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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Übereinkunft mit Griechenland über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen.

(Vom 21. September 1934.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Zwischen der Schweiz und Griechenland besteht ein Auslieferungsvertrag vom 21. November 1910 (A. S. 28, S. 99 ff.), durch den die Eechtshilfe in Strafsachen geregelt ist. Gernäss Art. 5 des Niederlassung«- und Eechtsschutzabkommens vom 1. Dezember 1927 (A. S. 44, S. 808 ff.) ist vereinbart, dass ·die Art. 17 bis 22 der Haager Konvention betreffend Zivilprozsssrecht vom 17. Juli 1905 über Sicherheitsleistung für die Prozesskosten und über Armenrecht in den schweizerisch-griechischen Beziehungen Anwendung finden sollen.

Dagegen bestand bis jetzt, da Griechenland der erwähnten Haager Konvention nicht beigetreten ist, keine vertragliche Eegelung über die Zustellung von Akten und die Vollziehung von Eequisitorien in Zivil- und Handelssachen.

Es erwies sich für uns als erwünscht, diese Lücke auszufüllen, weil sich, namentlich in den letzten Jahren, aus dem ungeregelten Verkehr verschiedene Unzukömmlichkeiten ergaben. Insbesondere hielten sich griechische Vertretungsbehörden für berechtigt, ohne Mitwirkung der schweizerischen Behörden in der Schweiz Zeugen abzuhören und zu beeidigen. Nach Fühlungnahme mit der griechischen Eegierung wurde ihr von unserer Gesandtschaft in Athen im Oktober 1933 der Entwurf einer Übereinkunft vorgelegt. Bereits im Januar 1934 stimmte sie diesem Entwurf zu. Die Übereinkunft wurde am 30. März d. J.

in Athen unterzeichnet.

Die Übereinkunft entspricht im wesentlichen den Art. l bis 16 der Haager .Zivilprozesskonvention und stimmt fast wörtlich mit den Art. 7 bis 15 des Vertrages mit der Türkei über den Eechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 1. Juni 1933 (Bundesbl. 1933, II. S. 36 ff.) überein. Mit Bezug auf die Einzelheiten der Übereinkunft ist folgendes zu sagen: Die zuzustellenden Akten und die Ersuchschreiben müssen von einem diplomatischen oder konsularischen Agenten einer in beiden Ländern noch zu bezeichnenden Zentralbehörde zugeleitet werden, die für die Erledigung des Bechtshilfebegehrens durch die zuständige Behörde des ersuchten Landes besorgt ist. Die Eückieitung erfolgt auf dem nämlichen Weg (Art. l und 4).

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Die diplomatischen und konsularischen Agenten des ersuchenden Staates können keine Eechtshilfehandlungen von sich aus vornehmen. Immerhin sind sie in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Haager Konvention befugt, an Angehörige ihres Landes Aktenstücke ohne Anwendung von Zwang selbst zuzustellen, d. h. ohne die Behörden des Aufenthaltstaates in Anspruch zu nehmen (Art. 9).

Für die Zustellung der Aktenstücke und die Vollziehung der Eequi sitorien wendet der ersuchte Staat gemäss Art. 2 und ë die eigenen Eechtsregeln an.

Jedoch ist die Anwendung eines besondern Verfahrens vorgesehen, wenn der ersuchende Staat einen entsprechenden Antrag stellt und die besondere Form der Gesetzgebung des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.

Die Eechtshilfe kann nach Art. 7 u. a. abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte, seine Sicherheit oder die öffentliche Ordnung zu gefährden.

In Abweichung von den Bestimmungen des Vertrages mit der Türkei muss nach Art. l, Abs. l, das zuzustellende Schriftstück nicht in der Sprache der ersuchten Behörde abgefasst sein. Handelt es sich jedoch um die Zustellung in einer besondern Form (Zwangszustellung) gemäss Art. 2, Abs. 2, so muss das Aktenstück immer von einer beglaubigten Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde begleitet sein (Art. 2, Abs. 3). Auch die Ersuchssohreiben müssen gemäss Art. 4, Abs. 2, stets mit einer beglaubigten Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde versehen sein.

Grundsätzlich sollen für die Erledigung von Zustellungs- und Bequisitionsbegehren Kosten oder Gebühren nicht in Anrechnung gebracht werden. Vom ersuchenden Staat sollen aber die den Zeugen und Sachverständigen bezahlten Entschädigungen sowie die infolge der Mitwirkung eines Vollziehungsbeamten oder durch die Anwendung einer besondern Erledigungsform verursachten Kosten vergütet werden (Art. 8).

Art. 10 enthält die üblichen Schlussbestimrnungen über Batifikation, Inkrafttreten und Kündigung. Der Austausch der Batifikationsurkunden soll sobald als möglich in Bern stattfinden.

Wir möchten Ihnen empfehlen, der Übereinkunft durch Annahme des mitfolgen den Beschlussesentwurfes die Genehmigung zu erteilen und benützen die Gelegenheit, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 21. September 1934.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

317 (Entwurf.)

·

Bundesbeschluss betreffend

die Übereinkunft mit Griechenland über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1934..

beschliesst:

Art. 1.

Die am 30. März 1934 zwischen der Schweiz und Griechenland abgeschlossene Übereinkunft über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen , wird genehmigt. , · .

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

318 Übersetzung.

Übereinkunft zwischen

der Schweiz und Griechenland über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen.

Der Schweizerische Bundesrat

und der Präsident der Griechischen Republik

haben, um die Bechtshilfe in Zivil- und Handelssachen zwischen der Schweiz und Griechenland zu regeln, beschlossen, zu diesem Zweck eine Übereinkunft zu schliessen und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Schweizerische Bundesrat:

Herrn G. G. Jenny, Geschäftsträger der schweizerischen Eidgenossenschaft in Griechenland ; Der Präsident der Griechischen Republik:

Ihre Exzellenz Herrn D. Maximos, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten von Griechenland.

Diese Bevollmächtigten haben nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Eorm befundenen Vollmachten folgende Bestimmungen vereinbart.

Art. 1.

In Zivil- oder Handelssachen erfolgt die Zustellung von Schriftstucken, dis von den Behörden eines der vertragschliessenden Staaten ausgehen und lür im Gebiet des andern Staates sich aufhaltende Personen bestimmt sind, auf ein Begehren, das der diplomatische oder konsularische Vertreter des srsuchenden Staates an eine vom ersuchten Staat zu bezeichnende Behörde richtet. Das Begehren hat die Behörde, von der das Schriftstück ausgeht, ·den Namen und die Stellung der Parteien, die Adresse des Empfängers sowie ·die Art des Schriftstückes anzugeben und muss in der Sprache der ersuchten Behörde oder in französischer Sprache abgefasst sein.

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Die Behörde, an die das Begehren gerichtet ist, hat dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter die Urkunde, welche die Zustellung nachweist oder den die Zustellung hindernden Umstand angibt, zu übersenden. Im Falle örtlicher Unzuständigkeit wird sie das Begehren von Amtes wegen an die zuständige Behörde weiterleiten und den diplomatischen oder konsularischen Vertreter davon benachrichtigen.

Art. 2.

Die Zustellung liegt der zuständigen Behörde des ersuchten Staates ob.

Diese Behörde kann sich, ausgenommen in den im zweiten Absatz dieses Artikels vorgesehenen Fällen, darauf beschränken, die Zustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger zu bewirken, sofern er zur Annahme bereit ist.

Auf Verlangen der ersuchenden Behörde wird die ersuchte Behörde die Zustellung in den durch ihre innere Gesetzgebung für gleichartige Zustellungen vorgeschriebenen Formen oder in einer besondern Form bewirken, sofern diese ihrer Gesetzgebung nicht zuwiderläuft.

Im Falle der Zustellung gemäss dem vorstehenden Absatz muss die zuzustellende Urkunde immer von einer beglaubigten Übersetzung in der Sprache der ersuchten Behörde begleitet sein.

Art. 3.

Der Nachweis der Zustellung erfolgt entweder durch eine mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbescheinigung des Empfängers oder durch eine Bescheinigung der Behörde des ersuchten Staates, aus der sich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergibt.

Art. 4.

In Zivil- oder Handelssachen kann sich die gerichtliche Behörde eines der beiden- Vertragsstaaten, nach Massgabe ihrer Gesetzgebung, durch Ersuchsschreiben an die zuständige Behörde des andern Staates wenden, um innerhalb deren Geschäftskreises die Vornahme von Prozesshandlungen oder anderer gerichtlicher Handlungen zu verlangen.

Der diplomatische oder konsularische Vertreter des ersuchenden Staates übermittelt das Ersuchsschreiben der vom ersuchten Staat zu bezeichnenden Behörde. Er hat eine Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde beizufügen. Diese Übersetzung muss von einem diplomatischen oder konsularischen Agenten des ersuchenden Staates oder durch einen vereidigten Übersetzer des ersuchenden oder ersuchten Staates beglaubigt sein.

Die Behörde, an die das Ersuchsschreiben gerichtet ist, übersendet dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter die Urkunden, aus denen sich die Erledigung des Ersuchens ergibt, oder gibt ihm die Umstände bekannt, die die Erledigung hinderten. Im Falle örtlicher Unzuständigkeit wird sie das

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Ersuchsschreiben von Amtes wegen an die zustandige Behörde weiterleiten und den diplomatischen oder konsularischen Vertreter sofort davon benachrichtigen.

Art. 5.

Die Gerichtsbehörde, an die das Ersuchsschreiben gerichtet ist, ist verpflichtet, ihm zu entsprechen und dabei dieselben Zwangsmittel anzuwenden wie bei der Erledigung eines Ersuchsschreibens der Behörden des eigenen Landes. Sie braucht diese Zwangsmittel nicht anzuwenden, wenn es sich um das persönliche Erscheinen streitender Parteien handelt.

Die ersuchte Behörde wird bei Erledigung eines Ersuchsschreibens hinsichtlich des zu beobachtenden Verfahrens die Gesetze ihres Landes anwenden.

Sie kann jedoch, um dem Antrag des ersuchenden Staates zu entsprechen, nach besondern Eegeln verfahren, sofern dieses Verfahren der Gesetzgebung des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.

Die ersuchende Behörde ist auf ihr Verlangen von der Zeit und dem Ort der Erledigung des Ersuchsschreibens zu benachrichtigen, damit die beteiligte Partei ihr beiwohnen kann.

Art. 6.

Alle Schwierigkeiten, die sich aus einer vom diplomatischen oder konsularischen Vertreter verlangten Zustellung oder aus einem von diesem Vertreter übermittelten Ersuchsschreiben ergeben könnten, werden auf diplomatischem Wege erledigt.

Art. 7.

Die Erledigung einer Zustellung oder eines Ersuchsschreibens kann abgelehnt werden, wenn der Staat, auf dessen Gebiet sie hätte erfolgen sollen, sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte, seine Sicherheit oder die öffentliche Ordnung zu verletzen. Ausserdem kann die Erledigung eines Ersuchsschreibens abgelehnt werden, v/enn die Echtheit der Urkunde nicht feststeht oder wenn im ersuchten Staate die Erledigung nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt.

Art. 8.

Für die Erledigung von Zustellungen und von Ersuchsschreiben dürfen Kosten oder Gebühren irgendwelcher Art nicht in Anrechnung gebracht werden.

Jedoch ist der ersuchte Staat berechtigt, vom ersuchenden Staat Ersatz zu verlangen: a. für die den Zeugen und Sachverständigen bezahlten Entschädigungen; li. für die Kosten, welche für die wegen Nichterscheinens eines Zeugen erforderlich gewordene Mitwirkung eines Vollziehungsbeamten entstanden sind;

321 c. für die Kosten, welche durch die allfällige Anwendung eines besondern Verfahrens für die Erledigung von Zustellungen oder von Ersuchsschreiben entstanden sind.

Art. 9.

;

Jeder der vertragschliessenden -Staaten ist berechtigt,- durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter Zustellungen an seine, auf dem Gebiet des andern S taates sich aufhaltenden Angehörigen unmittelbar und ohne Anwendung von Zwang vornehmen zu lassen. Sofern sich aus der Anwendung dieses Artikels Schwierigkeiten ergeben, so wird nach den Vorschriften de's Art. l verfahren.

.

Art. 10.

; ' · " Diese Übereinkunft soll ratifiziert werden und die Ratifikationsurkunden sollen baldmöglichst in Bern ausgetauscht werden.

Die Übereinkunft tritt einen Monat nach dem Austausch der Eatifikationsurkunden in Kraft und bleibt nach der Kündigung, die jederzeit erfolgen kann, noch 6 Monate in Geltung.

Zu Urkund dessen habendie Bevollmächtigten diese Übereinkunft unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

So geschehen, in Athen/in doppelter Ausfertigung, am SO.März eintausendneunhundertvierunddreissig.

(L. S.)

(L. S.)

'

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gez.: C.C. Jenny.

gez.: D. Maximos

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Übereinkunft mit Griechenland über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen. (Vom 21.

September 1934.)

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26.09.1934

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