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Schweizerisches Bundesblatt.

54. Jahrgang. I.

Nr. 10.

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5. März 1902.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über

seine Geschäftsführung im. Jahre

1901.

B. Justiz- und Polizeidepartement.

A. Gesetzgebung und Rechtspflege.

I. Bundesgesetzgebung.

1. S c h w e i z e r i s c h e s C i v i l g e s e t z b u c h . Nachdem die Vorentwürfe zum Personen- und Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht in definitiver Gestaltung vorlagen (vgl. Geschäftsbericht pro 1900, A., L, Nr. 1), ernannte das Departement im Mai eine größere Kommission, in welcher nicht nur in Theorie und Praxis erfahrene Juristen aus allen Landesteilen, sondern auch Vertreter der landwirtschaftlichen, kommerziellen, industriellen und sozialpolitischen Interessengruppen Platz gefunden haben.

Die Namen der Kommissionsmitglieder sind : B e r t o n i , Kantonsrichter, Lugano ; B o o s - J e g h e r , Sekretär des schweizerischen Gewerbevereins, Bern; B r o s i , Nationalrat, Fürsprecher, Solothurn ; B ü h l m a n n, Nationalrat, Fürsprecher, Großhöchstetten; Prof. Dr. Chr. B u r k h a r d t , Basel; Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. I.

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798 Nationalrat Dr. F e h r , Appellationsgerichtspräsident, Frauenfeld; Prof. Dr. de Felice, Lausanne; Nationalrat Alfred Frey,, Zürich ; Nationalrat Dr. G o b a t, Regierungsrat, Bern ; Nationalrat G o t t o f r ey, Obergerichtspräsident, Freiburg; Ständerat Dr. H o f f m a n n , Advokat, St. Gallen; Nationalrat K ö c h l i n , Basel: Oberrichter Otto L a n g , Zürich; Dr. E. L a u r , Sekretär des schweizerischen Bauernverband.es, Brugg ; Bundesrichter Dr.

L i e n h a r d t , Lausanne; Nationalrat L or e t an, Advokat, Leuk; Prof. Dr. M a r t i n , Genf; Prof. Dr. M e i l i , Zürich; Prof. Dr.

M en t ha, Neuenburg; Nationalrat Dr. v. P l a n t a , Advokat^ Reichenau ; Prof. R e i c h e l, Bern ; Prof. Dr. R ö s s e l , Nationalrat, Bern ; Bundesrichter Dr. R o 11, Lausanne ; Nationalrat S c h e r r e r - F ü l l e m a n n , Advokat, 8t. Gallen; Nationalrat Dr.

S c h m i d , Advokat, Altdorf ; Prof. Dr. S c h n e i d e r , Zürich ; Dr. Leo W e b e r, Bern ; Bundesgerichtspräsident Dr. W i n k l e r > Lausanne; Ständerat A. Wir z, Kantonsgerichtspräsident, Sächseln.

Für die einzelnen Teile wurden der großen Kommission noch Specialexperten beigegeben.

Für das Personen- und Familienrecht : Prof. Dr. G m ü r y Bern; Prof. Dr. W i e l a n d , Basel; Direktor Dr. G l a s e r , Münsingen.

Für das Erbrecht: Notar Garn p e rt, Genf; Oberrichter H o n e g g e r, Zürich ; S i g r i s t - S c h m i d t , Präsident des luzernischen Bauernvereins, Meggen.

Für das Sachenrecht: Kantonalbankdirektor D u t t w e i l e r , Zürich; P a s c h o u d , Direktor des Crédit foncier vaudois, Lausanne; Grundbuchführer Dr. S i g m u n d , Basel.

Als Sekretäre (Bureau) wurden zugleich mit beratender Stimme bezeichnet: Prof. Dr. W. ß u r k h a r d t , Lausanne; Prof.

Dr. H i t z i g , Zürich ; Prof. Dr. O s e r , Freiburg ; Fürsprecher Z e e r l e d e r , Bern.

Zugleich wurde eine Specialkommission für die Revision des Obligationenrechtes und Prüfung der Vorschriften über internationales Privatrecht, sowie der Übergangsbestimmungen ernannt.

Deren Mitglieder sind: Prof. Dr. Martin, Genf; Prof. Dr. Meili, Zürich ; Prof. Dr. O s e r , Freiburg ; Prof. A. R e i c h e l, Bern ; Bundesrichter Dr. R o 11, Lausanne ; Prof. Dr. R ö s s e l , Bern ; Prof. Dr. S c h n e i d e r , Zürich; Bundesrichter Dr. Hans W e b e r , Lausanne.

Das Bureau der großen Kommission hielt im Laufe des Sommers unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Huber eine Vor-

799 bereitungssitzung ab, welche insbesondere der Sichtung des in zahlreichen auf den Vorentwurf bezüglichen Eingaben an das Justizdepartement gelangten Materials gewidmet war (vgl. Zusammenstellung der Anträge und Anregungen zum Vorentwurf des schweizerischen Civilgesetzbuches vom 15. November 1900).

Im Laufe des Sommers arbeitete Herr Prof. Dr. Huber das erste Heft seiner Erläuterungen zum Vorentwurf des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, enthaltend die Einleitung und das Personen- und Familienrecht (Bern, Buchdruckerei Büchler & Cie.)

aus. Das das Erbrecht umfassende zweite Heft konnte wenigstens in der deutschen Ausgabe noch Ende des Jahres an die Kommissionsmitglieder zur Versendung gelangen.

Die große Kommission hielt ihre erste Sitzung vom 7. bis 30. Oktober in Luzern ab. Beraten wurde das ganze Personenund Familienrecht, mit Ausnahme des Vormundschaftswesens und einzelner mit dem Erbrecht in engerem Zusammenhang stehender Partien (Gemeinderschaf'ten, Heimstätten, Familienvermögen).

Das Departement hofft, daß es möglich sein wird, in zwei für das Jahr 1902 in Aussicht genommenen Sitzungen der Kommission, eventuell noch mit einer Sitzung im Frühjahr 1903, den ganzen Vorentwurf (bis auf die Umarbeitung des Obligationenrechtes, das internationale Privatrecht und die Übergangsbestimmungen) fertig beraten lassen zu können.

Im März 1901 wurde im Nationalrat von Herrn Nationalrat Schmid (Uri) und 76 Mitunterzeichnern die Motion gestellt : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu untersuchen, ob es sich angesichts der günstigen Aufnahme, welche der Vorentwurf eines schweizerischen Civilrechts gefunden hat, nicht empfehlen würde, die Arbeiten für Vereinheitlichung des Rechtes mit vorzugsweiser und ganz besonderer Rücksichtnahme auf das Civilrecht fortzusetzen."

Diese Motion wurde am 4. Juni, nachdem die Motionäre von den Verfügungen des Departementes vom Mai Kenntnis genommen 0 hatten, ,,in Ansehung der neusten Verfügungen des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, die den Wünschen der Motionäre in weitgehendem Maße Rechnung tragen", von den Unterzeichnern als erledigt zurückgezogen.

2. S c h w e i z e r i s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h . Im Laufe des Sommers langte der zweite Teil des von Herrn Prof. Dr. Stooß erstatteten, als Manuskript gedruckten Berichtes über den Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetz nach den Be-

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Schlüssen der Expertenkommission ein. Er behandelt den speciellen Teil des Strafgesetzvorentwurfes.

Am 18. Juni reichte Herr Nationalrat Prof. Dr. Zürcher beim Departement eine Denkschrift über die Durchführung der Strafrechtseinheit ein.

Das Departement ernannte am 12. Juli eine kleine Kommission bestehend aus den Herren Prof. Dr. Zürcher, Nationalrat in Zürich ; Kronauer, Bundesanwalt in Bern ; Prof. Dr. Mittermaier in Bern ; Schaffroth, Gefängnisinspektor in Bern; Prof. Dr. Gautier in Genf; Nationalrat Jeanhenry in Neuenburg, welcher in Verbindung mil dem Redaktor, Herrn Prof. Dr. Stooß, die Fortführung der Vorarbeiten, insbesondere auch neben der Revision und Ausgleichung der Texte, die Ausarbeitung der noch fehlenden Übergangsbestimmungen übertragen wurde.

3. Die R e v ' i s i o n des T a r i f e s vom I.Mai 1891 zum B u n d e s g e s e t z e ü b e r S c h u l d b e t r e i b u n g u n d Konkurs wurde durch Bundesratsbeschluß vom 12. März 1901 zum Abschluß gebracht. Zwar wurde eine vollständige Revision des Tarifes abgelehnt, dagegen haben die Art. 4, 7 und 50 desselben eine eingehende Änderung erfahren, wobei wir uns hauptsächlich an die vom Bundesgerichte gemachten Vorschläge anlehnten.

e. Auf die an das Departement gerichtete, von diesem dem Bundesrate vorgelegte Anfrage einer von den Kantonen Thurgau, Zürich, Appenzell A.-Rh. und I.-Rh. und St. Gallen beschickten interkantonalen-Konferenz, ob die Errichtung eines interkantonalen Faehgerichtes für Streitigkeiten auf dem Gebiete der Stiekereiindustrie auf dem Konkordatswege verfassungsmäßig zulässig sei, beschloß der Bundesrat, daß zur Zeit eine einläßliche Antwort nicht zu erteilen sei. Er ging hierbei von der Ansicht aus, daß erst bei Vorliegen eines Konkordatsentwurfes dem Bundcsrate die Möglichkeit gegeben sei, mit Bestimmtheit über die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen einen Entscheid abzugeben.

II. Internationales Recht.

1. Die Verhandlungen über den Abschluß eines Konkordates betreffend Versicherung der Kosten im Civilprozeß, veranlaßt durch die internationale Übereinkunft über Civilprozeßrecht im Haag, wurden insofern zu einem Abschlüsse geführt, als unter dem Vorsitze des Departementsvorstehers am 10. Dezember in

801 Bern eine von sämtlichen Kantonen, mit Ausnahme von Appenzell I.-Rh., das sich aber grundsätzlich zum Beitritt bereit erklärte, beschickte Konferenz stattfand. Auf Grundlage der Verhandlungen der Konferenz wurde vom Departement ein Konkordatsentwurf ausgearbeitet mit folgendem Wortlaut: Konkordat betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten (caution ,,judicatum solvi").

Art. 1.

Der Schweizerbürger, der als Partei oder Intervenient im Civilprozesse in einem der dem Konkordat beigetretenen Kantone vor Gericht auftritt, kann, wenn er in einem ändern der dem Konkordat beigetretenen Kantone seinen Wohnsitz hat, deswegen, weil er in dem Kanton, in welchem der Prozeß geführt wird, keinen Wohnsitz hat, zu keinerlei Kostenversicherung angehalten werden ; ebenso darf das Verlangen, einen für die Prozeßkosten haftenden Vertreter zu stellen, aus diesem Grunde nicht gegen eine solche Prozeßpartei oder einen solchen Intervenienten gestellt werden.

Art. 2.

Diese Vorschriften finden ebenfalls Anwendung auf Schweizerbürger, welche in einem auswärtigen Staate wohnen, der der internationalen Übereinkunft betreffend Civilprozeßrecht vom 14. November 1896 beigetreten ist, und welche in einem der dem Konkordat beigetretenen Kantone in einer der in Art. l bezeichneten Eigenschaft vor Gericht auftreten.

Dieser Konkordatsentwurf wurde sämtlichen Kantonsregierungen, von denen sich die weitaus größte Mehrzahl für den Abschluß eines Konkordates bereit erklärt hatte, zugesendet. Es wird nun Sache der kantonal zuständigen gesetzgebenden Behörden sein, sich definitiv über den Abschluß eines Konkordates auszusprechen. In diesem Sinne ist die Bemerkung des Justizdepartementes in dem letzten Cirkularschreiben bei Übermittlung des Konkordates, es halte seine Aufgabe für erledigt, welche in der Presse vielfach mißverständlich aufgefaßt wurde, zu verstehen.

Selbstverständlich ist das Departement auch ferner bereit, seine

802 Vermittlung walten zu lassen und die definitiven Beitrittserklärungen der Kantone entgegenzunehmen.

2. In Beziehung auf den Beitritt zu den im Mai 1900 im Haag von der III. Konferenz für internationales Privatrecht ausgearbeiteten, von der kgl. niederländischen Regierung eingesendeten Entwürfen von vier internationalen Konventionen (vgl. Geschäftsbericht pro 1900, A, II, Ziffer 3) hat der Bundesrat vorläufig noch nicht definitiv Stellung genommen, indem er es für angemessen erachtete, abzuwarten, wie sich die großen umliegenden Nachbarstaaten zu den Entwürfen verhalten. Denn nur dann könnte aus dem Beitritt ein wirklicher Vorteil für die Schweiz erwachsen, wenn durch diese Konventionen wirklich für einen erheblichen Teil des europäischen Festlandes gewisse einheitliche Rechtsgrundsätze in den von den Konventionen behandelten Materien (Eherecht, Vormundschaft über Minderjährige, Erbrecht) festgelegt würden.

3. Infolge des Inkrafttretens der internationalen Übereinkunft über Civilprozeßrecht im Haag vom 14. November 1896 ist die Specialübereinkunft mit Italien vom 8. November 1882 über gegenseitige Zusicherung des Armenrechtes (A. S. n. F., Bd. VII, S. 80) überflüssig geworden. Dieselbe wurde daher im Auftrage des Bundesrates von unserer Gesandtschaft in Rom gekündigt und ist auf den 12. Oktober 1901 außer Kraft getreten.

4. Mit dem Königreich Griechenland wurde am 7. Mai durch den schweizerischen Generalkonsul in Patras im Auftrage des Bundesrates eine Gegenseitigkeitserklärung betreffend Anerkennung und Berechtigung der Aktien- und ändern Handels-, Industrieund Finanzgesellschaften, vor Gericht aufzutreten, vereinbart fvgl.

Bundesbl. 1901, Bd. HI, S. 497, und A. S. n. F., Bd. XVIÎI, S. 658).

5. Aus dem internationalen Rechtsverkehr erwähnen wir folgende Fälle: a. S. M. der deutsche Kaiser erhielt im November 1900 aus New York einen anonymen Brief mit 104 inliegenden Coupons von Wertpapieren im Werte von cirka Fr. 12,000 mit der Bitte, er möge den Eigentümer ermitteln. Nachdem durch das deutsche auswärtige Amt zunächst Nachforschungen in New York angestellt worden waren, die aber resultatlos blieben, gelang es, aus auf den Coupons angebrachten Buchstabenzeichen festzustellen, daß ein deutsches Bankhaus in K. im Besitze der Coupons gewesen

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war. Dieses hatte die Wertpapiere nach Amerika versendet und durch eine schweizerische Transportversicherungsgesellschaft versichern lassen. Letztere hatte, da die Sendung nicht an den Bestimmungsort gelangt war, die Versicherungssumme ausbezahlt.

Das deutsche Bankhaus erklärte deshalb, daß es von vornherein alle Ansprüche auf die schweizerische Transportversicherungsgesellschaft übertrage. Auf diesen Thatbestand gestützt, wendete sich die deutsche Gesandtschaft mit einer Bitte um' Untersuchung der Sache an den Bundesrat, wobei die Erklärung abgegeben wurde, daß die für die unterdessen eingelösten Coupons vorhandene Geldsumme zur Ablieferung bereit stehe, wenn sich die Berechtigung der schweizerischen Gesellschaft als gegeben erweise.

Die durch das Departement vorgenommene Untersuchung ergab in allen Teilen die Berechtigung der Transportversicherungsgesellschaft, welcher die Summe von Fr. 12,324. 75, die dem Bundesrat von der deutschen Gesandtschaft übermittelt worden war, ausbezahlt werden konnte.

b. Durch ein Interventionsgesuch in einer zwischen einem schweizerischen Angehörigen und einer deutschen Berufsgenossenschaft hängigen Unfallversicherungsstreitsache wurde das Departement aufmerksam gemacht, daß nach der deutschen Versicherungsgesetzgebung das Wohnen im Auslande als ein Aufhebungsgrund für den Bezug der Unfallsrente gilt; der deutsche Bundesrat ist berechtigt, Grenzgebiete von dieser Ausnahmevorschrift zu befreien, und hat von dieser Befugnis auch für einen gewissen schweizerischen Grenzrayon Gebrauch gemacht. Da der deutsche Bundesrat auch die Befugnis besitzt, für solche auswärtige Staaten, deren Gesetzgebung deutschen, durch einen Betriebsunfall verletzten Arbeitern eine dem deutschen Gesetze entsprechende Fürsorge gewährt, die angeführte Ausnahmsbestirnmung ganz außer Kraft zu setzen, schien es dem Departement angezeigt, Erkundigungen darüber einzuziehen, ob es nicht möglich wäre, auf Xïrund der schweizerischen Haftpflichtgesetzgebung einen solchen Beschluß des deutschen Bundesrates für das Gesamtgebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft zu provozieren. Die bei der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin eingezogenen Informationen ergaben aber ein negatives Resultat, indem von Seiten der deutschen Regierung die Gewährung eines bloß civilrechtlichen Haftpflichtanspruches gemäß
der schweizerischen Gesetzgebung voraussichtlich nicht als dem durch die deutsche Unfallversicherungsgesetzgebung gewährten Schütze entsprechend angesehen würde.

Wir haben deshalb von weitern Schritten abgesehen.

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III. Gewährleistung von Kantonsverfassungen.

Die eidgenössische Gewährleistung wurde erteilt: 1. Durch Bundesbeschluß vom 22. Juni 1901 dem Verfassungsgesetz des Kantons Genf vom 31. März 1901 betreffend Inkompatibilitäten, Unvereinbarkeit des Großratsmandats mit einem öffentlichen besoldeten Amt, ausgenommen das Amt eines Staatsrates (A. S. n. F., Bd. XVIII, S. 687).

2. Durch Bundesbeschluß vom 20. Dezember dem Verfassungsgesetz des Kantons Genf über die Einbürgerung und demjenigen über protestantischen Kultus vom 21. September 1901 (A- S. n. F., Bd. XVIII, S. 915).

IV. Genehmigung kantonaler Gesetze durch den Bundesrat.

Der am 28. April 1901 von der Landsgemeinde des Kantons Appenzell A.-Rh. angenommenen Revision der Art. 24, 58 und 63 des kantonalen Vollziehungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs wurde gemäß Art. 29 des letztern Gesetzes durch Bundesratsbeschluß vom 28. Mai 1901 die nachgesuchte Genehmigung erteilt.

T. Schuldbetreibung und Konkurs.

1. Durch Schlußnahme vom 5. August erteilten wir dem Regierungsrat des Kantons Bern die bundesrätliche Genehmigung des am 30. Juli den Bewohnern des Gemeindebezirks N i e d e r b i p p im Hinblick auf die herrschende Blatternepidemie gewährten dreimonatlichen Rechtsstillstands.

Es waren 100 Blatternfälle auf 2200 Einwohner konstatiert.

2. In seiner Sitzung vom 11. September bewilligte der bernische Regierungsrat dieselbe Rechtswohlthat für die Häuserg r u p p e B u c h l i im Gemeindebezirk Oberbipp, von der Erwägung ausgehend : ,,Wie dem von Seiten der Justizdirektion eingeholten Bericht des Betreibungsbeamten von Wangen zu entnehmen ist, umfaßt, die in Frage stehende Häusergruppe zwei Wohnhäuser, welche von fünf Familien mit über 20 Köpfen bewohnt sind. Betreibungen sind dermalen in der Zahl von 11 gegen eine aus mehreren Geschwistern bestehende Familie hängig.

805 Infolge eines in einer der betreffenden Familien vorgekommenen Blatternfalles mußte die ganze Häusergruppe behufs Verhinderung eines Umsichgreifens der Epidemie abgesperrt werden. Dadurch sind die betreffenden Personen der Möglichkeit, ihrem Verdienste nachzugehen, beraubt und infolgedessen völlig unverschuldeter weise einer ökonomischen Krisis ausgesetzt worden, welche in ihren betrübenden Konsequenzen erst jetzt, nachdem die Epidemie erloschen ist, so recht fühlbar zu Tage tritt. Angesichts dieser Notlage rechtfertigt es sich um so mehr, den Bewohnern der erwähnten Häusergruppe die Rechtswohlthat eines Rechtsstillstandes zu teil werden zu lassen, als ein solcher wegen der nämlichen Epidemie für den Gemeindebezirk Niederbipp bewilligt worden ist, und im Falle einer abweisenden Erledigung des vorliegenden Gesuchs eine Ungleichheit gegenüber diesem Bezirke geschaffen würde.tt Der Bundesrat erteilte dieser Schlußnahme am 24. September die nachgesuchte Genehmigung.

VI. Civilstand und Ehe.

1. Die in Art. 12 des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1874 geforderten B e r i c h t e der kantonalen Regierungen über die I n s p e k t i o n der Ci v i l s t a n d s ä m t e r und die A m t s f ü h r u n g der C i v i l s t a n d s b e a m t e n sind auch für das Jahr 1900 zum Teil sehr verspätet eingegangen. Drei Kantone sind der Pflicht der Berichterstattung bis Mitte Februar 1902 überhaupt nicht nachgekommen. Im Hinblick hierauf ·werden wir von nun an wie früher, in denjenigen Kantonen, in welchen wir es für angezeigt erachten, auf Grund der uns gesetzlich zustehenden Befugnis b e s o n d e r e I n s p e k t i o n e n veranstalten.

Die vorliegenden Inspektionsberiche haben zu keinen außerordentlichen oder erwähnenswerten Weisungen Anlaß geboten.

2. Die Zusammenstellung und Prüfung der Ergebnisse der infolge unseres K r e i s s c h r e i b e n s vom 9. A u g u s t 1900 hinsichtlich der a l t e n und n e u e n P e r s o n e n s t a n d s r e g i s t e r und der Doppel der neuen Register in sämtlichen K a n t o n e n angeordneten a u ß e r o r d e n t l i c h e n E r h e b u n g e n kann erst in dem laufenden Jahre erfolgen, da mehrere Kantone mit ihren Vernehmlassungen im Rückstande sind.

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3. K r e i s s c h r e i b e n haben wir erlassen : a. am 26. April 1901, betreffend das B ü r g e r r e c h t der von F r a n z ö s i n n e n i n d e r S c h w e i z a u ß e r e h e l i c h g e b o r e n e n K i n d e r (Bundesbl. 1901, II, 1015 f.), &. am 20. September 1901, betreffend die V e r e h e l i c h u n g v o n D e u t s c h e n i n d e r S c h w e i z u n d v o n Schweiz e r n in D e u t s c h l a n d (Bundesbl. 1901, IV, 245 f.).

4. Inder E i n t e i l u n g der Ci v i l s t a n d s k r e i s e sind die folgenden Ä n d e r u n g e n vorgekommen: a. im Kanton F r e i b u r g : 1. Die Gemeinde C o r s e r e y ist von dem Civilstandskreise Prez (Saane-Bezirk) abgelöst und zu einem eigenen Kreise erhoben worden; 2. die Gemeinden B o n n e f o n t a i n e und M o n t é c u sind von dem Kreise Praroman (Saane-Bezirk) getrennt und zu einem neuen Kreise, dessen Hauptort B o n n e f o n t a i n e ist, verbunden worden ; 3. der S e n s e - B e z i r k ist in die nachstehend aufgeführten 14 Kreise eingeteilt worden: Tavel, Gui n, Bösingen, W ü n n e w y l , Ü b e r s t o r f , H e i t e n r i e d , Dirla r et (Gemeinden Dirlaret und Brunisried), C h e v r i l l e s (Gemeinden Chevrilles und Tinterin), St. S y l v e s t r e , P la ss e lb (Gemeinden Plasselb und Neuhaus), Planf a y o n (Gemeinden Planfayon, Oberschrot und Zumholz), St. A n t o i n e , A l t e r s w y l und St. 0 u r s ; 4. Im B r o y e - B e z i r k ist die Gemeinde S e i r y von Montet losgelöst und selbständig gemacht worden; b. im Kanton Sch äff h aus en ist die Gemeinde A l t d o r f von Opfershofen getrennt und zu einem selbständigen Kreise erhoben worden ; c. im Kanton Wal li s ist die Gemeinde R i e d - B r i g von Glis abgelöst und zu einem selbständigen Kreise erhoben worden ; d. im Kanton N e u e n b u r g ist die Gemeinde F o n t a i n e m e l o n von Cernier getrennt und ein eigener Kreis geworden.

5. Seitens der Regierung G r o ß b r i t a n n i e n s sind Unterhandlungen über eine V e r e i n b a r u n g mit B e z u g auf die

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V e r e h e l i c h u n g der beiderseitigen Staatsangehörigen angeregt worden. Wir haben diese Anregung zunächst der schweizerischen Gesandtschaft in London unterbreitet. Die weitere Behandlung der Angelegenheit fällt in das laufende Jahr.

6. Zahlreiche Anfragen über die Möglichkeit der S c h e i dung italienischer Eheleute durch schweizerische G e r i c h t e haben wir dahin beantwortet, daß italienische Staatsangehörige, die sich in der Schweiz scheiden lassen wollen, wie die übrigen Ausländer der Vorschrift des Artikels 56 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe zu genügen haben ; im Hinblick auf das einschlägige italienische Recht, das die Möglichkeit der Scheidung nicht kennt, ist dies für dieselben vorläufig ein Ding der Unmöglichkeit.

7. Auf die Anfrage, ob für die Erteilung von T r a u u n g s b e w i l l i g u n g e n an A u s l ä n d e r eine K a n z l e i g e b ü h r gefordert werden dürfe, haben wir erwidert, daß der Artikel 54, letzter Absatz, der Bundesverfassung eine solche Gebühr g r u n d s ä t z l i c h a u s s c h l i e ß t . Dieser Ansicht giebt auch das ,,Handbuch des schweizerischen Bundesstaatsrechtes'1 von B l u m e rM o r e l , I. Band, 3. Auflage, S. 468, bestimmten Ausdruck. Ein Kanton soll für solche Trauungsbewilligungen eine S t e m p e l gebühr von 60 Cts. beziehen. Eine Besehwerde hiergegen ist uns bis jetzt nicht zugekommen.

,, 8. Eine kantonale Aufsichtsbehörde hat um Auskunft darüber ersucht, ob die Beifügung eines Z u s a t z e s z u e i n e m F a m i l i e n n a m e n (z. B. ,,Meyer im Looa statt blos ,,Meyer") als eigentliche Ä n d e r u n g d i e s e s N a m e n s im Sinne von Nummer 91 der Anleitung im ,,Handbuche für die Civilstandsbearnten" zu betrachten sei ?

Wir haben in bejahendem Sinne geantwortet. Die Führung des rechtmäßig erworbenen Namens ist eine im öffentlichen Rechte begründete Pflicht. Der Staat übt die Kontrolle über die Erfüllung dieser Pflicht durch die Einrichtung der Civilstandsregister. Jedermann ist verpflichtet, sich des ihm in diesen Registern zuerkannten Namens zu bedienen, falls er nicht im stände ist, die Unrichtigkeit des Eintrages darzuthun. Als Namensänderung ist jede Abweichung von dem angestammten, amtlich festgestellten Namen zu betrachten. Es ist also für den Begriff der Namensänderung ohne Belang, ob nur der bisher geführte Namen verändert oder ob derselbe geradezu mit einem ändern, völlig verschiedenen vertauscht wird.

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9. Frau Mühlberg - Sutermeister in Aarau hat uns Kenntnis gegeben von einem auf ihre Initiative hin, seitens eines großen Teils der schweizerischen Frauenwelt aufgestellten Postulat, das den Zweck hat, den M ü t t e r n a u ß e r e h e l i c h e r K i n d e r die B e r e c h t i g u n g zu v e r s c h a f f e n , ihrem Namen den Titel ,,Frau" vorzusetzen und uns ersucht, die Civilstandsbeamten anzuweisen, bei unehelichen Geburten die in Frage kommenden Mütter auf diese Berechtigung aufmerksam machen zu lassen.

Wir haben die Initiantin dahin verständigt, daß die administrative Bundesbehörde nicht in der Lage sei, auf das gestellte Gesuch einzutreten, beziehungsweise demselben zu entsprechen.

Einerseits sei es nämlich als Privatsache anzusehen, wie sich die Mütter unehelicher Kinder, welche im r e c h t l i c h e n Sinne immerhin nicht ohne weiteres ,,Frauen"1 seien, in ihrem Privatleben bezeichnen wollen und andererseits könne der Bundesrat auf Grund der gegenwärtigen Gesetzgebung niemand zwingen, solchen Müttern den Titel ,,Frau" zu geben. Bei civilstandsamtlichen Eintragungen aber, die für den Bundesrat allenfalls in Frage kommen könnten, seien Prädikate wie ,,Fräulein, Frau, Herr etc.tt überhaupt nicht zu gebrauchen, wie dies aus dem Vordruck der Civilstandsregister und der Musterformulare ersichtlich sei. Den Petentinnen bleibe es anheimgestellt, ihr Gesuch der Expertenkommission für die Beratung des Vorentwurfes zu einem schweizerischen Civilgesetzbuch zu unterbreiten und auf dessen Berücksichtigung im kommenden schweizerischen Civilrecht anzutragen.

10. Am 31. Mai 1900 ist bei Chiao - Long-Ouang in China der Ingenieur Otto Ossent, von Mage (Wallis), von den Boxern massakriert worden. Die Leiche konnte nicht geborgen werden.

Durch Vermittlung der belgischen Regierung, unter deren Schutz der Verstorbene gestanden, ist uns eine von dem belgischen Consul in Tientsin am 10. Mai 1901 auf Grund protokollarischer Aussagen von vier europäischen und zwei chinesischen Zeugen errichtete und von dem schweizerischen Generalkonsul in Brüssel beglaubigte Todeserklärung zugekommen, gestützt auf welche wir die Eintragung des Todes in das heimatliche Civilstandsregister veranlaßt haben.

11. Das Gesuch des Civilstandsbeamten von R h e i n f e l d e n, es möchte die ihm gegenüber wegen einer von ihm beurkundeten L e g i t i m a t i o n e i n e s a u ß e r e h e l i c h e n K i n d e s seitens der kantonalen Aufsichtsbehörden ausgesprochene R ü g e auf-

809 gehoben werden, haben wir abschlägig beschieden, da der Beamte^ namentlich infolge seiner Eigenschaft als G-emeindeschreiber der Stadt Rheinfelden wissen mußte, daß in casu dem Legitimationsgesuche die verfassungsmäßige Grundlage fehlte, indem der Gesuchsteller nicht der Vater des betreffenden Kindes war. Der Civilstandsbeamte hätte unter diesen Umständen das Legitimationsgesuch ohne weiteres zurückweisen oder doch wenigstens die Eheleute darauf aufmerksam machen sollen, daß es, sofern sie auf der Legitimation beharren würden, seine Pflicht sei, gegen sie wegen Fälschung des Familienstandes, beziehungsweise wegen unwahrer Angaben vor Civilstandsamt Anzeige einzureichen (zu vergi, ist der Beschluß des Bundesrates in der Legitimationsangelegenheit Künzler - Würth vom 13. Juli 1897, Bundesbl. 1897, IV, 1).

Wir haben uns zu einem Entscheide in dieser Angelegenheit trotz der Einsprache der Regierung des Kantons Aargau unter Verweisung auf den Beschluß des Bundesrates vom 4. Februar 1896 in Sachen eines Rekurses des Civilstandsamtes Castagnola (Bundesbl. 1876, I, 1022) für zuständig erklärt.

12. H e i m a t l o s e n w e s e n . -- Vier Untersuchungen, die noch aus der Zeit der ersten Wirksamkeit des einschlägigen Bundesgesetzes pendent geblieben waren, sind zur endgültigen Erledigung wieder von der Bundesanwaltschaft übernommen worden. Wir verweisen auf deren Bericht. Damit fallen auch die l e t z t e n sogenannten ,,alten 11 Heimatlosenfälle für die hierseitige Berichterstattung, zur Zeit wenigstens, außer Betracht.

Über die hängigen n e u e n , wirklichen und angeblichen Heimatlosengeschäfte ist diesmal nichts besonderes zu bemerken.

VII. Handelsregister.

A. Aligemeines.

In der O r g a n i s a t i o n ist insofern eine Änderung eingetreten, als das Handelsregisterbureau für den tessinischen Bezirk Elenio mit dem 1. Juli 1901 von Torre nach A c q u a r o s s a verlegt worden ist.

810 B. Statistik.

Im J a h r e 1901 wurden eingetragen: a. Im Hauptregister (A) : 2585 Einzelfirmen (1900 : 2484) ; 849 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1900 : 847) ; 426 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1900: 351); 96 Zweigniederlassungen (1900: 106); 1301 Bevollmächtigungen (1900 : 1388).

' b. Im besonderen Register (B) : 2 Personen (1900 : 2).

Gelöscht w u r d e n : a. Im Hauptregister: 2510 Einzelfirmen (1900 : 2243) ; 736 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1900: 723), wovon 53 (1900: 39) infolge Konkurses; 102 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1900 : 123), wovon 13 (1900 : 7) wegen Konkurses ; 18 Vereine (1900 : 16), wovon l (1900 : 1) infolge Konkurses; 59 Zweigniederlassungen (1900 : 60) ; 889 Bevollmächtigungen (1900: 793).

b. Im besonderen Register : 9 Personen (1900 : 14).

Veränderungen gelangten zur Eintragung: 474 betreffend Einzelfirmen (1900: 547); 278 betreffend Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1900 : 289); 304 (Statutenänderungen) bei Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1900 : 345) ; 172 bei Vereinen (1900: 168); 34 bei Zweigniederlassungen (1900 : 22) ; 442 betreffend das Personal der Vorstände von Genossenschaften (1900 : 432).

811 Die G e s a m t z a h l der vorgenommenen Eintragungen ist 11,445 (1900: 11,107); 407 Löschungen erfolgten wegen Konkurses (1900 : 417).

Auf 31. D e z e m b e r 1901 b l i e b e n im Handelsregister eingetragen: / a. Im Hauptregister : 32,810 Einzelfirmen (1900: 32,735; 1883: 24,023); 6,112 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1900: 6049; 1883: 3666); 6,173 Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften (1900: 5843; 1883: 1417); 1,707 Vereine (1900: 1566; 1883: 134): 881 'Zweigniederlassungen (1900 : 864 ; 1883 : 368).

b. Im besonderen Register: 693 Personen (1900: 700; 1883: 2052).

Die Gesamtsumme der für die Eintragungen durch die 99 Registerbureaux bezogenen Gebühren belauft sich auf Fr. 62,507, wovon dem Bunde als Vergütung für die Veröffentlichung im Handelsamtsblatt Fr. 12,301. 40 zukommen.

Über die Verteilung obiger Ziffern auf die einzelnen Kantone geben die beigefügten zwei Tabellen A und B Aufschluß.

C. Rekurse.

Während im Jahre 1900 nur 11 R e k u r s e anhängig gemacht wurden, waren es im Berichtsjahre deren 18. Sie richteten sich gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörden folgender Kantone : Zürich (5) ; Basel, Bern, Neuenburg (je 3) ; Aargau, St. Gallen, Genf und Graubünden (je 1).

Dem Gegenstand nach betrafen 15 die Eintragspflicht, einer die Firmenbildung und je einer die Berechtigung zu einer Eintragung beziehungsweise einer Löschung.

Die Erledigung zweier Eingaben fällt erst in das Jahr 1902; eine wurde zurückgezogen und fünf wurden gegenstandslos und konnten als erledigt abgeschrieben werden, ohne daß ein Entscheid zu fällen war. Auf eine Beschwerde konnte wegen Ver-

Beilage B.

Befand

Zu Seite 811.

im Handelsregister eingetragenen Einzelfirmen, Handelsf ellschaften, Vereine und nicht handeltreibenden Personen auf 31. Dezem 1900 und 1901.

Kantone

Kollektivund KommanditGesellschaften

Einzelfirmen

(1900)

1901

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz Nidwaiden Obwalden Glarus Zug Freiburg Solothurn Baselstadt Baselland Schaffhausen Appenzell A.-Rh Apponzell l.-Rh St. Gallen Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

( 3,942) ( 4,988) ( 1,231) ( 92) ( 491) (120) (135) ( 516) ( 203) ( l ,492) ( 640) ( 1,005) ( 269) ( 474) ( 669) ( 73) ( 2,002) ( 1,112) ( 1,146) ( 1,001) ( 1,548) ( 4,758) ( 305) ( 1,785) ( 2,738)

4,038 5,005 1,233 97 507 120 134

2,062 1,106 1,147 1,022 1,474 4,751 315 1,774 2,679

Total am 31. Dezember

(32,735)

32,810

Total am 31. Dezember 1883

512

201 1,527 625 991 266

458 693 73

24,023

(1900)

1901

( 909) ( 819) ( 204) 34) 64) 25) 25) ( 114) ( 44) ( 137) ( 118) ( 398) ( 59) C 78) ( 82) C 3) ( 363) ( 270) ( 289) ( 124) ( 270) ( 612) ( 75) ( 369) ( 564)

911 837 222 34 63 24 27 115

(6049)

43 140 117 405 61 80

82 3 365 278 298 118 276 618 76 377 592 6162

3666

Aktie Kon ges Ge

illschaften, lit-Aktienaften und ischaften

(1 (

1901 751

(l

1262 268 6 51 12

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

14 37

35 354 163

138 73 50 55 9 299 116 299 134 75

1193 72 ( 254 ( ( --_453 (l

(5

6173 L7

Zweigniederlassungen

Vereine

Besonderes Register

(1900)

1901

(1900)

( 54) ( 323) ( 55) 2) 5)

55 354 62 2 7

(107) 116 (121) 119 ( 37) 38 ( 5) 6 ( 3) 3 ( 2) 2 ( 2) l ( 3) 3 ( 4) 4 C 21) 21 C 8) 12 ( 59) 59 ( 9) 11 5 ( 3) 5 C 4) l C D ( 86) 81 C 61) 60 C 21) 16 ( 56) 57 ( 28) 29 ( 81) 89 ( 12) 11 ( 58) 59 73 C 72)

( 69) 65 ( 5,796) 5,936 (311) 311 ( 7,778) 7,888 (108) 108 ( 1,883) 1,931 139) 145 ( --) -- r -\ 631 613) 160) ( 2) 2 160 177) 178 C -) 676) 675 C --) 2 308 307) C 2) ( 32) 32 ( 2,122) 2,173 69 ( 1,039) 1,044 C 70) ( 1,637) 1,643 ( --) 441 426) C D 616) 605 ( --) 841 815) ( 2) 87 87) ( --) ( 8) 6 ( 2,790) 2,877 ( 3) 3 ( 1,577) 1,598 3 ( 1,821) 1,846 C 3) ( 1,327) 1,342 C --) ( 29) 29 ( 1,958) 1,898 ( 14) 14 ( 6,943) 6,988 9 ( 478) 494 C 9) ( 32) 32 ( 2,588) 2,605 5 ( 4,004) 4,092 C 5)

(864)

(700) 693

(47,757) 48,426

2052

31,740

( ( (

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

~)

2) 8) 20) 97) 46) 45) 25) 11) 4) 1) 61) 32) 74) u) 12) 310) 11) 99) 258)

23 99 58 50 29 12 4 l 64 35 83 11 15 323 11 109 290

(1566) 1707 134

368

1901

881

(1900) 1901

Total

(1900)

1901

812 spätung nicht eingetreten werden ; fünf wurden als unbegründet abgewiesen ; in vier Fällen konnte dem Rekursbegehren entsprochen werden.

Von besonderem Interesse waren die Entscheide vom 7. Mai und 2. Dezember, in Sachen der ,,Aktiengesellschaft Alb. Büß & Cie., ·Gesellschaft für Eisenkonstruktion, Wasser- und Eisenhahnbaua in Basel, und Meyer & Cie. in Paris gegen ,,Duvanel & Juvet tc in St. Sulpice. Die erstere hatte die Frage der Verwendung von Personennamen in den Firmen von Aktiengesellschaften zum Gegenstand; sie wurde in Band III des Bundesblattes 1901, auf Seite 367 fi. veröffentlicht. Im zweiten Falle mußte die nachträgliche Eintragspflicht einer thatsächlich aufgelösten aber noch nicht liquidierten Kollektivgesellschaft festgestellt werden ; der bezügliche Entscheid wurde in extenso im Bundesblatt (Bd. IV, p. 920 ff.) und im Auszug durch das Handelsamtsblatt (Nr. 392 vom 23. November 1901, p. 1566/7) veröffentlicht.

VIII. Rechtspflege.

Statistik.

Im Berichtsjahre waren mit Einschluß der aus dem Jahre 1900 pendent gebliebenen Fälle (10) total 245 Beschwerden und Rekurse (1900: 208, 1899: 247) zu behandeln, wovon 227 ihre Erledigung fanden und 18 als unerledigt auf das Jahr 1902 übertragen wurden.

9 Rekurse wurden vor Stellung unseres Antrages zurückgezogen, l wegen Fristversäumnis abgewiesen, in 3 Fällen entsprach der Kanton, vorgängig unserm Entscheide, den Rekursbegehren. In weitere 145 Rekurse und Beschwerden (1900: 131, 1899: 144) konnte deswegen nicht eingetreten werden, weil sie entweder ausschließlich in die Kompetenz der kantonalen Behörden oder des Bundesgerichts fielen, oder weil da, wo unsere Kompetenz materiell begründet gewesen wäre, die kantonalen Instanzen noch nicht erschöpft waren.

Die übrigen 69 Rekurse (1900: 54, 1899: 67), welche materiell behandelt werden mußten, betrafen dem Gegenstand nach: 40 Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit; 11 Verweigerung oder Entzug der Niederlassung gegenüber Ausländern ;

813 3 10 1 2 2

Begräbniswesen und Konfessionelles; Stimmrecht und Wahlen; Hazardspiele ; Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen ; Verschiedenes.

Hiervon wurden 5 Beschwerden begründet erklärt, 40 als unbegründet abgewiesen und bei 24 Rekursen mit motiviertem Entscheid die Inkompetenz des Bundesrates ausgesprochen.

Die Bundesversammlung hatte sich im Jahre 1901 mit 11 Rekursen aus dem Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements zu befassen (1900: 7, 1899: 9). Gemäß Antrag des Bundesrates wurden 4 Rekurse abgewiesen, auf 2 wurde nicht eingetreten und über 2 wurde zur Tagesordnung geschritten.

In l Rekurse erklärte sich die Bundesversammlung inkompetent, l wurde durch Ableben des Rekurrenten vor Beschlußfassung gegenstandslos, während l noch pendent ist.

In dieser Statistik sind nicht berücksichtigt 13 Rekurse (1900: 18, 1899: 12), die das Departement als die dein eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum vorgesetzte Verwaltungsbehörde zu entscheiden hatte; ferner die 22 Mitberichte (1900: 16, 1899: 14) des Departements bezüglich derjenigen vom Bundesrat entschiedenen Rekurse, die gegen Verfügungen anderer Departemente gerichtet waren.

Außerdem sind noch 50 Gutachten (1900: 69, 1899: 45) anzuführen, die das Departement im Laufe des Berichtsjahres über verschiedene Rechtsfragen an die übrigen Departemente erstattet hat. Dazu kommen 42 Verlassenschaftsfälle (1900: 47, 1899: 27) und 27 Vormundschaftsangelegenheiten (1900: 23, 1899: 9), deren Regelung vom Departemente durchgeführt wurde.

Ferner hatte das Departement 55 Beschwerden und Rechtsfälle (1900: 38, 1899: 56), die von Schweizern im Auslande oder von Ausländern in der Schweiz auf diplomatischem Wege anhängig gemacht worden waren, zu behandeln.

Bundesblatt.

54. Jahrg.

Bd. I.

56

2 ll 2| 1 2

--

--

--

1 --

1

--

--

--

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1

1

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1 --

--

Zurück-

J

1 -- -- -- 1 1 -- 1.

-- --

Summa.

-- -- -- -- --

1

1 -- -- 1 -- -- -- -- 1 1

Pendent.

4 1

1

--

1

5 24 10 --

gezogen.

Begründet. 1

Gegenstand.

Unbegründet. 1

Nicht II eingetreten. ||

814

1. Handels- und Gewerbefreiheit.

1. Wirtschaftswesen . . .

2 . Hausierwesen . . . .

3. Patenttaxen der Handelsreisenden 4. Salzregal 5 . Marktpolizei . . . .

6. Schlachthauszwang 7 . Feuerpolizei . . . . .

8. Gemeinderegulativ für Wasserversorgungen .

9.. Gemeindereglement für Dienstmänner . . . .

10. Ausübung des Apothekerund Droguistenberufes 11. Vertrieb von Schneeballcoupons 12. Vertrieb von Geheimmitteln 13. Errichtung eines Kontrollbureaus für Gold- und Silberwaren 14. Geschäftsbetrieb ohne Bewilligung 15. Kantonale Vollziehungsverordnung betr. Viehhandel 16. Schließung eines Warenmagazins

I I . Niederlassung . . . .

III. Begräbniswesen und Konfessionelles Übertrag

2

1

36 11

1

--

1

1

1 --.

--

--

--

1

2

--

--

--

--

2

--

--

--

--

1 -- 22 28 16 5

-- 2

-- 4 1

--

10 4

66 26

1 -- 39 33

2

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1 15

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Übertrag

IV. Stimmrecht und Wahlen .

V. Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen : 1. Eisenbahntransportreglement . . . .

2. Nichtvollzug eines bundesgerichtlichen Urteils 3. Unterstellung unter das Haftpflichtgesetz .

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96 17

2 -- 1 -- 11 --

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3 1 13

69 --

--

--

--

69

34 -- 10 -- Total 173 40

---- 5

-- -- 9

-- -- 18

34 10 245

V I . Hazardspiele . . . .

VII. Rekurse, verschiedene .

VIII. Beschwerden gerichtlicher Natur IX. Schuldbetreibung und Konkurs X . Steuerwesen . . . .

I. Handels- und Gewerbefreiheit.

1. Wirtschaftswesen.

An den Grundsätzen, wie wir sie in den Geschäftsberichten für 1899 und 1900 zusammengefaßt haben (Bundesbl. 1900, I, S. 803 ff. und 1901, II, S. 27 ff.), ist auch im Berichtsjahre festgehalten worden. Folgende Beschwerdefälle, deren thatsächliche und rechtliche Verhältnisse einer besondern Beachtung riefen, haben wir im Bundesblatte zum Abdrucke gebracht: Rekurse Co m olli, Karl, in Bremgarten, gegen Aargau, Bundesratsbeschluß vom 30. April (Bundesbl. 1901, II, S. 1005 ff.); C o m i , Celestino, in Goldau, gegen Schwyz, Bundesratsbeschluß vom 3. Mai (Bundesbl.

1901, III, S. 339 ff.); M a d e r, Hans, in Schaff hausen, Bundesratsbeschluß vom 26. Juli (Bundesbl. 1901, IV, S. 95); D e t t l i n g ,

816 Anton, in Ingenbohl, gegen Schwyz, Bundesratsbeschluß vom 1. Oktober (Bundesbl. 1901, IV, S. 290 ff.); Frau Gertrud R i o l o C o u t h , in Horgen, gegen Zürich, Bundesratsbeschluß vom 11. Oktober (Bundesbl. 1901, IV, S. 362 ff.); Was er und B l ä t t l e r , in Stans, gegen Nidwaiden, Bundesratsbeschluß vom 22. November (Bundesbl. 1901, IV, S. 1012 ff.); Frau Elise G e n o u d , in Chatel-St-Denis, gegen Freiburg, Bundesratsbeschluß vom 26. November (Bundesbl. 1901, IV, S. 1243 ff.) ; Frau M. L a n d o l t , in Näfels, gegen Glarus, Bundesratsbeschluß vom 26. November (Bundesbl. 1901, IV, S. 1033 ff.)5 Chr. E g g e r , inKirchhofenu bei Samen, gegen Obwalden, Bundesratsbeschluß vom 21. Dezember (Bundesbl. 1902, I, S. l ff.) und Joh. H u w y l e r , von Auw (Aargau), gegen Schwyz, Bundesratsbeschluß vom 21. Dezember (Bundesbl. 1902, I, S. 18 ff.).

Weiterhin verdienen die nachfolgenden Rekursentscheide einige Beachtung: 1. Bundesratsbeschluß vom 26. November über die Beschwerde des Jos. D e g e l o - M u h e i m , "zum h. Kreuz" in Bizighofen bei Sarnen: Das Recht einer Kantonsbehörde, Wirtschaftspatentgesuche wegen mangelnden Bedürfnisses abzuweisen, wenn das kantonale Gesetz als Abweisungsgrund nur ,,allgemein" das ,,öffentliche Wohl" nennt, ist vom Bundesrate stets anerkannt worden (z. B.

in Sachen Z u m s t e i n , Bundesrathsbeschluss vom 31. März 1891, und Bundesratsbeschluß vom 7. November 1899 i. S. J. Schneider (Bundesbl. 1900, I, S. 752 ff.). Ferner wurde festgestellt, daß dem von der zur Begutachtung von Patentgesuchen kompetenten Behörde ausgehenden Zeugnis über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des Bedürfnisses ausschlaggebende Bedeutung zukommt, gegen welches Privatbescheinigungen nicht aufkommen können (vgl. Bundesratsbeschluß vom 3. Juni 1901 i. S. Aloys Zurkirch). Eine Kaffeewirtschaft kann von der kantonalen Regierung bewilligt werden, ohne daß sie damit ein Bedürfnis für dieselbe anerkennt, sofern sie sich auf den Standpunkt stellt, daß die Bewilligung von Kaffeewirtschaften überhaupt nicht von der Bedürfnisfrage abhängig zu machen sei ; gegen eine solche Auffassung ist vom Standpunkte des Bundesrechts nichts einzuwenden.

2. Im Beschwerdefalle des Aloys H o f m a n n , von Erstfeld, gegen Uri, Bundesratsbeschluß vom 26. Juli, wurde auf die in der Rekurssache Egg e r
(Bundesbl. 1902, I, S. l ff.) eingehend untersuchte Frage, ob die in der Bundesverfassung aufgestellten Gewerbeeinschränkungen auch für ,,alkoholfreie"' Wirtschaften

817 gelten, nicht eingetreten, da sich nach Lage der Akten herausstellte, daß das fraglie!ie Gesuch nur bezweckte, unter dem Deckmantel einer ,,alkoholfreien"1 Wirtschaft in einer polizeilich schwer kontrollierbaren Gegend eine eigentliche Pintenwirtschaft zu betreiben.

3. In der Entscheidung vom 26. Juli in Sachen Margueron in Esmonts, gegen Freiburg, wurde darauf verwiesen, daß der Bundesrat nicht obere Instanz zur Erteilung oder Verweigerung von Wirtschaftspatenten sei, sondern nur zu untersuchen habe, ob im einzelnen Falle bei Verweigerung eines Patentgesuches verfassungsrechtliche Bestimmungen verlet/.t worden seien.

4. Im Beschlüsse vom 12. April, in Sachen J. Su ter in Ibach, gegen Schwyz, hat der Bundesrat wiederholt, daß der amtliche Vorhalt einer gerichtlichen Verurteilung die Zurückweisung eines Wirtschaftsbewerbers dann rechtfertige, wenn sich der Vorhalt auf Verhältnisse stützen kann, die in der Gegenwart noch fortbestehen oder doch in ihren Folgen naturgemäß sich noch fühlbar machen.

5. In einem Rekursentscheide vom 3. Juni, in Sachen Zurkirch, gegen Luzern, hat der Bundesrat darauf hingewiesen, daß die im luzernischen Wirtschaftsgesetze nebeneinander gestellten Ausdrücke der Schädigung des öffentlichen Wohles und des Mangels des Bedürfnisses ,,korrelate Begriffea sind in dem Sinne, daß, wo ein Bedürfnis fehlt, Wirtschaften nicht gestattet werden sollen, weil dadurch das öffentliche Wohl geschädigt werde.

Fernerhin wurden die vom Rekurrenten zur Unterstützung seiner Rekursbehauptungen für das Vorliegen eines Wirtschaftsbedürfnisses gesammelten Unterschriften von Gemeindebürgern mit der Erwägung zurückgewiesen : ,,Für verwaltungsrechtliche Entscheidungen sind maßgebend die Feststellungen der verfassungsmäßig dafür bestimmten Organe. Die gänzlich unkontrollierbaren Unterschriften, welche Rekurrent zu seinen Gunsten gesammelt hat, besitzen nicht den geringsten Beweiswort und sind nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als willkürlich erscheinen zu lassen"1.

6. Die Bundesversammlung hat am 13./25. Dezember den gegen unsere Schlußnahme vom 14. Mai 1901 eingereichten Rekurs des Jakob M ü l l e r in Triengen, Luzern, und am 27. März/3. Juni 1901 die gegen unsern Entscheid vom 10. Dezember 1900 in Sachen J. R u p p in. Heiligenschwendi (Bern) eingelegte Weiterziehung als unbegründet abgewiesen und damit

818

unsere Beschlüsse gutgeheißen (Bundesbl. 1900, IV, S. 922, und 1901, II, S. 283 ff.)2. Hausierwesen.

Eine Einfrage des J. H., Cirkusbesitzer in R., ob eine kantonale Regierung berechtigt sei, ihm das Patent zu Schaustellungen zu verweigern, wurde -- wie viele ähnliche -- dahin beantwortet, daß der Bundesrat auf allgemeine Einfragen keine Gutachten abgiebt, sondern nur in den Kreis seiner Kompetenz fallende, gegen b e s t i m m t e kantonale Verfügungen oder Erlasse eingereichte Beschwerden nach den Bestimmungen des Organisationsgesetzes vom 22. März 1893 entscheidet. Außerdem wurde Petent auf Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung hingewiesen, wonach den Kantonen Verfügungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe und über die Besteuerung des Gewerbebetriebes trotz der grundsätzlichen Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit vorbehalten sind (Bundesratsbeschluß vom 17. Oktober 1901).

In einer ändern Angelegenheit (Bundesratsbeschluß vom 12. Juli) wurde darauf verwiesen, daß der Bundesrat zur Beurteilung von Beschwerden im Gebiete des Hausierwesens nur insofern kompetent sei, als Hausierpatente in verfassungswidriger Weise verweigert oder Taxen auferlegt werden, welche einer Aufhebung der garantierten Handels- und Gewerbefreiheit gleichkommen; eine bezügliche Beschwerde hat den Voraussetzungen der Art. 178 und 190 des Organisationsgesetzes zu genügen.

3. Patenttaxen der Handelsreisenden.

a. Den Bundesratsbeschluß vom 3. Mai über die Beschwerde der Firma Bayer & Leibfried in Eßlingen gegen ein Urteil des Polizeigerichtspräsidenten von Basel-Stadt vom 19. Dezember 1900, betreffend Geschäftsbetrieb ohne Bewilligung, haben wir im Bundesbl. 1901, III, S. 324 ff., in extenso veröffentlicht.

b. In wiederholten Entscheidungen (vgl. diejenige vorn 24. April 1901 in Sachen Häusermann und dortige Citate) hat der Bundesrat darauf verwiesen, daß auf Beschwerden gegen eine Verurteilung wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden, vom 24. Juni 1892, nicht unter Berufung auf Art. 31 der Bundesverfassung eingetreten werden könne. Nach Art. 182 und 190 des Organisationsgesetzes vom 22. März 1893 kann wegen Verletzung privatrechtlicher oder

819 strafrechtlicher Vorschriften des eidgenössischen Rechtes durch Entscheide von Kantonsbehörden eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesrate so wenig wie beim Bundesgericht erhoben werden ; gegen solche Entscheide ist nur die Kassationsbeschwerde (Art. 160 des genannten Organisationsgesetzes) zulässig.

c. Den 6. Juni 1900 war die Firma Metzler-Zahn in Goßau polizeilich eingeklagt worden, bei dem Kirchmeier in Dagmerseilen Bestellungen auf Wachskerzen, die zum lithurgischen Gebrauch in der katholischen Kirche bestimmt waren, aufgenommen zu haben, ohne im Besitze einer Taxkarte gewesen zu sein. Das eidgenössische Sekretariat für die Patenttaxen teilte auf Anfrage mit, daß in diesem Falle Taxpflicht vorliege, worauf Metzler-Zahn beim Bezirksammann von Goßau für das II. Semester 1900 eine Taxkarte von Fr. 100 lösten. Das Polizeigericht von Altishofen sprach aber die Firma von Schuld und Strafe frei, mit dem Beifügen, daß dieselbe nicht schuldig sei, nachträglich · eine Patenttaxe zu entrichten ; es handle sich hier um Verwendung der Kerzen in gewerbeähnlichem Vertriebe. Eine von der Bundesanwaltschaft gegen dieses Urteil beim Bundesgerichte eingereichte Kassationsbeschwerde wurde nachträglich wieder zurückgezogen.

Darauf verlangte Metzler-Zahn Rückerstattung der vom Bundesfiskus zu Unrecht bezogenen Taxe von Fr. 100. Durch Entscheid vom 10. Mai 1901 hieß der Bundesrat dieses Begehren in der Hauptsache mit der Begründung gut : Gemäß Art. 9 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden, vom 1. November 1892, der sich auf Art. 11 des Patenttaxengesetzes stützt, hat das eidgenössische Departement des Auswärtigen (Handelsabteilung; jetzt Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement) dafür zu sorgen, daß die in das Gebiet des Patenttaxenwesens fallenden Verfügungen richtig ausgeführt werden. Dasselbe hat überhaupt, unter der Oberaufsicht des Bundesrates, die Vollziehung des Gesetzes zu überwachen und die einschlägigen Geschäfte, je nach ihrer Natur, von sich aus zu erledigen oder durch Antragstellung an den Bundesrat zur Erledigung zu bringen. Es bedarf keines weitern Nachweises, daß gemäß dieser Bestimmung der Bundesrat nicht nur kompetent ist, über genaue Vollziehung des Patenttaxengesetzes in positiver Richtung zu wachen, sondern auch berechtigt und verpflichtet
wird, jede ungerechtfertigte Unterstellung unter dieses Gesetz, soweit dies auf dem Verwaltungswege möglich ist, zu verhindern. Eine solche Möglichkeit liegt im heutigen

820

Beschwerdefalle vor. Denn es handelt sich darum, eine gemäß Art. 7 des Patenttaxengesetzes, lautend: ,,Der Ertrag der Ausweiskarten wird am Ende eines jeden Jahres von den Kantonen, nach Abzug einer ihnen zukommenden Bezugsgebühr von 4 °/o, an die Bundeskasse abgeliefert und unter die Kantone nach dem Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl verteilt", ohne rechtliche Begründung bezogene Patentgebühr dem Angesprochenen zurückzuerstatten. Diese ßückerstattungspflicht ist um so begründeter, als die Firma Metzler-Zahn während der Bangigkeit der polizeigerichtlichen Untersuchung vom eidgenössischen Sekretariat für Patenttaxen zur Lösung der roten Ausweiskarte be wogen wurde ; von einer freiwilligen und vorbehaltlosen Anerkennung der Patentpflicht also nicht gesprochen werden kann. Durch das freisprechende Urteil des Gerichtes ist erwiesen, daß die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Gebühr nicht verpflichtet war. Es muli aber, wie für ohne zureichenden Grund bezahlte Steuern, auch für ohne Grund bezahlte Gebühren ein Rückforderungsrecht dem Staate gegenüber geben, d. h. die Pflicht des Staates, ungerechtfertigt bezogene Gebühren zurückzuerstatten, anerkannt werden.

(Für Steuern vgl. O.Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht, I, S. 425.)

4. Salsregal.

In dem im Bundesblatt 1901, IV, S. 68 ff. in extenso publizierten Entscheide in Sachen A ms t ad gegen Uri vom 26. Juli 1901 haben wir festgestellt, daß in der Errichtung obrigkeitlich privilegierter Auswägestellen, welche jedweden rein privaten Salzverkauf ausschließen, eine wesentliche Bedingung für die praktische Durchführung des kantonalen Salzregals liegt, welche bundesrechtlich nicht anfechtbar ist.

5.- Verfügungen vom Standpunkte öffentliclier

Interessen.

A c e t y l e n b e l e u c h t u n g . Wir verweisen auf unsern Ent-

scheid vom 9. April in Sachen R ü e g g gegen Luzern (Bundesbl.

1901, II, S. 888 ff.).

II. Niederlassungsrecht.

1. Die Entscheidung der Beschwerdesache Stoschich gegen Glarus findet sich im Bundesblatt 1901, I, S. 198, in extenso abgedruckt.

821 2. Im Entscheid vom 9. Dezember in Sachen M. P. B. wurde festgestellt: Daß Rekurrentin nur aus der Gemeinde St., nicht aber aus dem ganzen Kanton St. Gallen oder gar dem ganzen Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft verwiesen worden ist, kann keinen Grund bilden, die Gemeindeverweisung als staatsvertragswidrig aufzuheben ; denn wenn die Niederlassung in der ganzen Schweiz entzogen werden kann, so kann auch der Entzug für ein bestimmtes Gebiet oder einen Ort ausgesprochen werden, da dem Individuum gegenüber die Behörden das Recht besitzen, die ihnen gewährten polizeilichen Befugnisse in dem Umfange auszuüben, als es ihnen angemessen erscheint. Die im Art. 45 der Bundesverfassung garantierten Niederlassungsrechte der Schweizerbürger können von Ausländern nur nach Maßgabe Staatsvertrag Hoher Zusicherung, nicht über dieselbe hinaus und als selbständige Grundrechte angerufen werden.

ugv.

3. Der Bundesrat hat in konstanter Praxis daran festgehalten, daß Beschwerden nicht direkt an ihn gebracht werden können, unter Umgehung kantonaler Oberbehörden, sondern daß die letzte zuständige kantonale Instanz vorerst angegangen werden muß (Salis, Bundesrecht I, Nr. 89, S. 215; Nr. 191 und 192, S. 342).

Dieso Entscheidungen sind zwar noch unter dem frühern Organisationsgesetz ergangen; es liegt aber keine Veranlassung vor, auf Grund des neuen Organisationsgesetzes vom 22. März 1893 (Art. 178 in Verbindung mit Art. 190) von dieser Praxis abzugehen (Bundesratsbeschluß vom 20. Juni in Sachen G. F., vom 27. März in Sachen H. U. und vom 13. Juni in Sachen J. Z.).

4. Der Niederlassungs- und Konsularvertrag zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 sieht in Art. 2 ausdrücklich das Recht jedes der Vertragsstaaten vor, die Angehörigen des ändern Staates durch gerichtliches Urteil, gesetzliche Polizeimaßnahmen oder gemäß den Gesetzen über Armen- und Sittenpolizei in den Heimatstaat zurückzuweisen; eine auf einen dieser Gründe, gestützte Ausweisung widerspricht also dem in Art. l des Staatsvertrages gewährleisteten Rechte auf freie Niederlassung nicht (Bundesratsbeschluß vom 9. Dezember in Sachen der P. M. gegen Tessin).

5. Den Rekurströlereien der im letztjährigen Geschäftsberichte gekennzeichneten Familie N o g u è s - C h e v a l l e y (Bundesbl. 1901, II, S. 40/41) wurde durch Bundesratsbeschluß vom 4. Februar ein Ende gemacht mit der Verfügung, es seien künftige Gesuche derselben nicht mehr zu beantworten.

822 m. Konfessionelles.

1. Den Bundesratsbeschluß vom 19. April über die Beschwerde des Siegfried Müller in Reußbühl gegen Luzern betreffend Verweigerung des Grabgeläutes haben wir im Bundesblatt 1901, II, S. 969 ff. vollinhaltlich mitgeteilt.

2. Die Erledigung der Angelegenheit der französischen Kongregationen, welche infolge des Inkrafttretens des neuen französischen Vereinsgesetzes Niederlassung in der Schweiz zu nehmen suchen, fällt in das Geschäftsjahr 1902.

IV. Wahlen und Abstimmungen.

1. Sämtliche 'wichtigern Entscheidungen über die Ausübung des Stimmrechts und die Wahlen haben wir dieses Jahr im Bundesblatte zum Abdruck gebracht. Wir verweisen auf die Publikationen: Bundesbl. 1901, I, S. 300 ff., Entscheid vom 19. Februar in Sachen S c h n y d e r gegen Luzern; III,'S. 1032 ff., Entscheid vom 3. Mai 1901 in Sachen M e t t l e r gegen St. Gallen; III, S. 881 ff., Entscheid vom 24. Juni in Sachen C e p p i gegen Bern; IV, S. 75 ff., Entscheid vom 26. Juli in Sachen Kaspar U s t e r und Genossen gegen Zug; IV, S. 280 ff., Entscheid vom 27. September in Sachen Ph. A n d e r m a t t gegen Zug; IV, 1044 ff., Entscheid vom 26. November in Sachen P a c o l u t und D u a y gegen Wallis; Bundesbl. 1902, I, S. 35 ff., Entscheid vom 24. Dezember 1901 in Sachen C o m i t é l i b é r a l - r a d i c a l gegen Freiburg.

2. Durch Schlußnahme vom 7./27. Juni 1901 hat die Bundesversammlung unsern Entscheid vom 7. Juli 1900 über die Beschwerde des Karl J ä h n gegen Bern betreffend Wahl des Stadtrates durch das Proportionalwahlverfahren (Bundesbl. 1900, III, 580 ff. ; IV, 89 ff.) gutgeheißen.

V. Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen.

1. E i s e n b a h n t r a n s p o r t r e g l e m e n t . Es wird auf die Publikation im Bundesblatt 1901, IV, 367 ff., Bundesratsbeschluß vom 11. Oktober über die Beschwerde der schweizerischen Sudostbahn gegen die schwyzerische Polizeiverordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884 verwiesen.

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2. O r g a n i s a t i o n der B u n d e s r e c h t s p f l e g e. Die Beschwerdekompetenz des Bundesrates zur Anordnung der Vollziehung rechtskräftiger s t a a t s r e c h t l i c h e r Urteile des schweizerischen Bundesgerichts ergiebt sich einzig aus der Bestimmung des Art. 45 des Organisationsgesetzes, nicht aus Art. 191 des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 22. November 1850 und 13. Juli 1855, der nur von Civilurteilen des Bundesgerichts handelt, welche dasselbe als einzige Instanz erläßt (Bundesratsbeschluß vom 3. September 1901 in Sachen Witwe K o l l y gegen den Gemeinderat von La Röche [Freiburg]).

3. U n t e r s t e l l u n g u n t e r die H a f t p f l i c h t g e s e t z g e b u n g . Wir verweisen auf den im Bnndesblatt 1901, I, S. 83 ff., publizierten Entscheid vom 11. Januar in Sachen Matter.

B. Polizeiwesen.

I. Verträge und Konventionen.

1. Die Ratifikationsurkunden betreffend den neuen Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den V e r e i n i g t e n S t a a t e n , von A m e r i k a (s. Geschäftsbericht pro 1900, S- 49)-wurden am 27. Februar 1901 zu Washington ausgetauscht. Infolgedessen ist der Vertrag gemäß der Bestimmung in Artikel XIV desselben am 29. März 1901 in Kraft getreten. Wir haben die Übereinkunft in die amtliche Sammlung n. F. Band XVin, Seite 633 ff. aufgenommen und den Kantonen mit Kreisschreiben vom 9. April 1901 (Bundesbl. 1901, II, 951) mitgeteilt.

2. Im Monat März 1899 haben wir der b r a s i l i a n i s c h e n Regierung unsere Abänderungsvorschläge mit Bezug auf den zweiten von ihr vorgelegten Entwurf zu einem A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e zugehen lassen (s. Geschäftsbericht pro 1899, S. 50, Ziffer 2). Fast 2 */2 Jahre ließ die brasilianische Regierung dieselben unbeantwortet. Erst gegen Ende August 1901 ist uns eine Rückäußerung, verbunden mit einem neuen (dritten) Ent-

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würfe, zugekommen. Wir haben diesen geprüft und daraus ersehen, daß die brasilianische Regierung einige unserer Vorschläge angenommen hat, dagegen auf andere nicht eingetreten ist. Die letzteren sind nun solche, von denen hierseits in Anbetracht der Vorschriften des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 nicht abgegangen werden kann. Wir haben demzufolge unsere Bemerkungen, zu denen wir hierdurch veranlaßt wurden, der brasilianischen Regierung zugehen lassen und hoffen von ihr eine baldige befriedigende Erwiderung zu erhalten.

3. Als vorläufiges Ergebnis von Verhandlungen, welche unsere Gesandtschaft in Rom in unserem Auftrage mit dem königlich italienischen Minister des Auswärtigen betreuend die A u s w e i s s c h r i f t e n der I t a l i e n e r in der Schweiz geführt hat, war die Gesandtschaft im Falle, uns unter gleichzeitiger Übersendung der nötigen Exemplare zu Händen der Kantone, Kenntnis zu geben von dem neuen königlich italienischen Dekret betreffend das Paßwesen vom 31. Januar 1901.

Diesem Dekret ist zu entnehmen, daß dasselbe Bestimmungen enthält, die dazu dienen müssen,' dem Wirrwarr, der in der Schweiz bezüglich auf die von den italienischen Staatsangehörigen verlangten Ausweisschriften bis jetzt geherrscht hat, ein Ende zu bereiten.

Wir haben uns deshalb veranlaßt gesehen, einem jeden Kanton diese neuen italienischen Paßbestimmungen und Paßformulare in der erforderlichen Anzahl zuzusenden. Wir glaubton den Kantonen bei diesem Anlasse nahelegen zu sollen, daß durch die Bestimmungen dieses Dekretes die Frage, welche Ausweisschriften in Zukunft von den italienischen Staatsangehörigen in der Schweiz durch die Behörden unseres Landes gefordert werden dürfen, als gelöst zu betrachten sei.

Unter diesen Umständen erachtete es das Justiz- und Polizeidepartement für unnötig, mit Italien eine Übereinkunft über die Ausweisschriften zu unterzeichnen und es schien die unterm 9. Juni 1899 in veränderter Form vom Nationalrat erheblich erklärte Motion Gobat gegenstandslos geworden zu sein.

Der ßundesrat teilte diese Auffassung und beschloß unterm 14. Oktober, der Bundesversammlung in Antwort auf die oben erwähnte Motion durch den Geschäftsbericht hiervon Kenntnis zu geben.

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II. Auslieferungen und Strafverfolgungen.

4. Die Gesamtzahl der A u s l i e f e r u n g s f ä l l e , mit denen sich der Bundesrat im Berichtsjahre zu befassen hatte, beträgt 588 gegen 574 im Vorjahre und 492 im Jahr 1899. Es wurden 147 Begehren von der Schweiz im Auslande (1900 : 136) und 441 von auswärtigen Staaten bei der Schweiz (1900 : 438) anhängig gemacht.

Außerdem gingen neun Gesuche um Durchtransporte von Delinquenten durch die Schweiz von auswärtigen Staaten ein.

Die Auslieferungsbegehren des Auslandes bei der Schweiz verteilen sich folgendermaßen auf die einzelnen Staaten : Deutschland (die drei süddeutschen Staaten 197) 276 Frankreich 49 Großbritannien l Italien 78 Luxemburg .

l Österreich-Ungarn 32 Portugal .

l Rußland 3 Von diesen Begehren sind 372 (7 durch das Bundesgericht) bewilligt worden; in 37 Fällen blieben, die Nachforschungen nach den Verfolgten resultatlos, in 24 wurde das Begehren zurückgezogen und in 5 (davon l durch das ßundesgericht) dasselbe verweigert. Drei Fälle waren am Ende des Jahres noch nicht erledigt.

Von den Auslieferungsbegehren, ·welche die Schweiz bei auswärtigen Staaten gestellt hat, gingen an : Ägypten (durch Vermittlung der deutschen Reichsregierung) l Australien l Belgien 8 Deutschland (die drei süddeutschen Staaten 19) 44 Frankreich ' 67 Griechenland 2 Großbritannien 2 Italien 9 Luxemburg l Monaco . .

l Österreich-Ungarn 7

826 Portugal l Türkei (durch Vermittlung der österreich.-uogar.

Regierung) l Außerdem wurde in zwei Fällen in verschiedenen Ländern gleichzeitig gefahndet.

Von diesen G-esuchen der Schweiz wurden 81 entsprochen, während 4 verweigert worden sind. In 33 Fällen blieben die Verfolgten unentdeckt und in 17 wurde das Begehren zurückgezogen. Zwölf Fälle waren am Schlüsse noch pendent.

Das Begehren bei A u s t r a l i e n (Viktoria) verursachte viele Bemühungen und es ist am Ende des Jahres noch ungewiß, ob demselben entsprochen werden wird. Die bei G r i e c h e n l a n d in zwei Fällen gethanen Schritte um Erwirkung von Auslieferungen, sind bis anhin ohne Erfolg geblieben; es scheinen die griechischen Behörden auf die gestellten Ansuchen nicht eintreten zu wollen. Wir werden neuerdings versuchen, mit Griechenland Unterhandlungen über den Abschluß eines Auslieferungsvertrages anzuknüpfen. Die Zulieferung der nach Ä g y p t e n und der T ü r k e i geflüchteten zwei Delinquenten erlangten wir durch die gütige Vermittlung im einen Fall der deutschen Reichsregierung und im anderen der Österreich-ungarischen Regierung.

Die an die Kantone nach Maßgabe von Artikel 31 des Auslieferungsgesetzes von 1892 vergüteten K o s t e n für Auslieferungen beliefen sich im Jahre 1901 auf Fr. 8937. 20 (1900 : Fr. 7875. 35).

5. Anläßlich eines konkreten Falles wurde zwischen der Schweiz und I t a l i e n durch Gegenrechtserklärung die gegenseitige Auslieferung verfolgter Individuen wegen ^Unsittliehkeiteu mit Kindern" vereinbart. Wir haben den eidgenössischen Räten hiervon nach Blaßgabe von Art. l, Abs. 5, des Auslieferungsgesetzes von 1892 mit Schreiben vom 5. August 1901 Kenntnis gegeben.

6. Von Frankreich war ein C. L. R. wegen Diebstahls an die Behörden des Kantons Waadt ausgeliefert worden. Die waadtländischen Gerichte verurteilten aber in der Folse den R. nicht nur wegen dieses Deliktes, sondern auch wegen einer v o r d e r A u s l i e f e r u n g b e g a n g e n e n V e r l e u m d u n g . Auf Grund eines Erkenntnisses des Bundesgerichts, wonach angenommen worden war, R. habe verlangt, für beide Delikte abgeurteilt zu werden (derselbe hatte indessen in den beiden kantonalen Instanzen gegen ein solches Verfahren protestiert) -und damit die O

827 erforderliche Zustimmung dazu gegeben, suchte der Staatsrat des Kantons Waadt darum nach, es möchte von der fraglichen Verurteilung des K. nach M a ß g a b e von Art. 8, Abs. 2 des schweizer.-französischen Auslieferungsvertrages vom 9. Juli 1869 der französischen Regierung Kenntnis gegeben werden. In diesem Artikel ist bestimmt, daß das ausgelieferte Individuum für keine andere Gesetzesverletzung bestraft werden dürfe, als für diejenige, wegen welcher die Auslieferung bewilligt worden ist, es wäre denn, daß der Angeklagte ausdrücklich und freiwillig seine Zustimmung gegeben und die ausliefernde Regierung davon Kenntnis erhalten hätte. , Wir erwiderten dem Staatsrat von Waadt, daß wir nicht in der Lage sind, die gewünschte Mitteilung an die französische Regierung zu machen. Diese würde die b l o ß e P r ä s u m t i o n des Bundesgerichtes, es liege eine ausdrückliche und freiwillige Zustimmung des R. in seine Aburteilung wegen Verleumdung vor, nicht als dem Sinne jener Vertragsbestimmung entsprechend erachten. Diese setzt vielmehr, wie es sich aus der zwischen den beiden Staaten stets geübten Praxis ergiebt und wie auch in der Wissenschaft anerkannt worden ist (vergi. Lammasch, Auslieferungspflicht und Asylrecht, Seite 791), eine förmliche Zustimmung des Angeklagten selbst voraus. Die französische Regierung macht dementsprechend auch in ähnliehen Fällen stets unter Einsendung eines mit dem Angeklagten diesfalls aufgenommenen Protokolles oder einer Erklärung des Anwaltes desselben dem Bundesrat die fragliche Mitteilung und zwar geschieht diese in der Regel sofort nach geschehener Zustimmung und bevor das Gericht die Aburteilung vornimmt.

Der Staatsrat von Waadt konnte uns daraufhin eine schriftliche Erklärung des R., welche dessen Zustimmung zu der Aburteilung wegen Verleumdung enthielt, übermitteln und wir leiteten dieselbe der französischen Regierung zur Vormerknahme zu.

7. Die österreichisch-ungarische Regierung hatte die Auslieferung des deutschen Staatsangehörigen R. F. W., welcher gleichzeitig von Deutschland und von uns bei ihr requiriert worden war, an die Schweiz bewilligt und dabei bemerkt, daß kein Hindernis obwalte, den W. seinerzeit zur Vollstreckung der ihm in Deutschland auferlegten Strafen an die deutschen Behörden auszuliefern. Daraufhin wandte sieh die d e u t s c h e R e i c h s r e g i e r u n g an uns, um die Auslieferuog des W. KU erwirken, wobei sie geltend machte, es habe dessen Auslieferung seitens

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der Schweiz wegen aller ihm in Deutschland zur Last gelegten Strafthaten ohne weiteres zu geschehen, da W. von Österreich an die Schweiz unter der Voraussetzung ausgeliefert worden sei, daß er nach erfolgter hierseitiger Aburteilung und Verbüßung seiner Strafe den deutschen Behörden zugeführt werde.

Wir konnten uns dieser Auffassung nicht anschließen und erwiderten der deutschen Reichsregierung, daß die Auslieferung des W. von Österreich ohne jeglichen Vorbehalt an die Schweiz stattgefunden hat.

Die von der k. und k. Regierung beigefügte Erklärung hatte nur den Sinn, daß ihrerseits nichts entgegensteht, daß W. seinerzeit an Deutschland ausgeliefert werde, was gemäß den Bestimmungen in Art. XIII des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich - Ungarn vom 10. März 1896 nicht ohne eine solche Zustimmung geschehen könnte. Die Schweiz hätte auch keine Verpflichtung mit Bezug auf eine spätere Auslieferung des W. an Deutschland von der k. und k. Regierung entgegennehmen können, indem für eine solche Auslieferung die Vorschriften des bezüglichen Vertrages zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche maßgebend sind und die Wahrung der Beobachtung derselben den Regierungen dieser beiden Staaten zukommt. Daher muß auch der Bundesrat die betreffenden Bestimmungen seiner Entschließung hinsichtlich des Begehrens der deutschen Reichsregierung betreffend W. zu Grunde legen und kann dabei nur noch die Vorschriften des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 in Berücksichtigung ziehen.

Infolgedessen wurde die Auslieferung des W. an Deutschland wegen der Delikte des Diebstahls und der Eigentumsbeschädigung, nicht aber auch wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, bewilligt.

8. Von I t a l i e n wurde bei uns um die Auslieferung eines Gr. M. wegen q u a l i f i z i e r t e n D i e b s t a h l s und wegen einer U n t e r s c h l a g u n g von 30 L i r e nachgesucht. Mit Bezug auf das erstere Delikt berief sich die italienische Gesandtschaft auf den Art. 2, Ziffer 7, des schweizerisch italienischen Auslieferungsvertrages, wegen des letzteren beantragte sie die Bewilligung der Auslieferung unter Hinweis auf Art. 3, Ziffer 20, des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892, indem der Vertrag zwischen der Schweiz und Italien die Auslieferung wegen Unterschlagung (Vertrauensmißbrauches) nur vorsieht, wenn der verursachte Schaden Fr. 1000 übersteigt.

829 Die Prüfung des Falles veranlaßte uns, das Begehren um Auslieferung wegen des Deliktes der Unterschlagung abzulehnen, da wir die Straflhat für zu unbedeutend erachteten, um entgegen der Bestimmung in Art. 2, Ziffer 12, des erwähnten Auslieferungsvertrages als Präcedenzfall zu dienen. Außerdem zogen wir in Betracht, daß das Bundesgesetz über die Auslieferung in dem Schlußsatz von Art. 3 den Grundsatz aufstellt, daß bei leichteren Vergehen von einer Auslieferung Umgang genommen werden soll.

9. Neue Gesuche um s t r a f r e c h t l i c h e V e r f o l g u n g von S c h w e i z e r n , die im Ausland delinquiert und sich in die Schweiz geflüchtet haben, sind uns im Berichtsjahre 34 zugegangen, nämlich 26 von Deutschland, 7 von Frankreich und l von Luxemburg. Nach Prüfung der erhaltenen Untersuchungsakten und Feststellung des Kantons, dem nach Maßgabe von Art. 2, Absatz 3, des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 die Strafverfolgung zukommt, ließen wir der betreffenden Kantonsregierung die Akten zugehen, damit sie die Verfolgung des Beschuldigten veranlasse. Außerdem hatten wir uns noch mit 12 solcher Fälle vom Jahre 1900 zu beschäftigen.

Von diesen Strafverfolgungsfällen hatten 10 am Ende des Jahres noch nicht die gerichtliche Erledigung gefunden.

Bei a u s w ä r t i g e n Staaten haben wir im Berichtsjahre 83 neue Begehren um strafrechtliche Verfolgung von Angehörigen derselben, die nach Begehung strafbarer Handlungen in der Schweiz in ihre Heimat geflohen waren, gestellt, nämlich bei Deutschland 58, bei Frankreich 5, bei Italien 13, bei Österreich-Ungarn 6 und bei Rußland l Begehren. Vom Vorjahre pendant gebliebene Fälle dieser Art waren es 27, mit denen wir uns zu beschäftigen hatten.

Am Schluß des Jahres waren bezüglich 27 hierseitiger Begehren die Berichte der auswärtigen Staaten über die Folge, die denselben gegeben worden ist, noch nicht eingegangen'.

10. Durch das kaiserlich d e u t s c h e K o n s u l a r g e r i c h t in A l e x a n d r i e n (Ägypten) war der schweizerische Angehörige und deutsche Schutzgenosse J. R. T. aus dem Kanton St. Gallen wegen Unterschlagung zu sechs Monaten Gefängnis v e r u r t e i l t worden und verbüßte diese Strafe im Gefängnis des genannten Konsulates. Er war jedoch nicht in der Lage, die durch das Strafverfahren entstandenen Kosten zu bezahlen. Daher wandte Bundesblatt.

54. Jahrg. Bd. I.

57

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sich die deutsche Reichsregierung an uns, mit dem Gesuche, die R ü c k e r s t a t t u n g derselben veranlassen zu wollen, wobei sie darauf hinwies, daß ihr nicht wohl zugemutet werden könne, solche lediglich im schweizerischen Interesse erwachsenen Kosten selbst zu tragen. In der That folgt aus dem zwischen dem Bundesrate und der deutschen Regierung seinerzeit getroffenen Abkommen, wonach sich Deutschland bereit erklärt hat, seinen Konsuln in Ländern, wo die Schweiz nicht vertreten ist, die "Weisung zu geben, Schweizerbürger, welche es verlangen, unter ihren Schutz zu nehmen, daß, wenn Deutschland aus der Gewährung dieses Schutzes Kosten entstehen, die nicht von den betreffenden Schutzgenossen oder deren Familien ersetzt werden können, die heimatlichen Behörden dafür aufzukommen haben.

Demgemäß leiteten wir die in Sachen erhaltene Kostenrechnung den st. gallischen Behörden zu, welche nicht anstanden, deren Betrag zurückzuerstatten (s. ähnlichen Fall im Geschäftsbericht pro 1895, 55, Ziffer 15).

11. Da es vorgekommen war, daß männliche und weibliche Arrestanten auf der Eisenbahn zusammen in der gleichen Zelle eines Gepäckwagens transportiert wurden, machten die Polizeidirektoren der romanischen Schweiz bei unserem Justiz- und Polizeidepartement die Anregung, es möchte aus Rücksichten der Humanität und Moral dabin gewirkt werden, daß in der Schweiz allgemein der T r a n s p o r t v e r h a f t e t e r F r a u e n s p e r s o n e n in der dritten Wagenklasse unter Begleitung eines Agenten in Civil und nicht mehr in den Zellen stattfinde. Die Prüfung dieser Frage und die bei den Polizeidirektionen der deutschen Schweiz gemachten Erhebungen ließen es jedoch weder für wünschenswert noch für möglich erscheinen, dieser Anregung eine weitere Folge zu geben.

Das Departement erachtete den Vorschlag hinsichtlich der Weibspersonen, die als Angeklagte oder Verurteilte befördert beziehungsweise ausgeliefert werden sollen, für zu weit gehend.

Nach seiner Ansicht sollte im Gegenteil der Transport solcher in den Zellen als Regel gelten und eine Beförderung in der dritten Wagenklasse mit Begleitung in Civil nur vorgenommen werden, wenn besondere Gründe dazu Veranlassung geben, wie Jugend, Gebrechlichkeit, große Kälte.

Die angefragten Direktionen der deutschen Schweiz sprachen sich in ihrer weitaus größeren Mehrzahl gegen eine einheitliche Regelung jener Transporte, so wie sie vorgeschlagen worden war,

831 aus, nur fünf Direktionen erklärten sich mit dem Vorschlage einverstanden. Von den anderen Direktionen wurde darauf hingewiesen, daß durch Weisungen an die kantonalen Polizeiorgane etwaige Ungehörigkeiten bei den fraglichen Transporten leicht vermieden werden können. Im allgemeinen wird von denselben, wenn sie in die Lage kommen, Frauenspersonen durch die Bahn spedieren zu müssen, und es ist die Zelle des Gepäckwagens bereits durch männliche Individuen besetzt oder umgekehrt, in der Weise verfahren, daß der neue Transport entweder auf einen späteren Zug verschoben wird oder in der Art erfolgt, daß das betreffende Individuum unter polizeilicher Aufsicht im Gepäckwagen sich aufhalten muß; eventuell findet die Weiterführung mit Begleitung in III. Wagenklasse statt. Diese Auswege werden als vollständig genügend befunden, um allen Eventualitäten begegnen zu können.

III. Rogatorien.

12. Unser Justiz- und Polizeidepartement hatte während -des Berichtsjahres in 383 Fällen (1900: 380, 1899: 273) bei der Vermittlung g e r i c h t l i c h e r R e q u i s i t o r i e n und der Notifikation von G e r i c h t s a k t e n mitzuwirken. 163 derselben bezogen sich auf Civilangelegenheiten, 94 auf Strafsachen und 126 auf die Zustellung von Gerichtsakten.

Vom Auslande sind 152 Requisitorien und Gerichtsakte zur Vollziehung beziehungsweise Zustellung eingelangt; von der Schweiz gingen 231 ans Ausland.

13. Auf dem Korrespondenzwege wurde zwischen der S c h w e i z und Ö s t e r r e i c h - U n g a r n die Vereinbarung getroffen, daß in Zukunft alle u n g a r i s c h e n Gerichtsakten, welche in der Schweiz zur Zustellung an dritte Personen gelangen sollen, von einer deutschen oder französischen Übersetzung zu begleiten sind. Die Übersetzungskosten werden von den Adressaten erhoben oder eventuell von den sehweizerischen Behörden übernommen. Für die Zustellung der Akten wird eine kleine Gebühr bezogen.

14. Das französische Generalkonsulat in Genf hatte den genferischen Behörden eine Anzahl ,,bulletins de commandement"1 Übermacht, welche an in Genf wohnhafte Personen zugestellt

832 werden sollen und wodurch diese aufgefordert werden, bestimmte Geldbeträge an einen ,,Percepteur" in Savoyen zu bezahlen. Das Generalkonsulat hatte sein Gesuch um Zustellung auf Art. 13 des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. Juli 1869 gestützt, da durch diese ,,Commandements"1 gerichtlich auferlegte Geldstrafen und Kosten eingezogen werden wollen.

Der Generalprokurator von Genf weigerte sich jedoch, die Notifikation derselben vorzunehmen, weil die Akte nach seinem Dafürhalten einen rein fiskalischen Charakter haben. Die daraufhin auf unsere Veranlassung durch die schweizerische Gesandtschaft in Paris gemachten Erhebungen bestätigten diese Ansicht vollständig. Es ergab sich, daß den betreffenden ,,Commandements10 eine Strafuntersuchung oder irgend ein gerichtliches Verfahren nicht zu Grunde liegt, sondern daß sie Zahlungsaufforderungensind, welche ganz im Interesse des französischen Fiskus gemacht werden und von den administrativen Behörden ausgehen. Infolgedessen besteht für die schweizerischen Behörden weder auf Grund von Art. 13 des schweizerisch-französischen Auslieferungsvertrages noch gemäß Art. 21 der Übereinkunft mit Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Civilsachen vom 15. Juni 1869 eine Verpflichtung, die Zustellung derselben an Personen in der Schweiz vorzunehmen.

15. In einer Civilprozeßangelegenheit sollte eine in S i n g a p o r e wohnhafte Person als Zeuge abgehört werden. Die Vollziehung des betreffenden Requisitorials konnte nicht durch die englische Regierung erwirkt werden, da die Vermittlung des Foreign Office nur bei Ersuchschreiben in Strafsachen in Anspruch genommen werden kann. Wir mußten uns, indem die Schweiz keinen konsularischen Vertreter in Singapore hat, an die deutsche Reichsregierung wenden, damit sie den kaiserlich deutschen Konsul in Singapore einlade, das Requisitorial zum Vollzug zu bringen. Dieses Aktenstück war noch nach Maßgabe des englischen Gesetzes von 1856 (an Act to provide for taking évidence in H. M. Dominions in relation to civil and commercial matters pending before foreign tribunal) von einer Erklärungder schweizerischen Gesandtschaft in London zu begleiten, in der neben der Angabe des in Frage stehenden Prozesses die Zuständigkeit des ersuchenden Gerichtes bezeugt wurde; die Erklärung trug die Beglaubigungen des Foreign Office und desKolonialamtes in London.

833

IV. Heimsehaffungen.

16. Die Zahl der Fälle von Heimschaffungen v e r l a s s e n e r K i n d e r, G e i s t e s k r a n k e r und der o f f e n t l i c h e n W oh 1t h ä t i g k e i t a n h e i m g e f a l l e n e r P e r s o n e n belief sich im Berichtsjahre auf 166 (1900: 162, 1899: 118) und betraf 222 Personen.

Die S c h w e i z wurde seitens des A u s l a n d e s um die Heimschaffung von 68 Personen (68 Gesuche umfassend) angegangen, nämlich von 23 verlassenen Kindern, 39 Geisteskranken und 6 Hülfsbedürftigen. Aus Frankreich liefen 50 Gesuche ein, aus Deutschland 10, aus Österreich und Italien je 3 und aus Rußland und China je 1. Von den 68 Personen wurden 29 als schweizerische Angehörige ermittelt und übernommen, sechs dagegen wurden nicht anerkannt, 3 Begehren wurden zurückgezogen, während 30 Fälle noch pendent sind.

Die S c h w e i z stellte an das A u s l a n d auf diplomatischem Wege 98 Heimschaffungsbegehren betreffend 154 Personen.

Davon entfielen auf Italien 40 Begehren, auf Frankreich 39, auf Österreich 9, auf Deutschland 7 und auf Spanien, Schweden und Rußland je 1. Diese Heimschaffungsbegehren bezogen sich auf 37 verwaiste und verlassene Kinder, 44 Geisteskranke und 73 der öffentlichen Wohlthätigkeit Anheimgefallene. Davon wurden 72 vom Auslande als Angehörige anerkannt und heimgeschafft; die Übernahme von 4 Personen wurde abgelehnt, 22 Begehren wurden von den Kantonsregierungen vor Abschluß der Verhandlungen zurückgezogen, während in 56 Fällen die Entscheidungen der fremden Regierungen am Ende des Jahres noch ausstanden.

Außerdem sind von Deutschland 24 Gesuche um Bewilligung des D u r c h t r a n s p o r t e s von 28 hülfsbedürftigen oder geisteskranken Italienern über schweizerisches Gebiet, auf Kosten des requirierenden Staates, eingegangen. Davon wurden 19 bewilligt und vollzogen, 3 zurückgezogen, während 2 noch pendent sind.

Endlich wurde einem ähnlichen Durchtransportgesuche des Großherzogtums Luxemburg entsprochen und auf das Gesuch Italiens c zwei Deutsche durch die Schweiz nach ihrer Heimat ögebracht.

Deutsche, aus Italien ausgewiesene Staatsang e h ö r i g e wurden in der Zeit von Anfang Juli 1900 bis Ende Juni 1901 im ganzen 125 (ina Vorjahr 114) nach Deutschland heimgeschafft. Die dadurch entstandenen Kosten im Betrage von Fr. 3234. 85 ersetzte die italienische Regierung gemäß der Über-

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einkunft vom 16. Februar 1881 betreffend den Polizeidienst in den internationalen Stationen der Gotthardbahn und der Erklärungen vom 11. November 1884 und 12. Januar 1885.

17. Ein unbemittelter englischer Staatsangehöriger wurde wegen Geisteskrankheit in einer Irrenanstalt unseres Landes untergebracht und sollte heimgeschafffc werden, da er der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fiel. Seine Transportfähigkeit war ärztlich nachgewiesen.

Das bei der großbritannischen Regierung gestellte Begehren um Einwilligung in die beabsichtigte Heimschaffung des Geisteskranken nach England, hatte negativen Erfolg. Das Foreign Office in London machte darauf aufmerksam, daß wenn eine mittellose Person schweizerischer Nationalität in einer englischen Irrenanstalt untergebracht werde, die betreffenden Kosten aus lokalen oder kaiserlichen Mitteln ffrom local and imperiai funds) bestritten würden, gleich wie wenn der Kranke britischer Staatsangehöriger wäre. Unter diesen Umständen, und da zwischen Großbritannien und der Schweiz kein Vertrag über die Heimschaffung von Geisteskranken bestehe, sei die großbritannische Regierung nicht in der Lage, dem schweizerischerseits gestellte» Begehren zu entsprechen.

T. Verschiedenes.

18. Ein amerikanischer Bürger ließ sich im Jahre 1887 in der Schweiz nieder und deponierte an seinem Wohnorte seinen für zwei Jahre gültigen Paß. Er ließ denselben später durch die amerikanische Gesandtschaft in Bern noch zweimal erneuern.

Als er im Jahre 1899 den abgelaufenen Paß auf der Gesandtschaft nochmals erneuern wollte, wurde derselbe dort einfach annulliert und der Paßinhaber dadurch seiner Ausweise als amerikanischer Bürger verlustig.

Auf sein Ansuchen veranlaßten wir unsere Gesandtschaft in Washington, diesen Fall der Regierung der Vereinigten Staaten vorzutragen und dabei erwirken zu wollen, daß der Betreffende wieder zu einem Paß als amerikanischer Bürger gelange.

In seiner Antwort an unsere Gesandtschaft in Washington wünschte das dortige Staatsdepartement vor allem zu konstatieren, daß die Verweigerung der Gesandtschaft der Vereinigten Staaten in Bern, dem Petenten einen neuen Paß auszustellen, durch die

835 speciellen Thatsachen sowohl, als durch die allgemeinen Instruktionen dieses Departementes, vollständig gerechtfertigt sei.

Der Paßbewerber, der in den Vereinigten Staaten als Bürger naturalisiert worden sei, sei während 14 Jahren landesabwesend.

Er habe sich in der Schweiz niedergelassen, dort verheiratet und eine Familie aufgezogen. Auch sei konstatiert, daß er alles in seiner Macht stehende gethan habe, um Schweizerbürger zu werden, daß es ihm aber infolge seines kärglichen Einkommens und seiner großen Familie nicht möglich gewesen sei, eine Gemeinde zu finden, die ihn als Bürger habe aufnehmen wollen.

Die Stellung der Vereinigten Staaten-Regierung in ähnlichen Fällen, wo ein amerikanischer Bürger nach fremden Ländern ziehe und dort mit dem ,,animus manendi" sich niederlasse, sei die, daß derselbe das Recht auf den Schutz dieser Regierung verliere und als einer, der sich selber expatriiert habe, angesehen werden müsse. Das Staatsdepartement sei daher nicht im Falle, das Gesuch der schweizerischen Bundesbehörden zu bewilligen, wonach die Gesandtschaft der Vereinigten Staaten in Bern autorisiert werde, dem Betreffenden einen neuen Paß auszustellen.

19. Gestützt auf erhaltene Mitteilungen unseres Generalkonsulates in Bukarest, wonach die reglementarischen Formalitäten für den Eintritt in Rumänien ganz strikte gehandhabt werden, sahen wir uns veranlaßt, im Laufe des Frühjahrs und später im Bundesblatt darauf aufmerksam zu machen, daß der Eintritt in Rumänien nur gegen Vorweisung eines Passes gestattet wird, welcher von einem rumänischen Konsulate in der Schweiz oder im Auslande visiert sein muli und daß widrigenfalls die Reisenden Gefahr laufen, an der rumänischen Grenze zurückgewiesen zu werden, selbst wenn sie im Besitze eines Heimatscheins oder Geburtsscheins wären.

Unser Konsulat in Rumänien macht uns nun darauf aufmerksam, daß die im Bundesblatte gemachten Veröffentlichungen nicht den Erfolg gehabt haben, der davon zu erwarten war, indem es vorgekommen sei, daß noch seither in der Schweiz Pässe nach Rumänien ausgestellt worden seien, deren Inhaber es alsdann unterlassen hätten, ihre Pässe von einem rumänischen Konsulat außerhalb Rumäniens visieren zu lassen. Es seien diese Paßinhaber infolgedessen dann beim versuchten Übertritt nach Rumänien an der Grenze dieses Landes schweren Unannehmlichkeiten ausgesetzt gewesen.

836

20. Daß es in der Schweiz trotz allen schon ergangenen Warnungen noch immer Leute giebt, die den bekannten Schwindelb r i e f e n aus S p a n i e n betreffend verborgene Schätze Glauben schenken, hat sich aus zwei eingegangenen Requisitorien der Untersuchungsrichter von Barcelona und Madrid ergeben, mit denen um die Abhörung der Geschädigten, durch welche auf direktem Wege in Spanien Klage erhoben worden war, nachgesucht wurde. In dem einen Fall hatte sich der Betreffende persönlich nach Spanien begeben und sich dort 1250 Franken herauslocken lassen, in dem anderen machte der Betrogene unter drei Malen Geldsendungen an die Briefschreiber im Gesamtbetrage von 10,500 Franken. Der Letztere merkte den Betrug erst, als ihm die Schwindler selbst schrieben, es sei des bösen Spieles nun genug und er habe eine Lehre für die Zukunft.

C. Bundesanwaltschaft.

I. Bundesstrafrecht.

1. Die aus den Jahren 1899 und 1900 noch hängig gebliebenen Fälle von E i s e n b a h n g e f ä h r d u n g e n haben bis auf einen alle im Berichtsjahre ihre gerichtliche Erledigung gefunden.

2. Im Jahre 1901 kamen zur Behandlung: 123 Gefährdungen des E i s e n b a h n b e t r i e b e s , 31 Gefährdungen des T r a m w a y b e t r i e b e s , 2 Gefährdungen des P o s t b e t r i e b e s .

In drei Fällen lag gleichzeitig Eisenbahn- und Tramwaj^gefährdung vor.

3. Als a b s i c h t l i c h e G e f ä h r d u n g e n erwiesen sich 55 F ä l l e , die begangen wurden durch: a. Legen von Gegenständen auf das Geleise in 14 Fällen b. Steinwürfe gegen Eisenbahnzüge in . . . .

33 ,, c. Schießen gegen Eisenbahnzüge in 6 ,, d. Unbefugtes Verschieben von Bahnwagen in 2 ,, 55 Fälle

837

In bundesstrafrechtlicher Beziehung wurde k e i n e F o l g e g e g e b e n : zwei von diesen Fällen, weil keine erhebliche Gefahr herbeigeführt worden, und sieben Fällen, weil eine strafrechtliche Zurechnung den jugendlichen Angeschuldigten gegenüber nicht stattfinden konnte.

Von den 46 zur B e u r t e i l u n g an die k a n t o n a l e n G e r i c h t e gewiesenen Fällen erfolgte in 5 Verurteilung der Angeschuldigten, in 2 mußte die eingeleitete U n t e r s u c h u n g mangels Schuldbeweis, und in 31 wegen mangelnder A n h a l t s punkte bezüglich der Thäterschaft eingestellt w e r d e n , acht Fälle sind n o c h u n e r l e d i g t .

4. Bei den f a h r l ä s s i g e n G e f ä h r d u n g e n handelte es sich um: a. Erfolgten oder drohenden Zusammenstoß von Zügen oder Zugsteilen in 41 Fällen b. Entgleisungen in 24 ,, c. Kollision mit Straßenfuhrwerken in . . . .

25 f l d. Auf dem Bahnkörper befindliches Vieh in .

l Fall e. Entlaufen von Wagen in l fl f. Verunglücken von Passagieren oder Bahnpersonal in 5 Fällen g. Auffahren auf die Endstation einer Drahtseilbahn in l Fall h. Losgehen eines Schusses im Zug in ...

l ,, i. Umstürzen von Postwagen in 2 Fällen 101 Fälle.

Keine w e i t e r e F o l g e wurde gegeben: 15 Fällen, weil k e i n e e r h e b l i c h e G e f a h r vorhanden, und 20 Fällen, weil der Thatbestand eines s t r a f b a r e n s u b j e k t i v e n V e r s c h u l dens mangelte.

66 Fälle wurden zur Beurteilung an die kantonalen Gerichte gewiesen, 18 endigten mit F r e i s p r e c h u n g , 24 mit V e r u r t e i l u n g der Angeschuldigten ; in 8 Fällen erfolgte S i s t i e r u n g der eingeleiteten Untersuchung m a n g e l s g e n ü g e n d e n S c h u l d b e w e r s e s , und 16 sind zur Zeit b e i den b e t r e f f e n d e n G e r i c h t e n noch hängig.

5. Am 5. Dezember 1900 abends wurde bei der Birsbrücke zu Mönchenstein böswilligerweise eine eiserne Schwelle quer über das Geleise der J. S.-Bahnlinie gelegt und dadurch die Lo-

838

komotive des Expreßzuges Basel-Delsberg zum Entgleisen gebracht.

Der in der Person eines gewesenen Bahnarbeiters J. G. ermittelte Thäter wurde zu einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren verurteilt.

6. Ein T. S., der zwischen den S. T. B.-Stationen Beinwil und Birrwil jeweilen abends wiederholt Steine auf die Schienenstränge legte und Signalscheiben ausriß und anderswo placierte, wurde zu 4 Monaten Zuchthaus und Fr. 20 Geldbuße verurteilt.

7. Zwei Fälle von S t ö r u n g des T e l e p h o n - und T e l e g r a p h e n b e t r i e b e s durch Beschädigung der Leitungen, die letztes Jahr unerledigt geblieben sind, haben seither ihre gerichtliche Erledigung gefunden. Im Berichtsjahr kamen 13 solcher Fälle zur Behandlung ; zwei derselben wurde keine Folge gegeben, weil ein strafbares Verschulden nicht nachgewiesen werden konnte, 11 wurden zur Beurteilung an die kantonalen Gerichte gewiesen, und von diesen endigten 5 mit Verurteilung, einer mit Freisprechung der Angeschuldigten, in zwei Fällen wurde das Strafverfahren eingestellt, und 3 Fälle sind noch unerledigt.

8. Ein G. J. St., der aus Bosheit mehrere Telephonstangen durchgesägt 'hatte, wurde dafür zu 3 Monaten Gefängnis und Fr. 30 Geldbuße verurteilt.

9. Die zwei aus dem Vorjahre noch ausstehend gewesenen Urteile betreffend F ä l s c h u n g e n im M i l i t ä r d i e n s t b ü c h l e i n sind seither eingelangt; von den 5 im Berichtsjahre an die Gerichte gewiesenen derartigen Fällen sind zwei noch nicht abgeurteilt.

10. Von den 16 im Jahr 1901 zur Beurteilung an die kantonalen Gerichte gewiesenen Fällen von A m t s d e l i k t e n beg a n g e n d u r c h P o s t a n g e s t e l l t e fanden 8 ihre Erledigung durch Verurteilung der Angeschuldigten, in einem Falle ^vurde die Untersuchung sistiert, weil die Thäterschaft nicht ermittelt werden konnte, und in einem Fall, weil kein genügender Schuldbeweis vorlag; sechs derselben sind noch unerledigt.

11. Der mit Bundesratsbeschluß vom 8. November 1898 aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft ausgewiesene italienische Anarchist G. ist im Monat März des Berichtsjahres wieder auf Schweizergebiet betroffen und in Lausanne zur Haft gebracht worden. Er wurde wegen Ü b e r t r e t u n g der L a n d e s -

839

V e r w e i s u n g (Art. 63 des Bundesstrafrechtes) den waadtländischen Gerichten überwiesen und von denselben zu 10 Tagen Gefängnis und Fr. 50 Geldbuße verurteilt.

12. Im Berichtsjahre hat die Bundesanwaltschaft zu Händen des Bundesgerichtes acht A u s l i e f e r u n g s f ä l l e begutachtet.

13. An B e g n a d i g u n g s g e s u c h e n lagen 29 vor; dieselben bezogen sich auf Bestrafungen, welche ausgesprochen worden waren wegen : a. Eisenbahngefâhrdung 12 b. Übertretung des Bundesgesetzes über Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen 7 c. Übertretung des Alkoholgesetzes 2 d. Übertretung des Fischereigesetzes 5 e. Beschädigung einer Telegraphenlinie l f. Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen 2 12 dieser Gesuche wurden dem Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung in empfehlendem, 14 in abweisendem Sinne begutachtet; drei derselben sind von den Gesuchstellern zurückgezogen worden.

Die weitere Behandlung dieser Begnadigungsgesuche durch Bundesrat und Bundesversammlung ist aus den im Bundesblatt enthaltenen Berichten und Verzeichnissen der Verhandlungsgegenstände der Bundesversammlung ersichtlich.

Vergleiche Bundesblatt 1901 : l, II, IH, IV.

u. Widerhandlungen gegen eidgenössische Fiskalgesetze.

14. Der im Jahr 1900 unerledigt gebliebene Fall von W i d e r h a n d l u n g g e g e n das Z o l l g e s e t z ist seither zur Aburteilung gelangt.

Im Berichtsjahre wurden 15 solcher Fälle bei den Gerichten anhängig gemacht, in 8 derselben erfolgte Verurteilung der Angeschuldigten, in einem ändern Freisprechung; in 3 Fällen-wurde die Strafklage zurückgezogen, weil sich die Angeschuldigten nachträglich unterzogen und die administrativ ausgesprochenen Bußen bezahlten, und in einem Fall wurde das Strafverfahren eingestellt, weil der Beklagte flüchtig geworden war.

In zwei Fällen steht der Urteilsspruch noch aus.

840

IIL Heimatlosenwesen.

Der Bundesanwalt hat auf Veranlassung des Justiz- und Polizeidepartementes die Durchführung einer Anzahl von Untersuchungen über Einbürgerung von Heimatlosen übernommen, welche noch aus der Zeit der ersten Wirksamkeit des Bundesgesetzes vom 3. Dezember 1850 pendent geblieben waren. Der eine dieser Fälle konnte bereits in der ersten Hälfte des Berichtsjahres dem Bundesrate zur Beschlußfassung vorgelegt werden, und ist sodann infolge der Einsprache eines belasteten Kantons dem Bundesgerichte zu definitiver Entscheidung überwiesen worden. In drei ändern Untersuchungen dieser Art sind die zur Erledigung notwendigen Ergänzungen der Akten in Angriff genommen worden, und es kann ihre Durchführung in nächster Zeit erwartet werden.

IT. Politische Polizei.

Bezüglich der im Jahre 1901 nötig gewordenen besonderen Maßnahmen verweisen wir auf die im Bundesblatt veröffentlichten Ausweisungsbeschlüsse. Vgl. Bundesblatt 1901, II, 989; III, 940; IV, 177.

D. Versicherungsamt.

Der vierzehnte Specialbericht des eidgenössischen Versicherungsamtes über das Geschäftsjahr 1899 wurde durch Bundesratsbeschluß vom 28. Mai 1901 genehmigt und publiziert (Art. 12 des Aufsichtsgesetzes).

Der Bestand der der Aufsicht unterstellten Gesellschaften hat im Jahre 1901 wenig Änderungen erfahren.

a. Neue Konzessionen wurden in dem Berichtsjahre keine erteilt.

b. Konzessionserweiterungen. Die Norddeutsche Versicherungsgesellschaft hat ihr Geschäft auf die Versicherung gegen Unfall, Haftpflicht und Einbruchdiebstahl ausgedehnt, jedoch sollen diese Versicherungszweige vorerst nur im Ausland betrieben werden.

841 Am 19. August hat der Bundesrat dieser Betriebserweiterung die nachgesuchte Genehmigung erteilt. Ein Gesuch der Assurance mutuelle vaudoise des entrepreneurs et industriels du canton de Vaud um Ausdehnung der Konzession auf die Einzelversicherung und ein Gesuch der Schlesischen Feuerversicherungsgesellschaft um Bewilligung zum Betrieb der Einbruchdiebstahlversicherung wurden in dem Berichtsjahre nicht mehr erledigt.

c. Eine Konzessionserneuerung wurde der Oberrheinischen Versicherungsgesellschaft und der badischen Pf erde Versicherungsanstalt" erteilt.

d. Konzessionsversicht. Zwei Gesellschaften, die Unfallversicherungsgesellschaft ,,La Providence"1 in Paris und die .,,Düsseldorfer allgemeine Versicherungsgesellschaft für See-, Fluß- und Landtransport11 in Düsseldorf, haben auf die Konzession zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz verzichtet.

e. Kongessionsverweigerung. Einer Feuerversicherungsgesellschaft und einer Unfallversicherungsgesellschaft konnte die nachgesuchte Konzession nicht erteilt werden.

Fünf Konzessionsgesuche, von denen drei im Laufe des Berichtsjahres eingereicht wurden, sind noch schwebend.

Folgendes sind die am Ende des Berichtsjahres k o n z e s s i o n i e r t e n oder n u r u n s e r e r A u f s i c h t u n t e r s t e l l t e n G esellschaften:

A. Konzessionierte Anstalten.

L Lebensversicherungsgesellschaften.

Allgemeine Versorgungsanstalt im Großherzogtum Baden, in Karlsruhe; Atlas, Deutsche Lebensversicherungsgesellschaft, in Ludwigshafen ; Basler Lebensversicherungsgesellschaft, in Basel (auch für EinzelUnfall-Versicherung) ; Caisse paternelle, Compagnie anonyme d'assurances générales sur la vie humaine, in Paris ; Compagnie d'assurances générales sur la vie, in Paris ; Concordia, Kölnische Lebensversicherungsgesellschaft, in Köln; La Genevoise, Compagnie d'assurances sur la vie, in Genf; General Life Assurance Company, in London ; Germania, Life Insurance Company, in New-York ; Germania, Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft, in Stettin ;

$42 Lebensversicherungsbank für Deutschland, zu Gotha; Lebensversicherungs- und Ersparnisbank, in Stuttgart; Lebensversicherungsgesellschaft zu Leipzig; La Nationale, Compagnie d'assurances sur la vie, in Paris; New-York, Life Insurance Company, in New-York; Northern, Assurance Company, in London (auch für Feuerversicherung); Norwich Union, Life Insurance Society, Norwich; Phénix, Compagnie française d'assurances sur la vie, in Paris ; Schweizerischer Lebensversicherungsverein, in Basel; Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, in Zürich; Schweizerische Sterbe- und Alterskasse, in Basel; La Suisse, Société d'assurances sur la vie, in Lausanne; Star, Life Assurance Society, in London; Teutonia, allgemeine Renten-, Kapital- und Lebensversicherungsbank, in Leipzig (auch für Einzel-Unfallversicherung) ; Union, Assurance Society, in London; L'Union, Compagnie d'assurances sur la vie humaine, in Paris ; L'Urbaine, Compagnie d'assurances sur la vie, in Paris; n. Konzessionierte Unfallversicherungsgesellschaften.

Allianz, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Berlin (auch für Transport-, Kaution- und Einbruchdiebstahlversicherung) ; Assicuratrice italiana, società anonima di assicurazioni contro gli infortuni e di riassicurazioni, in Mailand ; Assurance mutuelle vaudoise contre les accidents, à Lausanne ; Basler Lebensversieherungsgesellschaft, in Basel (für Einzelunfallversicherung, auch für Lebensversicherung) ; Kölnische Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport-, Glas-, Diebstahl und Kautionsversicherung) ; Mannheimer Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (auch für Transportversicherung) ; Oberrheinische Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (anch für Transport-, Glas- und Einbruchdiebstahlversicherung) ; La Préservatrice, Compagnie anonyme d'assurances contre les accidents, in Paris; Rhenania, Versicherungs - Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport- und Diebstahlversicherung) ; Helvetia, Schweiz. Unfall- und Haftpflicht-Versicherungsanstalt, in Zürich (bisher : Schweiz. Gewerbe-Unfallkasse) ;

843

Schweizerische Nationalversicherungsgesellschaft, in Basel (auch für Transport-, Glas- und Einbruchdiebstahlversicherung) ; Schweizerischer Schützenverein, in La Sarraz; Schweizerische Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft, in Winterthur ; Le Soleil-Sécurité générale, Compagnie d'assurances contre les accidents, in Paris; Teutonia, allg. Renten-, Kapital- und Lebensversicherungsbank, in Leipzig (für Einzelunfallversicherung, auch für Lebensversicherung) ; Unfallversicherungsgenossenschaft schweizerischer Schiitzenvereine, in Zürich; Zürich, allgemeine Unfall- und Haftpflichtversicherungs-Aktiengesellschaft, in Zürich (auch für Diebstahl- und Kautions^ Versicherung).

HL Konzessionierte Feuerversicherungsgesellsehaften.

Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden, in Basel ; Compagnia di Assicurazione di Milano contro i danni degli Incendi, sulla Vita dell' uomo e per le Readite vitalizie, in Mailand ; Emmenthaler Gesellschaft für gegenseitige Versicherung des Mobiliars gegen Brandschaden, in Biglen ; Feuerversicherungsbank für Deutschland, zu Gotha; La Foncière, Compagnie d'Assurances mobilières et immobilières contre l'incendie et le chômage, in Paris; La France, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris; Gladbacher Feuerversicherungs-Aktiengesellschaft, in M.-Gladbach (auch für Glasversicherung) ; Hamburg-Bremer Feuer-Versicherungsgesellschaft, in Hamburg ; Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungsgesellschaft, St. Gallen; La Nationale, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris ; Northern, Assurance Company, in London (auch für Lebensversicherung); Phénix, Société anonyme d'assurance contre l'incendie, in Paris; Phoenix, Assurance Company, in London ; La Providence, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris ; Schlesische Feuerversieherungsgesellschaft, in Breslau (auch für Transport- und Glasversicherung); Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft, in Bern; L'Union, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris; L'Urbaine, Compagnie d'assurances contre l'incendie, in Paris.

844

IV. Konzessionierte Glasversicherungsgesellschaften.

Allgemeine Spiegelglasversicherungsgesellschaft, in Berlin ; Brandenburger Spiegelglas versicherungsgesellschaft, in Brandenburg; Bremer Spiegelglasversicherungsgesellschaft, in Bremen ; Gladbacher Feuerversicherungs-Aktiengesellschaft, in M.-Gladbach (auch für Feuerversicherung); Kölnische Glasversicherungs-Aktiengesellschaft, in Köln ; Kölnische Unfallversicherung«-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport-, Unfall-, Diebstahl- und Kautionsversicherung); Oberrheinische Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (auch für Transport-, Unfall- und Einbruchdiebstahlversicherung); Schlesische Feuerversicherungsgesellschaft, in Breslau (auch für Transport- und Feuerversicherung); Schweizerische Nationalversicherungsgesellschaft, in Basel (auch für Transport-, Unfall- und Einbruchdiebstahlversicherung) ; Union Suisse, Compagnie générale d'assurances, in Genf (auch für Wasserleitungs- und Einbruchdiebstahlversicherung).

V. Konzessionierte Gesellschaften für Versicherung gegen Wasserleitungsschäden.

L'assurance générale des eaux et autres accidents mobiliers et immobiliers, in Lyon; Union Suisse, Compagnie générale d'assurances, in Genf (auch für Glas- und Binbruchdiebstahlversicherung).

VI. Konzessionierte Gesellschaften für Versicherung gegen Einbruchdiebstahl.

Allianz, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Berlin (auch für Transport-, Unfall- und Kautionsversicherung) ; Kölnische Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport-, Unfall-, Glas- und Kautionsversicherung) ; Oberrheinische Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (auch für Transport-, Unfall- und Glasversicherung) ; Rhenania, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport- und Unfallversicherung) ; Schweizerische Unfall versi cherungs-Aktiengesellschaft, in Winterthur (auch für Unfall- und Kautionsversicherung); Schweizerische Nationalversicherungsgesellschaft, in Basel (auch für Transport-, Unfall- und Glasversicherung) ;

845 Union Suisse, Compagnie générale d'assurances, in Genf (auch für Glas- und Wasserleitungsversicherung) ; Zürich, allgemeine Unfall- und Haftpflichtversicherungs-Aktiengesellschaft, in Zürich (auch für Unfall- und KautionsVersicherung).

VTL Konzessionierte Viehversicherungsgesellschaften.

Badische Pferdeversicherungsanstalt, in Karlsruhe; Central-Viehversicherungsverein, in Berlin; La Garantie fédérale, gegenseitige französische Viehversicherungsgçsellschaft, in Paris ; Sächsische Viehversicherungsbank, in Dresden.

vm. Konzessionierte Hagelversicherungsgesellschaft.

Schweizerische Hagelversicherungsgesellschaft, in Zürich.

IX. Konzessionierte Transportversicherungsgesellschaften.

Allgemeine Versicherungsgesellschaft ,,Helvetia", in St. Gallen ; Allianz, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Berlin (auch für Unfall-, Kautions- und Binbruchdiebstahlversicherung) ; Badische Schiffahrts-Assekuranz-Gesellschaft, in Mannheim; Basier Transportversicherungsgesellschaft, in Basel; Eidgenössische Transportversicherungsgesellschaft, in Zürich; Kölnische Unfall versieh erungs-Aktiengesellschaft, in Köln (Valorenversicherung, auch für Unfall-, Glas-, Diebstahl- und Kautionsversicherung) ; Mannheimer Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (auch für Unfallversicherung) ; Marine Insurance Company, limited, in London ; La Neuchâteloise, société suisse d'assurance des risques de transport, in Neuenburg; Norddeutsche Versicherungsgesellschaft, in Hamburg; Oberrheinische Versicherungsgesellschaft, in Mannheim (auch für Unfall-, Glas- und Einbruchdiebstahlversicherung); Rheinisch-Westfälischer Lloyd, Transportversicherungsgesellschaft, in M.-Gladbach; Rhenania, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Unfall- und Diebstahlversicherung); Schlesische Feuerversicherungsgesellschaft, in Breslau (auch für Feuer- und Glasversicherung); Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. I.

58

846

·Schweiz, allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Zürich (auch für Feuer- und Unfall-Rückversicherung); Schweizerische Nationalversicherungsgesellschaft, in Basel (auch für Unfall-, Glas- und Einbruchdiebstahlversicherung).

X. Konzessionierte Rückversicherungsgesellschaften.

Basler Rückversicherungsgesellschaft, in Basel ; Prudentia, Aktiengesellschaft für Rück- und Mitversicherung, in Zürich ; Rheinisch -Westfälische Rückversicherungs-Aktiengesellschaft, in M.-Gladbach ; Schweiz, allg. Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Zürich (für Feuerund Unfall-Rückversicherung, auch für Transportversicherung) ; Schweizerische Rückversicherungsgesellschaft, in Zürich.

XL Konzessionierte Gesellschaften für Kautionsversicherung.

Allianz, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Berlin (auch für Transport-, Unfall- und Einbruchdiebstahlversicherung) ; Kölnische Unfallversicherung«-Aktiengesellschaft, in Köln (auch für Transport-, Unfall-, Glas- und Diebstahlversicherung) ; Schweizerische Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft, in Winterthur (auch für Unfall- und Diebstahlversicherung) ; Zürich, allgemeine Unfall- und Haftpflichtversicherungs -Aktiengesellschaft, in Zürich (auch für Unfall- und Diebstahlversieherung).

6. Anstalten, die auf die eidgenössische Konzession verzichtet haben, aber bis zur Abwicklung des schweizerischen Versicherungsbestandes der Staatsaufsicht unterstellt bleiben.

L'Aigle, Compagnie française d'assurances sur la vie, in Paris ; La Confiance, Compagnie d'assurances sur la vie, in Paris ; Equitable, Life Assurance Society of thé United States, in NewYork; ·La Foncière, Compagnie d'assurances sur la vie, in Paris ; La Providence, Compagnie anonyme d'assurances sur la vie, in Paris ; Le Soleil, Société anonyme d'assurances sur la vie, in Paris.

Düsseldorfer allgemeine Versicherungsgesellschaft für See-, Flußund Landtransport, in Düsseldorf.

La Providence,. Compagnie, d'assurances contre les accidents in Paris.

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Bin R e k u r s der Basler Lebens Versicherungsgesellschaft gegen die Regierung des Kantons Aargau wegen Besteuerung von Lebensversicherungsautomaten, wurde zurückgelegt, bis zum Entscheid eines hängenden präjudiziellen Rekurses in anologer Sache.

Die Gesamtzahl der im Jahre 1901 erledigten Korrespondenzen beträgt 2681, nämlich 1273 Eingänge und 1408 Ausgänge. Weitaus die Mehrzahl dieser Korrespondenzen hat zum Gegenstand die Besprechung von neuen Versicherungsmaterialien und der Rechenschaftsberichte, die uns die Gesellschaften gemäß Art. 2, 4 und 5 des Aufsichtsgesetzes vorzulegen verpflichtet sind.

Die Gesellschaften kommen der Vorlagepflicht noch immer nicht ·allgemein mit der wünschbaren Pünktlichkeit nach. Namentlich führte der Umstand, daß auch solches Material, das nur im Ausland zur Verwendung gelangt, vorlagepflichtig ist, öfters zu Mahnungen und Auseinandersetzungen.

Das Versicherungsamt hatte sechs Gutachten versicherungstechnischer Natur zu erstatten. Ferner hat es eine Anzahl Anfragen von Hülfsvereinen und ändern Personenverbänden, sowie eine Menge Anfragen von Privatpersonen über Stand und Thätigkeit konzessionierter Gesellschaften, über Reduktion, Rückkauf und Umwandlung von Versicherungsverträgen zu beantworten.

Bei Anfragen privatrechtlicher1 Natur hat das Versicherungsamt den im Bericht des Vorjahres gekennzeichneten und ihm durch das Aufsichtsgesetz selber (Art. 13) zugewiesenen Standpunkt gewahrt.

Gegen eine Gesellschaft wurde in Anwendung von Art. 10 des Aufsichtsgesetzes eine Buße von Fr. 350 verhängt.

In zwei Fällen mußten wir gestutzt auf Art. 11, Ziffer l, des Aufsichtsgesetzes wegen unerlaubten Versicherungsbetriebes einschreiten. Ein Spezereihändler in Basel suchte auf eigene Faust und ohne vorherige Genehmigung in Verbindung mit seinem Geschäfte Kundenversicherung zu betreiben. Da noch keine Versicherungsverträge geschlossen waren und der betreffende Spezereihändler auf unser erstes Einschreiten das Aufgeben der Versicherung öffentlich bekannt machte, so haben wir von einer Strafanzeige abgesehen.

Ferner sahen wir uns veranlaßt, bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gegen P. Barrai, den Vorsteher der apostolischen Schule ,,Betlehemu in Immensee Strafanzeige einzureichen.

Gleichzeitig hatte die Kantonsbehörde von sich aus die Untersuchung eingeleitet. Die Angelegenheit war am Ende des Berichtsjahres noch nicht erledigt.

848

In Ausführung des Bundesbeschlusses vom 20. Dezember 1888 sind dem Versicherungsamt im Laufe des Berichtsjahres 33 Urteile mitgeteilt worden. In 22 Fällen ist eine Gesellschaft Partei.

Die ändern Fälle haben Haftpflichtstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Unternehmungen zum Gegenstand. Die 22 Urteile, bei denen eine Gesellschaft Partei ist, gruppieren sich wie folgt: 1. Nach den Branchen, auf die sie sich beziehen: Unfallund Haftpflichtversicherung 16; Feuerversicherung 2; Viehversicherung 4.

2. Nach den Instanzen, von denen sie gefällt wurden: Erste Instanz 15 ; zweite Instanz (kantonale) 5 ; Bundesgericht 2.

3. Nach der Nationalität der Gesellschaften : Schweiz 11, Frankreich 9, Deutschland 2.

4. Nach den Kantonen der urteilenden Gerichte: Bern 6, Zürich 4, Neuenburg 4, Genf 3, Solothurn 2, Aargau l, Basel l, Luzern 1.

In 10 Fällen trat die Gesellschaft als Klägerin auf. In 5 Fällen hat sie den Prozeß gewonnen, in 5 Fällen verloren.

In 12 Fällen war die Gesellschaft Beklagte, wobei in 6 Fällen der Prozeß zu gunsten der Kläger, in 6 Fällen zu gunsten der Beklagten entschieden wurde.

Gesetzesentwurf über den Versicherungsvertrag. Die Beratungen der Gesamtkommission fanden vom 1. bis 13. September in Zürich und vom 29. September bis 1. Oktober in Lausanne statt. Der Entwurf liegt nunmehr im Druck vor.

Das P e r s o n a l des Versicherungsamtes hat im Berichtsjahr eine Änderung erfahren. Der juristische Beamte, Herr Dr. E.

Ceresole, hat auf Ende Februar seine Entlassung eingereicht. An seine Stelle wurde am 25. Mai Herr Dr. E. Blattner, Fürsprech, von Aarau. gewählt.

Die von den Gesellschaften geleistete S t a a t s g e b ü h r (Art. 12, Alinea 2, des Aufsichtsgesetzes) ergab im Jahre 1901 Fr. 53,636. 70 (gegen 52,302. 30 im Vorjahre). Außerdem wurde eine Buße entrichtet von Fr. 350.

Der V e r k a u f des B e r i c h t e s brachte im Subskriptionsweg Fr. 2416, im Kommissionsverlag Fr. 211. 50 (gegen Fr. 2390und Fr. 241 im Vorjahre) ein.

849

E. Amt für geistiges Eigentum.

Allgemeines.

Durch Bundesbeschluß vom 25. Juni ist zwei Vereinbarungen ·zwischen den Staaten der internationalen Union zum Schütze des gewerblichen Eigentums, welche am_14. Dezember 1900 in Brüssel abgeschlossen worden sind, die Genehmigung erteilt worden.

Die erste dieser Vereinbarungen betrifft Änderungen der Konvention vom 20. März 1883 und des zugehörigen Schlußprotokolls, während sich die zweite auf die Übereinkunft vom 14. April 1891 betreffend die internationale Markeneintragung bezieht.

Beide Vereinbarungen sind noch nicht in Kraft getreten.

Personal.

Im Berichtsjahr sind zwei Beamte gestorben, nämlich am 5. Februar Herr Henri Juat, Kanzlist H. Klasse, und am 27. Juni Herr Jules Grfeller, administrativer Adjunkt. Am 31. Oktober ist Herr F. Nägeli, Ingenieur I. Klasse, ausgetreten. Von den durch Tod erledigten Stellen wurde die erste auf 1. Mai besetzt durch Herrn Ernst Hofer von Hasli bei Burgdorf und die zweite auf 1. September- durch Herrn Paul Hafner von Zürich. Als Ingenieur II. Klasse ist am 15. Mai Herr J. Stocker von Büron (Luzern) und als Ingenieur I. Klasse am 22. Juli Herr F. Blau von Bern eingetreten.

1. Erfindungsschutz.

Für die Zahlung der zweiten Jahresgebühr wurde den Anmeldern von Patenten im Einverständnisse mit dem Departement eine außerordentliche Nachfrist von drei Monaten seit der amtlichen Eintragung des Patentes bewilligt, wenn am Jahrestage der Einreichung des Patentgesuches diese Eintragung noch nicht stattgefunden hat.

Beim Departement wurden 9 Rekurse gegen Verfügungen des Amtes eingereicht; 4 wurden gutgeheißen, 3 abgewiesen und 2 sind noch unerledigt.

850

Statistik.

A. Allgemeine Informationen.

Hinterlegte Gesuche für ,, ,, ,,

wovon : provisorische Patente definitive Patente Zusatzpatente Ausstellungsschutz

1901.

1900.

2781

2759

2084 636 59 2

2118 582 64 --

Zurückgezogene Gesuche Zurückgewiesene Gesuche Rekurse gegen Gesuchszurückweisung u. s. w.

Beanstandungen betreffend Gesuche in Prüfung wovon :

267 163 9 3514

194 153 13 3368

2199 973 307 35

2165929 244 30

Konfidentielle Anzeigen Hauptpatente, eingetrageneZusatzpatente, eingetragene Ausstellungsschutz, eingetragener Umwandlungsmahnungen Modellausweise dem Amte zugestellt wovon :

59 1968 34 2 872 1506

45 1854 35 -- 650 1403

I. Beanstandungen n.

,, HI.

,, weitere ,,

.

.

.

Zur Vergleichung auf dem Amte Zur Vergleichung außerhalb des Amtes . . .

Bleibend hinterlegte Modelle Bleibend hinterlegte Photographien . . . .

1072 117 89 228

1006 95 87 215

Modellausweise v o m Amte verneint . . . .

124 Modellausweise dem Departement zugestellt . 2 6 Jahresgebühren-Mahnungen 3108 Stundungen für die 3 ersten Jahresgebühren . 1 0 Bezahlte Jahresgebühren 7710

134 11 3223 9 7623

wovon : 1. Jahresgebühren 2.

,, 3.

,, 4.

,, 5.

,, 6.

,, 7.

,, 8.

,, 9.

,, 10.

,, 11.

., 12.

,, 13.

,, 14.

,,

2298 1555 1296 689 488 346 245 199 165 159 99 77 77 17

2372 1693 1159 673 424 320 264 196 190 121 86 100 25 --

851 Abtretungen, eingetragene Licenzen, eingetragene Verpfändungen, eingetragene Nachträgliche Eintragungen Löschungen wovon : Hauptpatente Zusatzpatente

Nichtigkeitserklärungen Vertreter-Änderungen

1901.

1900.

217 70 J 6 1965

226 20 2 2 2061

1944 21

2041 20

2 292

-- 262

B. Verteilung nach Ländern der in den Jahren 1900 und 1901 erteilten Hauptpatente.

Schweiz Ausland

1901.

1900.

643 = 33 % 1325 = 67 % 1968

596 = 32 % 1258 = 68 % "Ï854

Verteilung: für das Ausland.

Europa.

Belgien . .

Dänemark und Kolonien Deutschland Frankreich und Kolonien Großbritannien und Kolonien Italien Luxemburg Niederlande und Kolonien Österreich Ungarn Rumänien Rußland Schweden und Norwegen Spanien Übertrag

1901.

1900.

33 13 614 218 97 36 -- 6 79 18 3 18 16 3

27 7 619 205 105 29 2 7 62 24 l 17 16 2

1154

1123

852

Übertrag Andere Erdteile.

Afrika (Ägypten) Amerika (Süd) Australien Kanada Mexiko Neu-Seeland Vereinigte Staaten von Nordamerika.

1901.

1900.

1154

1123

2 2 2 3 1 1 160 1325

_ 3 4 3 -- 2 123 1258

2. Muster und Modelle.

Die Eigentümer von 179 Hinterlegungen wurden vom Ablaufe der Schutzfrist benachrichtigt.

Sechs Hinterlegungsgesuche mit 127 Gegenständen wurden abgewiesen und sieben Gesuche mit 66 Gegenständen zurückgezogen.

Statistik.

A. Tabelle für die drei Schutzperioden.

Hinterlegungen.

Gegenstände.

Perioden.

1901.

1900.

1901.

1900.

I. Periode (wovon versiegelt) II. Periode IO. Periode . . . . ' . .

672 ' 1010 2 107,279 66,380 334 692 93,844 58,962 85 264 .60 251 19 12 41 96

Abtretungen Löschungen (ganzer Depotinhalt) .

Löschungen (teilweiser Depotinhalt)

101 98 5

1 2

68 533 61

Wovon 254 mit 104,524 Stickereimustern.

,, 643 ,, 62,353

7,901 1,049 711 28,540 60 1,746

853 B. Verteilung nach Ländern für die I. Periode.

Hinterlegungen.

Gegenstände.

Länder.

1901.

642

Schweiz Ausland

30

. . .

Total

672

1900.

1901.

1900.

078 107,041 65,775

32

238

605

1010 107,279 66,380

Verteilung für das Ausland.

Ägypten Deutschland Frankreich . . .

. .

Griechenland Großbritannien . . . .

Niederlande . . .

Österreich

1 16 6 1 1 5

1 1 2

Total

30

32

18 10

1 186 10 1 1

261 310

39

11 1 22

238

605

3. Fabrik- und Handelsmarken.

Dem Departemente wurden zwei Rekurse eingereicht; der eine wurde zurückgezogen, der andere wurde gutgeheißen.

Statistik.

A. Allgemeine Informationen.

Marken, welche zur Eintragung angemeldet wurden Marken mit unregelmäßigen oder unvollständigen Gesuchen Eingetragene Marken (auf dem eidgenössischen Amte) Eingetragene Marken (auf dem internationalen Bureau) Internationale Marken, denen der Schutz verweigert wurde

1901.

1900.

1375

1181

387

458

1341

1119

369

368

2

6

854 Zurückgezogene Marken . . .

Zurückgewiesene Marken Rekurse . . . .

Marken, welche zu einer vertraulichen Mitteilung Anlaß gegeben haben Firmen- oder Donmiländerungen etc Übertragene Marken Gelöschte Marken (auf Ansuchen der Hinterleger) Gelöschte Marken (infolge Urteils) Gelöschte Marken (wegen Nichterneuerung) Marken, deren Hinterlegung erneuert wurde wovon : Wegen Ablaufs der Schutzfrist Aus ändern Gründen Erneuerungsmahnungen (Art. 8 des Gesetzes) .

1901.

19

1900.

17

15 2

21 4

46 5 211 25 2 298 108

40 198 193 23 3 -- 28

82 26

ll

261

17 214

B. Verteilung nach Warenklassen der in den Jahren 1900 und 1901 auf dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken.

Warenklassen.

Nationale Eintragung.

Internationale Eintragung.

1901. 1900. 1865/01. 1901. 1900. 1893/01.

92 184 206 1848 94 551 41 2. Getränke etc. .

45 842 34 42 385 99 68 1190 10 14 126 3. Tabak etc.

4. Heilmittel etc.

128 119 1421 70 65 523 5. Farben, Seifen etc. . 153 154 1409 49 63 438 77 1552.

6. Textilprodukte etc. . 112 39 20 269 21 7. Papierwaren etc. .

30 7 306 8 45 8. Heizung, Beleuchtung 19 125 etc 36 30 311 16 7 14 8 7 9. Baumaterialien etc. .

151 43 9 10. Möbel etc 19 149 29 36 10 67 11. Metalle, Maschinen etc. 129 13 17 103 853 12. Uhren etc. . . .

373 301 4010 15 11 112 2 13. Diverses . . . .

9 5 -- 11 26

1. Nahrungsmittel

etc. .

1341 1119

14168

369

368 2760

855 C. Verteilung nach Ländern der in den Jahren 1900 und 1901 auf dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken.

Länder.

Schweiz Ägypten Belgien Dänemark . . . .

Deutschland . . . .

Frankreich . . . .

Großbritannien .

Italien Kuba Niederlande . . . .

Österreich . . . .

Ungarn Portugal Rumänien . . . .

Rußland Schweden . . . .

Spanien Tunis Vereinigte Staaten von Brasilien . . . .

Vereinigte Staaten von Nordamerika .

Nationale Internationale Eintragung.

Eintragung.

1901. 1900. 1865/01. 1901. 1900. 1893/01.

1046 890 10063 4 7 4 76 3

102

108

658

18

24

152

"11.

155 129 1442 17 12 1372 52 53 786 -- 2 22 2 -- 2 -- 2 19 18 15 196 1 2 1 -- 2 --

-- -- --

1 1 40 9

-- -- -- 176 165 1374 -- -- -- 54 10 15 -- -- -- 60 48 476 1

--

3

-- --

-- -- 8 --

-- -- 42 1

2

1 41

1341

128

--

--

--

1119 14168

369

368

2760

11

4. Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigentums.

Es wurden 250 obligatorische und 78 fakultative tragungen vorgenommen.

Ein-

856

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Revision des Bundesgesetzes, betreffend die Wahlen in den Nationalrat, vom 20. Juni 1890.

(Vom 26. Februar 1902.)

Tit.

Das von Ihnen durch Beschluß vom 20. Dezember 1901 gültig erklärte Ergebnis der eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember 1900 weist eine Wohnbevölkerung von 3,315,443 Seelen, gegenüber der Volkszählung vom 1. Dezember 1888, welche eine Gesamtwohnbevölkerung von 2,917,754 ergeben hatte, einen Zuwachs von 397,689 Einwohnern auf. Infolgedessen steigt die Gesamtzahl der Mitglieder des Nationalrates von 147 auf 167. Maßgebend hierfür ist Artikel 72 der Bundesverfassung, welcher bestimmt, daß auf je 20,000 Seelen der Gesamtbevölkerung ein Mitglied gewählt wird, und daß Bruchzahlen von über 10,000 Seelen ebenfalls zu einem Vertreter berechtigen. In der im Anhang zu dieser Botschaft gedruckten Übersicht sind die Volkszählungsergebnisse von 1888 und 1900 nach Wahlkreisen zusammengestellt; angegeben ist ebenfalls für jeden Wahlkreis sowohl die Zahl der bisher gewählten als die Zahl der künftighin nach dem jetzigen Stand der Bevölkerung zu wählenden Abgeordneten in den Nationalrat. Die zwanzig neuen Sitze

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1901.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1902

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

10

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.03.1902

Date Data Seite

797-856

Page Pagina Ref. No

10 019 965

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