betriebseröffnung und Erweiterung vorgenommen werden, so seien die gewerblichen Kleinbetriebe einzubeziehen.

Gegen die vorgeschlagenen Schutzmassnahmen hat sich der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins in seiner Vernehmlassung vom 8. März 1934 ausgesprochen, und zwar einerseits aus verfassungsmässigen Gründen, die er schon beim Erlass des Bundesbeschlusses über Warenhäuser usf. geltend gemacht hat, andererseits aber auch, weil die Ursachen für den Niedergang des Schuhmacherhandwerks nicht bei den mechanischen Grosssohlereien liegen, die man einzuschränken gedenke.

Der Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (Eingabe vom 1. Februar 1934) verzichtet seinerseits auf eine direkte Stellungnahme, da der ihm angeschlossene Verband Schweizerischer Schuhindustrieller sich direkt äussern werde. Er macht jedoch auf den immer noch sehr hohen Preisstand der Schuhreparaturen aufmerksam und verlangt, dass auf alle Fälle vermieden werde, durch staatliche Massnahmen dieser unbedingt notwendigen Verbilligung entgegenzuwirken.

Der Verband Schweizerischer Schuhindustrieller (Eingabe vom S. April 1934) steht dem Begehren des Schuhrnacherhandwerkes an und für sich sympathisch gegenüber, wobei er sich allerdings bewusst ist, dass die gesetzgeberischen und verfassungsmässigen Voraussetzungen für die Erfüllung verschiedener Postulate zurzeit fehlen. Auch weist er darauf hin, dass gegenüber gewissen Neuerungen der Technik und der Arbeitsmethoden nicht starr am Althergebrachten festgehalten werden könne. Im übrigen hat dieser Verband ausdrücklich die Erklärung abgegeben, dass die ihm angeschlossenen schweizerischen Schuhfabriken keine Eeparaturbetriebe (Grosssohlereien) einrichten werden.

Der Verband Schweizerischer Konsumvereine (Eingabe vom 15. Februar 1934), dessen Mitgliedsgenossenschaften zum Teil Beparaturwerkstätten betreiben und in ihren Verkaufsgeschäften Eeparaturaufträge entgegennehmen, glaubt nicht, dass die vom Schuhmachermeisterverband verlangten Massnahmen eine Besserung der Verhältnisse herbeiführen könnten. Die Ursachen für die Missstände lägen viel tiefer als in der
Entstehung der Grossund Schnellsohlereien. Die Eingabe befasst sich eingehend mit diesen Krisenursachen und sieht sie vornehmlich im Sinken der Schuhpreise bei mangelnder Anpassung der Schuhreparaturpreise, der Verwendung von Lederersatzstoffen (Gummi) für Sohlen und Absätze, der Ausbildung eines Überflusses an Lehrlingen usf. Er bezweifelt ferner die gesetzliche Zulässigkeit der vom Schuhmaohermeisterverband gewünschten Massnahmen und befürwortet eine Umstellung des Gewerbes durch die Schaffung von Einkaufsorganisationen.

Endlich hat sich der Schweizerische Städtevorband (Eingabe vom 1. März 1984) gegen die geplanten Massnahmen ausgesprochen, ebenfalls weil

418 er von ihnen keine wirksame Hilfe für das bedrohte Schuhmacherhandwerk erwartet und weil er fürchtet, dass der weniger bemittelten Bevölkerung die billigen Beparaturgelegenheiten entzogen würden.

B. Zweiter Teil: Die Notlage des Handwerks und seine Ursachen.

IV. Zur Lage des schweizerischen Schuhmachergewerbes.

Keine der zahlreichen Vernehmlassungen. die bei der Bundesverwaltung eingegangen sind, hat bestritten, dass im Schuhmachergewerbe zurzeit eine erhebliche Not, verursacht durch den Rückgang der Arbeitsauftrage, entstanden ist. Ein klares und zuverlässiges Bild über die Verhältnisse könnte allerdings nur durch eine eingehende und in der ganzen Schweiz nach gleichen Grundsätzen durchgeführte Erhebung gewonnen werden, die jedoch überflüssig sein dürfte, da Zweifel über die wirtschaftliche Situation der Schuhmacher nicht geäussert worden sind.

Die Krisis im Gewerbe findet einen Niederschlag in der Zunahme der Zahl der Stellenlosen. Die Statistik des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (vgl. Beilage 2) über die bei den Arbeitsämtern eingeschriebenen Stellensuchenden weist ein merkliches Ansteigen der stelleiisuchenden Schuhmacher seit dem Jahre 1980 auf. Im Durchschnitt der Stichtagszählungen stieg die Zahl der Stellensuchenden von 29 im Jahre 1980 auf 143 im Jahr 1933. Ende April 1934 verzeichneten die Arbeitsämter 148 Stellensuchende gegenüber 15 im gleichen Zeitpunkt des Jahres 1930. Im Januar 1934 waren es 328 gegenüber 39 im Januar 1930.

Verglichen mit andern Gewerben liegt der Grad der Arbeitslosigkeit allerdings um l,a Punkte unter dem Durchschnitt. Von 100 unselbständig Erwerbenden waren im Jahresdurchschnitt 1988 bei den Schuhmachern 3,9, bei sämtlichen Stellensuchenden aller Berufsgruppen hingegen 5rl gänzlich arbeitslos. Dies dürfte jedoch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass es sich im Schuhinachergewerbe in der Hauptsache um Klein- und Zwergbetriebe handelt. Die Betriebszählung 1929 hat in 7611 von den total 7885 erfassten Eeparaturbetrieben für Schuhe 3 oder weniger Beschäftigte festgestellt. Nur 274 oder 8,6 % aller Betriebe beschäftigten mehr als 2 Arbeitnehmer (Arbeiter und Lehrlinge). In solchen Betrieben ist aber, abgesehen von der Bindung durch das Lebrverhältnis, der Schritt bis zur Entlassung des einzigen Gesellen oder des einen von zwei Mitarbeitern, mit denen der Meister selbst in enger Arbeitsgemeinschaft jahrelang tätig gewesen ist, bedeutend schwerer als in grösseren Betrieben.

Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten vier Jahren somit stark
gestiegen.

Der Schweizerische SchuhmachermeisterVerband hat dargetan., dass seit 1930 die Situation im Schuhmachergewerbe sich stark verschlimmert habe und hat bei seiner oben erwähnten Umfrage vom Januar 1934 die Sektionen um Aufschluss über die Berufsverhältnisse in den letzten 3--4 Jahren befragt. Die angeführten Umsatzrückgänge bezogen sich durchwegs auf diese Zeitspanne.

419 V. Ursachen der Notlage.

Die bei der Bundesverwaltung eingegangenen Zuschriften sprechen sich zumeist sehr eingehend über die Ursachen der Notlage resp. des Umsatzrückganges aus.

1. Sinken des Bedarfs.

Aus diesen Vernehmlassungen und aus den übrigen bei der Verwaltung befindlichen Materialien geht hervor, dass als Hauptursache eine wesentliche Umstellung bzw. Verminderung des Bedarfes an Schuhreparaturen genannt werden muss. Es werden relativ weniger Schuhe in Eeparatur gebracht, und zwar ist diese Tatsache vornehmlich darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren der schweizerische Markt Schuhe viel geringerer Qualität aufgenommen hat, als dies früher der Fall war. Hand in Hand mit dein Sinken der Qualität .ging ein allgemeines Sinken der Schuhpreise, während die Preise für Schuhreparaturen nicht im gleichen Masse zurückgingen (vgl. Beilage 3). Allerdings variieren die Preise für die Schuhreparaturen in den verschiedenen Landesgogenden und bei den Verschiedenen Betrieben erheblich (Beilage 4). Tatsache ist jedenfalls, dass heute der Männerschuh einfacher Qualität und Serienmassiger Massenfabrikation von Fr. 8.80 x) an aufwärts zu haben ist, während die diesem billigen Schuh entsprechende billige Besohlung (Sohle mit Holzstiften befestigt oder genagelt) beim Handwerk Fr. 7.50 bis Fr. 9.50 kostet (vgl. Beilage 4), in der Schnellsohlerei Fr. 5.90 bis Fr. 6.90 und bei der Bata AG. Fr. 4.90. Ein Paar Damenschuhe in Leder kann man zurzeit schon von Fr. 6.90 an erstehen. Die billigsten Besohlarten bei den Handwerkern kosten Fr. 5.50 bis Fr. 8, in Schnellsohlereien Fr. 4.30 bis Fr. 4.90 und bei Bata Fr. 8.80. Dies hat nun zur Folge, dass eia grosser Teil der Bevölkerung es vorzieht, die Schuhe überhaupt nicht mehr reparieren zu lassen, sondern neue zu kaufen oder doch sich mindestens für die billig angekauften Schuhe nicht mehr die hochqualifizierten und relativ teuren Eeparaturen der Handwerker zu leisten. Dieser Übergang zum billigen Schuh und zur billigen Eeparatur ist durch die Verarmung vieler durch die Krisis und Arbeitslosigkeit heimgesuchter Konsumenten begünstigt worden, die heute nicht mehr in der Lage sind, gleichviel Geld für ihre Fnssbekleidung auslegen zu können wie früher.

Insbesondere scheint man für das Schuhwerk der Kinder sich immer mehr von der guten Eeparatur abzuwenden. Aber
auch beim Frauenschuh, der jährlich mehr zum billigen Modeartikel wird, ist eine ähnliche Entwicklung eingetreten.

Der Eückgang des Beparaturbedarfes für Frauenschuhe ist darüber hinaus noch durch das allgemeinere und häufigere Tragen der Schneeschuhe hervorgerufen worden. Der in seiner Anschaffung relativ billige Schneeschuh hat heute eine viel grössere Verbreitung als der frühere Gummischuh, und durch seinen Gebrauch fällt die Abnutzung der Sohle im Winter und beim Eegenwetter der milderen Jahreszeiten weitgehend dahin.

') Halbschuh in Chevreau und Box, der hohe Schuh von Fr. 9. 90 an.

420

Der Gebrauch der Gummiabsätze und Gummisohlen, die sich ·weniger schnell abnützen als die Lederbesohlung, soll ebenfalls erheblich zur Verminderung der Eeparaturen beigetragen haben.

Endlich muss darauf hingewiesen werden, dass die Verbesserung unseres Strassenwesens und die vermehrte Benützung von Fahrgelegenheiten (Autos, Trams) auch auf eine Schonung des Schuhwerkes hinwirken.

Von verschiedenen Seiten wird geltend gemacht, dass die Bevölkerung in starkem Masse zu Selbstreparaturen übergegangen sei. Dem werde durch den Verkauf billiger Beparaturzutaten durch Warenhäuser und Einheitspreisgeschäfte Vorschub geleistet. Es wird daher gelegentlich auch der Vorschlag gemacht, den Verkauf dieser Artikel einzuschränken. Ob die Ausführungen von Beparaturen durch die Konsumenten selbst wirklich auf die Dauer eine gewisse Bedeutung besitzen, können wir nicht beurteilen.

2. Umstellungen im Schuhmacherhandwerk, J Neben diesem Bückgang im Bedarf gingen sehr wichtige innere Umstellungen im Schuhmachergewerbe einher. Einmal vollzog sich erst im letzten Jahrzehnt endgültig der Übergang der Schuhfabrikation in die Fabrik. Wenn auch der Konfektionsschuh schon seit langer Zeit existierte, so Hessen sich doch noch vor nicht allzulanger Zeit viele Personen den gewöhnlichen Schuh anmessen. Laut der Schweizerischen Schuhmacherzeitung stellten im Jahre 1921 noch ca. 10 % der dem Verband angehörenden Meister jede Woche mehrere Paare neuer Schuhe her, und weitere 30 % machten ebenfalls noch gelegentlich neue Arbeiten. Eine private Erhebung *) im Jahre 1922, die sich allerdings hauptsächlich auf ältere Meister erstreckte, ergab folgende Zahlen: Erfasste Betriebe

.;

Stadt Zürich Ölten Kanton Nidwaiden . . . .

108 14 21

Zahl der Betriebe mit Neuarbeit

67 5 14

Heute dürfte diese Zahl weit geringer sein. Nach Mass werden nur noch der orthopädische Schuh, einzelne Sportschuhe (Bergschuhe und Skischuhe) sowie der Luxusschuh hergestellt, während die Industrie in viel grösserem Masse dazu übergegangen ist, verschiedene Arten von « Gesundheitsschuhen» auf den Markt zu bringen, welche auch dem empfindlichen Kunden genügen. Somit mussten sich zahlreiche Schuhmacherbetriebe der Beparatur zuwenden, die sich früher noch mit Massarbeit befasst haben.

Aber weit wichtiger als diese im letzten Jahrzehnt schon im Ausklang befindliche Entwicklung dürfte die zunehmende Mechanisierung der Sohuhmacherwerkstätten sein, durch welche die Leistungsfähigkeit auch des handwerklichen Schuhmachers ganz wesentlich gehoben wurde. Das letzte Jahr*) Vgl. E o e d i g e r , Walter, Das Schuhgewerbe in der Schwel/, 1925, S. 61.

421

«émit hat hier ebenfalls starke Veränderungen gebracht. Wenn man auch noch Betriebe findet, die wegen Kapitalmangel nur mit einer Nähmaschine und vielleicht noch mit einem Walzmaschinchen versehen sind, so geht doch das Streben der Handwerker im allgemeinen dahin, sich mit einigen nützlichen Hilfsmaschinen zu umgeben. Dazu gehört vor allem die Ausputzmaschine, eine Maschine, welche in der beim Kleinhandwerk üblichen Form für das Fräsen, Abschleifen und Polieren der fertigen Sohlen und Absätze verwendet werden kann. Ferner findet man im handwerklichen Kleinbetrieb fast überall die Klebepresse für das Kittverfahren (Ago), ferner kleine Stanzmaschinen, ösenaetzmaschinen usf.

3. Zunahme mechanischer Schnellsohlereien.

Ebenfalls in das letzte Jahrzehnt fällt eine erhebliche Zunahme der mechanischen Schnellsohlereien über deren heutigen Stand wir allerdings keine genauen Angaben besitzen. Es muss hervorgehoben werden, dass es sich nicht in allen Fällen um Grossbetriebe handelt. Auch sind die maschinellen Einrichtungen der vom Handwerkerstand als Schnellsohlerei oder mechanische Sohlerei bezeichneten Werkstätten nicht immer so, dass sie die Unterstellung unter das eidgenössische Fabrikgesetz begründen würden. Immerhin gibt die Zahl der unter dieses Gesetz fallenden Betriebe einen gewissen Aufschluss für die Entwicklung fabrikmässiger Schuhreparaturwerkstätten: Die .Zahl der Botriebe stieg in den Jahren 1923--1984 von 9 auf 25 und die Zahl der beschäftigten Arbeiter von 115 auf 281. Es hat somit im letzten Jahrzehnt nahezu eine Verdreifachung stattgefunden (vgl. Beilage 5). Die mechanischen Schnellsohlereien unterscheiden sich von den handwerklichen Betrieben in der Regel durch eine vermehrte Ausstattung mit Maschinen. Insbesondere kommen zu den oben genannten Maschinen, die auch der Handwerker benützt, -die verschiedenen Sohlen- und Absatzbefestigungsmaschinen hinzu, die Doppelmaschine für das Annähen von Sohlen auf Rahmenschuhen 1), die Holzstiftmaschine, Absatzstiftmaschine usw. Auch Ausputz-, Fräs- und Stanzmaschinen sind in grösseren Formaten vorhanden. Die Arbeitsteilung ist meistens weiter geführt als in den grösseren handwerklichen Eeparaturbetrieben. Die Arbeit wird auch im allgemeinen weniger individuell und sorgfältig ausgeführt als im guten Handwerksbetrieb. Die Schubmachermeister sind der
Meinung, dass die billigeren Preise der mechanischen Besohlanstalten in der Hauptsache auf diese weniger sorgfältige Arbeit, insbesondere auch auf die flüchtigere Behandlung der Unterlagen unter den eigentlichen Sohlen, zurückzuführen sei.

Die Schnellsohlereien mit ihren in der Eegel niedrigen Preisen haben nun in den letzten Jahren, wie wir bereits oben ausführten, einen grossen Teil der Aufträge an sich gezogen. Aus den Reihen der Schuhmachermeister wird insbesondere immer wieder auf die Reparaturwerkstätten der Firma Bata AG.

*) Diese Maschine hat auch in handwerklichen Kleinbetrieben schon Eingang gefunden.

422 hingewiesen, in -welchen laut eigenen Angaben dieser Firma im Jahre 1988100,000 Paar Schuhe repariert wurden und, deren Umsatz im laufenden Jahr noch wesentlich gesteigert werden soll. Aber auch verschiedene andere grössere Eeparaturwerkstätten, welche zum Teil nur in einer Ortschaft arbeiten und die Arbeitsaufträge per Bahn und per Post herbeischaffen, zahlreiche Ablagestellen, halten und gelegentlich sogar Eeparaturen von Haus zu Haus einsammeln, lassen, haben einen bedeutenden Teil der Arbeitsaufträge an sich gezogen.

Es ist wohl verständlich, dass in einer Zeit, in welcher aus den verschiedenen, oben geschilderten Ursachen das Schuhmacherhandwerk schon an und für sieh erhebliche Aibeitseinbussen erlitt, das Aufkommen dieser Betriebe besondere drückend empfunden werden musste. Die niedrigen Preise, mit denen die Mehrzahl der Schuhmacherhandwerker nicht konkurrieren kann, wenn sie noch ein.

gewisses Auskommen finden soll, und daneben eine bisher im Schuhreparaturgewerbe nicht übliche intensive Eeklame, mit welcher beim Publikum die Meinung erweckt wird, als ob ihm bei den viel niedrigeren Preisen eine Reparatur gleicher Qualität geboten würde wie bei den bedeutend höheren Preisen der Schuhmacherhandwerker, hat dann das übrige dazu beigetragen, um die Aufmerksamkeit der Handwerkerkreise in erster Linie auf diese mechanischen Besohlanstalten hinzulenken. Es kam hinzu, dass einige grössere Unternehmungen, welche längere Zeit mit ihren niedrigen Preisen den Markt für die Schuhreparaturen verdarben, in finanzielle Schwierigkeiten gerieten und mit sehr niedriger Dividende Nachlassverträge abschliessen und Konkurs erleiden, mussten. Das schien zu beweisen, dass die «konkurrenzlosen Preise» eben zu niedrig kalkuliert waren und selbst bei hohem Umsatz nicht genügten, um einen.

Betrieb zur Eendite zu bringen.

4. Zustrom unerwünschter Arbeitskräfte zum Schuhmacherhandwerk.

Bei diesen Verhältnissen ist ein starker Eückgang derjenigen Personen, die im Schuhmacherhandwerk ihr Auskommen finden, unvermeidlich. Es hat auch schon seit längerer Zeit eine Abnahme stattgefunden. Die eidgenössischen Volkszählungen von 1920 und 1930 (Berufszählungen) ergaben folgende Ziffern:, 1920

Selbständige Unselbständige Erwerbende insgesamt

8,464 4,952 18,416

1930

Abnahme

8,489 8,695 12,134

25 1257 1282

Die Erwerbenden haben somit insgesamt um rund 10%, die Unselbständigen um rund 25 % abgenommen. Die Zahl der Selbständigen, aus der man auf den Eückgang der Betriebe schliessen kann, ist verhältnismässig stabil geblieben. Da die Krisis gerade in den letzten 8--4 Jahren sich verschärfte,, hat sich seit der letzten Berufszählung 1930 die Abnahme vermutlich gesteigert,.

Diese Zahlen zeigen jedoch deutlich, dass es sich im Schuhmachergewerbe nicht nur um eine momentane, durch die allgemeine Wirtschaftslage bedingte Krisis.

423

handelt oder um ein akutes Schwinden der Arbeitsgelegenheiten, hervorgerufen durch die in den letzten Jahren entstandenen Schnellsohlereien.

Trotz dieses Schrumpfungsprozesses im Schuhmaoherhandwerk scheint immer noch ein unerwünschter Zustrom von Arbeitskräften stattzufinden. Die Schuhmachermeister selbst beklagen mehrfach die übertriebene Lehrlingsausbildung unverantwortlicher Meister. Dazu ist zu bemerken, dass der Schweizerische Schuhmachermeisterverband im Verein mit den zuständigen Behörden seit langem gegen die Lehrlingszüchterei ankämpft, was zum grossen Teil durch Erschwerung der Lehrlingsprüfung angestrebt wird. So hat denn auch die Zahl der Lehrlinge, welche in das Berufsleben eintreten, in den letzten Jahren stark abgenommen. Eine vom Schweizerischen Gewerbeverband durchgeführte Statistik zeigt, dass die Zahl der geprüften Lehrlinge von 894 im Jahr 1925 auf 215 im Jahr 1932 gesunken ist (vgl. Beilage 6).

Diese Zahlen dürften beweisen, dass schon längere Zeit versucht wird, der Ausbildung einer zu grossen' Zahl von Lehrlingen Einhalt zu gebieten.

Auf Grund des Bundesgesetzes über die berufliche Ausbildung werden diese Bestrebungen zukünftig auf dem Gebiete der ganzen Schweiz einheitlicher und konsequenter von den Behörden unterstützt werden können.

Die Meister beanstanden überdies, dass hauptsächlich bei den Schnellsohlereien viele b e r u f s f r e m d e Elemente beginnen, sich zu dem Berufe zu drängen. Erklärlich ist dieser Vorgang, weil bei den Grossbetrieben nicht handwerkliche Nebenarbeiten, wie die Entgegennahme von Schuhreparaturen und die Organisation des ganzen Betriebes, nicht unbedingt von einem gelernten Schuhmacher ausgeführt werden müssen. In den Eeparaturwerkstätten selbst arbeiten nach den Angaben mehrerer Betriebsinhaber ausschliesslich gelernte Schuhmacher, unter denen sich höchstens da und dort ein Hilfsarbeiter befindet, welcher die Lehrlingsprüfung nicht bestanden hat, für gewisse Teilarbeiten aber Verwendung finden kann.

Trotz des starken Eückganges des Gewerbes und der nicht unerheblichen Arbeitslosigkeit hat ausserdem die Einwanderung ausländischer Arbeitsk r ä f t e nicht ganz aufgehört. Das Schuhmachergewerbe der Schweiz war von.

jeher stark überfremdet. Auch die Volkszählung von 1930 ergab, dass von 12,134 Erwerbenden insgesamt 2350 oder 19,4% Ausländer
waren. Im gesamten.

Handwerk war auf Grund der Zahlen der Volkszählung von 1920 eine durchschnittliche Ausländerquote von rund 15% festzustellen, so dass die Überfremdung im Schuhmachergewerbe erheblich über dem Mittel liegt. Hiezu ist zu bemerken, dass das schweizerische Schuhmachergewerbe schon vor dem.

Krieg weitgehend in fremden Händen lag, weil ein qualifizierter schweizerischer Nachwuchs insbesondere für die Herstellung neuer Schuhe nicht vorhanden war.

Laut Angabe der eidgenössischen Fremdenpolizei reisten im Jahre 1932 noch 11 selbständige Schuhmacher und 88 unselbständige Schuhmacher in die Schweiz ein. Im Jahre 1933 waren es nur noch 53 Schuhmacherarbeiter. Es handelt sich hier in der Hauptsache um hochqualifizierte Arbeiter für orthopädische Massgeschäfte und für die Herstellung feinster Massarbeit in Luxus-

424 geschäften. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit bemüht sich, in Verbindung mit der eidgenössischen Fremdenpolizei, dieser Einwanderung für die Dauer der Krisis im Schuhmachergewerbe ein Ende zu bereiten.

.

C. Dritter Teil: Vorschläge für Maßnahmen des Bundes.

Aus den obigen Darlegungen geht hervor, dass sich im letzten Jahrzehnt und besonders in den letzten 3--4 Jahren im Schuhmacherhandwerk wesentliche Umstellungen vollzogen haben, deren Auswirkungen für viele Berufsangehörige verhängnisvoll werden. Die Ursachen für die Notlage des Schuhmacherhand-werkes sind vielgestaltig. Auf Grund der vorliegenden Materialien ist es allerdings nicht möglich, in allen Punkten klar zu sehen. Hauptsächlich sollte noch abgeklärt werden, ob, wie häufig geltend gemacht wird, das Schuhmacherhandwerk nicht durch bessere Anpassung an die heutigen Verhältnisse «ich aus eigener Kraft konkurrenzfähiger gestalten könnte.

Von verschiedenen Seiten wurde hervorgehoben, die Schuhmacher hatten ihre Lage selbst verschuldet, indem sie die Preise der Schuhreparaturen nicht rechtzeitig und nicht weit genug herabgesetzt hätten. Die Vertreter des Schuhmachermeisterverbandes erklären dagegen, dass auf dem Gebiete der Preisherabsetzung das Möglichste geschehen sei und dass ein weiteres Sinken der Eeparaturpreise unbedingt eine Verschlechterung der Qualität zur Folge haben mtisste, die keineswegs zu begrüssen wäre. Stichprobeweise Erhebungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit haben ergeben, dass zwischen ·der vom guten Schuhhandwerker ausgeführten teuren Eeparatur und der von ·den Schnellsohlereien zu billigeren Preisen angebotenen Arbeit ein sichtbarer Unterschiedj besteht. Nicht nur können sehr verschiedene Lederqualitäten Verwendung finden, auch in der Bearbeitung der Sohlenunterlagen und in der Anbringung der Sohle selbst kann verschieden gute Arbeit geleistet werden.

Die Konsumentenschaft scheint diese Unterschiede zum Teü nicht zu kennen und zum Teil nicht richtig einzuschätzen.

Es bleibt daher abzuklären, ob die Schuhmacher nicht durch Umstellung der Arbeitsmethoden und eventuell auch durch rationelleren Einkauf ihrer Eohmaterialien und Fournituren zu einer bessern Preisanpassung gelangen könnten. Dabei halten wir es nicht für richtig, schlechthin einer weiteren technischen Bationah'sierung der bestehenden Werkstätten das Wort zu reden, denn es ist fraglich, ob die maschinelle Ausstattung sehr kleiner Betriebe immer im richtigen Verhältnis zu der Arbeiterzahl steht, um einen Beingewinn zu ermöglichen.

Über diese
Fragen kann nur auf Grund eingehender objektiver Untersuchungen ein endgültiges Urteil gefällt werden. Wir schlagen daher vor, zurzeit nur vorübergehende Massnahmen zu treffen, welche es gestatten, die fraglichen Punkte abzuklären und für die offenbar notwendige Umstellung der Schuhmacherhandwerker Zeit zu gewinnen. Wir erachten es nicht für zweckmäßig, mit den von den Schuhmachern so dringlich erbetenen Schutz-

425 massnahmen zuzuwarten bis diese Abklärung vorgenommen worden ist. Denn erfahrungsgemäss nehmen solche Untersuchungen viel Zeit in Anspruch. Durch ein Eingreifen im heutigen Zeitpunkt wird aher für die bedrängten Schuhmacher auch eine gewisse Ruhepause geschaffen, während welcher sie die eventuell notwendig werdenden Umstellungen vorbereiten können.

VI. Eidgenössische Fachkommission für das Schuhmacherhandwerk.

In erster Linie schlagen wir vor, eine eidgenössische Fachkommission für das Schuhmacherhandwerk einzusetzen, welche die Aufgabe hätte, in enger Fühlungnahme mit der Preisbildungskommission und der Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und dem betriebswissenschaftlichen Institut der Eidgenössischen Technischen Hochschule die Verhältnisse im Schuhreparaturgewerbe gründlich zu untersuchen, die oben erwähnten Fragen abzuklären und dem Bundesrat darüber Bericht zu erstatten. Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband bat sich mit Schreiben vom 22. Mai mit der Einsetzung einer solchen Kommission einverstanden erklärt.

Diese Kommission könnte neben ihren Untersuchungsarbeiten auch beim Vollzug des weiter unten vorgeschlagenen Bewüligungsverfahrens für die Eröffnung und Erweiterung von Schuhreparaturbetrieben begutachtend mitwirken. Die Durchführung des Bundesbeschlusses über Warenhäuser usf.

vom 14. Oktober 1933 hat gezeigt, dass die Beurteilung des B e d ü r f n i s s e s nach neuen Betrieben jeweils eines der schwierigsten Probleme ist und von den verschiedenen Kantonsbehörden nach sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten beurteilt wird. Es könnte nun Aufgabe der Kommission sein, hierüber Eichtlinien aufzustellen und gleichzeitig auch in einzelnen Fällen, die ihr von den Bewilligungsbehörden unterbreitet werden, Gutachten abzugeben. Der Bundesrat könnte seinerseits in etwaigen Eekursfällen die Kommission um Begutachtung anrufen. Diese Mitwirkung der Fachkommission bei der Gewährung der Bewilligungen hätte den Vorteil, dass dieselben im ganzen Lande nach einheitlichen Gesichtspunkten vorgenommen würden. Die Kommission könnte ferner Vorschläge für die berufliche Weiterbildung im Schuhmachergewerbe und für die Überführung arbeitslos gewordener Schuhmacher in andere Erwerbszweige ausarbeiten. Es sollte mit der Zeit gelingen, die Arbeitskräfte, deren die handwerklichen Schuhmachereibetriebe bedürfen, ausschliesslich aus der Schweiz zu rekrutieren.

In mehreren Eingaben ist auch die Befürchtung ausgesprochen worden, Schutzmassnahmen zugunsten des Schuhniacherhandwerkes müssten bewirken, dass die Preise der Schuhreparaturen wesentlich steigen würden. Andererseits machen die Schuhmacher geltend, dass zurzeit von Gross-
und Schnellsohlereien eine Unberechtigte Preisunterbietung stattfindet, welche zum Zusammenbruch mehrerer Unternehmungen geführt hat und welche für die Bata AG. beispielsweise nur tragbar sei, weil sie auf jeden Beingewinn aus den Beparaturwerkstatten verzichten könne. Es wäre daher geboten, der Fachkommission auch auf dem Gebiete der Preisbildung gewisse Aufgaben einzuräumen.

Bundeeblatt. 86. Jahrg. Bd. II.

29

426

VII, Einführung des Bewilligungsverfahrens für Eröffnung und Erweiterung von Schuhreparaturbetrieben und Annahmestellen.

Wir schlagen Urnen ferner vor, analog zum Bundesbeschluss vom 14. Oktober 198S über das Verbot der Eröffnung und Erweiterung von Warenhäusern, Kaufhäusern und Einheitspreisgeschäften den Bewilligungszwang für Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen für Schuhreparaturen einzuführen.

Allerdings gehen wir mit diesem Vorschlag insofern über jenen Bundesbeschluss hinaus, als wir das Bewilligungswesen nicht nur für Grossbetriebe oder für eine andere spezielle Kategorie der Unternehmungen des Erwerbszweiges vorsehen, sondern sämtliche Betriebe dem Bewilligungsverfahren unterstellen.

Zu dieser Lösung sind wir aus verschiedenen Gründen gekommen: !.. Das allgemeine Bewilligungsverfahren wird durch die Situation des Schuhmacherhandwerks verlangt. Es steht fest, dass das gesamte Schuhreparaturwesen im Rückgang begriffen ist und dass somit die Zahl der Betriebe in den meisten Landesgegenden zurzeit nicht mehr anwachsen sollte. In den grössern Städten und Industriezentren muss daher nicht nur die Eröffnung von Gross- oder Schnellsohlereien und ihre Ausdehnung kontrolliert werden. Ebenso wichtig ist es, die Gründungen kleiner selbständiger Reparaturwerkstätten zu beobachten, die in der Zeit der Arbeitslosigkeit in starkem Masse entstehen.

Der Schweizerische Gewerbeverband, der Schweizerische Schuhmachermeisterverband und andere interessierte Verbände haben in einer am 25. April des Jahres in Zürich abgehaltenen Konferenz zu dieser Lösung ihre volle Zustimmung gegeben und ihrerseits betont, dass auch sie ein derartiges Vorgeben für das einzig Richtige halten.

2. Zu diesem Vorschlag sind wir ausserdem gekommen, weil die Abgrenzung derjenigen Betriebe, von welchen sich das Schuhmachergewerbe am stärksten bedroht fühlt, gegenüber den schutzbedürftigen Handwerksbetrieben ausserordentlich schwer hält. Das Handwerk wendet sich nicht an und für sich gegen den Grossbetrieb oder die «Grossunternehmung», so dass die Arbeiterzahl nicht als Kriterium für die Abgrenzung gewählt werden kann. Es wird von Seiten der Schuhmachermeister betont, dass auch grössere Werkstätten bestehen und künftig eröffnet werden dürften, sofern sie nur handwerkliche Arbeitsmethoden anwenden und in ihrem Geschäftsgebaren
sich den reellen Gebräuchen des Schuhmacherhandwerkes anpassen.

Auch der Stand der maschinellen Einrichtung oder des Gebrauchs von motorischen Kräften kann nicht für die Abgrenzung der Betriebe massgebend sein. Wie wir bereits oben ausführten, arbeitet auch der handwerkliche Schuhmacher mit einer ganzen Reihe von Hilfsmaschinen. Auch konnte das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit feststellen, dass in denjenigen Reparaturwerkstätten, welche vom Handwerk verpönt werden, nicht immer ein vollständiger Maschinenpark vorhanden ist. Auf alle Fälle wäre es für

427

gewisse Betriebe leicht, durch das Weglassen der einen oder andern maschinellen Einrichtung aus dem Geltungsbereich des Bundesbeschlusees auszuscheiden.

Dies würde der unbeschränkten Eröffnung -von Beparaturbetrieben, die zwar mit nicht ganz vollständiger maschineller Einrichtung arbeiten, ihrem Charakter und ihren Arbeitsmethoden nach aber zu den Schnell- und Grossohlereien gerechnet werden müssen, Vorschub leisten. Es ist die Anregung gemacht worden, den Trennungsstrich zwischen den rein handwerklichen Eeparaturbetrieben und den einzuschränkenden mechanischen Schnellsohlereien bei der Aufnahme von Sohlenbefestigungsmaschinen (Doppelmaschinen, Holzstiftmaschinen, Absatzstiftmaschinen usw.) zu ziehen. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit hat aber beispielsweise die Doppelmaschine, d. h. eine Nähmaschine zur Befestigung rahmengenähter Sohlen, auch in handwerklichen Betrieben vorgefunden, so dass auch dies für die Abgrenzung von Betrieben nicht ausschlaggebend sein kann.

3. Endlich hat uns auch der Umstand, dass ein Betrieb, welcher bei seiner Gründung handwerksmässigen Charakter hatte, ohne Schwierigkeiten seinen Produktionscharakter ändern kann, dazu veranlasst, jeden Betrieb als bewilligungspflichtig vorzuschlagen und es den bewilligenden Behörden in die Hand za geben, die Erlaubnis zur Betriebsführung an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, deren Innehaltung leicht nachkontrolliert werden kann, wenn sie anfänglich in der Bewilligung schriftlich niedergelegt werden.

Es ist klar, dass bei einem allgemeinen auf alle Betriebe ausgedehnten Bewilhgungsverfahren, die bewilligenden Behörden auch kompetent sind, die Eröffnung stark mechanisierter Betriebe zu gestatten. Es rmiss dem Ermessen der Kantonsregierungen, welche auch mit dem Vollzug dieses Bundesbeschlusses zweckmässigerweise betraut werden, anheimgestellt werden, zu beurteilen, ob ein Bedürfnis für die Eröffnung neuer Betriebe vorhanden ist und welche Form diese Betriebe annehmen sollen. Die Fachkommission für das Schuhmachergewerbe kann den Kantonsregierungen nötigenfalls beratend zur Seite stehen.

In unserer Botschaft vom 5. September 1933 über Warenhäuser und Einheitspreisgeschäfte (Bundesbl. 1933, II, S. 157/158) haben wir uns mit dem Antrag auseinandergesetzt, das Verbot der Neueröffnung und Erweiterung auf sämtliche Arten von Ladengeschäften auszudehnen. Damals haben wir als Grund der Ablehnung dieses Begehrens die verwaltungsmässigen Schwierigkeiten in den Vordergrund gerückt, die entstehen raüssten, wenn das Bewilligungs-

428 verfahren für einen Erwerbszweig mit rand 60,000 Betrieben eingeführt würde.

Daneben erwähnten wir auch die verfassungsmässigen Bedenken, die gegen eine so weitgehende Massnahme sprechen. Diese letzteren bestehen selbstverständlich auch im vorliegenden Fall. Gerne hätten wir, sofern dies praktisch möglich gewesen wäre, es vermieden, mit dem allgemeinen Bewilligungsverfahren weitgehend in einen Erwerbszweig einzugreifen. Doch scheint es uns hier tatsächlich nicht möglich, anders zu verfahren. Erleichtert wird die Massnahme auch dadurch, dass es sich um einen viel kleineren Erwerbszweig handelt, der zurzeit nur rund 8000 Betriebe zählt und in dem das Expansions- und Neugründungsbedürfnis infolge der herrschenden Krisis weniger stark sein dürfte.

VIII. Bemerkungen betreffend die übrigen Vorschläge des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes.

Sofern unser Vorschlag, eine eidgenössische Fachkommission zur näheren Prüfung der Verhältnisse im Schuhmachergewerbe einzusetzen, die Billigung der eidgenössischen Bäte findet, dürfte es überflüssig sein, sich schon heute materiell mit den verschiedenen andern Vorschlägen, welche zur Sanierung des Schuhmachergewerbes gemacht werden, zu befassen. Auf Grund der Berichte und Vorschläge dieser Kommission wird es ungleich leichter sein, hierüber Entscheidungen zu treffen. Wir sehen daher vorderhand von einer Auseinandersetzung mit den einzelnen Postulateli ab.

Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass wir grosse Bedenken haben, sei es jetzt, sei es später, auf alle diejenigen Vorschläge des Schweizerischen Schuhmachermeisterverbandes einzutreten, welche dahin gehen, einzelne bestehende Betriebe nachträglich zu schliessen. Diese Betriebe und Unternehmungen wurden gegründet unter der Voraussetzung der durch keinerlei Bundesvorschriften eingeschränkten Handels- und Gewerbefreiheit im Schuhmachergewerbe. Eine nachträgliche Schliessung rmisste daher als Unbilligkeit und Eechtswidrigkeit empfunden werden.

Ein solches Vorgehen müsste sich auch unbedingt nachteilig in unserm gesamten Wirtschaftsleben auswirken. Die Unternehmungslust würde bestimmt in allen Erwerbszweigen zu leiden beginnen, wenn die Geschäftswelt damit rechnen müsste, dass Betriebe auf Grund von Bundesvorschriften geschlossen würden, welche unter andern Voraussetzungen entstanden sind.

Auch würde sieh beim Eintreten auf die erwähnten Postulate die Entschädigungsfrage stellen, deren Behandlung keinesfalls einfach wäre.

Wenn wir es somit zurzeit ablehnen müssen, den Wünschen um Aufhebung oder Einschränkung bestehender Betriebe zu entsprechen, so ist doch darauf aufmerksam zu machen, dass für die künftige Entwicklung die Kantonsregierungen es fürderhin in der Hand haben, beim Bewilligungsverfahren verschiedenen Postulateti der Schuhmachermeister zu entsprechen.

429 IX. Erläuterungen zum Entwurf des Bundesbeschlusses.

Art. 1.

Unter «Annahmestellen» sind hauptsächlich zu verstehen: 1. Mit einer Eeparaturwerkstätte in Verbindung stehende Betriebe, die in eigenen Lokalitäten sich vornehmlich mit der Annahme und Eückgabe von Scbuhreparaturen befassen, ähnlich den Annahmestellen von Färbereien, Kragenwäschereien und Eeinigungsanstalten.

2, Branchenfremde Geschäfte (Spezereiladen, Zigarrengeschäfte usw.) oder Private, welche dies nebenbei besorgen.

8. Schuhhandlungen, welche ebenfalls Eeparaturen entgegennehmen, um sie an eigene oder fremde Werkstätten zur Erledigung weiterzugeben.

Art. 2.

Lit. l. Die Aufstellung von Maschinen ist als bewilligungspflichtige Erweiterung bezeichnet, weil sie neben den beiden unter a und c genannten Veränderungen des Betriebes in erster Linie zur Veränderung des Charakters einer Werkstätte beiträgt. Der Übergang zur mechanischen Eeparaturwerkstätte (Gross- oder Schnellsohlerei) ist in der Hauptsache durch die Vermehrung der maschinellen Einrichtungen bedingt. Eine Eeihe von Maschinen, wie Näh-, Stanz-, Walz- und ösensetzmaschinen, kleinen und mittleren Ausputzmaschincn und Klebepressen haben jedoch auch schon bei handwerklichen Werkstätten Eingang gefunden. Diesem Bationalisierungsprozess soll grundsätzlich nicht Einhalt geboten werden, so dass es zweckmassig ist, die Aufstellung derartiger Maschinen ohne besondere Bewilligung zu gestatten. Es dürfte auch eine Erleichterung für die Durchführung des Bundesbeschlusses bedeuten, wenn die Behörden nicht wegen einer so geringfügigen Änderung, wie sie die Anschaffimg einzelner Heiner Maschinen bedeutet, begrüsst werden müssen.

Lit. c. Die ausdrückliche Erwähnung der mit' dem Einsammeln von reparaturbedürftigen Schuhen beauftragten Personen ist nötig, um 5511 verhindern, dass Grossunternehmungen, welche durch den Bundesbeschluss in der Eröffnung von Annahmestellen eingeschränkt werden, durch die Anstellung von Hausierern ihr Einzugsgebiet vergrössern.

Lit; d. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass der Erwerb eines bestehenden Betriebes nicht bewilligungspflichtig ist, sofern der Erwerber keine andere Eeparaturwerkstätte oder Annahmestelle führt.

Art. 3.

Die im entsprechenden Art, 3 des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1933 gewählte Formulierung, laut welcher die Kantone Gesuche
um Eröffnung oder Erweiterung bewilligen «können», hat zu Missverständnissen in dem Sinne Anlass gegeben, indem daraus der Schluss gezogen wurde, die Kantone «müssten» die Bewilligung nicht erteilen, selbst wenn die im Bundesbeschluss vorgesehenen

430

Bedingungen erfüllt seien. Deshalb wurde der vorliegende Art. 8 dahin präzisiert, dass die Kantone die Bewilligungsinstanz sind und die Bewilligung zu erteilen haben, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Beide Formulierungen bezwecken materiell dasselbe.

Art. 4.

Obwohl Art. 4 die Kantonsregierung als Bewilligungsinstanz bezeichnet, kann von derselben der erste Entscheid einem Departement übertragen werden.

In diesem Falle muss jedoch das Beschwerderecht an die Kantonsregierung gewahrt bleiben, da die Beschwerde an den Bundesrat nur gegen Entscheide der Kantonsregierung zulässig ist.

Die Anhörung der Gemeindebehörden hat sich nach den mit dem Bundesbeschluss, vom 14. Oktober 1933 gemachten Erfahrungen als zweckmässig erwiesen, da von diesen eine objektive Würdigung aller Interessen, auch derjenigen der Konsumenten, erwartet werden kann. Es ist überdies zweckmässig, die Gemeindebehörden von Anfang an am Verfahren zu beteiligen, da sie gemäss Art. 5, Abs. 2, ein Beschwerderecht besitzen.

Art. 5.

Der Zeitpunkt der Eröffnung des Entscheides an den Gesuchsteller deckt sich in der Eegel nicht mit dem Tage der Veröffentlichung. Um Unklarheiten zu vermeiden, wurde daher in Abs. 8 der Beginn des Fristenlaufes näher umschrieben.

Art. 6.

Keine Bemerkungen.

Art. 7.

Keine Bemerkungen.

Art. 8.

Es ist vorgesehen, in die Fachkommission Meister und Arbeiter des Schuhmachergewerbes aufzunehmen, daneben aber auch wenn möglich Vertreter der Preisbildungskommission und Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes sowie des betriebswissenschaftlichen Institutes der Eidgenössischen Technischen Hochschule.

Art. 9.

Keine Bemerkungen.

Art. 10, Keine Bemerkungen.

Art. 11.

Die Dringlichkeitsklausel rechtfertigt sich, weil die Lage des Gewerbes keinen weiteren Aufschub der Schutzmassnahmen gestattet.

431 Art. 12.

Keine Bemerkungen.

Eine Bestimmung, analog dem Art. 10, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1983, wonach der Bundesrat auf Antrag einer Kantonsregierung für das betreffende Kantonsgebiet eine allgemeine Bewilligung zur Eröffnung oder Erweiterung von Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen erteilen könnte, wurde in den vorliegenden Bundesbeschluss nicht aufgenommen, da von jener Möglichkeit nur ein einziger Kanton Gebrauch gemacht hat.

Wir sind der Auffassung, dass dieser Bundesbeschluss geeignet ist, dem ia Not befindlichen Schuhmachergewerbe eine gewisse Hilfe zu gewähren. Er ist so elastisch gefasst, dass er eine Grundlage für die Eindämmung krasser Missstände bildet, ohne dabei notwendigerweise gesunde Entwicklungstendenzen des Erwerbszweiges hintanzuhalten. Voraussetzung dafür ist eine einsichtige Handhabung der Bestimmungen, bei welcher die verschiedenen volkswirtschaftlichen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen.

Wir ersuchen Sie daher, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer Botschaft und dem nachstehenden Entwurf zuzustimmen, und benützen die Gelegenheit, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 4. Juni 1984.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t ; Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

(*. Bovet.

432 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

Massnahmen zum Schütze des Schuhmachergewerbes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34fer der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1934, beschliesst : Art. 1.

Die Eröffnung neuer und die Erweiterung bestehender Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen für Schuhreparaturen ohne Bewilligung der zuständigen Behörden ist untersagt.

Art. 2.

Als Erweiterung gilt: a. jede bauliche Vergrösserung; b. die Vermehrung der maschinellen Einrichtungen, sofern es sich nicht um die Aufstellung allgemein gebräuchlicher Hilfsmaschinen handelt. Der Bundesrat bestimmt durch eine Verordnung, welche Maschinen als Hilfsmaschinen gelten; c. Vermehrung des Personals mit Einschluss der mit dem Einsammeln von reparaturbedürftigen Schuhen beauftragten Personen; d. die Angh'ederung einer bereits vorhandenen Schuhreparaturwerkstätte oder Annahmestelle an eine bestehende Unternehmung. .

Die Verlegung einer Schuhreparaturwerkstätte oder Annahmestelle gilt als Neueröffnung.

Art. S.

Zur Erteilung von Bewilligungen sind die Kantone zuständig.

Die Bewilligung ist zu erteilen: a. wenn der Gesuchsteller für die nachgesuchte Eröffnung oder Erweiterung ein Bedürfnis nachweist und nicht erhebliche volkswirtschaftliche Interessen dagegen sprechen, b, für geringfügige bauliche Vergrösserungen (Art. 2, Abs. l, lit. a),

433

c. für Verlegungen auf kurze Entfernung, sofern der Kundenkreis keine wesentliche Veränderung erfährt und die Verlegung, abgesehen von geringfügigen baulichen Vergrösserungen, nicht mit einer Erweiterung im Sinne von Art. 2, Abs. l, verbunden ist, d. für vorübergehende, unwesentliche Vermehrung des Personals, e. wenn schon vor Erlass dieses Bundesbeschlusses seit längerer Zeit Vorbereitungen getroffen wurden und infolgedessen die Verweigerung der Bewilligung dem Gesuchsteller grossen Schaden verursachen würde.

Die Bewilligungen können auch nur in beschränktein Umfang und unter besonderen Bedingungen erteilt werden; insbesondere kann die Bewilligung für die Eröffnung einer Schuhreparaturwerkstätte an die Bedingung geknüpft werden, dass der Betriebsinhaber als Schuhmacher selbst in der Werkstätte mitarbeitet.

Art. 4.

Das Gesuch um Erteilung der Bewilligung ist schriftlich und begründet der Kantonsregierung einzureichen, die nach Vornahme der nötigen Erhebungen und nach Anhörung der Gemeindebehörde entscheidet.

Jede Bewilligung ist inhaltlich genau zu umschreiben; namentlich ist anzugeben, wieviele Personen beschäftigt oder welche Maschinen verwendet werden dürfen.

Der Entscheid wird veröffentlicht und samt Begründung dem Gesuchsteller und der Gemeindebehörde mitgeteilt. Interessenten ist Gelegenheit zu geben, von der Begründung Kenntnis zu nehmen.

Art. 5.

Der Entscheid der Kantonsregierung unterliegt nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 11. Juni 1928 über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege der Beschwerde an den Bundesrat.

Das Eecht zur Beschwerde steht ausser dem Gesuchsteller auch der Gemeindebehörde und den wirtschaftlichen Berufs- und Interessenverbänden zu, die ein Interesse an der Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung nachweisen.

Die Beschwerdefrist beträgt dreissig Tage und beginnt für den Gesuchsteller mit dem Tage der Eröffnung des Entscheides, für die übrigen zur Beschwerde Legitimierten mit dem Tage der Veröffentlichung.

Art. 6.

Ein abgewiesenes Gesuch kann nur beim Nachweis veränderter tatsächlicher Verhältnisse erneuert werden.

Art. 7.

Die kantonalen Behörden sind gehalten, die Eröffnung und Erweiterung von Schuhreparaturwerkstätten und Annahmestellen, die entgegen den Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses vorgenommen werden, zu verhindern.

Vorschriftswidrig eröffnete oder erweiterte Betriebe sind zu schliessen oder wieder einzuschränken.

434

Art. 8.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ernennt eine Fachkommission für das Schuhmachergewerbe, bestehend aus 7--9 Mitgliedern, in welcher die Fachleute des Gewerbes angemessen vertreten sein sollen. Die Fachkommission untersucht die technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Gewerbe, erstattet darüber dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zuhanden des Bundesrates Bericht und schlägt, wenn nötig, weitere Massnahmen betreffend das Schuhmachergewerbe vor.

Die Fachkommission kann von den zuständigen eidgenössischen und kantonalen Amtsstellen zur Begutachtung der Bedürfnisfrage im Einzelfall (Art. 8, lit. a) angerufen werden. Sie wacht, unter Mitwirkung der Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, über die Preisbildung im Schuhmachergewerbe.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement kann der Fachkommission andere im Zusammenhang mit dem vorliegendenBundesbeschluss stehende Aufgaben übertragen.

Art. 9.

Wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses eine Schuhreparaturwerkstätte oder Annahmestelle eröffnet oder erweitert, wird mit Busse bis zu fünftausend Franken oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Beide Strafen können verbunden werden. Der nämlichen Strafe unterliegt, wer die an die Bewilligung geknüpften Bedingungen nicht einhält.

Wer der eidgenössischen Fachkommission für das Schuhmachergowerbe die für ihre Erhebungen notwendigen Auskünfte verweigert oder nicht wahrheitsgetreu erteilt, wird mit einer Busso bis tausend Franken bestraft.

Werden die unter Strafe gestellten Handlungen irn Geschäftsbetriebe einer juristischen Person begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Direktoren, die Bevollmächtigten und die Mitglieder der Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane Anwendung, die diese Handlungen begangen haben.

Werden diese Handlungen im Geschäftsbetriebe einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die schuldigen Gesellschafter, Direktoren und Bevollmächtigten Anwendung.

Art. 10.

Die allgemeinen Bestimmungen des. Bundesgesetzes vom 4. Februar 1858 über das Bundesstrafrecht sind anwendbar. Die Verfolgung von Zuwiderhandlungen liegt den Kantonen ob.

Art. 11.

Dieser Beschluss wird dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft: Er gilt bis zum 81. Dezember 1985.

Art. 12.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Bundesbeschlusses beauftragt.

Er erlässt die notwendigen Ausführungsvorschriften.

435

Beilagen.

Inhaltsverzeichnis, ·1. Eingabe des Schweizerischen Schuhmachermeisterverband.es an die Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 24. Oktober 1938.

2. Bei den Arbeitsämtern angemeldete stellensuchende Schuhmacher 1930 bis 1934.

8. Tabellen betreffend die Preisbewegung: a. relative Kleinhandelspreise der Schuhe und Schuhreparaturen in den Jahren 1929--1934, b. relative Kleinhandelspreise für Bekleidung (Totalindex), Schuhe und Schuhreparaturen sowie relative Grosshandelspreise für Häute und Leder seit 1926, c. Detailpreise für Leder laut Tarifen des schweizerischen Lederhändlerverbandes in den Jahren 1918--1983.

4. Einige Preise für Lederbesohlung in Zürich und Bern im Frühjahr 1984.

5. Dem eidgenössischen Pabrikgesetx unterstellte Reparaturwerkstätten.

6. Zahl der geprüften Lehrlinge nach der Statistik des schweizerischen Gewerbeverbandes.

436 Beilage 1.

Eingabe des Schweizerischen Schuhmachermeister-Yerbandes an die Preiskontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 24. Oktober 1933.

... .Nach der Betriebszählung 1929 sind in der Schweiz ca. 7.880.selbständige Schuhmachereibetriebe mit annähernd 12,000 beschäftigten, fast ausschliesslich männlichen Personen. Die Schuhindustrie beschäftigt ungefähr die gleiche Anzahl Personen, von denen jedoch ca, die Hälfte weiblichen Geschlechts sind.

Neben den durch die Betriebszählung erfassten Betriebe werden noch eine grössere Zahl Schuhmachereien im Nebenberuf betrieben, so dass die Gesamtzahl gegen 9000 sein wird.

In wirtschaftlich normaler Zeit war für diese grosse Zahl Schuhmacher genügend Arbeit vorhanden, um ein sicheres, wenn auch bescheidenes Auskommen zu haben. Wer als Alleinmeister auf die Schuhmacherei angewiesen war, ohne einen Nebenverdienst durch Schuhhandel oder andere Art zu haben, · konnte sich für die Tage der Not und des Alters nichts erübrigen. Es ist deshalb keine Seltenheit, dass 75jährige und ältere Schuhmacher ihren Lebensunterhalt durch eigener Hände Arbeit verdienen müssen. Die bisherige, althergebrachte Betriebsweise hatte dies immerhin ermöglicht. Bei den nun mehr und mehr maschinell eingerichteten Betrieben wird es künftig weniger mehr möglich sein.

Der erst allmählich zurückgehende Export von Schwcizerpro dritten brachte es mit sich, dass die Industrie viel weniger junge Leute einstellen und beschäftigen konnte. Dadurch wurden dem Handwerk sehr viele Jünglinge zugeschoben, so auch dem Schuhinacherhandwerk, dessen Nachwuchs zu einer grossen Überfüllung im Berufe führte. In der Lehrlingshaltung taten sich unfähige und untüchtige Meister besonders hervor. Die diesen Lehrlingszüehtern zum Opfer gefallenen Jünglinge konnten nach der Lelire keine Stellung finden. Um nicht müssig zu sein, oder nicht auf einen andern Beruf umlernen zu müssen, machten sich sehr viele dieser jungen, unerfahrenen und infolge einer schlechten Lehre unfähigen Schuhmacher selbständig und vermehrten dadurch die bestehende Konkurrenz in starkem Masse, um so mehr, als sie sich nicht scheuen, alle möglichen Mittel zur Arbeitsbeschaffung anzuwenden, die bis anhin im Handwerk nicht üblich waren (Hausieren, Gratisarbeiten, Zugabe von Bildern oder anderen Gegenständen). Alle diese Erscheinungen
wären tragbar und könnten durch Aufklärung des Publikums durch die Beruf s vereine in ihren schädigenden Auswirkungen gemindert werden. Immerhin bedeuten sie für die in ihrem Wirkungsgebiet domizilierten Berufsangehörigen eine spürbare unloyale Konkurrenz.

Im Laufe der letzten Jahre sind nun die Grossohlereibetriebe entstanden, die mit ihren stark untersetzten Preisen und dem ausgedehnten Ablagen- und

437

Filialennetz eine sehr gefährliche Konkurrenz für die ansässigen Schuhmacher bedeuten.

Die sogenannten Grossohlereibetriebe entstanden vorerst in der welschen Schweiz, so die Cordonnerie N. in Lausanne, die Firma N. N. in Neuveville u, a.

In der Folge entstanden auch solche mechanische Sohlereien in der Zentralund Ost Schweiz, so in Ölten die Sohlerei X., Sohlerei X', Kölliken (Aargau) (früher faillierte Schuhfabrik), Y., Zürich, Y' Zürich, die innert Jahresfrist mit ca. Fr. 100,000 Verlust bei einer Konkursdividende von 2% % verkrachte und deren Nachfolgerin heute am laufenden Band betrieben wird, die Firmen Z., Z', Z" u. a, m., Lebensmittel- und Konsumvereine haben sich ebenfalls eigene Schuhreparaturwerkstätten eingerichtet in Zürich, Basel und Bern. Alle diese genannten Betriebe haben im ganzen Land über 200 Ablagen und Filialen, ohne ·die hier nicht genannten Betriebe und reissen zudem auch die Schuhreparaturen aus den Schuhmagazinen an sich. Zu all diesen Konkurrenzgeschäften für das alte bodenständige Schuhmacherhandwerk gesellte sich nun auch noch die Firma Bata AG., die in kürzester Zeit ausser der Schuhfabrik in Möhlin (Aargau) in fast allen Schweizer Städten und grossen Ortschaften Schuhverkaufsmagazine eröffnet und diesen je eine Eeparaturwerkstätte angegliedert bat. Die Preise, die Bata für Schuhreparaturen verlangt, stehen unter aller vernünftigen Berechnung. So verlangt er zurzeit für Herrensohlen und -absätze Fr. 4.90 und für Damen Fr. 8.90. Diese Preise stehen weit unter den Selbstkosten, die der Schuhmacher für seine Arbeiten zu rechnen hat. Herr N., als Vertreter der Bata AG., erklärte uns persönlich, dass die Firma an den Schuhreparaturen ^keinen Gewinn habe, sondern nur die Verzinsung der Einrichtungen erstrebe.

Dass die niederen Preise der Firma Bata auf die Preishaltung der andern Grossbetriebe nicht ohne Einfluss ist, ist naheliegend. Sie werden genötigt, ·ihrerseits die Preise aufs äusserste abzubauen; um den dadurch ausfallenden Ertragsgewinn einigermassen auszugleichen, versuchen sie, mit allen möglichen Mitteln eine grössere Arbeitsmenge zu erreichen durch Vermehrung der Ablagen und Annahmestellen, selbst durch Hausieren und übertriebene Reklametätigkeit, wobei die Wahrheit nicht immer respektiert wird.

Der Schuhmacher kann diesen Wettbewerb nicht mitmachen. Seine
Preise hat er nach bester Möglichkeit abgebaut, eine weitere Beduktion würde für ihn verdienstlose Arbeit bedeuten. Auf Kosten der Qualität die Preise noch mein: zu unterbieten, wie es die mechanischen Grossbetriebe zum Teil, trotz .gegenteiliger Behauptung, tun, widerstrebt dem ehrlichen Handwerker. Ablagen kann der Schuhmacher nicht errichten, denn es fehlen ihm die nötigen Mittel hiezu ; die Ablagen persönlich zu bedienen ginge auf Koston seiner produktiven Arbeitszeit, einen besonderen Botendienst, wie ihn die Grossbetriebe sich leisten, würde dem Schuhmacher mehr Kosten verursachen, als die Arbeit Gewinn einbringt.

Die Errichtung und Einführung der Grossbetriebe ist nicht etwa einem .Bedürfnis entsprungen, denn die ohnehin zu grosse Zahl der Schuhmacher-

438

betriebe in der Schweiz mögen allen Anforderungen, auch in den strengsten Saisonzeiten, vollauf genügen. Sogenannte Schnellsohlereien hat es seit jeher gegeben in den Städten, die aber in ihrer Minderheit für die Schuhmacher keine ernstliche Gefahr bedeuteten. Diese wenigen Schnellsohlereibetriebe entsprachen in gewissem Grade einem Bedürfnis gewisser Bevölkerungskreise in ähnlicher Weise wie z. B. die sogenannten Volksküchen und Trödlerladen, Diese Betriebe enthielten sich, weil sie einer bestimmten Kundschaft sicher waren, einer grossauf gemachten Beklame und vor allem der gehässigen Denunzierung der übrigen Schuhmacherschaft, wie es leider heute die meisten Grossbetriebe und notorischen Preisdrücker tun. Der Schuhmachermeisterverband nahm deshalb auch nie Anlass, diese Betriebe zu bekämpfen.

Die Grossbetriebe stützen sich hauptsächlich auf die durch die gegenwärtige wirtschaftliche Krisis geschaffene Mentalität grosser Bevölkerungskreise, die dahin tendiert, die Kosten für die täglichen Bedürfnisse möglichst, zu verringern, um nicht die Ansprüche an Luxus und Vergnügen abbauen zu müssen. Unsere Beobachtungen bestätigen vollauf diese Annahme, denn der Grossteil der regehnassigen Kundschaft dieser Betriebe rekrutiert sich aus Kreisen, die sich bezüglich Luxus und Vergnügen keiner Einschränkung begeben wollen. Selbstverständlich ist es uns auch bewusst, dass viele teil- oder ganz arbeitslose Familienväter aus bitterer Not gezwungen sind, sich nur mehr das billigste anzuschaffen, daneben aber auch auf alle Vergnügungen verzichten müssen. Wir haben denn auch bei jeder Gelegenheit, in Wort und Schrift, die Schuhmacher zur grösstmöglichen Bücksichtnahme gegen notleidende Familien aufgefordert, sei es, dass sie diesen besonders billige Preise oder Zahlungserleichterungen gewähren. Also auch hierin erfüllen die Grossbetriebe keine soziale oder wirtschaftliche Aufgabe.

Es ist bezeichnend, dass die Mehrzahl der Grossohlereien von Nichtfachleuten gegründet und geleitet werden. Es figurieren unter den Inhabern Kaufleute, Handwerksleute aus anderen Beruf sgruppen, Wirte, sogar Apotheker usw., meist Elemente, die in ihrem angestammten Berufe Schiff bruch erlitten oder sonst kein Fortkommen gefunden haben.

Trotz ihrer fachlichen Unkenntnisse erdreisten sie sich zu Behauptungen bezüglich der Ausführungen der
Arbeiten und betreffend Verarbeitung von Material, die schon zum unlauteren Wettbewerb gehören. Diese Erscheinungen sind um so bedauerlicher, als sie ungestraft sich auswirken können unter der zu loyalen und liberalen Auffassung, dass in der Eeklame eben alles erlaubt sei,, sogar der Betrug am Publikum. Der ehrliche, gewissenhafte Berufsmann, der sich scheut, unwahre Beklame zu machen, kommt dadurch ins Hintertreffen.

Über die Qualität der Arbeit, die in diesen Grossohlereien, Groesbetrieben und Werkstätten Batas geleistet wird, können und wollen wir uns weiterer Auslassungen an dieser Stelle enthalten. Der Wert der Arbeit entspricht im günstigsten Falle dem geforderten Preis, nie aber der in der Eeklame angepriesenen Qualität.

439 Interessanter werden die Ausführungen über die Auswirkung der genannten Betriebe auf das Schuhmacherhandwerk sein. Wie. oben bereits erwähnt, hatte der Schuhmacher in normaler Zeit sein bescheidenes Auskommen. Vor dem Kriege waren die Mehrzahl der Schuhmacher Ausländer. Bei Ausbruch des Krieges wurde ein Grossteil dieser von ihren Heimatländern unter die Fahne gerufen, und es stellte sich bald ein sehr empfindlicher Mangel an Schuhmachern ein, um so mehr, als der Verbrauch an Schuhen (und Schuhreparaturen) sich durch den strengen Aktivdienst der Armeetruppen steigerte. Der Schweizerische Schuhmachermeisterverband hatte in Erkennung der Wichtigkeit eines genügenden und tüchtigen einheimischen Berufsstandes, besonders in Kriegszeiten, sich der Ausbildung eines tüchtigen Nachwuchses und der Ausbildung seiner Mitglieder in höchstem Masse angenommen durch Errichtung von Fachklassen an Gewerbeschulen und Veranstaltung von Meister-Bildungskursen, sowie durch Bereitstellung von Geldmitteln und Lehrmitteln, Mit der Ertüchtigung der Berufsangehörigen stieg auch die soziale Stellung des Berufsstandes, nicht zum Schaden des Ansehens und der wirtschaftlichen Bedeutung des Handwerkes. Die missbräuchliche Ausnützung der berufsbildenden Bestrebungen des Verbandes durch aussenstehende Elemente (Lehrlingszüchterei usw.) ist eine zeitliche Erscheinung, die auch in fast sämtlichen anderen Berufsarten zu konstatieren ist und die bei Eintritt normaler Verhältnisse wieder auf ein Minimum verschwinden wird.

Die Entstehung der Grossbetriebe hat die Bestrebungen des Verbandes zur Hebung des Berufes sehr behindert und ist eine sehr grosse Gefährdung des Handwerks in materieller, wirtschaftlicher und moralischer Beziehung.

Was allen Grossbetrieben eigen ist, sind die billigen Beparaturpreise, durch welche sie eine grösstmögliche Arbeitsmenge an sich ziehen wollen, angeblich nach dem Prinzip: Grosser Umsatz ·-- kleiner Nutzen. Bichtiger ist aber: Billige Preise -- billige Qualität. Zur Heranziehung der benötigten Arbeitsmenge müssen die Ablagen und Filialen dienen, die wahllos überall errichtet werden, bei Privatleuten, in bestehenden Geschäften aller möglichen Branchen oder in eigenen Lokalen. Jede Ablage oder Filiale bedeutet eine materielle Schädigung der in der nächsten Umgebung domizilierten Schuhmachereibetriebe,
die selbstverständlich mit anderen Unkosten rechnen müssen als die Ablagen, die überhaupt keine solchen haben.

Mit der materiellen geht parallel auch die wirtschaftliche Schädigung.

Jeder Ausfall an Arbeit, der durch die Ablagen an die Grossohlereien geht, bedeutet für den selbständigen Schuhmacher eine wirtschaftliche Schwächung.

Seine Kaufkraft schwindet analog der verminderten Arbeitsmengen, die ihm durch die Ablagen entzogen werden. Seine Betriebseinrichtung verliert an Wert und Produktivität. Der Warenumsatz, Verdienst und Steuerkraft schwindet, und letztlich leidet die Familie Not und verfällt schliesslich der öffentlichen Wohltätigkeit. Die moralische Gefährdung beginnt mit der Abnahme der Arbeit und dem Verdionstmangel. Mit allen Mitteln muss der Schuhmacher versuchen, sich den Ausfall an Arbeit zu ersetzen, selbst wenn es un-

440

taugliche Mittel sind. Er senkt seine Preise auf Kosten des Verdienstes und der Qualität der Arbeit und sucht seine Arbeit von Haus zu Haus zusammen; die entwürdigendste Axt der Arbeitsbeschaffung ist für den Handwerker die Hausiererei. Erreicht er dadurch dennoch nicht genügend Arbeit und Verdienst, wird er zu Schuldenmachen gezwungen, wenn er seine Familie nicht hungern lassen -will. Durch die Konkurrenz der Grossbetriebe und Ablagen sind bereits ca. die Hälfte aller Schuhmacher verschuldet. Der Arbeitsmangel, der durch dio Schmutzkonkurrenz und durch die Ablagen entsteht, ist für den Handwerker ·weit schwerer zu tragen und ist moralisch gefährlicher als der Arbeitsmangel infolge wirtschaftlicher Krisis.

Eine weitere Konkurrenzierung des Schuhmachergewerbes bildet die Annahme von Schuhreparaturen in Schuhgeschäften ohne eigene Werkstätten.

Die Inhaber betrachten die Schuhrcparaturannahme als sogenannten Kundendienst und geben selbst zu, an diesem keinen Verdienst zu haben. Ein Bedürfnis für diesen «Kundendienst» besteht aber keinenfalls, da es für die Kundschaft ohne Mühe überall möglich ist, ihre reparaturbedürftigen Schuhe einem Schuhmacher direkt zu übergeben, womit ihnen beim persönlichen Verkehr mit dem Schuhmacher jedenfalls besser gedient ist als mit der Vermittlung durch den Schubladen. Wie hoch der «Kundendienst» vom Schuhhandel selbst geschätzt wird, geht daraus hervor, dass die Schuhe meistens in die billigsten Grossbetriebe in Beparatur gegeben werden, unbekümmert auf die unfachmännische Ausführung der Arbeit. Die ortsansässigen Schuhmacher werden meistens übergangen, angeblich wogen der zu hohen Preise.

Die Konkurrenz der Grossbetriebe mit ihren Ablagen, der Firma Bata, der Beparaturabnahmc in Schuhgeschäften, Lebensmittelgeschäften usw. und der Hausiererei, haben das Schuhmacherhandwerk in grösste Not gebracht, so dass dessen wirtschaftliche Weiterexistenz in Frage gestellt ist. Die Grossbetriebe und vor allem die Frima Bata kennt absolut keine Rücksicht auf das jahrhundertealte Handwerk und Gewerbe.

Von der Vernichtung des Schuhmacherhandwerkes hängt aber noch mehr ab als bloss die Brotlosmachung der Schuhmacher und ihrer Familien. Der Schuhmacher bezieht seine Materialien hauptsächlich durch den Lederhandel, der ihm nebst dem. Hauptprodukt Leder alle Furnituren in hunderten
verschiedenen Artikeln in jedem, auch dem kleinsten Quantum vermittelt. Der Lederhandel, in dem Millionenwerte investiert sind, ist durch die Existenzbedrohung des Schuhmacherhandwerkes ebenfalls schwer gefährdet. Der Leder'handel findet für den Ausfall seiner Warenlieferung an die Schuhmacher keine Kompensation durch die Grossbetriebe. Ein Teil derselben stehen im Abhängigkeitsverhältnis mit Gerbereien des In- und Auslandes oder beziehen ihre Materialien direkt vom Produzenten unter Ausschaltung des Lederhandels.

Nicht zuletzt ist durch die unfachmännische Arbeit der Grossbetriebe die Volksgesundhcit gefährdet. Die überaus grosse Zahl von Fusskrankheiten hat ihre Ursache nicht zuletzt in unpassendem Schuhwerk und in unfachgemässer Schuhreparatur. Eine individuelle Schuhreparatur, wie diese zur Gesundhaltung

441 der Fusse notwendig ist, ist im mechanischen Massenbetriebe ausgeschlossen.

Wir verweisen diesbezüglich auf den Artikel «Gesundheit -- Sparen -- Schuhe» in beiliegender Nummer der «Schweizerischen Schuhmacher-Zeitung».

Eichtig ist, dass die gewaltige Preisderoute auf Schuhwaren einen grossen Einfluss hat auf das Schuhreparaturgeschäft und dass viele Schuhe infolge des sehr geringen Unterschiedes zwischen Neupreis und Reparaturpreis nicht mehr besohlt werden. Es liegt aber keinenfalls am Schuhmacher, dass er mit seinen Eeparaturpreisen den Neuschuhpreisen nicht folgen kann, trota seiner wiederholten Tarif Senkungen. Die Löhne und Materialien stehen heute immer noch 100 % über der Vorkriegszeit, wie auch die übrigen Geschäftsunkosten. Billigere Leder sind wohl zu haben, die aber die Preisbildung nicht ingleichemMasse zu beeinflussen vermögen wie z. B. in der Schuhfabrikation. Zu den Preisen für Qualitätsschuhe stehen die Reparaturpreise im richtigen Verhältnis, Im weiteren ist besonders darauf aufmerksam zu machen, dass die schweizerische Schuhindustrie durch die ausländische Konkurrenz Batas gezwungen wurde, auch billige Artikel zu fabrizieren ohne jeden Gewinn. In jüngster Zeit kommt sie jedoch von dieser Fabrikation wieder ab (ausser Firma Hug AG. in Herzogenbuchsee) und wendet sich hauptsächlich wieder der Qualitätsarbeit zu.

Wenn die Schuhindustrie ihre billigen Artikel ohne Gewinn auf den Markt bringt, auch die Schuhfabrik Bata in Mohiïn schliesst ihr Rechnungsjahr mit einem beträchtlichen Verlust ab, so kann dem Schuhmacher nicht zugemutet werden, dass er auch verdienstlos arbeitet. Es ist widersinnig, dass trotz dem steten Rückgang der Reparaturarbeiten immer noch mehr mechanische Massenbetriebe eröffnet werden, die sich gegenseitig die Preise herunterdrücken, dass sie hiebei nicht mehr bestehen können Wir glauben, mit diesen Ausführungen dargetan zu haben, dass Schuhreparaturgrossbetriebe, das Ablagewesen und weitere damit verbundene Betriebe absolut keinem Bedürfnis entsprechen, dagegen geeignet sind, einen alten und unbedingt notwendigen Handwerkerstand vollständig zu ruinieren.

Es liegt im grössten Interesse der Volkswirtschaft, den Schuhmacherstand zu erhalten und ihn vor der Vernichtung durch kapitalistische Unternehmungen zu schützen. Als einzigen wirksamen Schutz erachten wir
das Verbot der Eröffnung neuer Betriebe, Verbot der Führung von Ablagen und Filialen der bestehenden Betriebe, Verbot der Annahme von Schuhreparaturen durch Schuhverkaufsdepots und branchefremde Geschäfte Die schweizerische Schuhindustrie, die Gerberei und der Lederhandel, mit einigen Ausnahmen, haben sich bis heute enthalten, eigene Schuhreparaturwerkstätten zu betreiben. Durch das rücksichtslose Geschäftsgebaren der tschechischen Firma Bata prüfen sie jedoch ernstlich die Frage, ebenfalls die Schuhreparatur aufzunehmen, wenn Bata nicht gezwungen wird, diese aufzugeben. Damit wäre das Schicksal der selbständigen Schuhmacherei, die immerhin für ca. 45,000 Menschen den Lebensunterhalt zu bestreiten hat, besiegelt.

Bundesblatt. 86. Jahrg. Bd. II.

30

442 Beilage 2,

Bei den Arbeitsämtern angemeldete stellensuchende Schuhmacher 1930--193* ')·

März . .

April , .

Mai . . .

.Timi Juli August. . .

September Oktober .

November

. . . .

. . .

. . .

. .

Jahresdurchschnitt . . .

1930

1931

1932

1933

1934

89 50

84 104 55 37 29 25 22 26 20 47 94 107 54

185 148 106 75 66 51 53 65 68 84 182 167 96

217 228 145 112 90 59 94 128 85 122 179 267 148

328 281 197 148

21 15 14 12 16 IS 25 28 45 74 29

1 ) Der jahreszeitliche Verlauf der Zahl der stellensuchenden Schuhmacher ist gekennzeichnet durch eine starke Entlastung des Arbeitsmarktes über die Sommermonate. Ina Durchschnitt der Jahre 1930--1933 beträgt der Rückgang der Zahl der steUensuohenden Schuhmacher von Ende Februar bis Ende Juni 72 %. Es ist anzunehmen, dass diese starke Entlastung nicht nur auf die Saisonschwankungen im Beschäftigungsgrad des Schuhmaohergewerbes zurückzuführen ist, sondern dase ein Teil der arbeitslosen Schuhmacher in den Sommermonaten ausserberufliche Beschäftigung findet.

443

Beilage 3,

Tabellen betreffend die Preisbewegung.

3 a. Relative Kleinhandelspreise der Schuhe und Schnbreparaturen in den Jahren 1929--1934.

Artikel

P. Schuhe 1. Männersohuhe . .

2. Frauenschuhe . .

3. Einderschuhe Nni.30--35 . , .

4. Kinderschuhe Nm.26--29 . . .

G. Sohuhreparaturen . .

1. Männersehuhe, genagelt 2. Männersohuhe, genäht 3. Frauenschuhe, genagelt 4. Frauenschuhe, genäht 5. Kinderschuhe, genagelt, Nrn. 30--35 6. Kinderschuhe, genäht, Nm. 30--35 7. Kinderschuhe, genagelt, Nrn. 26--29 8. Kinderschuhe, genäht, Nrn. 26--29

1931 1929 1930 19 32 1933 1934 Froh- Herbsl Fron- Hirtsl Frtb- Harbst Früh- (feruti Fr»- Htrbil Frujalir lilr Jibr lair jähr ii» 1. Halbjahr 1914 = 182 174 168 162 151 148 128 181 178 167 161 151 143 128 183 174 167 161 150 140 125

100 119 113 111 108 119 112 110 107 117 111 109 107

186 178 173 167 157 148 188 124 118 115 112 177 168 163 158 148 189 126 117 111 109 106 186 184 182 180 176 178 163 159 154 151 148 187 185 183 181 177 174 165 160 155 153 150 186 184 182 180 176 173 164 160 156 153 151 195 193 190 188 184 181 170 166 161 158 155 188 186 183 181 177 174 164 160 155 153 149 190 188 186 184 179 176 166 160 155 152 150 178 176 174 172 168 165 156 151 146 144 142 190 188 186 184 180 177 168 168 157 154 151 175 173 171 169 166 163 154 149 144 142 140

444

3 b. Relative Kleinhandelspreise für Bekleidung (Totalindex), Schuhe und Schuhreparaturen sowie relative Grosshandelspreise für Häute und Leder seit 1926.

Bekleidung Total

Jahr

1926 1927 1928 1929 1980 . 1931 . . . . . .

1932 . .

1988 1934 . .

Neue Schuhe

Schuhreparaturen !)

Leder

Häute

l. Halbjahr 1914 = 100

Juli 1914 = 100

Früh jahrserhebilügen 167,« . 172,4 189,6 160)7 180,g 161,o 166)5 187.

,, "7,6 167)4 186,!

181,7 160I2 167,.

181,.

144,8 176,0 151,2 127a 127!8 163,3 153,9 116,6 H3,i 108, 148)4 0 H5,o

JahresduirchBchnitt 108 136 121 144 185 166 102 188 100 181 87 107 53 82 88 55 49 April 78 April

L ) Die niedrigemi Preise de r Schnelleo ilereien und insbesondere der Reparaturwerkstätten der Firma Bata AG. konumen im Lidex des Voll tswirtschaftsdepartementes nicht voll zum Ausdruck, da dieser im wesentlic hen auf die Preise handwerklicher Betriebe abstellt.

3 c. Detailpreise für Leder laut Tarifen des Schweizerischen Lederhändlerverbandes in den Jahren 1913--1933.

Zahmvache Marke S. T. 0. : 1913 1918

Groupons A per kg B per kg BB per kg C per kg Zahmvache : Groupons A per kg B per kg BB per kg Sohlleder:

11.-- 10.50 6.8012.75 9.80 9.--

1929

9.80 9.30 8.80 8.20

1930 9.30 8.80 8.30 7.50

1932 1933

1931

1931

1932

12. VI II.

2l. XII.

9.11.

8.80 8.20 7.50 6.70

8.20 7.80 7.-- 7.60 7.30 6.60 7.-- 6.80 6.30 6.30 6.-- 5.50

28. II.

2. XII.

7.-- 6.50

6.-- 5.50

1932 1932 1933 1.1l.

20.11.

2. XII.

13.80 12.80 12.50 12.20 11 70 11.20 10.50 10.50 8.-- 15.90 13.40 12.3012.-- 11.70 11.20 10.80 10.20 10.-- 12.20 11.50 11.30 10.70 10.20 10. -- 9.40 9.50

1913

1913 Hälften I. per kg II. per kg III. per kg

1928

1918 1928 1929

1930

1918 1928 1929 1930

5.60 11.95 8.80 8.30 8.-- 5.30 11.25 8.20 7.80 7.60 5.-- -- 7.60 7.20 7.--

1931

1931

li. INI.

2l. III.

1931

1931

1932

1932

12. (III.

11. XII.

8. II.

28.11,

2. XII.

7,60 7.-- 7.20 6.60 6.60 6.--

6.80 6.30

6.40 6.-- 5.--

5.80

5.80

1933 5.40 5.--

445

Beilage 4.

Einige Preise für Lederbesohlnng in Zürich und Bern im Frühjahr 1934.

BATA AG.

Fr.

Damenschuhe (Sohle und Absatz): gestiftet u . holzgenagelt geklebt . .

13 80 Benäht .

Herrenschuhe (Sohle und Absatz) : gestiftet u, holzgenagelt ceklebt 1 4 90 genäht

Sshnellsohlereien, Schuhhandwerker, Schuhhandlungen Warenhaus

Luxusschuhhandlungen

Fr.

Fr.

Fr.

4.80--4.90 g 00-- 5 90 5 90

5.50--8.00 5 50 7 80 6 50 8 50

1 9 50

5.90--6.90 7 90 6.90--7.90

7.00--9.50 7 50--9 00 8.00-10.50

!

10.50 11.80

446 Beilage 5.

Dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellte Schuhreparaturwerkstätten.

Betriebe Kantone

Zürich Bern Luzern . . . .

Uri ...

Schwyz Obwalden Nidwaiden Glarus .

1929

1934

4 1

7 3 1

192»

1929

1934

91) 4 1

85 17

94 29 8

116 35 10

1 2

1 3 1

32

12 38

8 40 10

rt

2

2

21

19

14

1

2

2

10 ·--

26 ·--

19

1

1

14

19

. .

. . .

Zus .

ÏYeiburcj Solothurn Baselstadt Baselland Schaffhausen Appenzell A -Uh Appenzell I -Uh S t . Gallen Graubünden Aarofau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

1923

.

.

Arbeiter

. .

1

. . . .

.

. . .

. .

10

1 Total

9

19

25

115

*) 1 Betrieb mit 34 Arbeitern ist inzwisc hen ein gegang en.

240

281

447

Beilage 6.

Zahl der geprüften Schuhmacherlehrlinge nach der Statistik des Schweizerischen Gewerbererbandes.

Jahr

1925 1926 . . . .

1927 1928 .

1929 1980 .

1931 1932

Schuhmacher

RRfi 371 350 989 945 "WT W 194

«<^&-

Schuhreparateure

8 21 U 8 10 20 32 21

Total

394 392 361 297 255 271 281 215

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zugunsten des Schuhmachergewerbes. (Vom 4 Juni 1934.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1934

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

3130

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.06.1934

Date Data Seite

409-447

Page Pagina Ref. No

10 032 339

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.