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Bundesblatt

86. Jahrgang.

Bern, den 12. Dezember 1934.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, IO Franken im Saltjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgetühr.

Einrncftangsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stäaipfli £ de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ratifikation des von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommens über den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben.

(Vom 7. Dezember 1984.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die dritte Internationale Arbeitskonferenz, die im Herbst 1921 in Genf tagte, hat unter anderm den Entwurf eines Übereinkommens über den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben aufgestellt (Wortlaut siehe Beilage II).

.Wie der Bundesrat in seinen Botschaften vom 4. Mai 1923 über die dritte und vierte Internationale Arbeitskonferenz und vom 27. Mai 1980 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die wöchentliche Buhezeit *) ausführte, konnte die Schweiz dem Übereinkommen einstweilen nicht beitreten, da noch nicht alle Betriebe, auf die es sich bezog, bundesrechtlichen Bestimmungen über die wöchentliche Euhezeit unterstellt waren. Es fehlten solche Vorschriften für die dem Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken nicht unterstehenden gewerblichen und industriellen Betriebe.

Nachdem nun am 26. September 1931 das Bundesgesetz über die wöchentliche Euhezeit erlassen und dieses auf den 1. September 1934 in Kraft gesetzt wurde **), hat sich die Eechtslage geändert. Das neue Gesetz füllt die seinerzeit bestandene Lücke aus, indem es den wöchentlichen Euhetag von Bundes ·wegen unter anderem für die Betriebe des Handwerks und der Industrie einführt, soweit diese Betriebe nicht bereits unter das Fabrikgesetz fallen. Damit werden alle «gewerblichen Betriebe» im Sinne des Übereinkommens von der auf den wöchentlichen Euhetag sich erstreckenden Bundesgesetzgebung erfasst.

-:) Bundesbl. 1923, Bd. II, S. 62; 1930. Bd. I, S.^499.

**) A. S. 50, 453.

Btmdesblatt. 86. Jahrg. Bd. III.

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Der Bundesrat erklärte denn auch in seiner Botschaft vom 27. Mai 1930 zu diesem Gesetz, das ja nicht zuletzt mit Eücksicht auf die internationale Stellung der Schweiz erlassen wurde, es werde die Grundlage bilden für die Batifikation des Übereinkommens, und es wurde in Aussicht genommen, dem Parlament nach dem Inkrafttreten des Gesetzes den formellen Antrag auf den Beitritt unseres Landes zu dem Übereinkommen zu stellen.

Auch in bezug auf die Einzelbestimmungen entspricht jetzt die Bundesgesetzgebung den Erfordernissen des Übereinkommens. Hierüber sei in aller Kürze folgendes gesagt.

Das Übereinkommen stellt in Art. 2 für den Arbeitnehmer den Grundsatz einer wöchentlichen Buhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden innerhalb eines Zeitraumes von sieben Tagen auf. Dieser Grundsatz ist sowohl durch das Fabrikgesetz, das als Eegel die Sonntagsarbeit verbietet (Art. 51), als auch durch das Buhezeitgesetz verwirklicht, das (in Art. 5, Abs. 1) die Vorschrift des Übereinkommens fast wörtlich genau wiedergibt. -- Das Übereinkommen sieht in Art. 4 die Gewährung von Ausnahmen von jenem Grundsatz vor, wobei aber soweit als möglich Ersatzruhezeiten für die erfolgte Aufhebung oder Kürzung der Bullezeit einzuräumen sind (Art. 5).

Sowohl das Pabrikgesetz als auch das Buhezeitgesetz gestatten solche Ausnahmen; beide tragen aber auch dafür Sorge, dass für die ausgefallene oder verkürzte wöchentliche Buhezeit im Bahmen des Möglichen eine Ersatzruhe zu gewähren ist (Fabrikgesetz Art. 54, Abs. 2 bis 4, Buhezeitgesetz Art. 7, 8, Abs. 3). Auch in dieser Beziehung wird den Postulaten des Übereinkommens Bechnung getragen. -- Art. 7 des Übereinkommens behandelt die Kontrollmassnahmen. Das Fabrikgesetz enthält entsprechende Bestimmungen in Art. 44 sowie in Art. 141 der dazugehörigen Vollzugsverordnung. Was das Bundesgesetz über die wöchentliche Buhezeit betrifft, so finden die Grundsatze des Übereinkommens ihre Verwirklichung in den Art. 10und26 der am 11. Junil934 erlassenenVollziehungsverordnung*), die im Sinne von Art. 7 des Übereinkommens diejenigen Vorschriften aufstellen, welche eine wirksame Kontrolle ermöglichen und damit die Durchführung des Grundsatzes des wöchentlichen Buhetages sicherstellen.

Die Voraussetzungen für die Batifikation durch die Schweiz sind also jetzt gegeben, und das
Übereinkommen sollte bald ratifiziert werden; bis jetzt haben vierundzwanzig Staaten die Konvention ratifiziert.

Gemäss Art. 13 des Übereinkommens kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet vom Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, gekündet werden; die Wirkung der Kündigung tritt ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat des Völkerbundes ein. Da somit das Übereinkommen befristet und nicht für die Dauer von mehr als fünfzehn Jahren abgeschlossen ist, unterliegt der Bundesbeschluss nicht dem Beferendum.

·-) A. S. 50, 460.

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Wir ersuchen Sie, uns die Ermächtigung zur Eatifikation durch die Annahme des beiliegenden Entwurfs eines Bundesbeschlusses (Beilage I) zu erteilen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern , den T.Dezember 1934.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

Beilagen : I. Beschlussentwurf.

II. Übereinkommen.

(Entwurf.)

Beüage I.

Bimdesbeschluss betreifend

die Ratifikation des von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommens über den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 7. Dezember 1934, beschliesst : Einziger Artikel.

Der Bundesrat wird ermächtigt, das von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossene Übereinkommen über den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben zu ratifizieren.

844 Übersetzung.

Beilage u.

Übereinkommen über den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben1).

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben, eine Frage, die zum siebenten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Entwurfes eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt den folgenden Entwurf eines Übereinkommens an zwecks Eatifikation durch die Mitgliederder Internationalen Arbeitsorganisation, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge: Artikel 1.

Als «gewerbliche Betriebe » im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere : a. Bergwerke, Steinbräche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen ; b. Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt oder verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich des Schiffsbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität und sonstiger motorischer Kraft irgendwelcher Art; G. der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Hafendämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschifffahrt, Strassen, Tunneln, Brücken, Strassenüberführungen, Abwässerkanälen, Brunnenschächten, Telegraphen- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas- und Wasserwerken und anderen Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Fuiidierungsarbeiten; ') Der nachfolgend abgedruckte deutsche Text bildet die auf Wunsch der Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in Übereinstimmung mit dem § 17 des Artikels 6 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigte offizielle Übersetzung des französischen und englischen Urtextes.

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d. die Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen, Eisenbahnen, Binnengewässern, einschliesslich des Verkehrs mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen. Werften und in Lagerhäusern, jedoch mit Ausnahme der Handbeförderung.

Diese Aufzählung gilt unter Vorbehalt der besonderen Ausnahmen für einzelne Länder, die in dem Übereinkommen von Washington betreffend die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf acht Stunden täglich und achtundvierzig Stunden wöchentlich vorgesehen sind, soweit diese Ausnahmen auf das vorliegende Übereinkommen anwendbar sind.

In Ergänzung der vorstehenden Aufzählung kann jedes Mitglied erforderlichenfalls die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft andererseits bestimmen.

Artikel 2.

Allen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder deren Nebenbetrieben beschäftigten Personen ist unter Vorbehart der in den nachstehenden Artikeln festgesetzten Ausnahmen innerhalb eines Zeitraumes von sieben Tagen eine Buhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Diese Buhezeit ist soweit wie möglich dem ganzen Personal des Betriebes gleichzeitig zu gewähren.

Sie ist derart festzusetzen, dass sie soweit wie möglich auf die durch Herkommen oder Brauch des Landes oder der Gegend bestimmten Buhetage fällt.

Artikel 3.

Jedes Mitglied kann von der Vorschrift des Artikels 2 Personen in gewerblichen Betrieben ausnehmen, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.

Artikel 4.

Jedes Mitglied kann, gänzlich oder teilweise, Ausnahmen von den Bestimmungen des Artikels 2 zulassen (einschlLsslich Aufhebung und Verkürzung der Buhezeiten). Hierbei soll es berechtigten Erwägungen der Menschlichkeit einerseits, der Wirtschaftlichkeit andererseits besonders Bechnung tragen.

Falls zuständige Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehen, sollen sie angehört werden.

Diese Anhörung ist nicht erforderlich für Ausnahmen, die bereits gesetzlich festgelegt sind.

Artikel 5.

Jedes Mitglied hat soweit wie möglich Bestimmungen zu treffen, die eine Ersatzruhezeit für Aufhebungen und Kürzungen nach Artikel 4 gewähren, es sei denn, dass Vereinbarungen oder Ortsgebräuche solche Buhezeiten bereits vorsehen.

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Artikel 6.

Jedes Mitglied hat ein Verzeichnis der auf Grund der Artikel 3 und 4 dieses Übereinkommens zugelassenen Ausnahmen aufzustellen und es dem Internationalen Arbeitsamte zu übermitteln. Änderungen des Verzeichnisses sind in der Folge alle zwei Jahre mitzuteilen.

Das Internationale Arbeitsamt erstattet über diesen Gegenstand der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation einen Bericht.

Artikel 7.

Um die Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu erleichtern, wird jeder Arbeitgeber, Betriebsleiter oder Geschäftsführer verpflichtet : a. falls die wöchentliche Euhezeit dem. gesamten Personal gleichzeitig gewährt wird, durch Anschläge an gut sichtbarer Stelle im Betrieb oder an einem anderen geeigneten Ort oder auf eine sonst von der Eegierung genehmigte Weise Tage und Stunden der gemeinsamen Euhezeit bekanntzugeben ; 1). falls die Euhezeit dem gesamten Personal nicht gleichzeitig gewährt wird, diejenigen Arbeiter oder Angestellten, deren Euhezeit besonders geregelt ist, in einem nach gesetzlicher oder behördlicher Vorschrift aufzustellenden Verzeichnisse namhaft zu machen und darin die Art der Eegelung der Euhezeit bekanntzugeben.

Artikel 8.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der anderen Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 9.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Eatifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Eatifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist Artikel 10.

Sobald die Eatifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Eatifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

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Artikel 11.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikel 3 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Besimmungen der Artikel l, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 spätestens am 1. Januar 1924 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 12.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrage« von Versailles und der entsprechenden Artikel der anderen Friedensverträge anzuwenden.

Artikel 13.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generalsekretär des Völkerbundes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Durchsicht oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

-··S-OSä-

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ratifikation des von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommens über den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben. (Vom 7. Dezember 1934.)

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