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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Abänderung des Art. 2, Litt, c, der Militärorganisation vom 13. November 1874 (Dienstbefreiung der Offiziere und Soldaten der kantonalen Polizeicorps) behufs Organisation des Feldgendarmeriedienstes beim schweizerischen Bundesheere.

(Vom 30. Mai 1902.)

Tit.

In der Absicht, in der Armee den Feldgendarmeriedienst zu organisieren und zur Aufstellung des Feldgendarmeriecorps einen Teil der Offiziere und Mannschaften der Polizeicorps der Kantone beizuziehen, beehren wir uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetze betreffend die Abänderung des Art. 2, Litt, c, der Militärorganisation vom 13. November 1874 mit nachstehenden erläuternden Bemerkungen zu unterbreiten.

Die schweizerische Armee kennt die Einrichtung der Feldgendarmerie, oder irgend eines brauchbaren Ersatzes für dieselbe nicht. Die Offiziere und Soldaten der kantonalen Polizeicorps sind vorbehaltlos vom Dienste befreit. Die Erfahrungen der Friedensmanöver weisen jedoch auf die absolute Notwendigkeit eines militärisch organisierten Polizeidienstes im Rücken der Truppe hin.

Bundesblatt. 54. Jahrg. Bd. III.

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Die Rücksicht auf die unzweifelhafte Wichtigkeit und Nützlichkeit des Feldgendanneriedienstes läßt es dringlich erscheinen, diese offenbare Lücke nach^ Möglichkeit auszufüllen. Wir sind der Ansicht, daß damit nicht länger, namentlich auch nicht bis zu einer Revision des gesamten Militärorganisationsgesetzes zugewartet werden darf.

Die Z w e c k m ä ß i g k e i t der Einführung einer Feldgendarmerie kann schon durch die Thatsache nachgewiesen werden, daß die Armeen aller Nachbarstaaten solche Institutionen besitzen, und zwar entweder schon in Friedenszeiten organisiert und in Funktion (so in Frankreich) oder aber wenigstens derart vorbereitet, daß die Bildung der Corps und die Zuteilung zu den einzelnen Stäben ohne weitere Ausführungsbestimmungen auf Grund des Mobilmachungsbefehles stattfinden kann (so in Deutschland).

Die N o t w e n d i g k e i t der Einführung eines Feldgendafmeriecorps erweist sich vorab dann, wenn man sich dessen vielgestaltige und außerordentlich wichtige Aufgaben vergegenwärtigt.

In erster Linie fällt der Feldgendarmerie die Handhabung des eigentlichen P o l i z e i d i e n s t e s bei der Armee zu, also die Nachforschung nach Verbrechen und Vergehen und deren Vorzeigung an die zuständigen Organe, die allgemeine Fahndung, der Transport der Arrestanten, der Untersuchungs- und Strafgefangenen etc., sowie die Ausführung der von den Militärjustizbeamten erteilten Aufträge und Weisungen.

Der Feldgendarmerie fällt sodann der polizeiliche S i c h e r h e i t s d i e n s t zu; sie sorgt für das Freihalten der von den Truppen zu benutzenden Straßen und Kolonnenwege und übt die Straßen- und Lokalpolizei in den Hauptquartieren und Truppenkantonnementen aus. Sie überwacht die Marketender, Hausierer, Fuhrleute, Pferdewärter, Offiziersbedienten etc., und hält die Ordnung beim Troß aufrecht. Ihr fällt die Verhütung der Spionage durch die so außerordentlich wichtige, genaueste Überwachungaller mit der Armee in Berührung tretenden Civilpersonen, Fernhaltung aller verdächtigen Elemente u. s. w. zu. Umgekehrt kann die Feldgendarmerie für das eigene Nachrichtenwesen zweckentsprechend verwendet werden. Bei Märschen folgen die Feldgendarmen den Kolonnen, führen allfällige Nachzügler nach und sorgen für Aufrechthaltung der Ordnung beim Train.

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r.

Während des Kampfes liegt ihnen die Obsorge für Ordnung · hinter der, Linie, ganz besonders für Freihaltung der Kommunikationen , für Bekanntgabe der Standorte der Heeresanstalten hinter der Linie (z. B. Verbandplätze, Munitionsdepots etc.) ob.

Nach dem Kampfe haben sie das Gefechtsfeld abzupatrouillieren und das Ausplündern der Verwundeten und Toten zu verhindern.

Der Dienst der S i t t e n - und F r e m d e n p o l i z e i umfaßt die Kontrolle und Wegweisung, eventuell Festnahme und Abführung der den Truppen folgenden Dirnen, Bettler, Vaganten und der für die allgemeine Sicherheit als gefährlich bekannten oder verdächtig scheinenden Personen.

Im Dienste der G e s u n d h e i t s p o l i z e i fallen der Feldgendarmerie die Untersuchung der Brunnen und Wasserläufe, Maßnahmen gegen deren Verunreinigung, die Prüfung der feilgehaltenen Eßwaren und Getränke, die Obsorge für Beerdigung von Toten, das Vergraben toter Tiere, sowie der Abfälle von Feldschlächtereien u. dgl. zu.

Diese Andeutungen über die Aufgaben der Feldgendarmerie mögen genügen, um die Bedeutung dieser Institution ins Licht zu setzen. Sie liefern aber auch den Beweis, daß die Organe, denen dieser Dienst überbunden werden soll, eine Specialausbildung beziehungsweise ganz besondere Qualifikationen haben müssen.

Es geht daher absolut nicht an, beispielsweise die Kavallerie mit diesen Aufgaben zu betrauen. Es m ü s s e n hierfür Leute verwendet werden, die vermöge ihrer beruflichen Thätigkeit und ihrer praktischen Erfahrung in der Handhabung des Polizeidienstes als solchem zu Hause sind und denen infolgedessen nur die Anwendung auf die specifisch militärischen Verhältnisse beizubringen ist; damit ist man hinsichtlich der Rekrutierung ohne weiteres auf die k a n t o n a l e n P o l i z e i c o r p s angewiesen. Es ist nicht zu verkennen, daß für manche Kantone die plötzliche Wegnahme eines Teils ihrer Polizeicorps Inkonvenienzen verursachen wird.

Diese Rücksichten müssen aber angesichts des u n l e u g b a r v o r h a n d e n e n B e d ü r f n i s s e s zurücktreten und anderseits darf auch darauf verwiesen werden, daß durch die Schaffung der Feldgendarmerie den kantonalen Polizeicorps mannigfache Aufgaben abgenommen werden, deren Lösung sie sich kaum ganz hätten entziehen können.

Indessen beabsichtigen wir, die Stärke des Gendarmeriecorps auf das zulässige Minimum zu beschränken. Es sollen der Armee-

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Stab, die Armeecorps- und Divisionsstäbe vorläufig je ein Détachement von 10--15 Feldgendarmen zugeteilt erhalten, so daß wir nicht mehr als cirka 6 Offiziere und cirka 200 Feldgendarmen nötig haben werden. Es würde das auf 8 Mann des gegenwärtigen Effektivbestandes der kantonalen Polizeicorps die Stellung eines Feldgendarmen treffen.

Rechnen wir noch einen Zuschlag für allfälligen vermehrten Bedarf, sowie für die Abgänge während der Armeeaufstellung, so werden wir immerhin nicht in den Fall kommen, die Kantone für die Stellung von mehr als einem Vierteil ihrer Polizeicorps in Anspruch nehmen zu müssen. · Gestützt auf vorstehende Ausführungen, beehren wir uns, Ihnen, Tit., den beiliegenden Gesetzesentwurf zur Annahme zu empfehlen.

Wir benutzen diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. Mai 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rangier.

À

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Bundesgesetz betreffend

Änderung des Art. 2, litt, c, der Militärorganisation vom 13. November 1874 (Dienstbefreiung der Offiziere und Soldaten der kantonalen Polizeicorps).

Die Bundesversammlung d e r S c h w e i z e r i s c h e n. E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Mai 1902, beschließt: 1. In Abänderung von litt, c des Art. 2 der Militärorganisation ist der Bundesrat ermächtigt, behufs Aufstellung eines Feldgendarmeriecorps bei der Armee, einen Teil der Offiziere und Soldaten der kantonalen Polizeicorps -- im Maximum ein Vierteil des gegenwärtigen Effektivbestandes des Polizeicorps jedes Kantons -- zum Dienste bei der Armee zuzuziehen.

-

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt. Er trifft durch eine Verordnung die nötigen Verfügungen über Bestand, Organisation und Aufgaben des Feldgendarmeriecorps.

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3. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Abänderung des Art. 2, Litt, c, der Militärorganisation vom 13. November 1874 (Dienstbefreiung der Offiziere und Soldaten der kantonalen Polizeicorps) behufs Organisation des Feldgendarme...

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04.06.1902

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477-482

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