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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die sogenannten Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen.

(Vom 4. Juni 1934.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die sogenannten Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen mit folgender Botschaft vorzulegen.

I. Wesen und Entwicklung des ,,Bausparens".

1. Das Bausparwesen.

Bis vor kurzem waren in der Schweiz Banken und Versicherungsgesellschaften neben privaten Geldgebern fast die ausschliesslichen Träger des Hypothekarkredites. In den letzten Jahren jedoch ist eine neue Art von Darlehensunternehmungen dazu getreten : die sogenannten Bausparkassen. Diese Kassen, wie sie heute in der Schweiz tätig sind, bezwecken den Zusammenschluss von Personen zu einer Spargemeinschaft, die ermöglichen soll, aus dein zusammengelegten Kapital denselben Personen Tilgungsdarlehen zur Ablösung von Hypotheken oder zum Bau von Häusern, vornehmlich von Eigenheimen, zu gewähren.

Einzelne Kassen sehen vor, auch Kapital, welches nicht von Darlehensanwärtern stammt, herbeizuziehen. Bis heute sind allerdings die in der Schweiz tätigen Gesellschaften grösstenteils auf die Einlagen der Kreditsuchenden selber angewiesen. Dies schon deshalb, weil sie ohne oder nur mit bescheidenem Zins rechnen, so dass kein Anreiz besteht, ohne die Absicht auf ein Darlehen Geld bei ihnen anzulegen. Als Geldgeber kommen nur die Darlehensanwärter selber in Betracht, welche darauf rechnen, die Zinseinbusse der Einlagen auf der Zinsersparnis des in Aussicht stehenden Darlehens wieder einzubringen. Die Darlehen werden den Anwärtern nach Massgabe der vorhandenen Mittel «zugeteilt». Zur Zuteilung kommen jeweilen diejenigen Anwärter, bei denen

449 die Summe ihrer Einlagen; multipliziert mit der Zeit, seit welcher diese bereits einbezahlt wurden, im Verhältnis zur Vertragssumme den grössten Wert erreicht.

Die Wartezeit, d.h. die Zeit, während welcher der Kreditsuchende auf sein Darlehen warten muss, ist naturgemäss nicht voraus bestimmbar^ weil sie vor allem abhängig ist von der Entwicklung des Gesamtbestandes an Anwärtern und Darlehenstilgern, die das Kapital für die neuen Darlehen aufzubringen haben. Die Zuteilung kann unter Umständen, namentlich im Anfang, wenn verhältnismässig viele Darlehensanwärter zu den bereits vorhandenen treten, sehr bald erfolgen, sie kann aber auch mehrere Jahre auf sich warten lassen. Die sich aus dem System ergebende Unmöglichkeit eines planmässigen Disponierens bedeutet für den Darlehensanwärter einen erheblichen Nachteil gegenüber der bankmässigen Mittelbeschaf fang. Verschiedene. Kassen versuchen diesen Mangel dadurch zu mildern, dass sie sogenannte Überbrückungskredite zu banküblichem Zinsfuss gewähren, die dann später durch das definitive Darlehen abgelöst werden. Die Einräumung derartiger Zwischenkredite ist korrekterweise nur in dem Umfange möglich, als die Kasse sich hiefür Mittel verschaffen kann, ohne die von den Kreditsuchenden selber angesammelten Gelder anzutasten. Ob dieser Forderung durchwegs Eechung getragen wird, erscheint fraglich.

Die Gewährung von Darlehen an einzelne Anwärter erfolgt aus der Vermögensmasse, die aus den Leistungen der Mitglieder gebildet wird. Diese Leistungen bestehen in Anzahlungsraten bis zum Zeitpunkt der Darlehenszuteilung und in Tilgungsraten nach erfolgter Darlehensauszahlung. Da diese regelmässig zu entrichtenden Ratenzahlungen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder angemessen sein müssen, ist die Zusammenfassung einer Mehrzahl von Mitgliedern notwendig, damit ein einziger Darlehensanwärter befriedigt werden kann.

Bei der Aufstellung des Geschäftsplanes bieten sich hinsichtlich der Bemessung und Abstufung der Leistungen zahlreiche Möglichkeiten. Trotz aller Verschiedenheiten von Kasse zu Kasse lassen sich doch gewisse einheitliche Grundzüge erkennen- So bildet regelmässig ein Minimum eigener Leistungen die Voraussetzung für die Zuteüungsberechtigung. Diese Vorschrift dient zunächst der Begrenzung des Eisikos bei der Darlehensgewährung. Wenn dabei
zumeist die Aufbringung des Mindestbetrages innert verhältnismässig kurzer Zeit verlangt wird, so ist hiefür freilich noch eine andere Überlegung entscheidend.

Bei jungen Unternehmungen bilden nämlich diese Grundanteile die Hauptquelle für die Darlehensgewährung. Die nur langsam und in kleinen Beträgen fliessenden monatlichen Anzahlungen, die jeweilen bis zur Zuteilung zu entrichten sind, und die Tilgungsraten nach Erhalt des Darlehens treten zunächst an Bedeutung hinter den als Grundanteile eingehenden Beträgen zurück.

Worin liegt unter den gegebenen Verhältnissen ein wirtschaftlicher Eechtfertigungsgrund dieser Kreditinstitute in unserem Lande? Offenbar wohl darin, dass diese Institute versuchen, auf ihre Weise zur Lösung des Problems

450 der nachstelligen Hypothek beizutragen. Das gleiche Ziel verfolgen ja auch die Bürgschaftsgenossenschaften, Während es sich aber diese zur Aufgabe machen, die individuelle Bürgschaft mit ihren Mängeln und Nachteilen durch die Bürgschaft der Genossenschaft zu ersetzen, schalten die «Bausparkassen» die Bürgschaft gänzlich aus, indem sie das Kreditrisiko auf die Gesamtheit der Darlehensanwärter abwälzen. Bei den Bürgschaftsgenossenschaften sowohl wie bei den «Bausparkassen» wird das Bisiko primär durch das Eigenkapital der Institutionen getragen. Der hauptsächlichste Anreiz für Darlehensuchende; sich einer solchen Kasse zuzuwenden, besteht im b ü r g s c h a f t s f r e i e n Darlehensangebot. A.n Stelle der Bürgschaftssicherheit setzen sie die Zwangstilgung.

Soweit die Darlehensgewährung durch die Kasse auch diejenigen Beträge umfasst, die normalerweise als innerhalb der Grenzen der ersten Hypothek liegend betrachtet werden können, fällt der wirtschaftliche Bechtfertigungsgrund dahin, der mit Bezug auf die Finanzierung der Nach gangsforderungen ins Feld geführt werden kann. Die Organisation des erststelligen Hypothekarferedits hat in unserem Land eine derart hohe Stufe der Entwicklung und Ausgestaltung erreicht (Kantonalbanken, Sparkassen und Pfandbrief), dass auf diesem Gebiet durch die neuen Kassen jedenfalls nichts besseres geboten werden kann.

Die «Bausparkassen» wollen die E'igenheimbewegung fördern. Die Möglichkeit, die für den Bau oder Erwerb eines Eigenheims notwendigen Mittel beschaffen zu können, ohne dass Bürgschaft geleistet werden muss, ist als nicht unwesentlicher Faktor zu werten.

2. Entwicklung and Bedeutung des Bausparwesens im Ausland und in der Schweiz.

Das Bausparwesen, das in England schon seit dem 18. Jahrhundert und in Amerika seit Anfang des 19. Jahrhunderts zu Hause ist, blieb auf dem europäischen Kontinent bis in die Nachkriegszeit hinein so gut wie unbekannt.

In den angelsächsischen Ländern beherrschen die «Building societies», die dort die Stelle von Hypothekenbanken innehaben und wie solche aufgebaut sind, den Hypothekarkredit weitgehend und sie sind gleichzeitig die bedeutendsten Sparinstitute. In England z. B. sind bei diesen Instituten zurzeit rund 500 Millionen Pfund Sterling Spargelder angelegt. Dabei ist nicht zu übersehen, dass sie mit Geldern von Sparern
arbeiten, die nicht von vorneherein Darlehen anbegehren, dass für sie deshalb auch das Wartezeitproblem nicht existiert und es sich also bei ihnen im Gegensatz zu den neuern Unternehmungen nach deutschem Muster nicht bzw. nicht mehr um Selbsthilfeorganisationen handelt. Die Bedeutung der angelsächsischen «Building societies» liegt nicht darin, dass sie etwa besonders günstige Zinsbedingungen einräumen, sie ist vielmehr darin so. suchen, dass diese Institute eine wichtige Quelle für die Einanîîierung des Wohnbedarfs bilden und gewissermassen den Erwerb von Eigenheimen auf Abzahlung ermöglichen.

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Die deutschen Bausparkassen gehen in ihrem Ursprung auf die Kapitalvernichtung durch die Inflation zurück. Durch «kollektives Sparen» suchte man die Mittel zusammenzubringen, die der Kapitalmarkt nicht zur Verfügung stellen konnte. Man verfiel auf den Gedanken, im Eahmen der Bausparkasse «inen eigenen, isolierten Markt zu schaffen, da auf eine Verbindung mit dem erschöpften Kapitalmarkt verzichtet werden musste. Die erhebliche Wohnungsnot und die Unmöglichkeit der Beschaffung von Hypothekarkredit zu tragbaren Bedingungen bildeten einen günstigen Nährboden für die Bausparkassen, deren erste im Jahre 1924 ins Leben gerufen wurde. Ihre Zahl in Deutschland schwoll bald mächtig an. Nach der gesetzlichen Eegelung im Jahre 1981mussten allerdings viele Kassen den Betrieb aufgeben, und heute arbeiten im Deutschen Eeich noch rund 150 Unternehmungen, die gegen 600 Millionen Eeichsmark an Krediten gewährt haben. Auch in Österreich und Schweden wurden solche Kassen mit Erfolg ins Leben gerufen, und neuerdings sollen auch in Bulgarien ähnliche Unternehmungen gegründet worden sein. In den romanischen Ländern auf dem Kontinent hat das Bausparwesen bis heute noch nicht Einzug gehalten.

In der Schweiz bestehen unseres Wissens zurzeit ein Dutzend «Bauspar»Gesellschaften, zum Teil Genossenschaften, zum Teil Aktiengesellschaften. Die erste Kasse wurde im Jahre 1980 gegründet. Massgebend für die Entwicklung des Bausparwesens in der Schweiz war vor allem die Entwicklung in Deutschland. Besonders im Anfang waren die schweizerischen Kassen reine Nachbildungen der deutschen Bausparkassen. Mit der Zeit haben sie sich etwas von ihren ursprünglichen Vorbildern gelöst, zum Teil auch Gedanken aus dem angelsächsischen System übernommen. Im grossen und ganzen sind aber die schweizerischen Kassen auch heute noch den deutschen Kassen nachgebildet, so insbesondere sind es durchwegs Selbstbilfeorgamsationen mit unbestimmter Wartezeit, die sich ihre Gelder fast ausschliesslich von den Darlehensuchenden selber beschaffen. Wie viele Mitglieder in diesen Kassen zusammengeschlossen sind, lässt sich vorderhand nicht zuverlässig feststellen. Diese Institute sind wohl freigebig mit Propaganda- und Eeklamematerial, wogegen Zahlen über Mitgliederbestand und Geschäftsumfang nur spärlich und zögernd bekanntgegeben werden. Auf Ende des Jahres
1938 kann die Zahl der bei diesen Gesellschaften angeschlossenen Personen in der Schweiz auf etwa 15,000 geschätzt werden.

Von diesen werden rund 10 Prozent ihre nachgesuchten Darlehen im Gesamtbetrage von etwa 25 bis 80 Millionen Franken erhalten haben, während für die Erfüllung der weitern Kreditbegehren von wohl gegen 300 Millionen Pranken die Gelder noch aus den Einlagen der jetzigen und zukünftigen Anwärter und aus den Abzahlungen der Darlehensnehmer zusammengelegt werden müssen.

Die sogenannten Zwecksparkassen, die Darlehen auch ohne hypothekarische Sicherheit gewähren, spielen bei uns nur eine untergeordnete Eolle ; bis dahin wurden sechs solche kleinere Unternehmungen bekannt.

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II. Die Gesetzgebung m England and Deutschland.

Sowohl in England als auch in Deutschland, den beiden Hauptzentren des Bausparens in Europa, ist eine besondere gesetzliche Begelung dieser Materie notwendig geworden. Das erste englische Gesetz datiert vom Jahre 1886, das heute geltende Gesetz von 1874 und 1894. Dieses Gesetz legt den Gesellschaften die Pflicht ob, ihre Statuten der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen und jährlich Bericht zu erstatten sowie ihre Beatmungen prüfen zu lassen.

Von den Gesellschaften wird verlangt, dass sie Nachgangshypotheken nur in solchen Fällen finanzieren, in denen auch die erste Hypothek von der Kasse gewährt wurde. Diese Vorschrift, die sich wohl aus der besondern Struktur des englischen Bankwesens erklärt, steht z. B. direkt im Gegensatz zu den Bedürfnissen im schweizerischen Hypothekarwesen. Materielle Vorschriften über den Geschäftsbetrieb enthält das englische Gesetz im übrigen nicht.

Das deutsche Beichsgesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen ist datiert vom 6. Juni 1981 und ist auf 1. Oktober 1981 in Kraft getreten. Das deutsche Gesetz beschränkt sich in der Hauptsache auf organisatorische Bestimmungen, wie Vorschriften für die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, Bestellung eines Vertrauensmannes für jede Kasse und Errichtung eines Beirates für Bausparkassenfragen beim Beichsaufsichtsamt für Privatversicherung. Auch Strafvorschrifteii sind im Gesetze enthalten. Das Beichsaufsichtsamt hat im Jahre 1982 allgemeine Spar- und Darlehensbedingungen für Bausparkassen veröffentlicht. Diese Bedingungen sollen als Bichtlinien für die Prüfung der Geschäftspläne dienen; sie gehen aber materiell so stark in die Einzelheiten hinein, dass damit zweifellos eine starke Uniformierung des deutschen BauSparwesens in die Wege geleitet wird.

III. Die bisherigen Bestrebungen zu einer gesetzlichen Regelung in der Schweiz.

Durch eine Eingabe vom 18. August 1931 machte das Schweizerische Bauernsekretariat unser Justiz- und Politfeidepartement auf die - Tätigkeit der «Bausparkassen» aufmerksam und ersuchte um Prüfung der Frage, ob der Betrieb dieser Unternehmungen gestattet sei. Seither gingen bei den Bundesbehörden zahlreiche Antragen und Eingaben von kantonalen Behörden, privaten Organisationen und Interessenten ein, die den Wunsch weitester Kreise nach Aufklärung über diese Unternehmungen kund taten. Auch kam in einer Beihe von kantonalen Bäten durch Motionen oder Interpellationen die Frage einer Beaufsichtigung dieser Institute zur Sprache. Ina Nationalrat reichte Herr Gnägi am 18. September 1931 eine Kleine Anfrage ein, die sich auf diese neuen Unternehmungen bezog.

Die beteiligten Departemente nahmen im August 1931 die Prüfung der Bausparkassenfrage an die Hand. Nachdem das Finanz- und Zolldepartement

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und das Versicherungsamt sich einlässlich über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen geäussert hatten, erstattete das Justiz- und Polizeidepartement dem Bundesrat einen Bericht, der in der Hauptsache zum Schlüsse gelangte, dass der Geschäftsbetrieb dieser Kassen weder durch daa Lotteriegesetz noch durch die Gesetzgebung über die Versicherungsaufsicht ert'asst werde und dass der Bundesrat keine Möglichkeit habe, um durch Verordnung Massnahmen über den Betrieb solcher Kassen zu treffen. Der Erlass eines sich auf Art. 34ter der Bundesverfassung stützenden Bundesgesetzes empfehle sich nicht, weil dieser Weg zu zeitraubend wäre und weil die Bedeutung dieser Institute nicht derart sei, dass sie den Erlass eines besondern Gesetzes rechtfertigen würde. Dagegen seien die Kantone in der Lage, mit Schutz- und Kontrollmassnahmen rechtzeitig einzugreifen, soweit sie es für notwendig erachten. Den kantonalen Behörden könne auf Wunsch die Mitwirkung der eidgenössischen Verwaltungsorgane bei der Prüfung der Geschäftspläne zur Verfügung gestellt werden. Der Bundesrat nahm am 27. Mai 1932 von diesem Bericht in zustimmendem Sinne Kenntnis. Seine Stellungnahme wurde im Nationalrat anlässlich der Behandlung des Geschäftsberichtes für das Jahr 1981 eingehend dargelegt und auch durch eine amtliche Mitteilung an die Presse zur Kenntnis der Öffentlichkeit gebracht.

Am 21. Dezember 1982 reichte Herr Nationalrat Gadient folgendes Postulat ein: «Die Bausparkassen, die erst vor zwei Jahren Eingang fanden indie Schweiz, haben sich seither rasch entwickelt. Es besteht die Gefahr, dass durch leichtfertige Gründungen Bauspargelder verloren gehen, wodurch auch seriös geleitete Kassen in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Der Bundesrat wird daher eingeladen, die Frage zu prüfen und Bericht au erstatten, ob nicht mit tunlicher Beschleunigung ein eidgenössisches Gesetz zu schaffen sei, das die Bausparkassen der Aufsicht des Bundes unterstellt.» Nach Eingang dieses Postulates richtete das Justiz- und Polizeidepartement eine Anfrage an die Kantonsregierungen, um sich über den Stand der Bausparkassenbewegung in den einzelnen Kantonen zu orientieren und zu erfahren, ob die Kantone Massnahmen ergriffen haben oder zu ergreifen gedenken. Aus den Antworten ergab sich, dass zwar in einer Eeihe von Kantonen die Tätigkeit dieser Institute noch
unbedeutend war und dass dort deshalb noch kein Bedürfnis nach einer Eegelung dieser Geschäfte bestand. In den andern Kantonen hatte aber eine intensivere Tätigkeit und eine starke Propaganda dieser Institute eingesetzt und war das Bedürfnis nach einer Beaufsichtigung ihres Geschäftsbetriebes unzweifelhaft vorhanden. Die Regierungen dieser Kantone sprachen sich dahin aus, dass eine bundesrechtlicbe Eegelung nötig sei, da die Kassen ihre Tätigkeit durchwegs über die Grenzen des Kantons ihres GeschäftsSitzes ausdehnen. Am 27, September 1933 hat der Nationalrat das Postulat Gadient angenommen.

Unterdessen war die Vorbereitung eines Bankengesetzentwurfes an die Hand genommen worden. Schon die Vorentwürfe enthielten einen Artikel,

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der die Grundlage für eine bundesrätliche Verordnung über die sogenannten Bausparkassen schaffen sollte. Der bundesrätliche Entwurf vom 2. Februar 1934 zum Bankengesetz sah folgenden Artikel 80 vor: «Bis zum Erlass eines Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung der sogenannten Bausparkassen und ähnlicher Kreditorganisationen ist der Bundesrat ermächtigt, durch Verordnung Vorschriften über die Geschäftsführung dieser Unternehmen sowie die erforderlichen Strafbestimmungen aufzustellen.» Die ständerätliche Kommission für das Bankengesetz ist nun einstimmig der Ansicht, dass mit der bundesrechtlichen Ordnung nicht bis zum Inkrafttreten des Bankengesetzes zugewartet werden solle, sondern dass ein dringlicher Bundesbeschluss zu erlassen sei, der dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, bis zum Erlass eines einschlägigen Bundesgesetzes die erforderlichen Vorschriften aufzustellen. Aus diesem Grunde beantragt sie dem Ständerat die\.

Streichung des zitierten Artikels SO. Sie ist unter Hinweis auf die Dringlichkeit einer bundesrechtlichen Begelung an den Bundesrat gelangt, damit ein solcher dringlicher Bundesbeschluss schon in der Junisession von den eidgijnös sischen Bäten behandelt werden könne. IQ letzter Zeit sind auch aus Kreisen der Banken und von Seiten der Kassen selbst Eingaben eingelangt, die auf eine baldige bundesrechtJiche Ordnung dringen.

IV. Notwendigkeit und Dringlichkeit der Regelang.

\ · Die Aufsicht über die sogenannten Bausparkassen soll vor allem dem.

Schütze der Einleger dienen, die diesen Unternehmungen ihre Gelder anvertrauen, und sie soll eine zweckentsprechende gerechtwirkende Darlehenshingabe aus diesen Geldern sicherstellen. Das Bausparwesen birgt nicht zu unterschätzende Gefahren in sich. Insbesondere wird der Nachteil der unbestimmten, vielleicht längere Jahre dauernden Wartezeit vom Darlehensanwärter oft unterschätzt. Daneben wird auch der Erage der Sicherheit der angelegten Gelder nicht durchwegs die nötige Aufmerksamkeit geschenkt,.

Handelt es sich dabei doch fast ausschliesslich um Ersparnisse von Leuten, in bescheidenen Verhältnissen, die jeder Verlust empfindlich treffen muss.

Auch ermöglicht die Undurchsichtigkeit des ganzen Einanzierungssystems an sich leicht eine gewisse Täuschung der Interessenten. Dazu tritt noch der Umstand, dass sich auf dem Gebiete des Bausparwesens vielfach Leute, betätigen, deren Einanzfachkenntnisse zum mindesten fraglich sind, so dass für eine reibungslose Geschäftsabwicklung nicht volle Gewähr besteht. Auch.

Auswüchse im Propagandawesen sind bereits vielfach zu konstatieren, und sind geeignet, falsche Vorstellungen über die Vorteile des Bausparwesens zum Schaden der Kreditsuchenden aufkommen zu lassen. Diesen Gefahren muss begegnet werden. Anerkennend hervorzuheben ist, dass die seriös geleiteten Unternehmungen die Aufsicht selber begrüssen. Mag bei ihnen auch, der Gedanke mitspielen, dass der Tatsache einer Bundesaufsicht an sich ein&

455gewisse Werbekraft irinewohne, so ist doch der gute Wille nicht zu unterschätzen, sich amtlichem Zwang im Geschäftsgebaren von vomeherein zu unterziehen.

Die guten Seiten des Bausparwesens, zu welchen insbesondere die Förderung des Zweckspargedankens im Hinblick auf ein eigenes Heim und der Gedanke rascher Tilgung der Nachgangshypotheken zu zählen sind, sollen durch die Aufsicht nicht mehr gehemmt werden als die Sicherheit der Anlagen dies, unbedingt erheischt. Notwendig ist eine straffe Aufsicht und eine strenge Ahndung aller Auswüchse. Das Bausparwesen ist in der schweizerischen Kreditorganisation ein neuartiges Gebilde und die Erfahrungen des Auslandes zeigen, dass es bei guter Leitung wohl fruchtbringend wirken kann, dass es sich aber anderseits leicht missbrauchen lässt. Es ist auch von unverantwortlichen Elementen schon in grossem Umfange tatsächlich missbraucht worden. Solchen Tendenzen muss für unser Land möglichst von Anfang an gesteuert werden.

Bedenkt man, dass die Kassen heute in der Schweiz, drei Jahre nach ihrem Auftauchen, gemessen an der Bevölkerungszahl, bereits annähernd gleich viele Darlehen gewährt haben wie die deutschen Kassen nach zehnjähriger Geschäftstätigkeit, so wird man wohl erkennen, dass es unzweckmässig wäre, den Bauspargedanken durch drakonische Vorschriften einfach ersticken zu wollen. Die rasche Entwicklung zeigt aber auch, dass es an der Zeit ist, mit der Bausparkassengesetzgebung auf eidgenössischem Boden nicht mehr länger zu zögern.

Die Art. 34tcr und 64 der Bundesverfassung bilden die verfassungsrechtliche Grundlage für bundesrechtliche Vorschriften über sogenannte Bausparkassen und ähnliche Kreditorganisationen. Infolge ihrer Dringlichkeit soll mit den Massnahmen nicht zugewartet werden bis ein Bundesgesetz darüber geschaffen werden kann. Dazu kommt, dass die Grundzüge der zu treffenden Eegelung noch in manchen Punkten einer längern Erfahrung bedürfen und sich deshalb nicht dazu eignen, jetzt schon in einem Bundesgesetz festgelegt zu werden. Durch den vorgeschlagenen Bundesbeschluss soll deshalb dem Bundesrat die Kompetenz delegiert werden, bis zum Erlass eines Bundesgesetzes die nötigen Vorschriften über die genannten Unternehmungen aufzustellen. Die Delegation muss einen weiten Eahmen erhalten, um dem Bundesrat die Handhabe zu bieten, über solche
Unternehmungen alle Vorschriften zu erlassen, die zum Schütze des Publikums und der Kunden erforderlich werden. Die Verordnung des Bundesrates, die durch eine Expertenkonferenz unter Zuziehung von Vertretern der interessierten Unternehmungen zu beraten sein wird, soll noch im Laufe dieses Jahres, sobald als möglich, verabschiedet werden.

Y. Der Beschlassesontwurf.

Die Bezeichnung «sogenannte Bausparkassen und ähnliche Kreditorganisationen» ist dem Bankengesetzentwurf (Art. l, Abs. 3, lit. c, und Art. 80} entnommen. Unter die «ähnlichen Kreditorganisationen» fallen auch Unternehmungen, die nach den Methoden der «Bausparkassen» betrieben werden.

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aber Darlehen nicht zum Zwecke der Beschaffung oder Verbesserung von Wohnstätten oder zur Ablösung hierzu eingegangener Verpflichtungen^ sondern au andern Zwecken gewähren (sogenannte Zwecksparkassen z. B. für Darlehen üwecks Anschaffung von Mobiliar). Von einer Beschreibung der charakteristischen Merkmale der Betriebe, die der Aufsicht zu unterstellen sind, wurde im Beschlussesentwurf Umgang genommen, um hier, den mannigfaltigen Entwicklungsmöglichkeiten Eechnung tragend, der Verordnung möglichst freie : Hand zu lassen.

Der Geschäftsbetrieb kann von einer Bewilligung abhängig gemacht werden, deren Voraussetzungen der Bundesrat festsetzt (Art. l, lit. a). Damit ist namentlich die Möglichkeit gegeben, ein gewisses Mindesteigenkapital der Gesellschaften vorzuschreiben, den Nachweis für die dauernde Erfüllbarkeit der Vertragsbedingungen zu verlangen und Unternehmungen, deren Sicherheiten ungenügend erscheinen, wie z. B. die sogenannten Zwecksparkassen ohne hypothekarische Sicherung der Darlehen, eventuell überhaupt zu verbieten.

Die Voraussetzungen zur Bewilligung werden Garantien für einen soliden, auf gesunder technischer Basis aufgebauten Geschäftsbetrieb schaffen müssen.

Im Bewilligungsverfahren wird eine Prüfung der Statuten, des Geschäftsplanes usw. sowie der finanziellen Basis des Unternehmens stattfinden müssen. Ferner können Garantien in persönlicher Hinsicht gefordert werden. Auch ein Ausschluss gewisser Bechtsformen, z. B. der Einzelfirmen oder gewisser Gesellschaftsformen, ist möglich. Sodann werden auch die Voraussetzungen, unter denen die Bewilligung zu entziehen ist, zu regeln sein. Den schon bestehenden Unternehmungen wird eine Frist anzusetzen sein, innert der sie um die Bewilligung einzukommen und sich den neuen Vorschriften anzupassen haben.

Der Bundesrat soll eine ständige materielle Aufsicht über den Geschäftsbetrieb der Unternehmungen einrichten können (Art. l, lit. b und c).

Die Organisation dieser Aufsicht soll möglichst den sich aus der Erfahrung herausstellenden Bedürfnissen angepasst werden können, weshalb es nicht am Platze wäre, hierüber nähere Vorschriften schon in den Beschluss aufzunehmen.

Es ist anzunehmen, dass eine ständige Aufsichtsstelle des Bundes zu schaffen sein wird, der gegenüber die Unternehmungen zu allen Auskünften verpflichtet sind und welche befugt
sein wird, bindende Vorschriften über die Geschäftstätigkeit aufzustellen.

Insbesondere werden für Geschäftspläne und Vertragsbedingungen Vorschriften zu erlassen sein, welche eine krasse Bevorzugung einzelner Darlehensanwärter voi andern verunmöglichen, welche den Einlegern weitgehende Sicherheit ihrer Gelder gewährleisten und welche die Unternehmungen zu loyalen Bücktrittsbedingungen verpflichten. Daneben wird auch das Bechnungswesen genau zu ordnen, klare und übersichtliche Rechnungsablage und einheitliche Bilanzierung vorzuschreiben sein. Es können auch Bestimmungen über die Sicherstellung erlassen, z. B. eine Kautionsleistung oder die Bestellung eines Sicherungsfonds vorgeschrieben oder anderweitige Sicherheiten angeordnet ·werden.

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Der Werbetätigkeit -wird im Hinblick auf ihre Wirkung auf das Publikum besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein, und gegen Missbräuche im Propagandawesen werden der Aufsichtsbehörde die erforderlichen Eechtsmittel in die Hand zu geben sein.

Nötig sind auch Vorschriften über die Liquidation dieser Unternehmungen ; hierin lässt der Entwurf dem Bundesrat volle Freiheit. Die Vorschriften über die Liquidation werden schon in der Übergangszeit auf diejenigen bestehenden Unternehmungen zur Anwendung gelangen müssen, die die nach neueni Eecht ·erforderliche Bewilligung nicht erhalten. Die Ordnung wird auch Eingriffe in bestehende Verträge mit sich bringen. Auch über die Haftung der Kassenorgane kann der Bundesrat Bestimmungen erlassen; wir denken an die Einführung einer verschärften Haftung in Anlehnung an den Bevisionsentwurf zum Obligationenrecht, wie im Bankgesetzentwurf.

Beim Erlass der in ht. c vorgesehenen Vorschriften soll der Bundesrat nicht an die Bestimmungen des Zivilrechts und des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes gebunden sein. Vor allem werden die Vorschriften mehrfach vom Obligationenrecht abweichen (z. B, zwingende Normen über den «Bausparvertrag», abweichende Ordnung der Haftung der Organe usw.). Möglich sind auch Abweichungen vom ZGB, Ferner wird namentlich die Liquidation abweichend vom Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz geordnet werden können ; auch die Schaffung eines Konkursprivilegs ist möglich.

Die ht. d überlasst dem Bundesrat die Aufstellung der erforderlichen Strafbestimmungen, setzt aber daa Maximum der Strafen, die der Bundesrat androhen kann, selber fest.

Die ht. «enthält den Grundsatz, dass die Unternehmungen zu den Koston der Bundesaufsicht herangezogen werden können. Es kann hierüber eine ähnliche Ordnung getroffen werden, wie sie bei der Versicherungsaufsicht besteht.

Gestützt auf diese Ausführungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden BeBchlussasentwurfes. Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 4. Juni 1984.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

0. Boret.

Bundesblatt.

86. Jahrg. Bd. II.

31

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(Entwurf.)

Bundesbescliluss über

die sogenannten Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen.

'.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 84te>l und 64 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1984, beschliesst :

Art. 1.

Bis zum Erlass eines einschlägigen Bundesgesetzes stellt der Bundesrat die zum Schütze der Öffentlichkeit und der Beteiligten erforderlichen Vorschriften über die sogenannten Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen auf. Er kann insbesondere : a. den Geschäftsbetrieb dieser Unternehmungen von einer Bewilligung abhängig machen und die Voraussetzungen der Bewilligung regeln; b. diese Unternehmungen der ständigen Aufsicht des Bundes unterstellen; c. Vorschriften über den gesamten Geschäftsbetrieb und die Organisation, namentlich über Geschäftsplan, Finanzgebaren, Vertragsbedingungen und Werbetätigkeit sowie über die Sicherstellung, über die Liquidation dieser Unternehmungen und über die Haftung ihrer Organe aufstellen; die Vorschriften können von den Bestimmungen des Zivilrechts und des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes abweichen; d; die erforderlichen Strafbestimmungen erlassen und dabei Gefängnis bis zu sechs Monaten und Busse bis zu 10,000 Franken androhen ; e. diese Unternehmungen zu den Kosten der Bundesaufsicht heranziehen.

Art. 2.

Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die sogenannten Bausparkassen und ähnlichen Kreditorganisationen. (Vom 4. Juni 1934.)

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1934

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3128

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13.06.1934

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448-458

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