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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 5 c, 55 93, 96, 98 und 99 der Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 24. März 1876.

(Vom 4. Juni

1934

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

In der Volksabstimmung vom 6. Mai 1984 haben die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen mit 7454 gegen 2796 Stimmen die vom Grossen Eate am 2. Oktober 1933 in der Form eines Verfassungsgesetzes beschlossene Änderung der Artikel 5c 55, 93, 96, 98 und 99 der Kantonsverfassung über die Eegelung der Fürsorge und Unterstützung angenommen.

Der alte und der neue Text der vorgenannten Artikel lauten folgendermassen : Alter Text: Neuer Text:

Art. 5 c.

Ein Ausachluss vom Aktivbürgerrecht findet statt: a. ...

l). ...

c. Wegen dauernder Almosengenössigkeit, wenn dieselbe durch Urteil der zuständigen Armenbehörde als selbstverschuldet erklärt worden ist, -- auf die Dauer der Almosengenössigkeit.

Art. 5 c.

Ein Ausschluss vom Aktivbürgerrecht findet statt: a.

Art. 55.

Das öffentliche Armenwesen ist Sache der Gemeinden und aushilfsweise des Staates.

Bundesblatt, 86. Jahrg. Bd. II.

Art. 55.

Das öffentliche Fürsorge* und Unterstützungswesen ist Aufgabe der Einwohnergemeinden und des Staates.

24

6. ...

c. Diese Litera wird aufgehoben.

358 Die näheren Bestimmungen trifft -das Gesetz.

Alt. 93.

Der Einwohnergemeinde steht die gesamte Gemeindeverwaltung mit Ausnahme des Armenwesens, soweit es nach dem Gesetze (Art. 55, Ahs. 2) der Bürgergemeinde obliegt, und mit Ausnahme der rein bürgerlichen Stiftungen zu.

Art: 96.

Die Einwohnergemeinde verwaltet die Gemeindegüter mit Ausnahme der bürgerlichen Armengüter sowie der rein bürgerlichen Stiftungen.

Die G-emeindebedürfmsse werden zunächst durch die Erträgnisse der Genieindegüter und, soweit diese nicht hinreichen, durch Gemeindesteuern gedeckt.

"Übersteigt der Ertrag des Gemeindegutes durchschnittlich die jährlichen Bedürfnisse der Gemeinde, so ist auf Verlangen der Bürgergemeinde der Uberschuss an diese letztere zu verabfolgen.

Die näheren Bestimmungen trifft das Gesetz.

Art. 98.

Der Einwohnergemeinde steht die gesamte Gemeindeverwaltung zu.

Art. 98.

Art. 96.

Die Emwohnergemeinde verwaltet sämtliche Gemeindegüter.

Die bisherigen Bürgergüter und Armenfonds der Bürgergemeinden gehen mit ihrem gesamten Bestände an die Einwohnergemeinde als Eigentum über. Sie sind als besonderes Staimngut (bürgerlicher Fürsorgefonds) zu verwalten und dürfen in ihrem Bestände nicht geschmälert werden.

Die bürgerlichen Fürsorgefonds haften nicht für die "Verpflichtungen der Einwohnergemeinde. Sie sind von der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen.

Die bürgerlichen Stiftungen und das weitere gebundene Zweckvermögen behalten ihre bisherige Bestimmung bei.

Die Gemeindebedürfnisse werden zunächst durch die Erträgnisse der Gemeindegüter und die sonstigen Einkünfte und, soweit diese nicht hinreichen, durch Gemeindesteuern gedeckt, Art. 98.

Die Bürgergemeinde besorgt das Armenwesen, soweit es ihr durch das Gesetz (Art. 55, Abs. 2) zugewiesen igt, und verwaltet das bürgerliche

Die Bürgergemeinde entscheidet über die Erteilung des Ortsbürgerrechts auf Grund eines Eeglementes, das vom Eegierungsrat zu genehmigen ist. Sie

359 Armengut sowie die rein bürgerlichen Stiftungen.

Sie beschliesst über die Verwendung allfälliger ihr zukommender Überschüsse aus den Erträgnissen des Gemeindegutes (Art. 96, Abs. 3).

kann diese Aufgabe einem Bürgerausschuss übertragen.

Sie entscheidet über Erteilung des Ortsbürgerrechtes. Auf dem Wege der Gesetzgebung ist für möglichst erleichterte Erwerbung dieses Eechtes zu sorgen.

Art. 99.

Die Bürgergemeinde hat behufs Besorgung der ihr zukommenden Obliegenheiten entweder einen Bürgerrat zu bestellen oder den Gemeinderat mit den diesfälligen Funktionen zu betrauen.

Die Prüfung und Genehmigung der bezüglichen Verwaltung ist Sache der Bürgergemeinde.

Art. 99.

Die gesamte Verwaltung der Bürgergemeinde wird den Organen der Einwohnergemeinde übertragen. Diese stellen für die Bürger die Ausweisschriften aus.

Der Begierungsrat des Kantons Sehaffhausen sucht mit Schreiben vom 11. Mai 1984 die eidgenössische Gewährleistung für diese Verfassungsänderungen nach.

Mit dieser partiellen Verfassungsrevision will der Kanton Schaffhausen im Fürsorge- und Unterstützungswesen das bisher für die bürgerliche Armenpflege massgebende Heimatprinzip verlassen und die heimatliche Armenfürsorge durch die wohnörtliche ersetzen. Damit gehen die Armenlasten auf die' Einwohnergemeinde über, und es haben nicht mehr blogs die Bürger am Heimatorte für sie aufzukommen, sondern alle Steuerpflichtigen in der Gemeinde, auch die juristischen Personen. Folgerichtig gehen die bisherigen Bürgergüter und Armenfonds der Bürgergemeinde mit ihrem gesamten Bestände in das Eigentum der Einwohnergemeinde über.

Die Eogelung des Fürsorge- und Unterstützungswesens fällt in die Zuständigkeit der Kantone, so dass von Bundes wegen gegen diese Neuordnung, welche dem Kanton Schaffhausen allenfalls die Möglichkeit gibt, dem interkantenalen Konkordate betreffend die wohnörtliche Unterstützung, vom 15. Juni 1923, beizutreten, nichts einzuwenden ist. Auch die Vorschrift des neuen Art. 96, Abs. 3, wonach die bürgerlichen Fürsorgefonds nicht für die Verpflichtungen der Einwohnergemeindehaften und von der Zwangsvollstreckung

360 ausgeschlossen sind, hält sich im Rahmen von Art. 30, Ziff. 3, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.

Die durch die Netiiegelung des Fürsorge- und Unterstützungswesens bedingte Änderung in der verfassungsrechtlichen Umschreibung der Kompetenzen zwischen Einwohner- und Bürgergemeinde beschlägt ein ausschliesslich dem Kanton zustehendes Rechtsgebiet, wie auch die Ausdehnung des Aktivbürgerrechtes auf Armengenössige durch Aufhebung des Art. 5, lit. c. Das nämliche gilt für die Aufhebung der Bestimmung im alten Art. 98, wonach auf dem Wege der Gesetzgebung für möglichst erleichterte Erwerbung des Ortsbürgerrechtes zu sorgen ist.

· Die neuen Verfassungsbestimmungen des Kantons Schaffhausen enthalten nichts, was den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderläuft.

Wir beantragen Ihnen daher, gestützt auf Art. 6 der Bundesverfassung, ihnen durch die Annahme des beiliegenden Beschlussentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Juni 1934.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

361 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der durch Verfassungsgesetz vom 2. Oktober 1933 abgeänderten Artikel 5 c. 55. 93, 96, 98 und 99 der Verfassung des Kantons Schaffhausen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung vo& Art. 6 der Bundesverfassung, nach Kenntnisnahme der Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1984, in Erwägung, dass die durch das Verfassungsgesetz vom 2. Oktober 1933 herbeigeführten Änderungen der Verfassung des Kantons Schaffhausen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art. 1.

Den in der Volksabstimmung vom 6. Mai 1934 in der Form des Verfassungsgesetzes vom 2. Oktober 1988 angenommenen Artikeln 5c, 55, 93, 96, 98 und 99 der Verfassung des Kantons Schaffhausen wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art, 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 5 c, 55, 93, 96, 98 und 99 der Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 24. März 1876. (Vom 4. Juni 1934.)

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1934

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.06.1934

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357-361

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