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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor bestraften Friedrich Rhyn von Bollodingen.

(Vom 5. Juni 1902.)

Tit.

Der 42jährige Friedrich Rhyn von Bollodingen ist nach den Akten infolge Lähmung arbeitsunfähig und erwirbt seinen Lebensunterhalt durch Hausieren mit geringwertigen Waren gestützt auf ein kantonales Patent. In der Nacht vom 18./19. Februar 1902 wurde er in einer Wirtschaft in arg betrunkenem Zustand durch den Landjäger Neuenschwander in Graßwil, Amt Wangen, Kanton Bern, angehalten, um in einem Viehstall zum Übernachten versorgt zu werden. Dabei ergab sich, daß Rhyn in seinem Hausiersack 21 Pakete Zündhölzchen mit gelbem Phosphor mit sich führte, und er gab im Verhör vor Polizeirichter zu, das sei in der Absicht geschehen, diese Ware an Private gegen Bezahlung zu verkaufen.

Gemäß Art. 4 und 9, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen verurteilte, gestützt auf diese Thatsache, der Richter den Rhyn zu Fr. 100 Geldbuße und zur Bezahlung der Fr. 5 betragenden Gerichtskosten.

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Rhyn hat die Gerichtskosten laut Zeugnis der Amtsschaffnerei Herzogenbuchsee am 13. Mai 1902 entrichtet. Dagegen stellt er das Gesuch um Erlaß der Buße im Wege der Begnadigung, indem er ausführt, daß er wegen seiner Armut und seinen peuibeln Erwerbsverhältnissen nicht im Falle wäre, dieselbe zu bezahlen, und daß eine Umwandlung in Gefängnis ihn noch mehr zurückbringen würde. Heimatsbehörde und Polizeirichter empfehlen das Gesuch zur Genehmigung.

Die im Bundesgesetz vom 2. November 1898 gegen den Verkauf verbotener Zündhölzchen angedrohte Strafe steht in ihrem Minimum, wie schon öfter anerkannt worden, in keinem richtigen Verhältnisse zu der Größe der Übertretung und verdient daher in allen denjenigen Fällen bei Anrufung der Begnadigungsinstanz reduziert zu werden, in welchen es sich um erstmalige Gesetzesverletzung handelt und in welchen die Vermögens- und Erwerbsbedingungen der Fehlbaren ungünstige sind. Gänzliche Aufhebung der Buße aber wäre im vorliegenden Falle nicht am Platze, da der Gebüßte offenbar sich der Strafbarkeit seiner Handlungsweise bewußt war und den Verkauf der verbotenen Ware gewerbsmäßig betrieb.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den o

Antrag: Es sei die über Friedrich Rhyn verhängte Geldbuße auf Fr. 10 zu ermäßigen, in der Meinung, daß sie im Falle der Unerhältlichkeit in zwei Tage Gefängnis umgewandelt werden soll.

B e r n , den 5. Juni 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor bestraften Friedrich Rhyn von Bollodingen. (Vom 5. Juni 1902.)

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1902

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11.06.1902

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619-620

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