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Bundesversammlung.

Die vereinigte Bundesversammlung hat am 28. März 1934 Herrn Philipp Et t er, Ständerat und Regierungsrat, von Menzingen, in Zug, als Mitglied des Bundesrates gewählt, an Stelle des zurückgetretenen Herrn Dr. J. M. Musy.

Vor der Wahl hat Herr Schüpbach, Vizepräsident des Nationalstes, folgende Ansprache gehalten: Meine Herren!

Im Dezember 1919 wurde Nationalrat Dr. Jean-Marie Musy durch das Zutrauen der grossen Mehrheit der Bundesversammlung als Nachfolger des Herrn Ador in die oberste Landesbehörde berufen. Über 14 Jahre hat er dorn Schweizerlande und dem Schweizervolke gedient : und -- ich stelle das. an dio Spitze meiner kurzen Würdigung seiner Tätigkeit in der Eidgenössischen Exekutive --- mit seiner ganzen Kraft und mit aller Hingebung gedient.

Der erfolgreiche Reorganisator der finanziellen und -wirtschaftlichen Situation seinesHeimatkantons^ war zum Leiter derBundesfinanzenn prädestiniert. Er brachte das für dieses AmtunerlässlicheeRüstzeugg mit: grosse Intelligenz, reiche Erfahrung in finanziellen und administrativen Dingen, eine unverwüstliche Arbeitskraft, eine ausgeprägte Verantwortungsfreudigkeit undeineo Beredsamkeit, die zu überzeugen versteht. Der neueFinanzministerr fand eine schwierige Lage derBundesfinanzenn vor. Die Kriegs- und Nachkriegs jähre hatten die Schulden des Bundes vermehrt und dieStaatsrechnungg aus dem Gleichgewichte gebracht. Das Budget des ersten Amtsjahres des Herrn Musy wies ein Defizit von 127 Millionen Franken auf. Weit entfernt davon, sich durch diese unerfreuliche Situation entmutigen zu lassen, stellte der neueFinanzcheft entschlossen sein Programm auf: rasche Herbeiführung des finanziellen Gleichgewichts und Amortisation der Staatsschuld nach einem festen Plane.

Mit hoher Anerkennung dürfen wir heute feststellen, dass Herr Bundesrat Musy dieses Programm restlos erfüllt hat. Dass eine allgemeine wirtschaftliche Erholung ihm dabei zu statten kam, sei zugegeben. Aber ohne die zielbewusste.

sachkundige und nie ermüdende Arbeit des Vorstehers des Finanzdepartements wäre es nicht möglich gewesen, binnen 7 Jahren d a s grosse Defizit i n in die richtigen Bahnen zulenken., Mit der Erneuerung der ursprünglich als, einmalig vorgesehenenKriegssteuer,, mit der Erhöhung der Zölle und mit der Einfuhrung der Stempelsteuer wurden die Einnahmen vermehrt, und in den
Ausgaben wurde nach Möglichkeit Mass gehalten.

Seit die grossen Wogen der Wirtschaftsnot über die Welt gehen, sind dem Hüter unserer Landesfinanzen Aufgaben erwachsen, die an seine geistige und körperliche Leistungsfähigkeit die allerhöchsten Anforderungen stellten. Es

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war ein Glück für unser Land, dass der Mann, der an dieser Stelle stund, es sich zum Grundsatze gemacht hatte, den Schwierigkeiten nicht auszuweichen, sondern sie ohne Furcht und ohne Zaudern za überwinden. Mit vollem Kecht hat Bundesrat Musy in diesen schweren Zeiten hoch über alle andern Fragen die Erhaltung des Landeskredits und die Sicherung unserer Währung gestellt.

Diesem Zwecke diente namentlich auch sein Finanzprogramm, das geeignet ist, für die kommende Zeit Ordnung in die Bundesfinanzen zu bringen, und das sein Urheber allen Widerständen zum Trotz durchgesetzt hat.

Wenn Landeskredit und Landeswährung bis heute intakt geblieben sind und, was wir alle mit begründeter Zuversicht erhoffen, auch intakt bleiben, so kommt ein Hauptverdienst dabei Herrn Bundesrat Musy zu.

Ich kann in diesem Saale, wo die amtliche Tätigkeit des Herrn Bundesrat Musy allen bekannt ist, darauf verzichten, alle gesetzgeberischen oder sonstigen Massnahmen. bei denen der scheidende Bundesrat in entscheidender Weise beteiligt war, aufzuführen. Wie sehr er sich auch für Fragen, die nicht oder nicht in erster Linie fiskalischer Natur waren, interessierte und sorgte, beweisen unter anderm die Getreideordnung und die Erweiterung des Alkoholmonopols, denen er zu Gevatter stund. Dass ein Mann von den glänzenden Geistesgaben dem Kainpfwillen, der scharfen Klinge und dem Temperamente des Herrn Musy auch Gegenkämpfer auf den Plan rief, kann nicht verwundern. Es ist noch nie ein Staatsmann, dem die unpopuläre Aufgabe zufiel, die Einnahmen zu vermehren und die Ausgaben zu vermindern, unangefochten geblieben.

Lang andauernde Krisenzeit reizt noch besonders zur Kritik an don Männern, die regieren, und das Volk ist in politisch aufgeregter Zeit nur allzu leicht geneigt, wenn auch nur vorübergehend, die Dienste zu vergessen, die seine obersten Diener ihm geleistet haben. Diese Feststellung trifft, wie wir alle wissen, nicht allein für Herrn Bundesrat Musy zu.

Um so mehr ist es Pflicht derjenigen, welche die Tätigkeit eines Staatsmannes aus nächster Nähe beobachten konnten, in ihrem Urteile gerecht zu sein.

Deshalb wollen wir im Momente, da Herr Bundesrat Musy das Steuer einer andern Hand uberlässt, Aussetzungen an Einzelheiten beiseite lassen und vor dem ganzen Volke eines bezeugen: Der scheidende Staatsmann ist ein überzeugter
Patriot; er hat nie etwas anderes gewollt, als was dem Lande und Volke frommte; er hat in schwieriger Zeit dem Lande Dienste von grosstem Werte erwiesen und sich damit wohlbegründeten Anspruch auf bleibenden Dank gesichert.

Wir wünschen dem verdienten Magistraten von Herzen, dass er Gesundheit und Kraft, die im harten Dienste des Staates gelitten haben, bald wieder 1'inden möge.

Die Frühjahrsession ist am Mittwoch, den 28. März 1934, geschlossen worden. Die Übersicht der Verhandlungen wird nächstens dem Bundesblatt beigelegt werden.

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04.04.1934

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